Lebensrealitäten von Frauen nach erworbener körperlicher Behinderung

Autor:in - Bettina Singer
Textsorte: Diplomarbeit
Releaseinfo: Diplomarbeit an der Universität Wien. Studienrichtung: Pädagogik. Betreuerin: Univ.-Ass.in Mag.a Dr.in Helga Fasching.
Copyright: © Bettina Singer 2012

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Ich möchte mich hiermit bei einigen Menschen bedanken, die einen entscheidenden Beitrag zur Erstellung meiner Diplomarbeit geleistet haben. Mein größter Dank gilt dabei jenen fünf Frauen, die sich bereit erklärt haben, mir ihre Lebensgeschichten zu erzählen, um mir so einen Einblick in ihre Lebenswelten zu gewähren. Ganz besonders möchte ich mich bei ihnen für die Gastfreundlichkeit und Offenheit erkenntlich zeigen, die mir so selbstverständlich entgegengebracht wurde.

Dank aussprechen möchte ich auch meiner Betreuerin Univ.-Ass.in Mag.a Dr.in Helga Fasching für die unterstützende Begleitung und die konstruktive Kritik während des gesamten Diplomarbeitsprozesses.

Auch meine Eltern gilt es an dieser Stelle zu erwähnen. Sie haben mich während meines gesamten Studiums unterstützt und mir dadurch ermöglicht meinen Weg zu gehen. Meiner Schwester Kerstin danke ich für die konstruktiven Gespräche, die kritischen Kommentare sowie die Zeit und die Aufmerksamkeit, die sie dem Lesen meiner Arbeit gewidmet hat. Mäx und Steffi haben mich mit dem kritischen Lesen meiner Arbeit ebenfalls sehr unterstützt. Ihnen möchte ich ebenso Dank ausdrücken, wie allen meinen FreundInnen für ihr rücksichtsvolles Verhalten während des Arbeitsprozesses.

Zu guter Letzt möchte ich mich ganz besonders bei Luisa bedanken. Nicht nur für ihre Geduld, sondern auch für ihre konstruktive Kritik während des Verfassens meiner Diplomarbeit. Am meisten jedoch dafür, dass sie an mich und die vorliegende Arbeit geglaubt hat und mir in vielen Situationen, in denen ich glaubte zu scheitern, emotional zur Seite gestanden ist.

Einleitung

Das Thema meiner Diplomarbeit "Lebensrealitäten von Frauen nach erworbener körperlicher Behinderung" ergab sich, auf der einen Seite durch persönliche Betroffenheit, auf der anderen Seite durch eine prozesshafte Annäherung an den Gegenstand.

Meine Großmutter erlitt im Alter von 45 Jahren durch einen Unfall eine Querschnittslähmung. Da ich erst nach dem Unfall geboren wurde, kannte ich meine Großmutter nicht ohne Behinderung, dennoch stellte ich mir häufig die Frage, wie ihr Leben vor dem Unfall war, beziehungsweise wie sich ihr Leben durch den Unfall verändert hat. Insbesondere fragte ich mich, welche Vorstellungen sie selbst von ihrem Leben vor ihrem Unfall hatte und ob sie diese Vorstellungen nach dem kritischen Lebensereignis erfüllen konnte. Als Mutter, Ehefrau und Hausfrau konnte sie Aufgaben, die diesen Rollen aus einer traditionellen Sichtweise zugeschrieben und gesellschaftlich erwartet werden, nicht mehr im gesamten Umfang erfüllen. Konkret richteten sich meine Gedanken auf den Übergang von Nicht-Behinderung zu Behinderung und die Auswirkungen, die sich dadurch für die Lebenswirklichkeit und die Persönlichkeit ergeben.

Die wissenschaftliche Annäherung an die Thematik begann mit dem Besuch des Forschungsseminars "Forschungsmethodik in der Heilpädagogik und Integrativen Pädagogik - Qualitative Datenauswertung mit Altas.ti" unter der Leitung von Univ.-Ass. in Mag.a Dr.in Helga Fasching. Durch die Bearbeitung von Interviews mit behinderten Frauen, wurde meine Aufmerksamkeit auf die Identitätswahrnehmung der Frauen gelenkt. Nach weiteren Treffen mit Univ.-Ass. in Mag.a Dr.in Helga Fasching näherte ich mich kontinuierlich dem Thema an und konnte am Ende eine forschungsleitende Fragestellung formulieren.

Zeitgleich zum oben genannten Forschungsseminar besuchte ich bei Prof.in Dr.in Anne Waldschmidt die Lehrveranstaltung "Pädagogik bei kultureller Verschiedenheit und sozialer Benachteiligung", die sich inhaltlich grundlegend auf die Disability Studies bezog. Vertiefend wurden Vergleiche zu den Gender und Queer Studies angestellt, wodurch Wesenszüge erkannt werden konnten, die den Forschungsrichtungen gemein sind. Sie beziehen sich unter anderem auf unterdrückende Strukturen, die Rollenzuschreibungen erst entstehen lassen. Daraus ergab sich, dass die Disability Studies sowie die Frauenforschung beziehungsweise Gender Studies den theoretischen Rahmen für die vorliegende Arbeit bilden.

Das Forschungsinteresse liegt verstärkt auf den Veränderungen der weiblichen Identität, weshalb, sowohl Identitätstheorien, im Speziellen in Bezug auf Geschlecht und Behinderung, als auch kritische Lebensereignisse als Auslöser für Veränderungen im Lebenslauf, theoretisch thematisiert werden sollen.

Der eigentliche Teil der Forschung, auf den diese Arbeit aufbaut, beginnt mit den Erzählungen der befragten Frauen. Erst dadurch können Einblicke in ihre Lebenswelten gewonnen und theoretische Annahmen transparent gemacht werden. Im Zuge dessen, soll darauf geachtet werden, dass sich der Erkenntnisgewinn auf die Aussagen der Frauen stützt und nicht entscheidend durch Vorannahmen beeinflusst wird. Nichtsdestotrotz soll der Forschungsprozess von einer Fragestellung geleitet werden, die wie folgt lautet:

Wie verändern sich die Lebensrealitäten von Frauen nach erworbener körperlicher (Bewegungs-)Behinderung?

I Theoretischer Teil

1 Annäherung an den Behinderungsbegriff

Der Behinderungsbegriff unterliegt keiner einheitlich anerkannten Definition. Dies liegt daran, dass dieser Begriff von unterschiedlichen Wissenschaftsrichtungen aufgenommen wird und disziplinspezifische Anwendung findet (vgl. Dederich 2009, S. 15). So wird er aus unterschiedlichen Perspektiven, wie zum Beispiel der medizinischen oder sozialen, anders betrachtet (vgl. Raab 2007, S. 136). "Zwischen den einzelnen Fachgebieten und innerhalb von Fächern bestehen", so Biewer (2009), "z.T. große Unterschiede im Verständnis von Behinderung" (S. 39). Darüber hinaus hindern unklare Abgrenzungen zu bedeutungsähnlichen Termini, wie beispielsweise Krankheit und Beeinträchtigung, eine eindeutige Klärung des Begriffs (vgl. Dederich 2009, S. 15).

Die Problematik um eine begriffliche Zuordnung von Behinderung spiegelt sich konkret im internationalen Vergleich des Behindertenanteils, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, wider. Dieser variiert länderspezifisch sehr stark, aber auch innerhalb der Länder selbst können die Zahlen weit auseinander gehen (vgl. Biewer 2009, S. 33f).

Deshalb wird versucht allgemein anwendbare Formulierungen zu finden, die Kommunikation über Gesundheit und im Speziellen auch über Behinderung vereinfacht. Die WHO (2005) hat dazu internationale Klassifikationssysteme formuliert. Es kann nicht bestritten werden, dass der Zugang der WHO einen wichtigen, ersten Schritt zur fächer- und länderübergreifenden Verständigung über Behinderung darstellt (vgl. online; vgl. Biewer 2009, S. 61). Eine ausreichende Beleuchtung des Themenfeldes um Behinderung kann jedoch nicht angenommen werden. Es wirft sich an dieser Stelle die Frage auf, ob sich Behinderung überhaupt als eigener, begrenzter Bereich definieren lässt. Im Grunde genommen stellt Behinderung eine Variation, unter vielen anderen des menschlichen Daseins dar und muss unter dieser Annahme nicht gesondert behandelt werden (vgl. Jantzen 2007, S. 15).

"Sie ist eine Möglichkeit menschlichen Lebens, die genau wie jede andere unter den Gesichtspunkten der Verbesonderung des Allgemeinen, d.i. Menschsein, Humanität, im einzelnen zu untersuchen und zu begreifen ist." (ebd.)

Behinderung ist aus Sicht Jantzens (2007) nichts natürlich Gegebenes und führt auch nicht unmittelbar zu Beeinträchtigungen und Einschränkungen. Sie kommt erst durch gesellschaftliche Prozesse und Umweltbedingungen zum Vorschein (vgl. S. 15ff). Aus diesem Grund liegt es weniger daran, Behinderung zu definieren, als vielmehr zu verstehen und zu hinterfragen, wie sie als gesellschaftliches Konstrukt überhaupt entstehen kann. Unter diesem Verständnis kann sie ähnlich wie anderen Strukturkategorien, beispielsweise das Geschlecht, behandelt werden. Aus der Sicht eines sozialen Blickwinkels beschäftigt sich Behinderung mit Normabweichung und konstituiert sich im gesellschaftlichen Wandel immer wieder neu (vgl. Raab 2007, S. 143).

Unter dieser Auffassung soll der Begriff "Behinderung" für die vorliegende Arbeit verwendet werden. Im Besonderen wird im nächsten Kapitel der Zugang der Disability Studies hervorgehoben, welcher Behinderung aus einer sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektive beleuchtet (vgl. Dederich 2006, S. 30).

2 Disability Studies

Da die vorliegende Arbeit den Disability Studies zuzuordnen ist, soll diese wissenschaftliche Richtung im folgenden Kapitel dargestellt werden. Grundsätzlich bringen die Disability Studies ein Verständnis für Behinderung auf, welches sich eindeutig von einer medizinischen Determinierung distanziert. Aus der Kritik an einer klinisch beschränkten Sichtweise, die Behinderung schon im Vorhinein als etwas Benachteiligendes, zu Heilendes identifiziert, stellen die Disability Studies einen neuen Zugang zum Denken über Behinderung dar (vgl. Waldschmidt 2007a, S. 9f).

"Es geht um Studien über oder zu (Nicht-)Behinderung. Unter der englischen Bezeichnung, bei der man sich entschieden hat, sie auch im Deutschen zu benutzen, um den internationalen Anschluss herzustellen, verbirgt sich ein Forschungsprogramm, das sich in deutlicher Distanz zum rehabilitationswissenschaftlichen Paradigma situiert." (Waldschmidt 2009, S. 126)

2.1 Historische Entwicklung der Disability Studies

Die Disability Studies sind in den 1980ern mit Ursprung in den USA und Großbritannien entstanden (vgl. Waldschmidt 2007, S. 12). Dabei unterschieden sich Forschungstraditionen der Disability Studies in den USA und Großbritannien dahingehend, dass sie sich in Großbritannien auf das soziale Modell beziehen und in den USA eher auf einen transdisziplinären kultur- und geisteswissenschaftlichen Ansatz (vgl. Dederich 2007, S. 26). So bedient sich die britische Version vorwiegend sozialwissenschaftlicher Ansprüche, wohingegen sich die nordamerikanische tendenziell in den Geisteswissenschaften verorten lässt (vgl. Waldschmidt 2009, S. 130). Während die englischen Disability Studies eher einem "Integrationsparadigma" folgen, gehen die amerikanischen eher "differenz- und diskursanalytisch" vor (Bruner 2005, S. 27).

In den deutschen Sprachraum nahmen sie offiziell erst Anfang der 2000er Jahre Einzug. Bei genauer Betrachtung kann jedoch festgestellt werden, dass es auch im deutschsprachigem Raum bereits zuvor (fast zeitgleich der Entstehungsphase im angloamerikanischen Raum) Bewegungen[1] gab, deren Ansichten und Interessen dem Konzept der Disability Studies zuzuschreiben gewesen wären. Es fehlte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch die Anerkennung auf wissenschaftlicher Ebene (vgl. Waldschmidt 2005, S. 10f; vgl. Dederich 2007, S. 24). Rückblickend lassen sich unzählige Arbeiten, die vor dieser Zeit entstanden sind, den Disability Studies zuordnen (vgl. Waldschmidt 2009, S. 127).

Den Bemühungen der Behindertenbewegung, "die Impulse der Selbstorganisation und Selbstpräsentation" aufzunehmen und "Anliegen behinderter Menschen auf wissenschaftlicher Agenda zu platzieren" konnte letzten Endes Tribut gezollt werden (Waldschmidt 2007, S. 13). Die Bedeutung der Behindertenbewegung für die Wegbereitung der Disability Studies betont Waldschmidt (2005) mit folgender Aussage:

"Die kritische Analyse von Selbstbestimmung und Assistenz und ihre Konzeptionalisierung aus der Sicht behinderter Menschen müssen in diesem Zusammenhang als wichtige Beiträge zur wissenschaftlichen Debatte gewürdigt werden". (S. 11)

Die von behinderten Menschen kommende Kritik, dass sie vom wissenschaftlichen Diskurs vollkommen exkludiert wurden und ihre Forderung nach Mitbestimmung sowie Teilhabe an diskurs-analytischen Debatten, trug maßgeblich dazu bei, dass sich die Disability Studies als wissenschaftliche Disziplin etablierten (vgl. Dederich 2007, S. 21f).

Es lassen sich, so Waldschmidt, international zwei grundsätzliche Zielsetzungen der Disability Studies extrahieren, nämlich erstens "das Thema Behinderung aus seiner Randlage herauszuholen und in den Mittelpunkt eines interdisziplinären, theoretisch und methodologisch anspruchsvollen Forschungsprogramms zu stellen" und zweitens "ein Gegengewicht zum medizinisch-therapeutischen und pädagogisch-fördernden Paradigma zu schaffen" (Waldschmidt 2005, S. 13). Diesem heilpädagogischen Zugang wurde im deutschsprachigen Raum lange Zeit eine Vormachtstellung eingeräumt. So wurde Behinderung fast ausschließlich aus einer Defizitperspektive betrachtet und Tendenzen zur Normalisierung beherrschten den Diskurs (vgl. Bruner 2005, S. 28).

Bezugsmodell für die Disability Studies im deutschsprachigen Raum ist, ähnlich wie in Großbritannien, das soziale Modell von Behinderung (vgl. Waldschmidt 2005, S. 15). Dieses führt die Behinderung nicht auf den gesundheitlichen Zustand der jeweiligen Person zurück, sondern auf die soziale Umwelt, die Menschen in ihrem Alltag behindert. Im Gegensatz zum individuellen Modell, welches auf die Veränderung der Person selbst durch Therapie oder Behandlung abzielt, fordert das soziale eine Veränderung der Gesellschaft (vgl. Waldschmidt 2005, S. 18). Die Disability Studies setzen an der sozialen Form an, kritisieren jedoch, dass sie "Schädigungen und Beeinträchtigungen (engl.: impairments) ebenfalls als historisch und kulturell kontingente Phänomene" ausblendet (Waldschmidt 2009, S. 131). Aus diesem Grund wird sie, um eine geistes-, kulturwissenschaftliche Perspektive, welche wiederum ihren Ursprung in der amerikanischen Wissenschaftsorientierung hat, erweitert (vgl. Waldschmidt 2005, S. 25).

2.2 Gegenstand der Disability Studies

Der Gegenstand der Disability Studies ist die Kategorie der Behinderung selbst und deren (De)Konstruktion im gesellschaftlichen Zusammenhang (vgl. Dederich 2007, S. 28). Behinderung wird als soziales und kulturelles Phänomen angesehen, anhand dessen soziale Normierungsprozesse hinterfragt werden. (vgl. Dederich 2007, S. 42f). So wird "Behinderung als heuristisches Moment, dessen Analyse kulturelle Praktiken und gesellschaftliche Strukturen zum Vorschein bringt, die sonst unerkannt geblieben wären", verwendet (Waldschmidt 2005, S. 26). Gesellschaftliche Funktionsmechanismen werden unter Einbezug der Kategorie Behinderung und der Annahme, dass jede einzelne Person als wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft diese bedingt, analysiert (vgl. Waldschmidt 2007, S. 9ff). Es geht, so Waldschmidt (2007),

"nicht darum, von der Welt der Normalen aus die Lebenssituation behinderter Menschen zu untersuchen, um ihnen bei der Bewältigung ihrer schwierigen Lebenssituation zu helfen. Vielmehr gilt es, von einer 'dezentrierten' Position aus Behinderung als erkenntnisleitendes Moment für die Analyse der Mehrheitsgesellschaft zu benutzen" (S.15).

In diesem Sinne durchleuchten die Disability Studies auch die soziale und kulturelle Herstellung von (Norm)Körpern und hinterfragen, wie durch Differenzierungsprozesse behinderte Körper überhaupt erst hergestellt werden (vgl. Gugutzer 2007, S. 31ff). Dannenbeck (2007) sieht es als wichtige Aufgabe der Disability Studies "die Theoriedebatte um die Bedeutung von Behinderung als verkörperte Differenz voranzutreiben" (S. 107).

Sobald über Behinderung diskutiert wird, wird der Körper als Bezugsystem herangezogen. Während er im medizinischen Modell zu sehr in den Mittelpunkt gerückt wurde, ließ ihn das soziale hingegen fast völlig außer Acht. Dieser Tradition folgend, geriet er auch in den Disability Studies anfangs ins Abseits, doch als Ort der Konstruktion von Behinderung nimmt er wieder eine zentrale Position in der wissenschaftlichen Diskussion ein. Er ist Ausdruck gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse (vgl. Renggli 2005, S. 89).

"Körper erscheinen dabei unweigerlich als vergeschlechtlicht, sozial klassifiziert, ethnisch und kulturell entworfen sowie Normalitäts- und Ästhetikdiskursen ausgesetzt. Unterschiedliche und voneinander unterschiedene Körper werden im Alltag laufend hervorgebracht und verändert, was sich dann in gesellschaftlichen Macht- und Dominanzverhältnissen niederschlägt." (Dannenbeck 2007, S. 107)

Unter dieser Annahme ist nicht weiter überraschend, dass sich die Disability Studies foucaultscher Denkansätze bedienen. So weist auch Waldschmidt (2007b) unter der Bezugnahme auf Foucault darauf hin, dass "das Dispositiv der Behinderung für seine Entfaltung und sein Wirksamwerden einen konkreten Ansatzpunkt braucht, nämlich den menschlichen Körper" (S. 72). Er ist der Ort, an dem sich die Trennung zwischen Normalität und Abweichung vollzieht (vgl. Dederich 2007, S. 127).

"Nicht nur Behinderung sondern auch ihr Gegenteil, die gemeinhin nicht hinterfragte 'Normalität' soll in den Blickpunkt der Analyse rücken. Denn behinderte und nicht behinderte Menschen sind keine binären, strikt getrennten Gruppierungen, sondern einander bedingende, interaktiv hergestellte und strukturell verankerte Komplementäre." (Waldschmidt 2005, S. 25)

Behinderung als Abweichung kann mit anderen Worten als solche nur entstehen, wenn auch eine Norm vorhanden ist, an der sie gemessen werden kann. Ebenso benötigt die Norm Abweichungen, um sich konstituieren zu können (vgl. Dederich 2007, S. 139f). In Anbetracht dessen gilt es herauszufinden, wie durch kulturelle Produktionsprozesse Normalität überhaupt erst hergestellt wird, dabei spielt der Aspekt der Differenzierung von Eigenem und Fremden eine bedeutende Rolle (vgl. Dederich 2007, S. 127; vgl. Waldschmidt 2005, S. 25).

Waldschmidt (2005) macht darauf aufmerksam, dass "die Entdeckung von Körper, Subjekt und Identität als historische und kulturell geformte Phänomene, die Problematisierung von Diskurs, Wissen und Macht als realitätskonstituierende Strategien", als erkenntnisleitende Momente für Weiterentwicklung der Disability Studies dienen (S. 10). So fällt auch eine kritische Auseinandersetzung "mit der Kategorie der Macht im soziokulturellen Herstellungsprozess von Behinderung" in den Aufgabenbereich der Disability Studies (Dannenbeck 2007, S. 104). Die durch Machtverhältnisse geprägte soziale Strukturen sollen nicht nur durchschaut werden, es sollen auch Möglichkeiten gefunden werden diese aufzubrechen und zu verändern (vgl. Dannenbeck 2007, S. 114). Im Endeffekt soll durch Analyse und Hinterfragen des Differenzansatzes hin zu einem Normalitätsansatz gegangen werden, der Behinderung als Teil der natürlichen Variabilität von körperlichen Erscheinungsformen annimmt (vgl. Waldschmidt 2007, S. 9ff).

"Im Grunde ist Behinderung nicht die Ausnahme, die es zu kurieren gilt, sondern die Regel, die in ihrer vielfältigen Erscheinungsweise zunächst einfach zu akzeptieren wäre." (Waldschmidt 2009, S. 125)

Das bedeutet, dass nicht mehr behinderte Menschen als marginalisierte Gruppe analysiert werden, sondern die Mehrheitsgesellschaft an sich zum untersuchten Gegenstand wird (vgl. Waldschmidt 2009, S. 132).

Abschließend soll kritisch erwähnt werden, dass die Disability Studies vorwiegend Personen mit körperlichen Behinderungen repräsentieren und jene Menschen mit Sinnes- oder Geistesbehinderungen nur vernachlässigt in ihr Forschungsfeld aufnehmen (vgl. Dederich 2007, S. 55).



[1] Zum Beispiel die sogenannten "Krüppelgruppen", welche sich provokativ gegen Diskriminierungen wehrten und Selbstbestimmung forderten (vgl. Dederich 2007, S. 24).

3 Frauenforschung/Gender Studies

Das nächste Kapitel soll den theoretischen Hintergrund um die Frauenforschung und Gender Studies erweitern. Hierbei sind Parallelen zu den Disability Studies gegeben. Anfangs soll die Frauenforschung beziehungsweise feministische Forschung dargestellt werden, jene Forschungsrichtung, die Lebenssituationen von Frauen in den Mittelpunkt der Wissenschaft rückt. Im Zuge dessen werden außerdem die Gender Studies, mit Ergänzung der Queer Studies, erwähnt, welche sich mit der Konstruktion von Geschlecht und Sexualität beschäftigen. Am Ende soll ein Ausblick auf die Annäherung gendertheoretischer Ansätze und der Disability Studies gegeben werden, welcher Intersektionalität als Wechselwirkungsansatz sozialer Ungleichheiten inkludieren soll. Nachdem der theoretische Bezugsrahmen geschaffen wurde, sollen abschließend die Lebensrealitäten der Frauen der Bezugsgruppe genauer betrachtet werden. Aus einer gendertheoretischen Sicht soll herausgefunden werden, welche Besonderheiten sich für Frauen mit Behinderung in Bezug auf ihre Rollenerwartung ergeben.

3.1 Historische Entwicklungen

Die Frauenforschung hatte ihren Ausgangspunkt in der politisch geprägten Frauenbewegung. Die erste Frauenbewegung forderte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Rechte, die bis zu jenem Zeitpunkt nur Männern vorbehalten waren. Ihr Leitmotiv war das zum Vorschein bringen ungleicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse, welches bis heute noch sämtliche feministische Ansätze durchzieht. In der bürgerlichen Gesellschaft war der Ausschluss der Frauen von vornherein geregelt, indem Männer Bereiche wie Ökonomie, Staat und Bildungswesen dominierten. Dadurch fiel es nicht schwer, ungleiche Machtverhältnisse zugunsten des männlichen Geschlechts aufrecht zu erhalten. Diese Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nahm die Frauenbewegung zum Anstoß für ihre Forderung nach Gleichberechtigung, welche sich anfangs vor allem auf Kerngebiete, wie den freien Bildungszugang für alle und das Wahlrecht, bezog. Die Forderung nach Gleichheit bestimmt, damals wie heute, den Kampf gegen die vorherrschenden Geschlechterhierarchien (vgl. Prengel 2006, S. 103ff).

Aus dieser anfangs politischen Bewegung entwickelte sich im Laufe der achtziger Jahre die feministische Forschung auf wissenschaftlicher und akademischer Ebene. Sie entstand im Zuge der Frauenbewegung der 1970er Jahre aus der Kritik an patriarchal geprägten Wissenschaftsstrukturen. Dieses Unbehagen und die Ausklammerung der Frauen sowie deren Lebenssituationen aus dem Wissenschaftsbetrieb führten dazu, dass sich feministische Ansätze vorrangig der Untersuchung weiblicher Lebenswirklichkeiten widmeten, um sie dadurch im wissenschaftlichen Kontext sichtbar zu machen. Dies gilt im Speziellen für die Sozialwissenschaften (vgl. Ehrig 1997, S. 191; vgl. Lutter und Reisenleitner 2001, S. 93).

Auch wenn sich durch die Anliegen der Frauenbewegungen die rechtliche Situation von Frauen in den letzten Jahrzehnten sichtlich (zum Positiven) verändert hat, konnte eine vollkommene Loslösung von traditionellen Rollenbildern und Geschlechtszuschreibungen bis zum heutigen Zeitpunkt nicht erreicht werden (vgl. Lutter und Reisenleitner 2001, S. 92). Gerade deshalb ist es, im Besonderen auch für diese Arbeit, wichtig die Entwicklungen der Rollenverteilungen im historischen Kontext zu betrachten. Dies soll geschehen, um die gegenwärtige Situation der Geschlechterverhältnisse besser nachvollziehen zu können.

Um die Lebensrealitäten von Frauen besser verstehen zu können, ist aus feministischer Sicht eine Auseinandersetzung mit der Marxschen Theorie von Kapitalverteilung nicht zu umgehen. So hat die Differenzierung in Reproduktions- und Erwerbsarbeit maßgeblich dazu beigetragen, Frauen in eine erschwerende Lage zu bringen. Unter der Annahme, dass Frauen für jenen Bereich der (unentgeltlichen) familialen Reproduktion verantwortlich und beruflich benachteiligt sind, wurde ihre Rolle im gesellschaftlichen Kontext analysiert (vgl. Schildmann 1983, S. 27ff). Prengel (2006) unterstreicht die geschlechtsspezifische Aufteilung der Aufgabengebiete mit folgender Aussage:

"Im Bürgertum wurden Männer zunehmend als zum Erwerbsleben und zur Öffentlichkeit und Frauen als zum Familienleben und zum Hause gehörig angesehen." (S. 103)

Unter der vorherrschenden Meinung, dass nur Erwerbsarbeit wirkliche Arbeit sei, verlieren Tätigkeiten, die Frauen im Haushalt leisten zusätzlich jegliche Anerkennung. Überdies forcierte sich mit der Nicht-Entlohnung die Abhängigkeit von den Ehemännern. Prengel spricht sogar davon, dass sich das Dasein der Frau nur daraus zusammensetze, "in allem dem Interesse des Mannes zu dienen", also "um der Existenz der einen [des Mannes; Anm. B.S.] zu dienen" (Prengel 2006, S. 104). In jenen Fällen, in denen Frauen neben der familiären Betreuung, auch noch einer so genannten Erwerbsarbeit nachgingen, litten sie unter der doppelten Belastung. Die Erwerbstätigkeit der Frauen wurde vor allem mit einer Ausweitung des Dienstleistungs- und Industriesektors immer notwendiger, jedoch fand sich für Frauen am Arbeitsmarkt eine Situation jenseits gleichberechtigter Strukturen vor. Sie waren hauptsächlich in niedrigen Positionen tätig, in denen sie gleichzeitig männlicher Machtausübung ausgesetzt waren. Selbstverständlich entsprechen diese gesellschaftlich "veralteten" Verteilungen nicht mehr der aktuellen Situation, dennoch kann auch gegenwärtig nicht von ausgeglichenen Verhältnissen am Arbeitsmarkt, beziehungsweise in der familialen Betreuung, gesprochen werden (vgl. Schildmann 1983, S. 27ff; vgl. Prengel 2006, S. 109). Cole (2009) verdeutlicht, dass die Ungleichheit im Geschlechterverhältnis weltweit nach wie vor eine aktuelle Thematik darstellt:

"What is clear is that gender inequality is still an ongoing issue, on many levels and in many ways, for women in almost every country of the world." (S. 565)

Prengel spricht davon, dass "die Frauen unterdrückende, hierarchische Geschlechterideologie heute meist in subtileren Formen fortlebt" (Prengel 2006, S. 110) und Köbsell (2010), dass in den letzten Jahren, einige Geschlechtsstereotypen zurückgedrängt wurden, sich im alltäglichen Leben, aber immer noch der Einfluss traditioneller Geschlechtsrollenbilder zeigt (vgl. S. 20).

3.2 Gender Studies

Die Gender Studies entwickelten sich vor einem ähnlichen Hintergrund, wie die feministische Forschung und zählen, wie die bereits erwähnten Disability Studies, zu relativ modernen Forschungsrichtungen. Sie beschäftigen sich vorwiegend mit Begriffen wie Geschlechtsidentität, -differenz, -ordnungen, -verhältnissen. Die Kategorien Geschlecht und Sexualität sowie deren soziale Konstruktion, stehen im Zentrum der Forschung. Es geht ihnen um die Infragestellung der Natürlichkeit von Geschlechterverhältnissen und wie diese durch gesellschaftliche Mechanismen produziert werden (vgl. Lutter und Reisenleitner 2001, S. 91ff). Den Gender Studies liegt kein einheitliches Theoriegebilde zu Grunde, ebenso wenig findet eine eindeutige Abgrenzung zur Frauenforschung statt, was zur Folge hat, dass beide Forschungsrichtungen meist in einem Atemzug genannt werden (vgl. Gildemeister 2008, S. 214).

Im Anschluss sollen die Begriffe "Geschlecht" und "Gender" angeführt werden, da eine Auseinandersetzung mit diesen grundlegend, sowohl für die feministische, als auch für die Gender Forschung, ist. Im Zuge dessen ist es sinnvoll auf deren Bedeutung im englischen Sprachraum zurückzugreifen, wo zwischen "sex" und "gender" unterschieden wird. Während "sex" im Deutschen dem biologischen Geschlecht entsprechen würde, also dem unveränderbaren Teil einer Person, würde "gender" das soziale Geschlecht, den durch soziale Zuschreibungen variablen Teil, bezeichnen (vgl. Tanzberger 2006, S. 128). Gender entspricht konkret, der sozial-kulturell konstruierten Geschlechtsidentität, denn "Geschlecht (in diesem Sinne; Anm. B. S.) wurde als sozial konstruiert, als gesellschaftlich bedingt ausgewiesen, und damit kritisier- und veränderbar" (Degele 2008, S. 67). Es sei an dieser Stelle zum Zwecke der Vollständigkeit hinzugefügt, dass unter genauer Betrachtung auch das biologische Geschlecht nicht die Stabilität besitzt, die meist beschrieben wird. So vertritt beispielsweise Judith Butler die Ansicht, dass das biologische Geschlecht ebenfalls kulturell und symbolisch konstruiert ist. Beispielgebend dafür ist, dass ein Kind nur aufgrund eines gesellschaftlichen Systems zweier Geschlechter, in Abhängigkeit anatomisch sichtbarer Merkmale, einem dieser beiden zugeordnet und dahingehend erzogen wird (vgl. Lutter und Reisenleiter 2005, S. 100; vgl. Jeltsch-Schudel 2010, S. 49).

Gender hatte schon von jeher mit der auf das Geschlecht bezogenen Einordnung in gesellschaftliche Zusammenhänge zu tun und diente bereits,

"[...] seit den fünfziger Jahren vor allem in der psychiatrischen und medizinischen Forschung zur Markierung der Differenz zwischen der körperlichen und geschlechtlichen Ausstattung einer Person und dem, wie sie sich in Bezug auf ihr Geschlecht fühlt" (Rendtorff 2006, S. 99).

Für gewöhnlich wird die Unterscheidung zwischen Mann und Frau als natürlich angenommen, doch aus gendertheoretischer Sicht, verbirgt sich dahinter ein Produkt, das über einen jahrelangen gesellschaftlichen Konstruktionsprozess entstanden ist (vgl. Gildemeister 2008, S. 214). Ergänzend dazu sollte erwähnt werden, dass die Geschlechterforschung zum Teil selbst durch ihr methodisches Vorgehen dazu beiträgt, dass sich ein dualistisches Konzept von Geschlecht entwickelt (vgl. Dausien 2006, S. 185f).

Die Gender Studies heben mit aller Deutlichkeit den sozialen Charakter des Geschlechts hervor (vgl. Gildemeister 2008, S. 214). Willis bringt dies in der folgenden Aussage auf den Punkt:

"Es gehört zu den fundamentalsten Paradoxa in unserem sozialen Leben, dass die natürlichsten und alltäglichsten Bereiche unseres Lebens gleichzeitig auch diejenigen sind, die am stärksten kulturell konstituiert sind, dass die selbstverständlichen Rollen die wir einnehmen, gleichzeitig konstruierte, erlernte und keineswegs notwendige, also vermeidbare, Rollen sind." (Lutter zit. nach Willis 2005, S. 99)

Historisch betrachtet, ergab sich der Dualismus des Geschlechterverhältnisses aus einer monistischen Theorie, nämlich aus der Orientierung am männlichen Geschlecht. So galt Männlichkeit als Menschlichkeit und Weiblichkeit war lediglich die Ableitung davon. Schildmann meint in diesem Zusammenhang, dass sich sozialwissenschaftliche Forschung in "unserer Gesellschaft primär an den Lebensbedingungen und -inhalten von Männern, sowie an deren Normen, orientiert und (sie; Anm. B. S.) setzt nur allzu schnell 'männlich' und 'menschlich' gleich" (Schildmann 1983, S. 9). Dies zeigte sich im Besonderen auch in wissenschaftlichen Aussagen, welche allgemein auf die Menschheit formuliert waren, im Grunde aber nur das männliche Geschlecht repräsentierten. Wie sich diese "Identifizierung des Allgemeinen mit dem Männlichen" auswirkte, beschäftigte die Gender und Frauenforschung von Beginn an (Gildemeister 2008, S. 214). Die Forderung der Frauenbewegung nach einer Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, beinhaltete wiederum genau jenes Problem, dass sie auch gleichzeitig kritisierten, eine Orientierung am männlichen Ideal. Gleichheit, als Angleichung an die männliche Norm, kann aus feministischer Sicht jedoch nicht das erstrebte Ziel sein (vgl. Prengel 2006, S. 102ff).

Lösungsvorschläge für eine Loslösung von der männlichen Dominanz könnte hingegen die Androgynitätspädagogik bieten. Diese geht davon aus, dass sowohl traditionell angenommene "weibliche", als auch "männliche" Anteile in beiden Geschlechtern zu finden sind. Die Vereinigung geschlechtsspezifischer Charakteristika lässt die Orientierung am männlichen Ideal schwinden und stellt gleichzeitig eine Möglichkeit der Gleichberechtigung der Geschlechter dar. Dieser Ansatz könnte auch auf die Arbeitsteilung angewendet werden, indem sich Männer und Frauen zu gleichen Teilen der Erwerbsarbeit und dem Haushalt, beziehungsweise der Kindererziehung widmen (vgl. Prengel 2006, S. 125ff).

Grundsätzlich muss die Forderung feministischer Bewegungen im Zuge der Emanzipation sein, dass es Frauen freigestellt ist, welche Lebensform sie wählen. In diesem Zusammenhang ist der Selbstbestimmung ein zentraler Stellenwert zuzuschreiben, denn "in persönlicher und ökonomischer Abhängigkeit ist Emanzipation, wie immer sie gestaltet sein mag, unmöglich" (Prengel 2006, S. 133).

Die feministische Forschung und Gender Forschung hält Einzug in verschiedene Wissenschaftsbereiche und versucht dort selbstverständlich gewordene Geschlechterhierarchien sichtbar zu machen, wodurch sich neue Perspektiven auf bereits automatisierte Wissenschaftsstrukturen eröffnen lassen (vgl. Lutter und Reisenleitner 2001, S. 99).

3.3 Queer Studies als Ergänzung zu den Gender Studies

Der Exkurs zu den Queer Studies[2] scheint mir an dieser Stelle angebracht, da sie anknüpfend an die Gender Studies gewinnbringende neue Aspekte für die Bereiche Sexualität, Geschlecht und Identität hervorbringen. Beide Studien gehen aus denselben Forschungstraditionen hervor und pflegen ein beinahe verwandtschaftliches Verhältnis. Es geht bei den Queer Studies, ebenso wie bei den Gender Studies, um "Analyse und Kritik von Ungleichheit, Macht und Herrschaft rund um Geschlecht und Sexualität" (Degele 2008, S.10). Während sich Gender Studies ursprünglich mit der Auflösung von Geschlechtskategorien beschäftigt haben, ging es den Queer Studies um die Dekonstruktion der Sexualitätsnormen, konkret der Heterosexualität. Mittlerweile reicht das Anwendungsgebiet beider Studien weit darüber hinaus und beschränkt sich nicht mehr nur auf die Kategorien Geschlecht und Sexualität, wodurch die Grenzen beider Disziplinen verschwimmen (vgl. Degele 2008, S. 10f). Prinzipiell kann gesagt werden, dass sich die Queer Studies mit der Auswirkung von Sexualität auf gesellschaftliche Bereiche, wie zum Beispiel Politik, beschäftigen und versuchen stabile heterosexuelle und zweigeschlechtliche Muster aufzulösen (vgl. Lutter 2001, S.101ff).

"Zentrales Anliegen ist, Sexualität ihrer vermeintlichen Natürlichkeit zu berauben und sie als ganz und gar von Machtverhältnissen durchsetztes, kulturelles Produkt sichtbar zu machen." (Jagose 2001, S. 11)

Butler spricht davon, dass unsere Gesellschaft durch ein heteronormatives Regulierungsverfahren geprägt ist, welches zur heterosexuellen Normativität zwingt, sprich zum Mann oder Frau sein. Dieses binäre System lässt keinen Raum, um sich anderen Variationen von Geschlecht zuzuordnen, "weil unsere Denk- und Wahrnehmungskategorien zweigeschlechtlich funktionieren, nehmen sie auch nur zwei Geschlechter wahr" (Degele 2009, S. 21). Zusätzlich galt, und gilt in abgeschwächter Form auch heute noch, wie bereits erwähnt, Männlichkeit als Norm- und Orientierungsmaßstab (vgl. Raab 2007, S. 140). Dieses Verständnis von Geschlecht wollen die Queer Studies verabschieden, indem keine klaren Konzepte von weiblich und männlich vorgegeben werden. Es soll in jeglicher Hinsicht verwirrt werden, wodurch sich (vorgegebene) Identitäten auflösen sollen und die Einordnung in ein binäres System nicht mehr zwingend notwendig ist. In der queeren Theorie und Analyse soll Geschlecht als Strukturmerkmal,

"nicht als dichotome Trennung in weibliche und männliche Prinzipien, Moralitäten oder als ideologiekritische 'Kategorie Geschlecht', sondern als strukturierendes Element, welches eine Zweigeschlechtlichkeit anordnet und den Diskurs durchzieht" gedacht werden (Pewny und Heinrichs 2008, S. 232).

Die Queer Studies haben kein einheitliches Theoriegebilde, sondern teilen lediglich die genannten Grundannahmen, wie die Infragestellung der Zweigeschlechtlichkeit. Aus diesem Grund sind in dieser Theorie auch keine Vorgaben zu finden, wie sich eine Person in Hinsicht auf das Geschlecht oder die Identität entwickeln soll. Es geht hierbei vielmehr darum, die Pluralität der Identitäten aufzuzeigen und das Geschlecht selbst zu dekonstruieren (vgl. Pewny und Heinrichs 2008, S. 232). Dies geht mit der Auflösung eines binären Systems von Geschlecht einher. Genau in diesem Sinne wurde der Begriff "queer" auch in den deutschen Sprachraum übernommen und bietet hier,

"einen terminologischen Schirm für alle Menschen, die sich in essenzialisierenden Identitätskonzepten nicht wieder finden und sich - theoretisch wie praktisch - gegen heterosexistische Normen wenden" (Pewny und Heinrichs 2008, S. 231).

Allgemeiner formuliert, beabsichtigen die Queer Studies traditionell wissenschaftliche Konzepte zu verstören. Darüber hinaus widmen sie sich voll und ganz dem Aufbrechen und Durcheinander bringen selbstverständlicher Ordnungen. Unterdessen ist aber zu kritisieren, dass es dieser Forschungsrichtung an theoretischen, methodischen und disziplinären Verankerungen mangelt (vgl. Degele 2008, S. 11).

3.4 Annäherung Gender Studies (Queer Studies) und Disability Studies

Es ist den Disability Studies vorzuwerfen, dass sie nur peripher auf die Genderthematik eingehen, auf der anderen Seite wird in queer-feministischen Ansätzen die Gruppe der Behinderten meist übergangen. Erst in jüngster Vergangenheit wird versucht, diese Theorien auch zu vereinigen, um wissenschaftliche Mängel auszugleichen und aufschlussreiche neue Erkenntnisse für die Sozialwissenschaften zu erzielen. Cheng (2009) macht im Artikel "Sociological Theories of Disability, Gender, and Sexuality: A Review of the Literature" im "Journal of Human Behavior in the Social Environment", auf diesen Engpass sozialwissenschaftlicher Forschung und der damit einhergehenden Auswirkung auf die Literatur im Bereich der Integration von Gender, Queer und Disability Studies aufmerksam:

"Many articles on feminist and queer theories call for a stronger integration of the disability perspectives. Conversely, other articles that focused on feminist and queer theories also challenged predominant theories of disability as lacking gender and queer analysis. The limited research on theories of disability, gender, and sexuality makes it difficult to develop integrated theories." (S.118)

Es kann nicht bestritten werden, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern durch die Frauenforschung ausführlich analysiert wird, allerdings ist zu bemängeln, dass die Beschäftigung mit den Unterschieden innerhalb verschiedener Gruppen von Frauen zu kurz kommt, wie zum Beispiel in Bezug auf Ethnie, Schicht oder der (Nicht)Behinderung (vgl. Schildmann 1996, S. 13). Es ist erstaunlich, dass sich Disziplinen, wie die Gender Forschung und die Disability Studies erst allmählich annähern, da sich die Parallelen zwischen den Forschungsrichtungen beinahe aufdrängen. Beide Studien machen sich zur Aufgabe sozial produzierte Gegebenheiten, die durch ungleiche Machtverhältnisse hervorgehen, zu dekonstruieren. Cheng (2009) verweist diesbezüglich auf dominante Machtpositionen, gegen die sowohl Frauen, als auch behinderte Menschen, ankämpfen müssen:

"In a sense, the heterosexism that females confront in a male-dominated society can be compared to the battle fought among disabled persons in an ''able-ist'' society; both situations reflect an unequal power differential." (S. 115)

Aufgrund der unübersehbaren Gemeinsamkeiten wäre es nahe liegend diese wissenschaftlichen Diskurse zu verbinden und dadurch neue Einsichten in "grundlegende Gesellschaftskonzepte" zu bekommen (Raab 2007, S. 128). Die feministischen, queer-theoretischen Disability Studies befinden sich noch in den Kinderschuhen, verfolgen jedoch das Ziel unterschiedliche Konzeptionen der Verhältnisbestimmung von Behinderung und Geschlecht zu diskutieren. Überschneidungen dieser Disziplinen sind, wie schon erwähnt, vor allem im Bereich des Körpers zu finden, da dieser als Ort fungiert, an dem Ungleichheiten zum Ausdruck kommen und diskriminierende Zuschreibungen erfolgen. Insbesondere zählt die aufgeworfenen Kritik an Körper-, Sexualitäts- und Geschlechternormen zu den zentralen Anliegen dieses sich neu-entwickelnden, interdisziplinären Forschungsansatzes (vgl. Raab 2007, S. 127f). Gemeinsam stellen sie in diesem Sinne medizinische, körperorientierte Modelle und Normalisierungsprozesse in Frage und kritisieren kulturell entwickelte Körpernormen sowie die geforderte Anpassung daran (vgl. Raab 2007, S. 138f).

3.5 Intersektionalität als Erklärungsmodell wechselseitiger Verflechtung von Behinderung und Geschlecht

Intersektionale Aspekte von Behinderung und Geschlecht nehmen erst in letzter Zeit immer mehr Einzug in den wissenschaftlichen Diskurs, wie zum Beispiel durch den von Jacob, Wollrad und Köbsell herausgegebenen Sammelband "Gendering Disability" (2010), welcher versucht Ansichten der Gender Studies und der Disability Studies zusammenzuführen. In der Einleitung dazu, wird darauf hingewiesen, dass die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung erst seit März 2009 "explizit auf Behinderung und Geschlecht" sowie auf die daraus folgende Mehrfachdiskriminierung von Frauen eingeht (Jacob, Wollrad und Köbsell 2010, S. 7).

Benachteiligung auf unterschiedlichen Ebenen führen allerdings nicht zwingend, wie vorschnell angenommen werden könnte, zu einer Verdoppelung oder Addition der Diskriminierung. Die Resultate, die sich aus Mehrfachdiskriminierungen ergeben, können unterschiedliche Formen annehmen und müssen einem vielschichtigen Analysesystem unterzogen werden. In Anbetracht dessen wird, aufgrund der Tatsache, dass sich Individuen in einem komplexen Geflecht von sozialen Ungleichheiten befinden, vorausgesetzt, dass Lebenssituationen einzelner Menschen nie anhand nur einer einzigen leitenden Kategorie analysiert werden können (vgl. Köbsell 2010, S. 28ff).

"Menschen sind nicht nur Frau oder Mann, behindert oder nicht-behindert, sondern sie haben darüber hinaus eine sexuelle Orientierung, gehören Ethnien, Klassen, Religionen, Altersgruppen etc. an." (Köbsell 2010, S. 28)

Das Konzept der Intersektionalität begreift sich als Wechselwirkungsansatz, welcher das Zusammenspiel dieser Kategorien in den Blick nimmt. Degele und Winkler (2010) bezeichnen Intersektionalität als

"kontextspezifische, gegenstandsbezogene und an sozialen Praxen ansetzende Wechselwirkungen ungleichheitsgenerierender sozialer Strukturen (d.h. von Herrschaftsverhältnissen), symbolischer Repräsentation und Identitätskonstruktion" (S. 15).

Im klassischen, ursprünglichen Sinne werden "Geschlecht, Klasse und Rasse" als ungleichheitsgenerierende Kategorien herangezogen, es wird jedoch generell nicht ausgeschlossen auch "Kategorien wie Sexualität, Alter, (Dis-)Ability (kursiv im O.), Religion oder Nationalität" zu integrieren (Degele und Winkler 2010, S. 11.).

Das Erfordernis eines intersektionalen Modells ergab sich unter anderem dadurch, dass sich die feministische Forschung mit Leerstellen in ihrer Theorie konfrontiert sah. Den Anstoß dazu gaben schwarze Frauen, die sich nicht ausreichend von feministischen Ansätzen, welche vorwiegend nur weiße Frauen repräsentierten, vertreten fühlten (vgl. Raab 2010, S. 76). Vor diesem Hintergrund wurde der Begriff der Intersektionalität erstmals von der Amerikanerin Kimberlé Crenschaw verwendet. Die Juristin beschäftigte sich mit Gerichtsfällen, die die Diskriminierung schwarzer Frauen in Firmen, thematisierten. Diese Frauen schienen durch eine Wechselwirkung der Kategorien Geschlecht und Ethnizität aus der Gleichberechtigungsdebatte ausgeblendet zu werden, da sie weder von der Gruppe der diskriminierten Frauen, noch von jener, aufgrund der Hautfarbe benachteiligten Gruppe, vertreten wurden (vgl. Degele 2008, S.12). Kurzum wurde das Konzept von der feministischen Forschung aufgenommen, um auf die zusätzlichen Belastungen von Frauen aufmerksam zu machen (vgl. Cole 2009, S. 565).

Ähnlich ist die Intersektionalität auch auf die Disability Studies anzuwenden, indem Behinderung ihren Status als einzige Leitkategorie verliert. So meint Raab (2007), dass es einen "multiplen, transdisziplinären Behinderungsbegriff benötigt, mit dessen Hilfe man u. a. untersuchen kann, ob und inwieweit Behinderung durch Heteronormativität und Geschlecht konstituiert wird und umgekehrt" (S. 128f).

Die Einführung der Kategorie (Nicht)Behinderung selbst in den Intersektionalitätsdiskurs geschah erst verspätet, durch eine zunehmende Auseinandersetzung mit Körper als Verortung ungleichheitsproduzierender Abläufe und unter großem Einfluss der bereits beschriebenen Disability Studies. Diese erklären Behinderung mit Blick auf den Körper als "Abweichung, die zumeist auf die 'Normalfelder' Gesundheit, Funktionsfähigkeit und Leistungsvermögen bezogen wird" (Degele und Winkler 2010, S. 50). Behinderung darf in diesem Sinne jedoch nicht unabhängig von anderen Kategorien betrachtet werden, da nicht auszuschließen ist, dass diese grundlegend daran beteiligt sind, eine Unterteilung zwischen behindert und nicht behindert hervorzubringen. Möglicherweise tragen eben erst ungleiche Machtverhältnisse anderer Kategorien, zum Beispiel der Ethnie oder des Geschlechts/Gender, zur Produktion der Kategorie Behinderung bei. Ohne die Einbeziehung anderer Unterdrückungsweisen, könnte Behinderung nur sehr einseitig und wenig zufriedenstellend behandelt werden (vgl. Raab 2007, S. 129).

Generell bietet das Konzept der Intersektionalität, wie schon vermutet werden kann, Platz für die Berücksichtigung mehrerer Kategorien. Ob die Anwendung zu vieler Kategorien das Analysesystem jedoch überfordert, welche Kategorien optimaler Weise zur Darstellung von Ungleichheiten heranzuziehen sind, auf wie vielen Ebenen folglich agiert wird und ähnliche Fragen werden die Diskussion um das Modell weiterhin anregen (vgl. Degele und Winkler 2010, S. 15). So kann vorerst nur postuliert werden, dass die Auswahl der Kategorien, welche zur Analyse gesellschaftlicher Ungleichheitsphänomene eingesetzt werden, abhängig sein muss von dem "untersuchten Gegenstand und von der gewählten Untersuchungsebene" (Degele und Winkler 2010, S. 16).

Der Fokus der vorliegenden Arbeit wird primär auf der Verflechtung der Kategorien Geschlecht und (Nicht)Behinderung liegen, was nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass sehr wohl weitere Kategorien, wie Klasse oder Ethnizität, ernstzunehmende Einflussgrößen darstellen. So muss beispielsweise klar gestellt werden, dass sich die Ergebnisse, die aus der für diese Diplomarbeit durchgeführten Befragungen hervorgehen, auf weiße Frauen der Mittelschicht beziehen.

Der Ansatz der Intersektionalität steckt noch in einer Entwicklungsphase, vor allem müssen noch ausstehende Fragen geklärt werden, um das System in sich schlüssiger zu machen. Es gilt zu berücksichtigen, dass einerseits unterschiedliche Kategorien nicht analog aufgebaut sind, anderseits, die den Kategorien zu Grunde liegenden Theorien selbst, keiner einheitlichen Gliederung unterliegen (vgl. Degele 2008, S. 16f).

"Intersektionalität hat sich in seiner kurzen Geschichte zu einem Konzept entwickelt, das über ein Strömungen übergreifendes Potenzial verfügt und Perspektiven für konstruktive Weiterentwicklungen und Anwendungen bietet." (Degele 2008, S. 14)

Für diese Arbeit ergeben sich durch die Einbeziehung der Intersektionalität zwei wichtige Aspekte. Zu aller erst, dass die Kategorien (Nicht)Behinderung und Geschlecht in ihrem wechselseitigen Zusammenspiel betrachtet werden müssen und nicht getrennt voneinander. Und zweitens, dass sich die Kategorie (Nicht)Behinderung verändert, insofern dass sie durch das "Behindert-werden" erst präsent wird.



[2] Queer Theory, als theoretisches Gebilde, auf das sich Queer Studies stützen.

4 Identität und die Bedeutung des Geschlechts

Im nächsten Teil der Arbeit soll mit dem theoretischen Background der Gender, Queer aber auch Disability Studies, der im vorangegangen Teil der Arbeit behandelt wurde, auf die spezielle Situation von Frauen mit (erworbener) Behinderung eingegangen werden. Natürlich gilt auch für sie, die auf ihr Geschlecht bezogene theoretische Rahmung und so ist speziell aus feministischer Perspektive eine geschlechtsunterscheidende Vorgehensweise bei der Auseinandersetzung mit der Thematik Behinderung angebracht.

"Geht man oder frau davon aus, dass eine geschlechtshierarchische Struktur dieser Gesellschaft besteht, die entsprechend geschlechtsspezifische Rollenmodelle festlegt, müssen demzufolge auch behinderte Menschen, ihr Umgang mit der Behinderung, ihr Alltag, ihre Handlungsweisen und Bewältigungsstrategien geschlechterdifferent, d.h. unter Einbeziehung des gültigen Rollenmusters untersucht werden." (Ehrig 1997, S. 192)

Bevor jedoch konkreter auf die Lebenszusammenhänge und Rollenvorstellungen von Frauen mit Behinderung eingegangen wird, sollen Identitätstheorien an sich und im Speziellen unter Einbezug von Weiblichkeit, erläutert werden.

4.1 Annäherung an den Identitätsbegriff

Der Identitätsbegriff entstand Ende des 19. Jahrhunderts aus einer sozialtheoretischen Perspektive heraus und charakterisierte sich, im Gegensatz zum damals vorhandenen Subjektbegriff, welcher Individualisierung als Abgrenzung von der Gesellschaft verstand, indem er das "gesellschaftliche Verhaftetsein für den Prozess der Identitätsbildungen in den Mittelpunkt" rückte (Moser 2001, S. 97). Die geschlechtliche Zuordnung ist aus entwicklungspsychologischer Perspektive entscheidend an der Entwicklung der persönlichen Identität beteiligt. Lutter und Reisenleitner (2001) meinen, dass sich Identitäten immer "im Rahmen von Machtverhältnissen und Klassifikationssystemen" herausbilden (Lutter und Reisenleitner 2001, S. 85). So tragen (Identitäts)Kategorien wie Ethnie, Klasse, Geschlecht und (Nicht)Behinderung wesentlich zur individuellen Einordnung in der Gesellschaft bei (vgl. Raab 2007, S. 132f). Die Positionierung einer Person im sozialen Kontext ergibt sich immer aus einer Wechselwirkung zwischen Individuum und Gesellschaft und ist dadurch zu jedem Zeitpunkt der Veränderbarkeit ausgesetzt (vgl. Lutter und Reisenleitner 2001, S. 83ff). Der Identitätsbildung liegt ein prozessartiger Wesenszug zu Grunde, im Laufe dessen das Individuum durch Kommunikation und Interaktion mit der Außenwelt ihren/seinen Platz in der Gesellschaft findet (vgl. Moser 2001, S. 99).

"Identität ist in den sozialtheoretischen Konzeptionen eine wechselseitige Konstruktion von Innen- und Außenperspektive, wobei keine von beiden Identität vollständig umfasst." (ebd.)

Unter diesem Verständnis findet der Begriff der Identität sehr breite Anwendung. So wird er von verschiedenen Wissenschaftsrichtungen unterschiedlich aufgefasst, ebenso werden vielseitige Aspekte, die der Identität inne liegen aufgegriffen, wie zum Beispiel die weibliche Identität, nationale Identität oder Körperidentität. Trotz dieser Vielschichtigkeit liegen der Identität, unabhängig ihrer Anwendung, immer subjektive Prozesse zu Grunde, die Individualität und die Person selbst ausmachen. Die Entwicklung der Identität vollzieht sich konzentriert im Kindes- und Jugendalter, dabei sind verstärkt Systeme, wie die Familie und Schule, an diesem Prozess beteiligt. Bei Erwachsenen spielt größten Teils die berufliche Identität eine wichtige Rolle, dies gilt im Besonderen für behinderte Menschen (vgl. Meier Rey 1994, S. 12ff).

Mead beschäftigt sich aus Sicht des symbolischen Interaktionismus mit der Identitätstheorie.

"Meads Vorstellung von Identität geht davon aus, dass jeder sich nur mit den Augen der anderen sehen kann. Wer bin ich, erfahre ich durch die Reaktionen der anderen auf mein Verhalten." (Krappmann 1997, S. 79)

Der Wissenschaftsbereich des symbolischen Interaktionismus geht davon aus, dass sich der Mensch seine/ihre Welt durch soziale Interaktionen aufbaut. Sie/er interagiert als soziales Wesen mit der Umwelt und anderen Menschen und bildet dadurch die eigene Identität aus. Dabei unterscheiden sich Menschen von anderen Lebewesen durch ihre Fähigkeiten des reflexiven Denkens und sich selbst wahrzunehmen zu können. Mead geht ebenfalls davon aus, dass Identität nicht von Geburt an gegeben ist, sondern sich erst in Bezugnahme auf andere entwickelt (vgl. Meier Rey 1994, S. 27ff; vgl. Mead 1998, S. 177ff).

"Identität entwickelt sich; sie ist bei der Geburt anfänglich nicht vorhanden, entsteht aber innerhalb des gesellschaftlichen Erfahrungs- und Tätigkeitsprozesses, das heißt im jeweiligen Individuum als Ergebnis seiner Beziehungen zu diesem Prozeß als Ganzem und zu anderen Individuen innerhalb dieses Prozesses." (Mead 1998, S. 177)

Zusammengefasst kann die Entwicklung der Identität, nach Mead, nur unter der Bedingung von sozialen Situationen stattfinden und ist durch eine prozesshafte Struktur bestimmt, die sich über die gesamte Lebenszeit zieht.

Zusätzlich hebt Mead die Kommunikation und das Spiel als wichtige Elemente zur Identitätsbildung hervor. Kommunikation in Form von Sprache und Übermittlung von Symbolen ist notwendig, um von anderen verstanden zu werden und vize versa sie auch verstehen zu können.

"Wir verwenden unsere eigene Haltung dazu, in der uns umgebenden Gemeinschaft eine andere Situation zu schaffen. Wir machen uns bemerkbar, drücken unsere Meinung aus, kritisieren die Haltungen anderer, stimmen ihnen zu oder lehnen sie ab. Doch ist das nur insofern möglich, als wir in uns selbst die Reaktion der Gemeinschaft auslösen. Wir haben nur insofern Ideen, als wir die Haltung der Gemeinschaft einnehmen und dann darauf reagieren können." (Mead 1998, S. 223)

Im Spiel können sich Kinder die Eigenschaft aneignen, sich in andere Rollen versetzen zu können. Dies ist wichtig, um andere Menschen und deren Identität besser verstehen zu können (vgl. ebd.).

Auch Erikson bezieht die Identitätsausbildung auf die gesamte Lebensspanne und weist der Adoleszenz in der Entwicklung die Hauptaufgabe zu. Die Bildung der Identität ist nach Erikson geprägt durch gleichzeitige Veränderung, aber auch das Gleichbleiben bestimmter Wesenszüge. Erikson`s Modell der Identitätsentwicklung ist durch psychosoziale Phasen aufgebaut, die das Kind beziehungsweise die/der Jugendliche durchleben muss. In jeder dieser Phasen kann es zu Krisen kommen, die für die persönliche Entwicklung genauso entscheidend sind, wie die positive Überwindung dieser. Die Ich-Identität ergibt sich aus den Erfahrungen der Kindheit und erschließt sich aus einer Einheit mit sich selbst. Diese innerliche Kontinuität soll in der ausgebildeten Form auch von anderen so wahrgenommen und bestätigt werden (vgl. Meier Rey, S. 39ff).

"Ebenso wenig handelt es sich bei der Ich-Identität, einem weiteren wichtigen Konzept, das Erikson entwirft, um eine bloße Identifizierung mit anderen oder eine Summe von Identifikationen. Ich-Identität setzt voraus, von anderen als ein bestimmtes Individuum in einer bestimmten Umwelt bestätigt und anerkannt zu werden." (Chodorow 2001, S. 133)

Keupp (1997) stützt sich auf die Annahmen von Erikson und postuliert "soziale Anerkennung und Zugehörigkeit" als "basale Voraussetzungen" für die Identität (S. 34). Die Bildung der Identität vollzieht sich nach Erikson krisenhaft. In den unterschiedlichen Phasen werden Kinder/Jugendliche vor Entwicklungsaufgaben gestellt, die sie zu lösen haben. Dabei ist entscheidend, wie intensiv sich mit den Aufgaben auseinandergesetzt wird, wie Einsichten aus vorangegangenen Phasen genützt werden können und inwiefern das soziale Umfeld Rückhalt gibt. Sind diese Krisen des Kindheitsalters überwunden, steht das Grundgerüst der Identität, welches in weiterer Folge in der Adoleszenz eine Person heranwachsen lässt, die sich in ein soziales Gefüge eingliedert (vgl. Krappmann S. 74ff).

"Erikson spricht davon, daß Jugendliche in diesem Prozeß der Identitätsbildung vorangegangene kindliche Identifikationen aufarbeiten, sich für Rollen und Laufbahnen entscheiden und Vertrauen gewinnen sollen, um die Einheit und Kontinuität ihrer Identität über ein Leben hinweg aufrecht zu erhalten." (Krappmann 1997, S. 66)

Für die Entwicklung der Identität spielt, auch nach Erikson, der soziale Bezugsrahmen eine wichtige Rolle. Das Individuum muss ihre/seine Identität weder ausschließlich allein finden, noch wird sie von der Gesellschaft aufgezwungen.

"Jedes Individuum entwirft seine Identität, indem es auf Erwartungen der anderen, der Menschen in engeren und weiteren Bezugskreisen, antwortet. Diese Bezugskreise müssen den Identitätsentwurf akzeptieren, in dem aufgebaute Identifikationen und Bedürfnisse des Heranwachsenden mit den Mustern der Lebensführung, die in der Gesellschaft angeboten werden, zusammengefügt werden." (Krappmann 1997, S. 67)

Darin liegt aber eben genau auch die Schwierigkeit der Identitätsfindung. Unter der Voraussetzung, dass die Anerkennung durch andere zentral für die Identität ist, wird sie umso leichter zu finden sein, je eher sie, den herkömmlichen Vorstellungen von Rollenbildern entspricht. Abweichende Identitäten stehen vor dem Problem gesellschaftlich nicht anerkannt zu werden. Hinzu kommt, dass wir in einer Zeit leben, in der sich Lebensbedingungen ständig verändern, dadurch muss auch die eigene Identität immer wieder aufs Neue hinterfragt werden und kann nicht als stabil angenommen werden (vgl. ebd.).

"Nicht Inhalte machen diese Identität aus, sondern bestimmt wird sie durch die Art, das Verschiedenartige, Widersprüchliche und Sich-Verändernde wahrzunehmen, es mit Sinn zu füllen und zusammenzuhalten." (Krappmann 1997, S. 81)

Es gehört zur Natürlichkeit des Lebens, dass Menschen immer wieder vor neue Situationen und Aufgaben gestellt werden. Die konstruktive Auseinandersetzung damit, mündet meist in einem Ausbalancieren eigener Wünsche und gesellschaftlicher Anpassung. Im Zuge dessen kann und muss Identität, auch wenn eine grundlegende Ausrichtung stets beibehalten wird, umstrukturiert werden (vgl. ebd.). Identität wird gleichzeitig durch sich selbst und die Gesellschaft geformt. Dabei liegt es letztens Endes in unserer eigenen Entscheidungskraft für welche Identität wir uns entscheiden, unterdessen haben wir die Wahl Identitäten, die uns gegebenenfalls, aufgrund bestimmter Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, abzulehnen (Watson 2002, S. 510f).

Es ist zu kritisieren, dass traditionelle Theorien zur Identität kaum bis gar nicht auf geschlechtsspezifische Unterschiede eingehen, obwohl Identitätsfindungsprozesse von weiblichen und männlichen Jugendlichen sehr unterschiedlich ablaufen können. Im Zuge dessen soll betont werden, "wie stark das Autonomieideal von einer patriarchal dominierten Gesellschaft bestimmt wurde" (Keupp 1997, S. 32).

4.2 Einbezug der weiblichen Identität in den Identitätsdiskurs

Aus entwicklungspsychologischer Perspektive übt Carol Gilligan, eine Schülerin von Erikson, Kritik an der einseitigen Betrachtung der individuellen Entwicklung. Die Andersartigkeit der weiblichen Entwicklung würde zwar beiläufig erwähnt werden, aber nur in Abhängigkeit des männlichen Ideals. Erst in der Verbindung mit dem Mann kann die Frau ihre Identität voll und ganz finden. Im Alltag wird dies zum Beispiel traditionell dadurch bestätigt, dass Frauen die Nachnamen ihrer Ehemänner übernehmen (vgl. Meier Rey 1994, S. 65).

Aufgrund des Unbehagens über männlich dominierte Entwicklungstheorien, fokussierte sich Gilligan (1998) auf die weibliche Identitätsbildung (vgl. S. 204). So sieht sie viele der davor entwickelten Theorien über Identität für die Identitätsentwicklung von Mädchen als unpassend (vgl. ebd.).

"Gilligans Ziel ist es, ein klareres Bild vom Entwicklungsprozess der weiblichen Persönlichkeit zu geben, insbesondere im Hinblick auf die Identitätsbildung der Frauen und ihre moralische Entwicklung in der Adoleszenz und im Erwachsenenalter." (Meier Rey 1994, S. 66)

Ihre Analyse ist gestützt auf die Bindung als zentrales Wesensmerkmal menschlicher Entwicklung. Sowohl Frauen, als auch Männer definieren sich über Beziehungen, jedoch vollzieht sich die Orientierung auf unterschiedliche Weise. Während Männer sich eher an hierarchischen Strukturen ausrichten, erfüllen Beziehungsstrukturen bei Frauen Netzwerkfunktionen. Sie stellen sich ins Zentrum des sozialen Gefüges. Das Selbst ergibt sich aus einer Wechselwirkung mit den anderen (vgl. Meier Rey 1994, S. 66f).

Konkret kommt dieser Fokus auf das Bindungsverhalten dadurch zum Ausdruck, dass sich Frauen selbst fast immer in Anlehnung an Beziehungen beschreiben.

"Frauen finden ihre Identität in der Verbindung als Mutter, gegenwärtige Ehefrau, adoptiertes Kind, frühere Geliebte etc." (Meier Rey 1994, S. 67)

Ebenso verweist Dausien (1994) auf die Kennzeichnung weiblicher Identität durch "Beziehungsorientierung und soziale Vernetzung" (S. 137f). In Anbetracht dessen ist nicht weiter erstaunlich, dass Eigenschaften wie "Bindung, Fürsorglichkeit, Zuwendung, Anteilnahme und Verantwortung für andere" die weibliche Identität prägen (ebd.). Chodorow (1998) sieht charakteristische Merkmale der weiblichen Identitätsentwicklung in der Beziehung von Mutter und Tochter (vgl. S. 162). Sie geht davon aus, dass die Betreuung der Kinder traditioneller Weise zu den Aufgabengebieten, der Frauen zählt. Dies spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt wider, indem Frauen vermehrt in Bereichen der Fürsorge und Pflege tätig sind. Die Erklärung dafür findet Chodorow (1998) in der Weitergabe mütterlicher Fürsorge von Mutter zur Tochter (vgl. ebd.)

"Das heißt, eine Tochter benimmt sich so als fühle sie sich - unbewußt - eins mit der Mutter oder sei eins mit ihr. Die Pubertät unterstützt dies - denn ein Mädchen wird in diesem Lebensabschnitt mit all den sozialen und psychologischen Bedingungen des Frauseins konfrontiert [...]. In einer Gesellschaft, in der Geschlechterunterschiede einen zentralen Stellenwert haben, verstärkt diese Konfrontation ihre Bindung und Identifikation mit der Mutter." (ebd.)

Die Beziehung von Mutter und Tochter ist wegweisend für das weitere Leben. Töchter lernen von den Müttern und werden gleichzeitig selbst darauf vorbereitet Mutter zu werden (vgl. Meier Rey 1994, S. 62ff). Die Beziehung zur Mutter ist im herkömmlichen Sinne (nicht zwingend) die erste, die ein Kind aufbaut. In ihrer Funktion als primäre Pflegeperson nimmt sie eine Position ein, die die Entwicklung des Kindes im weiteren Verlauf am stärksten prägt (vgl. Chodorow 1998, S. 166).

Chodorow weist, so Meier Rey (1994), auch darauf hin, dass Kinder von Müttern geschlechtsspezifisch unterschiedlich behandelt werden (vgl. S. 62). Während die Beziehung zu den Töchtern eher durch Verbundenheit geprägt ist, ist jene zu den Söhnen von Differenz bestimmt. Aus diesem Grund beginnen Mädchen auch sehr früh sich über Beziehungen zu definieren und ihre Identität in Anlehnung an jene ihrer Mütter zu entwickeln. Es ist zu kritisieren, dass sich Chodorow´s Theorie der weiblichen Identitätsentwicklung zu sehr auf die Rolle der Mutter stützt und Persönlichkeitsmerkmale zu sehr von dieser geprägt sind (vgl. Meier Rey 1994, S. 62ff).

Auch wenn die Fürsorge für die Kinder nicht mehr ausschließlich der Mutter zugeschrieben wird und sich Familienkonstruktionen, jenseits einer Mutter-Vater-Kind-Konstellation, etablieren, darf dennoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Identitäten der Frauen nach wie vor sehr stark von der Rolle als potentielle Mütter geprägt sind (vgl. ebd.).

Die Wahrnehmung der Besonderheiten weiblicher Identitäten war ein wichtiger Schritt für den wissenschaftlichen Diskurs. Dennoch trug sie gleichzeitig dazu bei das binäre System der Geschlechter zu legitimieren und keine Zuordnungen dazwischen zuzulassen. Zusätzlich muss die Kritik eingewendet werden, dass die beschriebene "weibliche Identität" nicht ausnahmslos alle Frauen[3] repräsentiert und Unterschiedlichkeiten in den Erfahrungen von Frauen in verschiedenen Lebenslagen nicht berücksichtigt werden (vgl. Dausien 2006, S. 185f).

4.3 Die Bedeutung des Geschlechts für die Identitätsentwicklung

Das Geschlecht und die Tatsache sich selbst als Frau oder Mann wahrzunehmen sind maßgeblich an der Entwicklung der Identität beteiligt.

"Während des gesamten Sozialisationsprozesses werden geschlechtstypische Verhaltensweisen ausgebildet, die in den Aufbau von Identität integriert sind." (Meier Rey 1994, S. 13)

Von Geburt an prägt das Geschlecht die individuellen Lebenswelten. Sobald das Geschlecht bekannt wird, trägt dieses entscheidend dazu bei, wie sich die Lebenswirklichkeit des Kindes gestaltet und in welche Richtung es erzogen wird. Wir bewegen uns in einem durch Geschlecht strukturierten Umfeld, in dem wir aufwachsen und lernen. Oft sitzen diese Strukturen so tief, dass sie kaum noch auffallen (vgl. Köbsell 2010, S. 17ff). Jene Eigenschaften, die vorwiegend Frauen oder Männern zugeschrieben werden und deren Aneignung in der geschlechtsspezifischen Entwicklung erwartet wird, basieren auf Geschlechtsstereotypen.

"Geschlechterstereotypen sind kognitive Figuren, die sozial geteiltes Wissen über die charakteristischen Merkmale von Frauen und Männern enthalten. Nach dieser Definition gehören Geschlechterstereotypen (wie andere Stereotypen auch, z.B. nationale Stereotypen oder Altersstereotypen) einerseits zum individuellen Wissensbesitz, andererseits bilden sie den Kern eines konsensuellen, kulturell geteilten Verständnisses von den je typischen Merkmalen der Geschlechter." (Eckes 2008, S 171)

Unsere Gesellschaft ist geprägt durch Geschlechterstereotypen, die sich aus der Polarisierung der Geschlechter ergeben und die weibliche Identität meist mit Attributen, wie "ängstlich, beinflussbar, emotional, freundlich, passiv redefreudig, sozial orientiert, schüchtern, schwach" charakterisiert (Meier Rey 1994, S. 14). Aus diesen Stereotypen ergeben sich ebenfalls Rollenanforderungen an Frauen, die unter anderem die Führung des Haushalts und die Versorgung der Kinder beinhalten. Daneben sollen Frauen sexuell attraktiv wirken und sich zurückhaltend verhalten. Diesen Stereotypen liegt eine jahrelange Entwicklung zu Grunde, die auf dem traditionellen Denken über Mann und Frau aufbaut. Durch diesen langen Prozess der Entstehung sind Stereotypen sehr resistent gegenüber Veränderungen (vgl. Eckes 2008, S. 171f).

Wie schon erwähnt ergab sich das Rollenbild Frau historisch betrachtet primär aus der Aufteilung von Erwerbs- und familialer Reproduktionsarbeit und der damit einhergehenden finanziellen Abhängigkeit vom Ehemann.

"Ökonomische und soziale Abhängigkeit führen also zu einer psychischen Abhängigkeit der Frau vom (Ehe-) Mann und bewirken, dass Frauen eine Identität ausbilden, die sich weniger auf eigenen Fähigkeiten und Qualitäten bezieht als vielmehr auf die Bestätigung von (Ehe) Männern und Kindern ausgerichtet ist." (Schildmann 1983, S. 53)

Unter der Voraussetzung, dass Frauen nach damaliger Ansicht gesellschaftlich allein nicht überlebensfähig sind, müssen sie Männern gefallen um durch diese ökonomisch abgesichert zu werden. Das weibliche Aussehen genießt dadurch entsprechende Aufmerksamkeit, wodurch eine regelrechte Reduzierung der Frauen auf ihr Äußeres stattfindet (vgl. Schildmann 1983, S. 34f).

"Körperliche Attraktivität erscheint so als Existenznotwendigkeit für Frauen, obwohl sie auf diese Weise zu Objekten degradiert werden. Die weibliche Sexualität wird vor diesem Hintergrund zum Instrument materieller und sozialer Sicherheit." (Schildmann 1983, S. 35)

Bis heute hat Attraktivität, als eine den Frauen zugeschriebene Charaktereigenschaft, überdauert (vgl. Ehrig 1996, S. 53).

Diese stereotypen Auffassungen über Geschlecht durchziehen, wie schon eingangs erwähnt, die Erziehung und die soziale Umwelt in der Kinder und Jugendliche ihre Identität ausbilden. Neben den sozialen Faktoren, sind biologische und individuelle Einflussgrößen an der Ausbildung der geschlechtlichen Identität beteiligt. So sind es biologische Faktoren, die die Identität des Säuglings bestimmen und bereits von Beginn an den Umgang der Erziehenden mit dem Kind geschlechtsspezifisch prägen (vgl. Meier Rey 1994, S. 14ff). Das Geschlecht wird zuerst über körperliche Merkmale festgelegt. Der Körper ist von Beginn an Ausdruck geschlechtlicher Differenzen und bekommt besonders für den Prozess der Identitätsfindung bei Mädchen/Frauen einen besonderen Stellenwert zugewiesen. Die Einstellung gegenüber dem eigenen Körper ist oft maßgeblich für die persönliche Zufriedenheit verantwortlich. Schon im Kindesalter wird Mädchen meist weniger Raum zugesprochen und physisch zurückhaltendes Verhalten gefordert. Besonders aber beim Aufbau von Beziehungen - jener Bereich, der wie schon erwähnt, so prägnant für die weibliche Identität ist - wird der Körper verstärkt dazu verwendet, um für zukünftige Partner attraktiv zu wirken. Erfolge lassen sich sozusagen mit Einsatz körperlicher Mittel erzielen. Die individuelle Zufriedenheit ergibt sich aus der Anerkennung von Männern (vgl. Meier Rey 1994, S. 54ff). Der Körper nimmt nicht nur in der geschlechtsdifferenzierten Entwicklung eine zentrale Position ein, sondern auch in der Ausbildung der Identität an sich, da wir über unseren Körper die Umwelt aufnehmen, Erfahrungen machen und in Kontakt mit der Außenwelt treten (vgl. Watson 2002, S. 510).

Die bereits dargestellten Gender und Queer Studies widmen sich der Aufgabe, die Selbstverständlichkeit von Geschlechtszuschreibungen zu hinterfragen und aufzudecken. Sie stellen darüber hinaus das Konzept der Zweigeschlechtlichkeit in Frage, welches zum Beispiel durch Neugeborene, die keinem eindeutigen Geschlecht zugeordnet werden können, fragwürdig wird (vgl. Köbsell 2010, S. 17ff).

4.4 Die Bedeutung von Behinderung (bei Frauen) für die Identitätsentwicklung

Ausgehend von der Annahme, dass Identität in gewissem Maße über den Körper erreicht wird, können sich durch körperliche Beeinträchtigungen erschwerende Bedingungen für die Identitätsentwicklung bei behinderten Frauen ergeben. Darüber hinaus haben Menschen mit körperlicher Behinderung, aufgrund augenscheinlicher Verschiedenheit mit Stigmatisierungen zu kämpfen, die Interaktionsprozesse mit der Umwelt und in Folge dessen die Ausbildung der Identität behindern. Das Akzeptieren des eigenen Körpers zählt zu einer wichtigen Aufgabe der Identitätsentwicklung bei Personen mit körperlicher Behinderung. Die erschwerenden Verhältnisse in der Ausbildung der Identität können sich auf unterschiedlichen Ebenen ausdrücken. Es kann zu einer Überangepasstheit, zu sozialer Isolation, einer Kompensation auf geistiger Ebene etc. kommen (vgl. Meier Rey 1994, S. 76f).

In einer von Watson (2002) durchgeführten Studie mit 14 behinderten Frauen und 14 behinderten Männern wird verdeutlicht, wie diese ihre Identität selbst wahrnehmen und inwiefern dabei ihre Behinderung eine Rolle spielt (vgl. S. 514ff). Im Zuge dessen kommt zum Vorschein, dass sich Menschen mit Behinderung nur selten selbst als behindert sehen und in Folge dessen auch ihre Identität nicht auf der Behinderung aufbauen. Sie beschreiben ihre Identität nicht, aufgrund der körperlichen Differenz zu nicht-behinderten Menschen, sondern ganz und gar unabhängig davon. Die Betonung der Andersartigkeit kommt meistens über Fremdzuschreibungen, nicht aber von den betroffenen Personen selbst. Einige TeilnehmerInnen der Studie stellen in diesem Zusammenhang das Konzept der Normalität in Frage (vgl. ebd.).

Es kann vermutet werden, dass Behinderung nicht die Identität betroffener Personen reflektiert, mit großer Wahrscheinlichkeit aber deren Persönlichkeit beeinflusst. Beauchamp-Pryor (2011) meint, dass Behinderung eine Einflussgröße unter vielen anderen ist, die zur Definition der eigenen Identität beiträgt und wählt dafür folgende Worte:

"Whilst disabeld people are not their impairments, their impairment is likely to influence who they are, in the same way as does being black or white, gay or straight, young or old, male or female." (S. 11)

Für Frauen mit Behinderung ergeben sich auf unterschiedlichen Ebenen Faktoren, die ihre Identitätsentwicklung beeinflussen können. Der Aufbau von Beziehungen, welcher charakteristisch für die weibliche Entwicklung ist, kann sich für behinderte Frauen als verhältnismäßig schwieriger herausstellen. Dies gilt ganz allgemein für Freundschaften/Bekanntschaften, da oft ängstlich reagiert wird. Im Speziellen sind Frauen mit Behinderung beim Aufbau von Partnerschaften benachteiligt (Meier Rey 1994, S. 84ff).

"Die Partnersuche bildet für behinderte Frauen ein enormes Problem. Es ist nicht üblich, dass Frauen auf Männer zugehen, bei der Partnersuche aktiv werden. Da behinderte Frauen aber nicht den männlichen Vorstellungen entsprechen, werden sie von Männern auch kaum wahrgenommen." (ebd., S. 85)

Nicht selten werden behinderte Frauen nicht in ihrer Sexualität wahrgenommen. Darüber hinaus wird ihnen ihre Geschlechtszugehörigkeit abgesprochen, wodurch sie als sexuelle Neutren oder asexuell angesehen werden. Diese Tatsache ist auch im Alltag nicht zu übersehen, wie es zum Beispiel die Kennzeichnung öffentlicher Toiletten zeigt. Die Unterscheidung in Männer-, Frauen- und Behindertentoiletten kann genau genommen synonym zur Unterteilung in Männer, Frauen und Asexuelle betrachtet werden. Das Geschlecht behinderter Menschen scheint in diesem Zusammenhang nur sekundär zu sein, vielmehr macht es den Anschein, dass durch das Vorhandensein des Merkmals Behinderung, eine Zuordnung zum Geschlecht nicht mehr erforderlich ist (vgl. Ehrig 1997, S. 191f). Köbsell weist darauf hin - so wichtig das Geschlecht für die Identität auch ist - sobald das Merkmal behindert vorliegt, wird dieses so dominant, dass Geschlecht meist kaum bis keine Berücksichtigung findet. Hierbei ist erkennbar, dass die Dichotomie des Geschlechts anscheinend auch eine weitere Kategorie, nämlich die der Asexualität, produziert (vgl. Köbsell 2010, S. 20f).

Aus intersektionaler Perspektive führt das Aufeinandertreffen der Kategorien Geschlecht und Behinderung nicht, wie erwartet, zu einer additiven Verstärkung der Benachteiligungen, sondern zur Produktion von Geschlechtslosigkeit, anders ausgedrückt, zum regelrechten Wegfallen der Kategorie Geschlecht.

"Die oftmals angenommene Geschlechtslosigkeit behinderter Menschen ändert jedoch nichts daran, dass sie Mädchen und Frauen bzw. Jungen und Männer sind und ihre Lebenssituation in vielen Bereichen durch das Geschlecht beeinflusst wird." (Köbsell 2010, S. 21)

Unter dieser Berücksichtigung darf nicht über die zusätzlichen Benachteiligungen, die durch Behinderung entstehen können, hinweggesehen werden. Durch die Zugehörigkeit zu zwei diskriminierten Gruppen, jene der Frauen und jener der Behinderten, wird in diesem Zusammenhang beispielsweise oft die Bezeichnung "doppelte Diskriminierung", als Ausdruck für die "Zweifachbenachteiligung" verwendet (vgl. Ehrig 1996, S. 34).

"In der patriarchalen Gesellschaft wird zum einen die 'männliche Normalität' mit menschlicher Norm gleichgesetzt, an die sich Frauen per se anzupassen haben; zum anderen weichen behinderte Frauen ebenso von dieser 'weiblichen Normalität' ab." (ebd.)

Das bedeutet, dass durch die gesellschaftliche Produktion entstandene stereotype Rollenvorstellungen ebenso die Lebensrealitäten behinderter Frauen bestimmen. Die Zuschreibung eines intakten, schönen, scheinbar unversehrten Körpers zur weiblichen Identität führte dazu, dass von behinderten Frauen verlangt wurde sich diesem Schönheitsideal anzupassen. Behinderten Frauen ist es, aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigungen, unmöglich diesem sozial produzierten Bild von Weiblichkeit zu entsprechen (vgl. Ehrig 1996, S. 53).

"Mit dem weiblichen Rollenbild sind zentral die Attribute Schönheit und Attraktivität verknüpft, die sich an einem Idealmodell orientieren. Behinderten Frauen wird wegen körperlicher Beeinträchtigungen, die sie von diesem Leitbild abheben, zugleich ihre Sexualität, ihre erotische Ausstrahlung, ihre Schönheit abgesprochen - sie werden auf das Behindertsein reduziert und so zu sexuellen Neutren gemacht." (Ehrig 1996, S. 48)

Dazu kommt, dass sie auch dem bereits beschriebenen traditionellen Rollenbild, welches die Versorgung der Familie als einen der wichtigsten Aufgabenbereiche der Frauen ansieht, nicht in vollem Ausmaß entsprechen können. Je nach Schweregrad der Behinderung ist die Ausführung der Tätigkeiten im Haushalt und der familialen Betreuung kaum realisierbar. Im Gegenteil, behinderte Frauen werden eher in eine Rolle gedrängt, in der ihnen Hilfsbedürftigkeit und die Notwendigkeit zur Unterstützung unterstellt wird (vgl. Ehrig 1996, S. 49ff).

Zusammenfassend ergeben sich also für behinderte Frauen zwei Benachteiligungen, einerseits, dass sie nicht in ihrer Identität als Frau wahrgenommen werden, andererseits, dass sie an Normen gemessen werden, denen sie nicht entsprechen können (vgl. ebd.).

Es kann davon ausgegangen werden, dass Behinderung Frauen und Männer geschlechtsspezifisch auf unterschiedliche Weise betrifft. Meistens bedeutet dies, dass Frauen noch viel weniger als Männer ihrem Rollenideal gerecht werden können. Männer können trotz Beeinträchtigungen soziales Ansehen genießen, zum Beispiel indem sie in einem Beruf tätig sind, der ihnen Anerkennung bringt. Für Frauen bedeutet es jedoch meist, dass sie noch mehr leisten müssen um ein selbstständiges Leben führen zu können (vgl. Ehrig 1996, S. 54; vgl. Köbsell 2010, S. 21f).

Eine besondere Situation ergibt sich für die Frauen der Bezugsgruppe. Sie haben sowohl mit einer Identität, die nicht von Behinderung beeinflusst wurde gelebt, als auch mit einer, die Behinderung beinhaltet. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Frauen im Zuge der Identitätsentwicklung, bevor sie eine Beeinträchtigung erfuhren, bereits in ihrer Rolle definiert haben und ihr Handeln dementsprechend gestalten.

"If a disability is acquired and gender role and sexual development of the individual is interrupted, additional implications are to be noted. Expectations and descriptions of masculinity and femininity are already in place as an able-bodied person, and personal goals are being pursued toward acquiring the societal traits expected in order to fulfill the role of being a "real" man or woman." (Cole 1988, S. 279)

Sandra Cole (1988) spricht außerdem davon, dass Frauen, die eine Behinderung erfahren, nachdem sie ihre Weiblichkeit entwickelt haben, die Verluste für die Persönlichkeit und ihre Rolle als Frau expliziter wahrnehmen (S. 279).

"An adult woman who has experienced physical disability after achieving womanhood will be more likely to recognize and define specifically the losses she faces in her own female role and selfesteem." (ebd.)

Wie sich diese Veränderungen in den Persönlichkeiten der befragten Personen vollziehen und ob es sich dabei wirklich um Verluste für die weibliche Identität handelt, soll durch die Gespräche herausgefunden werden.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit diesem Übergang vom Leben ohne Behinderung zum Leben mit Behinderung. Dazu soll eingangs auf die Biographie und den individuellen Lebenslauf sowie abschließend auf kritische Lebensereignisse eingegangen werden.



[3] Wieder bezieht sich die "weibliche Identität" vorwiegend auf weiße Mittelschichtfrauen ohne körperliche oder geistige Beeinträchtigungen.

5 Kritische Lebensereignisse im Lebenslauf

5.1 Biographie

Der Begriff der Biographie kann nur schwer konkret definiert werden, da dieser von unterschiedlichen Disziplinen verschieden benutzt wird. Hinzu kommt, dass er im Alltag inflationäre Anwendung findet (vgl. Dausien 2006, S. 180). Im Folgenden soll ein Definitionsvorschlag von Bettina Dausien (2006) herangezogen werden, um Biographie zu erläutern (vgl. S. 180). Sie bezeichnet,

"'Biographie' in einer ersten Annäherung als diskursives Format (kursiv im O.) für die Darstellung und Kommunikation individueller Identität. Es zeichnet sich besonders durch den Aspekt der Zeitlichkeit aus. Biographie ist eine kulturelle Form der Darstellung einer zeitlich erstreckten, sich verändernden Identität individueller Subjekte" (ebd.).

Die Orientierung an einer Biographie bringt Stabilität für die persönliche Lebensführung. So sprechen Fischer und Kohli (1987) davon, dass sich "Biographie als Orientierungsmuster in ein soziologisches Konzept von Alltagswelt als Gegenstand der Soziologie einpasst" (S. 27). In der Biographie spiegelt sich, so Kohli (1978), eine "lebensgeschichtliche Kontinuität" wider, die dazu beiträgt, dass sich Menschen besser auf unterschiedliche Situationen einstellen und damit umgehen können (S. 27).

"Sie macht Handeln über die wechselnden Situationen und Positionen hinaus vorhersehbar und planbar und ist damit eine notwendige Voraussetzung für den Bestand einer sozialen Welt". (ebd.)

Darüber hinaus gibt diese Kontinuität Sicherheit, indem sie das Gefühl vermittelt über alle Situationen hinweg, im Besonderen über kritische Lebensereignisse, als Individuum bestehen zu können (vgl. Dausien 2006, S. 190).

Biographien unterliegen einer Normativität, die sich aus den Ereignissen ergibt, die in einer bestimmten Lebensspanne statistisch gehäuft vorkommen. Sie orientieren sich an sozialen und biologischen Gradmessern. So müssen Ereignisse, die nicht der Norm entsprechen nicht zwangsläufig als kritisch eingestuft werden, sondern können in ihrer Differenziertheit durchaus auch der normalen Biographie entsprechen, wie zum Beispiel Übergänge in eine neue Lebensphase (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 32). Kritische Lebensereignisse fallen allerdings nicht in diese natürliche Variabilität und sind in eine Kategorie "jenseits des Normalen" einzustufen (Filipp und Aymanns 2010, S. 40).

"Es geht um Ereignisse die weder im 'normalen' Lebenslauf zu erwarten noch als ein von vielen geteiltes Schicksal zu betrachten sind, sondern die im engeren Sinne individuelle krisenhafte Erfahrungen darstellen". (ebd.)

Es muss davon ausgegangen werden, dass eine individuelle Biographie nie einer anderen entspricht. Trotz dieser Annahme können charakteristische Strukturen gefunden werden, die Biographien zu Grunde liegen. So sind biographische Ansätze dadurch geprägt, "Zeitlichkeit, Prozesshaftigkeit und Veränderbarkeit sozialer Phänomene" hervorzuheben (Dausien 1994, S. 131f).

Aufgrund der Verschiedenheit der BiographieträgerInnen, aber auch weil sich beispielsweise Übergänge[4] in Bezug auf das auftretende Alter kohortenspezifisch unterscheiden können, muss diesen typischen Mustern auch ein gewisses Maß an natürlicher Variabilität zugesprochen werden. Es erweist sich deshalb als kaum möglich eindeutige Grenzen der Normbiographie zu formulieren (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 32). Die Einsicht, dass Biographien nicht zwangsläufig stringenten Mustern folgen müssen, zeigt sich im Besonderen von Bedeutung für Phasen der Desorientierung, welche kritischen Lebensereignissen im Regelfall folgen. Zu diesem Zeitpunkt können angeeignete Verhaltensmuster ihre Wirkung verfehlen und müssen einer Umorientierung unterzogen werden (vgl. Fischer und Kohli 1987, S. 31). Dass die Desorientierung kein unnatürliches Phänomen ist, sondern sozusagen in der Natur der Orientierung selbst liegt, drücken Fischer und Kohli (1987) mit folgenden Worten aus:

"Orientierung ist kein sozialer Automatismus, sondern eine biographische Leistung, die immer auch begleitet ist von potentieller und faktischer Desorientierung." (S. 31).

Die Orientierung, die der Desorientierung immer vorrausgeht, ist ein wesentliches Merkmal der Biographie und bietet den Menschen Sicherheit. Die Biographie bietet sozusagen eine Orientierungshilfe, die durchs Leben leitet, die angibt welche Veränderungen zu bestimmten Zeitpunkten zu erwarten sind. Da unerwartete Ereignisse, aber genauso zum Lauf des Lebens gehören, muss immer damit gerechnet werden, dass biographisch erwartete Vorstellungen von Zukünftigem über Bord geworfen und neue Perspektiven entwickelt werden müssen. All dies, die Strukturiertheit und das Vorhersehbare, ebenso wie deren Gegenteile, die Unstrukturiertheit und das Unvorhersehbare, beinhaltet das Konzept der Biographie (vgl. Fischer und Kohli 1987, S. 29f; vgl. Schütze 1984, S. 2). Fischer und Kohli (1987) beschreiben dies folgendermaßen:

"Als Orientierungsmuster ist Biographie gleichzeitig determinierend wie ent-determinierend; Biographie hat einen 'horizonthaften' Charakter, in dem sich Bestimmtes und Noch-Unbestimmtes bzw. Unbestimmbares zugleich manifestieren." (S. 26f)

Es wird durch diese Aussage nochmal verdeutlicht, dass Biographien einerseits sozial strukturiert sind, anderseits unvorhersehbare Brüche niemals ausgeschlossen werden können (vgl. Kohli 1978, S. 27).

Abschließend soll der Faktor Zeit, welcher eine wesentliche Rolle für Biographien spielt, erwähnt werden. Er bietet die Möglichkeit das einzige Merkmal hervorzubringen, dass jeder individuellen Biographie gleich ist und schafft es im selben Zug diese einzugrenzen. Die Rede ist von der Zeitspanne, die sich über Leben und Tod erstreckt und dadurch die persönliche Biographie beschränkt. Innerhalb dieses Zeitraums konstituiert sich der individuelle Lebenslauf durch Erfahrungen und interaktive Handlungen (vgl. Filipp und Aymanns 2009, S. 27ff).

Die Gegenwart stellt auf diesem zeitlichem Kontinuum jene markante Stelle dar, an der die Möglichkeit besteht die Zukunft, aber auch die Vergangenheit, neu zu konstruieren. Biographien sind dadurch einem laufenden (potentiellen) Wandel unterzogen und bleiben so ständig in Bewegung (vgl. Filipp und Aymanns 2009, S. 27ff). Zusammenfassend findet Dausien (2006) zur Erklärung von Biographie folgende These:

"Ein Spezifikum dieser institutionalisierten Erwartungen im Modus 'Biographie' ist, [...], ihr zeitliches (kursiv im O.) Format. Biographische Konstruktionen liefern Modelle für die diachron, sequenzielle Strukturierung individueller Lebenszeit und beinhalten Skripts für typische (kursiv im O.) Biographien. Sie typisieren und normieren Laufbahnen und geben Interpretationsmuster für individuelles Leben vor." (S. 189)

Biographien konstituieren sich durch einzelne Lebensläufe und ergeben sich aus einer Wechselwirkung von Gesellschaft und Individuum. Der Lebenslauf als individualisierte Biographie muss gesondert von dieser betrachtet werden.

5.2 Lebenslauf

Die aus dem historischen Begriff des Lebenszyklus entwickelte Bezeichnung des Lebenslaufes bietet, so Kohli (1987), vor allem den Schirm für Überlegungen zu den Bereichen von Lebensalter und -phasen und hinterfragt ebenso deren Bedeutung als soziale Strukturmerkmale (vgl. S. 12f). So ergeben sich im sozialwissenschaftlichen Sinn Fragen nach "der sozialen Konstruktion des Lebenslaufs" und dem "Verhältnis zwischen ihnen (den Lebensphasen, Anm. von mir, B.S.)" (Kohli 1978, S. 13).

Durch die Unterteilung in Lebensalter kann dem Lebenslauf die nötige Struktur verliehen werden und es können dem Alter entsprechende Ereignisse erwartet werden. Das Alter stellt eine wichtige Dimension zur Analyse sozialer Strukturgebilde im Zuge der Lebenslaufforschung dar. Der Lebenslauf einer Person baut sich, so Kohli (1978), in Lebensalter beziehungsweise Lebensphasen auf, die in einem Verhältnis zu einander stehen (vgl. ebd.). Er (der Lebenslauf) charakterisiert die Person und spiegelt deren individualisiertes Leben wider. So gelten "altersabhängige Merkmale der Person und die Erwartungen an altersgerechtes Verhalten als direkter Ausdruck des natürlichen Ablaufs des Lebens" (ebd.). Der Lebenslauf beinhaltet eine soziale Strukturierung der Altersdimension und ergibt sich aus dem Durchleben von altersbezogenen Rollen (vgl. ebd.).

Verschiedene Formen der Periodisierung des Lebens gibt und gab es mit großer Wahrscheinlichkeit in allen Gesellschaften. Kohli (1978) erklärt, dass diese dazu dienen, um sich besser (in die Gesellschaft) einordnen und zurechtfinden zu können:

"Eine Periodisierung gibt an, welche Stufen im Lebenslauf zu unterscheiden sind, welche Eigenschaften des Menschen (körperliche und geistige Fähigkeiten, Neigungen etc.) ihnen entsprechen und welche Verhaltensweisen ihnen angemessen sind." (S. 10)

Schütze (1983) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es Prozessstrukturen gibt, die alle Lebensläufe, wenn zum Teil auch nur in geringem Ausmaß, durchziehen (vgl. S. 287). Die dem Lebenslauf zu Grunde liegende Dynamik sei mit folgendem Zitat verdeutlicht:

"Zugleich ist jeder individuelle Lebenslauf charakterisiert durch eine unterschiedliche Sequenz einzelner Erfahrungen, von Rückschlägen und Fortschritten, von Anforderungen und Verlusten, von Einsichten und Aussichten, von kleinen Widrigkeiten des Alltags und großen Ereignissen und Transitionen im Leben." (Filipp und Aymanns 2010, S. 27)

Der Lebenslauf ist geprägt von vergangenen Erfahrungen und Erwartungen an die Zukunft, er ist zugleich retrospektiv und prospektiv (vgl. Dausien 2006, S. 190). Besonders gravierende Einschnitte im Lebenslauf können durch kritische Lebensereignisse geschehen.

5.3 Kritische Lebensereignisse

In Bezug auf die Lebensgeschichten, der für die vorliegende Arbeit befragten Frauen, stellt sich die Frage, wie sich kritische Lebensereignisse auf den Lebenslauf auswirken, inwiefern die lebensgeschichtliche Kontinuität beeinträchtigt wird und wie sich Zukunftsperspektiven verändern.

Der Erwerb[5] einer Behinderung durch Unfall oder Krankheit kann mit großer Wahrscheinlichkeit als kritisches Lebensereignis gesehen werden. Es soll zu Beginn auf die Relevanz des Alltags für die Gestaltung des individuellen Lebens, aber auch für das "Überleben" im sozialen Kontext eingegangen werden. Dies soll geschehen, um die Folgen, die durch Irritationen des Alltags entstehen, besser nachvollziehen zu können. Danach werden die charakteristischen Wesenszüge kritischer Lebensereignisse behandelt und es wird aus entwicklungs-, beziehungsweise bewältigungstheoretischer Sicht auf den Umgang mit kritischen Lebensereignissen eingegangen.

5.3.1 Alltag als stabilitätsstiftendes Moment des menschlichen Lebens

Alltag bietet Menschen Sicherheit und Entlastung in der Bewältigung des täglichen Lebens, dabei orientieren sie sich an Gewohnheiten und unterwerfen ihr Handeln gewissermaßen einer Routine. Das Leben, welches individuelle Handlungen fordert und vor die Wahl zwischen Handlungsalternativen stellt, scheint durch die Wiederholung von bekannten Handlungsstrategien geordnet und die Zukunft gleichzeitig vorhersehbar. Durch Erfahrungen bauen sich Menschen ein Gerüst an Handlungsmöglichkeiten auf, welches jederzeit abrufbar ist. Es kann in Situationen, die Reaktionen fordern, schnell darauf zurückgegriffen werden. Die Vorstellung, dass Dinge nach unveränderten Mustern ablaufen, gibt Zuversicht und nimmt die Angst mit Situationen, die nicht vertraut wirken, umgehen zu können (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 11f). In diesem Sinne macht Alltag "Wohlbefinden, Lebensqualität und zuweilen auch 'Glück' aus" (Filipp und Aymanns 2010, S. 13).

"Kritische Lebensereignisse", so Filipp und Aymanns (2010), "werfen Menschen aus ihrem Alltag, das Leben steht gleichsam auf dem Kopf" (S. 12). Dies geht mit einer Veränderung der Lebensrealität einher, da das bisher angewandte Verhalten für die Bewältigung alltäglicher Aufgaben, nicht mehr zu funktionieren scheint. Das über Erfahrungen aufgebaute Gerüst an Handlungsoptionen ist durch das Auftreten unerwarteter Ereignisse bedroht einzustürzen. Der erworbene Erfahrungsschatz reicht meistens nicht aus, um für diese unvorhergesehenen Situationen adäquate Reaktionen hervorzurufen. Daraus folgt, dass das Verhältnis zwischen Person und Umwelt gestört wird und die Betroffenen Halt und Sicherheit verlieren (vgl. ebd.). Die Erlebnisse, die diesem Zustand des Verlorenseins voraus gehen, liegen "weit außerhalb des normalen Erwartungs- und Erfahrungshorizonts" und es handelt sich meist um "einschneidende, das Leben oft gravierend verändernde und in aller Regel außerordentlich belastende Erfahrungen" (Filipp und Aymanns 2010, S. 16).

5.3.2 Charakteristische Merkmale kritischer Lebensereignisse

Kritische Lebensereignisse bringen die Stabilität, die der Alltag erzeugt, durcheinander. Sie stören gewohnte Handlungsabläufe und erfordern von den betroffenen Personen Anpassungsleistungen an die neuen Lebensumstände (vgl. Schmid 2010, S. 22). Darüber hinaus haben sie oft mit Verlusten zu tun, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. In Bezug auf die Zielgruppe von Frauen mit erworbener Behinderung kann der Verlust im Bereich der Gesundheit angesiedelt werden, einhergehend mit der Erschütterung und Bedrohung menschlicher Grundbedürfnisse, wie der "körperlichen Unversehrtheit oder Zugehörigkeit zu anderen Menschen" (Filipp und Aymanns 2010, S. 17). Auf die individuelle Entwicklung bezogen stellt dieses Ereignis einen Bruch dar, auf den meist nicht mit den gewohnten Handlungsstrategien reagiert werden kann (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 16f). Darüber hinaus fügen sich kritische Lebensereignisse nicht in das normative Konzept des Lebenslaufes[6] und sind somit schwer kontrollier- und vorhersehbar.

"Schon allein die Tatsache, dass manche Ereignisse im Leben non-normativ eintreten und/oder insgesamt seltene oder außergewöhnliche Erfahrungen in der Population abbilden, macht einen Teil ihrer Belastungswirkung aus und qualifiziert sie als 'kritisch'." (Filipp und Aymanns 2010, S. 41)

Sie gehen außerdem meist mit einer Veränderung des Selbstbildes und des Selbstwerts einher, im Besonderen ist dadurch natürlich auch jene Personengruppe betroffen, deren Erscheinungsbild sich durch das kritische Lebensereignis verändert. Auch unter Voraussetzung bestimmter charakteristischer Merkmale ist es im Endeffekt aber relativ, welche Ereignisse als kritisch kategorisiert werden, da Menschen aufgrund ihrer Lebensgeschichten und ihrer Persönlichkeitsmerkmale unterschiedlich sensibel reagieren (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 40ff). So meint auch Schmid (2010), dass es nicht nur von der Situation selbst abhängt, sondern vielmehr auch "von der Person, ihrer Bewertung der Situation und ihrer verfügbaren Ressourcen" (S. 23).

5.3.3 Krisen als Folge kritischer Lebensereignisse

Das Auftreten kritischer Lebensereignisse ist nicht selten Auslöser für darauf folgende Lebenskrisen. Es soll zu Beginn auf die sprachliche Bedeutung des Begriffs Krise eingegangen werden, da diese erste interessante Aspekte für das Verständnis von krisenhaften Situationen hervorbringt. So findet sich die sprachliche Wurzel der Krise im Wort "krinein", welche auf die "Unterbrechung von Gewohntem" hinweist (Filipp und Aymanns 2010, S. 14). Wird an diesem Punkt noch einmal auf Alltag als stabilitätsstiftendes Moment zurückgegriffen, welcher sich als Abfolge gewohnter Handlungsmechanismen versteht, lässt sich festhalten, dass eine Krise im Sinne dessen, durchaus als Destabilisierung des (Alltags)Lebens verstanden werden kann. Wird der Begriff Krise weiter etymologisch unter die Lupe genommen, kann auch die Bedeutung als "Wendepunkt" gefunden werden. So bezeichnen Filipp und Aymanns (2010) den "Wendepunkt in einem Entwicklungsgeschehen mit unsicherem Ausgang als konstituierendes Merkmal des Krisenbegriffs" (S. 14). Dieser kann im Endeffekt sowohl zu einem guten, wenn auch im alltäglichen Gebrauch eher negativ verwendet, als auch zu einem schlechten Ausgang führen (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 13).

Ein kritisches Lebensereignis muss nicht zwingend zu einer Krise führen, aber die Wahrscheinlichkeit steigt, je eher die Störung der Personen-Umwelt-Passung nicht ausgeglichen werden kann. Daraus folgt für die betroffene Person meist eine "Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten und Problemlösefähigkeiten, begleitet von einer zunehmenden emotionalen Destabilisierung" (Filipp und Aymanns 2010, S. 14). Eine psychische Krise kann auf unterschiedliche Weise überwunden werden. Sie gilt im positiven Sinne als überwunden, wenn sich die Personen-Umwelt-Passung wieder einpendelt. Zusätzlich kann durch den Erwerb neuer Kompetenzen und Bewältigungsstrategien, darüber hinaus auch ein fruchtbarer Gewinn für die persönliche Entwicklung erzielt werden. Auf der anderen Seite können Krisen in vielen Fällen nicht überwunden werden, in dem Sinne, dass "eine Wende zum Schlechten" eintritt und eine Reorganisation des Passungsgefüges ausbleibt (Filipp & Aymanns 2010, S. 15). Dies kann sich konkret wie folgt äußern:

"Nicht selten kommt es zu einer Chronifizierung der Belastungsreaktionen, zur Ausbildung dysfunktionaler, verzerrter Einschätzungen der Welt und der eigenen Person sowie zu einer Flucht in maladaptive Formen der Lebensbewältigung (z.B. gesteigerter Alkohol- und Medikamentenkonsum) bis hin zu depressiven Rückzug gepaart mit Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und erhöhter Suizidneigung oder gar zu einer deutlich verkürzten Lebenserwartung." (ebd.)

Kurzum bringen kritische Lebensereignisse die betroffenen Personen in Situationen, die ihnen ihre persönlichen Grenzen aufzeigen, meistens aber sogar weit übersteigen. Es kommt dadurch in der Regel zu Beeinträchtigungen des individuellen Handlungsspielraums und des emotionalen Gleichgewichts.

5.3.4 Umgang mit kritischen Lebensereignissen

Besondere Aufmerksamkeit genießen Konzepte kritischer Lebensereignisse aus entwicklungstheoretischer Sicht. Diese Perspektive nimmt an, dass Menschen sehr unterschiedlich auf kritische Lebensereignisse reagieren und mit diesen umgehen (vgl. Schmid 2010, S. 24). Prinzipiell wird von der Annahme ausgegangen, dass kritische Lebensereignisse mit einer Veränderung der Persönlichkeit einhergehen.

"Wenn kritische Ereignisse das Leben verändern, sollten sie womöglich auch die davon betroffenen Menschen verändern: Nichts ist, wie es war, und auch die Menschen sind nach solchen Ereignissen nicht mehr 'die Alten'." (Filipp und Aymanns 2010, S. 99)

Diese Veränderung kann aus bewältigungstheoretischer Sicht, sowohl in eine positive Richtung laufen, als auch in eine negative. Während sich der stresstheoretische Ansatz eher auf der Seite der Entwicklung zum Schlechteren ansiedelt, beschäftigt sich der entwicklungstheoretische Ansatz verstärkt mit der Hinwendung zum Guten im Sinne von "die Person ist aus der Krise letztlich 'gestärkt' hervorgegangen" (Filipp und Aymanns 2010, S. 100). Gemeinsam ist den beiden Ansätzen, dass sie kritische Lebensereignisse als Auslöser für Veränderungen annehmen, auf die reagiert werden muss (vgl. Schmid 2010, S. 22).

Die Bewältigungsstrategien, die bei kritischen Lebensereignissen angewendet werden, weisen eine große Varianz auf (vgl. Schmid 2010, S. 24). Sie können individuell sehr verschieden ausfallen, wie folgende Aussage von Filipp und Aymanns (2010) bestätigt:

"Menschen verschließen die Augen vor der Wahrheit; sie leugnen die Realität, von der sie sich überwältigt fühlen; Menschen flüchten in hektischen Aktionismus oder geben all ihre Strebungen auf; [...]; sie mögen sich grüblerischen Gedanken ausgeliefert fühlen, die sich wieder und wieder aufdrängen; Menschen suchen Trost im Gebet und Halt im Glauben; sie mögen die eigene Lage in ein milderes Licht tauchen und den berühmten Silberstreif am Horizont erspähen, nicht selten auch neue Einsichten gewinnen." (S. 20)

Ein sogenannter "guter Ausgang" setzt zu aller erst voraus, dass die Person-Umwelt-Passung wieder ausgeglichen ist. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass dieses neu gefundene Gleichgewicht nicht dem alten entspricht. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird angenommen, dass das neue Passungsgefüge sogar mehr Stabilität aufweist, als das vorangegangene.

"Da kritische Lebensereignisse ein hohes Maß an Neuartigkeit aufweisen und von Verhaltensunsicherheit und zuweilen sogar von Orientierungsverlust begleitet sind, ist es nicht minder wahrscheinlich, dass kritische Lebensereignisse weniger Veränderungen erzeugen denn zu einer Stabilisierung (kursiv im O.) individueller Verhaltensdispositionen führen." (Filipp und Aymanns 2010, S. 100)

Filipp und Aymanns (2010) begründen dies im Speziellen durch die "Akzentuierungstheorie" (S. 100). Diese geht davon aus, dass es bei Auftreten neuer, ungewohnter Situationen zu einer Verstärkung der Dispositionsunterschiede kommt. Betroffene Personen fühlen sich durch diese aus dem Ruder gelaufene Lage irritiert und wählen auf der Suche nach Handlungsoptionen meist jene, auf die am raschesten zugegriffen werden kann. Diese automatisierten Verhaltensstrategien verfehlen nur selten ihre Wirkung und bewähren sich immer wieder neu. Dies führt eher dazu, dass Verhaltensdispositionen gefestigt werden, als dass sie verändert werden (vgl. ebd.).

Außerdem kann auch ein positiver Zugewinn durch kritische Lebensereignisse auf der Ebene der Persönlichkeitsentwicklung stattfinden. In Phasen der Diskontinuität beschäftigen sich betroffenen Personen konzentrierter mit sich selbst und es kommt nicht nur zu einer Veränderung der Umwelt, sondern auch zu einer Veränderung der Identität. Es kann zu einem persönlichen Wachstum kommen, welches sich auf folgende Bereiche bezieht:

"Auf einen Zuwachs an persönlicher Stärke und Selbstvertrauen, auf neue Handlungsoptionen, auf das Erleben größerer Intimität und eine höhere Authentizität im Umgang mit anderen, auf eine höhere Bereitschaft zu Selbstöffnung, auf eine veränderte Sicht auf das Leben, indem beispielsweise 'der Wert der kleinen Dinge im Leben' erkannt wurde oder nicht mehr selbstverständlich sei, sowie auf neue spirituelle Einsichten und Antworten auf existentielle Fragen." (Filipp und Aymanns 2010, S. 115)

Im Besonderen belegen Studien über schwerkranke Menschen, dass es durch die Krankheit zu einer positiven Umwertung des eigenen Lebens kommt. Es verbessern sich Beziehungen zu anderen Menschen ebenso wie die Wertschätzung des eigenen Lebens. Eine plausible Erklärung dafür lässt sich in der Annahme finden, dass durch die Konfrontation mit der Krankheit auch die eigene Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit vor Augen geführt wird. Möglicherweise findet sich im Umdeuten der Tatsache, "diese Bedrohung in eine Chance und einen Gewinn transformieren zu können", ein Ausweg aus diesem beunruhigenden Moment (Filipp und Aymanns 2010, S. 116). Es soll "schwere Krankheit" an dieser Stelle nicht mit erworbener Körperbehinderung gleichgesetzt werden, dennoch können Parallelen erkannt werden. Denn in beiden Fällen müssen sich die betroffenen Personen ihren Diagnosen stellen und mit der Endlichkeit ihrer Existenz auseinandersetzen (vgl. ebd.). Ohne Zweifel kann dieser Zugang der positiven Umwendung von Schicksalsschlägen dahingehend betrachtet werden, dass er lediglich dazu dient, die belastenden Inhalte zu leugnen. Filipp und Aymanns (2010) sprechen in diesem Zusammenhang von "illusorischen Verzerrungen oder Selbsttäuschungen" (S. 117).

Zusammengefasst kommt jedoch dem positiven Überwinden kritischer Lebensereignisse und dem damit einhergehenden persönlichen Wachstum aus bewältigungstheoretischer Sicht eine wichtige Rolle zu. Die Bewältigung besteht in erster Linie darin, wieder auf das Ausgangsniveau eines ausgeglichenen Gesundheitszustandes zurück zu kommen, im Idealfall kann dies von positiven Veränderungen des Selbstwerts und einer Stärkung der Persönlichkeit begleitet werden (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 116ff).



[4] Zum Beispiel Übergänge, die sich auf Familiengründung (Heirat, Kinder etc.) beziehen.

[5] Erwerb einer Behinderung steht dafür, dass die Personen nicht von Geburt an, sondern im Laufe ihres Lebens "behindert werden". Diese Bezeichnung ist nicht ganz zufriedenstellend gewählt, da ich feststellen musste, dass sie nur allzu oft mit "käuflichem Erwerb" oder "gewolltem Erwerb" assoziiert wurde. Dennoch beschreibt sie die Situation, im Gegensatz zu alternativen Formulierungen, am adäquatesten.

[6] Darauf wurde im Kapitel 5.2 eingegangen.

Zusammenfassung des theoretischen Teils

Der vorangegangene Teil dieser Arbeit soll als theoretische Rahmung für den darauffolgenden empirischen Teil dienen. Bevor in diesen übergegangen wird, sollen die Kernaussagen der Theorie zusammengefasst werden.

Der erste Teil beschäftigte sich mit einer Annäherung an das Themenfeld Behinderung und griff im Speziellen die Disability Studies als Wissenschaftsrichtung, der diese Arbeit zuzuweisen ist, auf. Den Disability Studies liegt eine soziale und kulturwissenschaftliche Forschungstradition zu Grunde. Die Hauptthese der Disability Studies ist Behinderung als Teil der sozialen Variabilität anzusehen und nicht als marginalisierten Randbereich.

Im nächsten Kapitel folgte die Darstellung der Frauenforschung und Gender Studies sowie deren Zusammenführung mit den Disability Studies. Ähnlich wie diese beschäftigen sie sich mit der sozialen Produktion von Ungleichheiten. Vor allem bringen sie jedoch Frauen in den wissenschaftlichen Diskurs und hinterfragen, wie sich deren Rolle im gesellschaftlichen Kontext entwickeln konnte. Im Zuge dessen wurden Produktionsverhältnisse hinterfragt und die Rolle der Frau in Abhängigkeit des Mannes ins Visier genommen. Der historische Kontext wurde verwendet, um die gegenwärtigen Lebensrealitäten von Frauen zu erklären. Der Intersektionalitätsansatz wurde herangezogen, um zu zeigen, dass die Zusammenführung der Kategorie Frau und der Kategorie Behinderung nicht zwingend zu einer Verdoppelung der Diskriminierung führt.

Das Kapitel 2.4 beschäftigte sich thematisch mit der Entwicklung von Identität. Diesbezüglich wurden unterschiedliche Identitätstheorien vorgestellt. Entscheidend ist dabei, dass sich Identität immer aus einem Wechselspiel von Individuum und Gesellschaft ergibt und einen prozesshaften Charakter, mit der Option zur Veränderung, besitzt. Gesellschaftliche Anerkennung ist ein wichtiger Faktor für die Ausbildung der persönlichen Identität, im Endeffekt liegt es aber am Individuum selbst, für welche Identität es sich entscheidet. Die Einsicht, dass sich die Entwicklung der weiblichen und männlichen Identität unterscheidet, ist speziell für die vorliegende Arbeit von Bedeutung. Im Besonderen wurde auf Geschlechtsstereotypen und die Relevanz der Kategorien "Frau" beziehungsweise "Behinderung" für die Identitätsentwicklung eingegangen.

Das letzte Kapitel bezog sich auf den Übergang von einem Leben ohne Behinderung zu einem Leben mit Behinderung. Dazu wurden einleitend die Konzepte von Biographie und Lebenslauf, als individualisierte Biographie, beleuchtet. Zum Abschluss des theoretischen Teils wurde auf kritische Lebensereignisse und deren Auswirkungen auf den Lebenslauf sowie die Persönlichkeit eingegangen. Bewältigungstheoretische Ansätze gehen von Veränderungen aus, die durch kritische Lebensereignisse ausgelöst werden. Der Umgang mit diesen ist von verschiedenen Komponenten abhängig und kann sich daher individuell sehr unterschiedlich gestalten.

II Empirischer Teil

6 Methodische Vorgehensweise

Zunächst werden die Methoden der Datenerhebung und -auswertung näher erläutert. Methodisch bezieht sich die Arbeit auf die qualitative Sozialforschung. Zur Befragung der Frauen wurde das narrative Interview gewählt, ein Erhebungsinstrument, das vor allem auch von der Biographieforschung angewendet wird.

6.1 Biographieforschung

Die Biographieforschung zählt zu den wichtigsten Methoden der qualitativen Sozialforschung, weil sie es, wie keine andere, schafft das Verhältnis von Individualität und Gesellschaft ins Zentrum ihrer Untersuchungen zu bringen. Rosenthal (1995) weist darauf hin, dass die Biographie entscheidend dazu beiträgt, ein Grundproblem der sozialwissenschaftlichen Forschung, nämlich das scheinbar unvereinbare Verhältnis von Subjekt und Gesellschaft, aufzulösen (vgl. S. 12).

"Die Konzeption der Biographie als soziales Gebilde, [...], bietet die Chance, den Antworten auf eine der Grundfragen der Soziologie, dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, näher zu kommen." (ebd.)

Sie bedient sich der Lebenserfahrungen einzelner Menschen, um die gesellschaftliche Wirklichkeit zu rekonstruieren. Dahinter versteckt sich die Idee, dass sich das vergesellschaftlichte Leben aus den individuellen Lebensgeschichten zusammensetzt (vgl. Dausien 2006, S. 181).

"Das Private, also die konkreten Lebensverhältnisse, die Menschen eingehen, und die Erfahrungen, die sie im Alltag und in ihrer Lebensgeschichte machen, sind durchdrungen von den großen gesellschaftlichen und politischen Strukturen - und sie sind deshalb geeignet, eben diese Strukturen sichtbar zu machen'." (ebd.)

Das Subjekt dient sozusagen als RepräsentantIn der sozialen Wirklichkeit. Vor allem bedienten sich kritische Ansätze, wie jene der ArbeiterInnenbewegung, dieser Methode, um gesellschaftliche Strukturen einsehen zu können (vgl. Dausien 2006, S. 194). Kohli und Robert (1984) sprechen auch von einem Spannungsverhältnis von "Biographie als subjektiver Konstruktion und Biographie als sozialer Wirklichkeit" (S. 5). Wie zu erkennen ist, bedingen sich Gesellschaft und Individuum gegenseitig und können im Zuge sozialwissenschaftlicher Forschung kaum unabhängig voneinander betrachtet werden (vgl. Ehrig 1996, S. 67ff). Gemeinsam mit Fischer will Kohli (1987) jedoch darauf aufmerksam machen, dass dieses Verhältnis von Individuum und Gesellschaft im Zuge der Biographieforschung nur allzu schnell falsch ausgelegt werden kann (vgl. S. 26f).

"Nicht das Individuum ist Thema soziologischer Biographieforschung, sondern das soziale Konstrukt 'Biographie'." (ebd.)

Das bedeutet, dass das Schicksal der Einzelperson nicht ihrer selbst wegen, sondern immer in Bezug auf soziale Merkmale, die eine größere Gruppe bestimmen, untersucht werden (vgl. Schütze 1978, S. 283).

Wie anzunehmen ist, bezieht sich Biographieforschung in qualitativen Untersuchungen im Allgemeinen auf das gesamte Leben einer Person, schließt es aber nicht aus, sich auf einzelne Teilbereiche (z.B. berufliche Biographie) oder Lebensspannen zu fokussieren. Neben der sozialen Normbiographie gibt es, so Kohli (1987), auch Biographien abseits davon, die genauso sozial produziert und übernommen werden können (vgl. S. 27f).

6.2 Biographieforschung als Mittel der Frauenforschung

Die Biographieforschung stellt seit jeher ein wichtiges Mittel der Frauenforschung dar, da dadurch die Lebenszusammenhänge von Frauen thematisiert und sichtbar gemacht werden konnten (vgl. Dausien 2006, S. 182f). Dausien (2006) sieht die Biographieforschung als "Königinnenweg" der empirischen Frauenforschung, weil "Erfahrungen der Frauen [...], über einen biographischen Ansatz auf eine Weise zugänglich (werden), die nicht nur möglich, sondern unverzichtbar (kursiv im O.) ist" (S. 183). Die "weibliche Biographieforschung", wie sie auch genannt wurde, ist dadurch charakterisiert, dass sie sich besonders sensibel mit Phänomenen von geschlechtsspezifischen Unterschieden auseinandersetzt (vgl. Dausien 2006, S. 184f). In diesem Zusammenhang gilt es aus einer feministischen Perspektive geschlechtsspezifische Färbungen, denen Biographien unterliegen, aufzudecken (vgl. Dausien 1994, S. 136).

"Die Aufgabe einer feministischen Biographieforschung wäre demnach - auf Basis vorliegender oder noch zu erbringender Einzelbefunden - die biographische Dimension des Geschlechterverhältnisses und die Geschlechterdimension von Biographie theoretisch und empirisch zu klären." (Dausien 1994, S. 136)

So darf nicht übersehen werden, dass das Konzept der Biographie, wie es in wissenschaftlichen Zusammenhängen, aber auch im alltäglichen Sinn, diskutiert wird, an einem männlichen Muster orientiert ist. Nicht nur das kritisiert die Frauenforschung, sondern sie stellt auch "Normalbiographien" an sich in Frage (vgl. ebd.). Dabei bietet gerade die Biographieforschung selbst die Möglichkeit, entgegen vereinheitlichender Konstruktionen von Identität, die Differenziertheit und die Vielfalt individueller Lebenszusammenhänge, darunter auch jene der weiblichen Biographien, aufzuzeigen (vgl. Dausien 2006, S. 187).

6.3 Das narrative Interview

Zur Erhebung der Daten wurde die Methode des narrativen Interviews gewählt. Sie wurde in den 1970ern vom Soziologen Fritz Schütze vor dem Hintergrund der "phänomenologisch orientierten Soziologie nach Alfred Schütz, den aus der Chicago School und der Rezeption des Sozialphilosophen George Herbert Mead hervorgegangenem Symbolischen Interaktionismus, die Ethnomethodologie, die Konversationsanalyse sowie die Grounded Theory von Anselm Strauss und Barney Glaser" entwickelt (Küsters 2009, S. 18). Das narrative Interview stellt für den Einsatz in der Biographieforschung eine sehr wichtige, nicht wegzudenkende Methode dar, denn sie "erforscht Lebensläufe aus der Perspektive des Subjekts, des Biographieträgers, und stellt damit das am Subjekt orientierte Pendant zum am Kollektiv orientierten Konzept des Lebenslaufs dar" (Küsters 2009, S. 29). Mit dieser Form des offenen soziologischen Interviews können soziale Prozesse erfasst, sowie interessierende soziale Lebenszusammenhänge erforscht werden (vgl. Schütze 1987, S. 25; vgl. Glinka 1998, S. 9). Die interviewten Personen werden nicht mit einem standardisierten Fragenkatalog konfrontiert, sondern zum freien Erzählen angeleitet (vgl. Mayring 2002, S. 72). Das narrative Interview bietet den befragten Personen Raum, um ihre Lebensgeschichten darzustellen und selbst die Relevanz bestimmter Passagen festzulegen (vgl. Dausien 1994, S. 139).

So sieht Schütze (1987) im Erzählen selbst erlebter Erfahrungen die Möglichkeit Datenmaterial zu erhalten, das der tatsächlich geschehenen Situation am nächsten liegt (vgl. S.14).

"Das autobiographische narrative Interview erzeugt Datentexte, welche die Ereignisverstrickungen und die lebensgeschichtliche Erfahrungsaufschichtung des Biographieträgers so lückenlos reproduzieren, wie das im Rahmen systematischer sozialwissenschaftlicher Forschung überhaupt nur möglich ist." (Schütze, 1983 S. 285)

Nur auf diese Weise, meint Schütze (1987), kann die Sozialforschung unter geordneten Bedingungen, ein Verständnis für Teilbereiche sozialer Wirklichkeit, sowie für die Lebenswelten der befragten Personen aufbringen (vgl. S. 14ff). So ist eine Biographie, sei es in textlicher oder in ausgesprochen Form einer Erzählung, nichts anderes als "eine Repräsentation der Wirklichkeit" (Kohli 1978, S. 24). Zugleich kann das narrative Interview, im Gegensatz zu standardisierten Verfahren, die Prozesshaftigkeit von Handlungsabläufen festhalten. Um diese Datentexte zu erlangen, fordert er die/den ForscherIn auf, Erzählungen zu aktivieren und diese so exakt wie möglich aufzuzeichnen (vgl. ebd.).

"Bei Erzählungen unter Interviewbedingungen geht es darum, zeitlich komplexe soziale Prozesse in ihrem Innen und Außen im Stegreif des Erinnerungsflusses zu erfassen, genau (möglichst mit Tonträgern) aufzuzeichnen und in textanalytisch bearbeitbarer Datenform (möglichst in einer genauen Transkription) aufzuarbeiten." (Schütze 1987, S. 16)

In der Interviewsituation tritt die forschende Person in Interaktion mit dem beforschten Subjekt und wird somit selbst Teil jener Prinzipien, die die gesellschaftliche Realität durchziehen. Grundlegend für die qualitative Sozialforschung ist, dass soziale Strukturen von innen heraus erklärt und nicht von außen betrachtet werden. So wird im erforschten Subjekt, also der interviewten Person, die/der TrägerIn von Informationen gesehen. Dieses ist allerdings auf direktem Weg nur bedingt erforschbar, "deshalb muß die qualitative Sozialforschung mit indirekter funktionierenden Methoden arbeiten" (Küsters 2009, S. 20). Dazu zählen neben der teilnehmenden Beobachtung vor allem die qualitativen Interviews (vgl. ebd.). Da Fritz Schütze, so Küsters (2009), in der Anwendung quantitativer, aber auch qualitativer Leitfadeninterviews, eine mögliche Verfälschung der Antworten, zum Beispiel durch Erwünschtheit der Antworten annimmt, entwickelte er das narrative Interview, "eine Interviewform, die dem Befragten die Ausgestaltung der vereinbarten Interviewthematik weitgehend überlässt, ihm zugleich aber auch heikle Informationen zu entlocken vermag" (S. 21).

Durch das narrative Interview können vergleichsweise realitätsnahe Daten gewonnen werden, dennoch müssen bestimmte Faktoren beachtet werden. So rät Kohli (1978) den Kontext zu beachten, in dem sie niedergeschrieben oder erzählt wurden und nicht außer Acht zu lassen, dass es beispielsweise zu Beschönigungen kommen kann (vgl. S. 24f). Er verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass es sich dabei immer auch um "für Zuhörer (kursiv im O.) produzierte Texte" handelt (Kohli 1978, S. 25). Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die erzählten Texte immer nur Ausschnitte einer individuellen Biographie darstellen, die diese nie gänzlich wiedergeben können. Diese können je nach GesprächspartnerIn variieren und immer wieder umgedeutet, jedoch nicht ungeschehen gemacht werden (vgl. Dausien 2006, S. 191).

In Bezug auf das Verhältnis von wirklich erlebtem und erzähltem Text, erwähnt Rosenthal noch zwei weitere Fehlerquellen, nämlich erstens jene des Erlebens selbst, insofern, dass die subjektive Wahrnehmung nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen muss, des Weiteren in der nicht korrekten Wiedergabe von Erinnerungen durch Vergessen, aber auch durch Adaption der Gedanken (vgl. Rosenthal 2005, S. 14). Es können bestimmte Erinnerungssequenzen in den Vordergrund rücken, andere im Hintergrund bleiben und manche ganz ausgeblendet werden (vgl. Schütze 1987, S. 52).

Im Folgenden soll erklärt werden, wie sich die Durchführung des narrativen Interviews konkret gestaltet. Es sei vorweggenommen, dass, obwohl die Rollen der/des Erzählenden und der/des Zuhörenden ungleich verteilt sind - der interviewten Person wird die überwiegende Redezeit zu Teil - diese Form der Stegreiferzählung sehr eng an eine gewöhnliche alltägliche Interaktionssituation angelehnt ist (vgl. Küsters 2009, S. 22). Dadurch, dass beide InterviewpartnerInnen relativ unvorbereitet in das Gespräch gehen, ist auch eine Natürlichkeit und Offenheit des Gespräches gewährleistet (vgl. Glinka 1998, S. 9). Die/Der Befragte soll, ohne unter Druck gesetzt zu werden, ausführlich Erlebnisse aus der Vergangenheit erzählen können und die Möglichkeit haben durch eigenen Ausführungen die Geschehnisse erneut zu durchleben (vgl. Küsters 2009, S. 21f). Der/Die interviewte Person wird nochmal in die bereits erlebte Situation versetzt und versucht diese retrospektiv wiederzugeben (vgl. Glinka 1998, S. 10). Bevor mit der Interviewdurchführung begonnen wird, ist es wichtig eine Vertrauensbasis zur befragten Person zu schaffen, welche zumindest die Vorstellung der InterviewerIn, die Zusicherung der vertraulichen Behandlung der erworbenen Daten, sowie eventuell eine einführende Darstellung des Themas beinhaltet (Riemann 2006, S. 121).

Das Interview beginnt mit einer Frage, welche offen und erzählstimulierend formuliert sein soll (vgl. Küsters 2009, S. 21). Diese kann sich sowohl auf die ganze Lebensgeschichte beziehen, als auch auf einen interessierten Teilbereich[7] (vgl. Mayring 2002, S. 73). Somit wird der/die Befragte "zum Wiedererleben eines vergangenen Geschehens gebracht und dazu bewegt, seine Erinnerung daran möglichst umfassend in einer Erzählung zu reproduzieren", dabei versucht sie/ihn die/der Forschende nicht zu beeinflussen und in ihrem Erzählfluss nicht zu unterbrechen (Küsters 2009, S. 21). Die Erzählung der befragten Person soll ausschließlich von der InterviewerIn unterbrochen werden, wenn dies zum Zwecke des Aufrechterhaltens des roten Fadens passiert und um dadurch weiter die Rolle der/des aufmerksamen Zuhörerin oder Zuhörers gewährleisten zu können. Der Gesprächsfluss kann dahingegen durch sogenannte Rezeptionssignale, wie "Mhm" oder Nicken, unterstützt werden. Diese sind erwünscht, um die Natürlichkeit der Gesprächssituation aufrecht zu erhalten und die befragte Person, aufgrund unangepasster Reaktionslosigkeit, nicht zu irritieren (vgl. Reinders 2005, S. 104; vgl. Riemann 2006, S. 122).

Erst wenn diese Anfangserzählung beendet ist[8], kann der/die InterviewerIn (Rück)Fragen stellen, um weitere Erzählungen anzuregen (vgl. Küsters 2009, S. 21). Die Erzählung muss nicht in chronologischer Abfolge passieren. So meint Dausien (1994), dass narrative Erzählungen nicht zwingend mit der Geburt, sondern auch "mit einem anderen biographisch relevanten Punkt" beginnen können (S. 150).

6.3.1 Zugang zum Forschungsfeld

Den Zugang zum Forschungsfeld erlangte ich durch persönliche Kontakte. In der ersten Phase bat ich Institutionen, die die Interessen von Menschen mit Behinderung vertreten, um die Weiterleitung meiner Interviewanfrage. Diese zeigten sich zwar sehr kooperativ, allerdings kam durch diese Vorgehensweise kein Kontakt und in Folge auch kein Interview zu Stande. Ich vermute, dass diese Form der Kontaktaufnahme zu unpersönlich war. In einem zweiten Schritt versuchte ich durch meine Tätigkeit als persönliche Assistentin und über eine Kontaktperson, die in einer Behinderten-Selbsthilfegruppe mitwirkt, potentielle Interviewpartnerinnen zu finden. Diese Maßnahmen erwiesen sich letzten Endes als wesentlich erfolgreicher. Weitere Kontakte konnten auch über den Schneeballeffekt[9] erzielt werden.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass sich der Zugang zum Forschungsfeld schwieriger gestaltete, als ich anfänglich vermutet hätte. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass zwei der interviewten Frauen zugaben, sich nur aufgrund des persönlichen Kontaktes, dafür bereit erklärt zu haben. Sie hätte es in ihren Worten nicht "für irgendjemanden" gemacht.[10] Darüber hinaus ließen sie mich wissen, dass die Anzahl der Frauen mit erworbener Behinderung, im Gegensatz zu Männern, nicht so groß wäre. Insgesamt führte ich mit 5 Frauen im Alter zwischen 26 und 65 Jahren Gespräche.

Die erste Kontaktaufnahme mit den Interviewpersonen selbst, passierte in allen der fünf Fälle telefonisch. Im Zuge dessen kam es bereits zu kürzeren und längeren Gesprächen, welche in allen Fällen eine kurze Vorstellung meiner Person beinhalteten und meist mit der Fixierung eines Gesprächstermins endeten. Erste Informationen, wie zum Beispiel den Familienstand, erhielt ich bereits, über die Person, die mir die Kontakte vermittelte. Die Frauen kamen mir bei diesen ersten Telefonaten sehr offen und freundlich entgegen. Sie boten mir alle sofort das DU-Wort an, was die Situation zusätzlich auflockerte. Durch diesen ersten Eindruck hatte ich ein gutes Gefühl für die angehende Interviewdurchführung. Bei der Vereinbarung der Termine gab es insofern Komplikationen, dass diese zum Teil verschoben werden mussten, beziehungsweise es erst gar nicht so einfach war, überhaupt passende Termine zu finden. Da ich den Frauen für die Freiwilligkeit und den Zeitaufwand[11] überaus dankbar war, richtete ich mich bei der Terminfindung so gut wie möglich nach ihren Vorstellungen.

Alle fünf Gespräche fanden in den Wohnungen und Häusern der Frauen statt, dies ergab sich teilweise aus Äußerungen ihrerseits, aber auch aufgrund von Vorschlägen meinerseits, welche in allen Fällen dankend angenommen wurden. Die Durchführung der Gespräche in den Lebensräumen der Frauen hatte mehrere Vorteile. Die Interviews konnten so in einer ruhigen und entspannten Umgebung stattfinden. Es konnte davon ausgegangen werden, dass sich die Frauen in den eigenen vier Wänden wohl fühlten und es musste nicht nach einem ungestörten, barrierefreien Ort gesucht werden. Zusätzlich ergab sich dadurch der Vorteil einen direkten Einblick in ihrer Lebenswelt zu bekommen und darüber hinaus auch Familienmitglieder kennenzulernen. Die Frauen erwiesen sich alle als äußerst gastfreundlich, wodurch ich mich in jeder einzelnen Gesprächssituation sehr wohl fühlte.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Frauen in der Gesprächsführung sehr aufgeschlossen und redefreudig waren. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich Personen, die einen positiven Umgang mit dem kritischen Lebensereignis gefunden haben, eher für ein Gespräch bereit erklären. Dies birgt wiederum den Nachtteil, dass es verhältnismäßig schwieriger ist, Personen zu erreichen die negative Erfahrungen in der Bewältigung machen/gemacht haben.

"Und do siachst dann scho Sochn. Also Leit de gonz schlecht drauf san, de saufen und werfen sie die Drogen ein. Des is net schen des zum segn, gö." (Interview 5, Zeile 69)

Dieser Aspekt muss im Besonderen bei der Darstellung der Ergebnisse berücksichtigt werden.

6.3.2 Durchführung der Interviews

Die Interviews an sich begannen mit dem Einschalten des Aufnahmegerätes und wurden mit dem Ausschalten wieder beendet. Dies war selbstverständlich mit einer einleitenden Erklärung verbunden, indem die Befragten über die Aufzeichnung des Gesprächs aufgeklärt wurden und die Anonymität des erhobenen Interviews gewährleistet wurde. Alles was vor, nach und während des Interviews geschah, versuchte ich in möglichst kurzem Abstand in einem Protokoll festzuhalten.

Die Gespräche beinhalteten, neben dem aufgenommen Teil, auch Vor- und Nachgespräche. Einerseits haben sich diese einfach so ergeben, andererseits war das Vorgespräch wichtig, um Vertrauen zu den Gesprächspartnerinnen aufzubauen. Es wurde jedoch versucht das Vorgespräch kurz zu halten, um nicht zu viele Informationen vorweg zu nehmen. Die Gespräche sind nach dem bereits beschriebenen Prinzip des narrativen Interviews verlaufen.

In der praktischen Durchführung begann das narrative Interview mit einer erzählgenerierenden Passage, die sich auf das gesamte Leben der befragten Frauen bezog und beispielsweise wie folgt formuliert wurde:

"I hätt vo dir holt gern dei Lebensgeschichte erfohrn und dass du holt ols erzählst vo hintn bis vorn. Also du kaunst ols erzöhln, wos du wüllst. Also i frog dann holt vielleicht noch." (Interview 4, Zeile 5)

Interessanter Weise kam in der Erzählreihenfolge, wenn nicht ohnehin an erster Stelle, dann doch relativ zu Beginn, die Schilderung des Unfallhergangs oder der Krankengeschichte. Dies mag daher kommen, dass die Interviewpersonen annahmen, dass sie aufgrund ihrer Behinderung für die Gespräche gewählt wurden und deshalb vermuteten, dass sich das Gespräch auf diese konzentrieren sollte. Zum Teil hatte es auch den Anschein, als ob sich die Frauen für die Gespräche vorbereitet hätten. So überreichte mir Gerlinde, bevor überhaupt mit dem Gespräch begonnen wurde, eine Zeitschrift, die einen selbstverfassten Artikel über ihr Leben und ihren Unfall beinhaltet. Sabine begann das Gespräch mit folgender Frage:

"Jo ok. Wal i hob ma überlegt i fong so mitm Beruf au, dann vom Unfoll und dann holt so...Also passt des für di so?" (Interview 5, Zeile 9/13)

Um ein ganzheitliches Bild der Lebensgeschichten zu erhalten, habe ich zur Vervollständigung, wenn nicht bereits erzählt, nach dem Leben vor dem Unfall beziehungsweise den ersten Phasen ihres Lebens gefragt.

"Vielleicht mogst a no va deim Leben so allgemein erzöhln. Va vorher wia du aufgwochsn bist?" (Interview 1, Zeile 120)

Die anfängliche Angst, dass die Interviewpersonen auf Fragen meinerseits warten würden, war schnell beseitigt. Der Erzählfluss intensivierte sich sogar mit Fortdauer der Gespräche. An dieser Stelle sei ergänzt, dass zwei der Frauen, an Schulen oder bei anderen Projekten über ihr Leben erzählen und versuchen ihre Erfahrungen mit der Behinderung zu vermitteln. Somit stellte zumindest für diese beiden Personen die Rolle der Erzählerin keine ungewohnte Situation dar. Nur selten musste ich nachfragen, um sicher zu gehen bestimmte Aussagen auch richtig verstanden zu haben.

"B: Und dann bin i a Joa Kronknpflegeschul gongan...as zehnte Joa...uund. I hob nie Englisch ghobt und nix. Hob ma do sehr schwa taun. Jetz hob i do nua a Joa gmocht. Dann hob i obbrochn. I: Des host durt dann ghobt quasi? Also in der Kronknpflegeschul?" (Interview 1, Zeile 185/186)

In der Phase der Transkription fiel mir auf, dass ich besonders häufig erzählgenerierende Stimuli ("Mhm", "Ja") benutzt habe. Zusätzlich trugen mimische Äußerungen, wie Lächeln, zur Unterstützung einer angenehmen Gesprächsatmosphäre bei. Es soll dazu gesagt werden, dass diese gesprächsfördernden Schritte unbewusst und somit nicht unnatürlich stattgefunden haben.

Durch die Fülle an Informationen, die mir zugetragen wurde, musste ich mich einerseits darauf konzentrieren den Überblick über die angesammelten Daten zu behalten, andererseits fiel es mir schwer Lücken in den Erzählungen aufzudecken, die ich am Ende durch gezieltes Nachfragen hätte schließen können. Fragen, die sich für mich ergaben, waren zum Beispiel, was für die befragten Frauen die größte Veränderung gewesen wäre oder welche Zukunftswünsche sie haben. Die erste ergab sich daraus, dass mich interessierte, ob sich meine Feststellung der Veränderungen, mit der subjektiven Wahrnehmung der Erzählerinnen deckte, die zweite daraus, dass sie einerseits einen schönen Abschluss für die Gespräche und anderseits einen Blick in die (erwünschte) Zukunft der Lebensgeschichten der Befragten darstellte.

"I: Jo sunst. Vielleicht obst du irgendwelche besonderen Zukunftswünsche host oder so?" (Interview 2, Zeile 642)

Die Beendigung der Gespräche ergab sich teils aus dem Verlauf selbst, teilweise durch Familienmitglieder, die den Raum betraten. Diese Störvariable konnte nicht ausgeschlossen werden, da ich keine konkrete Auskunft über die Dauer[12] des Gesprächs geben konnte und die Interviews in den Wohnbereichen der Frauen stattfanden. Allerdings entstanden durch diese Unterbrechungen auch keine groben Nachteile für die Datenerhebung. Vielmehr hatte ich die Möglichkeit durch das Kennenlernen der Familienmitglieder, im Speziellen der Ehepartner, eine zusätzliche Perspektive auf das Leben der Befragten zu erlangen. Im Großen und Ganzen ergaben sich aus den Gesprächen, speziell unter Einbezug der Vor- und Nachgespräche, abgerundete Lebensgeschichten.

6.3.3 Transkription

Die Transkription stellt den Übergang zwischen der Interviewdurchführung und der Auswertung der gewonnenen Daten dar. Erst wenn die Erzählungen in verschriftlichter Form vorliegen, können diese einer Analyse unterzogen werden. Das transkribierte Material stellt, verglichen mit der Originalerzählung, jedoch immer eine reduzierte Version dar. Der in Schrift umgeformte Text kann das geführte Gespräch nie eins zu eins wiedergeben (vgl. Reinders 2005, S. 248f). Zusätzlich zum eigentlichen Transkript wird an den Anfang des verschriftlichten Interviews ein Transkriptionskopf gesetzt. Dieser enthält Informationen zum Interview selbst sowie zur befragten Person (vgl. Reinders 2005, S. 250f). Konkret wurden im Transkriptionskopf der Interviews für die vorliegende Arbeit der anonymisierte Name, der Befragungszeitpunkt und das Alter zum befragten Zeitpunkt angeführt.

Mit der Transkription der Interviews wurde unmittelbar nach deren Durchführung begonnen. Dies hatte den Vorteil, dass einerseits Besonderheiten in Gestik und Mimik der interviewten Frauen besser in Erinnerung gerufen werden konnten, andererseits durch das Tonband verzerrte und schwer verständliche Äußerungen noch im Gedächtnis waren. Je mehr Zeit zum Gespräch verging, desto weniger konnte ich mich an gewisse Passagen des Gesprächs nicht mehr erinnern. Die Transkription wurde mit Hilfe der dazu zur Verfügung stehenden Software F4 durchgeführt.

Es gibt nicht das eine standardisierte Transkriptionssystem, sondern es stehen unterschiedliche Formen zur Verfügung (vgl. Flick 2009, S. 379). Egal jedoch welches Transkriptionssystem gewählt wird, es muss gewissen Grundregeln folgen. Zu aller erst gilt es die Anonymisierung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Darüber hinaus sollten einheitliche und eindeutige Regeln zur Kennzeichnung bestimmter Sequenzen verwendet werden, um so SprecherInnenwechsel, Pausen, Lautstärke und ähnliches erkennbar zu machen (vgl. Flick 2009, S. 380). Des Weiteren ist es wichtig, jede Zeile und Seite zu nummerieren, damit jede Textstelle genau verzeichnet werden kann (vgl. Küsters 2009, S. 73).

Im Groben wurden die von Küsters (2009) vorgeschlagenen Regeln zur Transkription verwendet (S. 73ff). Diese sollen kurz zusammengefasst dargestellt werden. Das Transkript spiegelt die gesprochene Sprache[13] wider und wurde nicht in Schriftsprache umgewandelt. Die Interviewerin wurde mit I abgekürzt und die befragte Person mit B. Laute Passagen wurden fett markiert, leise kursiv. Andere Äußerungsformen (z.B. lachend) wurden ebenso notiert. Punktationen entsprechen, je nach Anzahl der Punkte, den Längen der Pausen. Darüber hinaus wurden nonverbales Verhalten (z.B. lacht) und andere Aktivitäten (z.B. Telefon läutet), die während des Gespräches durchgeführt wurden, festgehalten. Überdeckten sich die Aussagen von Interviewerin und Befragter, so wurde dies mit einem Einzug markiert (vgl. Küsters 2009, S. 73ff).

Die Transkription stellt einen arbeitsaufwendigen Schritt dar, dieser ist jedoch unabdingbar für die weitere Bearbeitung des Datenmaterials. Bereits bei dieser ersten Verschriftlichung des Interviews konnten Dinge festgestellt werden, die im Gespräch selbst nicht bewusst wahrgenommen wurden.

6.4 Grounded Theory

Die durchgeführten Interviews wurden in Anlehnung an die Grounded Theory bearbeitet. Dieses in der qualitativen Sozialforschung weit verbreitete Verfahren bietet die Möglichkeit, unter analytischen Rahmenbedingungen, aufschlussreiche Einsichten durch und über gesammeltes Interviewmaterial zu gewinnen. Vor allem eignet es sich besonders gut für die Anwendung auf noch relativ unerforschte wissenschaftliche Bereiche und ermöglicht zugleich neue Theorien über ausgewählte Gegenstandbereiche zu entwickeln (vgl. Charmaz 2006, S. xii; vgl. Strübing 2008, S. 7).

"Ausgangspunkt ist das Ziel der Theoriekonstruktion, genauer: der Formulierung einer Theorie mittlerer Reichweite, die sich auf einen bestimmten Bereich der sozialen Wirklichkeit ('bereichsbezogene Theorien'; substantive theories) oder auf einen Bereich soziologischer Theorie wie z.B. Sozialisation (formal theories) bezieht." (Dausien 1996, S. 98f)

Die Basis für die Entwicklung der Theorie stellt das Datenmaterial dar, welches theoretisch angeleitet bearbeitet wird (vgl. ebd). Da für das Beobachtungsfeld nur beschränkt wissenschaftliches Material zur Verfügung steht und die Theorieentwicklung primär auf das erhobene Datenmaterial gestützt wurde, erwies sich eine Auswertung in Anlehnung an die Grounded Theory als geeignet. Unter Berücksichtigung der Forschungsfrage und des theoretischen Vorwissens sollen die Daten offen für neue Ergebnisse bearbeitet werden. Daraus ergeben sich einerseits eine durch die/den ForscherIn geprägte Arbeitsweise, andererseits subjektiv geprägte Resultate. Charmaz (2006) formuliert dies wie folgt: "At each phase of the research journey, your readings of your work guide your next moves" und "The finished work is a construction - yours" (S. xi).

Die Anfänge der Grounded Theory gehen zurück auf die Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauß. Sie entwickelten mittels einer Studie über Menschen, die im Sterben lagen, wissenschaftliche Methoden, die sich ebenso auf andere sozialwissenschaftliche Bereiche anwenden ließen. Ihre Erkenntnisse hielten sie in "The Discovery of Grounded Theory" fest, welches als Gründungswerk der Forschungsrichtung gilt. Sie befürworten eine wissenschaftliche Methode, die - im Gegensatz zur damals bevorzugten deduktiven Vorgehensweise - Theorien aus vorhandenem Datenmaterial entwickelt (vgl. Charmaz 2006, S. 4ff). Die Entwicklung der Methode passierte zu einem sehr günstigen Moment, da zu jenem Zeitpunkt quantitatives Forschen, welches einheitliches, systematisches, wiederholbares etc. Vorgehen forderte, den Wissenschaftsbetrieb dominierte. Das Zurückdrängen qualitativer Verfahren hatte zur Folge gehabt, dass wissenschaftliche Arbeit fast ausschließlich theoriegestütztes Sammeln von Daten und Fakten beinhaltete. Die WissenschaftlerInnen selbst nahmen dadurch kaum aktiv am Forschungsprozess teil, wodurch die Entwicklung neuer Theorien meist auf der Strecke blieb (vgl. ebd.). Genau hier setzten Glaser und Strauss mit ihrer Kritik am damals gängigen Wissenschaftsbetrieb an und stellten gleichzeitig aber auch "systematic strategies for qualitative research practice" zur Verfügung (Charmaz 2006, S. 5).

"The Discovery of Grounded Theory (Kursiv im O.)(1967) provided a powerful argument that legitimized qualitative research as a credible methodological approach in its own right rather than simply as a precursor for developing quantitative instruments." (Charmaz 2006, S. 6)

Die Grounded Theory legitimiert sich kurz gesagt durch sich selbst. Sie verzichtet auf die Vorgabe konkreter Regeln und bietet der/dem ForscherIn Freiraum und Flexibilität in der Entwicklung von Theorien. Die/der ForscherIn wird selbst zum Teil des Forschungsprozesses. So meint Strübing (2008), orientiert an Strauss, dass

"wenn Forschung Arbeit ist und Arbeit als dialektisches Wechselverhältnis zwischen Subjekt und Objekt aufgefasst wird, dann muss das Resultat der Prozess, die erarbeitete Theorie, immer auch ein subjektiv geprägtes Produkt sein" (S 15f).

Die Grounded Theory ist, so Strübing (2008), "gedacht als eine konzeptionell verdichtete, methodologisch begründete und in sich konsistente Sammlung von Vorschlägen" (S. 7). Sie stellt eine "methodische Unterstützung und theoretische Rahmung" für den individuellen Forschungsprozess zur Verfügung (ebd. S. 17).

KritikerInnen sehen in der subjektiv, kreativen Leistung im Verstehen und Erklären von Texten, Bildmaterial und Filmmaterial die intersubjektive Gültigkeit gefährdet. Dagegen wird, aus Sicht der Grounded Theory, wie folgt argumentiert. ForscherInnen der Grounded Theory haben ebenso Regeln zu folgen und stehen darüber hinaus ohnehin im ständigen Austausch mit der scientific community. Trotz der Befürwortung einer offenen Arbeitsweise, hat die Methode bestimmten Operationen, wie dem Kodieren und Schreiben von Memos, zu folgen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die jeweiligen Forschungsschritte im Sinne der Grounded Theory zu begründen (vgl. Strübing 2008, S. 17).

Die Auswertung der Interviews orientiert sich an der von Kathy Charmaz (2006) beschriebenen Konstruktion der Grounded Theory. Charmaz war Schülerin von Glaser und Strauss, wodurch die methodische Nähe zu den Gründern der Grounded Theory gegeben ist. Charmaz (2006) widerspricht jedoch der klassischen Ansicht von Strauss und Glaser, dass sich die entdeckten Theorien aus den vorhandenen Daten, ohne Einfluss der Forscherin, oder des Forschers, ergeben (vgl. S. 10). Als Forschende sind wir, aufgrund der Tatsache, dass wir immer auch selbst Bestandteil der beforschten Welt sind, gleichzeitig selbst Teil des Forschungsprozesses und der Ergebnisse (vgl. ebd.).

"Unlike their position, i assume that neither data nor theories are discovered. Rather, we are part of the world we study and the data we collect. We construct (Kursiv i. O.) our grounded theories through our past and present involvements and interactions with people, perspectives, and research practices." (ebd.)

In dieser Aussage von Charmaz ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeit mit der Grounded Theory zu erkennen. So kann eine strikt induktive Vorgehensweise, unter der Annahme, dass der Forschungsprozess immer durch Vorwissen geprägt ist, nicht gewährleistet werden. An dieser Stelle spielt das "Konzept der theoretischen Sensibilisierung" eine wichtige Rolle, um dennoch induktiv Forschen zu können. Sie verleiht dem Forschungsvorgehen Struktur, indem sie den Beobachtungsbereich einschränkt und den Forschungsprozess leitet (vgl. Dausien 1996, S. 95ff).

"Theoretische Vorannahmen existieren bereits vor (Diskursiv i. O.) der Berührung mit dem empirischen Feld und leiten heuristisch seine Definition und Erschließung an. Sie lenken die Aufmerksamkeit des Forschers und sensibilisieren ihn für bestimmte Phänomene im Feld, die immer nur eine Auswahl aus der Vielzahl möglicher Beobachtungsgegenstände darstellen." (Dausien 1996, S. 97)

Die "theoretische Sensibilität" lenkt die/den ForscherIn über den gesamten Zeitraum ihrer/seiner Forschungsarbeit und hilft bei der Entwicklung der Kategorien, bei der Entdeckung von Zusammenhängen und letztendlich bei der Entstehung der Theorie. Entscheidend ist dabei, dass die strukturierende Funktion der "theoretischen Sensibilität" nicht die Offenheit der Theorieentwicklung stört (vgl. Dausien 1996, S. 95ff). In der vorliegenden Arbeit schränkt die Forschungsfrage den zu beobachtenden Gegenstand ein und lenkt die empirische Arbeit. Charmaz (2006) geht davon aus, dass jedes theoretische Produkt wissenschaftlicher Forschung ein interpretatives Bild des beforschten Bereichs darstellt, diesen aber nie eins zu eins wiedergeben kann (vgl. S. 10).

Der Forschungsprozess der Grounded Theory beginnt mit der Suche nach und der Ansammlung von Datenmaterial. Dieses kann aus Tonbandaufnahmen, Feldnotizen, Videos und ähnlichem bestehen. Der weitere Verlauf ist sehr flexibel und nicht linear aufgebaut. Durch die Bearbeitung der erhobenen Daten, werden neue Einsichten gewonnen, die wiederum für die Beforschung weiterer Datensätze verwendet werden können, oder mit deren Hilfe erneut bereits bearbeitetes Material analysiert werden kann. Es handelt sich um ein simultanes Forschungsvorgehen, in dem gleichzeitig Daten analysiert werden, aber auch immer wieder auf das Datenmaterial zurückgegriffen wird (vgl. Charmaz 2006, S. 10ff).

"Stattdessen betont die Grounded Theory die zeitliche Parallelität (Kursiv im O.) und wechselseitige funktionale Abhängigkeit (Kursiv im O.) der Prozesse von Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung. Theorie bildet nicht den Endpunkt des Forschungsprozesses, allein schon weil sie kontinuierlich, d.h. von Beginn der Forschungsarbeit an, produziert wird und keinen festen Endpunkt kennt." (Strübing 2008, S. 14f)

Zusammenfassend formuliert, wird mit einem gewissen Forschungsinteresse ins Feld gegangen, jedoch werden keine vorgefertigten Theorien auf die Daten angewandt. Die Theorien ergeben sich aus der Bearbeitung und können immer wieder verändert und umgeworfen werden. Im Zuge dessen können neue Wege eingeschlagen werden, das bedeutet gleichzeitig auch, dass das Interesse, das den Beginn der Forschung geleitet hat, nicht zwingend beibehalten werden muss (vgl. Charmaz 2006, S. 14ff). Mit anderen Worten, die Grounded Theory bietet ein System mit flexiblen Richtlinien, die allgemeine Prinzipien und Operatoren beinhalten, um qualitative Daten zu sammeln und zu analysieren. Die Daten wiederum sind jenes Material, das die Grundlage unserer Theorie darstellt (vgl. Charmaz 2006, S. 2).

Im nächsten Abschnitt die Auswertungsschritte im Sinne der Grounded Theory nach Kathy Charmaz (2006) skizziert.

6.4.1 Kodieren

Die Analyse der Daten beginnt mit dem Kodieren, welches den ersten Interpretationsschritt und zugleich die entscheidende Verknüpfung zwischen den gesammelten Daten und der Entwicklung einer Theorie darstellt. In diesem Sinne versteht die Grounded Theory, so Strübing (2008), "Kodieren als den Prozess der Entwicklung von Konzepten in Auseinandersetzung mit dem empirischen Material" aus dem sich der theoretische Rahmen entwickelt (S. 19). Das Kodieren ist ein Werkzeug, um die gesammelten Informationen zu verstehen und zu definieren. Das Coding besteht, nach Charmaz (2006), aus mindestens zwei Phasen, dem "initial and focused coding" (S. 42).

"Coding means categorizing segments of data with a short name that simultaneously summarizes and accounts for each piece of data. Your codes show how you select, separate and sort data to begin an analytic accounting of them." (Charmaz 2006, S 43)

Begonnen wird mit dem "Initial Coding", welches das Kodieren einzelner Wörter, Zeilen oder Segmente beinhaltet. Dabei wird so eng wie möglich an den vorhandenen Daten gearbeitet und versucht in einem ersten Schritt den Aussagen zu Grunde liegende Phänomene und Eigenschaften herauszufiltern. Charmaz (2008) schlägt vor die Codes einfach, kurz und präzise zu halten und bei der Bearbeitung der Daten möglichst rasch und spontan vorzugehen, da das Denken dadurch angeregt werden kann (vgl. S. 48).

"Staying close to the data and, when possible, starting from the words and actions of your respondents, preserves the fluidity of their experience and gives you new ways of looking at it." (Charmaz 2006, S. 49)

In der praktischen Anwendung, soll darauf geachtet werden, dass die Codes den entsprechenden Segmenten des Datenmaterials entsprechen und dass nicht der Versuchung gefolgt wird, die Daten an Codes anzupassen. In diesem Zusammenhang rät Charmaz (2006), sich immer auf die Handlungen zu konzentrieren, die in den Erzählungen passieren und diese in den Codes wiederzugeben (vgl. S. 49). Es wäre dafür von Vorteil "gerunds"[14] zu verwenden, im Gegensatz zu Nomen, die Gefahr laufen Überschriften zu entsprechen (vgl. ebd.) Diese Phase ist ebenfalls geprägt durch ein Offenbleiben für mögliche Theorieentwicklungen (vgl. Charmaz 2006, S. 47ff, vgl. Strübing 2008, S. 20).

"During initial coding the goal is to remain open to all possible directions indicated by your readings of the data." (Charmaz 2006, S. 46)

Das Produkt, das sich aus dieser ersten Kodierphase ergibt, entspricht einer Anhäufung von Konzepten und Kategorien, die noch nicht in Verbindung zueinander stehen (vgl. Strübing 2008, S. 21).

In der ersten Kodierphase habe ich mich dazu entschieden Ereignis für Ereignis zu kodieren. Charmaz (2006) schlägt verschiedene Formen (word-by-word, line-by-line, segment-by-segment, incident-by-incident) des Kodierens vor und empfiehlt, sich für jene zu entscheiden, die sich für die Anwendung auf das Datenmaterial am sinnvollsten erweist (vgl. S 50ff). Eine Wort-für-Wort Analyse schien mir, aufgrund des Aufwands, der sich aus der Konzentration auf einzelne Wörter ergibt, nicht passend, weshalb ich eine Vorgehensweise wählte, die sich auf Ereignisse fokussierte. Somit konnte ich eng an den Aussagen und Aktivitäten der interviewten Frauen arbeiten.

Tab. 1: Initial Coding (Interview 4, Zeile 82)

Und dadurch, dass du ka Stabilität host, dass es do dadurch oft riskant ist. Dass du gewisse Dinge dadurch net gescheit mochn kaunst, wie Wäsch aufhängan. Oder, oder überhaupt wos vom Bodn aufheben. Die Einkäufe. Gescheit bei ana Steigung rauf oder runter foahrn. Des san ols so Dinge die i als Kronkschwester olle net so real mitkriagt hob. Des wor am Aufong eigentlich sehr erstaunlich für mi eigentlich, wal i mir docht hob "Aha, ok". As nächste woar zum Beispül a, dass Blasen-Darm-Funktion net funktioniert.

Veränderungen des Körpers führen zu Veränderungen im Alltag

Alltägliche Arbeiten können nicht mehr wie gewohnt durchgeführt werden

Folgen die mit körperlicher Veränderung einhergehen sind anders als vermutet werden würden

Veränderte Köperfunktionen wurden so nicht erwartet

Auf das "Initial Coding" folgt das so genannte "Focused Coding". Aus der ersten Phase des Kodierens, welche sich ganz nah am Datensatz abspielt, ergeben sich analytische Richtungen. Um diese verfolgen zu können, werden die aussagekräftigsten, zum Teil auch häufigsten, Codes der ersten Phase verwendet und erneut auf den Datensatz angewendet (vgl. Charmaz 2006, S. 57ff).

Nach dem ersten Kodierprozess ergab sich eine Ansammlung von unterschiedlichen Codes. Diese wurden analysiert und verglichen, wodurch besonders prägnante und vielversprechende Codes herausgefunden werden konnten. Unter Einbezug der verfassten Memos ergaben sich erste Ideen und Annahmen. Im zweiten Kodiervorgang wurden die Codes hinsichtlich dieser Ideen fokussiert.

Tab. 2: Focused Coding (Interview 4, Zeile 82)

Und dadurch, dass du ka Stabilität host, dass es do dadurch oft riskant ist. Dass du gewisse Dinge dadurch net gescheit mochn kaunst, wie Wäsch aufhängan. Oder, oder überhaupt wos vom Bodn aufheben. Die Einkäufe. Gescheit bei ana Steigung rauf oder runter foahrn. Des san ols so Dinge die i als Kronkschwester olle ned so real mitkriagt hob. Des wor am Aufong eigentlich sehr erstaunlich für mi eigentlich, wal i mir docht hob "Aha, ok". As nächste woar zum Beispül a, dass Blasen-Darm-Funktion net funktioniert.

Köper_Veränderungen

Veränderungen im Alltag

Folgen körperlicher Veränderung

Körper_Veränderungen

Charmaz (2006) verweist abschließend auf das axiale Kodieren nach Strauss und Corbin (vgl. S. 60). Hier werden Kategorien Subkategorien zugeordnet. Entwickelte Kategorien werden präzisiert und Daten, die in den ersten Kodierphasen aufgebrochen wurden, werden wieder zusammengeführt (vgl. ebd.).

6.4.2 Memo writing

Der gesamte Prozess der Auswertung wird begleitet vom "Memo writing". Dies bedeutet, dass sämtliche Gedanken und Einfälle, die sich während des Forschungsprozesses bilden festgehalten werden.

"Memos catch your thoughts, capture the comparisons and connections you make, and crystallize questions and directions for you to pursue." (Charmaz 2006, S. 72)

Memos spiegeln sozusagen den inneren Dialog über erhobene Daten, Codes und Kategorien wider, wodurch neue, unerwartete Ideen und Einsichten gewonnen werden können. Darüber hinaus unterstützen sie den Arbeitsprozess, indem sie helfen den Blick der Forscherin beziehungsweise des Forschers zu präzisieren, den Umgang mit dem Forschungsmaterial zu erleichtern und sich selbst als ForscherIn aktiver in die Arbeit einzubringen. (vgl. ebd.)

Tab. 3: Memo writing (Interview 5, Zeile 511-519)

Und ans sog i da glei. Monche Leit glauben jo echt, walst im Rullstuhl sitzt, dassd im Kopf a wos host, gö. Owa für bled verkafn derfst die a ned lossn. Also du muasst die scho a bissl auf die Fiass stölln.

Und gewisse Leit muasst des scho umibringen. Oder wos i dann augfong hob is, wenn die die Leit ständig auschaun oder mitleidig auschaun. I schau do ständig zruck.

Es liegt sehr viel an der eigenen Einstellung. Ich denke, man muss persönliche Einstellung verändern. Selbstsicherheit ist gefordert. Spannend ist, dass Frauen stereotyp als das schwache Geschlecht generell eigentlich kein selbstsicheres Verhalten abverlangt wird. Von Frauen mit Behinderung wird jedoch situativ vermehrt selbstsicheres Verhalten gefordert.

In allen Phasen des Auswertungsprozesses wird die "Methode des ständigen Vergleichens" nahegelegt (Strübing 2008, S 18). Dies bedeutet, dass es zu einem permanenten Vergleich von Daten, Codes und Memos kommt. Dadurch können sich charakteristische Merkmale herausbilden, welche im Endeffekt die entwickelten Kategorien bestimmen können (vgl. ebd.).

6.4.3 Atlas/ti

Die Interviews wurden mit dem computerunterstützten Textinterpretationsverfahren Atlas/ti bearbeitet, welches entwickelt wurde um auf datenreiches, komplexes Material angewendet werden zu können. Es erweist sich sehr günstig, um qualitativ umfassendes Rohmaterial zu konzeptionalisieren. Dabei vereinfacht dieses Verfahren Netzwerke zu bilden und Kategorien zu entwickeln (vgl. Muhr 1994, S. 317ff).

"Computerunterstützung bietet sich vor allem dort an, wo umfangreiches Textmaterial analysiert und komplexe Beziehungen zwischen Textpassagen, Anmerkungen und Konzepten dokumentiert werden soll." (Muhr 1994, S. 317)

Diese Methode, die sehr eng mit der Grounded Theory verbunden ist, unterstützt Arbeitsschritte, wie das Verfassen von Memos, oder die Formulierung von Codes sowie deren Vernetzung (vgl. ebd.).



[7] In den durchgeführten Interviews wurde die einleitende Frage als Aufforderung zur Erzählung der gesamten Lebensgeschichte gestellt, weil ein möglicher Erkenntnisgewinn, aus der individuellen Fokussierung der interviewten Frauen auf bestimmte Bereiche nicht unterbunden werden sollte.

[8] Der Abschluss der Erzählung ist für die befragende Person offensichtlich erkennbar (vgl. Riemann 2006, S. 122).

[9] Durch eine befragte Person eröffnet sich die Möglichkeit mit weiteren potentiellen InterviewpartnerInnen in Kontakt zu treten.

[10] Es muss hinzugefügt werden, dass ich keine der Frauen zuvor kannte. Die interviewten Frauen kannten jedoch - genauso wie ich - die Vermittlungsperson sehr gut.

[11] Die Gespräche zogen sich zum Teil über Stunden.

[12] Im Vorhinein gab ich eine Stunde als Richtlinie für die Dauer der Gespräche an, da mir diese Zeitangabe angemessen schien, um die potentiellen Interviewpartnerinnen nicht abzuschrecken und dennoch auf die Ausführlichkeit hinzuweisen. Tatsächlich verbrachte ich aber weitaus mehr Zeit bei und mit den Frauen.

[13] In allen Interviews wurde Umgangssprache verwendet.

[14] Infinitivform + ing (z.B. describing)

7 Darstellung der Ergebnisse

Aus der Bearbeitung des Datenmaterials mit der Grounded Theory, in Anlehnung an die vorgeschlagenen Bearbeitungsschritte von Kathy Charmaz, kristallisierten sich aus den vorhandenen Codes sowie Codefamilien und im Speziellen unter der Berücksichtigung der verfassten Memos fünf Hauptkategorien heraus, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

Die Hauptkategorien werden durch die vorhandenen Daten beschrieben und sollen möglichst genau wiedergegeben werden, weshalb vermehrt wörtliche Aussagen der befragten Frauen verwendet werden, um die Ergebnisse zu unterstreichen.

7.1 Kurzvorstellung der befragten Frauen

Um die interviewten Frauen transparent zu machen, sollen diese, bevor mit der Auswertung begonnen wird, kurz vorgestellt werden. Die benutzten Namen sowie Orte wurden anonymisiert.

Gerlinde Hoffmann ist bei Durchführung des Interviews 50 Jahre alt. Sie ist verheiratet und lebt zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer Schwiegermutter in einem Haushalt. Ihr gemeinsamer Kinderwunsch konnte, aufgrund von unterschiedlichen Komplikationen nicht erfüllt werden. Das Wohnhaus ist direkt mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden, in dem Gerlinde vor dem Unfall tätig war. Der Unfall geschah bei Reparaturarbeiten im eigenen Betrieb.

Sandra Hager wurde im Alter von 26 Jahren befragt. Ihre Tochter war zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt. Ihren Ehemann hat sie nach dem Unfall, der bei einer gemeinsamen Motorradausfahrt geschah, geheiratet. Als wir das Gespräch führten, wohnte die Kleinfamilie im Haus der Schwiegereltern, war jedoch mit dem Bau des eigenen Hauses beschäftigt.

Franziska Handil war zum Zeitpunkt des Gesprächs 65 Jahre alt. Bei ihr wurde im Alter von neun Jahren Kinderlähmung diagnostiziert. Auf einen Rollstuhl war sie, aufgrund zusätzlicher Verletzungen und Brüche angewiesen. Franziska ist zum Zeitpunkt des Interviews pensioniert und wohnt alleine in einer Wohnung. Ihre erwachsene Tochter wohnt im Ausland. Zu ihrem Ex-Mann hat sie auch nach der Scheidung noch guten Kontakt.

Heidi Zoller ist bei der Befragung 45 Jahre alt. Sie ist alleinstehend und als wir das Gespräch führen, gerade in die neue Wohnung gezogen. Ihre Tochter studiert im ersten Semester, weshalb sie sich eine Wohnung in der Nähe des Studienplatzes gesucht hat. Heidi hatte einen Autounfall, der durch Glatteis verursacht wurde. Sie war auf dem Weg ins Rehabilitationszentrum, wo sie als Krankenschwester arbeitete. Ihre Tochter war ebenfalls als Beifahrerin im Auto.

Sabine Schrank ist bei der Interviewdurchführung 38 Jahre alt. Ihr Sohn ist ein paar Monate alt. Ihren Ehemann hat sie nach dem Unfall kennengelernt und geheiratet. Die Familie wohnt in einem Haus in der unmittelbaren Nachbarschaft zu den Eltern und der Schwester. Der Autounfall der zur Querschnittlähmung führte, passierte am Heimweg von der Diskothek.

7.2 Arbeit/Ausbildung

Arbeit stellt ein zentrales Thema in den Lebensrealitäten der befragten Frauen dar, dessen Relevanz sich unter anderem aus der Aufzählung und Beschreibung ehemaliger Arbeitsplätze ergibt, welche, um die Gewichtung zu verdeutlichen, 50 Codes beinhaltet.

Keine der Frauen hat zum Zeitpunkt des Interviews eine bezahlte Arbeitsstelle. Alle der Frauen waren berufstätig und haben eine Ausbildung abgeschlossen. Zwei Frauen sind ausgebildete Frisörinnen. Eine Interviewperson hat die Handelsschule abgeschlossen und später in der Abendschule die Matura absolviert. Eine Frau ist ausgebildete Krankenschwester und eine andere hat das neunte Schuljahr in der Haushaltungsschule abgeschlossen, die darauf folgende Ausbildung zur Krankenschwester jedoch abgebrochen.

7.2.1 Ehemalige Arbeitsplätze

Die Frauen waren vor den Unfällen in unterschiedlichen Berufsfeldern tätig, die zum Teil ihren Ausbildungen entsprochen haben, zum Teil auch davon abwichen.

Gerlinde Hoffmann hat zwei Jahre in einem Haushalt gearbeitet, eine Saison in einem Eissalon und 16 Jahre in einer Fabrik. Vor dem Unfall war sie in der Landwirtschaft ihres Ehemannes tätig. Sie wollten den gemeinsamen Lebensunterhalt durch die Führung des landwirtschaftlichen Betriebes verdienen. Durch den Arbeitsunfall, der zu einer Querschnittlähmung führte, musste der Ehemann, aufgrund der fehlenden Arbeitskraft seiner Frau, den Betrieb komplett umstellen.

Sandra Hager arbeitete als Frisörin und nach der Geburt ihres Kindes in einem Drogeriemarkt, Heidi Zoller in einem Rehabilitationszentrum als Krankenschwester. Der Autounfall, der zur Querschnittlähmung führte, geschah auf dem Weg in den Nachtdienst. "I hob..I bin glernte Kronknschwester. I hob in Frantzenmannsdorf als Kronknschwester im Rehazentrum gorbatet. Uuuund es woar vor 4 Joahrn, dass I in den Nachtdienst foahrn wollte. Und musste mei Tochter sozusogn no ins Nochbardorf bringen und hob sozusogen auf der Strecke woar Blitzeis." (Interview 4, Zeile 11)

Sabine Schrank war zur Zeit des Unfalls als Frisörin tätig. Nach dem Unfall hat sie sich gemeinsam mit ihrem Mann im Sportartikelgeschäft selbstständig gemacht. Sie war für die Buchhaltung zuständig, während ihr Ehemann für den Außendienst verantwortlich war. "Also wir woarn do so im Sportartikelgschäft. Für Badminton, Squash und so weiter. Wir hom holt so Waren verkauft. Wasst eh Leiberl, Schläger ols. I hob die Buchholtung gmocht und der Franz woar im Aussendienst. Der is natürlich vüll herum gfoahrn." (Interview 5, Zeile 153)

Franziska Handil war in der Schreibabteilung und als Buchhalterin in der Justiz tätig. Im Zuge dessen ist sie zu verschiedenen Zusatzprüfungen angetreten, die sie auch bestanden hat. Franziska wurde im Laufe ihrer Berufsausübung pragmatisiert und vor der Pensionierung zur Abteilungsleiterin befördert. "Ah und woar am Schluss dann Obteilungsleiterin in der Personalabteilung. Also beruflich hob i ...mehr erreicht als ich jemols zu hoffn gewagt habe, des muass i schon dazu sogn." (Interview 3, Zeile 438)

Es sei an dieser Stelle zur Vervollständigung erwähnt, dass sie ihren Job, trotz eines Unfalls und darauffolgendem Reha Aufenthalt, beibehalten konnte.

7.2.2 Arbeitssituation zum Zeitpunkt der Interviews

Zum Zeitpunkt des Interviews war keine der Frauen berufstätig. Drei der Frauen sind laut eigener Aussagen pensioniert. "I hob hiaz holt oft nochm Unfall..die Invaliditätspension." (Interview 1, Zeile 94)

Heidi Zoller wollte wieder als Krankenschwester arbeiten, wurde aber nicht mehr eingestellt. Das Sportartikelgeschäft von Sabine Schrank und ihrem Ehemann konnte, aufgrund von Problemen mit der Warenzulieferung, nicht weitergeführt werden. Sie kümmert sich zum Zeitpunkt des Gesprächs um den neugeborenen Sohn, äußert aber den Wunsch wieder arbeiten gehen zu wollen.

Auch Sandra Hager würde gerne wieder arbeiten, schneidet vorübergehend privat Haare. Beide Frauen könnten sich Berufe, unter der Voraussetzung, dass ihnen diese Spaß machen, in unterschiedlichen Bereichen vorstellen. "Jo vielleicht ergibt sie irgendwos. Oder wos onders. Ma wass jo ned. Vielleicht dass mol in der Nähe wos is im Büro oder wos ma Spaß mocht. Owa i muass sogn es muass ma Spaß mochn, sunst." (Interview 2, Zeile 699/701)

7.2.3 Familiale Reproduktion

Bei zumindest zwei Frauen lässt sich, unabhängig vom bezahlten Arbeitsbereich, die familiale Reproduktion als Aufgabenbereich erkennen, der in ihre Zuständigkeit fällt. Am deutlichsten kommt dies bei Gerlinde Hoffmann zum Ausdruck. "Jo...I versuach holt trotzdem do mein Hausholt mochn. Kochn. Wäsch. Des funktioniert. Bügln. Wäsch aufhängan. Hom i ma a so zsom gricht, dass funktioniert. Und wenn i, olle 14 Tog hob i jemand, der ma solche Owaten mocht, wos i ned mochn kau. Fenster putzen. Aufwischn. Aussi wischn." (Interview 1, Zeile 98) Sie zählt das Kochen für den Ehemann und die Schwiegermutter, sowie sämtliche andere Tätigkeiten im Haushalt zu ihren Aufgaben. Da sie gewisse Arbeiten nicht selbst ausführen kann, lässt sie sich dabei unterstützen.

Sabine Schrank ist zum Interviewzeitpunkt auch im eigenen Haushalt tätig und will zur Versorgung des neugeborenen Sohnes zu Hause bleiben. Im Gespräch und im Verhalten des Ehemanns ist zu erkennen, dass er ebenso an der familialen Reproduktionsarbeit beteiligt ist.

Im Gespräch mit Sandra Hager geht nicht eindeutig hervor, inwiefern sie Arbeiten im Haushalt nachgeht. Es ist jedoch zu erwähnen, dass sie, als wir das Gespräch führten, gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter bei den Schwiegereltern wohnt und auf den Einzug ins neu gebaute Haus wartet. Aus diesem Grund könnte die Zuständigkeit für den Haushalt zu jenem Zeitpunkt ausschließlich bei den Schwiegereltern gelegen haben, was sich jedoch nicht durch konkrete Aussagen bestätigen lässt. Sie erzählt, dass ihr Ehemann und sie abwechselnd beziehungsweise gemeinsam auf die Tochter aufpassen.

Heidi Zoller und Franziska Handil sind beide alleinstehend und haben jeweils eine Tochter. Die Töchter leben bereits in eigenen Haushalten.

7.2.4 Alternative Arbeitsplätze

Unabhängig von der bezahlten und familialen Arbeit, lassen sich zusätzlich noch andere Bereiche erkennen, in denen die Frauen unbezahlt aktiv sind.

Gerlinde Hoffmann hilft in der Jungschar, in der unter anderem auch die Kinder ihrer Nichte Mitglieder sind. Darüber hinaus stellt sie sich für PhysiotherapeutInnen, welche sich in der Ausbildung befinden, zur Verfügung, damit diese ihr erlerntes Wissen in der Praxis anwenden können und gibt ihre Erfahrungen in Schulen weiter. Sie wird widerholt eingeladen, um über das Thema "Behinderung" zu referieren.

Ähnlich hat es sich auch Heidi Zoller zur Aufgabe gemacht Aufklärungsarbeit zu leisten. Im Zuge dessen geht sie an Schulen, in Betriebe oder wo immer ihre Kenntnisse gefragt sind, um Menschen, im Speziellen Kindern, Berührungsängste in Bezug auf Behinderung zu nehmen und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen. Darin sieht sie ebenfalls die Möglichkeit ihre Kompetenzen als gelernte Krankenschwester, auch wenn ihr das unmittelbar im Berufsfeld nicht mehr möglich ist, weitergeben zu können. "Und das zweite is holt des i mecht owa trotzdem irgendwo des wos i glernt hob als Kronkschwester, trotz olle dem auch noch weiter gebn, owa in meim do mei Haus ned mehr auf des neigrig is, hob i gsogt mecht i kooperieren und hob eigentlich augfongan mit verschiedenen Schulen sozusogn. Und moch eigentlich sehr vüll Aufklärungsorbeit....Mit die Physiotherapeuten, Masseure, Kronknpflegeschul." (Interview 3, Zeile 398)

Wie aufwendig diese freiwillige Arbeit ist, zeigt sich in der folgenden Aussage:

"Und dann kriegt ma monche Dinge vielleicht a mit ondere Augen (nuschelt etwas unverständlich) dorthin. Jo und so, muass i dazua sogn, bin ich seitdem ich eigentlich jetzt pensioniert bin (kichert) leb ich nur mehr mit Terminkalender. (lacht)" (Interview 4, Zeile 418)

7.2.5 Rückschläge und Barrieren am Arbeitsmarkt

Schon beim Berufseinstieg spielte die Behinderung von Franziska Handil eine entscheidende Rolle, da die Kinderlähmung bereits im Alter von neun Jahren festgestellt wurde.

Da es für sie, auch unter Anstrengungen der Eltern, nicht möglich war in ihrem Heimatort eine Arbeitsstelle zu bekommen, musste sie umziehen, was dazu führte, dass sie relativ früh auf sich alleine gestellt war. Bevor sie eine Zusage für die Arbeitsstelle, in der sie letzten Endes den größten Teil ihres Lebens tätig war, bekam, musste sie sich speziellen Eignungstests unterziehen. Weitere Rückschläge musste Franziska insofern einstecken, dass sie zu Weiterbildungskursen, für die sie sich beworben hatte, nicht zugelassen wurde. Auch wenn sie letzten Endes sagt, dass sie mehr erreicht hat, als sie sich gedacht hätte, behauptet sie gleichzeitig: "Ohne...ah...ich glaube und bin davon überzeugt, dass ma als Behinderter mindestens das leisten muass, wos jeder andere leistet, wenn ned dann doch noch a bissl mehr verlongt wird." (Interview 4, Zeile 299)

Gerlinde Hoffmann und ihr Ehemann haben den landwirtschaftlichen Betrieb so umgebaut, dass sie damit beide ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Durch den Unfall, musste der Ehemann den Viehbetrieb aufgeben und die Landwirtschaft so umstellen, dass er diese alleine führen konnte. "Fricha hob i mitghulfn. Owa hiatsta is a zu ollm allon. Hiaz mocht a. Des muass a dann so via sie zsomm richtn, so dass via iam ois paßt. Und über die Runden kummt. Wal er muass no a bissl owaten bis a Pension kriag." (Interview 1, Zeile 92)

Für Heidi Zoller war es ein große Enttäuschung, dass sie nicht mehr in ihrem Beruf als Krankenschwester arbeiten konnte und das, obwohl ihr anfangs versichert wurde, sie könne wieder in den Beruf zurückkehren. "Uuund...Des wos mi sehr hort troffn hot, am Aufong woar...I woar Kronknschwester eben in dem Rehazentrum und....jo...I hob dann Besuch kriagt vo meine zwoa Chefinnen und 'Jooo, und wiast segn, und wennst wieder rauskummst, du kaunst wieder orbeiten' und i hob a auf des hingearbeitet, also wieder wieder arbeiten zu gehen und ois, göl. Uund dann wies dann eigentlich so weit woar hots dann wirklich ghassn 'Na wos wüllstn du in diesem Zustand dem Haus noch nützlich sein' gö und dann hob i ma denkt 'Hallelujah bin i jetzt a Krippl oder wos?'" (Interview 4, Zeile 290)

Sabine Schrank und Sandra Hager würden gerne arbeiten, sehen zum Zeitpunkt des Interviews, aber keine Möglichkeit dazu. Die größte Schwierigkeit, die sich beim Wiedereinstieg auftut ist, dass die meisten Arbeitsplätze nicht barrierefrei sind. Sabine weist mich sogar dezidiert darauf hin, dass ich erwähnen soll, wie schwierig der Wiedereinstieg in den Beruf ist. "Jo also des muass i a dazu sogn. Also des wär eh super wenn du des erwähnen würdest, wal des is jo echt net leicht. Wal du kaunst jo gor net orbaten im Prinzip." (Interview 5, Zeile 411)

Auch wenn es geschützte Arbeitsplätze gibt und sie eine Arbeitsstellenzusage erhalten würde, hängt es von weiteren Faktoren ab, ob sie die Arbeit tatsächlich antreten kann. Es müssen bestimmte Voraussetzungen, wie zum Beispiel Bewegungsfreiheit für den Rollstuhl und Behindertentoiletten vorhanden sein. Sabine macht ebenfalls darauf aufmerksam, dass es für sie überdies körperlich nicht möglich ist den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen. "Des is a geschützter Orbatsplotz. Des is scho kloar nur wenn wenn solche Leit a dohin orbaten gehn, dann miassn sa sie owa a bewegn kennan. Des hast ah, du muasst schaun, dassd Plotz host und wie gsogt, es miassn die WC-Anlogn passn, sonst hülft des jo a ols nix. Und Computer is ols ka Problem. Nur wie gesagt, n gonzn Tog immer nur so dahersitzn und... Do spült der Körper holt a ned mit. Do gabats holt scho no einige Dinge die do no aufghult gheratn." (Interview 5, S. 439-451)

Im Endeffekt zieht sie das Fazit, dass es für sie sinnvoller ist zu Hause zu bleiben. "Wal jo...wennst des durchrechnest, dann steigst jo ohne orabaten besser aus. Also wennst amol so nochdenkst und do denk i ma a wos bringt des.I man jetzt sowieso mitm Klan, bleib i sowieso a lieber daham." (Interview 5, Zeile 419/423) Sie ist der Meinung, dass viele behinderte Menschen, unter der Erfüllung bestimmter Bedingungen, einer bezahlten Arbeit nachgehen wollen würden. "Wal es gibt genug Leit, die gern orbaten gehn würdn. Owa, wos wie gsogt no an so vül Dinge scheitert. Jo des Ding ist, dass de vorgeben, dass ols ok is und barrierefrei. Owa in der Realität homs as holt no ned umgsetzt." (Interview 5, Zeile 455-469)

In diesem Sinne erklärt Franziska Handil, dass es Barrieren gibt, die manche Arbeitsstellen für sie unzugänglich gemacht hätten. So benötigte sie beispielsweise einen Behindertenparkplatz, den sie von ihren ehemaligen ArbeitgeberInnen zur Verfügung gestellt bekam. "Und ah...(lacht) hob owa, dann damals schon ein Auto gehabt uund woar recht nett, de woarn recht nett. I hob gsogt ich brauch an Parkplatz, den ich dann auch bekommen hab im Justizpalast drinnen." (Interview 3, Zeile 283)

7.3 Mit einer neuen/alten Lebenssituation leben lernen

Die Erzählungen der Frauen sind stark auf den Unfall und die unmittelbare Zeit danach fokussiert. Auf die Aufforderung ihre Lebensgeschichte und alles was ihnen dazu einfällt zu erzählen, folgten, wenn nicht ohnehin gleich zu Beginn des Gesprächs, dann doch relativ bald, Erzählungen über den Unfall und die Verarbeitung der neuen Lebenssituation. Es wird deutlich, dass jene Lebensphase sehr intensiv erlebt wurde. "Und des san...und i sog amol am Aufong, du bist jo mit der gonzn neichn Situation jo dermassen überfordert." (Interview 4, Zeile 966)

7.3.1 Realisieren der neuen Lebenssituation

Der Unfall als kritisches Lebensereignis wirft die Frauen aus der Bahn und sie müssen mit der neuen Lebenssituation erst umzugehen lernen. Die erste Phase des Realisierens braucht Zeit.

Es kam zu verhältnismäßig detaillierten Berichten über den Unfallhergang und die medizinischen Behandlungen. Der Krankenhausaufenthalt war für die Frauen, in unterschiedlichem Ausmaß, geprägt durch Komplikationen und schmerzhafte Erfahrungen. Heidi Zoller meint, dass sie, aufgrund ihrer Ausbildung zur Krankenschwester, schon beim Unfall wusste, was passiert war. Gerlinde Hoffmann weist darauf hin, dass sie die Situation nicht sofort realisieren konnte. "Und dass. Owa wie gsogt, wenn as Rückenmark durchtrennt ist, dann is vorbei. Vom Nobel obwärts tuat si nix mehr und dass du des amol lernst und begreifst..." (Interview 1, Zeile 37) Ähnlich beschreibt Sandra Hager den Prozess des Bewusstwerdens, dass sie ihre Beine nicht mehr bewegen werden könne. Als sie wieder zu Bewusstsein kam, bemerkte sie zwar, dass sie nur noch ihre Hände eingeschränkt bewegen konnte, bis sie die ganze Situation wirklich realisierte, dauerte es. "Owa realisieren tuast as erst, sog ma mol, a poa Tog später. I man, a poa Tog später. Des dauert dann." (Interview 2, Zeile 101)

Die Frauen befinden sich in einer neuen Situation, in einem neuen körperlichen Zustand, mit dem sie lernen müssen, sowohl physisch, als auch psychisch, umzugehen. "Und am Aufong woars scho schwer wal i hob mi jo ned bewegen kennan. I hob jo gar ned gwusst wie. Wal irgendwie woar des olles ned stabil. Des is scho gonz onders. Wal plötzlich bist do in der Situation und kumst ned aussa, gö." (Interview 5, Zeile 73/77)

7.3.2 Rehabilitation als Vorbereitung auf das neue/alte Leben zu Hause

Eine wichtige Phase, die auch in den Gesprächen sehr ausführlich beschrieben wurde, ist der Aufenthalt im Rehabilitationszentrum. Es ist jene Zeit, die auf den Krankenhausaufenthalt folgt und in der begonnen wird, sich auf unterschiedlichen Ebenen mit der erworbenen Behinderung auseinanderzusetzen. "Bin dann noch 7 Wochen noch Traubenwald kummen und do bin i 6 Monaten untn gwen und do hölfns da holt." (Interview 1, Zeile 37)

Der Abschnitt in der Reha stellt den Übergang zwischen dem Unfall und der Rückkehr ins neue, alte Leben dar. Dabei erhielten die Frauen Unterstützung bei der Einstellung auf das neue Körperbewusstsein und dem Erlernen von Bewegungen im Rollstuhl. "Und durt learnst dann holt wieder ois, gö. Also gonz va vorn, des gonze Rollstuhl foahrn, dann des aufrecht sitzen, as gonze mit da Darmentleerung. As Selbstkathedern. Des ols lernst holt, göl." (Interview 2, Zeile 222)

Wie in jedem anderen Lernprozess werden einzelne Bewegungen nach und nach angeeignet. "Und jo. Jo owa ma gstöllt sie holt bled am Aufong. Bist des ois amol heraußen host. Des san ois so Handgriffe." (Interview 1, Zeile 426) Um diese ersten "Handgriffe" zu erlernen, aber auch um durch Gespräche mental entlastet zu werden, besteht in der Reha die Möglichkeit von Menschen, die schon länger einen Rollstuhl benötigen, begleitet zu werden. "Jo. Du lernst holt va de de scho long drinn sitzn. Und do homs ebn in Traubenwold a. Jo. Durt mit die lernst durt. Und du schaust das des va ondere o und es kumman dort a so ziemlich Gleicholtrige, de si immer kümmern. A Frau a. Mit der host a vül redn kennan. Wias die im Hebn auffikriagst. Wiast aussa kummst vom Sitzn. Bist des ols wirklich." (Interview 1, Zeile 432/434)

Im Rehabilitationszentrum sind die Frauen darüber hinaus von anderen Personen, welche sich in derselben Lage befinden, umgeben, mit denen sie sich austauschen können und von denen sie sich verstanden fühlen. "Und jo. Do tuast di holt immer austauschn, wennst dann am Gong zsomman kummst oder wennst Therapie gehst und die erste Zeit ist des..und a jeda hot a a ondere Verletzung. Und ana hecha..und und wos du scha ols zsommbringst." (Interview 1, Zeile 59)

Abgesehen davon sind sie dort nicht vor Barrieren gestellt, auf die sie im alltäglichen Leben treffen werden. "Owa durt is holt a olles no leicht. In Traubenwold homs jo elektrische Türn, des host daham jo ned." (Interview 5, Zeile 89)

In dem Zeitraum, den die Frauen in der Reha verbringen, sind sie im Großen und Ganzen von der Außenwelt abgeschirmt. Zum Teil werden Wochenenden bei den Familien verbracht, welche einen ersten Einblick in die alten Lebenswelten bringen, mit denen sie neu umzugehen lernen müssen.

Der Reha Aufenthalt, der bei den Frauen ungefähr sechs bis neun Monate dauerte, kann als Vorbereitung auf das Leben im gewohnten Umfeld gesehen werden. So hat Sabine Schrank dem Verlassen des Rehabilitationszentrums mit geteilten Gefühlen entgegen gesehen. "In Traubenwold woar i 9 Monat. Und do san ols so Leit, so wie du, owa dann muasst jo ham. I man natürlich wüllst ham, owa dann host durt holt....also ...do host holt Leit de da helfn und de geht's jo a olle gleich. Owa irgendwonn muasst holt a ausse." (Interview 5, Zeile 97)

7.3.3 Rückkehr in ein altes/neues Leben

Nach Entlassung aus der Reha sind die Frauen in ihren eigenen Lebenswelten im weitesten Sinne auf sich allein gestellt. "Jo und dann is holt noch dem holben Joa, wo i ham kumman bin. Dann fong des ols daham au. Dann bist auf dich gstellt." (Interview 1, Zeile 82) Die Frauen müssen sich wieder auf ihr eigenes Leben einstellen und sich in ihrem persönlichen Alltag zurechtfinden. "Und dann kummst ausse und jetzta bist in deinem Eigenlebn drinnen und jetzt muasst dei eigenen Lebn mol in die Hond kriagn und dann gheart dazua dassd furt gehst, dassd wieder an Freindeskreis pflegst, dassd wieder an aufbaust. Und des is holt ned so leicht, sog i amol." (Interview 5, Zeile 555)

Diese Phase ist, wie Sabine beschreibt, nicht einfach, da durch körperliche Veränderungen neue Herangehensweisen für die Durchführung alltäglicher "Handgriffe" gefunden werden müssen. "Und dadurch, dass du ka Stabilität host, dass es do dadurch oft riskant ist. Dass du gewisse Dinge dadurch net gescheit mochn kaunst, wie Wäsch aufhängan. Oder, oder überhaupt wos vom Bodn aufheben. Die Einkäufe. Gescheit bei ana Steigung rauf oder runter foahrn." (Interview 4, Zeile 82)Der Lernprozess, der mit der Aneignung dieser Handlungsmechanismen verbunden ist, benötigt Zeit und ist gekennzeichnet durch das Sammeln von Erfahrungen und der Offenheit Dinge auszuprobieren. "Und des woar des um und auf, dass i glernt hob mitm Rullstuhl umzugehn. Ka Ongst zu hom a mitm Rullstuhl irgendwo owizhatzn, oder dass i beim Gehsteig auffi, oder selbst wenn i ausm Rullstuhl aussa foll, dass i mi dann wieder schau, dass i in Rullstuhl wieder einikumm, göll." (Interview 4, Zeile 93) Diese Zeit ist ebenso geprägt von Rückschlägen und Verletzungen, da nicht immer alles auf Anhieb funktioniert. "Jo des lernst eh. Do kummst oft scho drauf. Dassd as nächste Mol gscheiter bist. Jo wissen tuast eh, muasst vorsichtig sei mit deine Fiass und ois. Owa no kau da des passiern, nid. Jo danochs is. Blaue Flecken hob i nach wie vor immer. (lacht)" (Interview 1, Zeile 405-409)

7.3.4 Persönliche Einstellung als Schlüssel für ein erfülltes altes/neues Leben

Die Bewältigung dieser schwierigen Phase kann individuell sehr verschieden verlaufen. Die Frauen erzählen, dass es vielen sehr schwer fällt, mit der Querschnittlähmung umzugehen und nennen Beispiele, in denen sich Betroffene gehen lassen oder übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum verfallen. Im Gegensatz dazu haben die interviewten Frauen eine positive Lebenseinstellung und waren motiviert wieder in ein "lebenswertes" Leben zurück zu finden. So sieht Heike Zoller beispielsweise den Rollstuhl nicht als Barriere, sondern als Befreiung aus dem Bett und der Möglichkeit selbständig zu werden. "Und und des san eigentlich so die Dinge gwesen, wo i ma docht hob, na ols ondere kann ma lernen. Der Rullstuhl an sich sog i amol is für jeden für uns a Befreiung. Eine Befreiung aus dem Bett aussa, wal wenn du im Bett drinnen bist, wie i am Aufong holt liegn hob miassn mit olle meine hinigen Knochen, woar da Rullstuhl eigentlich des, wo i ma docht hob, jetzt kau i endlich des tuan wos i wül und muass ned wortn, bis irgendana mi mitm Bett do irgendwo do hinschleift oder wos, gell." (Interview 4, Zeile85/89) Vor allem fühlte sie sich durch den Gedanken motiviert, wieder ein "normales" Leben mit ihrer Tochter führen zu wollen. "Do hob i gsogt i muass schaun, dass i wieder olles lern und schaff, weil I möchte, dass wir a normales Leben nochher wieder weiter führn." (Interview 4, Zeile 50) Eine positive Einstellung ist wichtig, um sich selbst etwas zuzutrauen und herauszufinden, wie Dinge funktionieren können. Zum überwiegenden Teil liegt es an einer Person selbst, wie mit der Situation umgegangen wird. Ist der Wille der betroffenen Person selbst nicht vorhanden, wird es für diese dementsprechend schwierig werden, Ziele zu erreichen, die zu einem zufriedenstellenden Leben führen. "Jo und dann muasst holt a wos tuan. Wal es lieg jo scho zum größten Tal an dir selbst. Sicher...die ondern san schon a wichtig. Familie und so, ohne de geht's a ned. Owa es lieg scho an dir." (Interview 5, Zeile 393)

Ferner tragen selbstverständlich das Verhalten und der Rückhalt der Familie positiv zur Bewältigung des kritischen Lebensereignisses bei. "Do gibts echt absolut nix und wos mir natürlich a sehr ghulfn hot des muass i a gleich dazua sogn, des is sicher a die Familie." (Interview 5, Zeile 569)

Abschließend soll noch einmal verdeutlicht werden, dass es primär immer an der Person und deren Einstellung selbst liegt, wie mit einem kritischen Lebensereignis umgegangen wird und ob ein qualitativ wertvolles Leben geführt werden kann. "Und genau des is es nämlich, wasst, dass du ...du muasst ned unbedingt stolz sein auf des. Owa zu sagen 'Ich hab etwas gemacht. I hob wos taun.' Es is ned des Lebn an mir vorbeigrennt, sondern i hob dran teilgenommen. Und des is. I sog immer des is des anzige, i man du muasst ned weltberühmt werdn, du muasst ned außerordentlich werden, du kaunst genauso mit da Suppn mitschwimmen. Owa du muasst im Prinzip für dich a Lebensqualität hom." (Interview 4, Zeile 1682-1698)

7.4 Das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und die Notwendigkeit Hilfe annehmen zu müssen

Das folgende Kapitel bezieht sich auf das Bedürfnis der Frauen ein unabhängiges Leben zu führen und dennoch auf Unterstützung, im Speziellen von Familie und Angehörigen, in verschiedenen Bereichen angewiesen zu sein. Übertriebene Hilfestellungen können jedoch Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gefährden.

Diese Kategorie ergab sich aus einem Zusammentreffen der Codefamilien "Unabhängigkeit" und "Selbstständigkeit" auf der einen Seite und der Codefamilie "Um Hilfe bitten/Hilfe annehmen" auf der anderen Seite.

Gerade in der ersten Phase im Umgang mit der neuen Lebenslage, stellt das Erlangen von Selbständigkeit eine zentrale Funktion dar. "Und dass ma wirklich schaut, dass ma dass ma zur Selbstständigkeit kummt. Also des is wirklich bei jeden a Ereignis sog i amol, grod in der Erstphase is des unheimlich wichtig, göll." (Interview 4, Zeile 702) Das erklärte Ziel ist gewohnte Tätigkeiten wieder, so gut wie möglich, ausführen zu können und das Leben in der eigenen Hand zu haben. Dafür wird in bestimmten Bereichen Hilfe beansprucht. "Wal a genau wass, i kau ka Regal aufhängan und des und durt. Oder mei Tant woar hiaz do und hot ma ghulfn olle Dinge obn auffizustölln." (Interview 4, Zeile 706)

Aus den Interviews geht hervor, dass die Frauen in alltäglichen Situationen darauf angewiesen sind Hilfe anzunehmen. Dies geht damit einher, dass sie gleichzeitig in eine Lage versetzt sind, in der sie um Hilfe bitten, beziehungsweise diese zum Teil auch bezahlen müssen. "Ma muss holt dann, so wies in meiner Situation is, Hilfen annehmen und Hilfen bezahlen, wal es es geht holt ned onders. Es gibt einiges wos ich selber tun kann, mach ich selber. Und wos ned geht, des muass i holt mochn lossn. Najo egal ob i draussen bin im Haus oder do. I nimm zum Zsammenräumen wen, zum Putzen holt die Leit. Teilweise auch die schweren Sochn. Wenns Kleinigkeiten sind, dann kaunn i die a selber einkaufen. Wos schwerer is, loss i mir de einkaufen." (Interview 3, Zeile 805/809)

Zum größten Teil kommen unterstützende Maßnahmen von Familienmitgliedern. "Und de hom ma scha wirklich a vüll ghulfn. Die Schwägerin. Der Bruda. I hob via Gschwister. Da Hans (Ehemann) hot a via Gschwister. Jo, Familie groß. Jo. Na. Hom ma olle zsam gholfn und wenn wos is eh." (Interview 1, Zeile 84/86) Sabine Schrank`s Familie wohnt unmittelbar in der Nachbarschaft und hilft, wenn es notwendig ist. "Domols hob i jo no bei meinen Eltern gwohnt. De wohnen glei do unten. Zwa Heisa weiter. Des is holt dann scho wieder a Umstöllung...De woarn eh olle super, do gibt's jo nix. Owa es is scho a Umstellung." (Interview 5, Zeile 109/113) Im Speziellen sind es auch die Mütter, die Hilfe anbieten und da sind, wenn sie gebraucht werden. "Owa afoch, wenn die Mama kummt dann bin i froh, dass ma hülft. Mir gewisse Dinge holt mocht. Owa i bin dann a froh wenns wieder huam foahrt. (lacht) Jo sie kummt dann eher her. Jo. Sie hülft uns. Wochenends a immer Kinder schaun oder putzen. Und und die Orbater verpflegn, gö." (Interview 2, Zeile 632/643)

Die Frauen sind einerseits sehr dankbar über die Hilfeleistungen der Familien, andererseits sehen sie sich durch übertriebene Bemutterungsversuche in ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit beeinträchtigt. Deshalb reagiert Sandra Hager wie folgt: "Owa, i hob gsogt, i wüll ols selba mochn und wenn i wo Hülfe brauch, dann merkst as eh. Entweder bin i dann zwieda oder ..." (Interview 2, Zeile 616) In vielen Fällen, so erzählen die Frauen, lassen sich vorwiegend Männer von ihren Müttern umsorgen, wodurch von Anfang an Versuche, die zu selbstständigen Handeln führen könnten, unterbunden werden. Gutgemeinte Hilfeleistungen können in diesem Sinne genauso das Gegenteil bewirken. Den Frauen selbst fällt es oft schwer, sich von der angebotenen Hilfe, die sie auf der einen Seite gerne annehmen, auf der anderen Seite auch abzugrenzen. "Jo sie bemuttert mi heit no, gö. Des is holt. Vielleicht kaunst do als Mama ned onders, gö. Jo. Des san Eltern frali. Wal wenn des meim Kind passieren würd wüsst i a ned wie i reagieren sull." (Interview 2, Zeile 610/614) Sandra Hager fühlt sich durch die bemutternden Hilfeleistungen oft eingeengt, versucht ihre Mutter aber zu verstehen, indem sie sie sich in ihre Rolle versetzt.

Heidi Zoller war es von Anfang an wichtig, sich gegen die übertriebenen Bemühungen der Familienmitglieder durchzusetzen. "Und des woarn scho sehr...also i muass sogn, do hots scho sehr grauslige Situationen a gebn gö, wo i ma denkt hob wenn i mi do jetzt ned durchsetz im Prinzip. Dann war...Dann werd i auf der Streckn bleibn, gö." (Interview 4, Zeile 750) Mit diesen Abgrenzungsversuchen stieß sie bei den Familienangehörigen anfangs auf großes Unverständnis, da diese nicht nachvollziehen konnten, wie Heidi die angebotene Hilfe ausschlagen konnte. Sie führten ihr Verhalten, ohne es weiter zu hinterfragen, auf Veränderungen in ihrer Persönlichkeit zurück. "Owa des des san Dinge de wüll i ned. Und i muass dazua sogn meine Leit woarn am Aufong stinkesauer auf mi. I bin egoistisch. I bin. I hob mi so verändert. I bin so hort und so gemein wordn irgendwo. Also des woar so am Aufong der Eindruck, gö. Wal es is furchtboar. Mit mir kau ma nix gscheits auffongan, wal i wüll immer nur des wos i wüll und sie taten mir eh hölfn, owa i bin so so ruppig und so gemein und jetzt ist es owa so, dass sie sogn: "Gott sei Donk, host as gmocht"." (Interview 4, Zeile 682/686) Im Endeffekt erkannte Heidi Zoller`s Familie jedoch, dass dieses Verhalten nicht nur Heidi selbst geholfen hat ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen, sondern auch ihnen Entlastung gebracht hat. "Owa so fürs Alltägliche kummt kaner mehr eina, nochschaun ob i eh no leb oder ob ob i eh ned unterm Bett lieg oder so. Sog i: 'Du wenn wos is, dann ria i mi jo eh'." (Interview 4, Zeile 714)

Gerlinde Hoffmann`s Ehemann hingegen erkannte sehr schnell, dass Unterstützung auch bedeutet seine Frau dazu zu motivieren, Dinge auch allein zu probieren und ihr nicht bei jeder Tätigkeit unter die Arme zu greifen. "Er woar do scho der Treibende a immer. Oder dass er sog. Des is jo oft, dassd wennst ham kummst, dass da ois dau wird, in dem Foll hot er gsogt:'Na probiers nur selba, wirst scho drauf kumman.' Und ned, dass a ma ned hülft. Owa wos is selba mochn kau, bin ich scho froh, dass i selba des zsamm bring." (Interview 1, Zeile 454)

Den Eltern von Franziska Handil war es von Beginn an wichtig ihre Tochter zur Selbstständigkeit zu erziehen. Sie musste sämtliche Tätigkeiten, so gut sie konnte, ausführen. Dazu gehörten beispielsweise Aufgaben im Haushalt, oder die Arbeit auf dem Feld. Darüber hinaus bemühten sie sich ihr eine gute Ausbildung gewährleisten zu können. All dies führte dazu, dass Franziska heute folgendes behaupten kann:. "Und auf den eigenen Beinen gstondn bin, obwohl i ned gehn hob kennan. (lacht)" (Interview 3, Zeile 648) Franziska Handil`s Eltern waren in vielen anderen Bereichen, vor allem auch finanziell, sehr unterstützend und haben versucht ihre Tochter, soweit es ihnen möglich war, zu fördern. "Meine Eltern hom Wahnsinn. De hom ols gmocht, wos nur irgendwie erdenklich möglich woar." (Interview 3, Zeile 596)

Im Besonderen stehen die Ehemänner ihren Frauen zur Seite. So hat Gerlinde Hoffmann`s Ehemann beispielsweise dafür gesorgt, dass bei ihrer Rückkehr in das gemeinsame Haus alles so angepasst wurde, dass sie sich frei bewegen konnte.

Sabine Schrank bringt ebenfalls zum Ausdruck, dass die Beziehung zu ihrem Ehemann grundlegend dazu beiträgt, dass sie ein zufriedenes Leben führen kann. "So wia da Partner. I hob holt echt a an tollen Partner gfunden. Des mocht scho vül aus. Hot a super funktioniert, dass des Hond in Hond geht, gö. Also do gibts a nix und des ist dann holt a wichtig." (Interview 5, Zeile 581/585)

Zusammengefasst können und konnten alle Frauen auf Unterstützungen der Familie zurückgreifen, dennoch bleibt das Bedürfnis ein unabhängiges und selbständiges Leben zu führen erstrangig.

7.5 Gesellschaftliche Teilhabe

Durch die erworbene Behinderung werden die Frauen auch im gesellschaftlichen Zusammenhang in eine neue Rolle versetzt. Sie müssen sich mit Barrieren auseinandersetzen, mit denen sie zum Teil nicht gerechnet haben. Diese können sich auf Zugangsbeschränkungen, wie zum Beispiel Stufen, genauso beziehen, wie auf menschliches Verhalten.

Die Frauen äußern sich einerseits positiv über die Zunahme der Barrierefreiheit im täglichen Leben, sowie Veränderungen in der Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung, andererseits kritisieren sie, dass noch viele Bereiche verändert werden müssten, um eine uneingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft für alle Gesellschaftsmitglieder zu gewährleisten. "Des woar vor zwanzg Joa scho no schlimmer, wie jetzt also. Es wird immer besser. Also va dem her. Schauns scha immer mehr, dass barrierefrei san. Die Gehsteige zum Beispül mochens ned mehr so wülde Kanten. Zehn Zentimeter hoch oder fufzehne. Sondern schrägen as ob. Do kummst als Rollstuhlfahrer leichter auffi." (Interview 2, Zeile 563/565/567)

7.5.1 Barrierefreiheit als Notwendigkeit für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

Barrierefreiheit ist für die Frauen in allen Lebenslagen, egal ob im Beruf oder in der Freizeitgestaltung, ein wichtige Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Sie macht ein Leben in der Gesellschaft erst möglich.

Gerade in der Phase der Bewältigung des kritischen Lebensereignisses ist es für die Frauen wichtig wieder hinaus zu gehen und in das "normale" Leben zurück zu finden. Dies ist jedoch nicht uneingeschränkt möglich. So erklärt Sabine Schrank, was beispielsweise berücksichtigt werden muss. "Grod für Junge is es jo dann a wichtig, dass aussi kumman. Owa wie wüllst n wohin gehen, wennst niergends einikummst. Jo des ist scha oft so. Und dann is ka Zugong. Dann miassn die über die Stiagn auffihebn. I man geht eh a, owa is jo a bled. I man wer wüll denn des. Und dann brauchst jo a immer wen mit. Wie sullstn do unabhängig werden? Und du wüllst ja ned va wem obhängig sein. Und wüllst ja a furtgehn kennan, ohne dass do wer neben dir her rennt die gonze Zeit." (Interview 5, Zeile 317-325)

Die zum Teil schwer erreichbare Infrastruktur und der beschränkte öffentliche Verkehrsmittelbetrieb stellen im ländlichen Bereich eine Barriere dar, die durch den Besitz eines Autos (und Führerscheins) überwunden werden kann. Alle Frauen haben einen Führerschein - vier davon haben diesen in der Rehaklinik gemacht - und besitzen adaptierte Autos. Symbolisch steht das Auto für ein unabhängiges Leben. "Jo, owa im Großen und Gonzn. Auto foahrn kau i selba. Also i kumm überoll hin. Kau die Klane Kindergortn fiarn oder einkaufn foahrn wonn i wüll. Mit dem umbauten Auto is des super, gö." (Interview 2, Zeile 471/473/475) Autos bieten den Frauen die Möglichkeit mobil zu sein und am sozialen Leben teilzunehmen. Dafür sind im öffentlichen Bereich Behindertenparkplätze erforderlich, um den AutofahrerInnen genug Raum zum Ein- und Aussteigen zu bieten. "Wir brauchen den Parkplotz. Der is jo ned umsunst kennzeichnet, gö." (Interview 2, Zeile 509) Wie schon erwähnt, gilt der Behindertenparkplatz unter anderem auch als Voraussetzung, um einen Beruf ausüben zu können. So wurde Franziska Handil ein Behindertenparkplatz von ihren ArbeitgeberInnen zur Verfügung gestellt. Barrieren ergeben sich, wenn diese Parkplätze nicht vorhanden sind oder deren Notwendigkeit übersehen wird. "Do san drei Behindertenparkplätz vorm Schilling. Am ersten Parkplotz, do stengan Schilling Einkaufswagerl. Beim zweiten Parkplotz steht ein Radlständer und beim dritten der is gleich. Der is normal schmol wia a normaler Parkplotz. Wenn i mi durt einistöll kumm i ned aussa." (Interview 2, Zeile 493/495) Ein häufig auftretendes Phänomen ist, dass Behindertenparkplätze, aufgrund ihrer praktischen Lage, von Menschen benutzt werden, die diese gar nicht benötigen. "Jo. Wir hom dann. A Bekonnter von mia hot dann so Flyer gmocht, gö. Do steht obn hintn...Hinten steht as Gesetz obn va die Behindertenparkplätze und vorn steht ob ahm "Meinen Parkplatz haben sie schon. Wollen sie auch meine Behinderung?"" (Interview 2, Zeile 519)

Darüber hinaus ergeben sich Probleme in der Barrierefreiheit durch den beschränkten Zugang zu öffentlichen Gebäuden. "Owa du kumst jo trotzdem net überoll eini. Bei die öffentlichen Gebäude....des san jo meistens so olte Häuser, do kaunst dann net eini."(Interview 5, Zeile 265) So können Gewohnheiten, die im "alten" Leben selbstverständlich waren zum Hindernislauf werden. Die Frauen berichten von Barrieren in Geschäften und Einkaufszentren, die sich durch Stufen oder zu enge Gänge ergeben. Franziska Handil erzählt davon, dass der Besuch im chinesischen Restaurant an der nicht-vorhandenen Behindertentoilette scheitert, weshalb sie das Essen bevorzugt mit nach Hause nimmt. Sabine Schrank versteht deshalb auch nicht, warum Menschen im Rollstuhl vorgeworfen wird, dass sie sich zurückziehen, wenn sie gar nicht erst die Möglichkeit haben in Lokale zu gelangen. "Jo des is zum Beispül beim Lokal als gleiche. Do homs a riesen Lokal in Gratweil, wia des Luigi zum Beispül. Zoag ma amol wen, der do jemols hin kumt." (Interview 5, Zeile 479/483)

Gerlinde Hoffmann, die eine begeisterte Thermenbesucherin ist, hat aus Erfahrung festgestellt, dass manche Thermen barrierefreier gestaltet sind als andere. "Jo. Des kriagt ma eh aussa. Ma schaut holt so. Toges moch ma eh. Lapersbach foahr ma gern owi. Do geht's a ins Becken guat. Do gibt's eben de Lifte, wo a mi owi kurbelt. Und woa ma fricha imma Saunageher und.." (Interview 1, Zeile 372)

Gerlinde möchte zukünftig auch mehr mit ihrem Ehemann reisen, weiß aber auch, dass sie bei Urlaubsbuchungen gewisse Dinge berücksichtigen muss. "Reisen wull ma oft aufongan a bissl. Schau ma mol. (lacht) Des ist goa ned so afoch. Danochst wo hin foahrst, dassd a barrierefreies Zimmer kriagst. Jo. Na. Es gibt heid scho vül Sochn wo`s paßt. I kenn a an de san jetzt von a Kreizfoahrt zruck kummen des woa a ols super, trotz Rolli. Du muasst des holt a ois scho va Haus aus schauen, dass des buchst und dass.." (Interview 1/ Zeile 278-282)

7.5.2 Menschliches Verhalten als Barriere zur Teilhabe am sozialen Leben

Nicht nur diese in der Umwelt vorhandenen Barrieren hindern Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sondern ebenso Verhaltensweisen und Einstellungen anderer Menschen. Vorurteile sitzen oft tief und kommen, wie die Frauen behaupten, meist noch von früher. "Kennt jo onsteckend a no sein. Wos ober i sog ...I man, des....Es san ois Vorurteile vo früher no. Sitzt sicher tief drinnen." (Interview 4, Zeile 1382-1390) Aus Angst vor diskriminierenden oder abweisenden Reaktionen, die aus diesen Vorurteilen entstehen, wagen sich die Frauen nach dem Unfall nur vorsichtig nach draußen. So stellen sie fest, dass es sie anfangs große Überwindung gekostet hat unter Leute zu gehen. "Do schon. Jo. Verändert.. Am Aufong woa`s scho unguat, dass die unter die Leit traust, oder oder...bist des amol aunimmst, owa inzwischen Gott sei Donk geht's scho gonz guat." (Interview 1, Zeile 234)

Sabine Schrank erzählt, dass sie nicht wusste, wie sie auf andere Menschen zu gehen sollte, auf der anderen Seite war ihr auch bewusst, dass es ihrem Gegenüber oft nicht anders erging. "Und dann is holt schwierig des aussigehn. Glaub des is scho as schwierigste. Owa du muasst jo aussi. Des woar owa scho komisch zuerst, wal du wasst goar ned, wie auf die Leit zua gehn. Und de wissens jo a ned. Owa du muasst holt unter die Leit." (Interview 5, Zeile 117)

Aus dieser Einsicht folgte, dass Sabine ihr Verhalten dahingehend veränderte, dass sie selbstbewusster agierte. "Und i hob dann a gmerkt je selbstbewusster i woar, je mehr i so an ersten Schritt gmocht hob, desto eher san de dann a auf mi zua." (Interview 5, Zeile 245) Ein offenes Verhalten trägt mit Sicherheit dazu bei Berührungsängste in Bezug auf Behinderung zu nehmen. Nichtsdestotrotz können Situationen, in denen sich die Frauen behindert oder diskriminiert fühlen, nicht ausgeschlossen werden. Heidi Zoller beschreibt eine Situation, in der ein Bankangestellter ihre körperliche Behinderung auf ihren geistigen Zustand überträgt. "Und und in Österreich is afoch so 'Üüüh, mit de mecht i ned unbedingt wos ztuan hom.' Oder so wie letztens jetzt. I woar mit meiner Tochter in der Bank drinnen. I wullt a Überweisung mochn. Und do hot owa wos mit der Kontonummer ned. Und plötzlich red der Angestellte mit meiner Tochter über die Kontonummer und ned mit mir. Hom i ma denkt, wos isn jetzt do. Der hot fix glaub, nur wal i im Rullstuhl sitz bin i deppat. Und wass, wass ned wo vurn und hintn, gö. Wo i ma gedocht hob irgendwo, es san dann immer so diese...i wüll owa goar ned sogn, dass es diskriminierend is. Sondern es is Unwissenheit." (Interview 4, Zeile 1342/1346) Ähnliche Erfahrungen hat auch Sabine Schrank gemacht und bringt zum Ausdruck, dass sie sich für den Umgang mit solchen Momenten entsprechende Verhaltensweisen zurecht gelegt hat. "Und ans sog i da glei. Monche Leit glauben jo echt, walst im Rullstuhl sitzt, dassd im Kopf a wos host, gö. Owa für bled verkafn derfst die a ned lossn. Also du muasst die scho a bissl auf die Fiass stölln. Und gewisse Leit muasst des scho umibringen. Oder wos i dann augfong hob is, wenn die die Leit ständig auschaun oder mitleidig auschaun. I schau do ständig zruck." (Interview 5, Zeile 511-519)

Es lässt sich generell aus den Äußerungen der Frauen erkennen, dass Menschen mit Behinderung häufig mit Mitleid von außen konfrontiert sind. Hier zeigt sich, dass bemitleidendes Verhalten verstärkt bei älteren Menschen zum Vorschein kommt. So wurde Sabine Schrank beispielsweise wiederholt Geld zugesteckt. "Jo schon. Amol in Thal do hot ma ane wos einigsteckt in die Hond. Do denken sa sie dann, de kau nix und de hots so schwer. De braucht des Göld." (Interview 5, Zeile 345) Die Frauen führen solche Reaktionen der Bevölkerung auf die Vergangenheit zurück, in der Menschen mit einer Behinderung weitgehend aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wurden. "Im im Prinzip und die ondern, die ondern körperlich Behinderten hot ma eigentlich immer a bissl wegschobn, wal jetzt sans bleder Weis jo vül mehr in der Öffentlichkeit. Wal die Rollstühle besser wordn san. Owa fria hot me de ned unbedingt in der Öffentlichkeit gsegn und ma hot sie a ned unbedingt mit dem beschäftigen müssen." (Interview 3, Zeile 1366-1374) In diesem Zusammenhang vermutet Sabine, dass durch die zunehmende Barrierefreiheit und dem damit einhergehenden Sichtbar werden von RollstuhlfaherInnen, Jugendliche selbstverständlicher mit Behinderung umgehen, als ältere Menschen. "Na ma muass scho dazua sogn, dass sie vüll dau hot. Früher homs de jo wegsperrt. Desholb kummt ma a manchmol vor, dass monchn Leit holt a Problem hom. Also mir kommt eh vor eher die Ölteren. Die Jüngeren san eh super. Für de ist des jo ols nix mehr." (Interview 5, Zeile 309/313)

Zusammengefasst wird erkannt, dass Veränderungen im Gange sind, diskriminierende und exkludierende Strukturen jedoch nach wie vor präsent sind. "Jo vül hot sie eh taun, owa einiges is scho no..." (Interview 5, Zeile 329)

7.6 Körper als Zentrum von Gesundheit und Wohlbefinden

Die letzte Kategorie, die dargestellt wird, rückt den Körper ins Zentrum der Betrachtung. In der Auswertungsphase war eine auffällig häufige Verwendung von Codes, die sich auf den Körper beziehen, erkennbar.

7.6.1 Körperliche Veränderungen

Besonders prägnant erwies sich der Code Körper_Veränderungen. Vier Frauen sind in Folge von Unfällen querschnittgelähmt. Eine Frau ist aufgrund von Kinderlähmung und weiterer Unfälle und Verletzungen auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Fakt ist, dass es bei allen Frauen zu körperlichen Veränderungen gekommen ist. Dass diese jedoch weiter reichen, als nur auf die Lähmung selbst bezogen, soll durch die Aussagen der Frauen verdeutlicht werden. "Wos für mi am Aufong a sehr beeindruckend woar, a aus Sicht der Kronknschwester im Prinzip. I hob ma immer gedocht 'Ok Querschnitt hasst du sitzt holt im Rullstuhl, kaust deine Fiass net bewegn'. Dass des owa no vül mehr bedeutet. Dass du zum Beispiel je noch Lähmungshöhe ka Stabilität host." (Interview 4, Zeile 74/78) Eine der wesentlichsten körperlichen Veränderungen bezieht sich, so die Frauen, auf den Verlust der Stabilität. Mit diesem veränderten physischen Zustand umgehen zu lernen, stellt, wie schon erwähnt, die Hauptaufgabe in der ersten Phase nach dem Unfall dar. Die Veränderungen betreffen aber auch andere Körperfunktionen. So bewirkt beispielsweise die beeinträchtigte Blasen- und Darmfunktion eine beträchtliche Umstellung im Leben der Frauen. "Owa jo. Na. Des is eh a no vül bleda. Die Fiass gegan eh no. Bis das des am Aufong mit da Blosn ois in Griff kriagst. Uberhaupt wennst unterwegs bist. Host ka Klo." (Interview 1, Zeile 440) Die Darmentleerung kostet nicht nur Zeit, sondern muss auch regelmäßig durchgeführt werden, wodurch die Frauen in ihrer Flexibilität eingeschränkt sind. "Des is holt lästig, gö. Oder dann häst wos vor oder mächast wos mochn und dann kaunst du owa ned so schnöll, wal da Darm is um de und de Zeit gwohnt, dass a entleert wird." (Interview 2, Zeile 461) Die Veränderung der Verdauung sowie die Lähmung des Schließmuskels (Enddarm) führen dazu, dass die Frauen ganz besonders auf die richtige Ernährung achten müssen. "Do hob i bissi zvül trunkn. Oft hots hiaztat. Des ist ned glei so. Es is ois onders. Bei der Esserei sowieso. Jo. Und mit der Verdauung. Vorige Wochn homs do so an guatn Opflsoft gmocht do. Gestern, heit amol so richtig durchgrissn. Des is unguat. Im Sitzen, woasst scho. Weil an Endmuskel. Des gspürst holt ois ned." (Interview 1, Zeile 244-252)

Gerlinde Hoffmann erklärt, dass ebenfalls in Bezug auf Harnweginfekte präventive Vorsicht geboten ist. "Des is. Dass do kane Harnweginfekte kriagst. Des geht oft schnella, wias da denkst. Wenn ma des ned gspiat." (Interview 1, Zeile 446/448)

Ein weiteres, ernstzunehmendes Risiko besteht durch das mögliche Auftreten eines Dekubitus (Druckgeschwür), dem sogenannten Wundsitzen und/oder Wundliegen. "Jo, des sen eben so. Dekubitus gonz schlimm. Wenn des tiaf einigeht, dann muasst operiert werdn, siest wird's no schlimmer." (Interview 1, Zeile 394) Aus Erfahrung berichtet Gerlinde Hoffmann, dass ein Dekubitus schneller entstehen kann, als sie erwartet hätte. Vermutlich hatte sie sich beim Übersetzen in der Sauna die Haut aufgeschürft, im Zusammenhang mit dem permanenten sitzen im Rollstuhl, führte diese Wunde zum Dekubitus. Zur Heilung musste sie drei Wochen im Bett bleiben. Franziska Handil versucht einem Dekubitus so gut wie möglich vorzubeugen, in dem sie speziell auf die Körperpflege Acht gibt und ein Fell als Unterlage verwendet. "Dass ma schmiert und wirklich drauf schaut, ned. Na i schau, i lieg a auf so am Fell. Und hob a wenn i ned daheim bin, in Hausberg oder wie i do weg woar heia a Fell mit. Weil des gonz afoch wichtig is, dass du do net offen wirst." (Interview 3, Zeile 1006/1010)

Sandra Hager hatte bereits während des Krankenhausaufenthalts mit verschiedensten Komplikationen zu kämpfen und kritisiert im Zuge dessen auch das ärztliche Vorgehen. Nach wie vor leidet sie unter starken Krämpfen und Spasmen, weshalb sie den Wunsch nach einer wirksamen Behandlung äußert. "Also wenn i bis Mitternocht auf bin oder bis zehni auf bin an gonzn Tog durchgehend. Dann hob i so vül Krämpf, dass i wenn i borfuass im Rollstuhl sitz, dass mi fost aussihaut." (Interview 2, Zeile 663/665)

Heidi Zoller erzählt, dass sie täglich mit Kreislaufproblemen aufwacht. "Und des is a für mi a jeden Tog vo vo in da Friah is mei Kreislauf immer schlecht. Und in der Friah is afoch so, dass denkst 'Puah'. Des is immer mei schlimmste Phase." (Interview 3, Zeile 1666/1670)

Trotz allem sind die Frauen mit ihrem gesundheitlichen Zustand zufrieden. Sie haben Schicksale von Menschen mitbekommen, die weitaus tragischer waren, wodurch sie sich selbst als "Hautabschürfer", wie Gerlinde Hoffmann es ausdrückt, empfinden. "Jo. Weil i hob gsehen...es klingt vielleicht blöd, owa des stimmt weil, obwohl dass ma, obwohl ma net gehen kaun, dass ma trotzdem zufrieden is. Wal wennst du siehst, wies onder geht....die sie den Kopf anbinden lossen miassn, die selber nicht essen können." (Interview 3, Zeile 925/929)

7.6.2 Die Relevanz eines gesunden körperlichen Zustands

Die Frauen erkennen, dass ein funktionstüchtiger, gesunder Körper zur Bewegungsfreiheit beiträgt. Ein intakter körperlicher Zustand ist für sie unentbehrlich, weshalb darauf besonders Acht gegeben werden muss. "Jo. I muass schauen, dass i meine Händ. I brauchs jo ständig. Und dass i de Schultern ned ruinier. Ned no mehr." (Interview 1, Zeile 148/150) Im Großen und Ganzen ergeben sich körperliche Abnutzungen, durch die Benutzung des Rollstuhls selbst. In diesem Zusammenhang sind besonders die Arme und Schultern betroffen. "Owa jo. Trotz ollen. Des is holt aso. Ah. Die ondern hoben auch Probleme, owa natürlich in unserem Foll kommts dann holt doppelt und dreifoch. (lächelnd) I hob also i hob scho a poar Mol mit den Schultern Probleme ghobt." (Interview 4, Zeile 977/981)

Es wird darauf hingewiesen, dass sich gesundheitliche Probleme und körperliche Schwächen, im Gegensatz zu Personen ohne Behinderung, viel gravierender auswirken. So sind Menschen mit körperlicher Behinderung verstärkt auf ihre physischen Kräfte angewiesen. Heidi Zoller verdeutlicht, dass der psychische und physische Zustand, auch vor dem Unfall variiert hat, die Auswirkungen jedoch für das Leben mit Behinderung eine andere Bedeutung haben. "Nur is da ned aufgfolln. Du host a deine Schädlweh ghobt, woarst zwida und des. Und des is bei uns dann holt oft, dann dass wenn du körperlich net guat drauf bist und net amol gscheit....vom Bett in Rullstuhl schaffst, wal du körperlich hin bist." (Interview 4, Zeile 154/158) In diesem Zusammenhang ergänzt sie, dass sich das Gefühl des "sich im eigenen Körper nicht wohl fühlen", welches genauso bei nicht-behinderten Menschen auftritt, im Rollstuhl stärker spürbar ist. "Wal wal i sog immer, ned jeder Behinderte kummt kummt jeden Tog mit seiner Behinderung zu Recht. Wal es gibt Tage, i sog amol wennst wieder an Harnwegsinfekt host und die Regelblutung und ois drum und drau. Und des passt ned so. Und du bist zwieda und und aubissn auf di und fühlst di grauslig. Wals afoch natürlich im Rullstuhl dann no no schlimmer is." (Interview 4, Zeile 1526-1534)

Gerlinde Hoffmann erklärt, dass es sinnvoll ist auf das Körpergewicht zu achten, um sich das Leben nicht zusätzlich zu erschweren, denn jedes überflüssige Kilogramm bedeutet für sie zusätzlichen Kraftaufwand. "Na, i war vielleicht a veraunlogt dazua, dass i zuanimm, owa des wül i eben a ned. Dadurch dassd jeden Kilo nocha hebn muasst ist nochher ned so aufoch. Jo stimmt. Des mochts jo dann a schwierig. Jo. Jo. Des ist dann a ois schwieriger, wennst dick wirst." (Interview 1, Zeile 262/264) Heidi Zoller weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Körper im Rollstuhl nicht so viele Kalorien verbrennt, weshalb es ratsam ist, Rücksicht auf Ernährung und Bewegung zu nehmen. "Wal i kau jo des ned verbrennen. Im Rullstuhl, wenn i sitz, so wia a Normaler." (Interview 4, Zeile 730/734)

Zusammengefasst müssen sich die Frauen auf physischer Ebene auf unterschiedliche Veränderungen einstellen und im Besonderen auf ihr körperliches Wohlbefinden achten.

7.6.3 Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Fitness

Der Körper scheint für die Frauen ein wichtiger Faktor zur Gestaltung eines zufriedenstellenden Lebens zu sein, weshalb sie bewusst auf gesundheitsfördernde und Fitness steigernde Aktivitäten setzen. "Na es ist wichtig, wennst immer sitzt, dassd wos tuast. Jo Therapie geh i sunst a bissl. Dassd i imma, wos tua bissl, wal du muasst schaun. Dassd deine Gelenke immer durch bewegst, dass de ned." (Interview 1, Zeile 108) Sportliche Betätigung ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Mittel, um sich durch Bewegung fit zu halten. "Was tu ich? Und do woars für mi a so, dass i gsogt hob, wos für mi holt wichtig is, um fit zu bleibn. Um aktiv zu sein is afoch der Sport." (Interview 4, Zeile 326/330) Gleichzeitig bietet Sport die Möglichkeit die Freizeit aktiv zu gestalten, sich vor Herausforderungen zu stellen, sowie in Kontakt mit anderen Menschen zu treten. "Und des san afoch so Dinge, wo i sog i merk a, dass i jetzt a an der Stabilität durchn Sport durch an der Stabilität dazuglernt hob und ols, gö. Mei Durchblutung is guat, von der Bewegung her. I bin vüll vüll vüll sehr vüll unterwegs. (lacht)" (Interview 4, Zeile 370) Eine beliebte Sportart unter den Frauen ist das Handbike fahren. Drei der Frauen besitzen ein Handbike. Gerlinde Hoffmann berichtet von den Radfahrausflügen, die sie sichtlich genießt und die sie mit anderen Menschen zusammen bringt. "Jo...so olle Tog a bissl a Programm. Woarn mehrere Gruppen. Die gonzn Profis und und so san eben a immer Leit, de trifft ma oft immer wieder." (Interview 1, Zeile 124)

Die Frauen nennen des Weiteren Sportarten wie Schwimmen, Badminton, Rollstuhlbasketball und Tischtennis. "Und des woar bei mir holt durchn Zufoll irgendwo, dass i dann zum Tischtennis kumman bin und des taugt ma afoch, wal do gehts holt wirklich um mich alla a, gö." (Interview 4, Zeile 366) Heidi Zoller spielt unter anderem im Verein Tischtennis und hat dadurch schon an internationalen Meisterschaften teilgenommen. Durch diese Freizeitaktivität ist sie darüber hinaus sehr viel unterwegs, wodurch sie andere Kulturen, Menschen und Ansichten kennenlernt. "Na i bin a international. Also international spül i a. Und bin...I woar jetzt in England. In Holland. Dann woar ma in Tschechien, Slowenien. Italien. Also...Jetzt die Europameisterschoft woar in in Kroatien und so, gö. Also es is afoch. Du bist vül unterwegs, lernst irrsinnig vül Leit kennan. Und vül Einstellungen und a vül Ausichten irgendwo von onderen Ländern und Menschen eigentlich. Zu Menschen mit Behinderung, gö." (Interview 4, Zeile 382-394)

In freizeittechnischer Hinsicht schreckt Heidi außerdem nicht davor zurück Herausforderungen anzunehmen und an ihre Grenzen zu gehen. Sie nimmt Einladungen zum Fallschirmspringen an und lässt das Angebot nicht aus, an einer Wildwasserfahrt teilzunehmen. "Hiaz, hob i ma natürlich überlegen miassn, wie schaff i des. Wo muass i überoll meine Muskeln ausponnan, wenn i eitauch im Wossa, im Wüldwossa is jo ned immer jedes Dings gleich. Des is natürlich wos onders, wennst am See bist, der ruhig is. Und des woass i. Ersten fünf Minuten hob i ma denkt, am liabsten schmeiss i as Paddel einie, wal des bringts ned, gö. Jo owa dann is gongan. Des is super gongan sogar. Wal wir san teilweise, dann sogor durch Strömungen durch und ois und es hot funktioniert und des san afoch so Sochn wo i ma denk, genau so is unser Leben a." (Interview 4, Zeile 626-638) Es reizt sie herauszufinden, was möglich ist und Wege zu finden, die sie, trotz der körperlichen Beeinträchtigung, ans Ziel bringen. Dabei stellt sie fest, dass mehr möglich ist, als Menschen mit Behinderung unter Umständen zugemutet wird. "Und des is, des is des wo i immer sog, des is genial, wal es gehn eigentlich so vül Dinge, gö. Es is ned so, dass ma wirklich sogt 'Na des kau i goar ned mehr mochn. Des geht ned.'" (Interview 4, Zeile 590/594)

Durch Sport kann die körperliche Fitness gesteigert und in Folge dessen elementare Bewegungen erleichtert werden. Sport ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, die dazu beiträgt, dass das körperliche Wohlbefinden in Einklang ist. Gerlinde Hoffmann benutzt beispielsweise Thermenaufenthalte und Saunabesuche dazu, um körperlich abgehärteter zu sein und potentiellen Krankheiten vorzubeugen. Franziska Handil wendet verschiedene Methoden an, damit sie ihren Gesundheitszustand beibehalten kann. "Mit Entspannungsbod, wal i die Probleme mit der Schulter so hob und vom Nockn bis runter zum Oberorm, owa i bin zufrieden wenns so is, dann mach ich, also normal eine halbe Stunde Bauchlage. Und a gute Stunde meine Turnübungen." (Interview 3, Zeile 773/777)

Zusätzlich nehmen die Frauen therapeutische Angebote, die sie zum Teil auch selbst bezahlen, sowie die Möglichkeit zu Kuraufenthalten, an. "I hob also i hob scho a poar Mol mit den Schultern Probleme ghobt. I leist ma des Privatvergnügn, dass i olle 14 Tog a Physiotherapeutin kommen loss. Wirklich privat. Zusätzlich hob i jetzt in W. a die Physiotherapeutin, die hob i owa ned so oft, die hob i nur 10 Mol im Joahr. Öfter ned.. Und dann schau i no, dass i auf Kur foahr." (Interview 3, Zeile 981)

8 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

8.1 Beantwortung der forschungsleitenden Frage anhand der Schlüsselkategorien

Forschungsfrage:

Wie verändern sich die Lebenszusammenhänge von Frauen nach erworbener körperlicher (Bewegungs-)Behinderung?

Im Folgenden soll die Forschungsfrage anhand der gewonnen Ergebnisse diskutiert werden. Es kann mit Sicherheit behauptet werden, dass sich die Lebensrealitäten der Frauen verändern. Wie sich diese Veränderungen gestalten und in welchem Ausmaß diese passieren, soll im Folgenden beantwortet werden. Die entwickelten Schlüsselkategorien sollen herangezogen werden, um die Diskussion der Forschungsfrage zu gliedern. Diese Vorgangsweise ist unter anderem auch dehalb möglich, weil sich die Schlüsselkategorien, die sich aus der Bearbeitung des Datenmaterials ergaben, auf die Lebensrealitäten der Frauen beziehen.

8.1.2 Arbeit/Ausbildung

Lebenszusammenhänge werden entscheidend durch die berufliche Identität beeinflusst. Der Beruf ist Teil der Identität und gehört zur Lebensrealität der Frauen.

Der Bereich der Berufstätigkeit ist gravierenden Veränderungen unterworfen. Vor dem Unfall waren alle Frauen berufstätig, zum Zeitpunkt des Interviews hingegen keine einzige. Die Frauen sind damit konfrontiert pensioniert zu werden und nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten zu können. Der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ist einerseits durch die Pensionierungen nicht notwendig, andererseits durch Barrieren am Arbeitsplatz behindert. Das Bedürfnis der Frauen in ihren erlernten Berufen tätig zu sein, ist jedoch gegeben.

Wie wichtig die berufliche Identifikation ist, zeigt sich beispielhaft an Heidi Zoller, die gerne wieder in ihrem Beruf als Krankenschwester tätig werden würde. Der Wiedereinstieg wurde ihr verwehrt, weshalb sie alternative Wege sucht, ihr erlerntes Wissen weitergeben zu können. Ähnlich ist durch das private Haareschneiden bei Sandra Hager die Bedeutung ihres erlernten Berufes erkennbar.

Veränderungen in beruflichen Lebensrealitäten zeigen sich im beschränkten, beziehungsweise nicht vorhandenen, Zugang zum ehemaligen Arbeitsbereich. Sie wirken sich auf den gesamten Lebensbereich der Frauen aus. Keine Arbeit zu haben bedeutet, dass die Frauen ihren Alltag umstellen müssen. Sie müssen Beschäftigungen und Interessen finden, die der Zeit und dem Raum, die die ehemalige Berufsausübung beansprucht hat, ausfüllen können. Es lassen sich beispielsweise intensivere Betätigungen im Freizeitbereich feststellen, die in der Form vor den Unfällen nicht vorhanden waren.

Ebenso kann die Ausübung gemeinnütziger und freiwilliger Arbeit, welche erst nach den Unfällen ausgeübt wird, als Alternative zur ehemals bezahlten Arbeit gesehen werden.

8.1.3 Mit einer neuen/alten Lebenssituation leben lernen

Diese Schlüsselkategorie bezieht sich auf den Übergang zwischen der "neuen" und der "alten" Lebensrealität, welche für die Frauen sehr intensiv erlebt wurde. Die Intensität konnte durch die Erzählungen vermutet, das gesamte Ausmaß mit Sicherheit nicht wiedergegeben werden. In dieser Phase wird von den Frauen realisiert, dass sie sich auf eine neue Lebensrealität einstellen müssen. Die Unfälle, die Krankenhausaufenthalte sowie Aufenthalte in Rehabilitationszentren spiegeln einzelne Phasen der Veränderung wider. Ohne Zweifel verändern sich die Lebenszusammenhänge allein dadurch, dass die Frauen durchschnittlich ein Jahr aus ihrem gewohnten Alltag geworfen wurden.

Die Veränderungen werden den Frauen zum ersten Mal bewusst und sie müssen Wege finden, um mit diesen umgehen zu können. Gleichzeitig muss das Umfeld, in dem die Frauen leben, angepasst werden. Der Wohnbereich muss so verändert werden, dass die Frauen sich uneingeschränkt bewegen können.

Es kommt hinzu, dass die Frauen, wahrscheinlich stärker als davor, an sich arbeiten müssen, um die gewünschte Lebensqualität zu erreichen.

8.1.4 Das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und die Notwendigkeit Hilfe annehmen zu müssen

Die Lebenswirklichkeit der Frauen ist im Wesentlichen dadurch verändert, dass sie in eine Lage versetzt werden, in der sie Hilfe benötigen. In der neuen Lebenssituation müssen sie lernen Unterstützung anzunehmen und um Hilfe zu bitten. Es kann kritisch angemerkt werden, dass Menschen generell im Laufe ihres Lebens in Situationen kommen, in denen sie Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Menschen, die einen Rollstuhl benötigen, kommen nicht nur viel häufiger in eine solche Lage, sondern sie müssen darüber hinaus Unterstützungen für Tätigkeiten annehmen, die ohne Behinderung selbstverständlich sind.

Die Frauen müssen ihre persönliche Unabhängigkeit als erwachsene Personen darüber hinaus oft erst wieder einfordern. Sie sind mit Bemutterungsversuchen und bemitleidendem Verhalten konfrontiert, nachdem sie sich eigentlich bereits vom elterlichen Abhängigkeitsverhältnis losgelöst haben und ihre eigenen unabhängigen Lebensrealitäten aufgebaut haben. Durch die Unfälle und das Leben mit einer Behinderung, fühlen sie sich jedoch oft wieder als Kind behandelt und müssen sich ihre bereits gewonnene Unabhängigkeit und Selbstständigkeit wieder erkämpfen.

8.1.5 Gesellschaftliche Teilhabe

Die Lebensrealitäten einzelner Individuen ergeben sich nicht nur aus ihrem alleinigen Dasein, sondern auch im Zusammenleben mit anderen. Ebenso definiert sich die Identität durch den Austausch mit der Gesellschaft.

Da die gesellschaftliche Teilhabe durch die körperliche Behinderung jedoch beeinträchtig ist, bedeutet auch dies eine Veränderung für die Lebenszusammenhänge der Frauen. Viele gesellschaftliche Bereiche sind aufgrund von Barrieren für sie nicht zugänglich, weshalb sie ihr Leben so umgestalten müssen, dass sie diese Hindernisse umgehen oder überwinden können. Viele Überlegungen, die die Frauen anstellen müssen, wären in einem Leben ohne Behinderung nicht notwendig.

Der Zugang zur Gesellschaft ist für die Frauen keineswegs selbstverständlich. Planen sie einen Urlaub, müssen sie berücksichtigen, dass sowohl die Anreise als auch die Unterkunft, barrierefrei gestaltet ist. Wollen sie ein Lokal besuchen, müssen sie überlegen, ob sie dabei nicht auf Hindernisse stoßen. Diese und ähnliche Fragen bestimmen die Lebensrealitäten der Frauen und ihren sozialen Alltag.

Hinzu kommt, dass sie sich mit Reaktionen, die durch körperliche Behinderung oder ein anderes Äußeres hervorgerufen werden, auseinandersetzen müssen. In der neuen Lebenssituation sind sie vermehrt diskriminierenden und unangemessenen Verhaltensweisen ausgesetzt. Aus diesem Grund kostet es manchmal Überwindung hinaus zu gehen. Daraus ergibt sich eine zusätzliche Einschränkung für das gesellschaftliche Leben. Es bleibt ihnen keine andere Wahl, als sich mit diesen Reaktionen auseinanderzusetzen und Wege im Umgang damit zu finden. Ein selbstbewusstes Auftreten trägt mit großer Wahrscheinlichkeit dazu bei, dass bemitleidendes Verhalten oder Berührungsängste ausbleiben. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass Frauen, im Gegensatz zu Männern, gesellschaftlich traditionell "schwache" Charaktereigenschaften zugeschrieben werden. In den Gesprächen kommt zum Ausdruck, dass sich die Frauen durch das Leben mit der Behinderung eher "starke" Charakterzüge aneignen müssen, um als Individuen gesellschaftlich bestehen zu können.

8.1.6 Körper als Zentrum von Gesundheit und Wohlbefinden

Ein gesunder Köper ist maßgeblich an der Lebensqualität eines jeden Menschen beteiligt. Durch die Veränderungen des Körpers ergeben sich auch Veränderungen für die Lebensrealitäten der Frauen.

Veränderte Körperfunktionen führen dazu, dass die Frauen ihren gewohnten Lebensrhythmus umstellen müssen. Allein durch das Katheterisieren ist das Leben der Frauen beträchtlich beeinflusst und sie können ihr Leben nicht mehr so spontan und flexibel, wie früher gestalten.Sie müssen mit dem Bewusstsein leben mit erhöhter Wahrscheinlichkeit an Dekubiti, Harnwegsinfekten oder Gelenksabnützungen etc. zu erkranken. Diese physischen Beeinträchtigungen sind nicht nur sehr unangenehm, sondern behindern die Frauen darüber hinaus massiv in ihrer Mobilität. Sind Arme oder Hände verletzt, bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung für die Lebensgestaltung.

Aus diesem Grund geben die Frauen präventiv auf ihren körperlichen Zustand Acht. Im Gegensatz zu ihrem früheren Leben beschäftigen sie sich viel stärker mit ihrem eigenen Körper und messen diesem mehr Bedeutung bei. Körper wird nicht als Oberfläche für Attraktivität betrachtet, sondern als Mittel um ein zufriedenes Leben führen zu können.

In den Lebenswirklichkeiten der Frauen spielt körperliche Fitness, einhergehend mit sportlicher Aktivität, sowie körperliches Wohlbefinden, welches durch Therapien, Kuraufenthalten und ähnlichem erreicht wird, eine vordergründige Rolle. Es scheint als würden sich Wertigkeiten verändern. Während das "alte" Leben eher auf Bereiche, wie Beruf konzentriert war, rückt im "neuen" Leben die Person selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Diesbezüglich erweist sich die physische und psychische Gesundheit als besonders relevant für die persönliche Lebensqualität und Zufriedenheit.

8.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf die Theorie

Im theoretischen Teil wird aus Sicht der Disability und Gender Studies davon ausgegangen, dass marginalisierte Gruppen dazu beitragen die Mehrheitsgesellschaft zu beschreiben. In den gesellschaftlichen Reaktionen, mit denen die Frauen erst durch die Behinderung konfrontiert werden, lassen sich soziale Mechanismen, die sich auf Phänomene wie Angst, Ausschluss, Mitleid etc. beziehen, erkennen. Diese werden ausschließlich durch äußerliche Merkmale hervorgerufen und sind durch soziale Produktionsprozesse in den jeweiligen Personen tief verankert. Die Vorurteile, die diesen Verhaltensweisen zu Grunde liegen, dürften die Frauen auch selbst verinnerlicht haben, da sie der Außenwelt anfangs ängstlich entgegentreten. Sie wissen aus dem Leben ohne Behinderung, welche sozial konstruierten Bilder von Behinderung in der Gesellschaft vorhanden sind.

Die befragten Frauen definieren sich in ihrem Rollenbild eher durch bezahlte Erwerbsarbeit, als durch familiale Reproduktionstätigkeit. Während die Erzählungen stark auf die Ausübung von Berufen fokussiert waren, wurden vergleichsweise wenige Aussagen zur familialen Reproduktionsarbeit getätigt. Diese wenigen Aussagen bezogen sich darauf, dass es ihnen wichtig war Aufgaben im Haushalt erfüllen zu können. Für Tätigkeiten, die sie nicht mehr durchführen konnten, nahmen sie sich auch bezahlte Hilfen. Offensichtlich wurden diese nicht von ihren Partnern (sofern vorhanden) ausgeführt. Obwohl Arbeit anscheinend ein wichtiger Faktor in den Lebensrealitäten der Frauen ist, arbeitete zum Zeitpunkt des Interviews keine. Es hat den Anschein als würden sie versuchen diesen Verlust in anderen Bereichen, beispielsweise der Freizeitgestaltung, auszugleichen.

Identität ergibt sich, so im Theorieteil erklärt, aus einem Wechselspiel von Individuum und Gesellschaft.[15] Die soziale Anerkennung, die zur Bildung der Identität beiträgt, bleibt in vielen Bereichen aus. Oft wird ihre Identität als vermindert angesehen, indem den Frauen beispielsweise Geld zugesteckt wird. Sie müssen ihre Identität für sich umdefinieren, im Speziellen müssen sie Verhaltensweisen annehmen, die nicht unbedingt der "weiblichen Rolle" entsprechen. Sie müssen selbstbewusster und stärker agieren, um im sozialen Kontext bestehen zu können. Es wirkt so, als ob sie erst dadurch wahrgenommen werden würden. Traditionell den Frauen zugeschriebene Attribute, wie die Zuständigkeit für die Fürsorge oder Erziehung, werden durch die Notwendigkeit Hilfe annehmen zu müssen, beeinträchtigt.

Erikson[16] schreibt der Adoleszenz in der Identitätsentwicklung eine wichtige Rolle zu. Hier wird die Ich-Identität, die sich aus der Auseinandersetzung mit Entwicklungsaufgaben im Kindesalter ergibt, gefestigt und gesellschaftlich überprüft. Das heißt die Identität der Frauen ist zum Zeitpunkt der Unfälle bereits ausgebildet. Die kritischen Lebensereignisse führen zu Umorientierungen in der Identität, wodurch diese abermals von der Gesellschaft geprüft werden muss.

Chodorow[17] sieht die weibliche Identität stark von der Beziehung zu den Müttern beeinflusst. Sie bereiten ihre Töchter darauf vor, selbst Mütter zu werden. Die befragten Frauen sind bereits Mütter, werden durch die Unfälle aber mit übertriebenen Bemutterungsversuchen konfrontiert, wodurch ihre Rollen als erwachsene Frauen übergangen werden. Sie werden erneut in eine Art pubertäre Loslösungsphase versetzt, indem sie ihre Selbstständigkeit gegenüber ihren eigenen Müttern erneut einfordern müssen.

Durch die Behinderung scheint dem Körper mehr Aufmerksamkeit geschenkt zu werden. Dies geschieht jedoch nicht um die Attraktivität zu steigern, sondern aus praktischen Gründen. So versuchen sich die Frauen körperlich fit zu halten und ihr Gewicht gering zu halten, um die Alltagsgestaltung zu erleichtern und nicht um einem Schönheitsideal zu entsprechen.

In Bezug auf Partnerschaften lässt sich feststellen, dass die Frauen ausdrücklich betonen, dass es für sie nicht selbstverständlich ist, dass sie einen Partner gefunden haben, beziehungsweise von diesem nicht verlassen worden sind. Es ist zu vermuten, dass sie dies vor dem Unfall nicht in der Form zum Ausdruck gebracht hätten. Sie werten sich gewisser Maßen selbst in ihrer Attraktivität ab und nehmen sozial produzierte Ansichten an. Im Theorieabschnitt wurde darauf hingewiesen, dass sich Frauen oft über Beziehungen definieren.[18] Für Frauen mit Behinderung gestaltet sich dies oft schwieriger. Aus den Gesprächen ist ersichtlich, dass sich Beziehungen und Freundeskreise verändern. Der Zuwachs auf FreundInnen bezieht sich primär auf die Peergruppe, wodurch vermutet werden kann, dass Behinderung mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Identität beeinflusst. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Behinderung selbst in den Gesprächen als Begriff kaum benutzt wurde, viele der Aussagen, zum Beispiel über Barrierefreiheit, diese jedoch implizieren.

Die Unfälle beziehungsweise Krankheiten, die zur Behinderung führten, können definitiv als Brüche im Lebenslauf gesehen werden, die eine Umorientierung erfordern. Diese betraf verschiedene Bereiche, im Besonderen die Persönlichkeit. Die Frauen gingen aus dieser schwierigen Zeit im Endeffekt gestärkt heraus. So treten sie selbstbewusst auf und geben ihre Erfahrungen auch weiter.

Durch ein Leben ohne Behinderung und eines mit Behinderung, haben die Frauen zwei unterschiedliche Perspektiven auf Behinderung. Aus den Aussagen geht hervor, dass sich die Vorstellungen, die sie von einem Leben mit Behinderung hatten, nicht mit ihren realen Erfahrungen decken. So wurde das Ausmaß der Einschränkungen, welche sich durch veränderte Körperfunktionen ergaben, erst durch die Behinderung selbst ersichtlich und die Frauen mussten feststellen, dass Behinderung mehr bedeutet, als die Füße nicht spüren zu können. Im Speziellen wurden die Auswirkungen auf die physische Stabilität unterschätzt. Das Bild, welches die Frauen von einem Leben mit Behinderung hatten, war gekennzeichnet durch Abstriche in der Lebensgestaltung, tatsächlich stellten sie aber fest, dass mit einer körperlichen Behinderung viel mehr möglich ist, als sie angenommen hätten.



[15] Siehe Kapitel 4.1

[16] Siehe Kapitel 4.1

[17] Siehe Kapitel 4.2

[18] Siehe Kapitel 4.3

9 Ausblick

Aus den Erzählungen der Frauen mit erworbener Behinderung lassen sich Einsichten in deren Lebenswelten erlangen. Vor allem konnten Veränderungen, die sich durch die Unfälle und/oder Krankheiten ergeben haben, analysiert werden. Diese konnten beispielsweise in Interessensverlagerungen oder im verstärkten Fokus auf das körperliche Wohlbefinden erkannt werden. Eine große Umstellung ergab sich für die befragten Frauen dadurch, dass sie von der Gesellschaft anders wahrgenommen und behandelt wurden. Dies führte nicht nur dazu, dass sie sich mit den Reaktionen des sozialen Umfelds auseinandersetzen mussten, sondern auch mit sich selbst. Viele Veränderungen sind nicht durch die körperliche Beeinträchtigung, sondern durch gesellschaftliche Mechanismen bedingt.

Die vorliegende Arbeit soll einen ersten Einblick in die ("neuen") Lebensrealitäten von Frauen mit erworbener Behinderung bringen und eröffnet die Möglichkeit an bestimmten Stellen weiterführend und vertiefend in das Forschungsfeld einzudringen.

Es wäre denkbar das Leben vor der Behinderung konkreter zu beforschen - im Zuge der Gespräche wurde dieses im Verhältnis weniger ausführlich beschrieben - und es dann systematisch mit dem Leben mit der Behinderung zu vergleichen.

Von den Frauen wurde erzählt, dass es viele Männer gibt, die kritische Lebensereignisse nicht positiv bewältigen können und meist Alkohol- und/oder Drogenprobleme haben. Die Frauen selbst haben einen positiven Weg der Bewältigung gefunden und können eher eine Stärkung ihrer Persönlichkeit verzeichnen. Es bleibt die Frage offen, ob es auch Frauen gibt, die in maladaptive[19] Verhaltensweise verfallen. Vermutlich wäre der Zugang zu diesen Frauen verhältnismäßig schwieriger, das Forschungsfeld ließe sich dadurch jedoch umfassender beschreiben.

Es liegt darüber hinaus nahe, gezielte Vergleiche in Bezug auf die Lebensrealitäten von Männern nach einer erworbenen Behinderung anzustellen. Aus den Aussagen der Frauen lässt sich erkennen, dass sich Männer eher gehen oder von ihren Müttern umsorgen lassen, weil sie die Verluste, die mit einer erworbenen Behinderung einhergehen, nicht wegstecken können.

Die Gespräche (bis auf eines) wurden in ländlicher Gegend durchgeführt. Es lassen sich durch einzelne Aussagen der Frauen Unterschiede zum Leben mit Behinderung in der Stadt vermuten. So könnten die Situationen, die sich für Frauen nach erworbener Behinderung ergeben, konkreter hinsichtlich des Stadt-Land-Unterschiedes analysiert werden. Faktoren wie, vermehrte Barrierefreieheit und Anonymität in der Stadt, könnten sich auswirken.



[19] Unangepasste Verhaltensweisen zur Bewältigung menschlicher Schicksale und Krisen, wie z.B. gesteigerter Alkohol- und Medikamentenkonsum (vgl. Filipp und Aymanns 2010, S. 15).

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Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Initial Coding (Interview 4, Zeile 82)

Tab. 2: Focused Coding (Interview 4, Zeile 82)

Tab. 3: Memo writing (Interview 5, Zeile 511-519)

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Anm. B. S. Anmerkung Bettina Singer

ebd. eben diese/r

etc. et cetera

kursiv im O. kursiv im Original

vgl. vergleiche

WHO Weltgesundheitsorganisation

Auszug aus dem Gespräch mit Heidi Zoller

"Dann dann vorigs Joahr zum Beispül a a "Wüllst amol probieren im Wüldwossa foarhn?" Mit an so am Schlauchboot. Dann hob i gsogt, wia tua ma do. Dann hom ma hin und her plant und probiert und dings. Tschak bum, dann san ma wirklich im Wildalpen owa gfoahrn. Hob i gsogt, des is irgendwie witzig gwesn, weil i ma afoch denk, wal so schaun, wos kau ma eigentlich mochn. Wo san deine Grenzen? Wos geht? Und es sin immer Leit irgendwo do, de bei so ana Aktion sozusogn a mitmochen und sogn "Jo probier ma`s und tua ma" gö. (lacht verschmitzt) Und des is, des is des wo i immer sog, des is genial, wal es gehn eigentlich so vül Dinge, gö. Es is ned so, dass ma wirklich sogt "Na des kau i goar ned mehr mochn. Des geht ned. Des is unsinnig, gö. Sondern es gibt no so vül Variationen vo dem. (sehr positiver Ton in der Stimme) Wo i sog ...Bitte, ma kau so vül Klanigkeiten finden, wo ma Spaß hobn kau und und wos lustig is oder a ned lustig. Owa..Owa, a owa wo ma wirklich, wos ma leben kau a. Wal i sog des hasst nix, nur weil i im Rullstuhl sitz, dass dass mei Leben ned a a Abenteuer sein kau, gö. I bin vorn gsessn und mei Onkel is hintn gsessn, gö. Owa es woar a, wennst autaucht host, beim ersten Mol mochts blubb und mei Hintern woar weg, wal i jo unten natürlich ka Stabilität hob, gö. Hiaz, hob i ma natürlich überlegen miassn, wie schaff i des. Wo muass i überoll meine Muskeln ausponnan, wenn i eitauch im Wossa, im Wüldwossa is jo ned immer jedes Dings gleich. Des is natürlich wos onders, wennst am See bist, der ruhig is. Und des woass i. Ersten fünf Minuten hob i ma denkt, am liabsten schmeiss i as Paddel eini, wal des bringts ned, gö. Jo owa dann is gongan. Des is super gongan sogar. Wal wir san teilweise, dann sogor durch Strömungen durch und ois und es hot funktioniert und des san afoch so Sochn wo i ma denk, genau so is unser Leben a. I man es is zwor ned immer so, dassd sogst du kaunst dein Weg gehn, so präzise wiest as vor host. Und as planst sondern es kumman dann a immer irgendwelche Strömungen und ziagn die eigentlich irgendwo onders hi. Owa du muasst dann holt trotzdem a, wenn du wüllst... Die dort hinpaddeln, dassd des Ziel, wos du ungefähr vor host dann eigentlich a schaffst. I man immer schafft ma`s eh ned owa owa, dass ma wenigstens annähernd dort hin kummt, sog i amol, gö." (Interview 4, Zeile 586-658)

Codefamilien mit dazugehörigen Codes

Anmerkung der bidok-Redaktion: Dieser Teil kann unter: LINK als Pdf downgelodet werden

Code Family: (Um)Bau Haus

Codes (3): [Barrierefreiheit_eigenes Haus/Wohnung] [Ehemann musste Betrieb verändern] [Hausbau]

Quotation(s): 29

______________________________________________________________________

Code Family: (Un)Zufriedenheit und Wohlbefinden

Codes (10): [Dankbar über eigenen Zustand] [Findet Unzufriedenheit nicht notwendig] [Folgen von Unzufriedenheit] [Fühlt sich in Stadt wohler] [Lebensqualität finden] [Will Leute vermitteln, dass sie zufrieden sind] [Zufrieden mit Rehaklinik] [Zufriedenheit_allgemein] [Zufriedenheit_eigene Einschätzung] [Zufriedenheit_körperlicher Zustand]

Quotation(s): 24

______________________________________________________________________

Code Family: Abgrenzung von anderen Sichtweisen

Codes (3): [Abgrenzung von Meinung anderer] [Hat keine psychischen Einschränkungen] [Manche Leute schauen komisch]

Quotation(s): 5

______________________________________________________________________

Code Family: Aktzeptieren der neuen Lebenssituation

Codes (6): [Akzeptieren, dass QS nicht rückgängig zu machen ist] [Annehmen der Situation] [Bessere Lebensqualität durch Akzeptanz] [Einstellen auf die neue Situation] [Realisieren der Situation] [Realisierung des QS dauert]

Quotation(s): 17

__________________________________________________________________

Code Family: Allgemeine Erzählungen/Aussagen

Codes (25): [Es gibt Beschwerden, wenn behindertes Kind in einer Klasse ist] [Es muss noch einiges verändert werden] [Findet es geht und gut] [Findet, dass diskriminierendes Verhalten aus Unwissen entsteht] [Für junge Männer ist es wichtig raus zu kommen] [Für Junge sind behinderte Menschen nichts Anormales] [Gefühlslosigkeit bei Jugendlichen] [Gefühlslosigkeit im Alltag] [Gefühlslosigkeit im TV] [Geistiger und Körperlicher Antrieb geht verloren] [Gesellschaftskritik] [Hinweis auf österreichische Schulpflicht] [Kinder müssen selbststänig werden] [Kritik an Erziehung] [Leben wird immer gefühlsärmer] [Mehr Behinderte in Kriegsländern] [Menschen sind sehr negativ eingestellt] [Menschen sollten intelligent sein] [Neid unter den Leuten] [Offenheit im Umgang mit Behinderung] [Reaktionen_Kinder] [Studieren ist nicht einfach] [Universitäres System ist umständlich] [Unzufriedenheit unter den Leuten] [Vieles oft nicht so perfekt, wie es scheint]

Quotation(s): 45

______________________________________________________________________

Code Family: Allgemeine Lebenseinstellung

Codes (2): [Glück ist immer im Spiel] [Perspektivenlosigkeit von Jugendlicher]

Quotation(s): 3

______________________________________________________________________

Code Family: An sich selbst arbeiten

Codes (10): [An sich selbst arbeiten] [Es liegt viel an einer selbst] [Geht nicht, gibts nicht] [Hat positive Einstellung] [Hatte positive Einstellung] [Mensch kann Glück nur selbst finden] [Mensch muss in jeder Situation an sich arbeiten] [Selbstbewusstes Auftreten ist wichtig] [Wille muss vorhanden sein] [Zum Großteil ist liegt es an einer selbst]

Quotation(s): 36

______________________________________________________________________

Code Family: Anfänglicher Umgang mit neuer Lebenssituation

Codes (19): [Anfänglicher Umgang mit Behinderung nicht einfach] [Brauchte Zeit um sich unter Leuten wohl zu fühlen] [Lernen auf Leute zuzugehen] [Lernen_braucht Zeit] [Motivation von aussen aus dem Bett raus zu gehen] [Motiviert durch den Gedanken wieder normales Leben führen zu wollen] [Mut beweisen im Umgang mit Rollstuhl] [Neue Situation nicht einfach] [Perspektiven finden] [QS fordert Umstellungen] [Rollstuhl für Unabhängigkeit] [Schlimme Phase im Leben] [Schwere Zeit] [Umgang mit neuer Situation] [Umgehen mit der neuen Situation] [Überwindung nach draussen zu gehen] [Viele Rückschläge am Anfang] [Wusste sie muss raus gehen] [Wusste, dass depressiv sein nichts bringt]

Quotation(s): 48

______________________________________________________________________

Code Family: Auf Körper Acht geben

Codes (9): [Beachtung der Ernährung] [Besonders Aufpassen wegen Harnwegsinfekten] [Gewicht macht Situation schwieriger] [Körperliche Abnützungen] [Körperliches fit halten] [Sauna ist gut als Abhärtung] [Therapeutische Massnahmen] [Versucht auf Kur zu fahren] [Wichtigkeit der Hände]

Quotation(s): 39

______________________________________________________________________

Code Family: Auf sich selbst gestellt sein

Codes (4): [Auf sich selbst gestellt sein] [Man muss lernen eigenes Leben wieder in die Hand zu bekommen] [Mensch kann Glück nur selbst finden] [War zu Hause auf sich alleine gestellt]

Quotation(s): 6

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Code Family: Aufgabenbereiche

Codes (6): [Aufgabenbereich_Fürsorge Kind] [Aufgabenbereich_Haushalt] [Aufgabenbereich_Landwirtschaft] [Hat sehr viel zu tun] [Verantwortlich für Hochzeitsvorbereitungen] [Verteilung der Aufgabenbereiche]

Quotation(s): 21

______________________________________________________________________

Code Family: Aus Erfahrung lernen

Codes (6): [Aus Erfahrung lernen] [In der Praxis lernen] [Lernen_eigene Erfahrung] [Praxisbeispiele sind wichtig] [Versucht herauszufinden was möglich ist] [Viele Dinge möglich]

Quotation(s): 18

______________________________________________________________________

Code Family: Ausbildung

Codes (9): [Ausbildung zur Krankenpflegerin] [Ausbildung_berufsbildend] [Ausbildung_Erfolgserlebnisse] [Ausbildung_Herausforderungen annehmen] [Ausbildung_Schulzeit] [Ausbildung_Schwierigkeiten] [Ausbildung_Umzug/Schulwechsel] [Barriere_Zugang Schule] [Schulzeit_positive Äusserung]

Quotation(s): 71

______________________________________________________________________

Code Family: Barrieren/Barrierefreiheit

Codes (27): [Ärger über nicht passend eingerichtete Behindertentoilette] [Barrierefreiheit als Vorraussetzung für Arbeitsplatz] [Barrierefreiheit_Haus/Wohnung] [Barrierefreiheit_Öffentlichkeit] [Barrieren am Land] [Barrieren auch für dicke Frauen] [Barrieren fallen als Geher nicht auf] [Barrieren im Alltag] [Barrieren im Weg] [Barrieren_Freizeitgestaltung/Urlaub] [Braucht breiteren Parkplatz] [Elektrische Türen im Rehazentrum] [Gesellschaftlicher Ausschluss von behinderten Menschen] [Hat in Stadt alles in der Nähe] [Hätte gern überall Barrierefreiheit] [Initiative gegen Parken auf Behindertenparkplätzen] [Muss Dinge berücksichtigen bei Urlaubsbuchung] [Schwierigkeiten beim Türe öffnen] [Stadt praktischer als Land] [Türen müssen praktisch sein] [Türn aufmachen ist anfangs schwer] [Unabhängigkeit_Angewiesen sein auf andere] [Unabhängigkeit_Angewiesen sein auf Auto] [Unterschiedliche Breite von Türen] [Verbesserungen in der Barrierefreiheit] [Waschbecken in Behindertentoilette nicht benutzbar] [Wichtig, dass keine Barrieren beim Weggehen wären]

Quotation(s): 68

______________________________________________________________________

Code Family: Behinderung als Einschränkung

Codes (3): [Blasen-Darm-Funktion funktioniert nicht] [Dinge die schlimm sind, sind im Rollstuhl noch schlimmer] [Es fiel ihr schwer drei Wochen im Bett zu bleiben]

Quotation(s): 3

______________________________________________________________________

Code Family: Beziehung zu den Kindern

Codes (16): [Aufgabenbereich_Fürsorge Kind] [Für Tochter war es wichtig Mutter sehen zu können] [Geburt der Tochter] [Geburt des Sohnes] [Gibt Tochter Ratschläge] [Guter Kontakt zur Tochter] [Haben Anmeldung für Musikwissenschaftenstudium versäumt] [Ist alleinstehend mit Kind] [Kind als Motivation] [Kommunikation mit Kind über Behinderung] [Oma konnte Enkelin nicht die Tatsachen erzählen] [Schwierigkeiten bei Studienbeginn der Tochter] [Situation ist für Tochter ok] [Will Kind sehen können] [Wollte Tochter nicht nerven] [Zeit mit Kind genießen]

Quotation(s): 28

______________________________________________________________________

Code Family: Beziehung zu Peers

Codes (7): [Freundeskreis ergänzt durch Leute in selben Situation] [In der Reha viele, denen es gleich geht] [Kontakt zu Personen in derselben Lage] [Leben ist lebenswert] [Lebensqualität finden] [Lebt im Hier und Jetzt] [Lernen_von anderen]

Quotation(s): 20

______________________________________________________________________

Code Family: Beziehung zur Mutter

Codes (10): [Beziehung zur Mutter/Familie_Akzeptanz der Selbständigkeit] [Beziehung zur Mutter_Unterstützung] [Beziehung zur Mutter_Unterstützung ungewollt] [Mutter arbeitet im Gemeindeamt] [Mutter durch Krankeit psychisch labil] [Mutter glaubte, sie könnte Schneiderin werden] [Mutter hatte vor Unfall Krankheit] [Mutter war Hausfrau] [Mutter weist auf Fehler beim Umbau in Gemeindeamt hin] [Oma konnte Enkelin nicht die Wahrheit über Unfall sage]

Quotation(s): 13

______________________________________________________________________

Code Family: Beziehungen zu Partnern/Ehemännern

Codes (29): [Dankbar über Reaktion des Mannes] [Ehe ging in die Brüche] [Ehemann arbeitete in anderen Stadt] [Ehemann kann Hobby nicht teilen] [Ehemann musste Betrieb verändern] [Ehemann war im Aussendienst] [Ehemann war viel unterwegs] [Gemeinsame Freizeitgestaltung mit Ehemann] [Glückliche Beziehung zu Ehemann] [Haben zu Beziehungsanfang gependelt] [Hochzeit] [Kennenlernen des Ehemannes] [Mann führt sie nach Kroatien] [Mann fürs Haus bauen zuständig] [Mann hat Bus gekauft, damit sie mitfahren kann] [Mann hat sich Bus gekauft, um in Urlaub fahrn zu können] [Mann im Betrieb auf sich allein gestellt] [Mann kann sie drei Wochen nicht begleiten] [Nicht selbstverständlich Partner zu finden] [Partner ist sehr wichtig] [Partner wichtig für Umgang mit Behinderung] [Rolle des Ehemanns bei Unfall] [Rolle des Manns bei Umgang mit Behinderung] [Romantischer Heiratsantrag zu Weihnachten] [Schuldgefühle des Ehemanns] [Sieht Verhalten des Ehemanns nicht als selbstverständlich] [Vergleich mit anderen die von PartnerInnen verlassen wurden] [Versteht sich mit Ex-Ehemann noch gut] [Zusammenhalt mit Ehemann]

Quotation(s): 77

______________________________________________________________________

Code Family: Depressive Phasen

Codes (4): [Depressive Phasen] [Depressive Phasen sind natürlich] [Fühlte sich nutzlos] [Überlegung wie Zeit nutzen]

Quotation(s): 11

______________________________________________________________________

Code Family: Derzeitige Jobsituation

Codes (13): [Barrierefreiheit als Voraussetzung für Arbeitsplatz] [Firma bekommt für Behinderte bezahlt] [Hat auf Wiedereinstieg in Arbeit hingearbeitet] [Ist pensioniert] [Job muss Spaß machen] [Jobabsagen] [Jobsituation schwieriger] [Jobsuche] [Nicht-Arbeiten ist sinnvoller als arbeiten zu gehen] [Rückschlage_Job] [Schneidet privat Haare] [Umgang mit Computer ist kein Problem] [Würde gerne arbeiten]

Quotation(s): 34

______________________________________________________________________

Code Family: Diagnose

Codes (7): [Diagnose ist Richwert] [Diagnose nach Unfall] [Diagnose war Versehen] [Diagonose von Trombose] [Es wure Sehstörung festgestellt] [Fehldiagnose] [Nach erster Diagnose noch keine Kinderlähmung]

Quotation(s): 7

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Code Family: Ehemalige Arbeitsplätze

Codes (50): [2 Jahre in einem Haushalt gearbeitet] [Ab 41 Jahren zu Hause gearbeitet] [Ausbildung_Erfolgserlebnisse] [Berechnung der Arbeitsleistung] [Bewerbung als Buchhalterin im Oberlandesgericht] [Dienstantritt im Oberlandesgericht] [Einstellungstest] [Einstellungstest als Vergewisserung für die ArbeitgeberInnen] [Entfernung von Wohnort und Arbeitsplatz] [Gute Erfahrungen im Job im Oberlandesgericht] [Guter Kontakt zu Ex-ArbeitskollegInnen] [Haben sich selbstständig gemacht] [Haben Sportartikel verkauft] [Hat beruflich mehr erreicht als erwartet] [Hat Buchhaltung gemacht] [Hat Büroarbeit gemacht] [Hat gerne gearbeitet] [hat in der T. gearbeitet] [Hat in verschiedenen Bereichen ausgeholfen] [Hat nach Schwangerschaft im Drogeriemarkt gearbeitet] [Hatten viel Arbeit] [Hätte Geschäft gerne weitergeführt] [Hätten zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht] [IP immer arbeiten gegangen] [Kollegin vermittelte Job im Oberlandesgericht] [Konnte in Arbeit zurück] [Kündigung wenn Leistung nicht erbracht] [Landwirtschaft beibehalten, weil Mann immer darin tätig war] [Landwirtschaft lief gut] [Lebensunterhalt durch Landwirtschaft] [Nach Karenz wieder Arbeit] [Nach Krankenschwesterschule Saisonarbeit in Großstadt] [Pragmatisierung] [Saison gearbeitet] [seit 2001 zu Hause gearbeitet] [Sieht Krankenpflege als tollen Beruf] [Sportartikelgeschäft ist gut gelaufen] [Viel gemeinsam mit Ehemann gearbeitet] [Viel herum gekommen durch Beruf] [War Abteilungsleiterin der Personalabteilung] [War Krankenschwester im Rehazentrum] [War persönlicher Zugang zu PatientInnen wichtig] [Waren konnten nicht mehr geliefert werden] [Weist darauf hin, dass im Job immer viel getan werden muss] [Weist darauf hin, dass sie immer arbeiten ging] [Wollte im Job aufsteigen] [Wollte immer in Buchhaltung arbeiten] [Wurde am Oberlandesgericht zu den Prüfungen zugelassen] [Wurde bei Jobsuche unterstützt] [Wurde nach Unfall/Rehaaufenthalt nicht gekündigt]

Quotation(s): 55

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Code Family: Emotionaler Zustand

Codes (5): [Es gibt gute und schlechte Phasen] [Es kommt viel zusammen] [Freude nach drei Wochen wieder nach Hause zu kommen] [positive emotionale Äußerung] [Schwere Zeit]

Quotation(s): 8

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Code Family: Erfahrungen mit Diskriminierung

Codes (10): [Diskriminierende Erfahrung im Alltag] [diskriminierendes Verhalten des Großvaters] [Empfindet Menschen im Ausland nicht so diskriminierend] [Findet Verhalten ins Österreich diskrminierend] [Findet, dass diskriminierendes Verhalten aus Unwissen entsteht] [Früher stärkere Diskriminierung gegenüber Behinderten] [Fühlte sich als Krüppl diskriminiert] [Für Junge sind behinderte Menschen nichts Anormales] [In anderen Ländern normalerer Umgang mit Behinderung] [Umgang mit diskriminierenden Leuten lernen]

Quotation(s): 18

______________________________________________________________________

Code Family: Erfreuliche Erlebnisse

Codes (6): [Beschreibung der Hochzeit] [Erfahrungen bei Maturatreffen] [Fand Hochzeit schön] [Findet Kroatienaufenthalt schön] [Freizeitaktivitäten_Zeit mit anderen verbringen] [Romantischer Heiratsantrag zu Weihnachten]

Quotation(s): 12

______________________________________________________________________

Code Family: Erlernen einfacher Tätigkeiten

Codes (6): [Lernen_braucht Zeit] [Lernen_eigene Erfahrung] [Lernen_einfache Bewegungen] [Lernen_von anderen] [Schwierigkeiten beim Türe öffnen] [Türn aufmachen ist anfangs schwer]

Quotation(s): 28

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Code Family: Erwartungen an andere

Codes (1): [Will als Person gesehen werden]

Quotation(s): 6

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Code Family: Freundeskreis

Codes (10): [Freundeskreis aufbauen] [Freundeskreis ergänzt durch Leute in selben Situation] [Freundeskreis gehört zu Leben] [Freundeskreis hat sich sehr gut verhalten] [Hat tollen Freundeskreis] [Immer Leute die Freundeskreis verlassen] [Kontakt zu Freundinnen] [Musste sich teilweise von FreundInnen trennen] [Umgang mit Leuten hat gepasst] [Veränderung Freundeskreis]

Quotation(s): 12

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Code Family: Gängige Meinungen

Codes (7): [Menschen glauben behindertes Kind behindert andere] [Menschen glauben Behinderung ist ansteckend] [Nicht-Behinderte übersehen Bedürfnisse von Behinderten] [Österreichische Bevölkerung jammert gern] [Viele Menschen verbinden Rollstuhl mit geistiger Beeinträchtigung] [Vorurteile kommen von früher] [Vorurteile sitzen tief]

Quotation(s): 11

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Code Family: Gemeinnützige Tätigkeiten

Codes (1): [Gemeinnützige Tätigkeiten]

Quotation(s): 4

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Code Family: Individuelle Unterschiede

Codes (3): [I sog immer Diagnose woarn für..] [Menschen reagieren unterschiedlich] [Persönliche Unterschiede im Umgang mit Behinderung]

Quotation(s): 10

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Code Family: Kindheit

Codes (14): [Aufgabenbereich_Landwirtschaft] [Hatte eine schöne Kindheit] [Hatte keinen Kontakt zu Gleichaltrigen] [Immer viele Kinder zu Besuch] [In Stadt aufgewachsen] [Ist zwei Häuser weiter aufgewachsen] [Kontakt zur gleichaltrigen Nachbarin] [Mit Bus in Schule gefahren] [Mit vierzehn von zu Hause weg] [Musste Mutter bei Arbeit unterstützen] [Nachbarin hatte Mutter durch Krebs verloren] [War als Kind im Krankenhaus immer allein] [War als Kind viel draußen] [Zu Hause sehr offen]

Quotation(s): 16

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Code Family: Komplikationen

Codes (4): [Komplikationen bei Geburt] [Komplikationen bei Toilettengang] [Komplikationen können passieren] [Komplikationen mit Badewannenlift]

Quotation(s): 4

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Code Family: Konzentration auf körperliche Fitness

Codes (3): [Beschäftigt sich viel mit eigenem Körper] [Hatte früher weniger Zeit für Sport] [Hatte immer Sport gemacht]

Quotation(s): 4

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Code Family: Krankheitsbild

Codes (2): [Aufzählung der Lähmungen] [Erwähnung Alters und Alter mit dem Kinderlähmung]

Quotation(s): 1

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Code Family: Kritische Äußerungen

Codes (11): [Es muss noch einiges verändert werden] [Es wird behauptet, dass alles barrierefrei ist] [Kritik am Studiensystem] [Kritisiert ärztliches Vorgehen] [Kritisiert das Gejammere im Bundesland] [Kritisiert Erziehung von Eltern] [Kritisiert reine Dokumentation der Krankengeschichte] [Kritisiert Sinnlosigkeit bei Kindern] [Kritisiert, dass Politik/Erziehung Menschen gleich machen will] [Leute würden arbeiten gehen wollen] [Was in Krankenschwesternschule gelernt wird ist einseitig]

Quotation(s): 27

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Code Family: Machtlosigkeit/Ausgeliefertsein/Ratlosigkeit

Codes (5): [Akzeptieren, dass QS nicht rückgängig zu machen ist] [Ausgeliefertsein im Krankenhaus] [Im Bett abhängig] [Kann nicht ausgesucht werden, wo Unfall passiert] [Wusste nicht woher körperliche Reaktionen kommen]

Quotation(s): 14

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Code Family: Medizinische Behandlung

Codes (36): [Beckengips] [Behandlung] [Behandlung des Beins] [Behandlung des Beins fehlgeschlagen] [Behandlung durch sehr bemühte Krankenschwester] [Behandlung von psychischen Problemen mit Tabletten] [Behandlungsmethoden waren sehr beschränkt] [Erste Behandlungen] [Ersten Tage Intensivstation] [Genesung der Wirbelsäule und Stabilisierung] [Gipsbett zur Behandlung der Kinderlähmung] [Hat Ursache für Schwitzen gefunden] [Konnte nicht in Therme wegen Verkühlung] [Konnte wieder gehen] [Kontrolluntersuchungen nach Unfall] [Körpertemperatur war viel zu niedrig] [Krankenhaus für Behandlung ausfindig gemacht] [Krankenhausaufenthalt nach Unfall] [Lähmung im Spital eingesetzt] [Medizinische Behandlung_Medikamentation] [Medizinische Behandlung_negative Äußerungen] [Medizinische Behandlung_positive Äußerung] [Medizinische Behandlungen_Operationen] [Mit Tabletten gegen Krämpfe nicht zufrieden] [Möglichkeit M. gegen Krämpfe] [Mussten für Behandlung bezahlen] [Präventive Maßnahmen gegen Operationen] [Risiken durch Trombose] [Spezialkrankenhaus für Kinderlähmung] [Traut sich nicht M. zu nehmen] [Ultraschall] [Überführung in Spezialkrankenhaus] [Verständnis für Behandlung im Gipsbett] [Vorteil, dass Tante im Krankenhaus gearbeitet hat] [Wurde in Tiefschlaf versetzt] [Würde M. als Medikament nehmen]

Quotation(s): 68

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Code Family: Mitleid erhalten

Codes (8): [Empfindet sich nicht in Opferrolle] [Hat sich gegen Mitleid gewehrt] [Leute die Mitleid haben eher älter] [Mitleid_Familie] [Mitleid_von außen] [Reaktion auf bemitleidendes Verhalten] [Unverständnis über gesellschaftliches Verhalten] [Will kein Mitleid]

Quotation(s): 20

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Code Family: Möglicher Umgang mit Behinderung

Codes (7): [Risiko sich gehen zu lassen] [RollstuhlfahrerInnen, die mit Behinderung nicht umgehen können] [Viele fallen in Loch] [Viele können sich selbst nicht mehr schätzen] [Viele RollstuhlfahrerInnen lassen sich gehen] [Viele sehen Behinderung als Bestrafung] [Viele trinken Alkohol]

Quotation(s): 7

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Code Family: Nachteile durch Behinderung

Codes (4): [Benachteiligungen im Alltag] [Erschwernisse durch Behinderung] [Genervt, dass Dinge länger brauchen] [Muss Dinge berücksichtigen bei Urlaubsbuchung]

Quotation(s): 4

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Code Family: Negative Erfahrung medizinischer Behandlung

Codes (4): [Einschalten eines PatientInnenanwalts] [Kritisiert ärztliches Vorgehen] [rücksichtslose Behandlung durch Arzt] [Schlechte medizinische Betreuung]

Quotation(s): 20

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Code Family: Negative Erfahrungen

Codes (14): [Behindertenparkplätze werden nicht berücksichtigt] [Beschreibt Dekubitus als sehr schlimm] [Diagnose war Versehen] [Es fiel ihr schwer drei Wochen im Bett zu bleiben] [Fühlte sich nutzlos] [Fühlte sich schlecht behandelt] [Fühlte sich sehr diskriminiert] [Geringer Erfolg durch Einschaltung des PatientInnenanwalts] [Kritisiert ärztliches Vorgehen] [Schlechte Beratung an Universität] [Schlechte Betreuung von PsychologInnen] [Schlechte medizinische Betreuung] [Schlimme Phase im Leben] [Wurde als nutzlos bezeichnet]

Quotation(s): 31

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Code Family: Offene Zugangsweise

Codes (2): [Lernt unterschiedliche Menschen und Ansichten kennen] [Lockerheit spiegelt sich in Gegenüber wieder]

Quotation(s): 9

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Code Family: Personenspezifische Angaben

Codes (25): [Geburt der Tochter] [Geburt des Sohnes] [Geburtsdatum] [Geburtsdatum/Ort/Wohnort als Kind] [Geburtsort/jahr] [Geschwister] [Hat einen Bruder] [Hat um sechs Jahre älteren Bruder] [Hat zwei Nichten] [Heimatort] [Hochzeit] [In Stadt aufgewachsen] [Ist alleinstehend mit Kind] [Konnte 7 Wochen nach Geburt Krankenhaus verlassen] [Reflektiert am Abend über den Tag] [Schwangerschaft] [Schwester wohnt gleich nebenan] [Tochter ist achtzehn] [Tochter lebt in Südamerika] [Tochter möchte Musikwissenschaften studieren] [Tochter studiert] [Tochter studiert Französisch] [Tochter wohnt in StudentInnenzimmer] [Vater war Hilfsarbeiter] [Vater war Soldat]

Quotation(s): 37

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Code Family: Persönlich wichtige Dinge

Codes (5): [Initiative gegen Parken auf Behindertenparkplätzen] [Wichtig auf die zu schauen, die ihr wichtig sind] [Will gesund bleiben] [Zeit für Familie wichtig] [Zeit mit Kind genießen]

Quotation(s): 7

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Code Family: Persönliche Einstellung

Codes (9): [Leben ist lebenswert] [Lebensqualität finden] [Lebt im Hier und Jetzt] [Macht alles, was sie will] [Man muss lernen eigenes Leben wieder in die Hand zu bekommen] [Man muss selbstbewusst sein] [Man muss unter Leute gehen] [Offenes, selbstbewusstes Verhalten ist wichtig] [Offenheit im Umgang mit Behinderung]

Quotation(s): 17

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Code Family: Persönlichkeitsspezifische Angaben

Codes (10): [Geht früh schlafen] [Ist sehr viel unterwegs] [Keiner Veränderung in Charaktereigenschaften] [Mag es andere Menschen und Ansichten kennenzulernen] [Reflektiert am Abend über den Tag] [Veranlagung zuzunehmen] [Vor Unfall gute Schwimmerin] [War persönlicher Zugang zu PatientInnen wichtig] [Weiss selbst nicht alles] [Wird schnell verärgert]

Quotation(s): 16

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Code Family: Perspektiven verändern

Codes (3): [Mag es andere Menschen und Ansichten kennenzulernen] [Perspektiven finden] [Sieht positives im Unfall]

Quotation(s): 5

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Code Family: Positive Erfahrung medizinischer Behandlung

Codes (1): [Medizinische Behandlung_positive Äußerung]

Quotation(s): 2

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Code Family: Psychische Belastungen

Codes (4): [Psychische Behandlung wird vernachlässigt] [Psychische Problem kommen bei Nicht-Beschäftigung zum Vorschein] [Psychische Stabilität ist wichtig] [Schlimme Phase im Leben]

Quotation(s): 7

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Code Family: Reaktionen im Alltag

Codes (10): [Es gibt Leute, die sich negativ verhalten] [Glaubt, dass Menschen Angst haben selbst behindert zu werden] [Hat eher mit Erwachsenen als mit Kindern Problemen] [Mit Leuten umgehen war Veränderung] [Reaktionen im Alltag_negativ] [Reaktionen im Alltag_positiv] [Unterschiedliche Reaktionen im Alltag] [Vorurteile kommen von früher] [Vorurteile sitzen tief] [Zu wenig Aufklärung]

Quotation(s): 19

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Code Family: Reha

Codes (14): [Besondere Behandlung weil Jungmutter] [Einzige Frau in der Reha] [Hätte in entfernte Rehaklinik gemusst] [In der Reha viele, denen es gleich geht] [In Reha alles einfacher] [In Reha gelernt Auto zu fahren] [Keine Genehmigung zur Reha zu kommen] [Reha als sehr intensive Zeit] [Reha_Angebot von Hilfe/Unterstützung] [Reha_Aufenthaltzeitraum] [Therapie in Kroatien] [Versucht auf Kur zu fahren] [Verzögerung der Reha] [Zufrieden mit Rehaklinik]

Quotation(s): 50

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Code Family: Scheu vor anderen

Codes (4): [Abgrenzung von Meinung anderer] [Man muss unter Leute gehen] [Manche Leute schauen komisch] [Überwindung nach draussen zu gehen]

Quotation(s): 17

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Code Family: Schwangerschaft/Kinderwunsch

Codes (4): [Abschliessen mit Kinderwunsch] [Drückt aus, dass sie Kinder wollte] [Passt auf Kinder der Nichte auf] [Schwangerschaft]

Quotation(s): 14

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Code Family: Selbstständigkeit

Codes (14): [Beziehung zur Mutter/Familie_Akzeptanz der Selbständigkeit] [Braucht im Alltag keine Hilfe] [Erste Wohnung 1971] [Hat mit der Kinderlähmung gelernt selbstständig zu sein] [Hilfe_wenn notwendig] [Im Vergleich zu MitschülerInnen selbstständig] [Musste machen, was sie konnte] [Reaktionen im Alltag_positiv] [Selbständigkeit_negative Reaktion Familie] [Selbständigkeit_positive Reaktion Familie] [Sich als Kind behandelt fühlen] [Versucht so selbstständig wie möglich zu sein] [Wichtigkeit der Selbstständigkeit] [Wunsch zur Selbstständigkeit]

Quotation(s): 59

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Code Family: Selbstwahrnehmung

Codes (5): [Bezeichnet sich als gute Schwimmerin] [Bezeichnet sich nicht als hübsch oder intelligent] [Selbstbeobachtung] [Sieht sich nicht als arm] [Sieht sich nicht als krank]

Quotation(s): 6

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Code Family: Um Hilfe bitten/ Hilfe annehmen

Codes (8): [Bitten um nach Kroatien mitfahren zu können] [Hilfe_wenn notwendig] [Muss Hilfe annehmen] [Reaktionen im Alltag_positiv] [Reha_Angebot von Hilfe/Unterstützung] [Selbständigkeit_Hilfe notwendig] [Unterstützung im Umgang mit Behinderung durch erfahrene RollstuhlfahrerInnen] [Will keine Hilfe]

Quotation(s): 29

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Code Family: Umgang mit Behinderung von außen

Codes (11): [Behinderte früher nicht sichtbar] [Die Person sehen] [Es gibt Leute, die sich negativ verhalten] [Ex-Schulkolleginnen haben sie als Mensch gesehen] [Leute in anderen Ländern offener] [Leute müssen sich umstellen] [Leute verbinden mit Rollstuhl bestimmte Eigenschaften] [Leute wissen nicht, wie sie umgehen sollen] [Umgang mit ihr wurde gemieden] [Unterschied von alt/jung] [Wurde nicht speziell behandelt]

Quotation(s): 20

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Code Family: Umgang und Reaktionen der Familie/Eltern

Codes (24): [Andersartige Behandlung aufgrund der Behinderung] [Angehörige nehmen oft zu viel ab] [Angehörige wichtiger Faktor im Umgang mit Behinderung] [Besuche der Eltern Kostenfrage] [Besuche der Eltern verringerten sich] [Dankbar über Hartnäckigkeit der Mutter] [Dankbar über Reaktion des Mannes] [Eltern waren LandwirtInnen] [Eltern wohnen gleich daneben] [Eltern wussten nicht gleich Bescheid] [Familiäre Situation hat sich eingependelt] [Familie hat Probleme im Umgang mit Unfall] [Familie hat sich gut verhalten] [Familie hält zusammen] [Familie sieht, dass es ihr gut geht] [Gesellschaftskritik] [Hatte strenge Mutter] [Krankheit der Mutter] [Mütter haben oft Schuldgefühle] [Oma konnte Enkelin nicht die Wahrheit über Unfall sage] [Reaktion der Angehörigen] [Schuldkomplexe von Angehörigen und Betroffenen] [Selbständigkeit_negative Reaktion Familie] [Umgang Familie mit Unfall_unterstützend]

Quotation(s): 58

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Code Family: Unabhängigkeit

Codes (11): [Auto als Symbol für Unabhängigkeit un Mobilität] [Auto als Unabhängigkeit] [Beziehung zur Mutter/Familie_Unabhängigkeit] [Fährt mit E-Wagerl raus] [Im Bett abhängig] [Kommt viel herum] [Macht alles, was sie will] [Mensch will Unabhängigkeit] [Rad als Symbol für neues Leben] [Rollstuhl für Unabhängigkeit] [Sich als Kind behandelt fühlen]

Quotation(s): 30

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Code Family: Unfallhergang

Codes (17): [Erster Hinweis auf Unfall] [Gab am Unfallort Anweisungen] [Gab UnfallszeugInnen] [QS durch Unfall] [Schuldige bei Unfall] [Transport ins Krankenhaus] [Unfall mit Rollstuhl] [Unfallauswirkungen auf Ehemann] [Unfallbeteiligter konnte nicht eruiert werden] [Unfallhergang] [Unfallzeitpunkt] [Unterschied zwischen Arbeits- und Privatunfall] [Ursache für Unfall] [Von Vorteil Unfall während Arbeit zu haben] [Wurden nach Unfall nicht gleich gefunden] [Wusste bei Unfall sofort, was los ist] [Zeitpunkt der Kinderlähmung]

Quotation(s): 51

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Code Family: Unterschied früher/heute

Codes (8): [Früher keine/geringe Förderung für Behinderte] [Früher offenes Kommen und Gehen] [Früher stärkere Diskriminierung gegenüber Behinderten] [Unterschied früher/heute] [Vergleich der Kontaktaufnahme früher/heute] [Vorurteile kommen von früher] [Vorurteile sitzen tief] [Weist auf Generationsunterschied hin]

Quotation(s): 14

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Code Family: Veränderung im Aussehen

Codes (1): [Veränderung nur in der Größe]

Quotation(s): 3

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Code Family: Veränderungen

Codes (15): [Änderung des körperlichen Leistungsfähigkeit durch alter] [Dinge brauchen Zeit] [Hatte früher weniger Zeit für Sport] [Hatte nach Unfall komisches Gefühl in Autos zu steigen] [QS fordert Umstellungen] [Umstellung durch Katedern] [Verärgert, dass Unterschied bezüglich Unfallhergangs gemacht wird] [Veränderung beim Klo gehen] [Veränderung des Umgehens mit der Situation im Laufe der Zeit] [Veränderung Essverhalten/Verdauung] [Veränderung Freundeskreis] [Veränderung im Radfahrverhalten] [Veränderung im Umgang mit Behinderten] [Veränderung im Umgang mit Tochter] [Veränderung nur in der Größe]

Quotation(s): 35

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Code Family: Veränderungen im Alltag

Codes (9): [Genervt, dass Dinge länger brauchen] [Hatte früher weniger Zeit für Sport] [Hinweis darauf, dass mit Rollstuhl in Haus alles anders ist] [Komisches Gefühl beim Autofahren] [Lernen_braucht Zeit] [Mit Leuten umgehen war Veränderung] [Umstellung durch Katedern] [Veränderung beim Klo gehen] [Vorteile beim Parken]

Quotation(s): 20

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Code Family: Veränderungen in der Persönlichkeit

Codes (2): [Hat früher nicht so intensiv Sport betrieben] [Keiner Veränderung in Charaktereigenschaften]

Quotation(s): 2

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Code Family: Vergleich behindert/nichtbehindert

Codes (8): [Behinderte müssen mehr Leistung erbringen] [Hat früher nicht so intensiv Sport betrieben] [Nicht-Behinderte übersehen Bedürfnisse von Behinderten] [Physische und psychische Probleme auch ohne Behinderung] [Probleme als Behinderte schlimmer] [Unterschied von Gehenden und RollstuhlfahrerInnen] [Vergleich körperlicher Reaktionen mit jenen des Ehemannes] [Weist auf Unterschied von erworbener Behinderung hin]

Quotation(s): 13

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Code Family: Vergleich mit Personen in schlimmeren Lagen

Codes (5): [Glaubt Glück gehabt zu haben] [I bin ebn a Hautobschürfa gewe..] [Vergleich mit anderen die von PartnerInnen verlassen wurden] [Vergleich mit Nicht-Behinderten] [Vergleich mit Person in schlimmerer Lage]

Quotation(s): 14

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Code Family: Verletzungen

Codes (10): [Beschreibung der Verletzungen] [Diagnose nach Unfall] [Es wurde Sehstörung festgestellt] [Fehler bei medizinischen Eingriffen] [Haut durch Gips angeschlagen] [Hätter gerne was gegen Krämpfe, Schmerzen, Spasmen] [Medizinische Behandlungen_Operationen] [Rückbildung der Kinderlähmung] [Sehr eingeschränkt durch Wunden] [Verletzungen_Brüche]

Quotation(s): 34

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Code Family: Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit

Codes (2): [Früher viel fortgegangen] [Fühlte sich nutzlos]

Quotation(s): 2

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Code Family: Weitergabe der Erfahrungen und Aufklärungsarbeit

Codes (11): [Geht als gutes Beispiel voran] [Ist oft im Rehazentrum] [Kinder denken bei Fragen nach] [Kinder sollen Berührungsangst verlieren] [Macht Aufklärungsarbeit] [Möchte ihre Kompetenzen als Krankenschwester weitergeben] [Muss Eltern sagen, dass Kinder offen Fragen stellen dürfen] [Versucht andere Perspektive aufzuzeigen] [Will offene Fragen gestellt bekommen] [Wird angesprochen, um Dinge zu erklären] [Wird bei "Aktionen" unterstützt]

Quotation(s): 17

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Code Family: Wohnsituation

Codes (9): [Ausbildung_Umzug/Schulwechsel] [Erste Wohnung 1971] [Gemeinsames wohnen bei Schwiegereltern] [Hat bei Eltern gewohnt] [Hatten anfangs keinen gemeinsamen Wohnsitz] [Ist mit Mann und Kinder umgezogen] [Lebt in kleiner Wohnung] [Pendelt zwischen Stadt und Land] [Umzug/Ortswechsel]

Quotation(s): 30

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Code Family: Wünsche und Zukunftsperspektiven

Codes (11): [Des ols so weiterpflegen wiast..] [Drückt aus, dass sie Kinder wollte] [Hätte gern überall Barrierefreiheit] [Hätte Geschäft gerne weitergeführt] [Hätte gerne was gegen Krämpfe, Schmerzen, Spasmen] [Lässt Zukunft offen] [Wäre gern wieder gegangen] [Will gesund bleiben] [Wunsch nach eigenem Haus] [Wunsch nach gemeinsamen Reisen] [Wunsch zur Selbstständigkeit]

Quotation(s): 18

Network View: Arbeit/Ausbildung

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Nodes count: 8

Code Families (6):

CF:Aufgabenbereiche

CF:Ausbildung

CF:Derzeitige Jobsituation

CF:Ehemalige Arbeitsplätze

CF:Gemeinnützige Tätigkeiten

CF:Weitergabe der Erfahrungen und Aufklärung

Codes (2):

Barrierefreiheit als Voraussetzung für Arbeitsplatz {8-0}

Rückschläge_Job {7-0}

Network View: Mit einer neuen/alten Lebenssituation leben lernen

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Nodes count: 14

Code Families (14):

CF:Akzeptieren der neuen Lebenssituation

CF:An sich selbst arbeiten

CF:Anfänglicher Umgang mit neuer Lebenssituation

CF:Auf sich selbst gestellt sein

CF:Aus Erfahrung lernen

CF:Beziehung zu Peers

CF:Erlernen einfacher Tätigkeiten

CF:Individuelle Unterschiede

CF:Möglicher Umgang mit Behinderung

CF:Offene Zugangsweise

CF:Persönliche Einstellung

CF:Perspektiven verändern

CF:Reha

CF:Umgang mit der neuen Lebenssituation

Network View: Das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und die Notwendigkeit um Hilfe zu bitten

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Nodes count: 11

Code Families (11):

CF:Beziehung zu den Kindern

CF:Beziehung zur Mutter

CF:Beziehungen zu Partnern/Ehemännern

CF:Erwartungen an andere

CF:Freundeskreis

CF:Machtlosigkeit/Ausgeliefertsein/Ratlosigkeit..

CF:Mitleid erhalten

CF:Selbständigkeit

CF:Um Hilfe beten/ Hilfe annehmen

CF:Umgang und Reaktionen der Familie/Eltern..

CF:Unabhängigkeit

Network View: Gesellschaftliche Teilhabe

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Nodes count: 13

Code Families (13):

CF:Allgemeine Erzählungen/Aussagen

CF:Barrieren/Barrierefreiheit

CF:Behinderung als Einschränkung

CF:Erfahrungen mit Diskriminierung

CF:Gängige Meinungen

CF:Kritische Äußerungen

CF:Mitleid erhalten

CF:Nachteile durch Behinderung

CF:Reaktionen im Alltag

CF:Scheu vor anderen

CF:Umgang mit Behinderung von außen

CF:Unterschied früher/heute

CF:Veränderungen im Alltag

Network View: Körper als Zentrum von Gesundheit und Wohlbefinden

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Nodes count: 9

Code Families (9):

CF:(Un)Zufriedenheit und Wohlbefinden

CF:An sich selbst arbeiten

CF:Auf Körper Acht geben

CF:Erlernen einfacher Tätigkeiten

CF:Konzentration auf körperliche Fitness

CF:Medizinische Behandlung

CF:Veränderung im Aussehen

CF:Veränderungen

CF:Verletzungen

Kurzzusammenfassung (deutsch)

Die vorliegende Arbeit ist den Wissenschaftsrichtungen der Disability Studies und Gender Studies zuzuordnen. Beide Richtungen weisen Parallelen auf, eine Annäherung beider Forschungsbereiche erfolgte jedoch erst in den letzten Jahren.

Aus Sicht der Disability Studies beschäftigt sich die Arbeit mit der Konstruktion von Behinderung. Bezogen auf die Gender Studies und die Frauenforschung gilt das Interesse im Besonderen der historischen Entwicklung von weiblichen Rollenbildern. Die ungleichheitsgenerierenden Kategorien Geschlecht und (Nicht)Behinderung werden im Zuge des Modells der Intersektionalität zusammengeführt. Darüber hinaus werden Theorien zur Identität geklärt und die Bedeutung des Geschlechts für die Entwicklung der eigenen Identität hervorgehoben.

Das Forschungsinteresse liegt in den Veränderungen der Lebensrealitäten, die durch ein kritisches Lebensereignis im Lebenslauf hervorgerufen werden. Hierfür wurden, mit fünf Frauen, die durch Unfälle und/oder Krankheiten körperliche Behinderungen erworben haben, narrative Interviews geführt. Im Anschluss daran wurden die transkribierten Gespräche in Anlehnung an die Grounded Theory nach Kathy Charmaz bearbeitet. Daraus ergaben sich fünf Schlüsselkategorien, die herangezogen wurden, um die forschungsleitende Frage zu beantworten.

Veränderungen ergeben sich für die befragten Frauen in vielen Bereichen, verstärkt konnten diese im Bereich der Erwerbsarbeit und der Wahrnehmung des eigenen Körpers gefunden werden. Zu einem großen Teil trägt jedoch die Gesellschaft dazu bei, dass Frauen ihre Lebensrealitäten umgestalten müssen. Insbesondere führt dies dazu, dass die Frauen ihre Identität verändern, um im sozialen Kontext bestehen zu können.

Abstract (english)

This diploma thesis is based on the Disability and Gender Studies. Both fields have parallels, however they have been converging in the last recent years.

According to the Disability Studies the thesis relates to the construction of disability. Referring to Gender Studies the interest lies in the historic development of female stereotypes.

The inequality generating categories of gender and (dis)ability are merged through a so called field of intersectionality. Moreover, theories concerning identity are illustrated and the relevance of gender for the development of identity is accentuated.

The research interest focuses on the changes in life realities caused by critical life events. Therefore five narrative interviews with women who acquired physical disabilities after accidents and/or diseases were conducted. In the following the interviews were transcribed and arranged on the basis of Grounded Theory by Kathy Charmaz. Through this procedure five key categories could be established to answer the central research question.

The women experience changes in many parts of their lives. Two of the major changes were their employment and the perception of their bodies. However, society is mostly accountable for the fact that women need to rearrange their life realities after critical life events. The women, interviewed for this research project, were confronted with the necessity of changing their identities to sustain in society.

Lebenslauf

Persönliche Daten

Geburtsdatum: 12. 7. 1982

Geburtsort: Hartberg

Staatsbürgerschaft: Österreich

Familienstand: ledig

Schulbildung

1988 - 1992 : Resservar Volkschule Hartberg

1992 - 1996: Gerlitz Hauptschule Hartberg

1996 - 2000: Oberstufenrealgymnasium Hartberg mit Bildnerischen Gestalten und Werkerziehung (Abschluss mit Matura)

Studium

WS 2001: Lehramtsstudium Mathematik und Philosophie, Pädagogik, Psychologie an der Universität Wien

2002 - 2006: Diplomstudium Psychologie an der Universität Wien

Seit 2007: Diplomstudium Pädagogik an der Universität Wien mit den Schwerpunkten Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik und Sozialpädagogik

Berufliche Erfahrung und Praktika

2000/2001 : Au Pair in England (Norwich)

WS2005/SoSe2006: Teilnahme an einer interdisziplinären Anamnesegruppe am

Otto-Wagner-Spital und Hanusch Krankenhaus

2008/2009: Lernstundenhilfe im Integrativen Hort Leystraße der Stadt Wien

Juli 2010: Pädagogisches Praktikum bei der KinderuniWien

SoSe 2010: Wissenschaftliches Praktikum als Bibliotheksberaterin am Institut für Bildungswissenschaften

Seit 2010: Persönliche Assistentin

Juli 2011: Pädagogisches Praktikum bei der KinderuniWien

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere:

1.) dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe.

2.) dass ich diese Diplomarbeit bisher weder im In- oder Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.

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Datum Unterschrift

Quelle:

Bettina Singer: Lebensrealitäten von Frauen nach erworbener körperlicher Behinderung.

Diplomarbeit an der Universität Wien. Studienrichtung: Pädagogik. Betreuerin: Univ.-Ass.in Mag.a Dr.in Helga Fasching.

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung

Stand: 29.05.2013

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