Wo ein Wille, da ein Weg?

Studie zur baulichen Barrierefreiheit in Betriebsstätten von Unternehmen und Nonprofit Organisationen in Ostösterreich

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Bericht
Releaseinfo: Studie im Auftrag und unter Mitarbeit des Österreichsichen Zivilinvalidenverbandes (ÖZIV)
Copyright: © NPO-Institut 2009

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildung 1: Anzahl der sicherheitsgefährdenden Barrieren pro untersuchter Branche............24

Abbildung 2: Anzahl von Barrieren pro untersuchter Branche, die die ArbeitnehmerInnen mit Behinderung benachteiligen oder diskriminieren.......................................................................25

Abbildung 3: Anzahl von K.O.-Barrieren nach untersuchter Branche und besichtigter Objektzahl...................................................................................................................................26

Abbildung 4: Anzahl der Barrieren in den jeweiligen Subbereichen nach untersuchter Branche .....................................................................................................................................................27

Abbildung 5: Anzahl der Barrieren nach untersuchter Branche und Behinderung.....................29

Abbildung 6: Anzahl an Barrieren nach Barriere-Gruppen und Branchen.................................30

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: kontaktierte Unternehmen und NPOs .......................................................................12

Executive Summary

Ausgangssituation und Ziele der Studie

2006 wurde das Projekt "ÖZIV ACCESS Gleichstellungsberatung" unter der Förderung des damaligen Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) ins Leben gerufen mit dem Ziel, private Wirtschaftstreibende und öffentliche Organisationen, beratend und unterstützend bei der Umsetzung des Bundes- Behindertengleichstellungsgesetztes zu begleiten.

Seit damals wurden rund 80 entgeltliche und 50 unentgeltliche Beratungen durchgeführt, wobei Beratung für die Gestaltung barrierefreier Betriebsstätten und behindertengerechter Arbeitsplätze weder nachgefragt noch gewünscht wurde.

In Anbetracht steigender Zahlen von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung bzw. begünstigt behinderter Personen, ging die vorliegende, vom Österreichischen Zivil- Invalidenverband und dem NPO-Institut durchgeführte Studie, folgenden Fragestellungen nach:

  • In welchem Ausmaß sind Betriebsstätten in Ostösterreich barrierefrei zugänglich?

  • Inwieweit besteht seitens der Unternehmen Bereitschaft in barrierefreie Betriebsstätten zu investieren?

  • Besteht bei den Unternehmen Unterstützungsbedarf hinsichtlich des Abbaus von Barrieren für Menschen mit Behinderung in Betriebsstätten?

Methodisch wurden erstens Leitfadeninterviews mit verantwortlichen Personen in Unternehmen in vier Branchen und NPOs geführt. Zweitens wurde zur Beurteilung der baulichen Barrierefreiheit eine Begehung von 1-2 Betriebsstätten des Unternehmens bzw. der NPO durchgeführt.

Ergebnisse der Studie

Insgesamt gesehen, stehen die betrachteten Unternehmen und NPOs einer Beschäftigung von Personen mit Behinderung positiv gegenüber und beschäftigen auch MitarbeiterInnen mit Behinderung. Der Großteil dieser MitarbeiterInnen zählt jedoch zu langjährigen Angestellten, die im Laufe ihrer Tätigkeit eine Behinderung bekommen haben. Die Verantwortung zur Finanzierung von notwendigen Umbauten sehen die meisten befragten Personen großer Unternehmen beim Unternehmen selbst. Kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) wie auch NPOs sehen zumindest eine Teilverantwortung beim Staat. Über die Fördermöglichkeiten sind die meisten jedoch schlecht oder nicht informiert.

Neueinstellungen von Personen mit Behinderungen werden von der Mehrheit mit Skepsis betrachtet. Die Skepsis wird mit Begründungen wie zu rigider Kündigungsschutz und zu hohe Leistungsanforderungen an die MitarbeiterInnen argumentiert. Zudem gäbe es auch eine zu geringe BewerberInnenzahl. Dies zeigt, dass (mangelnde) bauliche Barrierefreiheit nur ein Aspekt in Zusammenhang mit der Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt darstellt.

Nichtsdestotrotz wird bauliche Barrierefreiheit in erster Linie für den Kundenbereich angestrebt und v.a. in Verkaufsfilialen im außerstädtischen Bereich oder in Industriegebieten umgesetzt. Bei MitarbeiterInnen mit Behinderung erfolgt eine individuelle Anpassung des Arbeitsplatzes oder der Aufgabenbereiche an ihre jeweiligen Bedürfnisse. Dabei werden allfällige Umbaumaßnahmen innerhalb der Unternehmens- und Organisationsstruktur schnell entschieden und genehmigt.

Bei der Begehung der untersuchten Objekte hat sich gezeigt, dass drei Viertel der sechzehn begangenen Gebäude sogenannten K.O.-Barrieren aufweisen also von Menschen mit Behinderung nicht genützt werden können. Die häufigste K.O.- Barriere sind fehlende barrierefreie Sanitäranlagen oder Stufen vor Eingängen und betreffen vor allem Personen mit Mobilitätseinschränkung.

In allen vier untersuchten Branchen wird die Gruppe mobilitätseingeschränkter Personen, am häufigsten durch Barrieren behindert. Am zweitstärksten sind Personen mit Sehbehinderung sowie blinde Personen betroffen.

Im Hinblick dessen, dass das Thema "Barrierefreiheit" auch in Zukunft, nicht zuletzt durch die alternde Bevölkerung, eine zunehmend größere gesamtgesellschaftliche Rolle spielen wird, ist es vergleichsweise noch schlecht verankert.

Maßnahmen zur Sensibilisierung sollten jedoch nicht nur bei Verantwortlichen in Unternehmen und NPOs angesetzt werden. Die notwendige Akzeptanz für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung betrifft nicht unwesentlich auch KundInnen und somit letztlich die Gesamtbevölkerung.

Folgende Handlungsempfehlungen, die im Kapitel 9 näher beschrieben sind, können

aus der Studie abgeleitet werden:

  • Lobbying für Menschen mit Behinderung bei gewinnorientierten Unternehmen und NPOs verstärken

  • Ausweitung eines über den Abbau von baulichen Barrieren hinausgehenden Beratungsangebots für ArbeitgeberInnen

  • KMUs und NPOs verstärkt über Fördermöglichkeiten in Zusammenhang mit der Herstellung einer baulich barrierefreien Arbeitsumgebung informieren

  • Verstärkte Zusammenarbeit mit ArchitektInnen und Baufirmen, um bereits bei der Planung von Neu- bzw. Umbauten die Einhaltung von Normen zu baulicher Barrierefreiheit zu forcieren

  • Evaluierung des bestehenden Kündigungsschutzes und Prüfung alternativer Zugänge

1 Ausgangssituation und Ziele

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1.1 Ausgangssituation

Personen mit Behinderung am Arbeitsmarkt

Laut einer vom BMSK in Auftrag gegebenen und von Statistik Austria durchgeführten Befragung im Zeitraum Oktober 2007 bis Februar 2008 zum Thema "Menschen mit Beeinträchtigungen"[1], sind hochgerechnet 1,7 Mio. Personen in Österreich in irgendeiner Form dauerhaft beeinträchtigt[2] .

Davon empfinden ca. 630.000 Personen eine subjektiv wahrgenommene starke Beeinträchtigung bei der Verrichtung alltäglicher Arbeit.

In der Altersgruppe der 15 bis 64-jährigen, so die Studie weiter, waren 58,5% erwerbstätig bzw. arbeitssuchend. Bei Personen ohne Beeinträchtigung der gleichen Altersgruppe waren es 77,8%. Die Erwerbsquoten von dauerhaft beeinträchtigten Personen lagen in beinahe jeder untersuchten Altersgruppe deutlich unter den Erwerbsquoten von Personen ohne Beeinträchtigung.

Darüber hinaus berichten 11,1% der Erwerbspersonen mit dauerhafter Beeinträchtigung über ständige Probleme in der Arbeit aufgrund ihrer Beeinträchtigung. 5,3% klagen über ständige Probleme in der Kommunikation mit anderen Personen, 4,3% über die Einstellung anderer gegenüber den beeinträchtigten Personen. 3,1% haben Probleme in der (beruflichen) Fortbildung.[3]

Eine Einbindung von Personen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt hat nicht nur einen Einfluss auf die Einkommenschancen, sondern kann gleichzeitig auch als Indikator für soziale Integration und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe dieser Gruppe gesehen werden.

Verankerung des Themas "Barrierefreiheit" in österreichischen Unternehmen

Bereits 2008 war "Barrierefreiheit" und der damit in Zusammenhang stehende Beratungsbedarf seitens österreichischer Unternehmen der Fokus einer vom NPO-Institut durchgeführten Studie[4]. Hierbei wurde festgestellt, dass das Thema "Barrierefreiheit" in den letzten Jahren zunehmend Eingang in unternehmensinterne Reflexionsprozesse und Unternehmensstrukturen gefunden hat. Dies nicht zuletzt durch einen verstärkten Diskurs über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Dennoch sind zeitlich flexible gesetzliche Regelungen, widersprechende bauliche Vorschriften sowie Informationsdefizite Hürden für eine flächendeckende Umsetzung von Barrierefreiheit. Insbesondere in Hinblick auf die zwei letztgenannten Argumente, hat die Studie einen eindeutigen Beratungsbedarf aufgezeigt. Auch in Anbetracht dessen, dass die konkrete Umsetzung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit zukünftig das öffentliche Image eines Unternehmens sowie die Wettbewerbsvorteile prägen wird.

ÖZIV ACCESS Gleichstellungsberatung

Unter der Förderung des damaligen Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK -heute BMASK) wurde 2006 die "ÖZIV ACCESS Gleichstellungsberatung" ins Leben gerufen. Ganz im Sinne der Aufgaben des Österreichischen Zivil-Invalidenverbandes (ÖZIV), zur Verankerung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) beizutragen sowie entsprechend Menschen mit Behinderungen in ihrer Rolle als KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen zu einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu verhelfen, sollen im Rahmen von "ÖZIV ACCESS" private Wirtschaftsbetriebe, wie auch öffentliche Organisationen, beratend und unterstützend bei der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) begleitet werden.

Dabei sollen Unternehmen bzw. Organisationen[5]

  • einen Blick für Barrieren erhalten und Wissen über die Beseitigung dieser in ihrem Unternehmen gewinnen.

  • Maßnahmen zur Vorbeugung und Vermeidung von Diskriminierung von behinderten Menschen kennen lernen.

  • gesetzlichen Vorgaben (Behindertengleichstellungsgesetz) erfüllen.

  • neue Zielgruppen erschließen nach dem Motto barrierefrei = familienorientiert = altersgerecht.

  • Kundenzufriedenheit durch Reduktion der Beschwerden erlangen.

  • durch soziales unternehmerisches Engagement (Betriebsklima) die Mitarbeiter-Motivation erhöhen.

  • durch gelebte CSR (Corporate Social Responsibility) eine Imagesteigerung erzielen.

  • Information und Betreuung zu sämtlichen behindertenrelevanten Fragen aus einer Hand erhalten.

Seit dem Bestehen des Angebots wurden 76 entgeltliche und 48 unentgeltliche Beratungen durchgeführt, wobei sich diese Beratungen wie folgt aufteilen:

2007 - 20 entgeltliche und 25 unentgeltliche

2008 - 25 entgeltliche und 09 unentgeltliche

2009 - 31 entgeltliche und 14 unentgeltliche

Keine der durchgeführten Beratungen bezog sich auf Arbeitsplätze und Betriebsstätten. Bei den entgeltlichen Beratungen handelte es sich durchgehend um Beratungen zu öffentlichen Bereichen bzw. Kundenbereichen in Privatunternehmen. Unter den unentgeltlichen Beratungen finden sich zusätzlich auch Beratungen für Privatpersonen (z.B. zur Adaptierung von Wohnräumen).

Beratungen für die Gestaltung barrierefreier Betriebsstätten und behindertengerechter Arbeitsplätze wurden bisher weder nachgefragt noch gewünscht.

1.2 Ziele

Ausgehend von der oben beschriebenen Ausgangssituation wurden folgende Ziele für die vorliegende Studie definiert:

  1. In welchem Ausmaß sind Betriebsstätten in Ostösterreich barrierefrei zugänglich?

  2. Inwieweit besteht seitens der Unternehmen Bereitschaft in barrierefreie Betriebsstätten zu investieren?

  3. Besteht bei den Unternehmen Unterstützungsbedarf hinsichtlich des Abbaus von Barrieren für Menschen mit Behinderung in Betriebsstätten?

Basierend auf den Zielen wurden folgende konkrete Forschungsfragen formuliert:

  • Gestalten Unternehmen in Ostösterreich Betriebsstätten für die ArbeitnehmerInnen mit Behinderung barrierefrei?

  • Sind Unternehmen in Ostösterreich ebenso bereit in barrierefreie Betriebsstättenzu investieren wie in barrierefreie Kundenbereiche?

  • In welchem Ausmaß lassen sich Barrieren in Betriebsstätten von Unternehmen in Ostösterreich finden?

  • Werden bestimmte Gruppen behinderter Menschen besonders diskriminiert?

  • Welche Einstellung besteht seitens der Unternehmen in Hinblick auf die Beschäftigung behinderter Menschen?

  • Werden aktiv Maßnahmen zur barrierefreien Gestaltung von Betriebsstätten vorgenommen?

  • Kommen NPOs, gemeinnützige Vereine oder Interessensvertretungen der Aufgabe, eine Gleichstellung von behinderten und nicht-behinderten MitarbeiterInnen zu schaffen, stärker nach als gewinnorientierte Unternehmen?

Die methodische Vorgehensweise zur Beantwortung der Forschungsfragen ist in Kapitel 4 beschrieben. Die Begriffe "Barrierefreiheit" und "Menschen mit Behinderung", werden im nachfolgenden Kapitel 3 im Zusammenhang mit den gesetzlichen Grundlagen definiert. Abgesehen davon, ist der Begriff "Betriebsstätte" für die Studie wesentlich. Dieser Begriff wird hier breit gefasst und wie folgt definiert:

"Eine Betriebsstätte stellt die Infrastruktur des Arbeitsplatzes dar und umfasst hinsichtlich der Barrierefreiheit die Erreichbarkeit des Gebäudes, dessen Zugänglichkeit, sowie die Nutzung der Räumlichkeiten, die für alle ArbeitnehmerInnen bestimmt sind (z.B. Sozialräume)."

Die Räumlichkeiten bzw. Arbeitsbereiche im speziellen, werden wie folgt definiert:

"Arbeitsbereich ist der räumliche Bereich in Betriebsstätten, in denen die Arbeitsaufgaben verrichtet werden und umfasst die innerräumliche Infrastruktur ausgehend von Türen und Fenster über Aufzüge und Terrassen bis hin zu Bodenbelägen und Beleuchtung."

In Zusammenhang mit den Begriffen Betriebsstätte und Arbeitsbereich steht jener des Arbeitsplatzes. Hier wird in der Studie folgende Definition verwendet:

"Arbeitsplatz ist die unmittelbare Arbeitsumgebung und ist im engeren Sinn zu verstehen. Seine Gestaltung hängt von den individuellen Bedürfnissen der arbeitenden Person ab."

Der Themenkomplex Menschen mit Behinderung, deren Diskriminierung durch Barrieren sowie die geforderte Barrierefreiheit ist in unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen geregelt, die im folgenden Kapitel 3 kurz erläutert werden.



[1] vgl.: Statistik Austria (2008)

[2] Hierbei wird von einer länger als ein halbes Jahr andauernden Beeinträchtigung ausgegangen.

Die Beeinträchtigungen reichen von körperlichen Schädigungen, sensorischen Problemen, Gehbeeinträchtigungen

bis zu psychischen Problemen.

[3] vgl.: Statistik Austria (2008)

[4] Schober/Skina (2008)

[5] vgl.: ÖZIV Homepage: http://www.oeziv.org/index.php?lang=1&f=text&nID=1291&sna= [Zugriff am: 08.10.2009]

2 Gesetzliche Grundlagen und Definitionen

2.1 Definition Behinderung

Eine einheitliche Definition von Behinderung gibt es nicht. Im österreichischen Behindertenrecht, das zu den so genannten Querschnittsmaterien gehört, werden aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen und zahlreicher Bundes- und Landesgesetze unterschiedliche Definitionen von Behinderung verwendet. Beispielsweise wird im Bereich der Behindertengleichstellung ein möglichst umfassender Schutz im Bereich der Bundesverwaltung forciert. Ebenso beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Wiederum sollen im Rahmen des Arbeitsmarktservice jene Menschen besonders unterstützt werden, die aufgrund ihrer Behinderung besondere Schwierigkeiten haben, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Andere Institutionen versuchen durch die Behinderung entstandene Nachteile beispielsweise durch finanzielle Förderungen auszugleichen.

Im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG, BGBl. I Nr. 82/2005, Art 1/§3) sowie im Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970, Art2/§3) wird Behinderung gleichlautend wie folgt definiert:

"Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten [6] .

2.2 Beschäftigung / Beschäftigungspflicht

Mit 1. Jänner 2006 ist das so genannte Behindertengleichstellungspaket in Kraft getreten.

Es umfasst, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz. Ziel dieses umfassenden Pakets ist es, Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen oder zu verhindern und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten[7].

Ein wichtiger Schritt ist die Herstellung von Chancengleichheit bei der Erwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt. Er gewährleistet die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe.

Dafür wurde seitens der Bundesregierung das Behinderteneinstellungsgesetz erlassen. Zum einen werden durch das Gesetz all jene DienstgeberInnen, die 25 oder mehr DienstnehmerInnen beschäftigen, verpflichtet, auf je 25 DienstnehmerInnen eine begünstigt behinderte Person zu beschäftigen. Zum anderen versucht das Gesetz durch finanzielle Anreize die Eingliederung von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung zu fördern und durch das Schutzrecht, wie beispielsweise durch Kündigungsschutz, ArbeitnehmerInnen mit Behinderung zu schützen.

Kommen DienstgeberInnen dem erstgenannten Punkt nicht oder nicht vollständig nach, so haben sie für jeden nicht besetzten Pflichtplatz eine Ausgleichstaxe zu entrichten. Die monatliche Ausgleichstaxe betrug 213 € für das Jahr 2008.

Entsprechend dem Behindertenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2008 waren 2006 insgesamt 92.551 Pflichtstellen bei sämtlichen der Einstellungspflicht unterliegenden DienstgeberInnen zu verzeichnen. Von diesen Pflichtstellen waren 60.053 mit begünstigt behinderten Menschen besetzt, 32.498 Pflichtstellen blieben unbesetzt[8].

2.3 Begünstigt behinderte Personen

Voraussetzung für die Zuerkennung der Begünstigteneigenschaft sind ein Grad der Behinderung von mindestens fünfzig von Hundert (50 v.H.) und die Fähigkeit, zumindest auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb tätig zu sein[9]. Der Grad der Behinderung wird vom ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes festgestellt.

Mit der Zugehörigkeit zu dem Personenkreis der begünstigt behinderten Menschen sind folgende Rechtsfolgen geknüpft:

  • Sie werden bei ihrem Arbeitgeber auf die Erfüllung der Pflichtzahl im Sinne der Beschäftigungspflicht angerechnet

  • unterliegen einem höheren Kündigungsschutz

  • erhalten behindertenbezogene Steuerbegünstigungen

Die skizzierten Rechtsfolgen treten für ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen nur dann in Kraft, wenn der/die DienstnehmerIn einen Bescheid über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigt Behinderten besitzt.

Zum 1. Juli 2008 gehörten insgesamt 94.319 Personen dem Kreis der begünstigten Behinderten an, das sind um 4.444 mehr als zum Vergleichszeitpunkt 2003[10].

2.4 Barrierefreiheit

Der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen und in weiterer Folge die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kann auch durch bauliche Hindernisse erschwert oder sogar verhindert werden.

"Barrierefreies Planen und Bauen ist eine wichtige Voraussetzung für die Integration und die eigenständige Lebensführung behinderter Menschen, die weit über die bauliche Umwelt hinausreicht und alle Lebensbereiche umfasst"[11]

Laut BGStG §6 Abs. 5 gelten bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete Lebensbereiche als barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

In Österreich fallen das Baurecht sowie die barrierefreie Gestaltung von Gebäuden in die Kompetenzen der Länder und somit in deren jeweilige baurechtliche Bestimmungen. Aus diesem Grund bestehen im Hinblick auf die Gewährleistung von Sicherheit für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung auch keine allgemein gültigen Regelungen. Das Arbeitnehmerschutzrecht ist ausschließlich auf konkrete Erfordernisse von bestimmten (in Beschäftigung stehenden) ArbeitnehmerInnen konzipiert. Das heißt Arbeitsstätten in Gebäuden sind gegebenenfalls behindertengerecht zu gestalten und dies gilt insbesondere für Ausgänge, Verkehrswege und sanitäre Vorkehrungen, die von behinderten ArbeitnehmerInnen benutzt werden.

Für Gebäude, die nach Inkrafttreten der Arbeitsstättenverordnung (also nach dem 1. Jänner 1999) geplant und errichtet wurden bzw. werden und in denen Arbeitsstätten eingerichtet werden sollen, in denen die Beschäftigung von bewegungsbehinderten ArbeitnehmerInnen nicht aus produktionstechnischen Gründen ausgeschlossen ist, bestimmt § 15 Abs. 6 AStV, dass bereits bei der Planung darauf Bedacht zu nehmen ist, dass behindertengerechte Einrichtungen vorgesehen werden oder eine nachträgliche Adaptierung ohne unverhältnismäßigen Kostenaufwand leicht erfolgen kann[12].

Bei Um- und Neubauten, die eine Baubewilligung nach dem 31.12.2005 erhalten haben, so das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, muss Barrierefreiheit sofort berücksichtigt werden. Bei bestehenden Bauten sind die Bestimmungen "bis 31. Dezember .2015 nur insoweit anzuwenden, als eine bauliche Barriere rechtswidrig errichtet wurde" (BGStG § 19).

2.5 Diskriminierung

Wie im Kapitel 3.2. bereits dargelegt, zielt das Behindertengleichstellungspaket konkret auf ein Diskriminierungsverbot ab: "Auf Grund einer Behinderung darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden" (BGStG §4 Abs. 1). Hierbei wird unter unmittelbarer Diskriminierung verstanden: "wenn eine Person auf Grund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde" (BGStG § 5 Abs. 1). Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, "wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich" (BGStG § 5 Abs. 2).

Bei einer endgültig bestätigten Verletzung des Diskriminierungsverbotes sieht das Gesetz sowohl den Ersatz des Vermögensschadens als auch eine Entschädigung des immateriellen Schadens für die Betroffenen vor. Eine glaubhaft gemachte Diskriminierung wird zunächst in einem Schlichtungsverfahren geregelt. Wenn keine Einigung erzielt wird, kann ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden. Bei Berufung auf eine Belästigung sowie eine Berufung auf eine Diskriminierung obliegt es der beklagten Partei zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen. (BGStG §12). "Diese Beweislastregelung soll es der betroffenen Person erleichtern, ihre Ansprüche bei Gericht durchzusetzen. Im Endeffekt kommt diese Beweismaßerleichterung einer Beweislastumkehr gleich, da die beklagte Partei aktiv werden muss, das heißt sie muss beweisen, dass es bei der Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war, wenn sie eine Abweisung der Klage erzielen will"[13].

Laut Bericht des Bundessozialamtes 2006/2007 zur Behindertengleichstellung, wurde 2007 in 95 Schlichtungsverfahren jeweils ein privates Unternehmen namhaft gemacht. 66,7% (50 Fälle) der Anträge gründeten sich auf mangelnde Barrierefreiheit (bauliche, kommunikationstechnische und sonstige), davon 70% direkt auf mangelnde bauliche Barrierefreiheit[14].

Bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit bietet die Gesetzesgrundlage viel Interpretationsspielraum: Das Behindertengleichstellungsgesetz präzisiert den Begriff "Barrierefreiheit" nicht exakt und beinhaltet auch keinen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch bei Diskriminierung. In Kombination mit den langen Übergangsfristen erschwert das Fehlen durchsetzbarer Gleichstellungsrechte den Anspruch auf Gleichstellung. In Bezug auf die hier erörterte Thematik, die Umsetzung von Barrierefreiheit in österreichischen Unternehmen, kann also davon ausgegangen werden, dass diese individuell erfolgt und durch die jeweilige Unternehmenskultur geprägt ist.



[6] BMASK (2009): S.4

[7] BMASK (2009), S. 54

[8] ebd., S. 147

[9] vgl. ebd. S. 147

[10] BMASK (2009), S. 146

[11] Wiesinger 2007

[12] Vgl. BMASK (2009) S. 156

[13] Vgl.Hofer et. al (2006), S.97f

[14] Vgl. Bundessozialamt (2007), S. 8f

3 Methodisches Vorgehen

Um die oben skizzierten Fragestellungen zu beantworten, wurden anfänglich zwei Zugänge gewählt. Zum einen die Befragung von relevanten Personen in Unternehmen ausgewählter Branchen seitens des NPO-Instituts, sowie die Begehung der Unternehmenszentrale und/oder einer Filiale seitens des ÖZIV.

Im Laufe der Erhebung kamen auch andere wichtige Einflussfaktoren im Zusammenhang mit der Thematik "barrierefreie Betriebsstätten" und "Integration von Personen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt" zum Vorschein. Deshalb, wurde die Erhebung ausgeweitet und Vertreter von Projekten[15] befragt, die ihren Fokus auf die Unterstützung von Personen mit Behinderung bei der Jobsuche ausrichten bzw. versuchen, diese mit dem Instrument der geförderten und betreuten Arbeitskräfteüberlassungen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

Die Ergebnisse aus diesen Gesprächen und die Aussagen der befragten Unternehmen und NPOs wurden zueinander in Beziehung gesetzt und in den Zusammenfassungen sowie Resümees eingearbeitet.

3.1 Branchenauswahl

Eine Auswahl der Branchen wurde gemeinsam mit Vertretern des ÖZIV vorgenommen. Unter Berücksichtigung des regionalen Fokus wurde mit etwa 4 bis 6 Unternehmen pro Branche ausgegangen. Dabei war die Vorgabe etwa 30 Betriebsstätten. zu untersuchen.

Die Branchenauswahl erfolgte auf Grundlage der wirtschaftlichen Aktivitätsklassifikation ÖNACE 2008 und unter Beachtung folgender Kriterien, die gemeinsam mit dem Auftraggeber erarbeitet wurden:

  • Die vorwiegenden Berufsbilder bzw. Tätigkeiten in der jeweiligen Branche sollten von Personen mit einer großen Bandbreite von Behinderungen ausgeübt werden können.

  • Branchen sollen mit wenigen Außendiensttätigkeiten verbunden sein.

  • Die ausgewählten Branchen bzw. in weiterer Folge Unternehmen sollen vorwiegend im Kontext einer Dienstleistungserbringung an Endverbraucher stehen.

  • Die Größe der Unternehmen soll einerseits die Möglichkeit bieten, diese umfassend nach den Kriterien der Ö-Norm B 1600 zu evaluieren, dabei aber die zeitliche Kapazität einer Betriebsstättenbegehung von rund 2 Stunden nicht zu überschreiten.

Anhand dieser Kriterien wurden in der ersten Runde folgende Branchen ausgewählt:

  • Handel

  • Telekommunikation

  • Versicherungen

  • Reisebüros/Reiseveranstalter

  • NPOs, NGOs sowie Interessensvertretungen

Die letzte Gruppe ist keine Branche im Sinne der ÖNACE und dient als Vergleichsgruppe. Bei der Auswahl wurden Organisationen, Vereine und Institutionen bevorzugt, die sich für Personen mit Behinderung einsetzen.

3.2 Unternehmensauswahl

Passende Unternehmen wurden via Internetrecherche eruiert und Kontaktpersonen per Email oder Telefon kontaktiert. Jedes Unternehmen bzw. jede Kontaktperson wurde mindestens dreimal angeschrieben bzw. angerufen bis eine endgültige Zu- oder Absage erfolgte.

Wie im Projektauftrag beschrieben, konzentrierte sich die Unternehmenssuche auf Ostösterreich. Darüber hinaus wurden lediglich Unternehmen mit mehr als 25 MitarbeiterInnen entsprechend der rechtlich vorgegeben "Beschäftigungspflicht" kontaktiert (siehe dazu Kapitel 3).

Die Kontaktaufnahme gestaltete sich weitaus schwieriger als zunächst angenommen. Problematisch war einerseits die Kontaktaufnahme in den Sommer- bzw. Urlaubsmonaten, andererseits waren das Desinteresse und der Mangel an zeitlichen und personellen Ressourcen seitens der kontaktierten Unternehmen verhältnismäßig groß. Es handelte sich zudem um jenen Zeitraum in dem die Wirtschaftskrise voll in den meisten Unternehmen angekommen war.

Aus diesen Gründen mussten zwei Branchen durch andere ersetzt werden, was erneut zeitintensive Recherchen sowie Kontaktaufnahmen nach sich zog.

Nachfolgende Tabelle 1 zeigt die Anzahl der intensiv kontaktierten Unternehmen nach Branchen.

Tabelle 1: kontaktierte Unternehmen und NPOs

Branche

Kontaktierte Unternehmen

Kontaktzeitraum

Zusage

Handel

19 Unternehmen in den Bereichen: Lebensmittel, Sport, Elektronik, Bau, Möbel, Papier, Pflanzen

Anfang Juni bis Ende August

3 Unternehmen

Telekommunikation

11 Unternehmen in den Bereichen Mobilfunk, Rundfunk und Telekom

Anfang Juni bis Ende Juli

keine

Versicherungen

12 Versicherungsgesellschaften

Anfang Juli bis Ende September

3 Versicherungen

Verlagswesen

14 Verlagsunternehmen

Mitte Juli bis Ende September

4 Verlage

Reisebüros/Reise-veranstalter

10 Unternehmen

Anfang Juni bis Anfang Juli

keine

NPOs

9 NPOs im Bereich Menschenrechte, Hilfsorganisationen, Umwelt, Interessensvertretungen

Ende Juni bis Anfang September

4 Organisationen

3.3 Befragung von UnternehmensvertreterInnen zu Behindertenpolitik

Die Datenerhebung bei den UnternehmensvertreterInnen erfolgte mittels persönlicher Leitfadeninterviews. Soweit möglich, wurde die im jeweiligen Unternehmen zuständige Person für die Umsetzung baulicher Maßnahmen sowie ein/e ArbeitnehmervertreterIn bzw. eine Behindertenvertrauensperson befragt.

Insgesamt wurden 14 Leitfadeninterviews[16] mit 22 Personen geführt. Aus terminlichen Gründen musste ein Interview telefonisch durchgeführt werden.

Im Allgemeinen sollte eruiert werden, inwieweit das Thema "Barrierefreiheit" und die Einstellung von Personen mit Behinderung in dem jeweiligen Unternehmen thematisiert wird und welche Unternehmenspolitik hierbei verfolgt wird. Im Speziellen sollten aktive Maßnahmen und Motive für die Schaffung von Barrierefreiheit in Unternehmen dargelegt werden.

Bei den Interviews handelte es sich um teilstrukturierte qualitative Interviews, die aufgezeichnet und in Form von verdichteten Protokollen verschriftlicht wurden. Die Auswertung erfolgte anhand von NVivo[17], einer Software, welche die qualitative Datenanalyse unterstützt.

3.4 Begehung der Unternehmen

In wie weit Unternehmen baulich barrierefrei sind, wurde auf Grundlage einer Begehung der jeweiligen Zentrale bzw. Filiale der ausgewählten Unternehmen festgestellt. Ein Objekt der Branche "Versicherungen" konnte trotz anfänglicher Zusage, nicht begangen werden. Die zuständige Ansprechperson meinte (im Nachhinein), dass genug Informationen zum Thema im Unternehmen vorhanden seien und eine Teilnahme an der Studie keinen Mehrwert für das Unternehmen bringen würde.

3.4.1 Begehungsleifaden

Um eine objektive und standardisierte Ermittlung von Barrieren in allen Objekten zu gewährleisten, wurde seitens des ÖZIV eine Kriterienliste erstellt, die sich an der ÖNORM 1600[18] sowie 16031[19] orientiert. Diese wurde für die Studie adaptiert und soll aufzeigen, in welcher Weise sich Barrieren auf Menschen mit Behinderung in der jeweiligen Betriebsstätte auswirken.

Zwei Beispiele für eine solche Adaptierung sind Punkt 3.1.6.6 und Punkt 3.1.1.5 aus der Ö-Norm B 1600

Der erste besagt:

"Behindertengerechte Stellplätze, die 3.1.6 entsprechen, sind durch Straßenverkehrszeichen oder Bügel mit dem Bildzeichen Rollstuhlbenutzer gemäß ÖNORM A 3011-3 am Beginn und am Ende des Stellplatzes zu kennzeichnen. Zusätzlich ist der Stellplatz mit einem ebensolchen Bildzeichen als Bodenmarkierung mit einer zusätzlichen Umrandung der gesamten Stellfläche farblich kontrastierend zu markieren."

Er wurde auf folgende Art und Weise adaptiert: "Behindertengerechte Stellplätze (...) sind durch Straßenverkehrszeichen oder Bügel mit dem Bildzeichen Rollstuhlbenutzer gemäß ÖNORM A 3011-3 am Beginn und am Ende des Stellplatzes zu kennzeichnen. Zusätzlich ist der Stellplatz mit einem ebensolchen Bildzeichen als Bodenmarkierung mit einer zusätzlichen Umrandung der gesamten Stellfläche farblich kontrastierend zu markieren. Diese Markierung darf entfallen, wenn der Parkplatz explizit einem Mitarbeiter zugeordnet wird."[20]

Punkt 3.1.1.5 besagt:

"Der Zugang zu angrenzenden Nutzungsbereichen (Spielplatz, Liegewiese u.Ä.) ist niveaugleich auszubilden" und wurde folgendermaßen der Kriterienliste angepasst: "Der Zugang zu angrenzenden Nutzungsbereichen (...) ist niveaugleich ausgebildet."[21]

Problematisch gestaltet sich die Verwendung der Ö-Normen durch die Tatsache, dass zwar die Gestaltung und Ausstattung von Elementen nach diesen beurteilt werden können, jedoch keine Aussage über die Bedeutung des Fehlens von diversen Einrichtungen (z.B. barrierefreien Toiletten oder Stellplätzen) in Bezug auf die Barrierefreiheit, getroffen werden kann. Im Erhebungsleitfaden wurde diese Tatsache entsprechend berücksichtigt.

Darüber hinaus wurde versucht, mit dem adaptierten Leitfaden Arbeitsstätten nach folgenden stereotypen Behinderungsformen zu beurteilen:

  • Menschen mit Mobilitätseinschränkung, die auf Rollstuhl oder ähnliche Hilfsmittel angewiesen sind (Mobilität 1)

  • Menschen mit Mobilitätseinschränkung, die Stufen bewältigen können (Mobilität2)

  • Menschen mit Einschränkung der Handfunktion

  • Blinde Menschen

  • Menschen mit Sehbehinderung

  • Gehörlose Menschen

  • Menschen mit Hörbehinderung

3.4.2 Behinderungsformen

Um eine Eingrenzung der Definition von Behinderung zu erreichen, wurde nicht näher darauf eingegangen, dass Menschen mit Mehrfachbehinderungen auf unterschiedlichste Barrieren stoßen (z.B. Menschen mit Muskelerkrankung bedürfen unter Umständen eines Rollstuhls als Hilfsmittel und sind zusätzlich in ihrer Handfunktion eingeschränkt).

Auf Menschen mit Wachstumseinschränkungen, Menschen mit Entwicklungsbehinderungen und alte Menschen wurde in diesem Fall nicht eingegangen, um eine weitere Eingrenzung zu erreichen.

Die Definitionen sind zu einem großen Teil der Ö-Norm B 1600 entnommen, wurden aber in einigen Bereichen abgeändert, um den Bezug zur Studie zu erhalten bzw. zu schaffen.

Mobilitätseingeschränkte Menschen

Rollstuhl/Gehbehindert

Für Menschen, die auf mechanisch oder elektrisch getriebene Rollstühle, Stock, Krücke, Rollator, Gehgestell, 4-Fuß-Gehhilfe oder Mehrpunkt- Gehstock angewiesensind, muss so viel Raum für Bewegung gegeben sein, dass auch jene mit dem höchsten Raumbedarf noch zurechtkommen. Deshalb muss bei Türen, Gängen und Wegen auf eine Mindestbreite geachtet werden und bei Greif- und Sichtbereichen ein Kompromissmaß gefunden werden.

Im Rahmen der Studie wird von Personen im Rollstuhl ausgegangen, denen es nicht möglich ist, sich ohne diesen fortzubewegen. Bei Menschen mit einer Gehbehinderung wird davon ausgegangen, dass sie Stufen und Treppen überwinden können.

Arm-/handbehinderte Menschen

Die Kraft zum Greifen wird durch fehlende Muskelfunktionen, Verkürzungen, Verformungen oder durch Prothesen eingeschränkt. Hierbei ist es wichtig, dass diese Personengruppe selten einen Kraftaufwand über 20 Kilo aufbringen kann, um z.B. Türen zu öffnen. Darüber hinaus ist diese Personengruppe in besonderem Maß von ergonomisch gestalteten Handläufen abhängig.

Sehbeeinträchtigte und blinde Menschen

Sehbeeinträchtigt

Für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung ist es besonders wichtig, Hindernisse zu erkennen. So sind Stufen- und Glasmarkierungen unbedingt notwendige barrierefreie Maßnahmen. Aber auch kontrastreich gestaltete Böden, Wände, Türen und Decken oder Einrichtungsgegenstände erleichtern die Orientierung und ermöglichen ein Zurechtfinden. Der Farbkontrast sollte mindestens 30 % des Schwarzweiß-Kontrastes (100 %) betragen und die Schriftzeichen müssen entsprechend der Leseentfernung groß genug sein, damit die Informationen gut lesbar sind.

blinde Personen

Für blinde Menschen sind Informationen und Situationsänderungen, wie nicht zu erwartende Hindernisse, so zu gestalten, dass sie taktil (d.h. mit Händen, Füßen oder Langstock) oder akustisch wahrnehmbar sind. Die Ergänzung durch Braille-Schrift ist empfehlenswert bzw. notwendig.

Gehörlose und schwerhörige Menschen

Für gehörlose Menschen müssen akustische Informationen visuell umgesetzt werden. Darüber hinaus ermöglicht eine gute und ausreichende Beleuchtung die Erkennung der Gebärdensprache und das Absehen (Ablesen) von den Lippen.

3.4.3 Verlauf der Begehung

Insgesamt wurden sechzehn Objekte begangen. Zwölf Unternehmenszentralen und vier Filialen. Die Dauer der Begehungen variierte zwischen 45 Minuten und 1,5 Stunden und wurde von insgesamt fünf GleichstellungsberaterInnen, die mit der Begehung seitens des ÖZIV beauftragt wurden, durchgeführt. Die erste Begehung erfolgte jeweils in Begleitung des Projektverantwortlichen, die zweite jeweils alleine. Drei Personen des Begehungsteams sind nicht behindert, eine Person ist auf einen Rollstuhl angewiesen und eine Person ist gehbehindert.

Seitens der Unternehmen wurden die Begehungen in der Mehrzahl der Fälle von Personen begleitet, die innerhalb des Betriebes dem Thema "Gebäudeverwaltung" bzw. "Menschen mit Behinderung" am nächsten stehen (Sicherheitsmanagement und Behindertenbeauftragte, Human Resources/Verwaltung, Facility Management, Bauabteilung usw.).

In zwei Fällen wurden die Begehungen von Personen begleitet, deren Tätigkeitsbilder im Betrieb keine besondere Verbindung zu diesem Thema haben.

In drei Fällen wurden die Begehungen ohne besondere Begleitung durchgeführt, da die freie Bewegung im Gebäude möglich und vom Betrieb akzeptiert war.

Jedes Objekt, das im Rahmen der Studie besichtigt wurde, wurde in folgende fünf Bereiche untergliedert:

  • Außenbereich (Zufahrt, Vorhandensein eines Behindertenparkplatz, Treppen und Rampen, Bodenbeläge und -pflaster, Beschaffenheit von Gehwegen,...)

  • Arbeitsbereich (Eingänge und Türen, Treppen, Liftanlagen, Alarm- und Informationssysteme, Durchgangsbreiten, Fenstergriffhöhe,...)

  • Sozialräume (Terrassen und Balkone, Orientierungssysteme und Beleuchtung, Automaten, Bedienungselemente wie Heizkörperventile etc., ...)

  • Ausstattung der Sozialräume (Tische und Bestuhlung, Teeküchen, Kantinen)

  • Sanitärräume (das Vorhandensein von behindertengerechten Toiletten bzw. bei behindertengerechten Toiletten Raumausmaße, Haltegriffe, Notrufsysteme, Höhe von Ausstattungselementen und Spiegel,...)

Die Objekte wurden beurteilt, ob vorhandene Barrieren ein Sicherheitsrisiko darstellen, bei MitarbeiterInnen mit Behinderung zu einer Benachteiligung bzw. Diskriminierung im Sinne des BGStG führen, oder die Barrieren generell den Zugang für Menschen mit Behinderung zum Gebäude oder zu einzelnen Bereichen verhindern und deshalb als sogenannte "K.O.-Barriere" angeführt werden müssen.

Bei umfangreichen Gebäudekomplexen wurde ein exemplarischer Arbeitsplatz zur Beurteilung herangezogen. Darüber hinaus wurde beurteilt, ob das Ankommen mit Kraftfahrzeugen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln für Menschen mit Behinderung barrierefrei möglich ist und wie der Zugang ins Gebäude und zum Arbeitsplatz beschaffen ist.



[15] Im weiteren Verlauf des Berichts als "IntegrationsprojektvertreterInnen" angeführt.

[16] Der Leitfaden ist im Anhang zu finden.

[17] Eine Darstellung des Auswertungsprozesses ist im Anhang zu finden

[18] Die Ö-NORM B 1600 ist ein Dokument des österreichischen Normungsinstituts, das sich mit der behindertengerechten bzw. barrierefreien Gestaltung von Bauwerken bzw. Einrichtungen befasst. Es legt einen Standard fest und dient als Planungsgrundlage. Dabei legt sie nicht nur fest, wie Bauwerke und Einrichtungen beschaffen sein sollen, sondern beinhaltet auch Mindestanforderungen zu deren Ausstattung. Sie ist in Soll- und Kann-Bestimmungen unterteilt.

[19] Die Ö-NORM B 1603 ist ein Dokument, das sich mit der behindertengerechten bzw. barrierefreien Gestaltung von Tourismus- und Freizeiteinrichtungen befasst.

[20] Hier wurde der Verweis auf Pkt. 3.1.6 ausgelassen. Die Anforderungen von Pkt. 3.1.6 wurden an anderer Stelle beurteilt. Ein Fehlen des Verkehrszeichens sollte innerhalb der Studie auch dann als Barriere beurteilt werden, wenn Pkt. 3.1.6 nicht voll erfüllt wird. Wird 3.1.6 nicht voll erfüllt, kann dies nicht dazu führen, dass Barrieren in nachfolgenden Punkten nicht mehr gezählt werden können. Hier wurde die Ö-Norm soweit abgeändert, dass sie kein Dokument mehr ist, das einen Standard vorgibt, sondern zur Beurteilung dient. Weiter wurde durch Hinzufügen des letzten Satzes ermöglicht, dass auch eine passende Alternative zur Beschilderung beurteilt werden kann. Ist ein behindertengerechter Stellplatz etwa durch ein Nummernschild eines Pkws eines behinderten Mitarbeiters gekennzeichnet, sollte dieser nicht mehr zusätzlich durch ein Verkehrsschild gekennzeichnet sein müssen.

[21] Hier wurde eine beispielhafte Aufzählung ausgelassen, da sie mit Betriebsstätten nicht in Verbindung zu bringen ist. Weiter wurde das letzte Wort so angepasst, dass es dem beurteilenden Charakter des Leitfadens entspricht und nicht dem anleitenden Charakter dieser Stelle in der Ö-Norm.

4 MitarbeiterInnen mit Behinderung in Unternehmen Ostösterreichs

Wie bereits im Kapitel 2.1 sowie 3.2. dargelegt, steigt die Zahl von Erwerbspersonen mit Behinderung kontinuierlich an. Speziell der ArbeitnehmerInnenkreis der begünstigt behinderten Personen stieg in knapp fünf Jahren um mehr als 4 400 Personen auf knapp 94 000 im Jahr 2008 an. Dennoch liegen die Erwerbsquoten von Personen mit Behinderung unter den Erwerbsquoten von Personen ohne Beeinträchtigung. Darüber hinaus klagen Erwerbspersonen mit Beeinträchtigung über Probleme in der Arbeit, in der Kommunikation mit anderen Personen sowie über die Einstellung anderer Personen gegenüber beeinträchtigten Personen.

Für die im Rahmen der vorliegenden Studie befragten Unternehmen und NPOs, gewinnt das Thema "barrierefreie Betriebsstätten" erst im Falle eines "selbst betroffen seins", an Bedeutung. Darüber hinaus werden mit dem Schlagwort "Barrierefreiheit" vom Großteil der befragten Unternehmen und Organisationen mobilitätseingeschränkte ArbeitnehmerInnen, d.h. RollstuhlfahrerInnen, assoziiert.

In den befragten Handels- und Versicherungsunternehmen findet das Thema "MitarbeiterInnen mit Behinderung" vor allem in Form von Behindertenvertrauenspersonen seinen Platz, die für Fragen und Aufklärung zuständig sind,. Jedoch gibt es, wie bei den restlichen befragten Unternehmen und NPOs, keine eigene Abteilung, die das Thema "bauliche Barrierefreiheit" speziell auf ihrer Agenda hat.

4.1 Beschäftigung von MitarbeiterInnen mit Behinderung

Insgesamt beschäftigt die Mehrheit der befragten Unternehmen und NPOs MitarbeiterInnen mit Behinderung. Beim Großteil der Unternehmen im Bereich Handel, Versicherungen sowie NPOs handelt es sich bei den Beschäftigten um langjährige MitarbeiterInnen, die im Laufe ihrer Tätigkeit aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls eine Behinderung bekommen haben.

MitarbeiterInnenzahlen der Branchen

Handel

Die Mitarbeitergröße innerhalb der befragten Unternehmen in der Branche "Handel" bewegt sich zwischen knapp 5000 und 37 000 MitarbeiterInnen österreichweit - die Zentrale und Filialen zusammengerechnet. Die Zahl der MitarbeiterInnen mit Behinderung liegt bei knapp 0,5% sowie 7%. Ein Unternehmen konnte keine genauen Angaben machen, da die Beschäftigten mit Behinderung im Rahmen von zeitlich begrenzten Integrationsprojekten im Unternehmen tätig sind.

Verlagswesen

Es wurden vier Unternehmen in der Branche "Verlagswesen" befragt. Die Mitarbeiter-Innenzahl ist in einem Rahmen von 66 bis 200 zu finden. Die angeführten Zahlen beziehen sich auf die MitarbeiterInnenzahlen in Zentralen, Betriebsstätten außerhalb Wiens sowie, falls vorhanden, in Verkaufsfilialen.

Insgesamt sind sechs Personen mit Behinderung in den befragten Verlagen beschäftigt, davon fällt eine Person nicht in die Gruppe der begünstigten behinderten Personen. Ein Verlag beschäftigt keine Person mit Behinderung.

Versicherungen

Innerhalb der Versicherungsbranche wurden drei Unternehmen befragt. Die MitarbeiterInnenzahl schwankt hier zwischen knapp 1000 und 5400 MitarbeiterInnen. Die Zahlen beziehen sich auf die jeweiligen Zentralen, Filialen in den Bundesländern sowie selbstständigen Versicherungsagenten. Die Anzahl der behinderten MitarbeiterInnen, die in den Kreis der begünstigten behinderten Personen fallen, liegt bei den befragten Versicherungen bei jeweils ca. 4% oder knapp darunter.

NPOs

Die befragten Nonprofit Organisationen sind unter Dachverbänden gegliedert oder international tätig. Die Aussagen beziehen sich auf die jeweilige Landesorganisation bzw. den Landesverband in Wien. Die Zahl der MitarbeiterInnen innerhalb der befragten NPOs liegt in einem Spektrum von 45 bis ungefähr 3500. In diesen Zahlen sind Hauptamtliche, Freiwillige und Zivildiener zusammengefasst. Die Zahl der eingestellten Personen mit Behinderung in der jeweiligen Zentrale in Wien liegt zwischen einer und 70. Eine befragte NPO beschäftigt einen Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin mit Behinderung in den Bundesländern.

In den jeweiligen Branchen ist kein/e ArbeitnehmerIn mit Rollstuhl zu finden. Vielmehr handelt es sich um MitarbeiterInnen mit chronischen oder psychischen Erkrankungen bzw. Einschränkungen des Bewegungsapparates.

4.2 Beweggründe für die Beschäftigung von Personen mit Behinderung

Nach eigenen Angaben ist in keinem der Unternehmen oder NPOs die Beschäftigung bzw. die Einstellung von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung im Leitbild verankert oder wird im Rahmen von CSR verfolgt. "Es gibt keine spezielle Regelung von uns für oder gegen die Einstellung von Personen mit Behinderung, sonder einen ganz pragmatischen Zugang" (Interview 2), so ein Vertreter der Handelsbranche. Auch von Seiten eines Verlages wurde die Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung pragmatisch beurteilt: "Die Auswahl des Mitarbeiters ist von seinen Fähigkeiten abhängig, grundsätzlich nicht von seiner Behinderung. Die Schutzmaßnahmen müssen jedoch ins Kalkül gezogen werden" (Interview 9).

Als weitere Gründe für die Beschäftigung von Personen mit Behinderung wurden die gesellschaftliche sowie gesetzliche Verpflichtung genannt. Insbesondere der sozialgesellschaftliche Aspekt wurde von allen befragten Versicherungen angeführt. Seitens IntegrationsprojektvertreterInnen wurden, neben den bereits erwähnten sozialen Gründen, auch Imagegründe, als vordergründige Motive bei der Einstellung von Personen mit Behinderung für Unternehmen angeführt.

Ein Handelsunternehmen beschäftigt im Rahmen von Integrationsprojekten zeitlich begrenzt Personen mit Behinderung.

Die Annahme, dass sich NPOs aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit verpflichtet fühlen oder es als ihre Aufgabe sehen, Personen mit Einschränkungen motorischer, sensorischer oder kognitiver Art zu beschäftigen und gesellschaftlich zu integrieren, kann hier nicht bestätigt werden.

Vor allem für kleinere NPOs ist die Beschäftigung von Personen mit Behinderung ein schwieriger Schritt. "Ich unterscheide nicht zwischen Profit und Non Profit Organisationen. Vom unternehmerischen her, haben wir auch relativ weniger Ressourcen als Profit Organisationen und wir müssen drauf schauen, dass wir gut aufgestellt sind und ich brauch Mitarbeiter, die ständig 120% leisten, sonst können wir unsere Tätigkeit nicht machen" (Interview 5).

4.3 Beschäftigungsbereiche

Hinsichtlich der Beschäftigungsbereiche, in denen MitarbeiterInnen mit Behinderung eingestellt sind, muss eine Zweiteilung zwischen Bürotätigkeit in der Zentrale sowie der Dienstleistung am Endkunden, vorgenommen werden.

Beim ersteren sind es hauptsächlich administrative Aufgaben bzw. niederschwellige Büroarbeiten in der Verwaltung, im Rechnungswesen oder in der Buchhaltung, die von MitarbeiterInnen mit Behinderung ausgeübt werden. Zum einen aufgrund dessen, da es sich hierbei um sitzende Tätigkeiten handelt, die vor allem MitarbeiterInnen mit motorischen Einschränkungen oder Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates entgegenkommen. "Durch die vorwiegend sitzende Tätigkeit im Unternehmen sehe ich im Verlag einen interessanten Arbeitgeber für körperlich behinderte Menschen, soweit ihre geistigen Fähigkeiten gegeben sind. Wir sind daher durchaus offen für behinderte Mitarbeiter" (Interview 9). Zum anderen auf Grund dessen, dass die Arbeitsplätze in diesen Bereichen in erforderlichen Fällen wenige Umbaumaßnahmen mit sich bringen.

Bei Dienstleistungen am Endkunden ist es der breit gefächerte Einsatzbereich von Kassatätigkeit bis Regalschlichtung, der die Möglichkeit der Beschäftigung von behinderten ArbeitnehmerInnen eingrenzt. Dies trifft vor allem auf die MitarbeiterInnen in Filialen der befragten Handelsunternehmen und Verlagen zu, "[Die Beschäftigung von MitarbeiterInnen mit Behinderung Anm.] kommt in den Filialen nicht vor, ist auch bei der Regalbetreuung schwierig. Es wird über die Einsatzmöglichkeit vor Ort im Einzelfall vom Filialleiter entschieden. Meist sind die Behinderungen auch nur geringgradig" (Interview 2) so ein Vertreter der Handelsbranche. "Die Tätigkeit von Behinderten in den Filialen ist Grundsätzlich möglich, je nach Grad der Behinderung. Körperlich Behinderte sind für anfallende Arbeiten in den Märkten nicht geeignet" (Interview 3).

Darüber hinaus wurden die Akzeptanz seitens der KundInnen und der Mehraufwand, um diese zu erlangen, von den befragten Handelsunternehmen zu bedenken gegeben. "Die Akzeptanz ist individuell von Kunde zur Kunde unterschiedlich. Es ist abhängig von der Art der Behinderung. Z.B. wird es bei Schwerhörigkeit einer Filialangestellten schwierig" (Interview 1). Diese Aussage wird von einer weiteren Vertretung der Handelsbranche bestätigt:

"Da Kommunikation wichtig ist, war die Anstellung im Kassenbereich für Taube nicht möglich, ebenso in der Regalbetreuung. Es gab Kundenbeschwerden. Wenn derjenige dann mittels T- Shirt Aufschrift als "taub" gekennzeichnet wurde, ging es besser, die Kundenakzeptanz war da" (Interview 3)

Einen weiteren Sonderfall im Dienstleistungsbereich am Endkunden, stellt die Außendiensttätigkeit als selbständiger Versicherungsagent dar. Hierbei wird von den befragten Versicherungen die eingeschränkte Mobilität des Mitarbeiters als problematisch angeführt.

Innerhalb der Gruppe der NPOs findet sich eine differenzierte Beschäftigungsverteilung von MitarbeiterInnen mit Behinderung - abhängig von den Faktoren Organisationsgröße und Wirkungsbereich der jeweiligen NPO. Während sich eine große Organisation erlauben kann, MitarbeiterInnen mit Behinderung in nahezu allen Einsatzberiechen zu beschäftigen, ist es eher kleineren NPOs nur im Rahmen von arbeitsmarktpolitischen Förderprogrammen möglich, MitarbeiterInnen mit Einschränkung einzustellen.

4.4 Wünsche oder Probleme seitens MitarbeiterInnen mit Behinderung

Die wichtigste Ansprechperson bei Wünschen und Problemen für MitarbeiterInnen mit Behinderung ist, neben der Behindertenvertrauensperson, der/die direkte Vorgesetzte, so ein Großteil der Befragten.

Wünsche hinsichtlich baulicher Adaptierungen von Arbeitsplätzen oder allgemeinen Verbesserung der Gesamtsituation wurden seitens MitarbeiterInnen mit Behinderung nicht geäußert bzw. waren den befragten Personen nicht bekannt.

Jedoch wurden Probleme mit der Kollegenschaft angemerkt. Vor allem bei psychischen Erkrankungen solle es am Verständnis vom Umfeld fehlen. Seitens des Unternehmens fehle es an Ressourcen, um den möglichen Konflikten im Vorfeld durch Schulungen entgegenzuwirken. "Bei geistiger Behinderung kommt es zu Problemen. Da ist Rücksichtnahme erforderlich. Im Team und im ganzen Haus ist das immer wieder ein Thema. [...].Alle Mitarbeiter sind gefordert damit umgehen zu lernen" (Interview 4).

Drei Unternehmen hoben hingegen die zum positiven veränderte Einstellung der nichtbehinderten MitarbeiterInnen gegenüber Menschen mit Behinderung hervor. Die Kollegen und Kolleginnen sind aufmerksamer und haben einen anderen Zugang zu dem Thema erfahren, so ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin der Versicherungsbranche.

4.5 Umbaumaßnahmen

4.5.1 KundInnen

Bau- sowie Umbaumaßnahmen hinsichtlich Barrierefreiheit wurden und werden beim Gros der befragten Unternehmen meist bei neugebauten Objekten im Kundenbereich vorgenommen. "Unsere Konzentration, was das anbelangt bezieht sich auf unsere Märkte draußen. Es ist uns wichtig, dass Kunden und Kundinnen mit Behinderungen egal welcher Art bei uns einkaufen können, darum sind alle Anstrengungen was das angeht, weniger auf die Mitarbeiter konzipiert, mehr auf die Kunden. D.h. wir haben in den letzten Jahren sehr viel an baulicher Art durchgeführt alles auf behindertengerecht zu machen" (Interview 3), so ein Handelsunternehmen. Auch Versicherungen sind bei ihrer Standortsuche darauf bedacht: "Der Standort Wien wurde neu bezogen, dort wird besonders darauf geachtet. In der Zentrale in Linz gibt es Treppen nach dem Eingang, das ist problematisch. Der Lift dahinter ist rollstuhlfahrergerecht, außerdem gibt es Behindertentoiletten" (Interview 11).

Im Fall der NPOs werden bei entsprechender Größe der Organisation vor allem in großen Zentralen sowie in Schulungs- und Beratungszentren für KlientInnen Umbaumaßnahmen vorgenommen. "Umbauarbeiten waren bei übernommenen Gebäuden notwendig, z.B. WC, Dusche, Inneneinrichtung. Bei Neubauten wurden diese Dinge von Anfang an berücksichtigt." (Interview 6) so ein Vertreter der NPOs.

"In unserem Ausbildungshaus ist die Einrichtung behindertengerecht, es werden sogar Kurse extra für behinderte Personen angeboten". (Interview 6).

Bei konkreten Umbaumaßnahmen werden etwaige Richtlinien entweder seitens des Mutterkonzerns vorgegeben, oder dem zuständigen Architekten bzw. der Baufirma freie Hand gelassen.

Ein eigene Problematik stellen die Objekte im innerstädtischen Raum dar, so die befragten Vertreter der Handelsunternehmen, der Verlage und Versicherungen. Diese sind historisch gewachsen und können aufgrund von Denkmalschutzbestimmungen und behördlichen Auflagen nicht für KundenInnen sowie MitarbeiterInnen in adäquater Weise barrierefrei adaptiert werden.

4.5.2 MitarbeiterInnen

Während im Kundenbereich nur ein gewisses Spektrum an Barrierefreiheit abgedeckt werden muss bzw. kann, um die Zugänglichkeit für alle KundInnen zu gewährleisten, erfolgt bei MitarbeiterInnen eine individuelle Anpassung an deren Bedürfnisse. So wurden teilweise Arbeitsplätze sowie die Aufgaben entsprechend der Behinderung adaptiert. Zum Beispiel wurden ergonomische Bürosessel und Tische angekauft, der Kundenkontakt verringert oder der Arbeitsplatz in das Erdgeschoß verlegt, wenn kein rollstuhlgerechter Aufzug vorhanden war. "Wir sehen unsere soziale Verantwortung, erkennen die Wichtigkeit des Arbeitsplatzes für unsere Mitarbeiter. Die Arbeitstätigkeit wird an diese Umstände adaptiert, soweit es möglich ist" (Interview 9).

Keines der befragten Unternehmen und keine NPO mussten für einen Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin mit Behinderung größere Umbaumaßnahmen vornehmen. Allgemein werden allfällige Umbaumaßnahmen innerhalb der Unternehmens- und Organisationsstruktur schnell entschieden und genehmigt. "Das Unternehmen lässt viel Flexibilität zu, wenn es darum geht, etwas umzusetzen."(Interview 13). "Entscheidungen in großer Art und Weise sind Vorstandsentscheidungen. Dann wird fallweise entschieden was zu tun ist. Dauer der Entscheidungen ist eine Kostenfrage, aber an und für sich sind die Entscheidungswege kurz" (Interview 14) so zwei befragte Vertreter der Versicherungsbranche.

4.6 Hinderliche Faktoren bei der Beschäftigung von MitarbeiterInnen mit Behinderung

Auf Grundlage der Aussagen der Unternehmen und NPOs konnten folgende negative Einflussfaktoren auf die Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung eruiert werden.

4.6.1 Bewerbung

Vom Großteil der befragten Unternehmen und auch der NPOs wird der Mangel bzw. die geringe Anzahl an Bewerbungen seitens Personen mit Behinderung angeführt. Wenn, dann gehen insbesondere bei NPOs Bewerbungen von Personen mit Behinderung ein. "Oftmals bewerben sich bei uns Menschen mit Behinderung per Blindbewerbung, mit der Erwartung, da habe ich eher eine Chance als bei einem xbeliebigen Unternehmen" (Interview 4) so ein NPO-Vertreter.

Zusätzlich wurde angemerkt, dass eine etwaige Behinderung des Bewerbers bzw. der Bewerberin aus einem Lebenslauf nicht ersichtlich ist. "Wir haben gerade zwei Ausschreibungen laufen und einen massiven Rücklauf, da ist aber keine einzige Bewerbung dabei von einer Person mit Behinderung, zumindest nennt es keine" (Interview 4).

Die Aussage, dass manche Personen eine nicht offensichtliche Behinderung für sich behalten, wird auch seitens der IntegrationsprojektvertreterInnen bestätigt. "Der Mitarbeiter hat Angst diskriminiert zu werden, anders behandelt wird oder eh keine Chance bekommt" (Interview 15). Zusätzlich fiel die Anmerkung, dass ein "Nicht anführen" einer etwaigen Einstufung oder Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigt behinderten Menschen einen Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber zur Folge haben könnte.

4.6.2 Leistungserbringung

Hinsichtlich der Einstellung von Personen mit Behinderung, sind die Äußerungen seitens Unternehmen und NPOs gleich: "Behinderten und Nicht-Behinderten werden gleiche Chancen eingeräumt. Der Job an sich bringt jedoch eingeschränkte Einsatzgebiete mit sich" (Interview 7).

Besonders Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sowie kleinere NPOs setzen auf MitarbeiterInnen die eine deutlich überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft haben und kalkulieren eine Einstellung von Personen mit Behinderung nach der Wirtschaftlichkeit und der Leistungserbringung. "Durch die Wirtschaftskrise ist der Druck groß, besonders für Menschen mit Einschränkungen ist der Druck enorm hoch. Der Leistungsdruck wird höher, auch der Leidensdruck wird höher. Und das macht es natürlich nicht einfacher. Und der Unternehmer steht dabei auch unter Druck, und sagt: "Die muss auch etwas leisten, sonst kommen wir nicht über die Runden" (Interview 15), so ein Projektvertreter bzw. eine -vertreterin

Bei den NPOs, die sich stärkeren Ressourcenbeschränkungen gegenüber sehen als die meisten gewinnorientierten Unternehmen, zeigt sich deutlicher, dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auch eine ökonomische Dimension mit sich bringt. Gemeinhin wird angenommen, dass Menschen mit Behinderung nur eine etwas geringere Leistung erbringen können als Menschen ohne Behinderung. Je knapper die Ressourcen sind, desto problematischer wird deren Beschäftigung gesehen.

4.6.3 Kündigungsschutz

Eigentlich im Rahmen des Beschäftigungsgesetzes zum Schutz der ArbeitnehmerInnen mit Behinderung eingeführt, ist der erweiterte Kündigungsschutz, aus Sicht der befragten Unternehmen, eine große Barriere bzw. Hürde bei der Einstellung von Personen mit Behinderung. "Gesetzliche Auflagen, z.B. der Kündigungsschutz, stellt generell für die Unternehmen eine Hürde punkto Einstellung der behinderten Bewerber dar. Eine Erleichterung der gesetzlichen Bestimmungen wäre einer Einstellung förderlicher" (Interview 2), so ein Handelsunternehmen. Auch von Seiten der IntegrationsprojektvertreterInnen wird der Kündigungsschutz als ein zweischneidiges Schwert gesehen. Für MitarbeiterInnen, die aufgrund ihrer Leistungen beurteilt werden möchten, und für Unternehmen, die glauben "in einer besonders schlechten wirtschaftlichen Lage, die Person nicht kündigen zu können und bis zum "bitteren Ende" behalten zu müssen" (Interview 15).

Auch NPOs sehen in der Schutzmaßnahme eine Hürde "Wir hatten selbst ein 3- jähriges Verfahren deswegen, weil wir diesen Mitarbeiter nicht behalten konnten. Das ist besonders in einer NPO, wie bei uns, sehr konfliktreich" (Interview 6).

4.7 Zusammenfassung

Insgesamt gesehen, stehen die befragten Unternehmen und NPOs einer Beschäftigung von Personen mit Behinderung positiv gegenüber. Besonders die Verlage sehen sich aufgrund des Tätigkeitsprofils theoretisch als idealer Arbeitgeber für Personen mit motorischen Einschränkungen.

Obwohl die bauliche Barrierefreiheit vordergründig auf Kundenbereiche ausgelegt ist, ist das Gros der befragten Unternehmen und NPOs bereit, in notwendigen Fällen Umbaumaßnahmen vorzunehmen, wenn der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin mit seinen/ihren Qualifikationen als ideal gesehen wird.

Auch IntegrationsprojektvertreterInnen erkennen die Bereitschaft seitens der Unternehmen auch nachträglich Arbeitsplätze zu adaptieren: "Wenn etwas nötig war, gab es dafür immer sehr rasche Lösungen. Wir hatten zweimal die Notwendigkeit eines minimalen Umbaus, eine Rampe und einen besonderen Stuhl mit Zufahrt zum Schreibtisch und das andere Mal ein Toilettenumbau" (Interview 15). Jedoch sehen sie Barrieren für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung außerhalb der baulichen Bereichen liegen: "weil wir wissen wo die Barrieren sind, und das sind nicht Rampen, Fahrstühle, Arbeitsplätze. Es ist die Angst, die dahinter steht. Die wirtschaftliche und existenzielle Angst- Der kann das ja gar nicht" (Interview 15).

Viele Unternehmen sind aufgrund der wirtschaftlichen Lage auf eine hohe Leistungserbringung seitens ihrer MitarbeiterInnen angewiesen und zögern bei der Einstellung von Person mit Behinderung. Diese wollen aber nach ihrer Leistung beurteilt und eingestellt werden und befürchten, dass ihre Behinderung die Jobaussichten minimiert. Viele Personen mit Behinderung überlegen sich deshalb, ob sie ihre Einstufung oder die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigt behinderten Menschen in ihrem Bewerbungsbogen anführen.

Aus der Sicht der IntegrationsprojektvertreterInnen, sind vor allem jüngere UnternehmerInnen bereit Personen mit Behinderung eine Chance zu geben. Zum einen führen sie es auf die "Erziehung und den Bildungsstand" zurück, "weil das früher nicht so thematisiert wurde, in einer gewissen Generationsstufe tut man sich einfach schwerer damit, und für die sind es auch "die Behinderten"" (Interview 15).

Vor allem ist es aber der persönliche Kontakt mit Unternehmen, der die Vermittlung und Einstellung von Personen mit Behinderung fördert.

"Wenn, dann funktioniert es auf der menschlichen Ebene. Es ist über das Reden. Je persönlicher der Kontakt und persönlicher die Akquise mit dem Unternehmer. Das macht es leichter, dem Unternehmer klar zu machen, dass er nicht bis ans Lebensende an den Mitarbeiter gebunden ist" (Interview 15).

Die Hypothese, dass die barrierefreie Gestaltung der Kundenbereiche höhere Priorität, als die barrierefreie Gestaltung der Arbeitsplätze bzw. der Betriebsstätten ohne Kundenbereichen hat, kann klar bestätigt werden.

5 Bauliche Barrierefreiheit (Begehung)

Insgesamt wurden sechzehn Objekte begangen. Fünf innerhalb des Verlagswesens, hierin inkludiert ist eine Verkaufsfiliale, vier Handelsunternehmen, wobei drei Objekte Verkaufsfilialen sind, fünf Zentralen von NPOs sowie zwei Versicherungsgebäude[22]. Eine genaue Beschreibung der Vorgehensweise bei einer Objektbegehung befindet sich im Anhang.

Die vorgefundenen Barrieren wurden folgendermaßen kategorisiert:

  • Barrieren, die ein eindeutiges Sicherheitsrisiko für Menschen mit Behinderung darstellen.

  • Barrieren, die dazu führen, dass Menschen mit Behinderung benachteiligt oder diskriminiert werden.

  • Barrieren, die die Nutzung des Gebäudes als Arbeitsstätte in dem Ausmaß erschweren, dass sie als "K.O.-Barriere"[23] gedeutet werden können.

In den nachfolgenden Kapiteln werden die den einzelnen Kategorien entsprechenden Barrieren beschrieben.

5.1 Gefährdung der Sicherheit

Die Anzahl der vorgefundenen Barrieren, die in den jeweiligen Branchen ein Sicherheitsrisiko für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung darstellen, erstrecken sich, wie in Abbildung 1 ersichtlich, von 29 bis 83 Barrieren. Durchschnittlich wurden im Verlagswesen sowie bei NPOs 24 Arbeitsbereiche beurteilt, beim Handel sowie bei Versicherungen jeweils 26.

Abbildung 1: Anzahl der sicherheitsgefährdenden Barrieren pro untersuchter Branche

Die häufigsten Sicherheitsrisiken finden sich für Personen mit Einschränkung der Motorik sowie der Sehfähigkeit.

In allen begangen Objekten konnte ein Fehlen bzw. eine nicht ausreichende Länge oder Höhe von Handläufen identifiziert werden. Vor allem Personen mit Gehbehinderung werden hierdurch gefährdet. Die Ö-Norm fordert hier einen um 40 cm verlängerter Handlauf nach der An- und Austrittstufe, um Menschen mit Gehbehinderung vor dem ersten und letzten Schritt auf der Treppe eine Absicherung zu ermöglichen.

Personen im Rollstuhl sind durch zu steile Rampen sowie Mängel bei barrierefreien Toiletten einem Sicherheitsrisiko ausgesetzt. In drei der sechzehn begangenen Gebäude ist das Öffnen der Toilettentür nur nach innen möglich und erschwert bei einem eventuellen Sturz das Hinkommen zur Person. Drei WC-Anlagen weisen eine instabile Sitzbefestigung auf, fehlende oder falsch montierte Haltegriffe sowie fehlende bzw. nicht erreichbare Notrufeinrichtungen.

Sehbehinderte Personen, die am zweithäufigsten benachteiligte Gruppe, sind vor allem durch das Fehlen von taktilen bzw. farblichen Markierungen an Stufen oder Glastüren gefährdet. An- und Austrittsstufen sind ebenfalls nicht kontrastierend markiert. Darüber hinaus fehlen für Menschen mit Sinnesbehinderungen auch häufig Informationstechnologien wie Liftstockwerksansagen und entsprechende Notruf- oder Brandmeldesysteme.

5.2 Benachteiligung und Diskriminierung

Im Vergleich zu Barrieren im Sicherheitsbereich, wurden bei Objektbegehungen innerhalb der Verlagsbranche sowie bei den NPOs um ca. 50% mehr Barrieren im Bereich Benachteiligung und Diskriminierung gefunden. Im Handel ist die Anzahl um zwei Drittel höher, wie Abbildung 2 zeigt.

Abbildung 2: Anzahl von Barrieren pro untersuchter Branche, die ArbeitnehmerInnen mit Behinderung benachteiligen oder diskriminieren

Auch hier finden sich die meisten Benachteiligungen oder Diskriminierung für Personen mit motorischen Einschränkungen sowie Seheinschränkungen. Hierbei sind vordergründig RollstuhlfahrerInnen betroffen. Vor allem durch fehlende, nicht gekennzeichnete oder zu klein dimensionierte Behindertenparkplätze. Schwere Eingangstüren, die zudem noch einen zu engen Schwenkbereich aufweisen, Stufen zu wichtigen Gebäudeteilen sowie schmale Durchfahrtsbreiten an Gängen und Türen. In den Räumlichkeiten selbst führen schwer erreichbare Bedienelemente wie Liftruftaste, Gegensprechanlage oder Fenstergriffe zu einer Benachteiligung von ArbeitnehmerInnen im Rollstuhl.

Außerdem weisen beim Großteil der besichtigten Objekte die Fahrkörbe der Aufzüge eine zu geringe Fläche für Rollstühle auf.

Einschränkungen finden sich auch in Sozialräumen und deren Ausstattung. So ist die Unterfahrbarkeit von Herd, Arbeitsfläche und Spüle in Teeküchen für RollstuhlfahrerInnen nicht gewährleistet. Zusätzlich wurden in einem besichtigten Objekt Stehtische vorgefunden, die nicht nur das Ablegen von Kaffeetassen, Dokumenten, etc. für Personen im Rollstuhl erschweren, sonder diese auch von der Kommunikation, die hier stattfindet, ausgrenzt.

Darüber hinaus sind die Einrichtungsgegenstände in der Küche nicht auf die Benutzung durch Menschen mit Sinnesbehinderungen ausgelegt, da z.B. taktile Markierungen fehlen.

In zwei von vier besichtigten Verkaufsfilialen schließt die Gestaltung des Kassabereichs grundsätzlich die Tätigkeit eines Rollstuhlfahrers bzw. einer Rollstuhlfahrerin in diesem Bereich aus.

5.3 K.O.-Barrieren

Um das Ausmaß zu ermitteln, welche Betriebsstätten für Menschen mit Behinderung zugänglich und nutzbar sind, ist eine genauere Betrachtung der sogenannten K.O.- Barrieren erforderlich. Anders als Barrieren, die ein Sicherheitsrisiko darstellen oder Personen mit Behinderung benachteiligen bzw. diskriminieren, stellen K.O.-Barrieren eine grundsätzliche Nutzung des Gebäudes für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung in Frage.

Bei lediglich einem Viertel der besichtigten Objekte wurden keine K.O.-Barrieren gefunden. Dazu zählen alle besichtigten Versicherungen sowie zwei von fünf NPOZentralen.

Wie aus Abbildung 3 ersichtlich, weisen mehr als die Hälfte (zehn) der sechzehn begangenen Objekte eine bis vier K.O.-Barrieren auf.

Zu den betroffenen Objekten zählen drei besichtigte NPOs, vier der fünf Verlage, sowie drei der vier Objekte innerhalb der Handelsbranche. In drei Fällen handelt es sich zudem um Verkaufsräumlichkeiten, die auch für den Kundenverkehr vorgesehen sind.

In zwei Objekten konnten jeweils fünf K.O.-Barrieren nachgewiesen werden. Dazu zählen ein Verlag und eine Verkaufsfiliale innerhalb der Handelsbranche.

Die K.O.-Barrieren beziehen sich in allen Fällen auf Barrieren für die Gruppen "Mobilität 1" und "Mobilität 2". K.O.-Barrieren für andere Behinderungsgruppen konnten nicht ermittelt werden.

5.3.1 K.O.-Barrieren innerhalb spezieller Bereiche in Betriebsstätten

Werden nun die K.O.-Barrieren in die, wie im Kapitel 3.4.3 beschriebenen, fünf Bereiche[24] unterteilt, ergibt sich das in Abbildung 4 dargestellte Bild.

  • Außenbereich

Von sechzehn beurteilten Betrieben weisen vier bereits im Außenbereich Barrieren auf, die es RollstuhlfahrerInnen nicht ermöglichen, in das Gebäude zu gelangen. In drei Fällen waren eine oder mehrere Stufen dem eigentlichen Eingang vorgelagert. In einem Fall wirkte sich ein starkes Gefälle im Vorfeld des Betriebes als risikoreich fürRollstuhlfahrerInnen auf. Insbesondere beim Verlassen oder Betreten eines PKWs kann es hier zu Problemen kommen.

Die beschriebene Hanglage ist auch für Menschen mit Gehbehinderung eine große Barriere. Wenn der Gehsteig in diesem steilen Bereich nicht über Handläufe, Stützmöglichkeiten oder Plateaus zum Rasten verfügt, gestaltet sich der Weg zum Betrieb für Menschen mit Gehbehinderung äußerst problematisch. Dieses Problem würde sich bei Schneelage und Glatteis noch weiter verschärfen.

  • Arbeitsbereich

In sieben von sechzehn beurteilten Objekten finden sich K.O.-Barrieren im Arbeitsbereich für RollstuhlfahrerInnen. Zwei davon verfügen auch über K.O.-Barrieren für Menschen mit Gehbehinderung.

Beispielhaft sind sehr steile Rampen, die eigentlich Verladerampen sind, aber MitarbeiterInnen mit motorischen Einschränkungen die einzige Möglichkeit bieten die wesentlichen Bereiche des Betriebes zu erreichen.

Zusätzlich zur großen Steigung sind auch fehlende Handgriffe bzw. schwer zu öffnende Türen am Ende der Rampe zu verzeichnen. Durch Waren verstellte Eintrittsbereiche weisen weitere Barrieren auf, die letztlich für Menschen mit Gehbehinderung eine K.O.-Barriere sind.

  • Sanitärbereiche

Neun von sechzehn Betrieben haben keine barrierefreie Toilette und schließen so Menschen im Rollstuhl als MitarbeiterInnen aus. Eine Toilette ist derart ungünstig ausgestattet, dass hier Menschen mit Mobilitätseinschränkung keine Möglichkeit haben, diese in allgemein üblicher Weise zu nutzen.

  • Sozialbereich

In zwei von sechzehn Objekten waren die Sozialbereiche aufgrund von zu geringen Türbreiten oder Stufen für RollstuhlfahrerInnen nicht zugänglich.

  • Sozialbereich - Ausstattung

Auffallend ist, dass bei Sozialbereich - Ausstattung keine K.O.-Barrieren vorhanden sind. Die bei den Begehungen vorgefundenen Kantinen und Speisesäle verfügen über keine K.O.-Barrieren. Teeküchen und ähnliche Einrichtungen wurden grundsätzlich nach dem allgemein üblichen Nutzungszweck bewertet und nicht wie eine Küche im privaten Bereich. Zwar weisen sie diverse Sicherheitsrisiken oder Benachteiligungen auf, wie zum Beispiel viel zu hohe und nicht unterfahrbare Kücheneinrichtungen, die das Erreichen der Geräte erschweren. Eine Nutzung ist aber grundsätzlich möglich.

5.4 Hinderliche Faktoren bei der baulichen Barrierefreiheit von Betriebsstätten

5.4.1 Wirtschaftliche Situation und Förderungen

Die Wirtschaftlichkeit spielt nicht nur unmittelbar bei der Beschäftigung von MitarbeiterInnen mit Behinderung eine entscheidende Rolle, sondern auch bei damit in Zusammenhang stehenden Umbaumaßnahmen. So werden in den nötigsten Fällen die wichtigsten Adaptierungen vorgenommen. Auch bei Neubauten ist diese Ansicht seitens der Befragten dominierend: "Hängt sehr stark von der Gegebenheit ab, wenn wir umbauen, oder neue Zweigstellen schaffen, achten wir darauf, wo es wirtschaftlich vertretbar ist" (Interview 14).

Eng damit in Zusammenhang steht das Thema Förderungen für Umbaumaßnahmen in Zusammenhang mit der Schaffung von Barrierefreiheit.

Der größere Teil der Befragten sieht eine alleinige Verantwortung bei den betroffenen Unternehmen, wenn es um bauliche Barrierefreiheit geht. Dies trifft insbesondere auf Unternehmen der Handelsbranche zu. Der Rest der Befragten würde einen Teil der Verantwortung an den Staat abgeben. Dabei würden staatliche Förderungen einen Anreiz für Unternehmen darstellen und wurden seitens der Unternehmen und NPOs begrüßt. Vor allem bei bereits bestehenden Objekten hat ein Umbau einen hohen finanziellen Aufwand zur Folge, den sich manche KMU oder kleinere NPO nicht leisten kann.

Bemängelt wurde der Informationsfluss seitens der Verantwortlichen in Bezug auf die vielfältigen Möglichkeiten einer Förderung. Fünf der befragten Unternehmen und NPOs sind staatliche Förderungsmöglichkeiten nicht bekannt. Davon gehören drei zum Verlagswesen, eine NPO und eine Versicherung.

Mehrheitlich liegt es am Unternehmen selbst sich "in Bezug auf Förderungen und Unterstützung schlau zu machen, das sind einige wenige" (Interview 15) wird von einem/r der IntegrationsprojektvertreterInnen kritisiert. "Daher ist der Informationsstand bei Unternehmen nicht sehr hoch. Das ist schon bei den "normalen" Dingen, also andere Förderungen, die jeder Unternehmer in Anspruch nehmen kann. Ich glaube, dass die Info nicht dort ankommt wo sie eigentlich hin soll", so diese/r weiter.

Dies bestätigen auch die Zahlen des Bundessozialamts zur Vergabe von Förderungen. So wurden bis Mitte 2009 erst knapp über 40% der für 2009 zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben[25]. Im Jahr 2008 wurden insgesamt 31 Mio. Euro an Fördergeldern ausbezahlt.

5.4.2 Denkmalschutz / behördliche Auflagen

Denkmalschutz und Barrierefreiheit stehen für einige befragte Unternehmen mit Objekten im innerstädtischen Raum in einer konfliktreichen Beziehung. Vor allem in historischen Gebäuden stellen Treppen, Schwellen oder zu schmale Türen für viele Personen mit Behinderung unüberwindbare Hindernisse dar. Insbesondere Verkaufsfilialen der Handelsbranche oder Versicherungszentralen sind durch die Gesetzesauflagen, die den Denkmalschutz oder die Altstadterhaltungsgesetze betreffen, in der Schaffung von Barrierefreiheit eingeschränkt.

5.5 Zusammenfassung

In allen 4 Branchen finden sich, wie aus Abbildung 6 hervorgeht, die meisten Barrieren für die Mobilitätsgruppe 1, d.h. RollstuhlfahrerInnen. An zweiter Stelle folgen sehbehinderte bzw. blinde Menschen.

Die am wenigsten von baulichen Barrieren betroffene Gruppe sind Personen mit Einschränkung der Hand- und Armfunktion sowie gehörlose Personen und Personen mit Einschränkung des Hörapparates. Letztere werden gemeinsam mit sehbehinderten und blinden Personen aufgrund fehlender Warnsysteme nach dem 2-Sinne-Prinzip[26] einem eventuellen Sicherheitsrisiko ausgesetzt.

Abbildung 5: Anzahl der Barrieren nach untersuchter Branche und Behinderung

Die begangenen Verlagshäuser weisen im Durchschnitt die meisten Barrieren (30) für Personen mit Sinnesbehinderung[27] auf.

In den besichtigten Objekten der Handelsbranche finden sich die meisten Barrieren für Menschen mit Mobilitätseinschränkung (rund 40). Innerhalb der Verlagsbranche gibt es für diese Gruppe durchschnittlich die geringste Anzahl an Barrieren.

Abbildung 6: Anzahl an Barrieren nach Barriere-Gruppen und Branchen

Die durchschnittliche Anzahl an Barrieren, die ein Sicherheitsrisiko für MitarbeiterInnen mit Behinderung darstellen, liegt mit 17 Barrieren beim Handel und Verlagswesen. Bei den Organisationen im Nonprofit Bereich sind es durchschnittlich 16 Barrieren. Die Versicherungen weisen mit 15 Barrieren eine etwas geringere Anzahl auf.

Im Rahmen von benachteiligenden und diskriminierenden Barrieren findet sich im Vergleich zu den Sicherheitsrisiken eine höhere durchschnittliche Anzahl. 27 Barrieren im Verlagswesen, 26 bei Handelsunternehmen, 25 Barrieren innerhalb der NPOs sowie 19 bei den Versicherungen.

Die häufigste K.O.-Barriere sind fehlende barrierefreie WC-Anlagen. Bei knapp mehr als der Hälfte der betroffenen Objekte kann das Fehlen auf kulturhistorische Gründe zurückgeführt werden, d.h. unter Denkmalschutz stehende oder unter das Altstadterhaltungsgesetz fallende Gebäude. Eine Beseitigung dieser Barriere würde hierbei einen wesentlichen Eingriff in die bestehende Situation bedeuten. Weitere K.O.- Barrieren sind vor allem Stufen und enge Türen im Arbeitsbereich, die gemeinsam mit den fehlenden barrierefreien WC-Anlagen vor allem ArbeitnehmerInnen im Rollstuhl eine Nutzung des Gebäudes unmöglich machen.

Personen mit Einschränkung des Sehapparates sind vor allem durch fehlende taktile Markierungen gefährdet und benachteiligt.



[22] Eine Versicherung hat trotz anfänglicher Zusage eine Begehung verweigert.

[23] Dies wäre zum Beispiel das Fehlen einer behindertengerechten Toilette oder Stufen vor wichtigen Gebäudebereichen.

[24] Sozialbereich-Ausstattung wurde hier herausgenommen, da keinerlei K.O.-Barrieren hier zu finden sind.

[25] Vgl.: http://chatarchiv.unternehmerweb.at/index.php/2009/06/09/behinderung-als-einstellungssachekostenloses-unternehmensservice-des-bundessozialamtes/ [Zugriff am 18.01.2010]

[26] Rauch- und Feuermelder nach dem 2-Sinne-Prinzip bieten die Möglichkeit, Personen, die einen Sinn nicht oder nur eingeschränkt benutzen können, über den anderen Sinn zu warnen.

[27] Hier zusammengefasst sind blinde, sehbehinderte, gehörlose, hörbehinderte Personen sowie Personen mit Einschränkungen der Handfunktion

6 Zukunftsaussichten

6.1 Zivilisationskrankheiten

Im Vergleich zu den sichtbaren Behinderungen, werden vor allem chronische und psychische Erkrankungen und so genannte Zivilisationskrankheiten innerhalb der Bevölkerung im Allgemeinen und unter den ArbeitnhmerInnen im Speziellen steigen. Ausgerufen durch Stress, berufliche Belastung und ungesunden Lebensstil werden Krankheiten wie Diabetes, Erkrankungen der Wirbelsäule oder auch Folgeerscheinungen des Burnout-Syndroms, die Beschäftigten und Unternehmen belasten.

6.2 Barrierefreiheit

Im Vergleich zu früher wird insbesondere bei Neubauten Barrierefreiheit an Bedeutung gewinnen, so die befragten Personen in den Unternehmen und NPOs. Speziell im Kundenbereich werden sich Handelsunternehmen nochmals vermehrt engagieren, um Barrierefreiheit zu schaffen.

Während sich große Handels- und Versicherungsunternehmen selbst in der Verantwortung sehen, Barrierefreiheit im Unternehmen zu schaffen, betonen VertreterInnen von NPOs die Wichtigkeit von Förderungen. Vor allem bei spendenfinanzierten Organisationen sind Förderungen in diesem Bereich besonders bedeutsam, da Spenden meist zweckgebunden vergeben werden und jegliche Overheadkosten seitens der SpenderInnen besonders kritisch gesehen werden. Ein/e Vertreter/in meint dazu "Bei uns, da wir aus Spenden finanziert werden, wäre es hilfreich Förderungen zu bekommen, wobei jeder Dienstgeber verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen" (Interview 6).

6.3 Beschäftigung von Personen mit Behinderung

Schwierigkeiten werden eher bei Neueinstellungen von Personen mit Behinderung gesehen, da deren Beschäftigung - abgesehen von der Schaffung einer baulich barrierefreien Umgebung - einen wirtschaftlichen Mehraufwand für Unternehmen und NPOs bedeutet. Vor allem aber, so ein Großteil der befragten Personen gleichermaßen in Unternehmen und NPOs, stellt der Kündigungsschutz eine hohe Schwelle bei der Einstellung von Personen mit Behinderung dar.

Um dem negativen Image des "Kündigungsschutzes" entgegenzuwirken, sollten mehr Positivbeispiele publik gemacht werden, meint ein/e IntegrationsprojektvertreterIn und führt aus: "Die guten Beispiele werden nicht öffentlich plakatiert. Es werden wenn - dann überhaupt nur die Negativbeispiele, die schlechten Erfahrungen in den Zeitungen oder im Fernsehen verbreitet. Es wird immer nur dann publiziert, wenn irgendetwas nicht funktioniert" (Interview 15).

6.4 Infrastruktur

Obwohl von den Befragten barrierefreie Verbesserungen innerhalb der städtischen Infrastruktur und des öffentlichen Verkehrsnetzes angemerkt wurden, sind außerhalb des urbanen Raumes, vor allem jene Personen mit Behinderung in ihrer Mobilität und in weiterer Folge auch bei der Jobauswahl besonders eingeschränkt, die auf öffentliche Verkehrsanbindungen angewiesen sind.

Entsprechend sollten nicht nur Betriebsstätten und öffentliche Gebäude barrierefrei gestaltet werden, sondern auch die Wege dorthin. Hier ist nicht zuletzt die öffentliche Hand selbst gefragt tätig zu werden.

6.5 Gesellschaftliche Entwicklung

Der Großteil der befragten Unternehmen und NPOs unterstreicht den gesamtgesellschaftlichen Aspekt beim Umgang mit dem Thema "Menschen mit Behinderung":

"Solange die öffentliche Meinung nicht mehr behindertenfreundlich ist, wird sich im Privaten und Unternehmen nicht viel ändern" (Interview 14), so ein Vertreter der ersicherungsbranche. "Es ist in den Medien kein Thema und kein Thema in den Köpfen der Leute" (Interview 14). Diese Meinung wird auch von IntegrationsprojektvertreterInnen geteilt. "Aber wenn es in der Gesellschaft eine andere Stellung hat, dann wird es leichter sein. Weil dann ist es "selbstverständlich"" (Interview 15).

7 Resümee

Aufgrund der geänderten Lebensstile, Umweltfaktoren und Stress werden - im Vergleich zu den sichtbaren Behinderungen - vor allem bei der Gruppe der Beschäftigten chronische und psychische Erkrankungen und sogenannte Zivilisationskrankheiten ansteigen. Auch mit ansteigendem Alter der Beschäftigten und den damit einhergehenden Einschränkungen der ArbeitnehmerInnen, werden UnternehmerInnen mit neuen Herausforderungen der Betriebsstätten- und Arbeitsplatzgestaltung konfrontiert werden.

Die Zahl der begünstigt behinderten Menschen stieg im Vergleich zum Jahr 2000, wo sie bei 77.812 lag, im Jahr 2009 bereits auf 94.034[28]. Hier sind nicht die ArbeitnehmerInnen eingerechnet, denen die Möglichkeit einer Begünstigung entweder nicht bekannt ist, oder die sich bewusst nicht begünstigen lassen möchten, da sie dadurch eine Stigmatisierung seitens der KollegInnen und ArbeitgeberInnen befürchten und in weiterer Folge eine Verminderung ihrer Jobchancen.

Prinzipiell stehen die befragten Verantwortlichen in den Unternehmen und NPOs einer Beschäftigung von Personen mit Behinderung positiv gegenüber. Wenn jedoch MitarbeiterInnen mit Behinderung in den untersuchten Unternehmen und NPOs beschäftigt sind, handelt es sich vor allem um langjährige Angestellte, die im Laufe ihrer Beschäftigung durch Unfall oder Krankheit eine Behinderung bzw. Einschränkung bekommen haben.

Die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen für MitarbeiterInnen mit Behinderung bereitet den Unternehmen und NPOs in Summe relativ wenig Schwierigkeiten. In individuellen Fällen wurde der Arbeitsplatz sowie das Tätigkeitsprofil entsprechend der Einschränkung adaptiert und innerhalb der Unternehmen flexibel und auf kurzen Entscheidungswegen genehmigt. Der Ankauf von entsprechenden Büromöbeln, die Verlegung des Arbeitsplatzes, die Anpassung der Arbeitsaufgaben oder die Verminderung des Kundenkontaktes gehören zu den gängigsten Maßnahmen.

Bei der Einstellung von neuen MitarbeiterInnen mit Behinderung wird von den Befragten auf die Problematik der zu geringen BewerberInnenzahl und die steigenden Wettbewerbsanforderungen für Unternehmen verwiesen. Die Möglichkeit deutlich überdurchschnittliche Leistungen erbringen zu können, wird Menschen mit Behinderung hierbei durchwegs abgesprochen. Vor allem aber stellt der Kündigungsschutz, aufgrund seiner rechtlichen Verpflichtungen für das Unternehmen, eine große Einstellungsbarriere dar. Viele ArbeitgeberInnen befürchten Angestellte mit Behinderung für immer im Unternehmen behalten zu müssen.

Die Annahme, dass NPOs, gemeinnützige Vereine oder Interessensvertretungen aufgrund eines Gemeinnützigkeitsstatus oder ihres sozial- und gesellschaftspolitischen Leitgedankens, vermehrt Personen mit Behinderung einstellen bzw. beschäftigen, muss verworfen werden. Wie Unternehmen, klagen auch Nonprofit Organisationen über eine mangelnde Bewerberzahl. Insbesondere kleinere Organisationen, die um zu überleben, stark auf effizienten Ressourceneinsatz achten müssen, argumentieren mit hohen Leistungsanforderungen an ihre MitarbeiterInnen.

Da derzeit keine klare, österreichweite, einheitliche Reglung hinsichtlich Barrierefreiheit in Unternehmen besteht, ist die barrierefreie Gestaltung von Betriebsstätten von der jeweiligen Unternehmenskultur geprägt und erfolgt individuell durch ArchitektInnen bzw. Baufirmen. Dabei kommt es, wie bei einigen besichtigten NPOs, Versicherungen und Handelsunternehmen vorgefunden, zu einer nicht der Ö-Norm entsprechenden Ausführung von Barrierefreiheit, was oftmals ein Sicherheitsrisiko, eine Diskriminierung oder gar ein K.O. -Kriterium für die Betroffenen darstellt.

Häufig ist Barrierefreiheit im Kundenbereich von Handelsunternehmen, Versicherungen oder NPOs zu finden. Hier hauptsächlich in neu errichteten Filialen am Stadtrand bzw. in Industriegebieten, wo keine Einschränkungen aufgrund von Denkmalschutz oder Altstadterhaltungsgesetzen auf die Unternehmen zukommen. Auch in Zukunft werden sich Unternehmen engagieren - im Sinne einer steigenden Kundenfreundlichkeit und Kundenzufriedenheit - Barrierefreiheit vordergründig im Kundenbereich zu schaffen.

Allgemein gehören Personen mit motorischen Einschränkungen, hier vor allem RollstuhlfahrerInnen, zu den am meisten benachteiligten und gefährdeten Personengruppen innerhalb der begangenen Objekte. Vor allem K.O.-Barrieren, wie fehlende Toiletten oder Stufen vor den Haupteingängen, stellen die Nutzung von Gebäuden für diese Gruppe grundsätzlich in Frage und schränken den Zugang zu Betriebsstätten ein.

Blinde Personen und seheingeschränkte Personen sind, laut Auswertung der Begehungsdokumentation, die am zweithäufigsten benachteiligte Gruppe. Vor allem fehlende taktile Markierungen an Auf- und Abgängen von Treppen oder farblich gekennzeichnete Glasflächen stellen Barrieren dar.

An die geringste Anzahl an Barrieren stoßen Personen mit Einschränkungen der Arm- und Handfunktion sowie gehörlose und hörbehinderte Personen.

Das Thema Barrierefreiheit ist somit bei den untersuchten gewinnorientierten Unternehmen und NPOs angekommen. Es besteht auch durchwegs die Bereitschaft in barrierefreie Gebäude zu investieren. Kundenbereiche haben allerdings gegenüber reinen Mitarbeiterbereichen bzw. der Arbeitsplatzgestaltung klaren Vorrang. Eine weitgehende barrierefreie Gestaltung der Betriebsstätten ist entsprechend nicht gegeben.

Es hat sich aber auch gezeigt, dass bauliche Barrieren nur ein Teil des Problems der Integration von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz sind. In der vorliegenden Studie wurden v.a. andere wirtschaftliche Gründe angesprochen, die abgesehen von baulichen Barrieren die Einstellung von Menschen mit Behinderung erschweren. So wird dieser Gruppe geringere Effizienz und Effektivität bei der Aufgabenerledigung zugesprochen. In Zeiten stärkeren Wettbewerbs und höheren Drucks Ressourcen effizient einzusetzen, achten ArbeitgeberInnen besonders stark darauf ArbeitnehmerInnen einzustellen, die erstens bereit sind und zweitens auch in der Lage sind, überdurchschnittliche Leistungen für das Unternehmen oder die NPO zu erbringen. Menschen mit Behinderung sind hier oft weniger wegen einer mangelnden Motivation als vielmehr wegen den der Behinderung zugeschriebenen Einschränkungen benachteiligt. Ein relativ stringenter Kündigungsschutz für diese Personengruppe schreckt in diesem Zusammenhang zusätzlich vor einer Einstellung ab.

Für ein effektives Vorgehen in der Politik für Menschen mit Behinderung gilt es neben den Aktivitäten zur baulichen Barrierefreiheit entsprechend auch auf eine Bekämpfung von bestehenden Vorurteilen der mangelnden Leistungsfähigkeit zu achten. Dort wo tatsächlich mangelnde Leistungsfähigkeit gegeben ist, könnte ein stärkerer finanzieller Ausgleich aus Steuermitteln motivierend wirken Menschen mit Behinderung einzustellen.



[28] vgl.:http://www.arbeitundbehinderung.at/de/arbeitsmarkt/arbeitsmarktdaten/beguenstigtebehinderte.php [Zugriff am 11.1.2010.]

8 Handlungsempfehlungen

Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich folgende konkrete Handlungsempfehlungen ableiten:

  • Lobbying für Menschen mit Behinderung bei gewinnorientierten Unternehmen und NPOs verstärken Auch wenn Antidiskriminierung und Beschäftigungspflicht gesetzlich verankert sind, braucht es mehr um das Thema in Unternehmen und teilweise auch in NPOs zu verankern. Wie ein adäquater Umgang mit und die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung gestaltet sein sollte, müsste langfristig Eingang in die Unternehmenskultur finden. Als ersten Schritt könnte seitens Organisationen, welche die Interessen von behinderten ArbeitnehmerInnen vertreten, verstärkt Lobbying betrieben werden, um das Thema in Unternehmensleitlinien, ethischen Grundsätzen oder ähnlichen unternehmensintern bindenden Dokumenten zu etablieren. In diesem Zusammenhang wäre auch ein Aufzeigen von positiven, gelungenen Beispielen der Integration von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen in Unternehmen sinnvoll. Solcherart können Vorbilder geschaffen werden.

  • Ausweitung eines über den Abbau von baulichen Barrieren hinausgehenden Beratungsangebots für ArbeitgeberInnen Die Studie hat ergeben, dass Diskriminierung von Personen mit Behinderung eher aufgrund der Angst und des Nicht-Wissens von ArbeitgeberInnen über sie und damit in Zusammenhang stehenden gesetzlichen Rechte und Pflichten (z.B. beim Kündigungsschutz) bestehen. Hier besteht erhöhter proaktiver Beratungs- und Aufklärungsbedarf.

  • KMUs und NPOs verstärkt über Fördermöglichkeiten in Zusammenhang mit der Herstellung einer baulich barrierefreien Arbeitsumgebung informieren Vor allem kleine Unternehmen und Nonprofit Organisationen sind auf Förderungen angewiesen, können sich jedoch aus Mangel an zeitlichen und personellen Ressourcen kaum leisten, aktiv nach diesen zu suchen. Die aktive Ansprache dieser Unternehmen und NPOs mit dem Ziel über Förderungen und andere Möglichkeiten bei der Beschäftigung von Personen mit Behinderungen zu informieren, sollte ausgebaut werden. Ein möglichst persönlicher Kontakt zu den Personalverantwortlichen und Verantwortlichen für Neu- und Umbauten in den Unternehmen bzw. NPOs zur Sensibilisierung scheint hierbei am zielführendsten zu sein.

  • Verstärkte Zusammenarbeit mit ArchitektInnen und Baufirmen, um eine Einhaltung von Normen, die mit baulicher Barrierefreiheit in Zusammenhang stehen, bereits bei der Planung von Neu- bzw. Umbauten, zu forcieren. Wie bereits in der von Schober/Skina (2008) durchgeführten Studie zur Barrierefreiheit im Zusammenhang mit Kundenbereichen dargestellt und in der vorliegenden Studie bestätigt, vertrauen die Unternehmen beim Thema Barrierefreiheit stark auf ArchitektInnen und Baufirmen. Trotz beabsichtigter Barrierefreiheit und versuchter Einhaltung der Normen treten, wie die Begehungen gezeigt haben, immer wieder Mängel und nicht normengerechte Ausführung bei Bau- und Umbaumaßnahmen auf. Hier wäre eine engere Zusammenarbeit mit Architekturbüros und Baufirmen zur Sensibilisierung hinsichtlich des Themas empfehlenswert. Weiterbildungsangebote ggf. auch über rein bauliche Aspekte hinausgehend wären zu empfehlen.

  • Evaluierung des bestehenden Kündigungsschutzes und Prüfung alternativer Zugänge Wiederholt wurde das Thema Kündigungsschutz als Barriere für die Neueinstellung von Menschen mit Behinderung angesprochen. Ob gerechtfertigt oder nicht, ArbeitgeberInnen lassen sich durch strengere Kündigungsschutzregelungen abschrecken. Eine versuchsweise Verringerung des Kündigungsschutzes im Zuge einer Evaluierung der Regelungen, begleitet mit einer entsprechenden Informationsoffensive könnte angedacht werden. Als Alternative könnte auch eine längerfristige Anstellung von Menschen mit Behinderung in staatlich gestützten Leiharbeitsfirmen überlegt werden. Diese Firmen könnten dann die behinderten ArbeitnehmerInnen an Unternehmen vermitteln und diesen Kündigungsschutzregelungen wie bei "normalen" Arbeitsverhältnissen einräumen. Solcherart wäre das von den Unternehmen wahrgenommene ökonomische Risiko minimiert und die behinderten ArbeitnehmerInnen wären zumindest hinsichtlich einer kontinuierlichen Beschäftigung nicht schlechter gestellt.

9 Literaturverzeichnis

BMASK (2009): "Behindertenbericht 2008 - Bericht der bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderung in Österreich.": Wien.

Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz: BGStG, BGBl. I Nr. 82/2005 http://www.bizeps.or.at/gleichstellung/rechte/ [Zugriff am 12.01.2010].

Bundessozialamt (2007): "Behindertengleichstellung - Bericht des Bundessozialamtes 2006/2007.": Wien.

Hofer, Hansjörg / Iser, Wolfgang / Miller-Fahringer, Karin / Rubisch, Max (2006): Behindertengleichstellungsrecht - Kommentar", Wien Graz

Ö NORM B 1600 (2005): "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlage." Österreichisches Normungsinstitut, Wien.

Ö NORM B 1603 (2005): "Barrierefreie Tourismuseinrichtungen - Planungsgrundlagen." Österreichisches Normungsinstitut, Wien.

Schober, Christian / Skina, Magdalena (2008) "Beratungsangebot und Beratungsbedarf österreichischer Unternehmen im Bereich "Barrierefreiheit"" Forschungsbericht NPO-Institut an der WU Wien. Download unter: http://www.npo.or.at/forschung/abgeschlossene/barierrefreiheit.htm

Statistik Austria (2008): "Menschen mit Beeinträchtigung - Ergebnisse der Mikrozensus Zusatzfragen im 4. Quartal 2007." In: Statistisches Nachrichten 12/2008: Wien, 1132 -1141.

Wiesinger, Hans (2007): "Design for all - Planungsgrundlagen zum barrierefreien Planen und Bauen." Downloadbar unter: www.escif.org/memberdownloads/downloads/Design%20for%20all.pdf[Zugriff am: 12.01.2010].

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Kontakt:

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Dr. Christian Schober

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Copyright: NPO-Institut

Quelle:

Selma Sprajcer, Christian Schober: Wo ein Wille, da ein Weg? Studie zur baulichen Barrierefreiheit in Betriebsstätten von Unternehmen und Nonprofit Organisationen in Ostösterreich

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 06.10.2010

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