Lebens- und Lernort Grundschule

Prinzipien und Formen der Grundschule, Praxisbeispiele, Weiterentwicklungen

Autor:in - Hermann Schwarz
Themenbereiche: Schule
Textsorte: Buch
Copyright: © Hermann Schwarz 1994

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Der Entwicklung der Grundschule zu einem den Kindern bekömmlichen und nützlichen Lebens- und Lernort und damit der Zukunft unserer Gesellschaft ist es dienlich, wenn Pädagoginnen und Pädagogen immer wieder neu über die Arbeit mit ihren Schülerinnen und Schülern nachsinnen und wenn sie das auch über die Entwicklung ihrer Schule als Ganzes tun.

Ein guter Weg ist, wenn das Kollegium sich als eine Arbeits-, Lern- und Reformgemeinschaft versteht. Sie arbeitet unter Einbeziehung der Schülerinteressen und Elternwünsche, der Situation der Schule und des Umfeldes sowie der eigenen Interessen und Fähigkeiten schrittweise an einem offenen Schulkonzept und macht dessen Entwicklung, Realisierung, Überprüfung und Verbesserung im Rahmen der staatlichen Richtlinien zur Leitlinie der schuleigenen Bemühungen. Allmählich wird dieses Konzept zu einem pädagogischen Programm ausgebaut, das, wenn Handlungskontinuität entsteht, das Schulprofil bestimmt. Eine solche selbst gewollte und selbst verantwortete Arbeit aller Beteiligten an der Entwicklung der eigenen Schule ist der Schlüssel zu einer Grundschule, in der sich für Kinder das Lernen lohnt und in der Kinder, Lehrerinnen und Lehrer sich wohl fühlen können.

Um den Kindern durch Weiterentwicklung des Schulunterrichts zu besseren Lebens- und Lernchanchen zu verhelfen, könnte man sich fragen: Welches sind unsere Stärken, die wir weiterentwickeln sollten, welches Schwächen, die es zu mindern gilt? Wie können wir schuleigene Strukturen so verändern, daß sie unseren Kindern förderlicher sind als bisherige Strukturen?

Ein Nachdenken über die Entwicklung der Schule bringt insbesondere weiter, wenn es im Lichte erziehungs- und bildungsförderlicher Ideen steht. Die Autonomie des Individuums, die Integration der Menschen und die Offenheit gegenüber ihren unterschiedlichen Herkunftskulturen sind die einander stärkenden großen Ideen, mit deren Kraft wir es schaffen können und um der nachwachsenden Generation willen schaffen müssen, die Grundschule zu einem Lebens- und Lernort für Kinder zu entwickeln, der als autonome, integrative und kulturoffene Schule seinen bestmöglichen grundlegenden Beitrag zu deren Zukunft leistet.

Als Anregung für das Denken und Handeln werden in diesem Buch Prinzipien und Formen dargestellt, mit deren Konkretisierung die Grundschule den Kindern auf dem Wege zu selbständigem Leben und Lernen und konstruktivem Miteinander helfen kann: Formen (auch mit einigen Beispielen) für die Arbeit in den Lerngruppen und für die Schule als Ganzes; Prinzipien der Erziehung und Bildung, an die sich zu erinnern lohnt, weil sie beim Abwägen helfen, wenn es Entscheidungen zu treffen gilt. Und es werden die Hilfen genannt, die Staat und Öffentlichkeit der grundlegenden Stufe im Schulwesen geben müssen, damit sie ihre Aufgabe erfüllen kann.

Dank an Helferinnen und Helfer

Für die Möglichkeit zu Hospitationen und zu Gesprächen, deren Ergebnisse ich in die Darstellung einbezog, danke ich Elke Andresen, Karin Babbe, Heiko Balhorn, Heide Bambach, Jutta Böttcher, Sabine Breuer und Kollegium, Helga Büchel, Inge Büchner, Horst Ewald, Gabriele Faust-Siehl, Ariane Garlichs, Bärbel Goldbach, Peter Heyer, Bärbel Hickmann, Jürgen Holm und Kollegium, Frau Horns, Reinhard Kühl und Kollegium, Sibylle von Katzler, Kaja Kielau, Gerhild Kirschner, Irmhild Kleinert, Gudrun Maaser, Sabine Maier, Karin Marquard, Frau Olias, Bärbel Pauck, Ernst Purmann und Kollegium, Jörg Ramseger, Christa Röber-Siekmeyer, Hadmut Scholz, Cornelia Schwarz-Klimm, dem Kollegium der Uckermark - Grundschule, Uli Vieluf, Ute Warm, Brigitte Weichsel und Kollegium, Renate Wibrow, Ursula Zoller und den vielen anderen, die mir im Laufe der Jahre ihre Arbeit zeigten und ermutigend von ihren Erfahrungen berichteten. Für vielfältige Anregungen danke ich den Kolleginnen und Kollegen des Arbeitskreises Grundschule und der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben sowie den Autoren und Herausgebern der GRUNDSCHULZEITSCHRIFT und der Zeitschrift "Grundschule". Starke Stützung verdanke ich den Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppe "Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule" und dem Vorstand der Landesgruppe Hamburg des Arbeitskreises Grundschule.

Hamburg, im August 1993

Hermann Schwarz

Die Bedeutung der Grundschule

Neben dem Elternhaus ist die Grundschule die bedeutsamste Lebens- und Lernstätte sechs- bis zehn- oder zwölfjähriger Kinder. Ihres gegenwärtigen Lebens wegen schon, das unwiederbringlich ist und dessen Wert wir mit allen unseren Kräften bereichern und stärken müssen, ist es unsere Aufgabe, der Grundschule als Ort ihres Lebens die beste uns mögliche Qualität zu geben.

Die Grundschule ist für die Zukunft der Heranwachsenden von höchster Bedeutung: Kinder werden hier nicht nur eingeführt in aktives Teilhabenkönnen an den großen Kulturleistungen der Menschen: Lesen, Schreiben, Rechnen - das allein schon ist immense Aufgabe - nein, hier werden ihre Grundeinstellungen zu sich selbst und zur Welt und ihre Handlungsfähigkeiten in hohem Maße so oder so geprägt. Hier erwerben sie schwache oder starke Grundkenntnisse für ihr weiteres Leben und ihr weiteres Lernen. Theodor Fontane sprach von den Jahren der Kindheit als den Jahren, in denen "die Seele sich bildet".

Durch die Arbeit der Grundschulpädagoginnen und -pädagogen und durch das Maß an Qualität der Schule, welche Parlamente und Landesregierungen durch Finanzierung der Rahmenbedingungen der Grundschulerziehung möglich machen, wird im hohem Grade mitbestimmt,

  • ob die Kinder imstande und willens sind, mit allen ihren Sinnen sich ihrer selbst und ihrer Welt zu vergewissern und ihre durch Anschauung fundierten Vorstellungen durch Nachdenken klärend, sich mit anderen austauschend sowie in produktiver Arbeit auszubilden;

  • ob sie ein hinreichend festes Selbstwertgefühl und Lebenszuversicht entwickeln als bedeutsame Voraussetzung für eine sie stärkende Personenentwicklung in den weiteren Phasen ihres Lebens;

  • ob sie also auf höheren Schulstufen und später in Privatleben, Beruf und Gesellschaft eher unsichere und inaktive oder sich selbst etwas zutrauende und zupackende Menschen sind;

  • ob sie von der wahrscheinlich wichtigsten Gabe, die uns Menschen gegeben ist, der Lernfähigkeit, später gern, gründlich und stetig Gebrauch machen oder nicht Gebrauch machen werden;

  • ob sie eng oder offen werden: aufmerksam, interessiert, nachdenklich und fähig zu wirklichem Gespräch;

  • ob sie später nicht nur rechnen, lesen und schreiben können, sondern auch rechnen, lesen und schreiben mögen;

  • ob Konsumieren oder Produktivsein für sie das Wichtigere ist;

  • ob sie überspitzter Egozentrik freien Lauf lassen oder ob sie sich an vor- und mitgelebten Werten und Normen eines humanen und demokratischen Miteinanders orientieren, sie anerkennen und sich an sie halten wollen und können.

Dieses und anderes Bedeutsames hängt insbesondere von der Grundschule ab -auch angesichts einer vorschulischen und außerschulischen Sozialisation, in der vielen Kindern nicht hinreichend geholfen wird und geholfen werden kann, die nötigen Einstellungen und Fähigkeiten zu entwickeln, ja, wo dem oft sogar entgegengewirkt wird.

Grundschule also ist Chance, Entscheidendes zu tun für den einzelnen Menschen und die Zukunft von Gesellschaft und Staat.

Zu messen ist die Grundschule daran, ob sie der Aufgabe mit der zu fordernden Verantwortung entspricht, und das heißt, ob wir dem entsprechen: außer den Grundschulpädagoginnen und -pädagogen jene, die sie aus- und fortbilden, die Eltern - auch als Wählerinnen und Wähler -, Schulverwaltung, Parteien, Parlamente und Regierungen.

Prinzipien der Grundschularbeit

1. Die Grundschule muß Lebens- und Lernort sein

Das Lernen von Kindern ist bedingt durch die Qualität ihrer körperlichen, emotionalen und sozialen Lebensmöglichkeiten und in starkem Maße bestimmt durch ihr Lebensgefühl. Beeinträchtigungen ihres Lebens mindern, Wohlgefühl und Sicherheit steigern ihr Lernenwollen und ihr Lernenkönnen. Kinder lernen mit um so stärkerer innerer Beteiligung und mit um so weniger Lernwiderständen und somit um so intensiver, je stärker die Schule auf ihre Lebensbedürfnisse eingeht und ihnen zu leben hilft. Das umfaßt auch die Sorge um ihre physische und psychische Gesundheit. Die Grundschule muß als erstes eine dem Leben der Kinder bekömmliche Stätte sein.

Nicht um der Familie und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen Aufgaben zu nehmen, wird die Grundschule von Pädagoginnen und Pädagogen, Kindern und Eltern als ein Lebens- und alsein Lernort gestaltet, sondern weil anders der Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht erfüllt werden kann. Neben organisiertem Lernen auch für das Schulleben zu sorgen, ist jedoch nicht die Aufgabe, sondern das schulische Lernen, soweit möglich, in das Leben der Kinder in und außerhalb der Schule förderlich einzubinden.

Die Schule wird weiterentwickelt zu einem Ort, in dem Kinder und Erwachsene leben mögen und leben können, in dem alle spüren, daß sie einander brauchen und etwas wert sind und daß es sich zu leben und zu lernen lohnt. Der Klassenraum wird zum Wohnraum und zur Lernwerkstatt, das Schulgelände ist Ort des Sich-Bewegens, Sich-Begegnens, Sich-Austauschens und auch Sich-Zurückziehenkönnens. Zeit muß sein für die einzelnen und für die Gruppe. Die Zeitstrukturen beherrschen das Leben und Lernen nicht, sondern sind ihnen dienlich. Gleitende Komm-Zeit am Morgen, freies und angeleitetes Lernen in jeweils den Aktivitäten angemessenen Gruppengrößen, gemeinsames Gestalten der gemeinsamen Welt, Schulfrühstück, offene Schulpause, Versammlung altersgemischte Arbeitsgemeinschaften, Mitwirken von Eltern, Öffnung der Schule zur Umwelt, sinnvolle Einbindung des Lernens in Handlungszusammenhänge und Vorstellen des Geleisteten gehören zur Vielfalt gestalteten Lebens und Lernens, das die Schule zur eigenen Sache der Kinder macht, sie entspannt miteinander umgehen, intensiv arbeiten und konstruktiv teilhaben läßt - beste Bedingung für ihre Person- und Lernentwicklung. Daß wiederholtes Erproben von Lebens- und Lernmöglichkeiten, Spielen, Wandern, Sich-Freuen, Sich-Sorgen, Sich-Besinnen und manches an Gemeinsamem mehr unerläßlich ist für ein befriedigendes Aufwachsen von Kindern, darf unter dem Druck der vielen Erfordernisse nicht verdrängt werden. Erst wenn die Schule ein familienergänzender Lebensort ist, kann sie der bessere Lernort sein.

Die Grundschule als Lebens- und Lernort muß Geborgenheit, Offenheit und anregende Herausforderungen bieten, muß Leben und Lernen in einem stützenden Miteinander möglich machen und anleiten, muß durch Mitbestimmung die Chance zur Demokratiefähigkeit geben, muß das Kind als handelndes Subjekt in Lebens- und Lernsituationen verstehen und muß die Kinder zur Begegnung und Auseinandersetzung mit bedeutsamen Lerninhalten führen.

2. Lernen in Geborgenheit, durch Offenheit und Herausforderungen

Geborgenheit, Offenheit und Herausforderungen sind die einander ergänzenden und stützenden Grundbedingungen eines den Kindern förderlichen Lebens- und Lernorts Grundschule.

Geborgenheit

Geborgenheit der Kinder entsteht aus der Beziehung zu glaubwürdigen Pädagoginnen und Pädagogen, durch die das Kind sich geschützt und gestützt weiß, aus dem Eingebundensein in eine Gruppe, in der das Kind sich angenommen fühlt, aus der Beziehung zu einem Raum, den das Kind als seine Welt empfinden kann, und aus der Verläßlichkeit durchschaubarer Entscheidungsstrukturen und zeitlicher Verläufe schulischen Lebens und Lernens. Aus dem Gefühl der Geborgenheit und des Dazugehörens gewinnen Kinder Zutrauen zu sich und zur Welt - Voraussetzung dafür, sich öffnen zu können für intensive Beziehungen zu Menschen und Sachen als Bedingung ihrer Person- und Lernentwicklung.

Offenheit

Aus Selbstvertrauen und Zuversicht gebender Geborgenheit öffnen sich Kinder gegenüber Sachen, Pflanzen, Tieren und besonders den Menschen mit den von ihnen vorgelebten Wertvorstellungen und den von ihnen eröffneten Situationen zur Aneignung von Kenntnissen, Sicht- und Handlungsweisen. Dazu muß Unterricht den Kindern viele Möglichkeiten des Anschauens, Mitempfindens, Miteinanderredens, Sich-Hineindenkens und Handelns geben. Offenheit heißt, Kindern innerhalb des schulischen Lebens- und Lernfeldes Freiräume zu geben, ohne die sie nichtlernen könnten und damit sie lernen, selbstgesteuert und selbstverantwortlich die Grenzen ihres Könnens und Wissens auszudehnen. Offenheit aber auch, damit sie lernen, durch Regeln gezogene Grenzen, auf die sie bei ihren Aktivitäten stoßen, einzuhalten. Aufgrund dieser Offenheit des Unterrichts nehmen Kinder selbständig Beziehungen zu schulischen Inhalten und Formen auf, mit der Chance, neue Einstellungen, Fähigkeiten und Kenntnisse zu gewinnen.

Das rechte Maß an Freiraum findet die Grundschule durch einfühlsames Beachten und genaues Beobachten des Lern- und Sozialverhaltens der Kinder und ihres Lerngewinns. je nach dem Maß, in dem die Kinder gestützt durch Orientierungen und Hilfen - die Freiräume für ihr Leben und Lernen sinnvoll nutzen, werden diese behutsam erweitert.

Das Leben der Kinder wird im privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Leben davon bestimmt sein, daß sie mit Handlungsfreiräumen zurechtkommen. Deshalb auch muß die Grundschule Kindern die Möglichkeit schaffen, mit Freiräumen auf rechte Weise umgehen zu lernen.

Herausforderungen

Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule erfordert es, die Kinder zu den in Richtlinien und Lehrplänen gesetzten Zielen zu führen. Die Grundschule kann jedoch nicht sicher sein, daß die Kinder stets selbständig entwicklungsfördernde Tätigkeiten und Aufgaben suchen und finden, sich ihnen stellen und sie zu meistern imstande sind. Zu wirksamem, auf schulische Ziele gerichtetem Lernen und Leisten brauchen Kinder immer wieder neue, ihren Kräften gemäße, die innere Beteiligung gewinnende Herausforderungen, die sie anregen und fordern, über das vorher Wahrgenommene, Erlebte, Erkannte und Gekonnte hinauszugehen und so ihre Fähigkeiten zu steigern und zu differenzieren und ihr Wissen auszuweiten,

Herausgefordert werden Kinder durch Bewußtmachen ihrer Stärken, Fortschritte und Verantwortung, durch Aufzeigen zweckmäßiger Ziele und Lernwege, durch Bemühung um Arbeitsvorhaben, die den Kindern als sinnvoll deutlich sind, durch vielfältige Anregungen zur Begegnung und Auseinandersetzung mit den Lerninhalten, durch Beratung und konstruktive Kritik, durch deutlich gemachte Erwartungen, durch Vorleben und Vormachen dessen, was und wie es zu tun ist, durch Einbringenlassen ihrer Mitgestaltung, durch Würdigenihres Verhaltens und ihrer Arbeitsergebnisse - alles dassowohl in gemeinsamen Lernsituationen als auch in personnaher Lernbegleitung.

3. Das Lernen als sozialen Prozeß möglich machen

Entwicklung des Kindes durch Entwicklung sozialer Beziehungen

Die individuelle Ausprägung der Kinder hängt von der Struktur der elementaren sozialen Beziehungen ab, in denen sie leben: Wie sich ihre Beziehungen gestalten in jenen Bindungen, von denen sie "Wir" zu sagen lernen, so bildet sich ihre Persönlichkeit heraus.

Leitfragen müssen demnach sein: Wie können die Formen des Schullebens und -lernens so gestaltet werden, daß sich für die Kinder ein hohes Maß förderlicher Beziehungen entwickelt? Ist der Schulvormittag so strukturiert, daß Beziehungen entstehen und gestärkt werden können? Werden beständige und intensive Beziehungen angestrebt als Grundbedingung von Bildung, insbesondere - wie es Aufgabe der Schule ist - zu den Gegenständen des Lernens? Wird hinreichend für jene Balance gesorgt, bei der weder die Bedürfnisse des einzelnen Kindes noch die Interessen der Gemeinschaft zu Lasten des anderen überwiegen, so daß Ich-Identität und Wir-Identität sich gleichermaßen entwickeln können?

Grundlage der Bemühungen um das Kind muß also die Entwicklung von Qualität der Beziehungen zwischen den Menschen in der Schule sein.

,,Informelle" Lebens- und Lernmöglichkeiten bieten

Eine Freundin oder einen Freund zu finden, kann für Kinder bedeutsamer sein als die Lerninhalte der Schule; in die Gruppe einbezogen zu werden, ist ihnen oft wichtiger als der Unterricht und gibt Sicherheit - Voraussetzung dafür, daß sie lernen mögen und wollen.

Um Kindern beim Bewältigen ihres Lebens und Lernens zu helfen, muß die Grundschule ihnen Gelegenheiten bieten, in denen selbstgesteuerte Begegnungen mit anderen Menschen möglich sind. Wenn Kinder mit Kindern Kontakte knüpfen, sich austauschen und etwas unternehmen, üben sie, sich auf Begegnungen und Auseinandersetzungen einzulassen oder auszuweichen, mit Bedürfnissen oder Widerständen umzugehen, Beziehungen zu erproben und zu entwickeln und auch auf die eigenen und die Grenzen der anderen zu stoßen. So erhalten sie die Chance zu lernen, mit ihren Mitmenschen, auch in Konflikten, selbständig zurechtzukommen, sich selbst und andere mit ihren Besonderheiten näher kennenzulernen, zu verstehen und zu berücksichtigen.

Sich solchen sozialen Anforderungen individuell stellen zu können und zu müssen, ist in Situationen eines gelenkten Lernens nur unzureichend möglich. Die Grundschule muß daher Räume und Zeiten "informellen" Lebens und Lernens einplanen, in denen Kinder nicht oder nur bedingt unter schulischen Anforderungen stehen. Die Gleitzeit am Morgen, offene Schulpause, Schulfrühstück, offene Bücherei, Freispiel, Freiarbeit und Freiräume innerhalb der Planarbeit sowie Exkursionen gehören zu den Möglichkeiten des Anknüpfens und Pflegens informeller Beziehungen der Kinder. Soweit Kinder es nicht schaffen, von sich aus solche Beziehungen zu entwickeln, müßten die Pädagoginnen ihnen einfühlsam zu helfen suchen.

Soziales Lernen im Unterricht anleiten

Voraussetzung für wirksamen Unterricht ist zielgerichtetes Fördern von Dialog und Kooperation zwischen den Kindern durch regelmäßiges Einbringen gesprächs- und kooperationsfördernder Lernformen vom ersten Schultag an: Morgen- und Schlußkreis, Klassen- und Kinderrat, Sach- und Besinnungsgespräche, Partner- und Gruppenarbeit, soziale Spiele und projektartige Arbeitsvorhaben im Schulalltag.

In diesen Formen entwickelt sich ein offenes Miteinander, in dem die Kinder einander anregen, fragen, antworten, widersprechen, berichtigen, bestätigen, helfen und überprüfen. Hier mühen sie sich, gemeinsam zu planen und zusammenzuarbeiten, Probleme zu lösen und Konflikte zu regeln, aber sie freuen sich auch über das, was sie erlebt und geleistet haben. In Austausch und Zusammenarbeit werden Haltungen, Fähigkeiten und Kenntnisse des Kindes stärker stimuliert, differenziert und bereichert als im Nebeneinander-Lernen oder in fast ausschließlicher Kind-Pädagogen-Beziehung.

Die soziale Einbindung schulischen Lernens ist zum einen unmittelbarer Antrieb für Lern-Interesse, Engagement und schulisches Leisten, und zum anderen vermehrt es die Chancen, daß sich die sozialen Beziehungen der Kinder vertiefen - günstig sowohl für die Entwicklung von Selbststärke als auch Voraussetzung wirklicher Gemeinschaft.

4. Durch Mitbestimmung demokratiefähig werden

Schule als Lebens- und Lernort in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft heißt: Gemeinsames Planen von Unterrichtszielen und Arbeitsverfahren im Schulalltag, das Entwickeln von Verhaltensregeln sowie Beratungs- und Mitbestimmungsformen wie Klassen- und Kinderrat werden feste, gelebte Einrichtungen. So wird zum einen die Wirkung schulischen Lernens gestärkt, weil mitbestimmtes Lernen die eigene Sache ist, zum anderen gewinnen Kinder durch Handlungserfahrung die Einsicht, daß man an seinem Gemeinwesen konstruktiv mitwirken kann. Die Schule wird so ihrer Aufgabe als Ort politisch-sozialer Grunderfahrungen gerecht, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Lebenslagen zusammenwirkend die sie betreffenden Angelegenheiten mitgestalten und dabei einander kennen, verstehen und berücksichtigen lernen. Indem die Kinder kontinuierlich Mitwirkungsfähigkeiten üben, entwickeln sie positive Gewohnheiten demokratischen Verhaltens.

Ein wesentliches Element des Fähigwerdens für Demokratie ist, daß Jungen Menschen von den Erwachsenen demokratisches Verhalten und der Umgang mit den Regeln der Demokratie glaubwürdig vorgelebt wird.

5. Das Kind als Subjekt im Lernprozeß stärken

Ein Unterricht, in dem die Kinder aufgrund einengender Lenkung sich vorwiegend in der Objektrolle finden, fördert ihre Entwicklung zu selbständig denkenden, aktiven und kooperativen Erwachsenen nicht. Selbständigkeit, Selbstverantwortung, Kooperieren und Mitgestaltungskönnen haben am ehesten die Chance, realisiert zu werden, wenn der Lebens- und Lernort Lernformen bietet, die die SubjektrollederKinder betonen. Wird das Kind als Subjekt seines Lebens und Lernens ernst genommen, indem es für seine Selbststeuerungskräfte, Gefühle, Vorstellungen, Interessen, Erfahrungen, Zugriffsweisen, Fragen und Vorschläge breiten Raum in der Grundschule erhält, wird es in seinem Lernen gestärkt:

  • Das Kind sieht von ihm selbstgesteuertes und von ihm mitbestimmtes schulisches Lernen als seine Sache, zu deren Inhalten sein Interesse ihm die für seine Person günstigen Zugänge zeigt und die es besonders ernsthaft und intensiv betreibt.

  • Ein Unterricht mit einem großen Maße an Situationen, in denen Kinder Subjekte ihres Lernens sind und das zu Lernende zum eigenen Leben in Beziehung setzen können, wird der Einsicht gerecht, daß Lernen eine nur vom Individuum als Subjekt zu leistende Verknüpfung von Teilen der Welt außer ihm mit seinem Inneren ist.

  • Wenn die Kinder innerhalb des von Pädagoginnen und Pädagogen vorgeplanten Anforderungsrahmens die ihnen gemäßen Aufgaben, Lernmittel, Lernzeiten und Lernwege - soweit nötig, mit Hilfe - selbst bestimmen können ("Selbstdifferenzierung"), wird Unterricht den unterschiedlichen Lernerfordernissen von Kindern besser gerecht, als das durch Lenkung möglich wäre.

6. An bedeutsamen Inhalten lernen

Durch Begegnungen reicher werden

Die Grundschule muß Kindern zu intensiven Begegnungen und Auseinandersetzungen mit objektiv und möglichst auch subjektiv bedeutsamen, in jedem Fall ihnen bedeutsam werdenden Gehalten der Welt verhelfen, damit sie in diesen Begegnungen fähiger und wissender werden. Kinder brauchen bereichernde Begegnungen mit Mensch, Tier, Pflanze, Buch, Kunstwerk, Sachverhalten, Ereignissen, Problemen, damit sie entdeckend, erkundend, pflegend, sprechend, schreibend, lesend, rechnend, gestaltend, produzierend ihre Interessen entwickeln und die Fähigkeiten, mit Kultur, Natur und Gesellschaft in Dialog zu treten, damit sie erfahren, womit es sich im Leben zu befassen lohnt. Soweit möglich, sollten die Begegnungen Originalbegegnungen sein, die ergänzt werden können durch eine gezielte Nutzung der Medien.

Den Irrglauben an den "Stoff" aufgeben

"Stoff durchzunehmen", ohne daß die Kinder sich um das Finden eigener Zugänge zur Sache und um das Finden eigener Ergebnisse bemühen und ohne daß sie ihre unterschiedlichen Interessen und Erfahrungen in die Erkenntnisfindung einbringen können, fördert ihr Lernen nicht. Förderlich für Kinder ist die mit innerer Beteiligung erfolgende gründliche und intensive Begegnung und Auseinandersetzung mit ausgewählten Gegenständen des Lernens.

Auswählen aus der Fülle

Intensive Begegnung und Auseinandersetzung, die bleibendwirkt, istnicht möglich mit der Fülle der Inhalte. Die Fülle der Inhalte, ohne Zeit zu vertieftem Umgang, stiftet Wirrnis und Vergessen. Ein Weniger ist ein Mehr: Innerhalb der durch die Lehrpläne gesetzten Inhaltsbereiche werden Beispiele ausgewählt, an denen Grundsätzliches sichtbar werden kann, was mit den Kindern, ihrer Welt und unserer Zeit und Zukunft zu tun hat. Zu solchen an Beispielen zu konkretisierenden "Schlüsselthemen" gehören in die Grundschule Themen wie "Ich und mein Körper", "Miteinander leben", "Wir tragen zur Verbesserung unserer Umgebung bei", "Das Leben der Menschen im Wandel", "Die Kostbarkeit des Trinkwassers", "Vielfalt in Europa".

In Zusammenhängen lernen

Eine in starkem Grade additive Struktur des Unterrichts wird den Zusammenhängen der Lerninhalte nicht gerecht, entspricht nicht den Lernmöglichkeiten der Kinder und ist dadurch wirkungsarm. Ein beziehungsloses Nach- und Nebeneinander vieler einzelner - oft kurzfristiger - Lerntätigkeiten behindert das Verinnerlichen der Lerninhalte. Anstatt durch Addition von Inhalten und Lernaktivitäten schulische Wirkungsarmut zu fördern, anstatt "bruchstückhaft" zu unterrichten, muß die Grundschule die Verbundenheit schulischen Lernens als Bedingung nachhaltiger Schulwirkung sicherstellen.

Dazu muß die Grundschule Unterrichtsformen betonen, die ein Lernen in Sach- und Sinnzusammenhängen möglich machen. Das ist vor allem ein vom Kinde als sinnvoll, nützlich und/oder erfreulich erkanntes Lernen in Handlungs- und Lebenszusammenhängen: Spielen, Aufgaben des Erkundens, Pflegens und Produzierens und besonders die kleinen und größeren Einzel-, Gruppen- und Klassenvorhaben oder -projekte, indenen die Kinder die Arbeit vom Planen bis zum Veröffentlichen als Teile eines mit allen ihren Kräften zu gestaltenden Zusammenhanges erkennen und interessegeleitet auf das Ziel hin arbeiten.

In diesen Unterrichtsformen wird das Grundschulkind besonders häufig mit allen seinen Lernmöglichkeiten zugleich herausgefordert: Wahrnehmend, fühlend, denkend und handelnd bemüht es sich, die Aufgaben zu erfüllen, und entwickelt im Vollzug der Arbeit die dabei aktivierten Fähigkeiten und gewinnt neue Kenntnisse, tut also das, was wir "lernen" nennen. Daß das Kind als ganze Person mit allen Kräften beteiligt ist, führt zu intensiver, bleibender Wirkung.

Dies wird insbesondere dann erreicht, wenn die Kinder - lehrergelenkt und später zunehmend selbständig - mit Interesse und aufmerksam zum einen die Richtigkeit ihres Handelns immer wieder auf Ziele, Gründe und Wege bedenken und zum anderen das Handeln und seine Ergebnisse nutzen, um Vorstellungen und Gedanken zu prüfen, zu korrigieren, zu differenzieren und zu ergänzen. Wahrnehmen, Fühlen, Handeln und Denken - sich wechselseitig bindend - ergeben zusammen erst den anzustrebenden Lernprozeß. Daher müssen wir den Kindern viele Situationen zusammenhängenden Lernens bieten. Das kann am ehesten in lernbereichsübergreifenden Vorhaben, aber auch als lernbereichsspezifischer Epochalunterricht organisiert werden.

Den Erwerb und das Sichern der Grundfertigkeiten stets in einen erkennbaren Handlungs- und Lebenszusammenhang zu stellen, ist der Grundschule nicht möglich. Das verstärkt das Erfordernis, die Lernaktivitäten in motivierende soziale Zusammenhänge einzubinden: gemeinsame Vorbereitungsgespräche, Partner- und Gruppenarbeit, Schreibkonferenzen, Vorstellung der Ergebnisse im Berichtskreis.

Durch Sachgespräche in die Sache eintauchen

Das Sachgespräch in der Klassengemeinschaft, in dem in die Sache eingedrungen und Sachkenntnis erarbeitet wird, in dem auch das sprachschwache Kind hinreichend zu Wort kommt, jeder die Rede des anderen mitzuvollziehen bemüht ist, Egozentrik reduziert und das Miteinander vertieft wird - dieses Gespräch müßte stärker gepflegt werden, als das heute der Fall ist, und zum Unterrichtsmittelpunkt werden.

Sich in informellen und unterrichtlichen Kleingruppengesprächen an eine Sache heranzutasten und sich für sie "anzuwärmen", ist hilfreiche Vorbereitung der Kinder für den Zugang zu den Lerninhalten.

Gründlichkeit einer Begegnung mit den Inhalten hängt in hohem Maße ab von einer die Vorstellungsbildung und abwägendes Nachdenken der Kinder anregenden Gesprächsleitung. Zentrale Bedeutung für Bildung und Erziehung hat es, wenn die Kinder in Klassengesprächen, die von der Pädagogin moderiert werden, offen und nachdenklich werden, sich austauschen und in die Gehalte bedeutsamer Lerngegenstände eintauchen.

Grundschule muß - auch und gerade im Bereich des Erwerbs von Grundfertigkeiten - für Schülerinnen und Schüler dadurch bedeutsam sein, daß sie diese durch ihre sie interessierenden Inhalte herausfordert.

Formen der Grundschularbeit

0. Die Grundschule situationsgerecht weiterentwickeln

Die folgenden Anmerkungen zu 30 Elementen einer sich entwickelnden Grundschule können wegen ihrer Kürze nicht die Funktion haben, Ihnen die genannten Bereiche zu erschließen. Ich habe sie vielmehr aufgeschrieben, damit Interessenten Möglichkeiten der Weiterentwicklung im Überblick vor sich sehen. Auch wollte ich auf Akzentuierungen hinweisen, die der Reformentwicklung guttun und guttäten, damit Kolleginnen und Kollegen sich angestoßen fühlen, sich mit ihnen wichtig erscheinenden Aspekten in der eigenen Arbeit zu befassen.

Diejenigen, die in diesem Buch Stichworte wie "Chaotisches Schülerverhalten", "Drogen-Anfälligkeit" oder "Rassismus und Gewalt" vermissen, bitte ich, sich zu fragen: Gibt es gegen jene schlimmen gesellschaftlichen Produkte eine stärkere Präventiv-Medizin als die, deren Essenzen die zentrale Thematik dieses Buches sind?

Alle hier genannten Strukturelemente habe ich in heutigen Grundschulen mehrerer Bundesländer mit günstigen Wirkungen auf das Leben und Lernen der Kinder realisiert gesehen, ohne daß die Schulen -mit Ausnahme von Mitteln für die Integration behinderter und nicht behinderter Kinder-zusätzliche Mittel erhalten hätten.

Leserinnen und Leser, die sich vielleicht durch die Menge nötiger Entwicklungsbemühungen "erschlagen" fühlen, bitte ich zu bedenken:

(1) Zwar wächst mit einem stimmigen Bündel pädagogischer Einflußnahmen die Aussicht, positive Gewohnheiten schulischen Lebens und Lernens der Kinder zu stiften. Dennoch ist es in der Regel am günstigsten, weil vor Mißerfolgen bewahrend, die Entwicklung nur jeweils jener Bereiche und Formen zu beginnen oder voranzutreiben,

  • die einem persönlich am meisten liegen;

  • die den eigenen Kräften am ehesten entsprechen;

  • die am besten in die Schulsituation passen.

(2) Da es keine Vorschriften über das Maß an Reformbemühungen gibt, kann man das rechte Maß durch Beobachten des tatsächlichen Arbeitsund Sozialverhaltens der Kinder und ihres tatsächlichen Lerngewinns unter Beachtung des eigenen Wohlgefühls ertasten und erproben, ehe man in seinen Reformbemühungen weitergeht.

(3) Mehrere der genannten Reforrnschritte können und brauchen Pädagogin oder Pädagoge nicht allein zu gehen. In Form des Dialogs im Kollegium, in der Fortbildung, durch Berater oder Hospitationen kann man Neuregelungen erst einmal gründlich klären, ehe man sie - im Kollegium einander stützend - realisiert.

(4) Die genannten Reformbemühungen bringen neben (meist nur anfänglicher) Mehr-Anstrengung oft unmittelbare Entlastung und durch günstige Entwicklung des Schulklimas, Abbau von Spannung, mehr Schulfreude und verbessertes Sozial- und Lernverhalten der Kinder sehr viel bessere Gefühle für die, welche die Mühen investierten.

1. Mittler sein zwischen Kind und Welt

Wenn Kinder lernen, indem sie sich selbst steuernd einzeln und miteinander austauschend intensiv mit den Gegenständen des Lernens befassen, ist es - streng genommen - falsch zu sagen, daß wir sie "lehren" oder "unterrichten" müssen. Aufgabe ist vielmehr, für die Kinder und mit ihnen Situationen des Begegnens

miteinander und mit den Lerninhalten zu schaffen und ihnen kompetent, sorgfältig und zugeneigt zu helfen, daß Situationen tatsächlich kindfördernd sind. Grundschulpädagoginnen und -pädagogen sorgen für lernwirksame Begegnungen zwischen Kind und Sache - sie sind Mittler zwischen Kind und Welt.

Persönliches Offensein der Pädagogin oder des Pädagogen für die Intensivierung der Beziehungen zwischen den Kindern und ihrer Beziehungen zu den Gegenständen des Lernens ist die wichtigste Bedingung erfolgreicher Grundschularbeit. Mit Beharrlichkeit läßt sie sich von jedem entwickeln - auch und gerade durch Anwendung der Formen selbstgesteuerten und kooperativen Lernens, die auf einen selbst zurückwirken.

Offenheit heißt, Menschen und Welt jeweils in mir Raum zu geben, und Bedingung pädagogischer Offenheit ist, die eigene Erwachsenendominanz zu bremsen, um der Selbststeuerung der Kinder, ihren Empfindungen, Erfahrungen, Person- und Sachinteressen und ihrem Mitgestaltungskönnen vorrangig Raum zu geben - bei Aufrechterhaltung stützenden Begleitens der Kinder durch einfühlsame Moderation. Ein weniger auf aufdringliche Vorgaben, sondern mehr auf Verständigung setzender Führrungsstil ist Kindern gerade auch in gelenkten Lernsituationen förderlich und wirkt durch

das Vorbild kultivierend.

Ich habe Pädagoginnen und Pädagogen erlebt, die sich selbst zur Zurückhaltung als Voraussetzung von Moderationsfähigkeit erzogen, indem sie sich fest vornahmen, in einem Arbeitsgespräch keine inhaltliche Aussage zu machen; oder: indem sie den ganzen Vormittag nur leise sprachen, um durch wohltuenden Verzicht auf die akustische Raumbeherrschung der Entwicklung des Gemeinschaftsgefühls bessere Chancen zu geben; oder: indem sie regelmäßig Kindern die Gesprächsleitung für zuerst kurze und später längere Zeiten abtraten.

Durch Arrangieren von Sachbegegnungen, Formulieren kind- und sachgerechter Aufträge und durch die deutliche Erwartung, daß jedes Kind sich um Können und Kenntnisse müht, fordern die Lehrerinnen die Kinder zwar konsequent zu möglichst genauer Anschauung, zu klärendem Austausch, Denken und Handeln heraus, nehmen dann aber zugunsten des Aktivwerdens der Kinder ihre Dominanz zurück. Ruhiges Führen vereinen sie damit, den Kindern viel Denk- und Gestaltungsraum zu geben - geht es doch darum, die Kinder die in ihnen liegenden Kräfte voll nutzen zu lassen.

Pädagogin und Pädagoge sorgen dafür, daß die Kinder immer wieder neu ihre Aufmerksamkeit auf die Sache richten. Sie ermutigen die Kinder zum Äußern ihrer Fragen, Vermutungen und Erfahrungen. Sie regen sie zum gegenseitigen Zuhören, zum abwägenden Bedenken des Gesagten, zum Weiterdenken und insbesondere zu individuellen Erprobungen und Gestaltungen an. Sie sorgen dafür, daß nicht nur die raschen Kinder zum Zuge kommen, und warten ab, daß sich in der Seele auch des langsamen Kindes eine Vorstellung oder ein Gedanke bildet und es eine Arbeit schafft.

Wenn die Kinder aus sich heraus trotz mehrerer in Ruhe abgewarteter Versuche nicht weiterkommen, verzichten wir zwar nicht auf knappe weiterführende Informationen, vermeiden aber alle inhaltlichen Aussagen, die auch nur vielleicht ein Schüler würde bringen können.

Das Mittlersein schließt den Willen ein, bei den Begegnungen mit Problemen, Sachen, Aufgaben die Kinder nicht nur ihre Ansichten äußern zu lassen, sondern sie auch behutsam anzuleiten, Ziele, Methoden und Inhalte innerhalb des Lernfeldes der Schule mitzubestimmen.

Durch diese Elemente eines vermittelnden Führungsstils können wir Entscheidendes tun zur Entfaltung der geistigen Kräfte der Kinder, zur Mehrung von Kenntnissen und zur Kultivierung der Gesprächsfähigkeit.

Um den Heranwachsenden zu intensiven Begegnungen mit den Gegenständen des Lernens verhelfen zu können, reichen Offensein gegenüber Kindern und didaktisch-methodische Kompetenz jedoch nicht aus: Offenheit für Beziehungen zu anderen Menschen, anderen Kulturen, Tanz, Musik oder Kunst, zu Tieren oder Blumen, für den Schutz der Umwelt, für die besten Bilderbücher, für Technik, Politik und manches mehr käme nicht nur uns selbst zugute, sondern macht uns fähig, in dem Vielen, was zu tun ist, den Begegnungen der Kinder mit zumindest einigen Bereichen unserer Welt besondere Wirkkraft zu verschaffen. Durch kaum etwas anderes können wir das Lernen der Kinder stärker fördern, als wenn sie bei uns als ihnen nahestehenden Menschen spüren, daß wir uns selbst als ständig Weiterlernende begreifen. Unser Interesse ist der Funke, an dem ihr Interesse sich entzündet.

Eine große Chance: Leben wir den Kindern glaubwürdig vor, daß wir zu ihnen, ihren Eltern, anderen Menschen, Tieren, Pflanzen, Geschehnissen und Sachen stets auf Stärkung der Beziehung aus sind und auf besseres Verstehen, richtet sich ihre Aufmerksamkeit - durch uns vermittelt, aber über uns hinausgehend -auf Inhalte und Beziehungsformen unseres Lebens, die es wert sind, daß sie sich ihnen stärker zuwenden, als sie das ohne unsere Wegweisung vermocht oder auch nur gewollt hätten.

Die positive Entwicklung jüngerer Kinder ist bekanntlich bedingt durch das Maß persönlicher Zuwendung, das sie von den Erwachsenen erfahren. Das gilt auch für das schulische Lernen. Wenn Pädagogin und Pädagoge sich - statt der Klasse - dem einzelnen Kind mit gezielter Beobachtung seines individuellen Arbeitens und mit einfühlsam darauf bezogener Hilfe zuneigen, vermag das Kind ihren Rat besser auf sich zu beziehen und kommt mit seinem Lernen besser voran. Daher müssen Pädagoginnen und Pädagogen einen großen Teil der Zeit, die früher für die Lenkung der Gesamtgruppe verwandt wurde, für solche individuelle Lernberatung nutzen.

Kolleginnen und Kollegen der Grundschule, aus ihren Klassen kommend, antworteten auf die Frage, was der entscheidende Punkt bei ihrer Arbeit sei: "Ich muß bereit sein, mich mit den Kindern auf den Weg zu machen - Ich muß wollen, daß jedes Kind es schafft - Ich muß herauskriegen, wo seine Möglichkeiten liegen, selbst ein Stück weiter an die Sache heranzukommen, und wo es vielleicht hakt - Ich muß mir die Hilfen erarbeiten, mit denen ich sie am besten stützen kann - Es gibt so viel Wichtiges und Interessantes, an dem es schön ist, zusammen zu arbeiten."

Zum "Mittlersein zwischen Kind und Welt siehe auch die Praxisbeispiele 5: Mäuse-Gespräch (S. 109) und 7: Werkstattunterricht Mathematik (S. 114).

2. Klassenraum

Das Leben und Lernen der Grundschulkinder erfordert Klassenräume, die wohnliche Räume und Lernwerkstätten sind. Das Wichtigste: Die Kinder haben an der Gestaltung ihres Raumes, in dem sie mehrere Jahre hindurch leben und arbeiten werden, wesentlichen Anteil.

Strukturverbesserungen des Lernorts sind weniger eine Sache des baulichen Komforts und großer Kosten, sondern mehr eine Anforderung an Improvisationskunst, Phantasie und Tatkraft der Pädagogin und ihrer Fähigkeit, Kinder und Eltern als Helfer einzubeziehen.

Zwecks Kompensation eventuell geringer Klassenraumfläche und fehlenden Gruppenraums hat sich die Nutzung von Vorräumen, Flur und anderer wenig genutzter Räume bewährt. Ich kenne Schulen, in denen man fast während des ganzen Vormittags in Sitzgruppen an Flurenden und in sonstigen Nischen Kleingruppen von Schülern beim Lesen, bei Übungen, Textentwürfen, Vortragsproben oder Sachgesprächen findet.

Zur Frage fester Tischplätze: Da das Sicherheitsbedürfnis jüngerer - und vor allem tendenziell instabiler - Kinder Vorrang behalten muß vor Erwägungen stärkerer Offenheit der Lernformen, plädiere ich dafür, daß grundsätzlich jedes Kind Anrecht auf seinen Platz in seiner Tischgruppe hat(bei freier Wahl anderer Möglichkeiten in den Phasen selbständiger Aktivitäten und wenn nicht andere Sozialformen des Unterrichts andere Konstellationen erfordern).

Es versteht sich, daß sich Pädagoginnen und Pädagogen zum Erproben und Entwickeln der Raumgestaltung Fragen stellen wie: Können sich Kinder hier wirklich wohl fühlen? - Was an Bildern, Büchern, Plastiken, Sachen, die zum Denken und Handeln herausfordern, könnte ich noch einbringen? Sollten dazu nicht regelmäßige - von Kindern vorzubereitende - Gespräche nützlich sein? -Wo können Kinder spielen? - Ist eine weitere Aktivitätszone (Lese-, Schreib-, Mathe- oder Bau-Ecke, Staffelei, Experimentier-, Werk- oder Forschertisch) nützlich? - Ist unsere Kinderbuchsammlung auf dem besten Stand? - Kommen die Kinder gut genug an alle Arbeitsmittel heran, und sind diese für lernschwache Schüler deutlich in ihren Schwierigkeitsgraden erkennbar? - Tun wir genug zur Information über Aktualitäten und zur Dokumentation und Würdigung von Schülerarbeiten (Info-Wand, "Kunstgalerie", Projekt-Tafel, Tisch für ständige Ausstellungen, Museumsbord, Vorstellungstisch) ... ?

Einem vielerorts beobachteten Trend bei der Ausstattung von Grundschulklassen mit Lern- und Lehrmitteln möchte ich entgegenhalten: Bilder, Bücher und andere Lernmittel bilden nicht durch ihre Menge, sondern durch Qualität und Klarheit ihrer Präsentation und vor allem durch die innere Beziehung, die vom Kinde zu ihnen wächst.

Eine innere - bildend auf das Kind zurückwirkende - Beziehung zwischen demKind und den Dingen im Klassenraum ist in starkem Maße ein Produkt unserer Vermittlung und kann sich entwickeln

  • aufgrund pädagogengelenkter Begegnungen mit Bildern, Büchern und Sachen und in wiederholt die Eindrücke der Kinder vertiefenden Gesprächen;

  • bei häufig als sinnvoll erfahrener Verwendung dieser Materialien und Sachen durch die Kinder und

  • insbesondere dadurch, daß ein möglichst hoher Anteil Eigenproduktion der Kinder ist.

3. Der Schulvormittag

Daß die "Stundenschule" mit ihren 45-Minuten-Takten didaktisch und kinderpsychologisch ungeeignet ist, wissen wir lange: Die Zeitstruktur darf das Lernen nicht bestimmen, sondern muß ihm dienlich sein. Der Schulvormittag muß bestimmt sein durch einen sinnvollen Lebens- und Arbeitsrhythmus nicht einfach nur wechselnder, sondern einander ergänzender und stützender Unterrichtsformen, deren Zeitmaß wir erforderungsgemäß entscheiden: gemeinschaftliche und individuelle, gelenkte und selbstgesteuerte, bewegte und ruhige.

Als Kompromiß zwischen den Erfordernissen einer flexiblen Zeitplanung der einzelnen Klassen und der Notwendigkeit gemeinsamer Zeitregelungen im Interesse des Schulganzen halten mehr und mehr Schulen es für eine praktikable Organisation, nach jeweils zweistündigen Unterrichtsblöcken (einschließlich der innerhalb der Blöcke liegenden Kurzpausen), innerhalb derer die Zeitstrukturierung den Klassen überlassen ist, große für alle geltende Schulpausen festzulegen (vgl. den Abschnitt "Die ganze Halbtagsschule einrichten", S. 138).

In diesen Schulen beginnt der Vormittag in der Regel etwa 15 Minuten vor dem offiziellen Schulbeginn mit einem "gleitenden Schulanfang", auch "Komm-Zeit" genannt. Meist wird dann der Tag eingeleitet mit dem gemeinsamen "Morgenkreis", dem sich der Unterricht nach den Erfordernissen der jeweiligen Klasse und der Planung der jeweiligen Pädagogin anschließt: gelenkte gemeinsame oder differenzierende Einführungsphasen und Intensivübungen - Phasen selbständigen Arbeitens der Kinder (meist Tagesplan oder Wochenplanarbeit kombiniert mit Freiarbeit) - Arbeit an Klassenprojekten - Fachunterricht - Schlußkreis. An einigen Tagen schließen sich (ab Klasse 2) klassenübergreifende Arbeitsgemeinschaften an. Die Zahl der Strukturvarianten ist groß: Sie geht hin bis zu einer für alle Klassen der Schule geltenden täglichen zweistündigen Projektzeit. Viel zu selten noch: die nötige tägliche gemeinsame Bewegungszeit.

Regelmäßig täglich wiederkehrende Strukturelemente des Schulvormittags, mit denen die Kinder eine auf das eigene Tun bezogene Vorstellung verbinden können, wie Morgenkreis, gemeinsames Frühstück, Plan- und Freiarbeit oder Schlußkreis, gliedern für sie das Tagesgeschehen, machen es ihnen überschaubar und geben dem Tag eine Ordnung, die ihre Eigenständigkeit stützt, weil sie so wissen, "woran sie sind". (Ähnliches gilt auch für eine entsprechende Ordnung der Schulwoche z. B. durch den Montagskreis und die Wochenabschlußversammlung sowie für das Schuljahr durch jährlich wiederkehrendes Einhalten bestimmter Bräuche, Feste und Projekte.)

In Grundschulklassen, in denen ein gemeinsamer gelenkter (dabei kind- und sachoffener!) Unterricht mit solide praktizierter selbständiger Arbeit der Kinder an Pflicht- und Frei-Aufgaben unter Betonung von Klassenvorhaben so verbunden wird, daß diese Unterrichtsformen einander stärken, entwickelt sich im Regelfall das Arbeits- und Sozialverhalten der Kinder günstig: Die eigene Arbeit selbständig planen, sich verantwortlich fühlen für das eigene Lernen, fähig sein zu Austausch und Zusammenarbeit - das sind Verhaltensweisen, die hier oft zu beobachten sind. Hervorzuheben ist das positive Gruppenklima dieser Klassen, dem ein Sich-Wohlfühlen der Kinder, eine bejahende Einstellung zur Schule als ihrer eigenen Sache und ein deutlich entspannteres und lernwilligeres Verhalten auch solcher Kinder zugrunde liegt, die unter anderen Schulbedingungen als lern- und verhaltensschwierig gelten.

Wirkungsfaktor hierfür ist das sich aus eher offenen und aus eher gebundenen Formen zusammensetzende Gesamtgefüge eines Schulvormittags, das sich im Unterschied zu einem ausschließlich engführenden oder zu einem Bindungen zu sehr außer acht lassenden Unterricht förderlich auf die Persönlichkeits- und Lernentwicklung auswirkt.

Machen wir uns aber nichts vor: Eine sinnvolle Zeitstruktur kind- und sachoffener Unterrichtsformen ist nur der förderliche Rahmen einer pädagogischen Arbeit, die von Pädagoginnen und Pädagogen mit ihrer jeweiligen Einfühlsamkeit und Kompetenz zu füllen ist.

Ich rate Kolleginnen und Kollegen, sich nicht zu selten auf den Schulvormittag zurückzubesinnen mit Fragen an sich selbst wie:

  • inwiefern hat sich das Kommen heute für die Kinder gelohnt?

  • Was war der Lerngewinn der Kinder?

  • Welche Kinder haben sich am Gespräch beteiligt und welche nicht?

  • Welchen Kindern muß ich also morgen bessere Möglichkeiten geben?

  • Haben alle Kinder heute das Gefühl guten Gelingens haben können?

  • Wie kann ich ihnen zum Verarbeiten eines Mißerfolgs verhelfen?

  • Haben die Kinder von mir Rückmeldungen für ihr Lernen erhalten?

  • Hatten lernstarke Kinder genügend anspruchsvolle Aufgaben?

  • Habe ich lernschwachen Schülern ein ermutigendes Wort gesagt?

  • Nahm ich alle Kinder durch Aufgreifen ihrer Beiträge ernst?

4. Gleitender Schulbeginn am Morgen (Komm-Zeit)

Wenn ich Grundschulen besuche, erlebe ich nicht selten, daß Kinder einzeln oder in Gruppen schon längere Zeit vor dem für alle verbindlichen Unterrichtsbeginn im Klassenraum eintreffen. Sie werden von ihrer Pädagogin einzeln begrüßt, gucken nach dem Hamster oder den Mäusen, schauen nach dem Saatbeet, gießen die Pflanzen, messen nach, ob sie gewachsen sind, versehen verschiedene Ämter, unterhalten sich, spielen, lesen oder schreiben kleine Briefe. Relativ viele holen sich aus den Kästchen für unfertige Arbeiten, die auf den Gruppentischen stehen, ihre am Vortag begonnene Wochenplan-Arbeit und arbeiten daran weiter. Manchmal sieht man sie auch an ihren Klassenprojekten - zum Beispiel am Zeichnen ihres Körperbildes mit Aufschreiben der Körperteile - arbeiten oder mit Partnern eine kleine Vorführung für den Morgenkreis vorbereiten.

Außerschulisches und schulisches Leben der Kinder gehen hier ohne Anordnungen für den Arbeitsbeginn und ohne unnötige Wartezeiten auf ungezwungene Weise ineinander über. Wir können das einen offenen Schulbeginn nennen: Die Kinder gehen an das Lernen nicht erst, wenn es ihnen auferlegtwird, sondern wenn und weil es ihnen sinnvoll erscheint. So gewöhnen sie sich, ihr Lernen nicht mit organisiertem Unterricht gleichzusetzen, sondern es als einen normalen Bestandteil ihres Lebens einzuordnen. Und: Kein Grundschulkind braucht mehr morgens vor den Schultüren zu stehen.

Der individuelle Beginn macht es den Kindern möglich, zunächst einmal nur auf sich selbst eingestellt zu bleiben, in Ruhe mit einer Arbeit anzufangen oder ganz einfach mit anderen ein wenig zu kommunizieren. Etwas früheres oder späteres Kommen einzelner Kinder fällt nicht ins Gewicht und hindert niemanden, an ein eigenes Vorhaben zu gehen. Der Schultag ist nicht gleich geprägt durch von außen kommende Forderungen und macht so deutlich, daß Grundschule als erstes ein Ort eigenen Planens und Tätigwerdens sein soll.

Es ist zwar kein Muß, aber äußerst sinnvoll, wenn der Schulvormittag mit einer solchen individuellen Arbeits- und Kommunikationsphase beginnt das ließe sich in den meisten Grundschulen vom 2. Schultag der Klasse 1 an aus eigenen Stücken einrichten.

5. Gemeinsames Schulfrühstück

Ein gemeinsames Frühstück im Klassenraum mit Milch oder zuckerfreien Säften und einem kleinen gemütlichen Beisammensein - meist in der ersten Hälfte der ersten großen Pause arrangiert - gehört zur Grundschule als Lebensstätte der Kinder.

Die Kinder sitzen beim Frühstück in ihren Tischgruppen und nutzen die Gelegenheit für ein Schwätzchen. Hin und wieder wird auch aus einem Kinderbuch vorgelesen, ein Musikstück gehört oder eine Klassen-Angelegenheit besprochen. Nach dem Frühstück gehen die Kinder in der Regel in die Spielpause auf den Pausenhof.

Offene Grundschule ist auch darin offen, daß ihre Lebens- und Lernformen kein Dogma sind. Das gilt auch für das gemeinsame Frühstück. Es gibt nicht wenige Klassen, die es einige Jahre praktizieren, aber nicht durchgehend bis zum Ende der Klasse 4 täglich, sondern etwa ab Klasse 3 nur noch an einzelnen Tagen (dann zum Beispiel auch jeweils von einer anderen Kindergruppe als "gesundes" oder "schönes" Frühstück für alle bereitet).

Verzichtet man auf gemeinsames Frühstücken, damit die Kinder die vollen Pausenzeiten für Bewegungsaktivitäten im Schulgelände nutzen können, ist es günstig, im Klassenraum einen "Frühstückstisch" zu haben, an den Kinder, die in Ruhe miteinander frühstücken wollen, sich während der Plan- oder Freiarbeit zurückziehen können: Auch selbständiges Pausieren gehört zur Selbständigkeitserziehung.

6. Aktive/offene Schulpause

Zum Rhythmus des Schulvormittags gehört die aktive Schulpause. Dafür strebt die offene Grundschule den grünen Schulhof mit Aktiv- und auch mit Ruhezonen an. Feststehende Geräte im Schulgelände, Schränke oder Wagen mit Spielgeräten, auf den Hof gemalte Kästchen, nach Möglichkeit auch mit Gras bewachsene Hügel und Senken fordern die Kinder zu vielerlei Spielen und Bewegungen heraus.

Ob die Kinder während der großen Pausen im Klassenraum bleiben oder ins Schulgelände gehen wollen, können sie an manchen Grundschulen selbst entscheiden. Ein einmaliger Wechsel ist erlaubt. Während der Hofpausen wird häufig nur eine Aufsicht gestellt, die auch Flure und Klassen in den Blick nimmt. Das Kollegium kann so im Lehrerzimmer pausieren oder Schulangelegenheiten besprechen. Entgegen vorheriger Skepsis hat sich diese Pausen-Ordnung bewährt.

7. Die "offene" Schülerbücherei

Eine - nicht nur manchmal zwecks Ausleihe geöffnete - Schülerbücherei ist eine erziehliche und unterrichtliche Bereicherung. Sie ist zur Buchausleihe, zum Lesen, Kommunizieren und zum Spielen täglich in einer der großen Pausen geöffnet. Schüler der Klassen 4 leihen dort die Bücher des attraktiven Angebots aus, das - etwa von einer Jugendaustauschbücherei - in regelmäßigen Abständen durch neue Bücher aufgefrischt wird. Auch während des Unterrichts nutzen die Kinder (nach Einholen des Einverständnisses bei ihren Pädagoginnen) die Bücherei als Arbeitsraum; häufig wird sie in die Arbeit an Klassen-Vorhaben einbezogen. Eine Bücherei dieser Form wird von den Kindern in hohem Grade als die "ihre" gesehen.

Man kann die offene Schülerbücherei als ein Kulturzentrum der Grundschule bezeichnen, in dem die Kinder auf selbstverständliche Weise lernen, sich für Bücher und das Gespräch über Bücher zu interessieren und mit ihnen produktiv umzugehen.

8. Klassenämter

Diese Ämter als nötige Dienste für die Klassengemeinschaft im Schulalltag etwas ernster zu nehmen, als wir das in der Regel tun, würde Kindern helfen, durch Übernahme kleiner Verantwortlichkeiten für andere ihren Gemeinschaftssinn zu entwickeln und zu lernen, daß zu einer Gemeinschaft zu gehören auch heißt, kleine Pflichten für diese Gemeinschaft zu übernehmen.

Von einem Dienen in obrigkeitsstaatlichem Sinne sollten sich diese Ämter dadurch unterscheiden, daß nicht die Pädagogin anordnet, sondern die Gemeinschaft der Kinder und die Pädagogin die Regelungen treffen und im Wechsel jedes Kind jedes Amt versehen muß.

Ein Problem vieler solcher Ämter ist, daß sie in Vergessenheit geraten und die Kinder lernen, was sie nicht lernen sollen: Pflichten zu haben, sie aber zu vernachlässigen. Eine solche Schwäche läßt sich, wie viele Probleme in der Schule, durch eine überlegte Organisation der pädagogischen Formen vermeiden. Gut sichtbar im Raum hängt die "Ämterliste", auf der deutlich erkennbar hinter den Namen der Kinder oder Kindergruppen die Ämterkärtchen gesteckt sind: Thermometer, Kalender, Fenster, Bau-Ecke, Lese-Ecke, Werk-Ecke, Forscher-Tisch, Druckerei, Pflanzen, Teebereitung Frühstückstisch, Bücherei, Tafel, Abwaschen, Schuhe, Spiele, Müll ... Ein gemeinsamer Blick jeden Morgen auf diese Liste mit eventuell knapper Besprechung von Vertretung und Problemen hilft, daß die Klassenämter eine lebendige und sinnvolle Einrichtung bleiben.

9. Klassen- und Kinderrat

Die Kinder haben feste Einrichtungen nötig, in denen sie sich daran gewöhnen, ihre Fragen und Vorschläge zum gemeinsamen Leben und Lernen, ihre Sorgen und Konflikte mit Hilfe selbst zuverhandeln, anstatt daß andere sich ihrer annehmen und sie für sie regeln.

Im Klassenrat kommt zur Sprache, was an Ereignissen in der Klasse der Klärung bedarf: Unzufriedensein mit dem Unterricht, Schwierigkeiten mit anderen Klassen oder Lehrern, Streitigkeiten der Schüler untereinander, Probleme in den Beziehungen zwischen Pädagogin und Kindern, Planen von Unternehmungen, Regeln der Lernmittelnutzung und Ämterführung. Der Entwicklung des Mitgestaltungskönnens dient es insbesondere, wenn Arbeitsvorschläge entwickelt werden. Der Klassenrat ist Möglichkeit sowohl des Bewußtmachens der Interaktionsvorgänge in der Klasse als auch der Einflußnahme auf das Klassengeschehen. Wenn dabei zur Leitlinie wird, daß alle um einvernehmliche Lösungen bemüht sind, nimmt die Grundschule ihre Aufgabe wahr, die Kinder Formen einüben zu lassen, die auch ihrem späteren gesellschaftlichen Zusammenleben förderlich sind.

Die Funktion des Klassenrats kann innerhalb eines Morgen- oder Schlußkreises der Klasse erfüllt werden; es empfiehlt sich jedoch, ihn gesondert abzuhalten, etwa in der letzten Stunde der Woche als "Freitagskreis". Eine solche Festlegung unterstreicht seine Bedeutung, läßt daran denken, daß man sich auf ihn vorzubereiten hat, und wirkt der Möglichkeit entgegen, ihn wegen anderer Notwendigkeiten zu vergessen.

Zur Vorbereitung werden die zu verhandelnden Angelegenheiten während der Woche auf einer Stecktafel für "Wünsche und Beschwerden" oder an anderer geeigneter Stelle kundgetan. In Sachen "Klassenrat" erfahrene Schulen berichten, daß ein relativ strenges (mit zunächst viel Hilfe eingeführtes) Ritual mit festen, die Diskussion vorstrukturierenden Verlaufsregelungen Bedingung für das Entwickeln erfolgreichen Arbeitens des Klassenrats ist.

Zum Kinderat treffen sich an einem bestimmten Wochentag ein oder zwei Abgeordnete je Klasse - in Klasse 1 mit Hilfe der Pädagogin gefunden, ab Klasse 2 gewählt - in einer Pause in der Regel bei der Schulleiterin, um mit ihr klassenübergreifende Fragen zu besprechen, welche die Schüler vorbringen - zum Beispiel Pausenkonflikte, Bus-Probleme. Auch werden den Kindern Wünsche des Kollegiums oder Hauspersonals mitgeteilt, zum Beispiel Schwierigkeiten der Raumpflegerinnen, denen die Kinder helfen könnten.

Lösungen zur Regelung des täglichen Zusammenlebens werden in vertrauenschaffendem Gespräch entwickelt und dann von den Mitgliedern des Kinderrats den Mitschülerinnen und Mitschülern nahegebracht.

Klassen- und Kinderrat sind geeignete Formen zur Entwicklung der Einsicht, daß man an den Angelegenheiten seines Gemeinwesens konstruktiv mitwirken kann, und zum Üben von Mitwirkungsfähigkeiten. Die Kinder erfahren hierbei deutlich, daß die Schule und die Gestaltung schulischen Lebens ihre Sache ist.

10. Morgenkreis

Wir können froh sein, daß die Förderer offener Lernkonzepte der individualisierenden Tagesplan-, Wochenplan- und Freiarbeit den Morgenkreis als Gegengewicht vorangestellt haben, denn es wäre ein Fehler, in der Plan- und Freiarbeit nicht das Risiko eines "Im-eigenen-Safte-Schmorens" des Kindes zu erkennen. Partnerarbeit und spontane Kommunikationskontakte können nicht die lernbereichernde Kraft organisierter Gemeinschaftsarbeit der Klasse ersetzen, der von der Pädagogin gezielt und stark zur Wirkung verholfen wird.

Zum Morgenkreis findet man sich meist nach der individuellen Anlaufzeit am Morgen, in manchen Klassen auch nach einer gelenkten Einführungsphase zusammen, wenn alle Kinder der Klasse da sind. Rasch und ohne viel Aufhebens, wie es einmal geübt und durch Gewöhnung gefestigt wurde, setzen sich die Kinder in der Mitte des Raums auf leise herangetragenen Stühlen in einen Stuhlkreis oder auf mitgebrachten Kissen im Kreis auf die Erde. In manchen Klassen setzt man sich in den vorbereiteten Sitzkreis in der Sitzkreisecke oder -insbesondere bei geringer Raumgröße - ohne großes Umstellen der Möbel in locker geformtem Kreis auf Stühle und Tische.

Falls möglich, sollte man den Morgenkreis täglich stattfinden lassen, wobei man im Zeitmaß offen sein kann. Drei Gründe, die für ihn als festen Teil des Schulvormittags sprechen, hebe ich hier heraus:

(1) Einleitung des Tages: Durch den Morgenkreis hat der Brauch, den Tag mit einem gemeinsamem Lied, einem Kreisspiel, der Lesung eines guten Textes, durch Sprechen von Kinderreimen oder durch Feiern eines Geburtstages und anderes einzuleiten, wieder mehr Platz in der Schule gefunden. Das stärkt das Wohlgefühl der Kinder, einer, dieser, ihrer Gruppe von Menschen anzugehören.

(2) Wertvoll ist die Erzählrunde: Wenn die Kinder von ihren Erlebnissen erzählen auf dem Spielplatz, von der Angst um den Kanarienvogel, von Schulwegkonflikten und Fernsehbildern, von Batman oder Dinosauriern, steckt darin erheblicher pädagogischer Nutzen:

  • Die Kinder können - anstatt nur in der Schülerrolle - als Menschen zur Sprache kommen mit dem, was sie zu sagen haben.

  • Sie lernen so einander als Menschen kennen, was die Voraussetzung ist für das Entstehen von Beziehungen und Gemeinschaft.

  • Sie gewinnen Sicherheit im Sprechen vor der Großgruppe und lernen, sich den Fragen und Kommentaren der anderen zu stellen.

  • Der Pädagogin erschließt sich hier noch deutlicher als sonst, wie ihre Kinder fühlen und was ihnen wichtig ist: So wird ihr geholfen, den enormen Mentalitätsabstand der Erwachsenen zu den Kindern zu verringern, was für all ihre Arbeit bedeutsam ist.

Die Beiträge der Kinder in der Erzählrunde sind spontan oder vorbereitet: Sie berichten von einer Begebenheit zu Haus, vom Fernsehen, von einer Naturbeobachtung; sie stellen ein Werkstück vor oder ein gern gelesenes Buch. jedes Kind kann mitteilen, was ihm wichtig ist. Alle können sich, was Schule früher oft als Störung der Stofferledigung" empfand, mit Interessen und Befürchtungen einbringen. Hier können sie frei erzählen, und zwar nicht auf Wunsch der Pädagogin und nicht speziell ihr, sondern aus eigenem Antrieb und zur Gruppe. Man bedenke, wie solch ein Brauch, vier Jahre hindurch realisiert, sich auswirkt auf Bereitschaft und Können, sich später in Beruf und Gesellschaft zu Wort zu melden.

Es gibt jedoch Probleme, welche das Erreichen des Ziels gefährden:

  • Ein zentrales Problem ist, daß oft gar nicht die Kinder zum Zuge kommen, sondern nur einige Kinder und viele Kinder meist nicht. Wir müssen also achtgeben auf die Schwachen und auf sie warten können! Sie auch nicht nur einfach anregen, sondern mit ihnen etwas vorbereiten, zum Beispiel sie ein Bild, einen ihnen bedeutsamen Gegenstand mitbringen, ihn zeigen und sie dazu sprechen lassen. Wir müssen uns Hilfen für sie ausdenken! Ein Erlebnis für mich: Sophie, schwer behindert, die kaum zu sprechen wagte, bekam an ihre Seiten zwei Kinder, die zusammen mit ihr einen Vers sprachen, und Sophie brauchte zunächst nur etwas mitzuflüstern.

  • Ein weiteres Problem ist, daß zwar von mehreren geredet, aber von den anderen nicht mitvollzogen wird, was "die da" sprechen. Oft nur langfristig lösbar: Die Pädagogin kann ihr Anteilnehmen vor allem durch aufmerksames Ansehen des sprechenden Kindes deutlich machen, was als Vorbild wirkt. Sie könnte durch Nachfragen zu bewirken suchen, daß Zugehörthaben als nötig eingeschätzt wird; Zuhören eine Zeitlang in kleiner Gruppe üben.

  • Ein drittes Problem: Bestimmte "Bräuche" oder "Rituale" der Schule geben durch regelmäßige Wiederkehr dem Kinde Sicherheit durch das Gefühl einer Ordnung, an die alle sich zu halten haben. Die Erzählrunde ist ein solcher Brauch. Wie in allen Ritualen, steckt in ihr das Risiko, allmählich ihres Sinnes entleert zu werden: Das äußert sich so, daß Kinder in der Runde nur sprechen, weil es erwartet wird, ohne daß sie etwas zu sagen hätten. Abhilfe ist, mit den Kindern gemeinsam zu beraten, wie es weitergehen soll. Erstaunlich, wie Erstarrtes durch neue von Pädagogin und Kindern entwickelte Ideen in Bewegung gerät: Kinder dichten Lieder um und tragen sie vor, Kindervers- und Rätselstündchen werden eingerichtet, Eltern eingeladen, Haustiere vorgestellt, Interviews wiedergegeben, die Mauzer der eigenen Katze mittels Tonband zu Gehör gebracht. Ein Buch wird vorgelesen, dessen Gehalt die Kinder wirklich bewegt und zu dem sie sich äußern wollen. Die Lehrerin führt den Brauch des "Wanderbuches" ein. Das Vortanzen eingeübter Tänze wird einbezogen.

Allmählich kann man einen der Erlebnis- und Sachinhalte, die die Kinder bringen, zum Gesprächspunkt des Tages machen, ihn also zum etwas differenzierter behandelten "Unterrichtsthema" erweitern, ihn als "Schreibanlaß" nehmen oder sogar ein Klassenvorhaben daraus entwickeln. Solch ein Unterricht wirft Fragen auf, die Fragen der Kinder

sind: nach dem Leben des Hundes, dem Brand im Nachbarhaus, nach Hubschraubern, alten Schiffen, Eskimos und vielem mehr.

Dazu wird den Kindern empfohlen, Informationsquellen für einen kleinen vorbereiteten Bericht zu nutzen: Kinderlexikon, Sachbücher für Kinder, Befragung Erwachsener. Durch unsere (vorsichtigen) Fragen regen wir zwar die Kinder hier und dort zu Verfeinerungen ihrer Berichte an, werden jedoch Maßstäbe an die Ergebnisse noch nicht anlegen, sondern ordnen sie als ein Sich-Annähern der Kinder an die Lerngegenstände ein. Interessenlage und Denkart der Kinder können uns dabei deutlich werden, und was die Kinder berichten, zum Beispiel aus den Medien, erfährt erste behutsame Klärung.

Manche Klasse baut die eben skizzierte Lernart zu einer Hauptform des Lernens aus, dem "Vortrag" In einer 3. Klasse erlebte ich, daß solche Vorträge, zum Beispiel über Indianer, in voller Regie der Kinder in eine Schulstufenversammlung eingebracht wurden.

Wichtig ist, daß die Pädagogin beachtet, welche der von den Kindern angeschnittenen Themen sich eventuell für ein von der Klasse zu planendes und zu bearbeitendes Arbeitsvorhaben eignen: "Wir besuchen den Tierpark", "Wir backen Pfannkuchen", "Krankenhaus".

(3) Die Arbeitsbesprechung ist die wahrscheinlich zentrale Funktion des Morgenkreises. Struktur früheren Unterrichtens war oft, daß man als Schüler auf Lehrerfragen antwortete oder Anweisungen ausführte. Man wurde darauf ausgerichtet, auf Aktionen dessen da vorne meist kurzschrittig zu reagieren, und wenn keine Lehrer-Aktionen kamen, war, da es nichts zu reagieren gab, Untätigsein die Folge. Eine Gewohnheit zumindest noch meiner Pädagogen-Generation war, die Schüler oft im dunkeln zu lassen über das, was man vorhatte als Lehrer. Wer aber die im Kopf des Lehrers vorhandenen Unterrichtswege und -ziele nicht kennt, ist zum Unselbständigsein verurteilt, denn ein selbständiges Mitdenken, Handeln und Lernen setzt voraus, daß man Weg und Ziele kennt. Wenn ich die Schüler über Ziele und Wegmöglichkeiten nicht im dunkeln lasse, sondern aufkläre, können sie, ohne nur stets meinen Impulsen folgen zu müssen, selbst etwas unternehmen, können selbständig lernen. Das Minimum also, um Schüler zu befähigen, selbständig zu werden, ist, sie aufzuklären über den geplanten Unterrichtsverlauf, ihnen dafür Gedächtnisstützen zu geben und die Ziele zu nennen, die sie anpeilen (nicht alle erreichen) sollen. Behutsam muß man dann im Laufe des 1. und 2. Schuljahres zunehmend mit ihnen einüben, gemeinsam den Arbeitstag vorzubereiten, also gemeinsam Inhalte und Arbeitsschritte des Schultags zu klären und festzulegen. Klar ist allerdings, daß man in der Schulanfangszeit in Klasse 1 das die Lern-Aktivitäten bedenkende Reden noch sehr kurz halten muß, wie man auch den Morgenkreis insgesamt zeitlich noch kurz hält. Besonders Schulanfänger möchten im Kreis spielen, singen, erzählen, ohne daß sie anfangs schon zum eigenen Tun oder zum Sprechen und Tun der anderen viel Stellung nehmen.

Schon bald bereits in Klasse 1 werden Kinder mit der Morgenkreisleitung beauftragt. Als ich das erste Mal sah, wie eine zarte Sechsjährige dabei nicht mehr tat, als anderen Kindern das Wort zu erteilen, ging mir durch den Kopf, daß die Pädagogin das Kreisgespräch sicherlich effektiver geleitet hätte, fragte mich dann aber: Wiegt nicht schwerer, daß die Kinder so die Gelegenheit erhalten, im frühen Alter beginnend sich allmählich in alle Formen des demokratischen Miteinander einzuüben?

Aufgaben der den Kreis leitenden Schülerin: den Kreis eröffnen, ein Eingangslied vorschlagen, die Redebeiträge aufrufen, auf das Einhalten vereinbarter Regeln achten. Es gibt Klassen, die das Amt auslosen. Mir scheint es richtig, alle nacheinander "drankommen" zu lassen. Die Frage hinterher: Wie fandet ihr mich?" hat mich ein wenig irritiert, weil so ein Bewerten von Personen für wichtig zu halten übernommen wird; immerhin aber kann die Frage bewußtmachen, daß das Amt im Dienst der Gruppe steht.

Auch das Amt der Morgenkreis-Protokollantin ist vorzügliche Übungsmöglichkeit. Ich zitiere dazu aus Notizen über meinen Schulbesuch in einer Klasse 3 in Vollmarshausen: "Ich hatte im Kreis neben dem protokollierenden Kind gesessen und bewundert, wie treffend sie in knappen Sätzen den Ablauf des Morgenkreises festhielt. Sie wird jetzt zum Verlesen des Protokolls aufgefordert. Enorm diese Leistung - ich spüre die durch Übung erlangte Selbstverständlichkeit und Sicherheit. Später erfahre ich, daß die Kinder jeweils für eine ganze Woche die Morgenkreisleitung und anschließend für eine Woche die Protokollführung übernehmen, was mir eine sehr gut durchdachte Lösung zu sein scheint."

Protokollant zu sein, schult nicht nur die Fähigkeit, Wichtiges herauszuhören, zu schreiben und sich anschließend damit (der Gruppe) zu stellen, sondern hilft auch, die Arbeitstätigkeit der Gruppe besser zu durchschauen und dadurch im Umgang mit ihr sicherer zu werden. - Die Pädagogin strukturiert den Morgenkreis, horcht aber hin, ob allmählich auch die Kinder dafür Vorschläge machen.

Der Morgenkreis ist das tägliche Gesprächs- und Planungsforum, in dem die Ansprüche der einzelnen und die der Gruppe, die Stärkung des Ichs und die des Wir-Gefühls, Freiheit und Pflicht zusammenfließen. Es sollte nicht unbedingte Forderung sein, daß jede Klasse den Morgenkreis realisiert, aber eine gute Grundschulerziehung der Kinder erfordert, seine Funktionen wahrzunehmen. Es gibt Klassen, die das zum Beispiel in einer täglichen "Versammlung" tun.

Vielfache Beobachtung von mir und anderen: Ruhe und Geduld, mit der die Kinder sich zu Wort kommen lassen und bereitwillig zuhören, auch wenn sie die Sache vielleicht weniger interessiert. Vom Morgenkreis scheinen hochgradige Wirkungen auf das Sozialverhalten auszugehen. Man sollte mit ihm gleich in der Klasse 1 beginnen, wenn die Kinder innerlich aufs höchste bereit sind, sich auf die neuen schulischen Formen einzustellen, aber es gibt auch gute Erfahrungen aus Klassen, die erst später mit ihm beginnen konnten.

Zur Gestaltung des Morgenkreises siehe auch die Praxisbeispiele 3: Morgenkreis und Wochenplanarbeit (S. 106), 4: Kooperativer Unterricht (S. 107), 7: Werkstattunterricht Mathematik (S. 114) und Tierpark-Besuch (S.57).

11. Tagesplan- , Wochenplan- und Freiarbeit

"Wenn wir früher sagten, jetzt macht ihr alle diese Aufgaben, dann haben einige Kinder wenig gelernt, weil sie unter-, und andere, weil sie überfordert waren. jetzt sagen wir nur grundsätzlich, was und wie es zu machen ist, alles andere bestimmen die Kinder, und jedes Kind gibt sein Bestes. Und wenn früher Kinder mit ihren Aufgaben fertig waren, wußten sie nicht, was sie machen sollten. Heute haben sie immer sehr viel vor, was sie noch tun wollen." - So und ähnlich äußerten sich Kolleginnen und Kollegen in den letzten 20 Jahren zur Plan- und Freiarbeit. Sie waren immer sehr glücklich und erleichtert über diese Entwicklung.

Das Bild einer Grundschulklasse bei dieser Arbeit ist in den letzten Jahren bekannter geworden: Da rechnen, lesen oder schreiben die Kinder _ vorwiegend an strukturierten Lehrgangsmaterialien wie WLT, LÜK, Rechen- und Rechtschreibkartei, an von der Pädagogin hergestellten Arbeitsblättern, an Leseheften mit Fragen und an vielem mehr. Man sieht sie Briefe schreiben, zum Beispiel an die Klassenmaus, die Lehrerin oder die Partnerklasse, sowie freie Texte. Einige Kinder arbeiten am gemeinsam geplanten Klassenprojekt. Andere musizieren (im Vorraum) auf dem Xylophon, experimentieren am Experimentiertisch oder erfüllen einen Forscherauftrag, zum Beispiel Blättersammeln im Gelände. Die Aktivitäten umfassen die Vielfalt dessen, was Kinder eigentätig lernend bewältigen können.

Die Aktivitäten umfassen Pflichtaufgaben zum Erreichen der in den Lehrplänen enthaltenen gesellschaftlichen Anforderungen und frei gewählte Aufgaben zum Vertiefen und Erweitern des Interesses, Könnens und Wissens. Diese Mischung von Frei- und Pflichtarbeit zweifeln einige an: Freiheit und Selbstbestimmung des Kindes bei Freiarbeit werde durch den Auftrag zu Pflichtarbeiten gestört. Ist es aber nicht Lebensnormalität, daß unsere Freiheiten mit unseren Pflichten im Spannungsverhältnis stehen? Und wäre es richtig, das Kind im Schulunterricht von dieser Spannung zu verschonen?

Vorrangig sind bei Plan- und Freiarbeit zwei Zielkomplexe:

  • Der eine ist Selbständigkeit. Unter richtiger Einschätzung der eigenen Fähigkeiten die Leminhalte auswählen; sich Ziele setzen; sich die Zeit einteilen und mit ihr auskommen; selbständig mit der Arbeit zurechtkommen; sich, falls notwendig, um Hilfe bemühen; mit Partnern nach eigener Wahl kooperieren; im Spannungsfeld zwischen Selbststeuerung und notwendigem Sich-Steuern-Lassen einen Weg finden; lernen, aus eigenem Wollen Ausdauer aufzubringen, und manches mehr, vor allem: lernen, für das eigene Lernen selbst verantwortlich zu sein - wahrlich alles Ziele, die zu realisieren nötig sind, damit Kinder ihr Leben selbstbestimmt zu führen fähig werden.

  • Der zweite Zielbereich: Plan- und Freiarbeit sind aufgrund ihrer Praktikabilität und gestützt durch intensive Lernbegleitung eine besonders wirksame Form der Individualisierung des Lernens, weil Schülerinnen und Schüler dabei das Niveau der Anforderungen mit einem Individualisierungsgrad bestimmen, wie er jeder "verfügten" Differenzierung überlegen ist. Wir können diese Form daher "Selbstdifferenzierung" oder "Differenzierung vom Kinde aus" nennen.

Die genannten Ziele werden nur erreicht, wenn wir den Kindern langfristig hilfreich zurSeite stehen. Andernfalls arbeitet eventuell eine große Minderheit von Kindern nur sporadisch, macht sich an irgend etwas zu schaffen oder stört andere; Kinder machen beim Üben manches falsch, wenn sie die Aufgaben nicht verstanden haben; sie blättern in Büchern und Heften ohne Beziehung zu deren Inhalt; Partnerarbeit und Hilfe durch Mitschüler funktionieren nicht; aus Texten entnehmen Kinder richtige Begriffe, ohne zu wissen, was sie bedeuten; und den Auftrag, eine "Geschichte des Waldes" zu schreiben, wissen sie nur zu bewältigen, indem sie Unverstandenes irgendwo abschreiben; manche trauen sich nicht an Neues. In allen diesen Fällen lernen die Kinder nichts hinzu. Nicht selten auch arbeiten Kinder zwar strebsam, aber ihr Selbständigsein beschränkt sich auf das Arbeiten an engführenden Materialien und bezieht nicht oder zu wenig selbständiges Problemlösen, Schreiben und Gestalten ein.

Wegen der Komplexität des Lernens gibt es simple Rezepte zum Vermeiden solch wenig ergiebigen Unterrichts nicht, jedoch sind Voraussetzungen bekannt, die dem Entwickeln individuellen selbstgesteuerten Lernens zusammenwirkend förderlich sind. Dazu gehören:

  1. Die Kinder werden stetig und behutsam in kleinen Schritten zuzunehmend selbständigem und selbstverantwortetem Lernen geführt.

  2. Die Phasen selbständigen Arbeitens werden in der Gesamtgruppe oder in Differenzierungsgruppen durch gelenktes Eintauchen in die Sache und Einüben von Arbeitstechniken vorbereitet.

  3. Die Kinder bestimmen Unterrichtsinhalte und Arbeitsweisen mit.

  4. Pädagoginnen und Helfer realisieren intensive Lernbegleitung.

  5. Pädagoginnen fördern sorgfältig die Selbstkontrolle der Kinder.

  6. Lernergebnisse werden veröffentlicht, gewürdigt und diskutiert.

Behutsame Hinführung

Für erfolgreiches selbständiges Lernen sind Arbeits- und Sozialhaltungen nötig, die viele Kinder nur in kleinen Schritten entwickeln können. Daher bedürfen sie behutsamer Hinführung. Menge, Schwierigkeit und Bearbeitungsdauer von Aufgaben sowie Verantwortungsfreiraum und Planungszeitraum müssen anfangs klein sein und dürfen erst allmählich ausgeweitet werden. Besserer Übersichtlichkeit wegen werden die Aufgaben eventuell zunächst nur einem Lernbereich entnommen und aus weiteren Bereichen nur so weit einbezogen, als Pädagogin und Kinder die Übersicht behalten können.

Ein oft gewählter Einstieg ist die "Stunde der Möglichkeiten", in der die Kinder etwa 3 - 5 begrenzte Handlungsangebote aus verschiedenen Bereichen erhalten. Man kann selbständiges Arbeiten aber auch einführen, indem man im Anschluß an gemeinsames Schreiben, Lesen oder Rechnen eine kleine Zahl von Pflicht- und Freiaufgaben bietet, so daß die Kinder erste Schritte tun müssen, in eigener Regie mit Lerngegenständen und -zeiten zurechtzukommen. Später ist es dann einfach und ergibt sich oft von selbst, daß die Plan- und Freiarbeit Aktivitäten aus den meisten Bereichen vereint.

Selbständiges Arbeiten gründlich vorbereiten

Schulbeobachtungen haben gezeigt, daß das selbständige Arbeiten der Kinder insbesondere bei Aufgaben mit neuen Inhalten und Arbeitsweisen um so ergiebiger und sicherer wurde, je gründlicher dieses Arbeiten vorbereitet worden war. Selbständiges Arbeiten bedarf lehrergelenkter Einführungen in der Gesamtgruppe, in "Halbgruppen" (soweit dafür Förder- oder Teilungsstunden verfügbar sind) oder jeweils in einer Kleingruppe innerhalb der Plan- und Freiarbeit, während die anderen Kinder selbständig weiterarbeiten.

Wie es ein Fehler ist, Kindern zu wenig Raum für selbstgesteuertes Lernen zu geben, wäre es ein ähnlich einseitiger Fehler, gelenkte gemeinsame Ein- und Weiterführungen gering zu achten. Die Kinder brauchen beides als einander stützende Komponenten ihres Lernens. Der "offene Unterricht" könnte für Kinder nützlicher sein, wenn wir das "gemeinsame Eintauchen in die Sache" durch Sachbegegnung, Gespräch und gemeinsames Herstellen von Produkten stärker betonen. Und gleichermaßen gilt: Die für selbständiges Arbeiten benötigten Arbeitstechniken wie das Benutzen von Informationsquellen, die Formen der Selbstkontrolle und der Partnerarbeit sollten systematisch geübt werden, weil sie sonst nur vereinzelt genutzt werden, und nicht imerforderlichen Maße von allen Kindern der Klasse.

Mitbestimmung

Im herkömmlichen Unterricht werden den Kindern die Aufgaben in der Regel jeweils mündlich von der Lehrerin mitgeteilt. Wenn wir jetzt statt dessen den Kindern in Tages- oder Wochenplänen die Aufgaben lediglich schriftlich nennen, ist zu fragen: Mindern wir auf diese Weise das Maß außenbestimmten Lernens zugunsten selbstbestimmten Lernens hinreichend? Würden wir Selbststeuerung nicht erst in wünschbarem Grade verwirklichen, wenn die Aufgabenplanung den Kindern nicht nur vorgesetzt, sondern von ihnen mit erarbeitet wird?

Auf einfache Weise kann das geschehen, indem die Kinder am Ende jeder Planarbeit schriftlich oder/und mündlich Rückmeldungen über ihre Arbeit sowie Vorschläge für das Gestalten des nächsten Planes einbringen und wir diese Äußerungen in unsere Entscheidungen einfließen lassen mit dem Ziel gemeinsamer Planerstellung. Dieses Verfahren kann ergänzt werden dadurch, daß beim Anlaufen des neuen Arbeitsplans der Klasse mit den einzelnen (oder zumindest einigen) Kindern spezielle Varianten für jeweils diese Kinder besprochen werden.

Lernbegleitung

Die Hauptarbeit der Pädagogin bei offenen Arbeitsformen ist intensives Planen und Vorbereiten. Im übrigen ist sie Lernbegleiterin.

Lernbegleitung beginnt mit dem Beobachten der Kinder. Wenn wir nicht bald merken, welche Kinder nicht zurechtkommen, und nicht helfen, bringt Offenheit ihnen wenig Gewinn. Manche bedürfen immer wieder der Hilfe; diese sollte in den weniger schwierigen Fällen zunächst durch Nachbarn gegeben werden, nach Verabredung auch durch helfende "Experten" und im Regelfall erst dann durch uns.

Neben dem Kinde sitzend, müssen wir wahrzunehmen suchen, welche Teilleistungen das Kind bereits beherrscht und welche nicht, müssen die Lernschritte, an die heranzukommen das Kind fähig zu sein scheint, mit ihm üben und mit ihm Aufgaben auswählen, durch deren Bearbeitung es Sicherheit gewinnt. Aufgrund unserer Beobachtungen werden wir auch entscheiden, ob wir dem Kinde raten, eine Zeitlang an Varianten bisher bearbeiteter Aufgaben zu üben, oder ob wir es anregen und ihm helfen, sich neuen Anforderungen zu stellen.

Lernbegleitung darf nicht allein lernschwachen Kindern zugute kommen. Andere Kinder schaffen zwar vieles selbständig, aber auch sie bedürfen, um über ihr Lernniveau hinauszugelangen, der weiterführenden individuellen Ratschläge, zum Beispiel für Forscheraufträge, für ein alternatives Rechenverfahren oder für freie Texte.

Wenn kooperierende Pädagoginnen sich die Arbeit teilen oder Eltern helfen, kann Lernbegleitung besonders gewinnbringend sein.

Zur Lernbegleitung gehört, daß die Pädagogin ihre Erwartungen unaufdringlich, aber unmißverständlich ausdrückt. Ihre ohne viel Worte deutlich gemachte Erwartung "Bei uns wird gearbeitet" und "Bei uns wird zusammengearbeitet" und "Keiner wird unnötig gestört" unterstützt den Willen der Kinder, selbständig zu arbeiten und kooperativ zu sein. Durch Fragen wie "Was hast du dir vorgenommen?" und "Hast du erreicht, was du geplant hattest?" machen wird den Kindern ihre Eigenverantwortung für die Organisation ihres Lebens bewußt. Auch durch Fragen nach den Gründen des Tuns und Lassens beim schulischen Arbeiten helfen wir ihnen, eine bewußte Einstellung zum eigenen Lernen und dessen Erfordernissen zu entwickeln.

Ergebnisse prüfen

Eine frühzeitige konsequente Erziehung der Kinder zur Selbstkontrolle durch Einüben von Selbstkontrollformen und durch nicht zu selten erfolgende Wiederholungsübungen ist anzuraten. Auch sollte man kontinuierlich Partnerkontrolle gezielt einüben und pflegen. Grundschulpädagoginnen und -pädagogen berichten, daß regelmäßiges Mitnachhausenehmen von Kinderarbeiten und bei der Rückgabe mündliches oder schriftliches Kommentieren der Arbeiten gegenüber dem einzelnen Kind sich stark auf die Solidität des Lernens auswirkt.

Ergebnisse veröffentlichen, würdigen, diskutieren

Wo immer ein Ergebnis des Lesens, Schreibens, Rechnens, Gestaltens oder sonstiger Arbeit sich für ein Vorstellen in der Gruppe oder ein Ausstellen in Klassenraum oder Schule eignet, sollte das geschehen. Das Veröffentlichen der Arbeit gehört zum Spannungsbogen schulischen Lernens. Bei einer Arbeit zu wissen, daß sie nicht irgendwo verschwindet, sondern anschließend, wenn schon meist nicht gebraucht, so doch zumindest vorgestellt und begutachtet wird, gibt dem eigenen Arbeiten im Bewußtsein des arbeitenden Kindes eine höhere Stufe der Ernsthaftigkeit und wirkt auf den Willen, eine möglichst gute Arbeit zu tun. In manchen Klassen hat sich der Brauch bewährt, nur Arbeitsergebnisse vor- oder auszustellen, die das jeweilige Kind selbst aus seinen Arbeiten dafür ausgesucht hat.

Wo möglich, sollte die Veröffentlichung verbunden werden mit einem die Arbeit würdigenden inhaltsbezogenen Gespräch. Aus ihm können Ermutigung und Orientierung für die Weiterarbeit bezogen werden.

Nachbesprechungen der Arbeitsweisen gehören zu den Mitteln, der Rigidität einer lediglichen Plan-Exekutierung zu entgehen. Ein abwägender Rückblick auf eigenes Arbeiten ist bestmögliche Vorbereitung auf selbständiges zukünftiges Planen und Arbeiten.

Wegen der positiven Wirkung der Plan- und Freiarbeit auf den Arbeitswillen, das Sozialverhalten und die Lernfähigkeit der Kinder ist es eine Aufgabe, die bisher mehrheitlich üblichen Praxisverfahren dieser Unterrichtsform weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Insbesondere vier Stränge einer Qualitätssteigerung zeichnen sich als dringlich und an manchen Stellen in der Entwicklung ab:

  • Stärkere Individualisierung der Planung: Jeden Montag wird mit jedem Kind unter Berücksichtigung von dessen eigener Vorplanung der neue Wochen-Arbeitsplan in individueller Besprechung festgelegt. Es gibt hier in der Regel keine generell festgelegten Pflichtaufgaben mehr. Die Besprechungen erfolgen anhand von Wochenplan-Vordrucken, die die Lernbereiche mit verschiedenen Einzelaktivitäten enthalten, die im individuellen Gespräch inhaltlich gefülltwerden. -Dieses Verfahren macht es im übrigen möglich, auf das an jedem Wochenende neue arbeitsaufwendige Ausfertigen schriftlicher Pläne durch die Pädagoginnen zu verzichten.

  • Verstärken der projektartigen Arbeit: Von einer vorwiegend verschiedene Übungsaktivitäten zusammenfassenden Arbeitsphase wird die Planarbeit in großen Teilen zueiner mehr fächerübergreifenden, themenbezogenen, projektartigen Arbeit verlagert, in der die Kinder in Gruppen oder einzeln an Sachthemen wie Müll, Wasser Verkehr oder Schulgeschichte arbeiten

  • Länger bei einer Sache bleiben (z.B. durch "Werkstattunterricht"): Um der Gefahr, daß Kinder sich vorwiegend ein bißchen mit diesem und dann ein bißchen mit jenem "beschäftigen" gegenzusteuern und sie sich an zusammenhängendes und konzentriertes Lernen gewöhnen zu lassen, ist eine Betonung länger andauernder lernbereichsspezifischer Plan- und Freiarbeit zu empfehlen, wie sie die Form des "Werkstattunterrichts" herausfordert.

  • Mehr "freie und sachbezogene Texte": Neben der Arbeit an engführenden Übungsmaterialien, die das nötige Maß an Schulung der Grundfertigkeiten sichern soll, wird das Schreiben als ein Niederlegen und Mitteilen eigener Vorstellungen sowie das Berichten über Sachen wesentlich verstärkt. Zur Gestaltung der Plan- und Freiarbeit siehe auch die Praxisbeispiele 2: Wochenplanarbeit (S. 104), 3: Morgenkreis und Wochenplanarbeit (S. 106), 4: Kooperativer Unterricht (S. 107), 7: Werkstattunterricht Mathematik (S. 114) und 10: Schreibkonferenz (S. 123).

12. Integriertes Fördern

Bei sehr lernschwachen Kindern reicht ein ab und an erfolgendes Helfen durch die Klassenleiterin während der individuellen Arbeitszeiten nicht. Bei ihnen ist zusätzliche Einzelförderung nötig.

In der Mehrheit mir bekannter Fälle hat sich eine solche Zusatzförderung als innerhalb der Klasse erfolgende integrierte Förderung durch eine Zweitpädagogin während der Phasen selbständigen Arbeitens der Klasse bewährt. Nicht zuseparierter Förderung aus der Klasse herausgenommen zu werden, ist eine Komponente der Integration lernschwacher oder behinderter Kinder und meist ein Beitrag zu deren Wohlgefühl. Auf keinen Fall sollte die Einzelförderung in die Zeiten gemeinschaftlicher Vorhaben der Klasse gelegt werden, da eine solche Regelung die Integration schwächt-, und auch die übliche integrierte Einzelförderung während der individualisierenden Plan- und Freiarbeit der Klasse ist nicht unproblematisch, da gerade Kinder mit geringer Fähigkeit zu selbständiger Arbeit das Selbständigkeits- und Kooperationstraining sehr nötig haben. Zumindest einen Teil der Zeiten selbständiger Arbeit der Klasse müssen daher diese Kinder selbständig in der Klasse arbeiten können, wozu die die Einzelförderung realisierende Kooperationspädagogin Hilfe leisten kann, indem sie die Förderung des lernschwachen Kindes als "Vorförderung" für das Teilnehmen des Kindes an der gemeinsamen Planarbeit des Kindes anlegt.

Insbesondere in jenen Klassen, in denen alle Kinder - behinderte und nicht behinderte - gemeinsam leben und lernen, hat es sich bewährt, daß Klassenleiterin und kooperierende Pädagogin für einzelne Kinder Förderpläne erstellen und in Abständen besprechen, ob und wie die Förderung gewirkt hat und wie sie gegebenenfalls zu modifizieren ist.

Zum integrierten Fördern siehe auch die Praxisbeispiele 2: Wochenplanarbeit (S. 104), 4: Kooperativer Unterricht (S. 107) und Tierpark-Besuch (S.57).

13. Schriftspracherwerb

Dem Beginn mit der Druckschrift als Ausgangsschrift für das Lesen und das Schreiben kommt grundlegende Bedeutung zu, da mit ihr von den ersten Tagen der Schulanfangsklasse an ein kombinierter Lese- und Schreibunterricht Wirklichkeit werden kann, in dem produktives und kommunikatives Lesen und Schreiben zu jedem Schulalltag gehören.

Lesen und Schreiben ist in der Form von Plan- und Freiarbeit insbesondere im Anfangsunterricht eher verantwortbar, wenn nach sorgfältiger Einübung Partnerarbeit akzentuiert wird, da ein wirksamer Lese- und Schreibunterricht auf Kommunikation angewiesen und schon wegen notwendiger akustischer Überprüfungen des Erstlesens als überwiegend stille Einzelarbeit längerfristig nicht denkbar ist.

Manchenorts ist daran zu arbeiten, daß die Kinder Lesen nicht nur als eine lesetechnische Übung absolvieren, sondern es als ein produktives Erweitern ihrer Welt erfahren. Dem ist außer durch vielfältige Angebote interessanter Texte beizukommen, indem die Klasse sich stetiger als üblich zu einer Lesezeit im Gesamtkreis trifft.

Dort arbeitet man gemeinsam am klanggestaltenden Lesen kleiner Texte, vertieft sich lesend in ein sehr gutes Bilder- oder Kinderbuch oder liest Textstücke vor, die Kinder aus ihrer Einzellektüre den anderen zu Gehör bringen möchten. Dabei animieren wir sie auch zu Gesprächen, in denen - zunächst pädagogengelenkt in der Gesamtklasse, dann auch unter Partnern und in Gruppen - Textdeutung und Textverständnis als das Eigentliche des Lesens ins Bewußtsein rücken und zur Gewohnheit werden. Wohltuend und entwicklungsfördernd ist auch die Pflege des Brauchs, daß einzelne Kinder jeweils nach Vorübung leise deutlich artikulierend Gedichte sprechen und literarische Texte vorlesen, während die Gruppe sich in absoluter Stille zuhörend konzentriert. Solch ein klanggestaltendes Lesen ist ein hervorragendes Mittel der Sinnfindung. Wo Kinder sich an "stille Lesezeiten" in der Bücherei oder im Klassenraum gewöhnt haben, freuen sie sich sehr darauf. - Durch all diese Formen werden die Kinder für späteres individuelles Leben erwärmt.

Eine förderliche Voraussetzung ist die "Lese-Umgebung": Lese-Ecke; deutliche und praktikable Präsentation empfohlener Bücher; offene Bücherei; Buchausstellungen; Bibliotheksbesuche; regelmäßiges Vorstellen gelesener und produzierter Bücher durch die Kinder; Einbeziehen der Eltern. Wesentlich: das Vorlesen eigener Texte.

Beim Schreiben scheint sich zu bewähren die unterrichtliche Trennung enggeführter Schreibübungen, bei denen vom Kind Schreibrichtigkeit erwartet, und des möglichst täglichen Schreibens freier Texte, bei denen Richtigkeit nicht gefordert, sondern nur behutsam angestrebt wird. Hierbei treten an die Stelle einer die Schreibentwicklung hemmenden Normenbetonung vielfältige Möglichkeiten der Normorientierung wie Gewöhnung an den Gebrauch der Wörterkartei und der Nutzung von Pädagogin geschriebener Vergleichstexte.

Freie Texte sind zentrale Elemente schriftlicher Schüleräußerungen in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen; ich verstehe darunter auch Texte, bei denen die Kinder sich - der eigenen Schreibfähigkeit entsprechend - auch zu Sachinhalten ihres Lebens, des Schullebens und des Unterrichts äußern. Eigene Erlebnisse, kleine Mitteilungsbedürfnisse, Bilder, besonderes im Jahreslauf (Weihnachten, Silvester, die ersten Schneeglöckchen ... ), Gedichte, Kinderbücher und gemeinsame, arbeitsteilig bearbeitete Vorhaben wie Klassentagebuch, Schulzeitung, Wochenrückblick, Eigenfibel, Gemeinschaftsbriefe, Mitteilungen für das Schwarze Brett oder für ein Poster und vieles mehr dienen als Schreibanlässe, diedas eine Kind herausfordern, einen eventuell nur kurzen Satz, das andere, eine lange Geschichte zu schreiben.

Wirkungskräftiger Grundsatz einer kind- und lebensoffenen Schreiberziehung ist, daß der Dreischritt: Entwerfen - Redigieren - Veröffentlichen zur selbstverständlichen Arbeitsgewohnheit wird.

Sind die Texte aus dem Entwurfsstadium in die (nahezu) fehlerfreie Reinschrift gebracht, werden sie nach Möglichkeit gesammelt und stehen in einem mit Einband versehenen Büchlein in der Klasse für Phasen stillen Lesens als beliebte Lektüre zur Verfügung.

Etwa ab Beginn der Klasse 3 können sich jeweils zwei oder drei Kinder zu Schreibgruppen oder "Schreibkonferenzen" zusammenfinden, in denen sie ihre Texte im Wechsel von Alleinarbeit und Kooperation entwickeln. Dies bringt dem Schreibenwollen und -können Schubkraft, wenn die Kinder sich vorher in pädagogengelenkter Arbeit daran gewöhnt haben, erfüllt von einem Erlebnis oder einer Sache nach eigener Vorstellung ihren Text zu schreiben und dann den anderen zu Gehör zu bringen; und für die Hörenden muß es selbstverständlich sein, den Vorstellungen und Bemühungen der Schreibenden achtungsvoll zu begegnen, die eigene Sicht zum Sachgehalt zu äußern, auf keinen Fall mit allgemeinen Floskeln am Text herumzumäkeln und im übrigen Hilfe bei der Rechtschreibung anzubieten.

Wenn die Nutzung von Setzerei, Druckerei, Schreibmaschine und Computer zweckmäßig organisiert wird und jeweils neue Sachbegegnungen und Klassengespräche auch gezielt in jeweils neue Schreibvorhaben münden, kann sie dem Schriftspracherwerb sehr förderlich sein.

Freie Texte tragen dazu bei, daß auch Schüler schreiben lernen, die im früher üblichen Unterricht unter dem Druck von Themen und Bearbeitungsnormen oft für immer zu Nicht-Schreibern wurden.

In Grundschulklassen ist nicht selten zu beobachten, daß Kinder freies Schreiben scheuen und sich im Schreibunterricht lieber Aufgaben zuwenden, die weniger eigene Vorstellungen, Gedanken und schriftliches Produktivsein, sondern eher enggeführtes Reagieren fordern: Ausfüllen von Lückentexten, Abwandeln vorgegebener Wörter und Sätze, Nachschreiben von Texten. Damit wird eine große Chance für das Mündigwerden von Kindern vertan. Durch Entwickeln eines Arbeitsklimas, in dem man gern schreibt, und durch Aufgreifen und Schaffen vielfältiger Schreibanlässe können wir dafür sorgen, daß alle Heranwachsenden schreiben können und schreiben wollen.

Zum Schriftspracherwerb siehe auch die Praxisbeispiele 1: Klassenvorhaben "Mein Körper" (S. 103), 6: Klassenvorhaben "IRA", (S. 112), 10: Schreibkonferenz (S. 123) und Tierpark-Besuch (S. 57).

14. Epochenunterricht

Im Epochenunterricht ist es möglich, lernbereichsspezifisches Lernen mit mehr Wochenstunden als in der Stundentafel vorgesehen zusammenhängend zuverwirklichen, indem die Wochenstunden mehrerer Lernbereiche zusammengefaßt und im Wechsel einmal für diesen und einmal für jenen Bereich verwandt werden. Es wird so vermieden, daß die Kinder sich innerhalb einer Arbeitswoche jeweils nur kurzfristig mit einer zu großen Zahl unterschiedlicher Themen beschäftigen müssen. Die Bündelung der Stunden begünstigt Gründlichkeit und Kontinuität des Arbeitens ohne störende Unterbrechungen.

Für Lernaktivitäten, die ein stetiges tägliches Üben nötig machen (Grundfertigkeiten im Anfangsunterricht), ist der Epochenunterricht nicht geeignet. Auch Sport, Spielen und künstlerisches Tun gehören in den Rhythmus einer jeden Schulwoche.

Liegen die Stunden der Lernbereiche, die gebündelt werden sollen, in der Hand einer Pädagogin, ist der Epochenunterricht problemlos zu organisieren. Liegen die Stunden in mehreren Händen, muß der Epochenunterricht im Stundenplan der Schule eingeplant werden.

Epochenunterricht ist eine Form, die die Schule im Interesse intensivierten Lernens verstärkt nutzen sollte. Werkstattunterricht wird so möglich. Die Bündelung von Stunden, wie sie für den Epochenunterricht erfolgt, ist ebenfalls erforderlich für lernbereichsübergreifende Arbeitsvorhaben und Projekte.

Zum Epochenunterricht siehe auch die Praxisbeispiele 5: Mäuse-Gespräch (S. 109) und 7: Werkstattunterricht Mathematik (S. 114).

15. Gemeinsame Arbeitsvorhaben oder Projekte

Gemeinsame Arbeitsvorhaben oder Projekte sind eine seit langem bewährte Form des Lernens von Grundschulkindern. Schulbeobachtungen jedoch führen zu zwei Fragen: Werden die Chancen dieser Form, die Kinder Ziele, Inhalte und Arbeitsverfahren mitbestimmen zulassen und sie kooperativ zu realisieren, im möglichen und erforderlichen Maße genutzt? Und: Erhalten Vorhaben oder Projekte das ihrer starken und nachhaltigen Lernwirksamkeit entsprechende Gewicht im Schullalltag?

15.1. Hauptmerkmale

Gemeinsame Arbeitsvorhaben oder Projekte heben sich von anderen Unterrichtsformen dadurch als besonders förderlich ab, daß sie folgende pädagogische Merkmale vereinen:

  1. Vorhaben und Projekte sind konkrete Handlungssituationen des schulischen oder gesellschaftlichen Lebens, die es dem Kind als sinnvoll erscheinen lassen, sich denkend und handelnd konstruktiv zu beteiligen, weil sie auf konkrete, den Kindern unmittelbar erkennbare Zwecke zielen, deren Erreichen ihnen selbst, der Schulklasse, der Schule oder der Gesellschaft Gewinn bringen können.

  2. Die Kinder lernen hierbei stärker als bei anderen Unterrichtsformen, von eigenen oder gesellschaftlichen Bedürfnissen und Erfordernissen ausgehend, gemeinsam Handlungsziele und zieldienliche Lösungswege zu bedenken, zu erörtern, zu planen sowie kooperativ auf das Erreichen dieser Ziele hinzuarbeiten.

  3. Ihre Kräfte bringen sie nach individuellen Möglichkeiten gemeinschaftsdienlich ein und gewinnen die Erfahrung: Was die einzelnen nicht schaffen würden, ist im Zusammenwirken unterschiedlich leistungsfähiger Menschen durch einander ergänzende Beiträge leistbar. Zugleich entwickeln sie hierbei produktive Sozialbeziehungen.

  4. Das Denken und Handeln in sowohl lernbereichsspezifischen als auch die Lernbereiche der Schule aufhebenden Handlungssituationen läßt die Kinder das zu Lernende in seinen Zusammenhängen erfahren, dadurch besser verstehen und in ihrer Arbeit berücksichtigen. Sie lernen hierbei auf sinnvolle Weise, sich Ausschnitte der Realitäten ihrer Welt auch außerhalb der Schule zu erschließen.

  5. Beim Arbeiten an Vorhaben und Projekten sind die Lernenden in relativ großem Maße wahrnehmend, denkend und gestaltend tätig - beste Bedingung für wirksames Lernen junger Menschen.

  6. In Vorhaben und Projekten üben und sichern die Kinder ihre Fähigkeiten und schulischen Fertigkeiten auf dem ihnen gemäßen Leistungsniveau in lebensbezogenen Anwendungssituationen.

  7. Indem die Schule den Kindern durch Vorhaben- und Projektarbeit ein hohes Maß an Produktivsein möglich macht, stärkt sie deren Wohlgefühl am eigenen Leistenkönnen und an sich selbst und wirkt so gleichzeitig der Gefahr übermäßiger Konsumorientierung entgegen.

  8. Da Vorhaben und Projekte auf konkrete Ergebnisse der Gemeinschaft zielen wie Werkstücke, Bücher, Aufführungen, Ausstellungen oder soziale Leistungen, erfahren die Kinder mit dem vorzeigbaren Produkt ein sichtbares Resultat ihrer Leistung, müssen sich mit ihm auch anderen stellen und werden gewürdigt für etwas, das - soweit im Rahmen schulischer Arbeit möglich - Ernstcharakter hat.

Es könnte also dem Lernen der Kinder einen nicht geringen Qualitätsschub bringen, wenn Pädagoginnen und Pädagogen sich bei der Planung unterrichtlicher Vorhaben Fragen stellen wie diese:

Ist der Zweck des Vorhabens den Kindern als sinnvoll erkennbar?

Wie könnte ich die Kinder noch stärker am Planen beteiligen?

Gibt es genügend Anreiz zu einander ergänzendem Zusammenwirken?

Erhalten die Kinder Einblick in Zusammenhänge unserer Welt?

Haben sie Chance, alle Sinne und Lernmöglichkeiten zu nutzen?

Können sie Techniken und Fertigkeiten sinnvoll anwendend üben?

Fordert das Vorhaben alle zu starkem Produktivsein heraus?

Welche Form kritischer Würdigung der Ergebnisse ist möglich?

15.2. Beispiele

Es geht in der Grundschule um Arbeitsvorhaben vielfältiger Art, vorwiegend einfachen Zuschnitts und nicht zu großen Arbeits- und Zeitumfangs: Einen Obstsalat für die Klasse zubereiten - einen Laternenumzug vorbereiten und danach einen Wandfries gestalten - ein kleines Buch herstellen: ein Taschenbuch zu einem Bilderbuch, ein Spiele-Buch, ein Blumen oder Bäume-Buch, ein Rätselbuch, ein Buch mit selbst gedichteten Kinderversen - Bücher über "Unsere Stadt", unser Land, Europa - eine Buchausstellung mit kleinen Vorträgen veranstalten - einen Kaufladen zum Spielen einrichten - ein Modell vom Schulgelände herstellen - den Wochenmarkt erkunden und die Ergebnisse in einer kleinen Ausstellung vorstellen - den Besuch des Zirkus, Tierparks, der Stadtbücherei vorbereiten und nach dem Besuch darstellen - Wir backen Kuchen für die Menschen im Altenheim Wir singen im Krankenhaus - Menschen Freude bereiten - Wir gestalten unseren Klassenraum - Wir bauen ein Kuschelhaus - ein darstellendes Spiel schreiben, proben und der Schulgemeinde vorstellen - Wir laden die zukünftigen Schulanfänger ein - ein Klassen-Tagebuch herstellen - mit einer anderen Klasse langfristig korrespondieren - Wir organisieren einen Spielnachmittag und laden die Eltern dazu ein - Wir erforschen die Vergangenheit unseres Wohnviertels - Schule früher - Wir besuchen das Kindertagesheim - Wir bauen ein Bauernhaus - Wir legen einen Komposthaufen an - Wir legen ein Heilkräuter-, ein Gemüse- und/oder ein Blumenbeet an - Wir begrünen die Mauer beim Schuleingang - Wir pflanzen einen Baum im Wohnviertel und pflegen ihn - Wir lernen die Berufe der Eltern kennen.

15.3. Hinführung

In den ersten Schulwochen der Kinder, wenn ein etwas längeres Verhandlungsgespräch in der Gesamtgruppe noch schwierig ist, wird die Pädagogin zunächst meist noch selbst Vorschläge für Vorhaben machen, die den Interessen der Kinder nahekommen, und wird zu den Arbeitsschritten noch relativ viele helfende Verhaltensvorgaben machen.

Zunehmend aber wird sie das Denken der Kinder anregen: Wem fällt etwas ein, was wir zusammen tun wollen? Wie wollen wir es machen? Was brauchen wir dafür? Wem wollen wir es zeigen oder schenken?

Anstiftende Fragen und Impulse sowie mutmachende Reaktionen auf Vorschlagsäußerungen sind außer vorhabens-herausfordernden Sachbegegnungen die Mittel, Mitbestimmungswollen und -können zu stärken.

Ist ein Vorhaben angelaufen, bringt die Pädagogin während der Einzel- oder Gruppenarbeit die Kinder zum Nachdenken über den Verlauf zusammen: Wie weit sind wir gekommen? Was hat "geklappt"? Was nicht? Woran 1ag das? Was nicht? Woran lag das? Was müssen wir ändern? - So hilft sie den Kindern, sich das Vorgehen bewußt zu machen, so daß sie eine Orientierung für das Mittun bei der Arbeitsplanung gewinnen.

Je stärker sie den Kindern durch ihr Fragen und konkretes Einbeziehen ihrer Ideen ihr Interesse und ihr Noch-nicht-Festgelegtsein signalisiert, um so stärker begreifen die Kinder, daß es auf ihre geistige und praktische Produktivität ankommt. Ernstnehmen auch kleinster Beiträge, indem die Pädagogin sie aufgreift, fördert die Anteilnahme der Kinder. So können sie allmählich von den Vorgaben und Leitfragen der Erwachsenen unabhängiger werden.

Nur wenn die Schule ihre Gewohnheit aufgibt, den Kindern durch zu viele Vorgaben eigenes Suchen vorzuenthalten und Denkleistungen, die ihnen möglich wären, vorwegzunehmen, kommt ihr Geist voll in Bewegung, übt und vervollkommnet sich. So kann durch unsere Hinführung wahr werden, daß sie bei uns das Lernen lernen.

15.4. Arbeitsphasen

Gemeinsame Arbeitsvorhaben oder Projekte enthalten in der Regel die folgenden (oft einander überlappenden) 4 Phasen:

Einführungsphase

Am besten ist es, wenn sich ein Vorhaben aus dem Klassenleben, aus Fragen und Vorschlägen der Kinder ergibt, welche die Pädagogin aufgreift; aber auch aus den Lehrplänen nimmt sie Vorhaben auf.

Ist das Vorhaben gefunden, wird zunächst eine Art "Brainstorming" veranstaltet, in dem die Kinder ihre Einfälle zu Zielen, Inhalten, Arbeitsmitteln, Vorgehensweisen und anderen Gesichtspunkten äußern. Im Gespräch wird geprüft, ob sie sich wohl verwirklichen lassen. Die Vorschläge werden dann auf einem großen Projektpapier oder an der Wandtafel festgehalten, damit man für die Strukturierung oder Veränderung eine gut sichtbare Grundlage hat, die allen Kindern das Mitdenken ermöglicht. Soweit erforderlich, klärt die Pädagogin die Kinder über Tatsachen und Notwendigkeiten auf, die sie für ihre Arbeit kennen müßten, aber nicht selbst im Blick haben.

Wenn Kinder fühlen "Es ist unsere Sache,die wir vorhaben", wird ihr Wollen, Denken und Handeln stärker. Das Entstehen inneren Beteiligtseins, das Wachwerden für Handlungsmöglichkeiten und das Erreichenwollen des Ziels ist der Sinn der Einführungsphase.

Entschlußphase

Ziele und Vorgehen werden festgelegt (unter dem Vorbehalt, daß auch Änderungsbeschlüsse gefaßt werden können). Arbeitsgruppen werden angeboten zur Erarbeitung notwendiger Teilaufgaben - zum Beispiel Erkundungen, Erprobungen, Untersuchungen, Herstellen von Werkstücken, schriftliche Darstellungen, bildnerische Arbeiten -, denen sich die Kinder zuordnen können.

Handlungsphase (Gruppen- oder Einzelarbeit)

Jetzt geht es darum, innerhalb des abgesteckten Arbeitsfeldes die Möglichkeiten, den eigenen Arbeitsauftrag zu leisten, selbsttätig zu nutzen. Dabei ist jedem Kind durch die vorherige gemeinsame Planung und Entscheidung die soziale und sachliche Einbindung bewußt.

Oft werden die das Gesamtvorhaben tragenden Aufträge arbeitsteilig bearbeitet. Dort, wo es der Sache dient, werden die im sonstigen Unterricht erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten angewandt. Sachprobleme und Meinungsverschiedenheiten werden durch Absprachen geregelt, wobei die Pädagogin zwar nicht selten Hilfestellung geben muß, jedoch die Regel gelten sollte, daß zuerst die Kinder sich bemühen müssen, unter sich Vereinbarungen zu treffen.

Bei arbeitsteiliger Gruppenarbeit ist - zumindest in den unteren Klassen der Grundschule - Elternmitarbeit sehr förderlich, wenn mit den Eltern geklärt werden konnte, daß die Hilfe nur als "Hilfe zur Selbsthilfe" gegeben wird.

Darlegung, Diskussion und Würdigung der Ergebnisse

Die Arbeitsergebnisse werden zusammengetragen, möglichst im Miteinander überprüft, gegebenenfalls verbessert, ausgestellt, vorgetragen, genutzt oder verschenkt, eventuell neu erlebt, genossen, gewürdigt und auf eventuell sich ergebende Folge-Aufgaben bedacht.

15.5. Organisation

Für eine intensive und zeitökonomische Arbeit an gemeinsamen Vorhaben eignet sich besonders die Form des Epochenunterrichts. Eine günstige Form ist auch, die Phasen der Einzel- oder Gruppenarbeit an Vorhaben in die Plan- und Freiarbeit der Klasse einzubinden.

15.6. Bewertung der Vorhaben-Arbeit

Vorhaben-Arbeit ist wahrscheinlich der bedeutsamste Beitrag, den die Grundschule zur Person- und Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler und zu ihrer späteren Mitarbeit in Beruf, Gesellschaft und Staat leisten kann. Sie ist die Möglichkeit, das zugunsten individualisierender und zu ungunsten kooperativer Arbeitsformen bestehende Ungleichgewicht in der Schule in die Balance zu bringen und dem übersteigerten Individualismus der gegenwärtigen Erwachsenengeneration gegenzusteuern. Dies ist die Form von Erziehung und Bildung, durch die wir Desintegration mindern und Integration fördern können. Daher muß die Grundschule das Lernen in Form gemeinsamer Arbeitsvorhaben im Unterrichtsalltag konsequent realisieren.

Zur Gestaltung von Klassenvorhaben siehe auch die Praxisbeispiele 1: Klassenvorhaben "Mein Körper" (S. 103), 5: Mäuse-Gespräch (S. 109), 6: Klassenvorhaben "IRA" (S. 112),7: Werkstattunterricht Mathematik (S. 114) und Tierpark-Besuch (S. 57).

16. Spielen

Wenn ich in Grundschulen fragte, warum dort nicht öfter gespielt wird, erhielt ich oft als Antwort: "Dann schaffen wir Schreiben, Lesen, Rechnen und andere wichtige Dinge nicht!" Solche Befürchtungen waren auch verbunden mit unsicherer Kenntnis der vielfältigen Möglichkeiten des Spiels für das Stärken der körperlichen, emotionalen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten der Kinder und somit ihrer Personentwicklung sowie für das Gruppenklima in der Klasse und für die Ausbildung auch schulischer Fertigkeiten.

Nicht wenige Kinder bringen heute bestimmte für das schulische Lernen benötigte Voraussetzungen, die Kinder früher durch vorschulische Spielerfahrungen gewannen, nicht mehr in die Schule mit. Manche Kinder müssen noch erst spielen lernen.

Spielend können Kinder in besonderem Maße ihre Ich-Kompetenz und ihre Sozialkompetenz entwickeln, aber auch ihre Umwelterfahrung vertiefen. So erhält grundlegende Bildung aufgrund intensiven Spielens die besseren Chancen. Bewegungsspiele, Rollenspiele, Regelspiele, Experimentierspiele, werkschaffende Spiele und das darstellende Spiel sind dafür bedeutsame Spielarten.

Als Grundbedürfnis des Menschen und als eine bedeutsame Form seines Lebens und Lernens ist das Spielen im Lebens- und Lernort Grundschule für alle Kinder, in hohem Maße jedoch für die lern- und verhaltensschwachen Kinder unerläßlich. Von den ersten Schultagen der Kinder an sollte die Grundschule bemüht sein, durch vielfältige Spielangebote die Fähigkeiten der Kinder in der Breite ihrer Möglichkeiten zu entfalten und Erfahrungsdefizite auszugleichen. Während der ganzen Grundschulzeit sollte die Schule den Kindern sowohl Gelegenheit zu selbst gewähltem und selbst gesteuertem informellem Spielen geben als auch ihnen durch pädagogengelenktes Spielen stabilisierende Stützung und weiterführende Anregung für das eigene freie Spielen schaffen.

Manche von uns müßten sich noch stärker daran erinnern, welche Freude Kindern das Spielen bereitet. Nicht nur aus Gründen pädagogischer Zweckmäßigkeit sollten wir spielen, sondern weil Spielen die unwiederbringliche Gegenwart der Kinder reicher macht.

Hier kann ich nur auf die Bedeutung des Spielens in der Schule hinweisen und empfehle, eine Fortbildung zum "Spielen in der Grundschule" zu besuchen und/oder sich eines der vielen anregenden Bücher zur Spieldidaktik vorzunehmen. Zu wünschen ist allen Leserinnen und Lesern die Erfahrung von Freunden des Spielens in der Schule, die berichten, wie stark sich die Zeit-Investition in das Spielen für die Person- und Lernentwicklung der Kinder und für sie selbst gelohnt hat.

17. Feste, Feiern, Schulversammlung

Feste und Feiern sindbedeutsame Teile des Lebens in der einzelnen Schulklasse und eines alle Menschen der Schule einbeziehenden Lebens der Schulgemeinde. Zu Recht gelten sie als Höhe- und Haltepunkte des Schullebens, die das Schuljahr zu gliedern vermögen.

Zu den Festen, die in vielen Grundschulen gefeiert werden, gehören: Geburtstage, Einschulungsfest, Abschiedsfest, Sportfest, Sommerfest, Herbstfest, Stadtteilfest, Laternenfest mit Umzug, Advent, Weihnachten, Silvester, ein türkisches Fest, Fasching, Aktionstag und der Tag der offenen Tür mit festlichen Elementen.

Feste und Feiern werden von den Kindern mit Hilfe der Erwachsenen nach gründlichem Planen und Vorbereiten selbst gestaltet: mit Tänzen, Liedern, Gedichten, Pantomimen, Sprech- und Rollenspielen, auch mit ruheerfüllten Spielen, mit Aufführungen und mit Musizieren.

Feste und Feiern dienen der eigenen Sinnorientierung, dem zielgerichteten Bemühen, andere zum Nachsinnen zu veranlassen, dem Freude-Bereiten und Freude-Erfahren, dem Öffentlichmachen seiner selbst und dessen, was man für bedeutsam hält und ausdrücken möchte. Feste und Feiern sind eine besondere Chance der Grundschule, alt und jung und die Menschen aus verschiedenen Ländern zum tätigen Miteinander und gemeinsamem Erleben zu vereinen.

Das Zueinandergehören der Schulklassen und Menschen der Schule auszudrücken und die Entwicklung von Beziehungen zwischen ihnen als einer Bildungs- und Lerngemeinschaft zu fördern, ist auch das Treffen aller Schülerinnen und Schüler, Pädagoginnen und Pädagogen und des Hauspersonals in der Schulversammlung geeignet, zu der nach Möglichkeit auch Eltern kommen. Anlässe des Zusammenkommens sind eine gemeinsame Gestaltung des Beginns oder Ausklangs der Schulwoche, gemeinsames Singen, das Eingehen auf wichtige Ereignisse in der Schulgemeinde und im Umfeld oder der Brauch, daß sich jede Klasse den anderen einmal durch ein darstellendes Spiel oder eine sonst ihr eigene Leistung vorstellt. Auch können Gespräche zum Klären von Schulproblemen und zur Bemühung um deren Lösung ein bedeutsamer Inhalt der Schulversammlung sein.

Zur Gestaltung eines Festes siehe auch Beispiel 12: Friedensfest (S. 125).

18. Hausaufgaben

Statt bei geringer oder gar ohne Förderwirkung manchen Kindern und Eltern Sorgen zu machen und ihnen vielleicht die Schule zu verleiden, können Hausaufgaben als "Fenster" zwischen schulischem Lernen und außerschulischem Leben bereichernde Lernchance sein.

Hausaufgaben können nützlich sein, wenn die Pädagogin sie so auswählt, in den Anforderungen abstuft, mit den Kindern erörtert und vorüben läßt, daß bei sinnvoller Beanspruchung lernstarker Kinder zugleich Kinder mit Lernproblemen sie ohne Hilfe in angemessener Zeit bewältigen. Soweit die Schule das nicht erreichen kann, sollte sie Hausarbeitshilfen organisieren oder Hausaufgaben weglassen.

Hausaufgaben zum Üben des Gelernten sind nur sinnvoll, wenn die Kinder sachgerecht daran arbeiten oder gesichert ist, daß sie bei nicht sachgerechtem Vorgehen Rat und Hilfe erhalten.

In Schulen, die in der Schule das Üben und Festigen von Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen in Form von Wochenplanarbeit als praktikable "Selbstdifferenzierung" realisieren, hat es sich bewährt, auch die Hausaufgaben in dieses Konzept einzubeziehen. Ein Teil der (differenzierten) Wochenplanaufgaben wird im Hause erledigt - aus freien Stücken oder nach Erfordernis auch bei einzelnen Kindern - meist dann zeitlich begrenzt - als Pflicht.

Unter den Hausaufgaben lösen Aufträge, die auf Kenntnisausweitung der Kinder in ihrem Umfeld zwecks Darbietung im Gesprächskreis und auf Bearbeiten gemeinsam geplanter Klassenvorhaben zielen, in besonderem Maße Arbeitsbereitschaft aus: Beobachtungen zu Haus, im Stadtteil und in der Natur, Befragen von Angehörigen und Nachbarn, Sammeln interessanter Gegenstände und Bilder, Lesen von Informationen, die sie selbst oder ihre Mitmenschen betreffen, Schreiben freier Texte über ihnen wichtige Erlebnisse, Berichten über Ereignisse und Geschehnisse in ihrer Welt, Vorlesen aus einem ihnen bedeutsamen Buch. Aufträge dieser Art sind ihnen in den Zielen einsichtig, sprechen ihre Lebenswelt an oder gehen zumindest davon aus und fordern durch eine (nicht zu weit gesteckte) Offenheit der Lösungswege ihr selbständiges Produktivsein heraus.

Anzustrebende (Hoch-)Form: Die Aufgaben werden (in allmählich zunehmendem Umfang) als Vorschläge der Kinder oder der Pädagogin beraten, damitdie Kinder auch den außerunterrichtlichen Teil ihrer Lernarbeit eigenverantwortlich organisieren und gestalten lernen.

Da es in der Regel während der Unterrichtszeit nicht leistbar ist, schriftliche Hausaufgaben sorgfältig genug (mit Notizen für die Planung) durchzusehen, ist der Pädagogin anzuraten, Arbeiten, die detaillierter Durchsicht bedürfen, mit nach Hause zu nehmen. Es gibt Schulen, in denen die Kinder die von ihnen selbst ausgewählten Hausarbeiten der Pädagogin zum Nachsehen in den Postkasten legen; diese erhalten sie dann am folgenden Tage kommentiert zurück. Kindern, die selbst bereits ein gutes Maß für ihre Arbeiten gefunden haben, wird hier überlassen, was und wann sie etwas vorlegen, anderen wird abverlangt, jeden Tag ihre Arbeiten vorzuzeigen.

Hausaufgaben, deren Erfüllung in der Schule nicht beachtet oder ohne Lernertragswirkung lediglich "abgehakt" wird, kann man besser weglassen; ohne Würdigung sind Hausaufgaben wenig sinnvoll. Die Pädagogin sollte die Aufgaben, soweit irgend möglich, nicht nur formal zur Kenntnis nehmen, sondern sie in ihremInhalt würdigen durch Anteilnehmen an Mühen, Problemen, Fortschritten. Förderlich ist ein Erörtern unterschiedlicher Bemühungen auf den Lernwegen.

In dem Maße, in dem die Kinder erkennen, daß ihren Arbeiten Bedeutung zugemessen wird, etwa durch Erörterung der Lernwege und durch Einbeziehung der Ergebnisse in den Unterricht, wächst ihre Bereitschaft für Hausaufgaben und verstärken sich deren Wirkungen.

Wird festgestellt, daß Eltern sehr viel helfen müssen, ist zu fragen, ob das schulische Lernen richtig angelegt war. Mit unfreiwilligen "Hilfslehrer"-Aufgaben sollten Eltern nicht belastet werden.

19. Schlußkreis (reflexives Lernen)

Wenn im möglichst regelmäßig stattfindenden Schlußkreis die Tagesleistung der Kinder unterVorstellung ihrer Arbeiten dargestellt und gewürdigt wird, tut dasdem Selbstgefühl der Kinder gut und fördert ihre Lern- und Leistungsbereitschaft.

Darüber hinaus ist eine Rückbesinnung aufden Schulvormittag sehr nützlich: Das Kind zum Lernen herauszufordern, reicht nicht zum Lernen des Lernens. Dem Kind zu helfen, Subjekt seines Lernens zu sein, muß die Anregung einschließen, regelmäßig nachzudenken, wie es sein Lernen ambesten organisiert. Konkrete Möglichkeit zu solchem "reflexiven Lernen" ist, jeweils nach einer Arbeit oder nach einem Arbeitstag im Schlußkreis sich aufbegangene Lernwege zu besinnen, ihre Vor- und Nachteile hervorzuheben und an Beispielen herauszuarbeiten, welche Verhaltensweisen - bei einem selbst und bei anderen - förderlich waren. Solch ein Nachbereiten ist, weil an konkret vorstellbarem Lernen und Sozialverhalten vollzogen, bestmögliches Vorbereiten auf ein künftiges Lern- und Sozialverhalten.

Fragen wie: "Was war richtig heute? Was war falsch? Was müssen wir ergänzen? Sind alle an ihre für heute gesetzten Ziele gekommen? Warum haben wir dieses und jenes nicht geschafft? Was sollten wir morgen anders machen?" sind mögliche Impulse zum klärenden Bedenken des eigenen Lernens durch die Grundschulklasse. Die Antworten werden bezogen auf jeweils noch fast gegenwärtige, noch im Gedächtnis befindliche Situationen und bleiben daher nicht abstrakt und somit relativ wirkungsarm wie Belehrungen oder Ermahnungen, welche Kinder losgelöst von der Situation (etwa in Halbjahreszeugnissen) erhalten. Für Grundschulkinder ist es wichtig, daß ein Orientierung für zukünftiges Lern- und Sozialverhalten gebender Rückblick nicht aus einer zeitlich zu großen Distanz erfolgt.

Für Kinder, Pädagogin und ihr Miteinander ist es schön, wenn der Unterricht dann abschließend mit einem gemeinsamen Spiel, einem gern gesungenen Lied, einem heiteren Tanz dem Vorlesen eines guten Textes oder ähnlich für alle erfreulich zu Ende geht.

Wer es wegen zu geringer Ausstattung der Schulklasse mit Lernzeit nicht schafft, den Morgen- oder Schlußkreis mit den vorgeschlagenen Schwerpunkten zu realisieren, müßte sie auf Tages- Einleitungs- und Abschlußrituale reduzieren, sie aber so oft als möglich auch voll zur Wirkung bringen, wobei als Minimum der Wochenanfangskreis und der Wochenschlußkreis als feste Einrichtung zu empfehlen sind.

20. Grundschule ohne Aussonderung

Geborgenheit, Ermutigung, differenzierte Anforderungen und Hilfen statt Klassifizierung und Selektion voll zu verwirklichen strebt die heutige Grundschule an. Sie arbeitet auf das Ziel hin, alle schulpflichtigen Sechsjährigen aufzunehmen und die Integration behinderter und nicht behinderter Kinder möglich zu machen. Wie das geschehen kann, wird nachfolgend unter der Frage "Was heißt ‚gemeinsame Schule für alle' pädagogisch?" am Beispiel des Arbeitsvorhabens einer Grundschulklasse deutlich zu machen versucht.

Was heißt "gemeinsame Schule für alle" pädagogisch?

Unterrichtsbeispiel "Tierpark-Besuch"

(dargestellt zusammen mit Bärbel Goldbach und Renate Wibrow)

Das Lernvorhaben wurde in einer Hamburger Grundschulklasse realisiert, in der alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden: Es ist eine Klasse 1, kurz vor dem Übergang nach Klasse 2, die besucht wird von 17 "nicht behinderten" Kindern, unter ihnen einige mit Verhaltens- und Lernproblemen, sowie von 3 "behinderten" Kindern: Alexandra, sprachbehindert mit Verhaltensproblemen; Rainer, lernbehindert mit starken Verhaltensproblemen; Sophie, geistig behindert. Die Klassenleiterin, Frau Goldbach, arbeitet im Team zusammen mit Frau Wibrow Sonderpädagogin (7,5 Wochenstunden), und Frau Heitmann, Erzieherin (30 Wochenstunden).

Die Klasse will demnächst Hagenbecks Tierpark besuchen.

Tiere-Raten im Morgenkreis

"Wickele wackele - was ist das: Hier im Sack, da krabbelt was - Ist kein Fuchs und auch kein Has'- wickele wackele, was ist das?"

Mit diesem Spruch fordert jedes Kind der Klasse morgens - das erfordert einige Tage - die Runde der Kinder auf, sein Stofftier zu raten, das es von zu Haus mitgebracht hat und in einem Sack oder unter dem Pullover versteckt hält. Da fragen die Kinder: Ist es groß oder klein? Welche Farbe hat es? Hat es einen langen Hals? Usw. Und wenn es erraten ist, wird es von seinem Besitzer stolz präsentiert und von den anderen interessiert beäugt. Und es wird im Kreis herumgegeben und angefaßt, und Sophie behält es lange auf ihrem Schoß, und alle sehen, daß sie das Tier besonders liebevoll streichelt. Vieles wird zu den Tieren erzählt, zum Beispiel von Sabine, daß sie ihren Teddy abends mit ins Bett nimmt, weil sie es schön findet, mit ihm einzuschlafen.

Von den Pädagoginnen werden für alle Kinder gleiche Ziele angepeilt: frei zu sprechen vor der Gesamtgruppe, Tiere und einige ihrer Eigenschaften zu benennen und sich untereinander besser kennen und verstehen zu lernen. Unterschiedliche Annäherung an die Ziele und unterschiedliche Hilfen gelten jedoch als selbstverständlich: Rainer, der absolut nicht in den Kreis will, wird es gestattet, auf der Spielmatte außerhalb zu liegen - er ruft von dort seine Rate-Antworten herüber; Sophie, als sie dran ist, bekommt zwei Kinder an ihre Seite, die den Spruch zusammen mit ihr sprechen, so daß sie - ein wenig - ein Mitsprechen schafft; und Alexandra, die nur sehr, sehr langsam und kaum vernehmlich sprechen kann, erhält von allen bewußt erhöhte Aufmerksamkeit und sehr viel Zeit.

Spielen/Bauen/Schreiben

Eines Tages werden im Kreis alle Tiere auf einer großen Wolldecke versammelt: Teddies, Affen, Löwen, Schaf, Koalabär... Ein intensives Spielen in einmal so und einmal anders gemischten Gruppen beginnt. Und da dem Löwen und dem Schaf ein Miteinander nicht zugetraut wird, bauen die Kinder aus Bausteinen Tiergehege. Die Erzieherin hat sich zu Rainer gesellt und muß ihn auch einmal festhalten, damit er andere nicht angreift. Die Sonderpädagogin widmet sich Sophie.

Weil die Gehege Namensschilder haben sollen, beginnt dann ein fleißiges Schreiben: Die einen schreiben die Tiernamen ganz frei; andere schreiben frei mit Lehrerhilfe; die dritten schreiben nur ein vorgeschriebenes Wort ab. Rainer und Sophie stecken die Namensschilder auf Stäbchen und diese auf Knetmassekugeln; sie lassen sich den Namen vorlesen, müssen ihn sich merken, suchen die Tiere und teilen das Schild dann den Gehegen zu - ohne zu schreiben, so auf ihrer Könnensebene lernend und einen Beitrag zum Ganzen leistend.

Singen

Gemeinsames Singen (meist heiterer) Lieder über den Tiger, die Löwen und Affen macht allen großen Spaß. Die Lehrerin singt das Lied abschnittsweise vor, die Kinder singen nach. Nach zwei Malen schon haben einige Melodie und Text eines kleinen Liedes erfaßt, andere - nach etwas längerer Zeit - erst einmal den Refrain. Tierlieder-Singen ist jetzt eine Zeitlang ein "Hit" im Morgenkreis.

Rainers Schäferhund

Einige Eltern und Kinder bringen Haustiere in die Klasse: Katze, Wellensittich, Hunde. Rainers Mutter und Rainer bringen den großen Schäferhund - für Rainer ein wichtiger Tag, denn mit Mutter und Hund steht auch er im Mittelpunkt des Interesses und muß viele Fragen beantworten: Was macht der Hund, wenn morgens der Wecker rasselt? Wird er auch krank? Hast du Angst vor ihm? Die Kinder bewundern Rainer ein wenig, daß er, der kleine junge, den großen Hund an der Leine hält. Übrigens war es heute das erste Mal, daß Rainer in den Morgenkreis kam. Er sitzt von nun an morgens immer als erster in der Runde.

Unsere Meerschweinchen

Die Pädagoginnen haben zwei Meerschweinchen beschafft: tägliches Beobachten, Tiere anfassen, Tiere pflegen. Es muß auch geregelt werden, wer heute die Tiere in seine Obhut nehmen darf und wer sie am Wochenende versorgt. Andrea und andere haben nach zwei Wochen ihre große Angst vor dem Anfassen überwunden; Rainer hält in der Gesprächsrunde länger durch, wenn eines der Tiere auf seinem Schoße liegt; Sophie geht beim Rechnen sichtlich erholt wieder an ihre Aufgaben, wenn sie mit den Tieren neben sich im Körbchen ein bißchen schmusen konnte.

Besuchsplanung

Am Tag vor dem Hagenbeck-Besuch gibt es im Morgenkreis letzte Vorbereitungen: Zu welchen Tieren wollen wir gehen? Was wollen wir beobachten? Was wollen wir über sie wissen? Viele Wünsche und Vorschläge kommen aus der Runde. Sonst müssen die Pädagoginnen häufig dafür sorgen, daß im Gespräch Sophie, Rainer, Alexandra und Sabine mit ihren Beiträgen zum Zuge kommen - heute melden sie sich von selbst.

Damit es bei Hagenbeck nicht zu viel wird, muß die Klasse sich einigen, worauf sie verzichten will und worauf nicht: Löwen, Affen, Elefanten, Pinguine, Kinderspielplatz. Alles diktieren sie den Pädagoginnen, so daß dann ein kleines gemeinsam erarbeitetes und akzeptiertes Hagenbeck-Besuchsprogramm präsentiert werden kann.

Bei Hagenbeck

Nach den Zeichnungen auch der behinderten Kinder, die ich später sah, scheinen Löwin und Löwe mit ihrer Mähne und den gewaltigen Pranken sehr imponiert zu haben; der Pfau schlug ein großes Rad; beim Strauß verwunderte, daß er nur lief, beim Pinguin sein fabelhaftes Schwimmvermögen, bei der Giraffe die Höhe des Halses. Rainer füttert zusammen mit anderen die Elefanten, Alexandra und Sabine werfen den Pavianen Bananen hinüber, und Sophie, fasziniert von den Pinguinen, löst sich von der Hand der Pädagogin und ahmt die Ruderblattflügel-Bewegungen der Tiere nach - ähnlich bis zur Identität. Heftig erregt sie sich, daß bei der Fütterung eines der Tiere nichts abbekommt. "Guckt mal", ruft sie, "wie traurig der ist!'" - Und die gesamte Klasse freut sich, als der Wärter diesem Zukurzgekommenen noch einen extra dicken Fisch hinüberwirft. Wahrlich: eine Fülle lebendigen Lernens!

Die Klasse hat den Tierpark noch ein zweites Mal besucht und dabei den Rundgang mit der Zoo-Pädagogin gemacht, welche die Kinder mit Fragen so "löcherten", daß kaum Zeit blieb für den so beliebten Spielplatz. Beide Male wurden - der lebenspraktischen Übung wegen - öffentliche Verkehrsmittel benutzt, was wegen "Ausflippens" einiger Kinder während der Fahrt dazu beitrug, daß die Erholungspause nach der Exkursion für die Pädagoginnen dringlichst genannt werden kann.

Verarbeitung

Das Verarbeiten des Erlebten und Erfahrungen dauert mehrere Tage:

  • In Gesprächen werden die Beobachtungen und Empfindungen ausgedrückt, geklärt, verknüpft, vertieft und befestigt.

  • Das Malen der Tiere ist wichtige Verarbeitungsform. Dazu stellen sich vorher alle Kinder im Kreise auf und malen - die Pädagogin malt es vor - mit großen Bewegungen der Arme die Körperformen der Tiere in die Luft - so das gestern Angeschaute in sich verstärkend.

  • Aus Knetmasse werden die beobachteten Tiere nachgeformt und im Sandkasten Hagenbecks Tierpark gebaut. Beim Bauen ist der nicht selten immer noch rasch aggressiv werdende Rainer ein Hauptakteur und macht sich den anderen mit guten Ideen und mit Sand- und Wasserholen nützlich und gewinnt Sympathie. Sophie, die es selbst nicht schafft, einen Pinguin zu formen, bittet die anderen darum, die das sehr gern tun. Die beglückte Sophie wiederum sieht man eifrigst dabei, den anderen zum Tierparkbau Nachschub an "Bäumen" zu liefern.

  • Textarbeit steht im Mittelpunkt der Verarbeitungsphase. Während des gesamten Vorhaben-Verlaufs hatte es dafür schon Vorarbeiten in Form wiederholten Anschreibens und Lesens der Namen und der Tätigkeiten der Tiere und sonst wichtiger Wörter gegeben.

  • Innerhalb ihrer (gemischten) Tischgruppen schreiben die Kinder in Einzelarbeit an ihren Texten über ein Tier ihrer Wahl. Da die Kinder sich noch stark auf das eigene Schreiben konzentrieren müssen, kann Hilfe für die schwächeren Mitschüler, wie in höheren Stufen integrativer Klassen üblich, noch nicht die Regel sein. Aber ein wenig kooperieren sie schon. Florian setzt sich zu Sabine, die allein nicht zurechtkommt: "Sag mal, wollen wir schreiben ‚Der Löwe hat eine große Kralle'?"

  • Lang anhaltend widmen sich die Pädagoginnen den Allerschwächsten.

Groß ist das Leistungsgefälle:

  • Einige der Erstkläßler schreiben schon kleine berichtartige Texte. "Die Zebras sind gestreift und schlau, und Zebrakinder erkennen ihre Mütter am Streifenmuster, denn jedes Tier ist etwas anders gestreift."

  • Andere Kinder schreiben Sätze: "Der Elefant ist groß und stark." oder sie beschriften Tierbilder: "Dies ist ein Pampashase."

  • Alexandra kann der Pädagogin lediglich ihren Text diktieren und schreibt dann ihren von der Pädagogin geschriebenen Text nur ab.

  • Rainer diktiert seinen Text auch und übt ihn - zusammen mit der Pädagogin -dann zu lesen.

  • Und Sophie schreibt auf einen Text über das Känguruh, den eine der Pädagoginnen ihr vorliest und erklärt und der mit den Worten endet: Was hat das Känguruh in seinem Beutel? - Sie schreibt mit sehr viel Hilfe in sehr ungelenken Buchstaben: ein Baby!

Veröffentlichung

Alle Kindertexte werden von den Pädagoginnen korrigiert, von den Kindern ins reine geschrieben und finden zusammen mit dem besten Bild jedes Kindes ihren Platz in der großen ZOO-ZEITUNG, die im Wechsel nach Absprache mit nach Haus genommen wird. Dort kosten die Kinder zusammen mit Eltern oder auch Geschwistern und Großeltern das Erlebte und Erfahrene und Selbstproduzierte noch einmal nach und erfahren dort auch die Würdigung der Leistung ihrer Klasse.

Jedes Kind erhält auch eine Kleinausgabe der ZOO-ZEITUNG mit den Ablichtungen der Kindertexte. Immer wieder sieht man sie, auch nach Wochen, mit Genuß ihre Tierparktexte lesen oder sich vorlesen lassen und ihre Bilder anschauen - die behinderten Kinder länger als die anderen; man spürt, wie stark sie Dauerndes und Wiederkehrendes brauchen.

Merkmale integrativer Grundschulpädagogik

0. Kern integrativer Pädagogik

Unser Beispiel bringt uns als erstes eine einfache Erkenntnis: Die Elemente des skizzierten Integrationsunterrichts - und die Masse anderen integrativen Unterrichts würde Ähnliches zeigen - gehören im wesentlichen zum Repertoire der bekannten allgemeinen Pädagogik. Und das ist kein Wunder, denn grundsätzlich verläuft Lernen bei allen Kindern nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten. Nur kommt es beim Unterricht für alle Kinder wegen ihrer großen Unterschiede und der größeren Hilfsbedürftigkeit (und vielleicht auch Verletzbarkeit) einiger ihrer Mitglieder in noch höherem Grade auf konsequente und sensible Anwendung der allgemein gültigen Erziehungs- und Unterrichtsprinzipien an. Im Kern ist integrative Pädagogik nicht eine andere, sondern eine vertiefte Pädagogik, wobei der Individuumsbezug es erfordert, den Kindern mit stärkeren Beeinträchtigungen sehr viel mehr zu geben an einfühlsamer Beachtung, emotionaler Stützung und helfender Begleitung.

Integrativer Unterricht orientiert sich nicht als erstes an den Behinderungen der Kinder (mit den Risiken einer Fixierung von Anspruch und Methode auf vorhandene oder nur unterstellte Defizite), sondern versucht als erstes, die Schülerinnen und Schüler als Personen zu begreifen, die alle, wenngleich sehr unterschiedlich, imstande sind, in ihnen vorhandene (und manchmal uns verborgene) Lemmöglichkeiten zu aktivieren. Und erst an zweiter Stelle, jedoch nicht weniger ernst genommen, steht die Aufgabe, jeweilige Förderbedürfnisse so präzise als möglich zu erfassen und ihnen durch persongerechte Anforderungen und Hilfen zu entsprechen.

Erreicht wird diese sowohl jedes einzelne Kind als auch die Gemeinschaft fördernde Praxis, indem - antwortend auf die Ansprüche der Integrationsaufgabe - Grundschulpädagoginnen in Zusammenarbeit mit Sonder- und Sozialpädagoginnen an ihrer Kompetenzverfeinerung und -bereicherung arbeiten und die Landesparlamente die Qualitätsanhebung durch aufgabenangemessene Personalstellen-Zuweisungen möglich machen.

Vollständig ist integrative Pädagogik erst, wenn sie Möglichkeiten behinderungsspezifischer Therapie und Förderung einschließt.

Angelehnt an unser Unterrichtsbeispiel, mache ich nachfolgend zu einigen Aspekten pädagogischer Merkmale, um die wir uns auf dem Wege zu einer "gemeinsamen Schule für alle Kinder" bemühen müssen, einige Anmerkungen, die ich nach den vier beteiligten Größen gruppiere:

1. Individuum - 2. Gemeinschaft- 3. Sache(Inhalte und Ziele) - und dann diejenigen, die diese drei Größen in entwicklungsfördernde Begegnung bringen: 4. die Pädagoginnen und Pädagogen in den Klassen.

1. Individuum

Die Kinder konnten im Morgenkreis ihre ihnen wichtigen Stofftiere vorstellen und dazu ihre Fragen und Antworten geben; eingebunden in gemeinschaftliche Vorhaben, konnten sie in der Spiel- und Bauphase ihre jeweiligen Vorstellungen realisieren, im Tierpark ihre Beobachtungen machen und sich erkundigen nach dem, was für sie fragwürdig war, am nächsten Tag ihre Erinnerungen formulieren und malen und bauen, was sie als bedeutsam befanden; zum gemeinsamen Unterrichtsgegenstand konnten sie ihre schriftlichen Lösungen bringen und aus der Zoo-Zeitung Geschichten lesen oder sich vorlesen lassen, nach denen sie verlangten. Und fast stets hatten sie Freiraum, sich auszutauschen, mit wem sie wollten, und mit anderen zusammenzuarbeiten oder nicht.

Die Kinder sind also - mit Hilfe der Anregungen und Anforderungen des gemeinsamen Unterrichts und in dessen Grenzen -als Individuen, ihr schulisches Leben und Lernen in relativ hohem Grade selbst steuernd, zumZuge gekommen. Das ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam:

Zur Bedeutung der Subjektrolle

Auch in einer Schule mit dem Ziel der Integration muß dem einzelnen Kind

als Subjekt seines Lebens und Lernens die Hauptrolle zufallen, weil es anders nicht selbständig werden und nicht wirksam lernen kann. Wir tun aber auch der Integration einen guten Dienst, wenn wir die Bedeutung der Subjektrolle des Kindes richtig einschätzen:

Integration ist "Eingliederung in ein größeres Ganzes" - auf unsere Sache bezogen: Eingliederung des behinderten und des nicht behinderten Kindes in die Gemeinschaft aller Kinder und damit aller Menschen. Diese Gemeinschaft läßt sich aber nicht - gewissermaßen von oben - durch uns produzieren, indem etwa wir die Kinder integrierten! Wirkliche Gemeinschaft können nur die Individuen eigentätig herstellen, indem sie aus sich heraus wechselseitig Beziehungen zu den anderen Individuen aufnehmen und vertiefen. Wir können nur und müssen sie durch die Formen schulischen Lebens und Lernens dazu vielfach herausfordern.

Zur Ganzheitlichkeit des Lernens

In unserem Unterrichtsbeispiel sind die Kinder auf vielfältige Weise zum Zuge gekommen: wahrnehmend, empfindend, Vorstellungen bildend, sich auf Mitmenschen einstellen müssend, spielend, bauend, sich bewegend, malend, singend, erzählend, diskutierend, schreibend - ein Unterricht also, in dem jedes Kind angeregt und gefordert wird, alle Schichten seiner Lernmöglichkeiten zu nutzen.

Nicht wenige Kinder haben bekanntlich dadurch Lernprobleme, daß ihre rationale Informationserfassung und -verarbeitung gering entwickelt ist. Will die Grundschule diese Kinder zum Lernerfolg bringen, muß sie Fähigkeitsschichten ansprechen, über die diese Kinder verfügen: insbesondere das körperlich-sinnliche Erfassen der Dinge und die unmittelbare Erlebensfähigkeit. Die Grundschule muß diesen Kindern Lerngegenstände und -zusammenhänge konkret vor Augen und Ohren führen, ja, soweit möglich, mit Händen greifbar machen und muß dem für jüngere Kinder so wirksamen "Lernen durch Handeln" mehr Raum zu geben suchen. Auf diese Weise wird ein Lernen gestärkt, das sich für alle Grundschulkinder bewährt hat: Unmittelbarkeit, Intensität und Mehrschichtigkeit der Erfahrung sowie Vielförmigkeit von Verarbeitung und Sicherung gehören zu den Merkmalen dieses ganzheitlichen Lernens.

Zur Individuumsgerechtheit

In unserem Unterrichtsbeispiel hatten beim schriftlichen Gestalten einige Kinder schon kleine Berichte geschrieben, andere Sätze und wieder andere nur Wörter und unter letzteren einige dies nur mit gezielter Einzelhilfe durch die Pädagoginnen.

Dies verweist auf ein Merkmal der gemeinsamen Schule, das wir Anforderungsdifferenzierung, Individualisierung oder Individuumsgerechtheit des Lernens nennen: jeder hat die ihm bestmögliche Leistung zu bringen, unter den für ihn jeweils notwendigen Hilfen, was für die einen voll selbständiges Arbeiten heißen kann, für andere Beratung auf Anforderung, für einige intensive Hilfe durch Mitschüler und für die am schwersten beeinträchtigten Schüler Lehrerhilfe während der gesamten etwa für Schreiben oder Lesen oder Mathematik angesetzten Zeit.

Zur Individuumsgerechtheit gehört es auch, den Kindern in unterschiedlichem Grade emotionale Stützung zukommen zu lassen, zum Beispiel sie im Gesprächskreis neben der Pädagogin oder auf ihrem Schoß sitzen zu lassen, wenn man dadurch ein Kind sicherer machen kann. Sogar während der Arbeit der anderen Kinder ein Kind spielen oder sich ausruhen zu lassen, kann manchmal die passende Stützung sein. Letzteres zeigt, wie konsequent in der integrativen Klasse pädagogische Differenzierung zu realisieren ist - nur möglich jedoch in einer Schule, die die von allen Kindern zum Schuljahresschluß zu erreichende Ziel-Linie abschafft.

2. Gemeinschaft

Hier hebe ich (nur) zwei Merkmale heraus:

Unterricht als sozialer Prozeß

In relativ vielen Teilen des skizzierten Unterrichts vollzog sich das Lernen der Kinder im Austausch von Anregungen, Bestätigungen, Einwendungen, Fragen, Antworten der Kinder sowie mit Hilfe von Partnern oder der Gruppe, und viele Beiträge der Kinder werden - in den Klassen 2-4 dann wesentlich verstärkt -als Teile einer gemeinsam gewollten und geplanten Unternehmung eingebracht, was alles zusammen als Antrieb für das Lerninteresse und das Engagement hoch zu veranschlagen ist.

Zum einen profitiertso das Lernen des Individuums von der Gruppe. Zum anderen: Wo Kinder sich austauschen, helfen, miteinander Probleme lösen, sich freuen und sich auch bemühen müssen, einander zu verstehen, entstehen unter selbstverständlicher Beteiligung aller Kinder wechselseitige positive Beziehungen zwischen den Individuen oder - anders ausgedrückt: Dieser Unterricht wirkt integrierend.

Integration ist also nicht etwas, was man dem "Eigentlichen" des schulischen Lernens noch als einen weiteren Bereich hinzufügt - nein, ein Unterricht, dessen Grundidee Herausforderungen der Kinder sind, gemeinsamen Zielen sich unterordnend, mitgestaltend und zusammenarbeitend zu lernen und Leistungen zu erreichen, ist selbst das Feld, auf dem sie im täglichen Miteinander soziale Fähigkeiten entwickeln, überspitzte Egozentrik reduzieren und soziale Beziehungen knüpfen.

Integrative Pädagogik favorisiert also nicht den sozialen Aspekt der Erziehung zu ungunsten des individuellen Lernens. Und integrative Pädagogik gibt auch der Individualisierung nicht Vorrang zu ungunsten von Austausch, Sich - Verstehen und Sich - Helfen - Wollen. Integrative Erziehung zielt vielmehr darauf, dem einzelnen Kind sowohl durch Einbindung in das Leben und Lernen der Gruppe als auch durch individuumsgerechte Anforderungen und Hilfen bestmögliche Chancen zu geben, zugleich Selbststärke, schulisches Können und Sozialfähigkeiten zu gewinnen.

Zur Situation der Behinderten

Muten wir in der gemeinsamen Schule den behinderten Kindern trotz Anforderungsdifferenzierung zu häufig Versagenserlebnisse zu, die sie nur in der Gemeinschaft mit in gleicher Weise Betroffenen nicht hätten? Denn selbstverständlich vergleichen sich die Kinder untereinander, wobei es Rainer und Sophie, Alexandra und Sabine nicht erspart bleibt, ihr in vielen Bereichen geringes Können zu spüren.

In der Tat können wir in der gemeinsamen Schule dem behinderten Kind sein Sich-Vergleichen mit den anderen Kindern nicht ersparen. Wir wollen sogar, daß das behinderte Kind sich in der Selbstverständlichkeit des täglichen Miteinanders an nicht behinderten Kindern orientiert und so die wichtigsten Entwicklungsanreize gewinnt, die wir kennen.

Was wir tun können, ist, Unterlegenheitsgefühle nicht durch soziale Vergleiche noch zu verstärken, sondern individuelle Lernfortschritte und Beiträge zu Gemeinschaftsleistungen personstärkend und ermutigend zu bestätigen - eine der besten Formen der Förderung für alle Schüler.

Welcher Art die Ich-Gefühle und sozialen Gefühle der Kinder in der gemeinsamen Schule sind, wird weitgehend davon bestimmt, welche Gefühle wir als Pädagogen durch unser Verhalten und unsere Äußerungen in den Kindern auslösen. Entscheidend ist, ob wir durch unser Beispiel und durch die Unterrichtsformen in den Kindern das Grundgefühl fördern, einer wirklichen Gemeinschaft anzugehören. Es liegt an uns, ob sich behinderte Kinder in der gemeinsamen Schule wohl fühlen können.

In einem wirklichen Miteinander erkennt man, daß die Starken nicht immer nur stark und die Schwachen nicht immer nur schwach sind. Wenn ein Kind in unserer Beispielklasse sich einmal nicht wohl fühlt, heißt es oft: "Sophie, geh du mal hin!", denn keiner sonst ist imstande, einen anderen so unmittelbar aufs wärmste zu trösten. Alexandra und Sophie, zu Anfang verschüchtert, und Rainer, zu Anfang sehr aggressiv, gewinnen an Selbstvertrauen und Sozialfähigsein, als sich zeigt und anerkannt wird, daß auch sie etwas können und anderen Gutes tun mögen.

Die Toleranz von Kindern gegenüber Verhaltensmängeln von Mitschülern wird größer zum einen in dem Maße, in dem ihnen deren Probleme deutlicher werden, zum anderen in dem Maße, in dem sie in der Persönlichkeit des anderen anerkennens- oder liebenswerte Züge entdecken.

In unserer Klasse sagen die Kinder bei entsprechendem Anlaß auch zur Lehrerin: "Goldi, wir finden dies oder das nicht richtig!", was dann geprüft und gegebenenfalls geändert wird und so dazu beiträgt, daß Kinder sich nicht kleingemacht fühlen. Leitungsfunktionen wie die Gesprächsführung werden im Wechsel allen Kindern in von ihnen leistbarem Maße übertragen - Formen hierarchie-mindernden Führungsstils, der Gefühle des "Unten"- und "Obenseins" weniger leicht aufkommen läßt.

Einer Familie oder Freundesgruppe erweisen wir Hochachtung, wenn sie keines ihrer Glieder fallen läßt, sondern wenn sie zu ihnen hält. Diese Denkart sollte auch für die Grundschulklasse gelten.

3. Zu Inhalten und Zielen

Zur Bedeutung gemeinsamer Inhalte und Ziele

Zur integrativen Erziehung gehört, für die jedem Kind erreichbaren Möglichkeiten offen zu sein und nicht im voraus festzulegen, welche Inhalte und Ziele dem Kind erreichbar sein werden und welche nicht. Die gemeinsame Schule will nicht die einen Kinder zu diesen Zielen und die anderen Kinder zu jenen Zielen auf den Weg bringen, sondern strebt Chancengerechtigkeit und Gemeinschaftlichkeit durch ein möglichst hohes Maß gemeinsamer Leminhalte und Unterrichtsziele an.

Zum Prinzip des "zieldifferenten" Lernens

Bisher hat die Grundschule sich um Differenzierung der Lern wege bemüht -durch unterschiedlich schwere Aufgaben, unterschiedliche Aufgabenmengen oder unterschiedliche Hilfen -, hat aber daran festgehalten, daß alle Schüler -unabhängig von ihrem Lernvermögen - in einem bestimmten Zeitrahmen bestimmte Mindestziele erreichen mußten.

Soweit schwache Schüler es nicht schafften, diesen Anforderungen zu entsprechen, sahen sie sich ständig unter dem Anspruch, die für sie nicht erreichbaren Ziele zu erreichen, und empfanden sich als Versager, bedroht von Nichtversetzung oder Abschulung, mit den bekannten negativen Folgen für die Persönlichkeits- und Lernentwicklung.

Das Widersprüchliche dieses Konzepts: Durch Arrangieren ungleicher ("differenter") Lernwege kamen wir in einem ersten Schritt der Ungleichheit der Kinder entgegen, hoben aber in einem zweiten Schritt unser Verständnis wieder auf, indem wir den ungleich Fortgeschrittenen das Erreichen gleicher (nicht differenter) Ziele abverlangten.

Im Gegensatz zur Inkonsequenz dieses Verfahrens bezieht die integrative Schule die Unterschiede der Kinder in der Ziel-Erreichung in ihr Konzept ein: Sie arbeitet nach dem Prinzip "zieldifferenten" Lernens.

Dieses zieldifferente Lernen darf nicht bedeuten, Kindern mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen andere, von den Zielen der Grundschule abweichende (differente) Ziele zu setzen und ihnen die zu den Zielen der Grundschule führenden gemeinsamen Lernherausforderungen vorzuenthalten - zum Nachteil ihrer individuellen Lernentwicklung und zum Nachteil ihrer Einbeziehung in die Gemeinschaft aller Kinder. Zieldifferentes Lernen bedeutet vielmehr, der Ungleichheit der Kinder nicht nur durch Differenzierung der Lernabläufe zu entsprechen, sondern auch einen unterschiedlichen und eventuell höchst ungleichen Grad der Annäherung an die gemeinsamen Ziele als Normalität anzuerkennen.

Mit dem Prinzip des zieldifferenten Lernens stehen Pädagoginnen und Pädagogen vor der nicht leichten, aber leistbaren Aufgabe, einerseits den behinderten Kindern durch Teilnahme an dem zu den gemeinsamen Zielen führenden Unterricht die gleichen Entwicklungschancen zu geben wie den anderen Kindern (sie also nicht, mögliche Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit vorwegnehmend, davon auszuschließen), andererseits sie aber durch das Teilnehmenlassen nicht zu überfordern.

Die Lösung dieser Aufgabe kann nur darin liegen, die Möglichkeiten und Grenzen der Leistungsfähigkeit der Kinder im Unterrichtsprozeß immer wieder neu behutsam auszuloten und situationsgerecht zu entscheiden. In unserer Beispielklasse fand man folgende Regelung:

(a) Rainer (stark lernbehindert), Sophie (geistig behindert) und Alexandra (sprachbehindert) nehmen grundsätzlich (mit Ausnahme der unter b) genannten Fälle und wenn nicht im Einzelfall andere Lösungen sinnvoller sind) an allen gemeinsamen Lernsituationen der Klasse teil;

(b) Rainer und Sophie nehmen an gemeinsamen Ein- und Weiterführungen in Mathematik, Lesen, Schreiben und Sprachlehre nur teil, wenn das von den Pädagoginnen für die Kinder als sinnvoll eingeschätzt wird; in der Regel erhalten sie in dieser Zeit gesonderte Weiterführungen.

(c) In den Übungsphasen der unter b) genannten Bereiche hat sich für alle Schüler eine kontinuierliche Niveau-Differenzierung (in Form von erst Tagesplan- und später Wochenplanarbeit) als nützlich erwiesen.

Außer den für alle Schüler geltenden Inhalten und Zielen gibt es in der gemeinsamen Schule einige zusätzliche behinderungsspezifische Inhalte und Ziele, zum Beispiel bei Sophie der Erwerb lebenspraktischer Aktivitäten, welche die anderen Schüler von Haus aus beherrschen.

Zur Frage didaktischer Besonderheiten

Für integrative Klassen gilt wie für jede Grundschulklasse das Prinzip des "gemischten Lernsystems" mit so viel integrativen Formen als möglich und so viel Differenzierungsformen als nötig unter Betonung von Formen, die beides enthalten. Betonenswert sind:

  • Gemeinsame Arbeitsvorhaben, in denen die Kinder am gemeinsamen Gegenstand bei unterschiedlicher Leistungsforderung und unterschiedlicher Hilfe miteinander wirksamst lernen und zugleich zueinander finden.

  • Gemeinsames Spielen, Singen, Tanzen, Sich-Bewegen, Feiern, Erleben von Kunst und Literatur, Exkursionen in die Natur und zu den Menschen des Gemeinwesens sowie Heimaufenthalte sind individuumsfördernd und beziehungsstiftend und müßten stärker betont werden als meist heute.

  • Pädagogengelenkte Einführungen in neue Arbeitsweisen und Inhalte dürfen nicht fehlen, wenngleich hierbei das Miteinander weniger betont werden kann (gemeinsam / gemeinsam mit Ausnahme besonders lernstarker und lernschwacher Schüler, die ihnen gemäße Aufgaben oder Sonderförderung erhalten / in flexiblen Differenzierungsgruppen).

  • Selbständiges Arbeiten an unterschiedlichen Pflicht- und Frei-Aufgaben. Nicht pädagogisch wäre es, bei diesem selbständigen Arbeiten behinderte und schwache Schüler wegen eventuell geringer Selbständigkeit längerfristig abzukoppeln; gerade sie haben Selbständigkeits- und Kooperationstraining besonders nötig, bedürfen dabei aber starker oder sehr starker Unterstützung durch Pädagogen und Mitschüler.

  • Inwieweit behinderungsspezifische Förderung oder Therapie zu leisten ist, ist durch sonderpädagogische Experten oder Mediziner bei jedem behinderten Kind zu prüfen; diese Förderung sollte nach Möglichkeit in der Klasse oder Schule realisiert werden; wenn anders nicht organisierbar, auch außerschulisch, auf keinen Fall aber auf Kosten der Teilnahme des Kindes an integrativen Unterrichtsphasen.

4. Zu den Pädagoginnen und Pädagogen

Sich herantrauen an Integration?

Kolleginnen und Kollegen mit Ängsten und Vorbehalten gegenüber Integration fragen sich, ob und wie sie mit Kindergruppen zurechtkommen würden, deren Unterschiedlichkeit größer ist als die schon bisher meist sehr unterschiedliche Grundschulklasse; sie zweifeln daran, ob es genügend Hilfen geben wird, der neuen Situation zu entsprechen; und sie sind unsicher, ob kooperativer Unterricht ihnen Vorteile bringt. ich kann nur raten, eigenen Ängsten mit Rationalität zu begegnen und Vorbehalte sorgfältig zu prüfen. Hilfreich wäre, sich ein klares Bild zu verschaffen von der Bedeutung der neuen Aufgabe und ihrer Realisierungschance sowie von der Notwendigkeit eines Grundschulwandels. Meine Einschätzung, die ich auf Aussagen sehr vieler Experten stütze, ist:

  • Gemeinsames Leben und Lernen Behinderter und Nichtbehinderter ist ethisch, pädagogisch und gesellschaftspolitisch geboten.

  • Es ist belegt, daß Integration in der Grundschule bei Bestehen situationsangemessener Bedingungen gut gelingen kann.

  • Integrationsarbeit belebt den Grundschulunterricht zugunsten des Lernens und Leistens aller Kinder.

  • Wegen tiefgreifender Veränderungen der heranwachsenden Kindergeneration werden ohnehin alle Grundschulen - unabhängig davon, ob und in welchem Maße sie Behinderte einbeziehen - sehr bald nach Konzepten arbeiten müssen, in denen integrative und differenzierende Unterrichtsformen weit stärker betont werden müssen als bisher.

  • Da man den Eltern behinderter Kinder ein Recht auf Nicht-Aussonderung ihrer Kinder nicht lange mehr wird verweigern können, gibt es für die Grundschule kein Ausweichen.

Überzeugtsein von Richtigkeit und Notwendigkeit der Sache wäre also eine der Voraussetzungen dafür, sich an sie heranzutrauen.

Die beste Einschätzungshilfe ist, mit denen zu sprechen, die bereits die "gemeinsame Schule" praktizieren. Wenn man integrationserfahrene Kolleginnen und Kollegen in die eigene Lehrerkonferenz holt oder zu ihnen geht, erfährt man konkret, welches ihre Anfangssorgen waren, wie sie damit umgingen, wie sie zwischenmenschliche Probleme lösten, was sich bei ihnen verändert hat und wie sie heute zur Sache stehen.

Mich haben solche Berichte aus integrativen Klassen und Einblicke in deren Arbeit sicher gemacht, daß die Grundschule mit der Bemühung um Ausweitung der Integration auf richtigem Wege ist. Verbunden mit der Erfahrung, daß man sich als Unterrichtender handelnd allmählich in Neues einarbeiten kann, führen Beratungsgespräche über die Praxis integrativer Pädagogik - so hoffe ich - bei möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen zur Selbsteinschätzung: "Das werde ich auch können."

Dies wäre zudem insofern realistisch, als auch Integrationsarbeit keine Perfektion erfordert und in einem sich einander helfenden und einander weiterbringenden Team zu leisten ist.

Zum Mehrpädagogensystem

Das Mehrpädagogensystem ist bedeutsam für die gemeinsame Schule für alle, insbesondere wenn schwerer behinderte Kinder die Schule besuchen. Daß Grundschul-, Sonder- und Sozialpädagoginnen und -pädagogen mit ihren unterschiedlichen Qualifikationen kooperativ unterrichten, hat sich als kinder- und pädagogenförderlich erwiesen.

Zu Einstellungen und Verhalten

Schön ist es, wenn man den Willen hat zu entwickeln: Verständnis für den erschwerten Lebensvollzug anderer Menschen - innere Bereitschaft zuhelfen - Bemühung, die individuelle Lernweise jedes Kindes möglichst genau im Blick zu haben - Offenheit dafür, daß Kinder manchmal oder oft die besseren Ideen haben als wir selbst - Bereitschaft, den Kindern Verantwortung zu übertragen, Zusammenarbeit mit Eltern ...

Mehr Demokratie, mehr Humanität, mehr Wirksamkeit im grundlegenden Lernen der Kinder kann, in der Breite beherzt und solide fortgeführt, ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung des Lebens und Miteinanders der Menschen in unserer Gesellschaft werden.

5. Zehn Thesen zur "gemeinsamen Schule für alle"

  1. Gemeinsame Grundschule braucht vertiefte allgemeine Pädagogik.

  2. Ohne Selbststeuerung des Kindes kein Motiviertsein, kein Selbständigwerden, kein erfolgreiches Lernen und keine Integration.

  3. Gemeinsame Grundschule braucht ganzheitliches Lernen: unmittelbare, intensive und mehrschichtige Erfahrung sowie vielförmige Verarbeitung und Sicherung der Lerninhalte.

  4. Gemeinsame Grundschule muß individuumsgerecht sein.

  5. Gemeinsame Grundschule braucht Unterricht als sozialen Prozeß, der Individuum und Gemeinschaft gleichermaßen fördert.

  6. Geborgenheit und Ermutigung statt Klassifizierung und Selektion.

  7. Gemeinsame Grundschule braucht gemeinsame Grundschullehrpläne mit Raum für kindnahes, erfahrungsoffenes, gründliches und zieldifferentes Lernen und mit genügend Unterrichtszeit.

  8. Gemeinsame Grundschule braucht ein gemischtes Lernsystem mit gemeinsamem Lernen so viel als möglich, Differenzierung so viel als nötig und Einbeziehen behinderungsspezifischer Hilfen.

  9. Teamarbeit, Unterrichtsplanung und -überprüfung, Dialogförderung und individuelle Lernbegleitung sowie Zusammenarbeit mit den Eltern sind zentrale Aufgaben der Pädagoginnen und Pädagogen.

  10. Grundbedingung für die gemeinsame Grundschule ist das Mehrpädagogensystem mit unterrichtsbegleitender Lehrerfortbildung.

Zur Integration behinderter und nicht behinderter Kinder siehe auch Beispiel 6: Massenvorhaben "IRA" (S. 112).

21. Miteinander von Kindern aus verschiedenen Ländern

Gemeinsames Leben und Lernen von Kindern aus verschiedenen Ländern macht es noch dringlicher als ohnehin, der Vielfalt von Lebenseinstellungen, Verhaltensweisen und Lernmöglichkeiten aller Kinder gerecht zu werden sowie Lebens- und Lernformen zu betonen, in denen sich produktive Beziehungen zwischen ihnen entwickeln können.

Wie Menschen mit Menschen, die ihnen (oft nur zunächst) ganz anders zu sein scheinen als sie selbst, auf gute Weise umgehen, lernen Kinder am besten in der Selbstverständlichkeit nahen Miteinanderlebens und -arbeitens. Wechselseitiges Interesse an Beziehungen und wechselseitige Akzeptanz entstehen in Situationen, in denen alle ihre Erfahrungen und ihre Hilfe zum Nutzen des anderen in das Miteinander geben und das gleiche beim anderen spüren können. in einem solchen Miteinander lernen sie auch, Widersprüche im Verhalten unterschiedlicher Menschen zu verkraften und im übrigen die Regeln einzuhalten, die für das Zusammenleben, für gemeinsames Lernen und für friedliches Regeln von Konflikten vereinbart wurden.

Manches Kind aus einem anderen Land ist weder in der deutschen Sprache und Kultur noch in denen seines Herkunftslandes "zu Hause" und neigt daher zu Unsicherheit, ist ängstlich oder aggressiv. Solchen Kindern tut oft ein besonders starkes Ernstgenommenwerden als Mensch durch die Bestätigung seiner Stärken und Möglichkeiten gut.

Gemeinsames Spielen vor allem - gelenkt und informell - bietet eine Fülle günstiger Gelegenheiten, sich wechselseitig etwas sagen und sich verstehen zu wollen und sich ein Stückchen in des anderen Vorstellungswelt und Sprache hineinzubegeben. Die Kinder aus anderen Ländern fühlen sich angezogen und geachtet, wenn in der deutschen Schule auch Spiele, Lieder, Tänze und Texte ihres Herkunftslandes für gemeinschaftliches Tun ausgewählt werden; und die deutschen Kinder erfahren auf diese Weise ein wenig über die Herkunftskultur der Kinder neben ihnen und erleben mit, was jenen die Beziehung zu dieser Kultur bedeutet.

Von Martin Buber wissen wir, daß "Gemeinschaft" nicht direkt angestrebt werden kann, sondern immer nur entsteht als ein "edles Nebenprodukt der Hingabe an ein Werk, eine Aufgabe, eine Pflicht, ein Ziel". Das ist ein Grund, das Arbeiten an gemeinsamen Klassenvorhaben zum Unterrichtsschwerpunkt zu machen. In von den Kindern als sinnvoll erkennbaren handlungs- und werkbezogenen Formen werden hier zum einen die in engerem Sinne schulischen Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt; und zum anderen verlangt das Gelingen der Sache stetes Kooperieren - mit der Chance, daß die Kinder ihre Arbeitspartner in ihren Stärken schätzen, in ihren Schwächen tolerieren und in ihrem Anderssein achten lernen. Das kann verstärkt werden durch Gespräche, in denen die Unterschiedlichkeit der Menschen respektvoll-sachlich bewusst gemacht und untersucht wird, ob und wie man in der eigenen Schule und im Lande den Unterschieden zwischen den Menschen gerecht wird und gerecht werden kann.

Die Grundschule hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß alle Kinder Deutsch lernen, wozu sie den Kindern aus anderen Ländern nach Bedarf Zusatzunterricht in Intensivform bieten muß. Des weiteren muß sie sich dafür verwenden, daß diese Kinder auch regulären Unterricht in der Muttersprache erhalten können, weil diese für die Herausbildung und Festigung der individuellen Identität des Kindes bedeutsam ist und das Zurechtfinden der Kinder in der zweisprachigen Lebenswelt fördert. Und wenn die Grundschule sich bemühte, zumindest Ansätze von Zweisprachigkeit in die Kommunikationssituationen und die Spracharbeit für alle Kinder einzubeziehen, wäre das förderlich auch für die Sprachlernfähigkeit der deutschen Kinder.

Die Grundschule wird das Miteinander von Kindern aus verschiedenen Herkunftsländem um so besser schaffen, je stärker sie es vermag, offene Begegnungen und Zusammenarbeit mit den Eltern zu realisieren. Wenn auf Eltemabenden, Schulfesten, Aktionstagen, Ausstellungen und anderen Veranstaltungen der Schule die Eltern aus allen Herkunftsländern nicht nur nebeneinandersitzen und -stehen, sondern miteinander reden und etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft und für die einzelnen tun, dann braucht uns um das rechte Miteinander dieser Menschen in der nächsten Generation nicht mehr bange zu sein.

22. Mädchen und Jungen

  1. So gut wie jede und jeder von uns ist sich ziemlich sicher, auf Mädchen und aufJungen in der Grundschule gleichermaßen aufmerksam zu sein und sie in allen Bereichen des Lemens mit gleicher Intensität und gleichermaßen vorurteilsfrei zu ermutigen und förderlich zu beraten. Untersuchungen zeigen jedoch, daß das häufig nicht geschieht. Mädchen erhalten danach - insbesondere in der Mathematik und im Sachunterricht - weniger Zuwendung als Jungen. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen Mädchen mehr Zuwendung erhalten. Daß wir aufgrund herkömmlicher Vorstellungen in manchen Bereichen unterschiedliche Erwartungen gegenüber Mädchen und Jungen haben und oft von Mädchen weniger erwarten als von Jungen, ist einer der Faktoren, die immer noch bestehende Ungleichheit der Entwicklungschancen von Mädchen und Jungen zu stabilisieren. Es gilt also, sich der Objektivität der eigenen Selbstwahrnehmung nicht sicher zu sein - was übrigens auch für andere Bereiche gilt, zum Beispiel für gleich häufiges ‚Drannehmen' lernstarker und lernschwacher Kinder -, sich das Problem der Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen bewußtzumachen und sich selbst zu kontrollieren: Wende ich mich in allen Lernbereichen tatsächlich allen Kindern in hinreichendem Maße selbstvertrauenstärkend zu?

  2. Noch heute kann man in Schulen wie in Familien erleben, daß ‚den' Mädchen ein bestimmtes mädchenhaftes und ‚den' Jungen ein bestimmtes Jungenhaftes Verhalten unterstellt wird. Mädchen und Jungen werden Rollen zugeschrieben, die zumindest pauschal nicht zutreffen und durch die Erwartungen oft erst herausgefordert werden. In den Hintergrund scheint dort geraten zu sein, daß Kinder zunächst individuelle Menschen sind und nicht Vertreter eines Geschlechts. Das Fatale: jüngere Kinder übernehmen von den Erwachsenen solche Vorurteile relativ unkritisch und bilden in ihnen vorhandene Möglichkeiten nicht aus,nur weil sie dem eigenen Geschlecht nicht unterstellt werden. Wegen einer in der Gesellschaft immer noch dem Manne zugeschriebenen Kompetenz- und Durchsetzungsüberlegenheit in etlichen Aktionsfeldern entwickeln Mädchen diese Stärken nicht und werden durch die entsprechende geringere Selbsteinschätzung in ihrer autonomen Personwerdung behindert. Jungen entwickeln bestimmte, vorwiegend der Frau zugeschriebene (etwa soziale) Eigenschaften nicht, was ihre Selbsteinschätzung weniger beeinträchtigt, aber ihre Personentfaltung reduziert. Die bösen Wirkungen der Geschlechtsrollenklischees werden noch dadurch vergrößert, daß sie dem Aufnehmen unverklemmter individueller Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen im Wege sein und zu wechselseitigen Fremdheitsgefühlen beitragen können. Noch jetzt - 1993 - gibt es Grundschulklassen, in denen Mädchen nur neben Mädchen und Jungen nur neben Jungen sitzen wollen.

  3. In Schulklassen mit Mädchen und Jungen, mit behinderten und nicht behinderten, mit deutschen und eingewanderten Kindern habe ich erlebt: Dort, wo man - ohne darüber ein Wort zu verlieren - sich an Schülerinnen und Schülern als Personen orientierte und wo nicht von individuumsmißachtenden Gruppeneigenarten die Rede war und schon gar nicht vergleichend und nie konkurrenzstimulierend, arbeiteten, stritten oder schwätzten Mädchen, Jungen, behinderte, nicht behinderte, deutsche und eingewanderte Kinder in erfreulichem Miteinander. Hier war es auch selbstverständlich, nie vorwegnehmend zu unterstellen, daß ein Kind - ob Junge, Mädchen, eingewandert, deutsch, behindert oder nicht behindert - deshalb dieses oder jenes wohl entweder nicht oder besonders gut leisten könne. Hier war im Morgen- und Schlußkreis, bei mehr technischen oder mehr künstlerischen Aktivitäten, bei Literaturbegegnung, Mathematik oder Sport stets unterstellt, daß alle ihre Möglichkeiten nach jeweils bestem Können der Person aktivieren würden und bei Schwäche die für sie nötigen individuellen Hilfen erhielten.

  4. Es versteht sich, daß Mädchen und Jungen in den eben genannten Schulklassen in ihren Interessen und Kompetenzen auch geprägt waren durch geschlechtsbezogene Leitbilder, also etwa Affinitäten erkennbar waren bei Mädchen eher zu mehr gefühlshaltigen und bei Jungen eher zu mehr sachbetonten Arbeitsthemen. Zum einen aber waren diese Unterschiede weniger stark ausgeprägt als oft unterstellt wird; und zum anderen, was unter Pädagoginnen und Pädagogen betonenswert ist: In Begegnung und in Auseinandersetzung mit solchen Themen war dort, wo Geborgenheit, Offenheit und Herausforderung das Gruppenklima bestimmten, ein hohes Maß an wechselseitigem Sich-Anregen und an wechselseitiger Aufnahme sichtbar. in einem produktiven Lernklima besteht die Chance, daß Mädchen und Jungen ihre unausgeschöpften Interessen- und Kompetenzpotentiale aktivieren und voll ausschöpfend entwickeln.

  5. Entscheidend für die Selbstwerdung von Kindern ist, daß sie die uneingeschränkte Zuwendung ihrer Lehrerin oder ihres Lehrers erhalten und daß alle sich ernsthaft einbezogen sehen als gleichberechtigte Gruppenmitglieder, auf deren Stärke gesetzt wird, die aber bei Schwäche auf Verstehen und Hilfe rechnen können. So kann das Vertrauen der Heranwachsenden in ihre Eigenkräfte so stark werden, daß es sich auch gegen gesellschaftliche Unterstellungen geschlechtspezifischer Defizite durchsetzt.

  6. Heide Bambach erzählt jene starke Geschichte aus der "Versammlung" ihrer Klasse, in der ein Junge sich über "die Mädchen" beim Fußball beschwert: "Ihr weicht immer aus, wenn der Ball kommt." Im Laufe des Klassengesprächs wird klar, daß in der Tat die Mädchen mit den clubtrainierten Jungen nicht mithalten können; ebenfalls wird klar, daß das nicht nur bei Mädchen vorkäme, sondern auch bei Jungen. Als Abhilfe wird für die Hälfte der Sportstunde und für eine Pause täglich ein "Fußballtraining für Anfänger" verabredet. Als ein Junge das Annähen eines Knopfes und ein anderer das Abwaschen des Teegeschirrs als "Weiberaufgabe" bezeichnet habe - so eine Kollegin -, sei das zum Anlaß genommen worden, über solche Äußerungen zu sprechen. Im Gespräch habe sich ergeben, daß Nähen und Abwaschen und anderes nicht nur den Mädchen zugeschrieben werden dürfe und den Nagel einzuschlagen oder das Brett durchzusägen nicht nur den Jungen, sondern daß solche Verrichtungen für die Selbständigkeit von Mädchen und Jungen günstig seien. Und auch in diesem Falle wurde aus dem Gespräch gefolgert, Mädchen und Jungen Gelegenheit zu geben, das, was ihnen fehle, auch üben zu lassen. Es gehören also auch kompensatorische Lernangebote in die Grundschule, mit denen es möglich ist, Mädchen und Jungen aus sozialisationsbedingten Einengungen auf vorgeblich ihrem Geschlecht zugehörige Interessen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu lösen. Auch können und sollten in altersgerechter Form über vorhandene und unterstellte Unterschiede sowie gesellschaftliche Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen, von Frauen und Männern Gespräche geführt werden, die der Bildung unverfälschter Vorstellungen dienen.

23. Lernen in altersgemischten Gruppen

Einige Erfahrungen sprechen dafür, anstelle der in Deutschland üblichen Jahrgangsklassen in der Grundschule (etwa) drei Schülerjahrgänge vereinende Klassen zu bilden, in denen die Kinder mehrere Jahre zusammenbleiben und in jedem Jahr die ältesten in die nächsthöhere Klasse vorrücken und jüngere Kinder neu hinzutreten:

Synthese sozialer Konstanz und Gruppenoffenheit

Soziale Sicherheit, wie sie für Grundschulkinder dringlich ist, wird durch Beziehungsstetigkeit aufgrund mehrjährigen Zusammenbleibens des größeren Teils der Gruppe wie in der Jahrgangsklasse gewährleistet, und zugleich wird durch (Weggehen und) Hinzutreten eines jeweils kleineren Teils der Gruppe der sozialerzieherische Nachteil der "geschlossenen Gesellschaft" der Jahrgangsklasse vermieden, daß die Kinder sich viele Jahre hindurch nur auf die gleichen Gruppenmitglieder einzustellen lernen: Aufgrund der Gruppenoffenheit lernen sie, sich auch anderen Menschen zu öffnen.

Lernen durch Weitergabe und Übernahme

Die jeweils neu in die Gruppe eintretenden Kinder können durch Mitleben und Übernahme in die Rituale, Regeln, Sicht- und Arbeitsweisen einer Lernkultur hineinwachsen, die die Älteren bereits ausgebildet haben, ihnen vorleben und weitergeben.

Entwicklungschancen durch breiteres Beziehungsspektrum

Die größere Alters- und Entwicklungsheterogenität vergrößert das Spektrum an Anregungen und Herausforderungen, an Beziehungs- und Orientierungsmöglichkeiten und damit die Entwicklungschancen. Die jüngeren sehen schon, was sie noch lernen werden; an den neu in die Gruppe hinzutretenden jüngeren Kindern erkennen auch die lernschwächeren älteren Kinder die eigenen Fortschritte. Sich in die Verhaltensformen Jüngerer zurückziehen oder in die der Älteren vorausgehen können - das sind wichtige Möglichkeiten der Entwicklung von Kindern in der altersgemischten Gruppe.

Entwicklungschancen durch Rollenwechsel

Durch den Wechsel der Gruppenmitglieder wird eine zu starke Verfestigung einer Rangordnung im Klassenverband verhindert. Aus der Rolle der durch Übernahme Lernenden rücken die jüngeren Kinder später selbst zur Rolle der durch Weitergabe Lernenden auf.

Mehr Mit- und Füreinander - weniger Konkurrenz?

Verantwortungsübernahme, Anregen und Helfen der einen und das Sich-behüten-, Sich-anregen- und Sich-helfen-Lassen der anderen können in altersgemischten Gruppen bei entsprechender Anleitung ausgeprägter sein als in altersgleichen Gruppen, in denen die einen die anderen eher als Konkurrenten sehen: Die größere Kraft und höhere Leistung gleichaltriger Kinder kann Angst machen, während die der älteren Kinder dem jüngeren Kind eher normal" erscheinen. - Die Älteren genießen es, von den Jüngeren ‚gebraucht', diese genießen es, von den Älteren angenommen zu werden; dieses Sich-ernst-genommen-Fühlen stärkt die Selbstwertgefühle der älteren und jüngeren Kinder.

So kann die altersgemischte Lerngruppe Entwicklungs- und Lernchancen für Kinder bieten, durch welche die in der Kindheit heute eingeschränkten sozialen Erfahrungsmöglichkeiten ausgeglichen werden.

Die genannten Wirkungen werden allerdings nur Realität, wenn die Zahl der Kinder nicht zu groß ist (nicht über 20) und wenn die Pädagoginnen über vielfältige Erfahrungen verfügen, den unterschiedlichen Lernerfordernissen in der altersgemischten Masse durch differenzierende Lernangebote und Hilfen zu entsprechen. Günstige Voraussetzung ist, wenn zwei kooperativ unterrichtende Pädagoginnen und Pädagogen zur Verfügung stehen.

Wegen möglicher Vorzüge altersgemischter Lerngruppen sollten Grundschulkollegien die Erprobung jahrgangsübergreifender Schulklassen erwägen. Bei einem Beibehalten des Jahrgangsklassen-Prinzips sollte jedoch überall zumindest die Bemühung um partielle Offenheit zwischen den Kindern verschiedener Klassen und Altersjahrgänge verstärkt werden: durch Projekte "Schüler lernen von Schülern" oder "Patenschaften" älterer für jüngere Schüler, durch gemeinsame Aktivitäten altersungleicher Klassen (zum Beispiel in regulären Sport-, Musik- und Kunstunterrichtsstunden) sowie durch die Organisation jahrgangsübergreifender Arbeitsgemeinschaften.

Zu jahrgangsübergreifenden Arbeitsgemeinschaften: Wahlpflichtkurse - für alle Kinder der Klassen 2, 3 und 4 an einem Tage oder an mehreren Tagen der Woche organisiert - sind eine besonders praktikable Form altersgemischter Arbeitsgemeinschaften mit Themen aus allen Lernbereichen und lernbereichsübergreifenden Vorhaben. Die Kinder müssen sich dabei für jeweils etwa ein Quartal zum Beispiel für einen Kurs im Bereich des Sachunterrichts und einen im Sport entscheiden und diese Kurse regelmäßig besuchen. Die Schulgemeinde wird beteiligt, indem ihr bei Kurs-Abschluß die Ergebnisse in Ausstellungen oder Vorführungen vorgestellt werden. Themenbeispiele: Heimische Vögel - Umweltschutzprojekte - Kleine physikalische Versuche - Fahrrad reparieren - Wetterbeobachtung - Pflanzen in der Umgebung - Badminton - Rollschuhlaufen - Kleine Spiele draußen - Berufe kennenlernen - Früher lebte und arbeitete man anders - Aufgaben einer Gemeinde - Zubereitung gesunder Nahrung -Müllvermeidung - Wasser, unser Leben - Erde, Sonne, Mond.

Durch die sich vom Jahrgangsklassenunterricht unterscheidende Angebotsform wird insbesondere angestrebt: Die Kinder lernen sich in einem größeren Wahlangebot zu orientieren; sie bilden nach Interesse Arbeitsschwerpunkte; sie lernen mit Kindern anderer Klassen und Jahrgänge Beziehungen aufzunehmen und zusammenzuarbeiten.

24. Lernfördernde Überprüfungen und Beurteilungen

Was Kinder brauchen und nicht brauchen

Was Kinder brauchen, um lernen zu wollen und zu können, wissen wir seit langem: Sich selbst vergewissern und bestätigt bekommen, daß man etwas kann; immer wieder erleben, daß sich Lernbemühung lohntund welch gute Gefühle es bringt, mit anderen zusammen in eine Sache tiefer einzudringen - das gehört unter vielem anderen dazu. Wer wüßte ein besseres Mittel zum Weiterlernenwollen als Bestätigung, Ermunterung und Anerkennung? Kinder zu benoten ist dagegen ein Mittel, das nicht aus pädagogischen Gründen in die Schule gekommen ist, sondern um Kinder einteilen und aussondern zukönnen. Fördern aber ist der Auftrag der Grundschule, nicht Selektion.

Noten sind dabei weder gerecht noch objektiv, stärken Konkurrenzdenken anstatt Gemeinsinn und lenken von der Sache ab. Dem Irrtum, daß man Noten auf der Grundschule zur "Abhärtung" für das Bestehen der Anforderungen der Sekundarstufe benötige, hat Andreas Flitner entgegengesetzt: Ein Abhärtungssystem, das (auch nur) einen Teil der Kinder ruiniert, widerspricht sich selbst. Die beste Vorbereitung für erfolgreiches weiterführendes Lernen auf späteren Schulstufen ist statt dessen, Selbstvertrauen, Erfolgszuversicht, Lust am Lernen und selbständiges Lernenkönnen der Kinder zu stärken.

Das lernbegleitende Überprüfen

Die Debatte über Beurteilungsverfahren auf die Frage der Zeugniserteilung mit oder ohne Noten einzuengen, wäre falsch. Wichtiger, weil für das Lernen hilfreicher als jede Zeugniserteilung, ist das stetig tägliche Beobachten des Lernverlaufs und mit Beratung verknüpfte Überprüfen der Arbeitsergebnisse, das wir als einen Hauptteil des Lernprozesses gründlich beobachten müssen.

Eine Kollegin berichtet, ein junge in einer Klasse 1 sei durch keine noch so kompetente Lernhilfe im Schreiben voranzubringen gewesen, bis sie im Gespräch herausfand, daß das Kind eine starke Beziehung zu dem Hund der Familie hatte. Ihre dadurch mögliche Frage "Willst du nicht über Ali schreiben?" wurde zum lösenden Impuls für eine Schreibbemühung, auf welche die Pädagogin dann ihre weiteren Hilfen beziehen konnte. Die Lehre für uns: Es gilt, in der kommunikativen Situation herauszuspüren, was im Kinde eine konkrete Möglichkeit sein könnte, selbst einen Schritt oder viele Schritte tun zu wollen, die es auf dem Lernwege - von uns sorgsam und kompetent unterstützt - weiterbringen.

Neben notwendig bleibendem Überprüfen des Arbeitens der Kinder durch uns Erwachsene müßten wir sie noch stetiger zum Selbstüberprüfen der Arbeit und zur Überprüfung in der Gruppe herausfordern und ihnen helfen, das zur Gewohnheit zu machen. Schulisches Lernen wird auf diese Weise sicherer und nachhaltiger. Und wenn wir es schaffen, daß Kinder die Eigenkontrolle als lohnend empfinden, leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Erreichen eines allgemeinen, in freiheitlichen Staatsordnungen wesentlichen Lernziels.

Selbst- und Partnerkontrolle müssen sorgfältig lehrergelenkt eingeübt und im Alltag deutlich von den Kindern erwartet werden. Als ein Problem müssen wir erkennen, daß es in der Regel nur beim Rechtschreiben und Rechnen mit der Überprüfung auf "falsch" oder "richtig" getan ist und "Erledigungsvermerke" bei vielen Arbeiten wenig bewirken. Auch allgemeine Reden wie "Das hättest du anschaulicher schreiben oder sorgfältiger rechnen müssen" sind für jüngere Kinder ungeeignet. Gespräche über die berichteten, geschriebenen, gerechneten, gezeichneten oder sonstwie produzierten Gegenstände selbst, also auf den konkreten Lerninhalt bezogene Sachgespräche oder Werkbetrachtungen sind dagegen Überprüfungen, die das Lernen der Kinder weiterbringen und daher regelmäßig einzuplanen sind.

Beobachtungsnotizen

Wer nach dem Unterricht oder am Nachmittag seine Beobachtungen des Lemens der Kinder notiert und regelmäßig die schriftlichen Leistungen der Kinder in Augenschein nimmt und Auffallendes vermerkt, erarbeitet sich die größere Chance, das eigene Konzept und Verhalten gezielter weiterzuentwickeln und das Aufgabenangebot und die individuellen Hilfen wirksamer auf die Interessen und Probleme, auf die Stärken und Schwächen der Kinder abstimmen zu können.

Klassenarbeiten?

Kinder brauchen im Grundschulalltag stetig viele mündliche und schriftliche Leistungsherausforderungen in mannigfaltiger Form. Dazu mögen auch "Klassenarbeiten"gehören, wenn wir sie nicht dafürnutzen, die Kinder voneinander abzusetzen, sondern wenn wir sie, wie Heide Bambach die vorgeübten Diktate, als "Bewährungsproben" betrachten, "bei denen jedes Kind ‚gegen sich selbst' antritt" - also Klassenarbeiten als eine der Möglichkeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu beweisen und deutlich zu machen, welche Schwächenoder Mängel es noch zu überwinden gilt.

Lernentwicklungsberichte (Berichtszeugnisse)

Kinder und Eltern haben Anspruch darauf, in bestimmten Abständen zusammenfassende Auskünfte über die Lementwicklung und den Leistungsstand des Kindes zu erhalten. In der Schuljahresmitte haben sich dafür Gespräche mit Kindern und mit Eltern, zum Schuljahresende schriftliche Lernentwicklungsberichte als geeignet erwiesen. Soweit noch nicht geschehen, müßten also überall klassifizierende Beurteilungen (Notenzeugnisse) durch Lernentwicklungsberichte (Berichtszeugnisse) abgelöst werden.

Lernentwicklungsberichte geben konkrete Auskunft über die individuellen (eventuell auch sehr geringen) Lernfortschritte des Kindes - zeigen also zur Ermutigung das Vorankommen des Kindes auf; sie geben aber auch - ohne Beschönigung - den individuellen Leistungsstand des Kindes in den einzelnen Lembereichen an, verbunden mit Hinweisen zu Fördermöglichkeiten; sie geben auch Aufschluß über das pädagogische Konzept der Pädagogen und reflektieren eventuell auch selbstkritisch, was die Schule besser machen könnte.

Wo es nicht gelingt, auch für die Klassen 3-6 die kind- und leistungsschädliche Zensierung aufzuheben, bleibt Grundschulpädagoginnen und -pädagogen das Bemühen, durch möglichst geringe Betonung derunterschiedlichen Noten der Kinder dazu beizutragen, daß die durch Notenzeugnisse verursachten Verstärkungen des sozialen Vergleichs von Menschen in geringerem Maße zur Wirkung kommen.

Lange dürfen wir nicht mehr Geduld damit haben, daß die Heranwachsenden in den sie prägenden Jahren daran gewöhnt werden, nicht die Aufgabenbewältigung als solche und das Lernen als solches seien das Eigentliche, sondern wie Menschen dafür einzustufen seien. So vermitteln wir den zukünftigen Bürgern dieses Staates Arbeits-, Lern- und Sozialeinstellungen, die wir für den Einzelnen und für das Gemeinwesen nicht wünschen können. Wie lange wollen wir noch zulassen, daß systematisch bei einigen unserer Kinder Unterlegenheits- und bei anderen Überlegenheitsgefühle erzeugt werden, von denen jeder Einsichtige weiß, daß sie dem Miteinander schaden?

Die Eltern sollten wir bitten, die Abschaffung von Noten nicht als Ablehnung von Lern- und Leistungskontrollen oder gar von Leistung zu mißdeuten. Hierbei werden wir um so überzeugender sein, je glaubwürdiger wir vermitteln, daß eine - dem jeweiligen Kind mögliche - Leistungsanstrengung als Selbstverständlichkeit erwartet und von uns mit allen uns möglichen pädagogischen Hilfen unterstützt wird.

Versetzung/Rücktritt

Dem Grundsatz folgend, daß in einer Geborgenheit gebenden Schule jedes Kind sicher sein muß, nicht ausgeschlossen zu werden, sind Pädagoginnen und Pädagogen im Lebens- und Lernort Grundschule bemüht, vom Instrument der Nichtversetzung nur mit größter Behutsamkeit Gebrauch zu machen. Nur wenn der Rücktritt eines Kindes in die jüngere Altersgruppe in sorgfältig geprüften Fällen als anders nicht leistbare Hilfe erkannt wird, trifft man im Einverständnis mit den Eltern solche Entscheidungen.

Übergang zur Sekundarstufe

Es ist erwiesen, daß für Kinder im Grundschulalter keine verläßlichen Prognosen hinsichtlich ihrer weiteren Person- und Lernentwicklung möglich sind, und unmöglich ist es, verläßlich zu prognostizieren, mit welchen Anforderungen die jeweiligen weiterführenden Schulen die Schülerinnen und Schüler konfrontieren werden. Daher sollte Grundschulpädagoginnen und -pädagogen nirgends mehr zugemutet werden, Prognosen in Form von Eignungsgutachten abzugeben. Aber auch offizielle "Übertrittsempfehlungen" sind problematisch und sollten abgeschafft werden, weil auch bei ihnen unterstellt wird, die Grundschule könne "wissen", welche Schulart für jede Schülerin und jeden Schüler die "richtige" sei.

Was Grundschule jedoch leisten kann und leisten muß, ist, am Ende der Grundschulzeit den Eltern so differenziert wie möglich über den Lernentwicklungsstand ihres Kindes zu berichten, sie nach bestem Wissen über die Lernbedingungen der aufnehmenden Schulen zu informieren und mit ihnen zu beraten, welche Eltern-Entscheidung nach gegenwärtiger Einschätzung am ehesten verantwortbar sei.

25. Lehrpläne und lernfördernde Lehrplannutzung

Hauptbestandteile von Grundschullehrplänen der Zukunft sollten sein: Ziele, die von Pädagoginnen und Pädagogen mit höchstmöglicher Bemühung anzusteuern verbindlich ist, aber von den Kindern nur in dem Maß ihres Könnens erreicht werden sollen; Prinzipien eines individuum- und gemeinschaftsfördernden Unterrichts, an denen sich zu orientieren für alle Pädagoginnen und Pädagogen verbindlich ist; Inhaltsbereiche des Unterrichts als Rahmenvorgaben, die für Schwerpunktsetzungen je nach Klassensituation große Handlungsfreiräume lassen, ergänzt durch vielfältige Empfehlungen.

Der Normalisierung der Schule und der Einstellung auf die Heterogenität der Schülerschaft dient es, die Lehrplanziele zwar anzupeilen, aber flexibel zu sein im Hinblick auf das Erreichen der Ziele durch alle Kinder. Wenn als Klassenpensum in Mathematik der 100er-Zahlenraum "dran" ist, ein Kind jedoch noch nicht den 20er-Zahlenraum beherrscht, wird dieser so lange geübt, bis es die ihm erreichbaren Ziele erreicht hat. Für Lesen und Rechtschreibung gilt Entsprechendes. - Damit die Grundschule in dieser Weise durch zieldifferentes Vorgehen den Lernerfordernissen der Kinder gerecht werden kann, müßte allerdings die Klasse 5 der Sekundarstufe entsprechende Abstriche in ihren Leistungserwartungen machen.

Acht Forderungen zu Lehrplänen und lernfördernder Lehrplannutzung

  1. Wir brauchen Lehrpläne, die uns auf hilfreiche Weise zeigen, wie die Zusammenhänge herzustellen sind zwischen den Zielen der Bildung und Erziehung sowie den Prinzipien, Formen und Inhalten auf dem Weg dahin.

  2. Da die gemeinsame Schule nicht die einen Kinder zu diesen und die anderen Kinder zu jenen Zielen auf den Weg bringen will, sondern Chancengleichheit und Gemeinschaft durch ein hohes Maß gemeinsamer Ziele und Inhalte des Unterrichts anstrebt, brauchen wir gemeinsame Lehrpläne für alle Kinder.

  3. Durch Fortbildung aller Grundschullehrerinnen und -lehrer, kindgerechte Klassengrößen, ausreichende Unterrichtszeit, Kooperationsunterricht und Einbinden der Kinder in verläßliche personale Beziehungen muß Bildungspolitik Lehrpläne erfüllbar machen.

  4. Lehrpläne müssen die Forderung verbindlicher Orientierung an ihren Zielen, Prinzipien und Formen sowie eine Festlegung der Inhaltsbereiche mit Freiräumen in der Zielerreichung und für inhaltliche Schwerpunktsetzungen förderlich vereinen.

  5. Der Ungleichheit der Kinder müssen wir nicht nur durch Zugestehen ungleicher Lernwege, sondern konsequent auch dadurch entsprechen, daß wir die höchst ungleichen Grade der Annäherung an die Ziele als Normalität anerkennen.

  6. Da nicht Menge und Umfang von Lerninhalten als solche Kindern förderlich sind, sondern nur der mit innerer Beteiligung erfolgende gründliche, intensive und kontinuierliche Umgang mit den Gegenständen des Lernens, müssen Lehrpläne und Lehrplannutzer der Kind-, Sach- und Zielgemäßheit der Aneignungsformen stets Vorrang vor einem "zu schaffenden Stoffe" geben.

  7. Dem Irrtum, ein Gemenge von Lerninhalten könne bildend sein, sollten Lehrplaner entgegenwirken, indem sie die einzelnen Lehrplananforderungen deutlich in die Gesamtidee von Bildung und Erziehung einbinden, die Abhängigkeit der Zielannäherung von den Arbeits- und Sozialformen des Unterrichts konkretisieren sowie den notwendigen Vorrang Lebenszusammenhänge beachtender Unterrichtsformen im Schulalltag erhellen.

  8. Indem Pädagoginnen und Pädagogen sich die Vorgaben des Lehrplans kritisch-konstruktiv aneignen und im Rahmen ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags in freier Verantwortung die konkreten Aufgaben unter Beteiligung der Schülerinnen und Schüler situationsgerecht formulieren, können sie den Kindern, den Lerngegenständen und den Zielen der Bildung und Erziehung gerecht werden. Nur so können sich die Anforderungen der Gesellschaft an die Schule mit den Bedürfnissen, Interessen und Leistungen der Beteiligten produktiv verknüpfen.

26. Zur Lernbereichspraxis und ihrer Entwicklung

Welche Ziele, Inhalte und Methoden in den Lernbereichen der Grundschule - Sprache, Mathematik, Sachunterricht, Kunst, Musik, Sport und Religion- zu konkretisieren sind, ist in Lehrplänen niedergelegt und wird in der Fülle fachdidaktischer Veröffentlichungen spezifiziert. Ähnliches gilt für die lernbereichsübergreifenden Aufgabenfelder. Hier sei nur gefragt, wie sowohl die Kompetente als auch die zusammenhängende Konkretisierung der Lembereiche am besten organisierbar ist und welche Entwicklungsstränge der Lernbereichspraxis vordringlich gestärkt werden müssen.

Zum Problem einer qualitätssichernden Organisation

Das wohl gravierendste Problem ist das einer Unterrichtsorganisation, welche die Qualität des Lebens- und Lernorts Grundschule sichert, indem sie sowohl den für jüngere Kinder dringlichen Zusammenhang von Erziehung und Bildung möglich macht als auch gewährleistet, daß alle Bereiche des Lernens kompetent vermittelt werden.

Für den Zusammenhang von Erziehung und Bildung ist das reine oder fast reine Klassenlehrersystem günstige Voraussetzung, denn Ganzheitlichkeit des Lehrens und Lernens ist am ehesten durch Personen zu gewährleisten, die (in etwa) den gesamten Schulvormittag mit den Kindern zusammenleben. Nähe - tragende Bedingung für wirksame Lernbegleitung entsteht am ehesten in anhaltendem Miteinander. Und für die Lehrerin, die für (so gut wie) alle Lernbereiche der Klasse zuständig ist, ist es am ehesten möglich, die einzelnen Gebiete des Lernens durch Integration oder Bündelung nach Erfordernis zu intensivieren und jeden Schultag in seinem Gesamtverlauf zusammen mit den Kindern lebens- und lerngerecht zu gestalten.

Das Klassenlehrersystem enthält jedoch wegen der Unwahrscheinlichkeit, daß eine Person in allen oder fast allen Feldern des Lernens interessiert und kompetent ist, das Risiko unzulänglicher Konkretisierung einzelner Lernbereiche. Es darf ja nicht übersehen werden: Nichts Anspruchsvolleres gibt es für Lehrerinnen und Lehrer, als bei einer so unterschiedlichen (und so hilfsbedürftigen) Schülerschaft wie sonst nirgends im Schulwesen in der notwendigen sehr weit gespannten Breite die notwendige Feinheit der Arbeit zu leisten, die für die grundlegende Bildung der Kinder erforderlich ist.

Für das Einbringen von fachlicher Professionalität in alle Lernbereiche ist das reine oder fast reine Fachlehrersystem - dasversteht sich - günstigere Voraussetzung als das Klassenlehrersystem. Bei mehreren jeweils wenige Male in der Woche für 45 oder 90 Minuten in der Klasse erscheinenden Personen ist es jedoch kaum möglich, eine hinreichend stetige Nähe der Lehrpersonen zu allen Kindern und zum Klassengeschehen zu erreichen; wer nur ausschnitthaft an deren Schulleben und Lernen beteiligt ist, hat es schwer, sich in sie einzufühlen, und auch manche Kinder kommen hierbei schlecht damit zurecht, sich auf die Lehrerin oder den Lehrer einzustellen.

All das, wodurch wir den Lebens- und Lernrhythmus des Schultages und den Zusammenhang des Lernens zu bewirken uns Mühe geben, wird durch eine Zerstückelung unmöglich gemacht oder erschwert. Eine Addition von Fächern oder Lernbereichen erzeugt das Lebens- und Lernklima nicht, in dem sich die Gehalte und Formen des Lernens einwurzeln könnten in die Herzen und Köpfe der Grundschulkinder.

Aus diesen Gründen bedient sich bekanntlich eine große Zahl der Grundschulen eines "gemäßigten" Klassenlehrersystems, bei dem die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer selbst das Gros der Fächer übernimmt und je nach verfügbarer Stundenzahl, Einschätzung der eigenen Kompetenz oder Organisationsmöglichkeit der Schule einen oder mehrere Lernbereiche an Fachlehrerinnen oder -lehrer abgibt.

Diese Kombination aus Klassenlehrersystem und Fachlehrersystem ist zwar günstiger als die vorgenannten Konzepte; Beobachtungen zeigen jedoch, daß insbesondere Lösungen, bei denen die Klassenleiterin mehrere Fächer abgibt, die Realisierung eines rhythmischen Verlaufes des Schulvormittags mit gleitendem Schulanfang, Morgenkreis, Plan- und Freiarbeit, Aufgreifen aktueller Lernanlässe, Projekten, Aus- und Vorstellen der Produkte, flexibel oder regelmäßig organisierten Spiel- und Bewegungszeiten, Tagesabschlußbesinnungen sowie sinnvolle Verknüpfungen der Fächer behindern oder verhindern.

Die Lösung für dieses Problem ist das Zwei-Pädagogen-System: EinKlassenleiterinnen-Team teilt sich die Verantwortung für Erziehung und Unterricht (vgl. S. 92). Beide Partnerinnen oder Partner sind mit Ausnahme einzelner Bereiche - zum Beispiel sorgt nur die eine für Musik, die andere nur für Sport - für alles Lernen der Kinder gleichgewichtig zuständig. Beide haben Nähe zu den Kindern, sind mit deren Schulleben und -lernen, deren Stärken, Schwächen und Problemschwankungen vertraut, kennen alle Aspekte des Lebens und Lernens der Gemeinschaft, sind in Ritualen und Projekten zu Haus. In der Planung und Vorbereitung stützen sie sich jeweils besonders auf diejenige von ihnen, die in dem jeweiligen Bereich kompetenter ist, so daß bei dieser Lösung Kindern und Lehrerinnen die Vorteile sowohl des Klassenlehrer- als auch des Fachlehrersystems zugute kommen, ohne daß deren Systemdefizite in Kauf zu nehmen sind.

Denjenigen, denen eine gemeinsame Klassenlehrerschaft nicht zusagt oder die Möglichkeit fehlt, ist zu empfehlen, nach dem der Lösung zugrundeliegenden Prinzip zu verfahren: Zwei eng miteinander kooperierende Kolleginnen oder Kollegen sind jeweils für eine Lernbereichs- oder Fächergruppe zuständig, in der ihre didaktischen Schwerpunkte liegen, so daß sowohl das Kompetenzproblem gelöst als auch zusammenhängendes Lernen in der Klasse organisierbar ist.

Damit wir uns jedoch nicht mißverstehen: Jeglicher Grundschulunterricht, auch das mit nur zwei Wochenstunden erteilte "Fach", kann sich in das Leben und Lernen der Kinder einbinden durch Anknüpfung an deren Erfahrungen und Vorschläge, die in gemeinsame Aktivitäten und in Phasen selbständigen Arbeitens eingebracht werden: Erfinden eigener Spiele und Bewegungsformen im Sportunterricht, Kleingruppendiskussion mit Entwickeln von Ideen durch die Kinder im Sachunterricht oder freier Umgang mit Materialien im Kunstunterricht sind Beispiele einer bewährten Praxis. Jeglicher Unterricht kann Handlungsvorhaben konkretisieren und meist auch auf Handlungsergebnisse mit Gebrauchswert zielen. In Kooperation der Lehrerinnen und Lehrer, die nur ein Fach erteilen, mit der Klassenleiterin können Inhalte und Formen des Fachunterrichts in die umfassendere Plan- und Freiarbeit der Klassenleiterin, in jahrgangsübergreifende Arbeitsgemeinschaften sowie in fächeraufhebende Klassenvorhaben und Schulveranstaltungen einfließen.

Zur Entwicklung in den Lernbereichen

Der Lernbereich Sprache wird im Hinblick auf die Bedeutung der Sprache für das Denken und Erkenntnisgewinnen sowie für die mündliche und schriftliche Kommunikation seine zentrale Rolle in der Grundschule behalten. Das Lernen auf den weiteren Bildungsstufen ist in hohem Grade abhängig von der Solidität der vorher entwickelten Lese- und Schreibfähigkeiten. Da angesichts zunehmender sozialer, ökologischer, wirtschaftlicher und politischer Probleme unser Überleben von der Befähigung zum Sichverständigen und zum Verhandeln von Interessengegensätzen abhängt, muß der Sprache in der grundlegenden Bildung sogar erhöhte Bedeutung zukommen. Daher kann das Fördern des (inhaltsbezogenen) Sprechens, Lesens und Schreibens nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts sein, sondern muß bei jeglichem Lernen, insbesondere im Sachunterricht, sowie in den Formen des Schullebens Gewicht haben.

Schulbeobachtungen zeigen, daß dem Entwickeln einer Kultur des Gesprächs, dem ruhigen Zuhörenkönnen, dem Mitvollziehen der Äußerungen von Gesprächspartnern, der auf Gesprächsbeiträge eingehenden Erwiderung manchenorts mehr Wert beigelegt werden müßte. Die auf dem Interesse der lesenden und hörenden Kinder basierende Begegnung mit gehaltvoller Literatur istein zu betonender, das Fördern der Gesprächskultur und des gestaltenden Schreibens integrierender Entwicklungsstrang des Lernbereichs. Alle Kolleginnen und Kollegen möchte ich bestärken: Widmen Sie sich der auch für Sie selbst erfreulichen Aufgabe, die Kinder von den ersten Schulwochen an anzuleiten, Gefallen zu finden an einem möglichst täglichen produktiven Schreiben über die bedeutsamen Dinge ihrer Welt.

Wünschenswert ist, den Mathematik-Unterricht so zu organisieren, daßer noch stärker die Lebenserfahrungen der Kinder im Umgang mit Mengen, Größen, Körpern und Zahlen und ihre Vorstellungen vom Zahlenraum-Aufbau nicht ausblendet und dadurch verkümmern läßt, sondern aufgreift und viele Gelegenheiten gibt zu konstruktivem Tun und freiem Experimentieren, damit sie dabei die Vorstellungen ihrer "eigenen Mathematik" im Umgang mit den von uns angebotenen Materialien und Aufgaben differenzieren und anreichern.

Es gilt, die Kinder zu ermutigen, innerhalb des vorgegebenen Lernfeldes eigene Wege zu gehen und selbst Aufgaben und Lösungen zu suchen, aber auch daran zu gewöhnen, ihren Umgang mit Materialien und Aufgaben, ihre Lösungen und Lösungsversuche, Konstruktionen und Vermutungen verstehbar darzustellen. Dabei sollten sie ihre umgangssprachlichen Formulierungen zur Benennung der Sachverhalte nutzen. An die von ihnen dargestellten Denkprodukte können wir dann in Beratungsgesprächen die Hilfen zum weiteren Lernen anknüpfen, ihr individuelles Operieren behutsam in ein sicheres Umgehen mit den üblichen mathematischen Verfahren überleiten und sie jeweils allmählich zu den fachsprachlichen Bezeichnungen führen. Das mathematische Verständnis der Kinder (und das der zukünftigen Erwachsenen) hängt entscheidend davon ab, ob sie es, von ihren eigenen Erfahrungen ausgebend, mit unserer Hilfe entwickeln können, oder ob sie gleich mit ihnen fremden Verfahren und Sprechweisen in einem fachlich-logisch organisierten Gebiet operieren müssen.

Mathematik machen wir für Kinder als sinnvoll deutlich durch ein häufiges Einbinden des Lernens in Kontexte, in denen Mathematik ihnen nützt oder zumindest die Umweltverhältnisse klären hilft Entfernungen, Flächen, Mengen, Zeit schätzen, messen, berechnen; Ausgaben/Einnahmen; Spielkaufladen; Kalender; Verkehrszählung ... ).

Von Schuljahr zu Schuljahr zunehmend länger andauerndes zusammenhängendes mathematisches Lernen können und sollten wir möglich machen durch lernbereichsspezifische Werkstattarbeit oder Projekte als Voraussetzung höherer Lernintensität (siehe Beispiel 7).

Es ist interessant und kann spannend sein, im Sachunterricht mit Kindern gemeinsam die ihnen und großenteils auch uns unbekannte Welt zu erkunden und zu erschließen. Unsere Rolle: ihnen helfen, Haltungen und Fähigkeiten zu gewinnen, in ihrer Welt zurechtzukommen und zuihrer Gestaltung ihren Beitrag zu leisten.

Unter dem Vielen, was sich zur Förderung der Beziehungen des Kindes zur lebenden und sachlichen Natur, zur menschlichen Gesellschaft und ihren Einrichtungen und Techniken herausheben läßt, ist das Bedeutsamste, Kinder zu unterstützen, soziales Empfinden, Verständnis und tatkräftiges Mitwirken für das Wohl von Mitmenschen, Tieren und Pflanzen zu entwickeln.

Die - nicht immer mühelos realisierbare - Pointe dabei ist, dem Wecken und Stärken des Interesses der Kinder für die Lerngegenstände Vorrang vor anderen didaktischen Gesichtspunkten zu geben, und das heißt dafür zu sorgen, daß die Kinder sich eindringlichst mit wenigen Gegenständen anhaltend befassen, in originalen Begegnungen alle Sinne gebrauchend: sehen, hören, riechen, schmecken, anfassen, betasten, fühlen. Einfache intensive Begegnungen mit der Umwelt selbst lösen bei den Lernenden erkenntnis- und verständnisstützende Empfindungen aus - stärker meist als die Beschäftigung mit den Abbildern der Wirklichkeit; so können sie die Zugriffsweisen herausfinden und mit Hilfe auch die Arbeitstechniken erproben, die für die Auseinandersetzung mit den Gegenständen am geeignetsten sind; moderne Medien werden zur Unterstützung genutzt (und als Lerngegenstände kritisch-konstruktivin den Blick genommen).

Wenn die intensiven Erstbegegnungen - möglichst in gemeinsamer Planung in der Klasse - in kleine zusammenhängende Vorhaben des Suchens, Erkundens, längeren Beobachtens, Nachdenkens, Experimentierens, Prüfens, vor allem Produzierens und auch Pflegens übergeleitet werden und die Kinder handelnde Subjekte an relevanten Themen sein können, verhelfen wir ihnen am ehesten zur Entwicklung lebensbedeutsamer grundlegender Bereitschaften und Fähigkeiten des Erkennens, Verstehens, Zusammenarbeitens, konstruktiven Handelns.

Was in der Umwelt zusammengehört und was Kindern nicht zerteilt, sondern als Ganzes erkennbar ist, sollte man nicht trennen: Soweit der Sachunterricht noch lernbehindernd in fachliche Teilgebiete aufgesplittert ist, muß er durch Integration geheilt werden - unter Einbeziehen - das ist komplikationslos möglich - von Sprache, Mathematik und Kunst in die Erkenntnis- und Gestaltungsprozesse.

Angesichts des Bedrohtseins der Menschheit durch Umweltzerstörung ist Sachunterricht Chance, Gegenkraft zu sein: Menschen, die in den prägenden Jahren der Kindheit eine auf Verständnis beruhende Zuneigung zur Welt der Menschen, Tiere und Pflanzen entwickeln, werden als Personen reicher und stärker und am ehesten bereit sein, ihre Welt auch unterInkaufnahme von Unbequemlichkeiten und gegebenenfalls gegen Widerstand zu erhalten und zu schützen.

Die Anregung von Experten, die Fächer Kunst, Musik und Sport zum Bereich der Ästhetischen Erziehung zusammenzufassen, könnte für die Weiterentwicklung der Grundschule förderlich sein. Die Vorschläge schließen ja nicht aus und dürften nicht ausschließen, daß Kunst, Musik und Sport weiterhin und verstärkt jeweils ihre unerläßlichen spezifischen Wirkungen in der Erziehung und Bildung des Grundschulkindes entfalten, und eröffnen zugleich neue Chancen.

Die Integration eines Teils der jetzt getrennt verlaufenden Lernprozesse wäre Gewinn. Wir wissen, daß fächeraufhebende Projekte von Musik, Bewegung, Spiel, Tanz und Kunst, auch Dichtung und Sprache einbeziehend, den Auffassungs-, Ausdrucks- und Gestaltungskräften der Kinder Impulse geben, Sozialfähigkeit entwickeln helfen wie kaum anderes und Lebensfreude erhöhen können. Das sei auch heute schon möglich? Machen wir uns nichts vor: Was als zwar bedeutsames, aber nicht strukturell verankertes Prinzip über der Schule schwebt, hat weniger Chance, in der Breite gewohnheitsbildende Praxis zu werden, als das, was durch klare Aufgabenstellung mit fester Zeit und festem Ort ein Ausweichen nicht zuläßt.

Wenn nicht nur umetikettiert wird, dann ist es schon aufgrund des dickeren Stundenpakets des neuen Bereichs möglich, daß die drei Fächer (insbesondere Musik und Kunst) endlich aus ihrer Nebenfachrolle in die bedeutungsgerechte gewichtigere Position vorrücken. Neue (ideenkräftige) Strukturen können wirkungsmächtiger sein als das Beteuern, wie wichtig die Körperlichkeit des Menschen sei, die Bewegung, Sinnenhaftigkeit, Kreativität, der gestaltete Ausdruck.

Unabhängig davon, ob die Drei-Fächer-Verbindung richtig ist: Der ästhetischen Erziehung ist Einfluß auf die Grundschularbeit insgesamt zu wünschen. Um die Armut an sinnlicher Erfahrung in unserer Welt, die zu dürrem Denken führt, auszugleichen, müssen wir den Kindern, wo immer möglich, Gelegenheit geben, aus naher und unmittelbarer Anschauung ihre Vorstellungen zu bilden. Wenn die subjektiven Vorstellungen dann in der Lerngemeinschaft mit anderen Sichtweisen konfrontiert, mit Erfahrungswissen der Erwachsenen durch Verknüpfung bereichert, durch neues Anschauen modifiziert oder bestätigt, denkend überprüft und durch Gestaltungsbemühung vertieft und gesichert werden, kann in den Kindern ein ihnen zugehöriges, ihnen bedeutsames Bild von sich und ihrer Welt entstehen

Die bildnerische Eigentätigkeit der Kinder wird zwar in der Grundschule seit langem ernst genommen - ernster als musikalische und literarische Produktivität -, müßte aber - auch angesichts der Mediatisierung unseres Lebens - mehr Raum erhalten und bereichert werden durch behutsam gelenkte Begegnungen mit den die Vorstellung und Gestaltung anregenden Werken von Malern und Bildhauern. Eine stärker kreativitätsfördernde und qualitätsorientierte Musikerziehung zu realisieren, müßten die Behörden die Grundschulen unterstützen. Entschiedener als bisher wird sich die Grundschule auf die Bewegungsbedürfnisse und -erfordernisse der Kinder einstellen müssen und dabei das Entwickeln von Kreativität einbeziehen. Die von Sozialmedizinern und Kinderärzten im Interesse der Gesundheit der Heranwachsenden dringlich geforderte tägliche Bewegungszeit gilt es zumindest an jenen Tagen zu realisieren, an denen keine Sportstunde angesetzt ist. Solange die Landesparlamente dafür die Zeit nicht stellen, müßte sie den anderen Bereichen entnommen werden.

Wenn ich mich mit ehemaligen Klassen treffe und wir von "damals" sprechen, tauchen nach 35 oder 40 Jahren neben Klassenwanderungen und dem selbst gebauten Bauernhaus als erstes auch die den Kindern erzählten Geschichten aus der Erinnerung auf. "Wissen Sie noch, wie Sie uns von Joseph und seinen Brüdern erzählten? Und wie wir über den Turm zu Babel sprachen? Und über den Verrat des Judas?" - Indiz für das, was die Kinder einst beeindruckte. Ich plädiere für intensive Begegnungen mit den Geschichten des alten und neuen Testaments. Es stimmt nicht, daß Kinder von heute sich nicht gewinnen ließen durch für uns alle bedeutsame Gehalte in starker Sprache - Auslöser für Gespräche über den Menschen, über Fragen nach seiner Herkunft, seinem Weg und seinem Ziel. Hier ist die Möglichkeit zum "einfachen Philosophieren", das - auch zeitlich - die Kinder nicht überfordern darf, aber sie anregt, Sorgen, Hoffnungen und Erwartungen gegenüber ihrer Zukunft zu äußern.

Der Lernbereich Religion - manchenorts vernachlässigt oder ins Gerede zerfasernd - muß den ihm zukommenden Platz in der Schule der grundlegenden Bildung erhalten. Eine sorgfältige - nicht zu große - Auswahl aus den Geschichten der Bibel könnte seine wieder klar erkennbare Mitte sein. Wenn wir mit den Kindern Weihnachten und Ostern feiern, müßte das heißen, den Kindern aller Klassen zu helfen, in Lesungen, Textdeutungsbemühungen, durch Betrachten eines Kunstwerks, im Singen und Verstehen eines Liedes und in Gesprächen zu Fragen der Kinder den Kern dieser Ereignisse zumindest kennenzulernen zu versuchen. Keinen Religionsunterricht in der Grundschule zu haben wäre besser als einen, der zum Ignorieren oder zur Geringschätzung des Religiösen beizutragen in Gefahr ist.

Eine der Hauptaufgaben des Religionsunterrichts heute: den Kindern helfen, ein Empfinden zu entwickeln, daß wir Menschen nur Teil der Schöpfung sind, daß uns Raubbau an diesem Geschenk nicht zusteht, daß zum Menschsein Achtung vor dem Leben anderer gehört und daß Menschen sich verpflichtet fühlen müssen, bedrohtes Leben anderer Menschen und das von Tieren und Pflanzen in ihre Obhut zu nehmen.

In allmählich mehr werdenden Klassen ist die Grundschule dabei, die Begegnung mit fremden Sprachen in den Kranz ihrer Lernbereiche aufzunehmen. Wird dieses Lernen nicht als ein "Fremdsprachenunterricht" mißverstanden, sondern in das Klassenleben und -lernen integriert -Kinder lernen fremde Sprachen im Spiel und Sprachhandeln mit Vergnügen -, ist es als ein Beitrag zur Offenheit zwischen den Kulturen und zur Völkerverständigung zu begrüßen.

27. Kooperativer Unterricht

Pädagoginnen und Pädagogen, Schulverwalter und Bildungspolitiker erkennen zunehmend, daß wir - wie in vielen Bereichen von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat - auch im Schulwesen den Erfordernissen von Gegenwart und Zukunft nicht jeweils als Einzelne, sondern nur kooperierend gerecht werden können: Ohne intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch, gründliches Sich-Beraten und wechselseitiges Sich-Unterstützen, Sich-Verständigen über pädagogische Ziele, Erziehungsprinzipien, Lern-Inhalte und Arbeitsorganisation gelingen nötige Weiterentwicklungen zum Zwecke höherer Qualität des Lebens und Lernens in der Schule nicht. Mehr und mehr Lehrerinnen und Lehrer - wenngleich immer noch kleine Minderheiten - bilden daher Teams zum Planen und Beraten von Erziehung und Unterricht, und mehr und mehr Lehrerkollegien verstehen sich als Lern- und Reformgemeinschaften.

Der Kern der Arbeit von Schulpädagoginnen und -pädagogen jedoch, die Unterrichtsarbeit in der Schulklasse, wird in der Breite der Schulen nicht in die Kooperation einbezogen. Dabei hat unter den Kooperationsformen in der Schule gerade kooperatives Unterrichten für erfolgreiches Lernen von Kindern und für die Entwicklung der Pädagoginnen und Pädagogen selbst die bei weitem höchste Wirksamkeit.

27.1. Formen

Bei kooperativem Unterricht wird die Schulklasse nicht mehr jeweils von einer Pädagogin oder einem Pädagogen allein unterrichtet, sondernjeweils gemeinsam durch ein Team von zwei oder drei Pädagoginnen oder Pädagogen. je nach Konzept und abhängig von den Ressourcen wird eine Schulklasse ein oder zwei Wochenstunden bis hin zu ihrer vollen Wochenstundenzahl kooperativ unterrichtet. Planen und Auswerten des Unternchts erfolgen ebenfalls in fast vollem Umfange kooperativ oder werden unter Abstimmung der Ziele, Prinzipien und Organisationsformen von jeweils einzelnen Team-Mitgliedern übernommen.

Aus der Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten der Struktur kooperativen Unterrichts kann man drei "Modelle" herausheben:

A: Hauptverantwortliche Pädagogin und Stützpädagogin

Die Klassenleiterin und ihre für einen bestimmten Lernbereich zuständige Kollegin unterstützen sich wechselseitig in einer oder auch mehr Wochenstunde(n) zum Beispiel im Deutsch- und Mathematikunterricht, wobei die für den jeweiligen Bereich zuständige Kollegin den Unterricht plant und die Hauptverantwortung trägt und die andere als Stützpädagogin, etwa bei der integrierten Förderung lernschwacher Kinder, tätig ist. Zu diesem Modell gibt es die Variante, daß eine Pädagogin, ohne selbst für einen bestimmten Lernbereich zuständig zu sein, in einzelnen Lernbereichen oder bereichsübergreifend bei Klassenvorhaben oder bei Plan- und Freiarbeit der Klassenleiterin als Stützpädagogin kooperativ zur Seite steht.

B: Klassenleiterinnen-Team

Ein Klassenleiterinnen-Team (mit annähernd gleicher Stundenzahl in der Klasse) teilt sich die Verantwortung für Erziehung und Unterricht. Mit Ausnahme einzelner Bereiche (zum Beispiel Musik und Sport) sind beide Partnerinnen für alle Bereiche gleichgewichtig zuständig und auch bemüht, Gesprächsleitungen gleichgewichtig wahrzunehmen, zum Beispiel den Morgen- und den Schlußkreis. Planung erfolgt gemeinsam, Unterricht im tageweise oder während der Vormittagsmitte erfolgenden Wechsel sowie, im Maß vorhandener Stunden, kooperativ: zum Beispiel eine Stunde am Montagmorgen, eine am Mittwoch bei Lehrerinnenwechsel, eine am Freitagmittag.

C: IntegrationskIassen-Team

Eine Grundschulpädagogin als verantwortliche Klassenleiterin, eine Sonderpädagogin und gegebenenfalls als dritte Partnerin eine Sozialpädagogin arbeiten kooperativ in Planung, Realisierung und Auswertung des Unterrichts zusammen, wobei jeder Teampartnerin für einen Teil des Unterrichts die Rolle zufallen kann, jeweils von den anderen unterstützt die Klasse anzuleiten oder selbst als Stützpädagogin (meist durch integriertes Fördern einzelner lernschwacher Kinder) tätig zu sein.

27.2. Wirkungen

Wirksame Binnendifferenzierung

Daß das Spektrum an Sichtweisen und Lernhilfen eines Pädagoginnenteams breiter und vielfältiger wird und man zu zweit oder dritt Binnendifferenzierung besser realisieren kann als allein, liegt auf der Hand.

Schon wenige Kooperationsstunden je Woche bringen weit größeren Effekt, als wenn man sie für Klassenteilungen oder Förderstunden nutzte. individuelle Arbeitsplan-Besprechungen für die Tages-, Wochenplan- und Freiarbeit mit den einzelnen Kindern sowie die Lernbegleitung während der Phasen selbständigen Arbeitens und integriertes Fördern kann den Kooperationspartnerinnen sehr viel besser gelingen als einer Pädagogin allein. Diese kooperative Differenzierungsarbeit hat sich in Integrationsklassen oder integrativen Regelklassen als unerläßlich erwiesen, ist aber auch bei der starken Heterogenität regulärer Grundschulklassen eine Notwendigkeit.

Mehr Sachgerechtheit

Indem Kooperationspartnerinnen oder -partner jeweils die Hauptverantwortung für jene Lernbereiche übernehmen, in denen jeweils ihre Kompetenzschwerpunkte liegen, wird der Unterricht sachgerechter als im Klassenlehrerunterricht, ohne daß man, weil kooperativ gearbeitet wird, die für jüngere Kinder möglichen Nachteile des Fachlehrersystems in Kauf nehmen müßte.

Bereichernde Lernprozesse

In der Schulklasse haben Grundschulpädagoginnen und -pädagogen es fast ausschließlich mit von ihnen abhängigen Kindern zu tun und erleben unmittelbare Unterrichtskritik von sachkundigen Erwachsenen höchst selten. Diese jahrhundertealte Berufsbesonderheit ist einer der Gründe dafür, daß nicht wenige Lehrerinnen und Lehrer ihre Unterrichtsweise leicht absolut setzen, nicht zweckdienlich genug weiterentwickeln und manchmal sogar lernbehindernde Unterrichtsstile nicht korrigieren. Wer an mittelbar handlungsbezogene Verbesserungsvorschläge nicht gewöhnt ist, wird deren Nutzen leicht verkennen und wird solche Vorschläge eher emotional abwehren. Die relativ gering entwickelte Fähigkeit, kritische Ratschläge rational aufzunehmen, und die entsprechende Scheu der anderen, sie zu äußern, ist so weit verbreitet, daß wir von einem entwicklungshemmenden Tabu sprechen müssen. Diese Kritik-Tabuisierung und das reformhemmende Nicht-Befragen eigener Gewohnheiten zu überwinden, hat sich kooperatives Unterrichten als geeignet gezeigt.

Der tiefgehendste Vorteil ist dabei der beim Handeln und Reflektieren im Miteinander sich vollziehende Lernprozeß. Beim anderen mich vergewissern können, mit ihr oder ihm mich beraten, an ihr oder ihm mich orientieren, mich auseinandersetzen und eigenes Handeln nachvollziehbar begründen müssen - das läßt gründlicher bedachte Konzepte und Praktiken entwickeln. Und die Gefahr, daß vorhandene Kritikscheuheit die Ergiebigkeit des Voneinanderlernens mindert, wird allmählich geringer. Das Verantwortlichsein beider stärkt die Bereitschaft offenzulegen, was man der Kinder wegen zu tun für geboten hält. Weil kontinuierliche gemeinsame Arbeit den Kontext besser erkennen läßt, aus dem die Partnerin handelt, und weil man die Partnerschaft nicht beschädigen möchte, wird Kritik in der Regel als verständnisgetragene Bitte geäußert. Deshalb und weil Kritikabwehr, um etwas verdecken zu wollen, entfällt und weil man sich gegenseitig stellen muß, werden die Partnerinnen kritikaufnahmebereiter und -fähiger und steigern so die Chancen der eigenen Entwicklung. In Planungs-, Realisierungs- und Auswertungssituationen kooperativen Unterrichts, wie unsere Berufsvergangenheit sie sehr selten bot, erhalten Pädagoginnen und Pädagogen jetzt Denk- und Handlungsanstöße, die "unter die Haut gehen" und reicher machen können.

Motivationale Komponente

Am Verwirklichen einer bedeutsamen Sache wie am Verbessern der Erziehung für die heranwachsende Generation nicht in der Vereinzelung, sondern in einer Gruppe mitzuarbeiten, erzeugt - zumindest in der Regel - ein stärkeres berufliches Wohlempfinden: Die Lust wird größer, für eine bessere Schule zu arbeiten. Und ein Stück der Last an Verantwortung für Kinder und ihre Zukunft nun miteinander teilen zukönnen, wiegt die durch Kooperation entstehende Mehr-Anstrengung bei weitem auf. - Bedeutsam sind die Wirkungen, die dadurch auf das pädagogische Gesamtklima der Schule ausgehen können.

Verinnerlichen und Vorleben

Im eigenen Handeln erfahrenes und verinnerlichtes Kooperieren läßt uns offener werden für die Notwendigkeit und den Sinn des Kooperierens von Schülerinnen und Schülern. Und: Endlich nutzen wir für das Kooperieren von Kindern jene Erziehungsform, die höchste Wirkung hat - Vorleben.

Kontinuitätsförderung

Eines der leidigsten Probleme der Grundschule, die für jüngere Kinder schädliche Unstetigkeit des Unterrichts bei Ausfallen einer Pädagogin, könnte durch ein Sich-Vertreten der Kooperationspartnerinnen besser gelöst werden. Auch der Besuch vormittäglicher Fortbildungsseminare mit Hospitationen würde kein Problem mehr sein.

Bedingtheit kooperativen Unterrichts

Kooperative Lehrerteams können allerdings, wenn sie sich abkapseln, das werden, was jüngere Menschen eine Beziehungs-"kiste" nennen, deren Ringsum-Verbretterung treffend auf das Risiko des Sich-Beschränkens auf nur die eigenen Sichtweisen weist. Auch Teams haben die Infragestellung ihres Unterrichts und das Einbringen weiterführender Ideen von außen nötig; daher kann kooperativer Unterricht kein Ersatz für das Kollegium als Lerngruppe, kein Ersatz für eine kontinuierliche Einbindung in praxisbeobachtende und -reflektierende Fortbildungsgruppen und kein Ersatz für außerschulisches Lernen von Lehrerinnen und Lehrern sein.

27.3. Bedenken

Manchenorts argumentiert man, Lehrerinnen und Lehrer hätten es nicht gelernt, eigene Erziehungs- und Unterrichtsvorstellungen zurückzustellen und schulische Ziele, Prinzipien, Inhalte und Formen miteinander abzustimmen, Kompromisse zu schließen, Konflikte zu verarbeiten und auszuhalten, kurzum: sie hätten nicht die Voraussetzungen für kooperativen Unterricht. Das mag richtig, teilweise richtig oder falsch sein: Wo besser denn könnte man diese Voraussetzungen erwerben, als wenn man sich - von Kundigen beraten und unterstützt - mit wenigen Wochenstunden beginnend an die kooperative Arbeit macht?

In meinem Kopf höre ich die Stimmen derer, die sagen: "Das möchte ich nicht!" oder "Das geht nicht!", und halte bei solch starken Berufsveränderungen Bedenken auch für verständlich. Denn aufzugeben ist einiges: daß man nicht mehr als alleiniger Erwachsener das Sagen hat und - schlimmer - daß man die Liebe der Kinder nun teilen muß. Eindeutig müssen wir den hohen Grad an Autonomie in unserem Beruf zugunsten einer Selbstbindung an andere einschränken. Aber - nach dem Sich-Einüben in kooperatives Arbeiten - der Gewinn ist groß!

27.4. Einführung kooperativen Unterrichts

Soweit eine Schule über Teilungs- und Förderstunden verfügt, sollte sie überlegen, ob sie diese für kooperativen Unterricht nutzen will; und die Verantwortlichen sollten Kooperationsunterricht fördern mit dem Ziel, allmählich ein Mehrpädagogensystem entstehen zu lassen (das nicht unbedingt alle Stunden des Vormittags umfassen muß).

Einführen ließe sich das System auf der Grundlage freiwilliger Beteiligung - der Kosten für Mehrstunden wegen eventuell zunächst nur mit einigen Kooperationsstunden in den beteiligten Klassen. Es sehr lange bei Beteiligung der einen und Nicht-Beteiligung der anderen Pädagoginnen und Pädagogen zu belassen, wäre jedoch fragwürdig: Die einen würden mit Sicherheit bessere Teamfähigkeit und ein höheres Niveau des Könnens erwerben als die anderen, eine Chance, die im Grunde doch alle haben müßten. Daher sollte man schon heute möglichst überall unter Verwendung von Förder- und Teilungsstunden zumindest damit beginnen, kooperativ zu unterrichten. Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Schulaufsichtsbeamte sollten sich dabei als Förderer von Kooperationsunterricht verstehen.

Es ist ein bedeutsames Ziel, durch Ausbau von Kooperation die Qualität der Grundschule zu verbessern, wofür über vorhandene (und teilweise nicht vorhandene) Förder- und Teilungsstunden hinaus regulär zugewiesene Kooperationsstunden für jede Grundschule erforderlich sind. Mit kooperativern Unterricht insbesondere von Grundschul-, Sonder- und Sozialpädagoginnen und -pädagogen leiten wir den wahrscheinlich bisher bedeutsamsten Wandel im Beruf von Lehrerinnen und Lehrern ein. Nachdrückliche Anstrengungen zur Förderung dieses Wandels gehören zum Wirksamsten, was Bildungspolitiker zum Verbessern der grundlegenden Schulbildung tun können.

Zu kooperativem Unterricht siehe auch Beispiel 4 (S. 107). (Anmerkung bidok: Beispiel ist unten im Teil: Praxisbeispiele - Beispiel 4: Morgenkreis und Wochenplanarbeit kooperativern Unterricht zu finden)

28. Das Kollegium als Arbeits-, Lern- und Reformgemeinschaft

Um den Kindern durch Weiterentwicklung des Schulunterrichts zu besseren Lebens- und Lernchancen verhelfen zu können, müßte das Kollegium sich als eine Arbeits-, Lern- und Reformgemeinschaft verstehen, die unter Einbeziehung der Schülerinteressen und Elternwünsche ein offenes pädagogisches Konzept entwickelt, an dem in kleinen Schritten mit entschiedener Offenheit und zugleich mit gebotener Behutsamkeit stetig weitergearbeitet wird.

Die gemeinsame Leitfrage könnte sein, wie man allen Kindern - den lernschwachen, den lernstarken, den problembeladenen - mit noch wirksameren schulischen Formen und Inhalten zur Aneignung der schulischen Grundfertigkeiten und Kompetenzen verhelfen und die Entwicklung zukunftsbedeutsamer Schlüsselqualifikationen wie Gesprächsfähigkeit, Zusammenarbeitenkönnen, Problemlösefähigkeit, Lernen des Lernens, Selbstkontrolle, Solidarität anbahnen kann.

Günstig ist eine langfristig angelegte projektartige Arbeitsweise des Kollegiums mit pädagogischen Konferenzen, die in nicht zu großen Abständen stattfinden. Beginnend mit der Bewußtmachung der schuleigenen Stärken, Schwächen und Probleme, geht man gemeinsam auf die Suche nach Lösungsmöglichkeiten und sucht sich auf zieldienliche Änderungen schulischer Regelungen und Strukturen zu verständigen. Um nicht in den Fehler des nur "Im-eigenen-Safte-Schmorens" zu fallen und um sich für Neues erwärmen zu lassen, zieht man auch einmal auswärtige Experten hinzu und besucht andere Schulen, die sich ebenfalls um Qualität der Grundschule bemühen.

Ein verstärktes Wahrnehmen des Erziehungs- und Bildungsauftrags erfordert eine verstärkte Kooperation, und diese wiederum Transparenz des Schulgeschehens: Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und ihre Vertretungen sowie das Hauspersonal werden als erstes in zufriedenstellendem Maße über die jeweilige Situation der Schule informiert, dann an der Diskussion der anstehenden Fragen beteiligt sowie in das Entscheiden einbezogen.

Es empfiehlt sich, als Schulentwicklungsgruppe und Selbstkontrollinstanz vom Kollegium einen Ausschuß zu wählen oder einen gemischten Pädagogen-Eltern-Ausschuß zu gründen, der die Realisierung von Entscheidungen beobachtet, Ergebnisse festhält und sich mit Fragen und Vorschlägen rührt, wenn Schlaffheit Stagnation aufkommen läßt.

Wenn sich die Tätigkeit der Schulleiterin, der Lehrer und Schulräte weiter zur Rolle der Moderatorin oder des Moderators hin entwickelt, begünstigt das die Schulgestaltung: Das Aufgreifen und das Anregen von Ideen der Gruppe, das Fördern von Austausch, die Bemühung, Konsens herzustellen, aber auch das Sorgen für ein kultiviertes Umgehen mit Kontroversen sowie das Delegieren von Aufgaben wirkt tiefgreifender auf den Selbsterneuerungsprozeß der Schule als eine eher Anweisungen gebende Tätigkeit.

Bei der Entwicklungs- und Gestaltungsarbeit wird schulinterne Konsensbildung angestrebt, aber auch dafür gesorgt, daß Minderheiten konstruktiv zum Zuge kommen. In wechselseitiger Begrenzung und Bereicherung der Beteiligten durch Gespräche, Auseinandersetzungen und Verhandlungen wird eigene Sinnfindung durch gemeinsames Stiften sinnvolleren Lernens der Kinder möglich.

29. Kooperation mit den Eltern

Kooperation mit den Eltern als den Hauptverantwortlichen für die Erziehung ihrer Kinder ist eine Selbstverständlichkeit der Grundschule oder müßte es sein. Dort, wo sie lebt und bewußt gepflegt wird, ist sie eine nicht nur nützliche, sondern auch erfreuliche Komponente des Grundschullebens.

Bereits vor der Einschulung des Kindes lernen sich Eltern und Pädagogin im Elternerstgespräch kennen. Die Lehrerin erfährt, wie die Entwicklung des Kindes bisher verlief; die Eltern erfahren, welche Pläne die Pädagogin hat. Schön ist es, wenn dies der Beginn eines wechselseitigen Vertrauensverhältnisses ist. Es folgen der Kennenlerntag für Eltern und zukünftige Erstkläßler in der Schule und der erste Elternabend vor der Einschulung. Soweit zeitlich leistbar: Hausbesuche der Pädagogin während des 1. Schuljahrs bei allen Kindern ihrer Klasse können verständnisstärkend sein. Gut ist es, dann die Grundschulzeit hindurch mit den Eltern im Gespräch zu bleiben über ihr Kind, auch um im Fall von Problemen diese besser verstehen und angemessen darauf reagieren zu können.

Die Verbindung der Eltern mit der Schule wird vor allem dadurch gekräftigt daß sie in nicht zu großen Abständen durch das Vorstellen eines Projekts der Klasse, eines darstellenden Spiels oder sonstiger Arbeiten der Kinder sowie durch die Möglichkeit von Unterrichtsbesuchen Einblicke in das schulische Leben und die schulische Arbeit erhalten. In manchen Grundschulklassen erfahren Eltern auf einem Elternabend durch "learning by doing", was ihre Kinder in der Grundschule tun - zum Beispiel, indem sie unter der Anleitung der Lehrerin oder des Lehrers selbst dort werken, spielen, singen oder auch schreiben, rechnen, lesen oder an Lernmaterialien der Kinder arbeiten. In aller Regel mögen Eltern einbezogen werden und haben ein Recht darauf, auf diese Weise - das ist nicht anders als bei Kindern und bei Pädagoginnen und Pädagogen - ernst genommen zu werden. Sie halten so auch eher zu ihrer Schule. Kolleginnen und Kollegen, die intensiv mit Eltern zusammenarbeiten, berichten, wie sehr sie auch selbst - als Personen - durch gemeinsames Nachdenken und Handeln für die Kinder gewonnen haben. Dadurch, daß es - wie unter Pädagogen - auch unter Eltern immer einmal töricht handelnde Menschen geben kann, sollte man sich nicht beirren lassen, sondern lieber kräftig gegenhalten.

Wichtig ist, Eltern und Elterngremien nicht durch Entscheidungen des Kollegiumsvor vollendete Tatsachen zu stellen, sondern die Dinge vor ihrer Realisierungmit ihnen zu besprechen. Dauerhaft gut informiert zu ,sein, ist auch bei Eltern Voraussetzung dafür, daß sie sich engagieren wollenund können, und auch bei ihnen ist der stärkste Motor fürs Engagement, in Entscheidungen einbezogen zu sein.

Außer durch Zusammenarbeitsformen wie Helfen bei Schulfesten, bei der Materialbeschaffung sowie Begleitung von Massen auf Ausflügen und gemeinsame Beratung von Klassen-Angelegenheiten auf Eltern-Abenden können Eltern die Schule auch durch unmittelbare Mitarbeit im Unterricht imterstützen: Sie unterstützen einzelne Kinder oder Kleingruppen bei deren Planarbeit, helfen beim Fördern ausländischer Kinder und leiten Übungs- und Neigungsgruppen an - alles Formen, welche die Verbindung zwischen Schule und Eltern stärken.

30. Kooperation der Bildungsstufen

Kindern kann ein Vielerlei wechselnder Einflüsse durch verschiedene Erziehungsinstitutionen schaden. Insbesondere starke Gegensätze der Anforderungsstrukturen belasten und verunsichern sie und behindern ihre Entwicklung. Solche meist unmittelbar nicht erkennbaren, aber manche Kinder schwer beeinträchtigenden "Brüche" zwischen dem Kindergarten und der Grundschulklasse 1, zwischen dem Tagesheim oder Hort und der Grundschule sowie zwischen der Grundschule und der Sekundarstufe gilt es zu vermeiden oder wenigstens zu mindern, insbesondere dadurch, daß die Institutionen voneinander lernen.

Das Gespräch zwischen den Erziehungsbereichen müßten wir stärker pflegen als bisher. Durch wechselseitige Einblicke und Aufklärung über Ziele, Prinzipien und Formen der jeweils anderen Institution, durch Absprachen über einzelne Kinder, durch Verständlichmachen oder Modifizieren des eigenen Handelns könnten wir die gespaltene Erziehung und Bildung unserer Zeit neu zu verknüpfen suchen. Durch koordinierende Zusammenarbeit mit den Menschen, die vor, nach und, wie im Tagesheim, neben denen in der Grundschule für die Kinder zuständig sind, könnten wir manches Kind vor Lernschwierigkeiten und vor Problemen mit sich selbst und anderen Menschen bewahren.

Kooperation Vorschulische Einrichtungen/Tagesheim/Grundschule

Hier seien einige der Formen genannt, mit denen manche Pädagoginnen und Pädagogen um den besseren Zusammenhang der Erziehung und Entwicklung von Kindern erfolgreich bemüht waren, gerade auch zur Sicherheit eines möglichst guten Schulanfangs der Kinder.

Am einfachsten ist Erziehungskontinuität durch Kooperation herzustellen zwischen vorschulischen Einrichtungen an der eigenen Schule - Vorschulklassen, Vorklassen, Schulkindergärten, Vorlaufgruppen - und der Klasse 1. Da besuchen etwa die Vorschulkinder gruppenweise nach Absprache das laufende 1. Schuljahr; die zukünftige Erstklaßlehrerin hospitiert in der Vorschuleinrichtung oder arbeitet dort in den letzten Monaten des Schuljahres (oder ganzjährig) regelmäßig mit. Auch führen die Vorschulpädagoginnen vor der Einschulung, mit den zukünftigen Erstklaßlehrerinnen ein Übergabegespräch über die einzelnen Kinder, über die Regeln, die sie erlernt haben, und darüber, wie die Entwicklung der Vorschulgruppe verlief Wenn nach der Einschulung die Vorschulpädagoginnen hin und wieder noch einmal die Klasse 1 besuchen, können sie so noch Kontakt zu ihren "Ehemaligen" halten und machen sich für ihre jüngeren Vorschulkinder bewußt, wie es für diese eines Tages weitergehen wird.

Für aus dem Kindergarten oder dem Tagesheim kommende Kinder (wie auch für die, die keine Einrichtung besucht haben) hat sich zum Kennenlernen und zum Feststellen der Lernausgangslage die "Schnupperschule" bewährt. Günstig sind Hospitationen der Erzieherinnen aus Heim und Kindergarten in der Klasse 1 sowie auch hier das Übergabegespräch. Ein großer Fortschritt wäre es, wenn überall möglich würde, daß auch die zukünftigen Erstklaßlehrerinnen in jenen Kindergärten oder Tagesheimgruppen hospitieren, die Kinder an die Grundschule abgeben oder in denen die Grundschulkinder auch weiterhin neben der Schule und dem Elternhaus leben werden.

Anstrebbar ist, daß die Kooperation auch nach der Einschulungszeit nicht abbricht: Halbjährliche bis jährliche Treffen von Vorschul- und Tagesheim- mit Grundschulpädagoginnen und -pädagogen können einer Weiterführung der Gespräche über einzelne Kinder dienen, aber auch dem Austausch zu besonderen Themen wie Suchtprävention, Gewalt in Schule und Heim, Projekte oder Prinzipien der Erziehung.

Kooperation Grundschule/Sekundarstufenschulen

Eine Koordinationsaufgabe besonderen Gewichts ist die Abstimmung der häufig sehr unterschiedlichen Lern- und Lehrstrukturen in den sich an die Grundschule anschließenden Sekundarstufenklassen mit den Prinzipien und Formen der Grundschule. Zu warnen ist jedoch davor, diese Unterschiede etwa dadurch aufheben zu wollen, daß die Grundschule sich vom Prinzip eines sach- und kindgerechten Schullebens und -lernens mit seinen für alle Kinder jüngeren Alters konzipierten Lern-, Sozial- und Beurteilungsformen löst.

Überwunden werden müßte vielmehr, daß immer noch manche Sekundarstufenpädagogen und ihre Schulleitungen, besonders des Gymnasiums, erwarten, daß sich die Kinder auf die neuen Anforderungen ihrer Schulart einstellen, ihrerseits aber nicht genügend tun, sich selbst und die schuleigenen Strukturen auf die Lernerfordernisse jüngerer Kinder sowie auf den Entwicklungsstand eines jeden Kindes einzustellen.

Dazu ist persönliche Offenheit der dortigen Pädagoginnen und Pädagogen gegenüber den aus der Grundschule kommenden Kindern gefordert, aber auch ihr Verständnis für Prinzipien und Formen, wie sie - solide praktiziert - für die Erziehung und Bildung jüngerer Kinder heute als zweckmäßig erkannt sind.

Es versteht sich, daß Appelle dieser Art aus der Grundschule in der Sekundarstufe nur ernst genommen werden dürften, wenn die Grundschule selbst alle Möglichkeiten nutzt, den Kindern zur Entwicklung solider grundlegender Fähigkeiten für das weiterführende Lernen zu verhelfen, und wenn sie es zudem vermag, den Sekundarstufenschulen die Qualität der Grundschularbeit glaubhaft zu machen.

Mit der gebräuchlichen Bezeichnung "Übergangsproblematik" wird suggeriert, daß es sich dabei um Beschwernisse für die übergehenden Kinder an den Übergangsstellen handele, die möglicherweise durch einige Erleichterungen abgebaut und sich im übrigen durch die Gewöhnung der Kinder an die neue Situation beheben ließen. Das Faktum ist jedoch, daß Grundschule und weiterführende Schulen Aneignungsstrukturen und -formen entwickeln müssen, die langfristige kontinuierliche Bildungsgänge möglich machen - und zwar solche, welche die veränderten Bedingungen des Aufwachsens der Jugend berücksichtigen sowie auf Zukunftserfordernisse orientiert sind, so daß die Heranwachsenden konstruktiv mitzuwirken bereit sind und Nachhaltigkeit schulischer Erziehung und Bildung entstehen kann als Basis für die Zukunftsfähigkeit der nachfolgenden Generation.

Die Grundschule kann drei Beiträge zur jugend- und zukunftsfördernden Veränderung der weiterführenden Bildungsgänge leisten:

  • Sie bleibt bei ihrer Bemühung, personstabilisierende, autonomiestärkende und zugleich integrative schulische Aneignungsformen zu entwickeln. Dies ist der stärkste Beitrag, den die Grundschule für erfolgreiches weiterführendes Lernen der Jugend und zugleich als Reform-Impuls für das Schulwesen leisten kann.

  • Sie bemüht sich um eine vertiefte Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der Aufnahmeklassen der weiterführenden Schulen und ihrer Leitungen, was allerdings der Unterstützung durch die zuständigen Behörden bedarf. In Einzelgesprächen, Konferenzen, Hospitationen und Schüler-Übergangsprojekten geht sie zum einen auf die Fragen und Erwartungen der Kooperationspartner ein und sucht zum anderen zu verdeutlichen, welche "Essentials" ihrer Auffassung nach für ein erfolgreiches Lernen der übergehenden Kinder zu realisieren wären. - Es gibt Berichte, wonach Sekundarstufenschulen solche Erfahrungen aufgeschlossen aufgegriffen haben.

  • Die Grundschulkollegien setzen sich auf der bildungspolitischen Ebene für eine mindestens sechsjährige gemeinsame, einer kontinuierlichen Entwicklung der Heranwachsenden dienende Schulzeit in der Grundschule ein, die unter anderem auch den Vorteil des Wegfalls zu früher Selektionsentscheidungen bietet.

Praxisbeispiele

Beispiel 1: Klassenvorhaben "Mein Körper"

(Besuch in der Kl. 1 (l. Halbj.) bei Frau Hannelore Schröder in der Schule Hasselbrook in Hamburg am 23.1.1991)

Animiert durch die Pädagogin, hatte vor zwei Wochen im Morgenkreis ein Kreisgespräch über die Körperteile stattgefunden, in dem die Kinder einander fragten: "Wie heißt dieser Körperteil?" oder sich aufforderten: "Zeige den Ellenbogen!" oder Körperteile raten ließen: "Ich brauche sie zum Hören!"

Dann wurde vorgeschlagen, die Körperteile aufzuschreiben, und das Vorgehen beraten: 2 Partner einigen sich, ein Körperbild zu malen und die Körperteile in die Figur zu schreiben. Es wurde vorgemacht, wie man das Körperbild am besten malen kann: den Körper des liegenden Kindes als Muster benutzen, den Bleistift senkrecht halten und die Linien mit schwarzem Filzstift nachmalen. In zwei Wochen sollen die Bilder fertig sein. Der knappen Raumfläche wegen sollen höchstens 3 Gruppen während der Plan- und Freiarbeitsstunde gleichzeitig daran arbeiten. Inzwischen haben alle Gruppen ein Körperbild gezeichnet und unterschiedlich normgerecht unterschiedlich viele Körperteile bezeichnet.

Um 8.00 Uhr heute setzen sich die Kinder, die etwa seit 7.45 Uhr in lockerer Folge im Klassenraum eingetroffen waren und sich verschiedenen Tätigkeiten zugewandt oder ein Schwätzchen miteinander gehalten hatten, im Kissenkreis mit der Pädagogin zusammen und wenden sich nach dem Besprechen einiger Klassenangelegenheiten der Weiterarbeit am Klassenvorhaben "Mein Körper" zu:

Ein großes weißes Papier, auf das die Kinder die Umrisse eines Kindes gezeichnet hatten, wird auf dem Boden befestigt. Etwa 30 Wortkarten werden - Schrift nach unten - danebengelegt. Pädagogin: "Eure Aufgabe ist, die Karten an die richtige Stelle zu legen!"Die Kinder können an der Länge des Wortstreifens die Länge des zu erlesenden Wortes voraussehen, nehmen jeweils eine Karte auf, lesen sie vor und legen sie an die richtige Stelle: Daumen, Haare, Haar, Unterschenkel, Schulter, Finger, Ellbogen, Wange, Bauchnabel, Unterarm, Oberarm, Mund, Zähne, Zehen, Bauch, Kinn, Knie, Hals, Brustwarze, Ohr, Augen, Schlüsselbein. Knöchel, Stirn, Nacken, Ferse und Brauen werden jeweils in kurzen Gesprächen geklärt.

Jetzt erhalten die Kinder Zählplättchen, suchen sich auf dem Körperbild ein Wort, das sie lesen wollen, lesen das Wort vor und legen ihr Zählplättchen neben die Wortkarte. Alle Kinder zeigen hierbei auf den betreffenden Teil ihres eigenen Körpers und sprechen dabei noch einmal das Wort. Der "Bauchnabel" wird gefühlt. Zur Demonstration der "Wade" dient das Bein der Pädagogin. Zur Benennung des (nicht mitgezeichneten) Geschlechtsteils bringt ein Mädchen das Wort "Scheide". Die Pädagogin läßt die Kinder, als das Geschlechtsteil der Jungen nicht genannt wird, ein Wort verlesen, "das ihr in einem medizinischen Buch finden würdet: Glied."

Nach etwa 30 Minuten sagt die Pädagogin an: "Ihr könnt jetzt auf euren Bildern die Wörter für die Körperteile ergänzen oder ändern." Die Kinder entrollen auf dem Fußboden ihre in Partnerarbeit erstellten Körperbilder und arbeiten an deren Beschriftung.

Nach der heutigen - 50-minütigen - Arbeit am Klassenvorhaben hängt die Pädagogin ein großes Körperbild mit den gut erkennbaren normgerecht geschriebenen Bezeichnungen der Körperteile als Orientierungsmöglichkeit gut wahrnehmbar an die Innenseite der Klassenraumtür und sagt den Kindern: "Wer mit seinem Körperbild zufrieden ist, kann sich die Arbeit von mir ‚abnehmen' lassen."

Für zwei Tage beginnt nun noch einmal ein intensives Arbeiten an den Bildern. Einzeln, mit Partner und mit Hilfe der Pädagogin werden die eigenen Bezeichnungen der Körperteile (darunter: Sene, Am, Schenkl) mit dem "Modell" an der Tür verglichen und gegebenenfalls berichtigt. Die Pädagogin bedient sich dabei häufig des einfachen, die Kinder aufmerksam machenden Mittels, Fehlendes oder Fehlerhaftes lediglich mit einem Setzplättchen zu belegen. Ist alles "relativ" in Ordnung, dürfen die Kinder ihre Namen unter ihre Werke schreiben.

Alle Bilder werden dann von einer Kindergruppe und der Pädagogin an der großen Treppenhauswand aufgehängt und zum Wochen-Abschluß gemeinsam gewürdigt.

Beispiel 2: Wochenplanarbeit

(Besuch in der Klasse 2 bei Frau Homs in der Fehrs-Schule in Itzehoe am 23.5.91 von 10.40 - 11.25 Uhr)

Im Klassenraum viele Kinderzeichnungen; Bücher und Materialien; großes Musterblatt der Vereinfachten Ausgangsschrift; Klassenbriefkasten; Grünes: ein gemütlicher Lebens- und Arbeitsraum.

10.40 Uhr. Rasch formieren sich die Kinder im Sitzkreis auf dem Fußboden, in dem die Pädagogin sich mit ihnen über diverse Arbeiten des Plans unterhält: Was ist getan? Was muß noch getan werden? Könntet ihr bitte die Aufträge erklären? Wer wird am Wörterbuch arbeiten? - Dem Beobachter ist deutlich, daß hier eine bedeutsame Voraussetzung für die Selbständigkeitserziehung moderner Grundschule verwirklicht wird: nicht die Kinder im dunkeln zu lassen über Lernziele und -wege, sondern diese offenzulegen und gemeinsam zu klären, so daß Schülerinnen und Schüler - den Lernnotwendigkeiten entsprechend - Subjekte ihres Lernens sein können.

10.50 Uhr. Rasch gehen die Kinder an ihre Gruppentische und arbeiten mit unverspannter Ernsthaftigkeit an den Pflicht- und Frei-Aufgaben des Wochenplans, Sprachlehre- und Diktatübungen, Lese- und Schreibaufträge, für die sie Materialien und Hilfsmittel vorn unter der Tafel in 6 klar gekennzeichneten Mappen zu finden wissen. Mehrere Kinder arbeiten zu zweien zusammen, weil die Auftraggebung zur Partnerarbeit herausforderte. Aufträge zum freien Schreiben (mit abgestuftem Anforderungsniveau) sind dabei und Anstöße, das Gelernte demnächst im Morgenkreis zu veröffentlichen.

3 Kinder, die ich den Raum verlassen sah, entdecke ich in einem entfernten Raum, wo sie mit Eifer, ohne daß sich jemand durch sie gestört fühlen könnte, einander laut die Geschichte vom grünen Fahrrad vorlesen - mit erfolgreicher gegenseitiger Lernkontrolle!

Die Pädagogin kann die Zeit, in der die Kinder selbständig und sich gegenseitig helfend in Ruhe lernen, nutzen, um sich einzelnen Kindern, auf individuelle Erfordernisse eingehend, mit intensiver Beratung zuzuwenden und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. An den Gesichtern der Kinder, denen jeweils geholfen wird, wird dem Beobachter die starke Wirkung dieser pädagogischen Arbeitsweise deutlich. Manche Kinder nutzen die Zeit auch, um der Pädagogin stolz ihre kleinen Schreibprodukte vorzulesen. Von größter Wichtigkeit: Die Pädagogin hat bei der Organisation des Unterrichts als Wochenplanarbeit auch die Möglichkeit und nutzt sie, mit einer Differenzierungsgruppe (in diesem Falle von 6 Kindern) eine Besprechung anzusetzen, die diese Kinder weiterbringt, ohne daß die Mehrheit der Kinder der Klasse durch Unter- oder Überforderungen einem Leerlauf oder gar Lernbeeinträchtigungen ausgesetzt wird.

Indem die Pädagogin in einem kurzen gemeinsamen Schlußgespräch die Kinder befragt, was denn zu Hause von ihnen für die weitere Arbeit zweckvollerweise getan werden könnte, fordert sie, ohne in diesem Falle etwas "aufzugeben", die Kinder zu selbstverantwortetem Lernen auch außerhalb der Unterrichtsstunden heraus.

Ich verlasse eine Klasse, die auf vorzügliche Weise zu selbständigem und solidem schulischen Lernen angeleitet wurde.

Beispiel 3: Morgenkreis und Wochenplanarbeit

(Besuch in der Klasse 3 bei Frau Olias in der Fehrs-Schule in Itzehoe am 23.5.91 von ca. 9.30 - ca. 10.30 Uhr)

Im Klassenraum Kinderbilder, Plakate mit Regeln, Rechentafeln, Deutschlandkarte, Frühblüher, Pflanzen in Gläsern zum Beobachten. An den Wänden (überschaubar) Bücher und Lernmaterialien. Eine gemütliche Sitzecke. In der Mitte Raum für den Kreis, darin ein Vorstellungstischchen mit Kirschblütenzweigen und verschiedenen Büchern. Ein klares und ansprechendes Arbeitsraum-Klima.

9.32 Uhr. Wir treffen die Kinder, sich auf den Unterricht vorbereitend und sich unterhaltend, in herrlich normalem Miteinander an.

9.35 Uhr. Rasch setzen sich alle in der Mitte des Raumes auf Stühlen und Tischen in lockerer Runde zusammen. Mit einem mehrsprachig gesungenen Kanon wird der Morgenkreis eröffnet. Dann kommen 15 und mehr Kinder sowohl mit verschiedenen von ihnen selbst ausgewählten Sachbeiträgen zum Thema "Wasser" als auch mit kleinen persönlichen Erlebnisberichten zum Zuge. Durch Fragen der Zuhörer ergeben sich dabei auch kleine Gespräche. Die Pädagogin, angenehm sich zurückhaltend, wirkt als Moderatorin. Dem jeweils entsprechenden Kind schaut sie konzentriert zuhörend freundlich ins Gesicht, auf diese Weise die Gruppe spüren lassend, welche Bedeutung der Rede des anderen Menschen zuzumessen ist und wie man sich in einem Gespräch auf den anderen einzustellen hat. Die Wirkungen dieser Pädagogik sind bereits spürbar in dem ruhigen, einander zugewandten Sprechen und Hinhören so gut wie aller Kinder der Klasse.

Wirkungen des Morgenkreis-Rituals in dieser Klasse: Die Kinder fühlten sich herausgefordert, am Vortage selbstgesteuert und selbstverantwortlich einen Beitrag zum Eindringen der Klasse in die schulische Sachthematik herauszusuchen und heute adressatenbezogen zu veröffentlichen, so daß die Grundschule hier einen Beitrag geleistet hat a) zur Selbständigkeit der Kinder; b) zum Erarbeiten nötigen Sachwissens; c) zur Gewöhnung an Gesprächskultur; d) zum Sich-Einbinden der Einzelnen in eine Gemeinschaft.

10.05 Uhr. Mini-Frühstücksdiktat: "Peter sitzt am Ufer und beobachtet seinen Teich: Kaulquappen, Frösche und Libellen." - Ein Kind liest anschließend den Text noch einmal ruhig vor, während alle konzentriert vergleichen. Pädagogin: "Jeder sieht noch einmal in Ruhe seinen Text an! Seid ihr so weit? Jemand noch nicht?" Dann werden die Hefte eingesammelt. - Hier werden also bewährte konventionelle Lernformen offensichtlich was ihre Wirkung stärkt, regelmäßig sowie unter Betonung der Eigenkontrolle (also Erkenntnissen moderner Didaktik angepaßt) genutzt.

10.15 Uhr Wochenplanarbeit. Intensiv arbeiten alle an den differenzierten Pflichtaufgaben für den Deutsch- und Sachunterricht, an der Fertigstellung des Bildes vom blühenden Apfelbaum sowie an Frei-Aufgaben, wozu Plan Anregungen gibt. Nach dem Pausenbeginn führen manche Kinder ihre Arbeiten noch weiter, andere begeben sich in die gemütliche Sitzecke oder auf den Pausenhof.

Dies war hoffnungsgebende, in Inhalt, Methode und Stimmigkeit des Unterrichtsstils überzeugende Grundschulpädagogik.

Beispiel 4: Morgenkreis und Wochenplanarbeit kooperativern Unterricht

(Besuch in Klasse 2 der Max-Brauer-Schule in Hamburg-Altona am 23.8.91 beiFrau von Katzler und Frau Kielau. Die Klasse wird von 8.00 - 8.45 Uhr von Frau Kielau allein, dann bis 9.35 Uhr von beiden Pädagoginnen kooperativ angeleitet.)

Zwischen 7.45 und 8.00 Uhr treffen die Kinder nacheinander im Klassenraum ein, nehmen die Stühle von den Tischen, setzen sich an ihren Platz und beginnen ruhig-angeregte Gespräche mit ihren Tischnachbarn. Manche bleiben auch zu einem kleinen Schwätzchen am Eingang stehen. Einige Kinder wenden sich der Pädagogin zu, um mit ihr das eine oder andere zu besprechen.

Um 8.00 Uhr versammeln sich alle zum Morgenkreis. In kurzer Besprechung wird geklärt, wer heute den Kreis leitet, und dann beginnt die Erzählrunde:. Bei wem sie gestern waren, von der Mutter, vom "Spaßkampf" im Schwimmbad, vom Ausflug in die Heide wird erzählt; ein Junge liesteinen Text vor, den er geschrieben hat.

Auch die Pädagogin erzählt ein Erlebnis, übergibt der Klasse das "Müllbuch" (Kindertexte) und beginnt dann die Arbeitsbesprecbung.

  • Frau von Katzler und ich haben überlegt, daß ihr jetzt eine Zeitlang nicht mehr zum Textvorlesen zuuns kommt, sondern daß ihr uns das Gelesene kurz erzählt!

  • Aus dem "Wassergedicht" (das in der Vorwoche gelesen und besprochen wurde) könnt ihr eine Zeile auswählen und dazu ein Bild malen!

  • Zu den drei "Wasser-Bildern" in der "Galerie" einen Text schreiben!

  • Das Erforschen von Schmutzwasser am Forschertisch soll weitergehen. Dazu werden die Arbeitsgruppenteilnehmer verlesen und Arbeitshinweise gegeben.

Zum Abschluß der Besprechung erhalten die Kinder noch einmal Gelegenheit, Fragen zu stellen, werden aufgefordert, die Arbeitspläne der Vorwoche anzusehen ("Alles erledigt?") und sich anhand der neu ausgegebenen Plan-Formulare und der Übersichtshefte die eigene Arbeitsplanung für die heute beginnende Woche zu überlegen.

Die Kinder beginnen nun an ihren Tischplätzen mit ihren Arbeiten.

Anton klärt mich über seine Planung auf: Er will eine Geschichte schreiben, "weil man das muß". Drucken und Setzen nicht, weil ich nicht dran bin". Schreibschrift üben will er, "weil es Spaß macht". An "Sonstigem" hat er vor, mit Kadir ein Sprachspiel zu spielen. In Rechnen plant er etwas weniger, "weil wir in dieser Woche einen Tag weniger haben", und hat in seinen Plan "Kopfrechnen" eingetragen, "weil wir das jede Woche müssen". Im Forschen will er zusammen mit Nicolas einen "Wassertest" machen. - Ich bin etwas bewegt dadurch, wie bereitwillig, klar und sicher mir dieser Zweitkläßler Auskunft über seine Arbeitsplanung gibt, wird doch hieran der Unterschied der Schule heute zu der alten Stils überaus deutlich.

Ab 8.45 Uhr wird in kooperativem Unterricht das Gros der Klasse bei ihrer Planarbeit von der einen Pädagogin beraten und gefördert, während die andere die Kinder nacheinander zur individuellen Wochenplanbesprechung an den Lehrerinnentisch ruft. Dort beginnen jetzt mit den einzelnen Kindern konzentrierte Arbeitsbesprechungen, in denen sich Pädagogin und Kind über Aufgaben aus dem Aufgaben- und Lernmittel-Angebot der Klasse verständigen.

Einzeln kommen jeweils nach Aufruf die Kinder rasch nach vorn und bringen mit: ihren alten und ihren neuen Wochenplan, ihr Übersichtsheft, in dem die Aufgabenbestände für Lesen, Schreiben und Rechnen verzeichnet sind, und ihren Arbeitskorb, der alle Arbeiten der Vorwoche und die in Gebrauch befindlichen Arbeitshefte enthält.

  • Als erstes wird auf den alten Plan Bezug genommen, dessen Aufgaben in der Regel von allen Kindern geschafft worden sind: Schön! - Das ist aber eine lange Geschichte! - Du hast aber viel getan!

Beanstandungen zum alten Plan gibt es in Einzelfällen: Dies hättest du im Übersichtsheft nicht als erledigt durchstreichen dürfen, weil es nicht erledigt ist! - Ärgerlich, daß du dein Rechnen nicht geschafft hast, du weißt doch, das sollte vorgehen! - Zeigst du mir einmal dein Heft? Ist das nicht etwas wenig? Aber gut, daß du das nicht Geschaffte schon in den neuen Plan genommen hast.

  • Als zweites fragt die Pädagogin nach der neuen Planung des Kindes: Was hattest du dir gedacht? - Was hast du dir vorgenommen? - Wie ist deine Planung? Und die Kinder berichten anhand des Plan-Vordrucks, in den sie ihre Planung eingetragen haben, was sie sich für Deutsch, Mathe, Forschen, Kunst und Sonstiges vorgenommen haben. (Meiner Erinnerung nach hatte nur ein Kind kaum etwas geplant.)

  • Als drittes geht die Pädagogin auf die Planung des Kindes ein: in der Regel bestätigt die Pädagogin die Planung des Kindes oder die Teile der Planung, die in Ordnung sind. Mit Blick auf die Planung des Kindes fragt sie auch nach Bereichen, die ihr noch zu kurz gekommen scheinen: Wie sieht es mit Fragebögen aus? Wie mit Rechnen? Wo möchtest du noch vorankommen?

In wenigen Fällen macht die Pädagogin auch Einschränkungen: Das reicht dann aber, sonst kommst du nicht zum Forschen!

Auch Differenzierungen der Planungen der Kinder gibt es. Mit zwei Kindern, die als Planung "Rechenkartei" und "Schreiben" angeben, wird besprochen, was denn dabei wohl am besten in Frage komme.

In mehreren Fällen nennt die Pädagogin am Ende des Planungsgesprächs die Arbeiten, die Schwerpunkte sein müßten: Dieses hier und jenes gehen vor! - Was vorgehen muß, kreuze ich dir an.

Den größten Anteil an den Planungsgesprächen haben Ergänzungen der Pädagogin zu den Planungen der Kinder: Du nimmst noch Nr. 14 dazu. - Versuchst du, noch eine halbe Seite mehr zu schaffen? - Du solltest noch etwas aus der großen Rechenkartei dazunehmen! - Du schreibst bitte einen Text zum Wasserbild. - Nimm dir bitte noch ein Buch mit Fragebögen vor. - Ich möchte, daß du mit Mirco, Martina und Miriam das neue Spiel ‚Ele, mele, Müll' spielst. - Das Bild ... könntest du noch anfangen. - Das Sprachspiel spielst du bitte mit Ronny; falls du Erklärungen dazu brauchst, sag mir Bescheid. - Verabredest du dich bitte mit Fabian, Eileen und Katinka zu dem Samenversuch? Hier sind die Samen. -.

Beispiel 5: Mäuse-Gespräch

(Besuch in der Klasse 2 bei Frau Sabine Breuer in der Grundschule Seth bei Segeberg am 31.3.92 von 9.45 - 10.30 Uhr)

"Wir würden gern Mäuse haben!" Das war vor einigen Wochen das Ergebnis eines Klassengesprächs über Tiere. Nach Einholen des Einverständnisses der Eltern besorgte die Schule 8 Wüstenrennmäuse und stellte sie den Kindern in einem großen Käfig in den Raum. Freies Beobachten einen Vormittag lang - damit begann das Unterrichtsvorhaben. Dann wurde von jedem eine Maus gemalt sowie ein Mäusebuch angelegt und mit freiem Schreiben über Mäuse angefangen. Das Einhalten von drei Regeln mußten die Kinder versprechen: sich nach Anfassen der Mäuse stets die Hände zu waschen, nicht allein den Käfig zu öffnen und, falls jemand gebissen werden würde, sofort Bescheid zu geben. Auch ein täglich wechselnder Mäusedienst wurde eingerichtet: saubermachen, für frisches Futter sorgen und, wie mir ein Mädchen sagte, "überhaupt sich kümmern, daß sie sich wohl fühlen". Ein Beobachtungsbogen wurde ausgegeben und an einer Mäusekartei gearbeitet. Über Mäuse und ihr Verhalten wurde gelesen, geschrieben und gesprochen und das Verhalten von Menschen gegenüber Tieren bedacht. - Ein Auftrag für die Planarbeit der nächsten Tage war, aufzuschreiben: "Was möchtest du über Mäuse wissen?"

Heute nun sitzen Kinder und Pädagogin beieinander, um im Gespräch einige der Fragen zu klären, welche die Kinder aufgeschrieben haben. In der Mitte auf dem Fußboden steht der Stall mit den Mäusen. Die Pädagogin moderiert das Gespräch sachlich, freundlich, ermutigend - den Redebeiträgen der Kinder vor den eigenen stets den Vortritt gebend. Sie bittet die Kinder, zunächst ihre Fragen zur Ernährung zu stellen. Dazu gibt es gleich viele Meldungen.

Jens: "Ich möchte wissen, wie sie essen." - Marc: "Mäuse essen so!"(Er zeigt es mit den Händen.) "Sie halten das Fressen mit den Händen so fest." - Ein Mädchen: "Sie halten es fest, damit es nicht runterfällt." - Ein Junge: "Sie stechen ihre Krallen da rein, sie halten es mit beiden Pfötchen fest, und dann schaben sie das ab."

Pädagogin: "Habt ihr beobachtet, wie sie beim Fressen sitzen oder stehen?" Kinder: "Sie sitzen ein bißchen in der Hocke." -"Sie nehmen den Schwanz als Stütze wie Chinchillas." - "Dann ist ihre Stützung besser, so ähnlich wie beim Dreirad."

Als Kinder fragen, ob die Mäuse auch Bananen oder Orangen mögen, wird nach einem ersten zaghaften "ich glaube: ja" festgestellt, daß man so etwas durch "Probieren" herauskriegen könne, ihnen die Früchte also hinlegen müsse, und ein Mädchen bedenkt, daß "die Tiere dann schon wissen, was sie fressen dürfen, wie ein Arzt."

Pierre: "Ich möchte wissen, warum sie kein Wasser brauchen." - "Sie speichern das Wasser." - "Sie speichern das wie Kamele." - "Vielleicht speichern sie das in ihren Backen." -"Sie brauchen überhaupt so wenig Wasser." - "Sie leben ja in der Wüste." -"Wenn sie hier Gurke kriegen, brauchen sie auch nicht so viel Wasser."

Thomas fragt, wie sie die Körner aus Spänen oder Heu herausfinden, und erhält als Antworten: "Sie buddeln, bis sie welche finden." - "Sie riechen die Körner." -"Sie wühlen so lange, bis sie sie haben."

Des weiteren wird der Frage nachgegangen, warum die Mäuse so wenig stinken, und der Grund vor allem darin gesehen, daß, weil sie so wenig trinken, "sie auch so wenig pinkeln müssen".

Nun bittet die Pädagogin die Kinder, zu Fragen zum Schlafen der Mäuse überzugehen. Kerstin: "Warum schlafen sie in einem Haufen?" -"Weil es gemütlich ist." - "Weil sie dann nicht so doll frieren." - "Weil sie sich dann gegenseitig beschützen können." "Ja, und wenn sie zulange allein sind,

können sie ihren Duft verlieren."

"Können wir denn die 4 Mäuse, die wir von unseren anfangs 8 Mäusen an die Klasse 2b abgegeben haben, wieder mit unseren 4 Mäusen zusammensetzen?" fragt die Pädagogin. Die Antworten: "Sie waren eine Gruppe, nun haben sie den gemeinsamen Geruch verloren und merken nicht mehr, daß sie zusammengehören." - "Darf man also eine Maus allein halten?" -Anja: "Nein, nur zu zweit wegen des Geruchs." - "Und weil sie sonst auch so alleine sind und frieren!"

Die Pädagogin hat inzwischen Redebeiträge der Kinder bestätigt, sie durch Nachfragen zum Vertiefen oder Ergänzen herausgefordert und gibt ihnen nun Gelegenheit, sich die Tiere wieder genau anzusehen. Dann folgen die Fragen nach der Farbe der Augen: "Warum haben die grauen Mäuse rote Augen?" - "Und warum die schwarzen Mäuse schwarze Augen?" Unter den Antworten bekomme ich mit, daß das eben von Geburt an verschieden sei und daß sie sich so wohl auch besser erkennen könnten. Von der Pädagogin animiert, schauen sich die Kinder gegenseitig in die Augen und stellen fest: blau, grau, braun und grün, wobei einige Kinder sogar noch "hexengrün" und "katzengrün" als verschiedene Grüns auszumachen meinen.

In dieser 30-minütigen Unterrichtsphase haben die Kinder auf der Grundlage eigener Beobachtungen und Vorstellungsbildung in einer für ein 2. Schuljahr gründlichen Weise in überwiegend treffender, ungezwungener Sprache aktiv und diszipliniert ein naturkundliches Gespräch geführt. Danach fordert die Pädagogin sie auf, nun aufzuschreiben, "was ihr heute erfahren habt." Die Kinder gehen an ihre Tische und beginnen, sich miteinander unterhaltend über das, was sie schreiben wollen, neue kurze oder etwas längere Texte in ihre Mäusehefte zu schreiben. Wer meint, etwas zur Sache geschrieben zu haben, begibt sich zur Pädagogin, um es von ihr durchsehen zu lassen und ein Wort über das Geschriebene mit ihr zu wechseln.

Die Kinder der "Mäusedienstgruppe" lassen die Mäuse ein wenig auf Händen, Armen und Tisch umherlaufen und erzählen mir, daß sie ihnen Äpfel, Wurzeln und Salat mitgebracht haben, weil sie das gern fressen. Als ich sie frage, was am schönsten sei, antworten sie: "Die Mäuse anfassen und streicheln."

Demnächst soll das Gespräch weitergehen. Ich bedauere, nicht dabei sein zu können, denn gern gehört hätte ich die Gedanken der Kinder zum Beispiel zu Neles Frage: "Was die Mäuse wohl immer so denken?" und zu Ulrikes Frage: "Wie regeln sie Probleme, und wie reden sie?"

Beispiel 6: Klassenvorhaben "IRA"

(in der Integrationsklasse 2 der Schule Neubergerweg in Hamburg)

Die Klasse steht kurz vor dem Übergang in die Klasse 3 und wird besucht von 11 nicht behinderten Kinder (4- 5 Kinder mehr wären möglich) und von 4 behinderten Kindern: eines sehbehindert, eines lernbehindert, eines geistig behindert und eines mit multicerebraler Dysfunktion. Die Klasse wird geleitet von Frau Sabine Maier, die mit einer Erzieherin und stundenweise init einer Sonderpädagogin zusammenarbeitet.

1.1 In der Erzählrunde des Morgenkreises berichten die Kinder, welche Tiere bei ihnen wohnen. Nach Anhören einiger Berichte und nach einem Austausch von Meinungen beschließt man, Lars (geistig behindert) zu Haus zu besuchen und dort den Hund der Familie, Ira, näher kennenzulernen. (Anstoß zu gemeinsamem Klassenvorhaben)

1.2 "Wenn wir Ira näher kennenlernen wollen, sollten wir überlegen,was wir über ihn wissen wollen." - in der Gesamtgruppe werden Beispiele genannt, auf was man bei Ira achten und was man die Mutter von Lars fragen könnte. Dann werden Gruppen von je 3-4 Kindern gebildet, in denen die Kinder ihre Fragen besprechen und aufschreiben: Was frißt er? - Bellt er, wenn er einen Dieb hört? - Welche Krankheiten kann er bekommen? ... Die beiden Pädagoginnen gehen von Gruppe zu Gruppe und beraten die Kinder. Die behinderten Kinder sind auf die Gruppen verteilt. Wo erforderlich, werden sie von Mitschülern gefragt: Susanne, was möchtest du über Ira wissen? - Dort, wo ein Kind noch nicht gut genug schreiben kann, diktiert es seine Fragen einem anderen Kind.

Die Fragen werden gesammelt, und die Pädagogin schreibt sie in großer Druckschrift auf und stellt sie am nächsten Tag als Wandzeitung aus. Während der Anlaufzeit am Morgen und während der Freiarbeit sieht man manches Kind dort lesend vor dem Aushang stehen. Auch gemeinsam wird der Fragenkatalog noch einmal vorgelesen. Alle sind etwas stolz auf das, was sie geleistet haben, und sind gespannt auf den Besuchstag. (Gemeinsame Vorbereitungsphase)

1.3 Bei Lars angekommen, lernen die Kinder Lars' Mutter, seinen Opa und seinen Bruder kennen, schauen sich in allen Räumen um und spielen dann miteinander. Nach dem Frühstück setzen sie sich im Kreis auf den Fußboden: In ihre Mitte wird Ira, der große Rottweiler, geführt. Sie beobachten und bestaunen ihn, und alle fassen ihn einmal an - wozu einige ihre Angst erst überwinden müssen, denn Ira reißt auch einmal sein Maul sehr weit auf und zeigt sein großes kräftiges Gebiß. Die Fragen werden dann vorgelesen und von der Mutter oder von Lars selbst beantwortet. Lars tut es sichtlich wohl, heute die Hauptperson zu sein. Die Pädagoginnen haben so gut wie nichts zu tun. (Gemeinsame Erlebnis- und Erfahrungsphase)

1.4 Nachdem am nächsten Tag die Beobachtungen der Kinder und die Antworten auf ihre Fragen in einem Klassengespräch noch einmal vergegenwärtigt worden sind, gehen die Kinder an die Verarbeitung des Erfahrenen. Die einen schreiben Ira-Geschichten, andere schaffen einen Satz, 3 Kinder schreiben nur Iras Namen, und Lars schreibt die von der Pädagogin vorgepunkteten Buchstaben I R A nach. Nach der Korrektur werden die kleinen Sprachwerke am nächsten Tag noch einmal in Reinschrift geschrieben. (Phase individueller Verarbeitung)

1.5 Nun werden die Reinschrift-Texte noch in einer Klassenmappe zusammengefaßt, die demnächst auf einem Elternabend verlesen und gezeigt werden soll. (Phase der Veröffentlichung und Würdigung)

2. An diesem Unterrichtsbeispiel lassen sich einige Prinzipien darstellen, auf die pädagogische Bemühung gerichtet sein sollte:

2.1 Die Kinder konnten sich an der Thernenfindung beteiligen, ihre Fragen stellen, in Lars' Wohnung ihren Interessen nachgehen und ihre Beobachtungen machen, am nächsten Tag ihre Erinnerungen an das Erlebte ausdrücken und schreibend ihre Lösungen bringen. Sie sind mit einem relativ hohen Grad an Selbststeuerung des Lernens zum Zuge gekommen: wahrnehmend, empfindend, Vorstellungen bildend, sich auf Mitmenschen einstellend und jeder die ihm erreichbare optimale Leistung gebend - ein Unterricht, in dem die Kinder als Subjekte ihres Lernens alle ihre Lernmöglicbkeiten nutzen konnten.

2.2 Die individuellen mündlichen und schriftlichen Beiträge der Kinder wurden bei dieser Unterrichtsform eingebracht als Teile einer gemeinsam gewollten und geplanten Unternehmung - bedeutsam als Antrieb für Interesse und Engagement; und ihre Beiträge wurden produziert im Austausch von Anregungen, Bestätigungen, Einwendungen usw. und unter Hilfe von Mitschülerinnen und Mitschülern.

Zum einen profitierte so schulisches Lernen und Leisten von den sozialen Bezügen, in die es eingebunden war. Zum anderen konnten sich in solchem Austausch und solcher Kooperation wechselseitige Beziehungen zwischen den Kindern entwickeln oder - anders ausgedrückt: Diese Unterrichtssituationen wirkten "integrierend".

"Erziehung zum Miteinander", "Sozialerziehung" oder "Integration" sind also nicht etwas, was man dem "Eigentlichen" schulischen Lernens als einen weiteren Bereich hinzufügt; nein: Ein Unterricht, der in seinen Formen kontinuierlich auf Herausforderungen angelegt ist, so daß Kinder gemeinsamen Zielen sich unterordnend, mitbestimmend, kommunizierend, zusammenarbeitend, helfend tätig sind, ist selbst das Feld, auf dem sie im täglichen Miteinander soziale Fähigkeiten und Haltungen entwickeln und soziale Beziehungen knüpfen.

2.3 Mit Ira und mit Lars' Zuhause ging es um einen Inhalt objektiv bedeutsamer Umwelt, der für die Kinder auch subjektiv bedeutsam war. Auch enthielt das Beispiel einfache Lemformen des Lebens, die Kindern gemäß sind: hingehen und angucken, was sie kennenlernen möchten - sich erkundigen in Form von Fragen nach dem, was sie wirklich wissen wollen - und dann das Neue, das sie erfüllt, den anderen berichten - das sind Formen eines lebensbezogenen und erfahrungsoffenen Grundschulunterrichts mit Förderungsintensität. Auf diese Weise erhalten Kinder die Chance, mit innerer Beteiligung suchend, entdeckend, sich auseinandersetzend und produzierend an nützlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zuzunehmen, also erfolgreich zu lernen.

Gemeinsame Arbeitsvorhaben wie das Beispiel, in denen die Kinder am "gemeinsamen Gegenstand" bei unterschiedlicher Leistungsforderung und Hilfe miteinander wirksam lernen und zueinander finden, müßten in der Grundschule zentrale Unterrichtsform sein.

Beispiel 7: Morgenkreis und Körper-Lernwerkstatt

(Besuch in der Klasse 3 der Schule Beim Pachthof in Hamburg bei Frau Gudrun Maaser am 2.3.93)

Um 8.50 Uhr sind die Kinder im Morgenkreis vom im Klassenraum um ihre Pädagogin versammelt. Sie stellen fest, wer fehlt, und melden ihre Beiträge an. Sven hat die "Leitung": Er ruft die Sprecher auf und sorgt dafür, daß die Gesprächsregeln eingehalten werden.

Zunächst lesen die Kinder Rätsel und einige selbstgeschriebene Geschichten vor und berichten dann aus ihrer Welt: von der Oma, die durch einen Tropf ernährt wird; von der Oma, die Krebs hat; vom Bruder, der wegen Thrombose vielleicht sterben kann, von Entzündungen und geschienten Beinen, von Unfällen, aufgebrochenen Autos, von der nach Knoblauch riechenden Tante, von Fröschen, Katzen und einem unerlaubten Telefonat, von der Last, eine Zahnklammer zu tragen, und: "Heute ist mein Vater zurückgekommen!"

Fast alle Kinder kamen lesend, berichtend oder nachfragend zum Zuge. Alle hörten ruhig und konzentriert zu. Wo erforderlich, gab die Pädagogin Erläuterungen, fragte zwecks Klärung des Berichteten nach und hielt sich im übrigen zurück. Der Morgenkreis entsprach als Begegnungsstätte dem Bedürfnis der Kinder, sich über ihnen Bedeutsames der Gemeinschaft mitzuteilen.

Um 9.15 Uhr gehen die Kinder - leise miteinander sprechend - an ihre Wochenplanarbeit, die heute wieder der Körper-Lernwerkstatt gilt. In ihr sind 24 Aufträge gemäß den an der Tafel hängenden Weisungen nach Wahl zu bearbeiten. Sven erklärt mir, wie er hier den Auftrag Nr. 19: "Baue einen Würfel aus einem Stück Papier" auswählte und daß es für jeden Auftrag einen "Chef" oder eine "Chefin" gibt, die man um Rat fragen kann und die man nach dem Beenden der Arbeit ruft, damit sie nachsehen, ob man alles richtig hat.

Ausgewählt werden als Chefin oder Chef von der Pädagogin diejenigen Kinder, die als erste die jeweilige Aufgabe selbständig und vollständig gelöst haben und somit Gewähr bieten, daß sie helfen und prüfen können. Alle Kinder der Masse übernehmen diese Expertenrolle, nehmen sie ernst und beraten ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, ohne (im Regelfall) Fehler zu übersehen.

Was der heutigen Arbeit in den letzten Wochen vorausgegangen ist, ist an den im Klassenraum veröffentlichten Arbeiten zu erkennen:

Grundformen geometrischer Flächen in der Umwelt suchen

An der Pinnwand hängen Bögen, auf denen die Kinder - dafür in Gruppen zu einer kleinen Exkursion ausgesandt - einigen geometrischen Formen schriftlich Gegenstände zugeordnet haben, die sie in der Umwelt gefunden haben: Unter Dreieck sehen wir zum Beispiel das Wort: Verkehrszeichen; unter Quadrat: Fenster; unter Rechteck: Tür; unter Kreis, Autoreifen.

Nach einem Einführungsgespräch "Was sind Körper?", bei dem die Grundformen - Würfel, Quader, Zylinder, Kegel, Pyramide, Prisma, Kugel - gezeigt und benannt wurden, erhielten die Kinder mehrere Aufgaben, welche sie herausforderten, sich auf einfache und leistbare Weise mit den Eigenschaften der Körper zu befassen:

Körperformen erkennen und benennen

  • Unter verschiedenen in unterschiedlicher Größe aufgezeichneten Körpern die gleichförmigen herausfinden und sammeln.

  • Aufgezeichnete Gegenstände wie Bälle, Zelt, Schuhkarton, Turmdach, Eistüte, Brühwürfel oder Teigrolle in einer Tabelle unter Würfel, Quader, Zylinder, Kegel, Pyramide oder Kugel einordnen.

  • Suche diese Körper (Quader, Kegel, Kugel, Pyramide, Prisma, Würfel, Zylinder) in der Umgebung. (Tobi zum Beispiel hat dabei 135 Zylinder im Klassenraum entdeckt und gezählt!)

  • Die Kantenlänge von Körpern vergleichen.

  • Die Ecken-, Kanten- und Flächenzahl von Körpern bestimmen.

  • Suche in deiner Umgebung Körper, die rollen oder kippen oder beides können.

  • Das "Körperschnappspiel" spielen: ein Würfelspiel mit einem Würfel, dessen Flächen 6 Körperschemen - Kugel, Zylinder, Pyramide, Kegel, Quader, Würfel - zeigen, sowie sehr vielen Karten mit Bildern realer Gegenstände. Diese Karten, die alle sichtbar ausliegen, müssen die Kinder dann - der Würfelanzeige entsprechend - rasch und richtig "schnappen".

Würfel, Quader, Prismen, Pyramiden, Kegel und Zylinder bauen

Auf dem Ausstellungstisch zeigt mir Nina die bereits reichhaltige Sammlung geometrischer Körper, welche die Kinder gebaut haben: aus Plastikhalmen und Knete gebaute Prismen, Würfel, Quader und Pyramiden. Dem Auftrag "Baue ein Kantenmodell" entsprechend, haben die Kinder sie nach an der Stellwand hängenden Zeichnungen gefertigt, die Formen also - die eigene Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Handlungskraft anspannend -aus der (gezeichneten) Fläche in die konkrete räumliche Konstruktion übertragen, eine Produktionsleistung, die mit dem Erkennen und Verinnerlichen der Struktur der geometrischen Körper einhergeht und somit bestmögliches Lernen ist.

Aus Papier Kegel, Pyramiden, Zylinder und Würfel bauen

Aus Papier haben die Kinder Kegel, Pyramiden und Zylinder und aus einem Stück Papier (Nina: "Das ist schwer!") einen Würfel gebaut und damit ihre räumlichen Vorstellungen erweitert und differenziert.

Im heutigen Unterricht von 9.15 - 11.15 Uhr (mit einer "offenen Pause" dazwischen, in der einige Kinder auf den Hof gehen, andere im Klassenraum kommunizieren, frühstücken, auch einmal kurz rangeln oder gelassen weiterarbeiten) sehe ich die Kinder an folgenden Arbeiten:

Mit blauen Figuren hantieren

Christopher und Tobias spielen und arbeiten auf dem Fußboden (auch in der Pause) mit 8 relativ großen, sehr schön gearbeiteten und daher reizvollen blauen Körpern (Montessori-Material). Sie zählen und ordnen sie und probieren: Welcher kann rollen, welcher kann kippen? Unentwegt hantieren sie mit diesen Körpern. Sie prüfen auch, auf welche der zum Material gehörenden Grundflächentäfelchen die Körper passen. Um 11 Uhr gehen sie an eine andere Arbeit.

Mit großen farbigen Würfeln Figuren legen

Nina legt nach einer Vorlage mit großen Würfeln Figuren auf der Tischplatte. Jeder Würfel hat blaue, gelbe und rote, einander gegenüberliegende Flächen. Sehr genau muß sie die Zeichnung ansehen, um die Würfel in der von ihr zu legenden Figur so plazieren zu können, daß jeweils alle Seiten eines Würfels der Zeichnung entsprechen. Über eine Stunde bleibt sie bei dieser Arbeit.

Aus kleinen farbigen Würfeln komplizierte Bauwerke errichten

Stefanie, ein in sich gekehrtes Mädchen, baut konzentriert kleine farbige Würfel ("centicubes") zu sehr komplizierten Bauwerken zusammen, die auf Musterblättern vorgezeichnet sind und aus einer Vielzahl von Würfeln bestehen. Um die Figuren adäquat bauen zu können, muß sie nacheinander die Lage jedes der Würfel auf der Zeichnung erfaßt haben und sie an die jeweils richtige Stelle ihrer realen Würfelbauten übertragen. In 1 1/2 Stunden ab und an bei ihr vorbeikommend, sehe ich sie jedes Mal mit gleichbleibender Ausdauer ruhig konzentriert immer kompliziertere Bauten konstruieren, bis sie nach der 8. Figur zu einer Spracharbeit übergeht.

Eigenschaften von 7 Plastik-Körpern erkennen

Giti arbeitet anhand der durchsichtigen Plastikkörper: Würfel - Quader -Kugel - Pyramide - Kegel - Zylinder - Prisma zunächst an der Beantwortung der Fragen: Wieviel Ecken? Wieviel Kanten? Wieviel Flächen haben diese Körper? Sie nimmt dazu jeweils einen der Körper in die Hand und betrachtet ihn konzentriert. Indem sie jeweils erfassen muß, wo dieser Körper seine Ecken, Kanten und Flächen hat und indem sie diese betastend zählt, kommt sie der Eigenart des Aufbaus des jeweiligen Körpers und damit zugleich den charakteristischen Unterschieden der 7 geometrischen Figuren ein Stückchen näher. Reichlich hat sie mit der Bearbeitung dieser Aufgaben zu tun und bespricht sich darüber hin und wieder mit ihrer Nachbarin Catrin. Ich glaube zu erkennen, daß ihr das Erfassen und Eintragen der Körpermerkmale zunehmend leichter fällt. Zu ihrem Auftrag gehört dann noch - mit Hilfe eines vorgeschriebenen Textes, in den mehrere relevante Begriffe nicht eingetragen sind - zu beschreiben, aus welchen Flächen die 7 Körper bestehen.

Würfelnetze " im Kopf " zu würfeln machen

Catrin hat ein Blatt vor sich, auf dem verschiedene Würfelnetze aufgezeichnet sind. jeweils eine Ecke oder eine Kante des Netzes ist markiert und soll in der dem Würfelnetz zugeordneten Würfelzeichnung gefunden und markiert werden. Als ich frage, was sie da macht, antwortet sie: "Aus diesen 6 Flächen setze ich einen Würfel zusammen." Als ich weiter frage: "Wie das?", sagt sie: "In meinem Kopf." Anstatt also (wie bei von ihr in den Vortagen gelösten Aufgaben) wahrnehmend und hantierend die Eigenschaften der Körper zu erfassen, setzt sie jetzt die auf den Zeichnungen jeweils anders angeordneten Flächen in ihrer Vorstellung zur Würfelfigur zusammen.

Dieses von der Zeichnung und vom Dinglichen sich lösen müssende und - bei immer wieder anderen Würfelnetzen - häufig wiederholte, aber variierte vorgestellte Zusammensetzen der Würfelflächen zum Würfel (und umgekehrt auch Abbauen des Würfels zu Würfelflächen) spannt kontinuierlich die Kräfte geometrischen Denkens an und bietet damit wiederum eine Chance, die räumliche Struktur des Würfels geistig zu erfassen - bestmögliche Grundlegung mathematischen Lernens.

Erst um 11 Uhr gehen Giti und Catrin dazu über, Streichholzschachtel-Konstruktionen in Partnerarbeit herzustellen und zu besprechen.

Aus Streichholzschachteln Körper bauen und die Baupläne zeichnen

Rolf hat mehrere von ihm gesammelte Streichholzschachteln vor sich liegen und ist dabei, die dazu in einem Arbeitsblatt vorgefundenen Aufträge zu erfüllen. So muß er - unter anderem - auf unterschiedlichen auf dem Blatt vorgefundenen Streichholzschachtel-Netzen die jeweils einander gegenüberliegenden Flächen identifizieren. Das geht nur, indem er seine Vorstellung aktiviert, welche der einzelnen Flächen des Netzes mit welchen Flächen der Schachtel übereinstimmen. Es wird von ihm also eine nicht geringe räumliche Abstraktionsleistung gefordert. Mit einer für einen Drittkläßler erstaunlichen Ausdauer unterzieht er sich diesen Aufgaben. Später sehe ich ihn aus zwei, drei und vier Streichholzschachteln, die er jeweils unterschiedlich aneinanderlegt, kleine Quader bauen, die er mit den auf einem Arbeitsblatt verzeichneten Bauplänen vergleicht, um sie dem jeweils übereinstimmenden zuzuordnen.

Nach 80 Minuten Arbeit an den Schachteln sehe ich ihn die von ihm durch Aneinanderlegen der Schachteln konstruierten Quader zeichnen und dann zusammen mit Saskia beurteilen, ob die Lagebeziehungen der Einzelteile seiner Quader in den Bauplänen richtig gezeichnet wurden. - Auch Christopher und Tobias zeichnen jetzt gemeinsam aus dem Kopf Streichholzschachtel-Konstruktionen, die anschließend von André sachverständig auf Richtigkeit begutachtet werden.

Weitere Arbeiten im heutigen Werkstattunterricht

  • André holt sich ein Puzzle, das wegen ereignisreicher Bilder sehr begehrt ist, und arbeitet interessiert daran.

  • Ein Junge baut aus Polydronteilen Ecklinge mit 7, 9 und 11 Ecken.

  • Ein Junge liest in Ruhe in einem Fische-Buch, ehe er nach längerem Lesen zum Ausfüllen einer Tabelle "Körper-Merkmale" übergeht.

  • Rolf geht - nach 90-minütigem Arbeiten an Streichholzschachtel-Konstruktionen - zum Sachrechnen über: Einkaufen von Schreibwaren.

  • Kevin (aus Ghana) ist bemüht, mit Hilfe von Kristin einen Dialog "Ein Würfel und ein Kegel unterhalten sich" zu schreiben, wobei ihm Kristin ziemlich strikte Anweisungen und Korrekturen gibt.

  • Zwei Kinder schreiben Wörter auf, in denen eine "Ecke" versteckt ist: Wecker, Schnecke, Flecken, Decke - jeder hat nach einiger Zeit davon etwa 25 Wörter. - Lars, der an dergleichen Aufgabe arbeitet, möchte bei 16 Wörtern aufhören - Mindestzahl war 15 -, jedoch äußert die Pädagogin die Erwartung, daß er weitermacht. Die Klasse ist schon bei insgesamt 40 Wörtern. (Die beiden letztgenannten Aufgaben zeigen uns die Intention, im Werkstattunterricht nach Möglichkeit Fächertrennungen -hier zwischen Mathematik und Deutsch - aufzuheben.)

Nachdem die Kinder etwa 2 Stunden hindurch bei intensiver Einzelberatung in der Körper-Lernwerkstatt gearbeitet haben, trifft die Klasse sich wieder im Kreis, um weitere Vorhaben zu besprechen. Unter anderem wird geplant, in der nächsten Zeit Verpackungen zu sammeln, damit die Klasse daraus eine "Geo-Stadt" bauen kann.

Resümee

Das "Eigentliche" dieses Unterrichts in der Grundschulklasse 3 bei Frau Gudrun Maaser kann ich nur versuchen durch Benennen der nür auffälligsten Merkmale zu beschreiben:

  • Der nicht seltenen Unterrichtsfehlform, mit Kindern ein bißchen dieses oder jenes zu betreiben, wurde in dieser Grundschulklasse massiv gegengesteuert, indem von den Kindern erwartet wurde, sich 2 Stunden hindurch mit Mathematik zu befassen.

  • Die Kinder entsprachen diesem Anspruch mit in der Regel selbstverständlicher Ausdauer, in einem spannungsfreien und bei Bedarf auf Austausch gerichteten Miteinander, durch sowohl gelassenes als auch konzentriertes Arbeiten und mit erkennbarem Lerngewinn.

Diese Qualität führe ich auf folgende Bedingungen zurück:

  • Erziehungsarbeit und Unterrichtsstrukturen, die auf ein friedliches und kooperatives Miteinander als Voraussetzung gedeihlicher Person- und Lernentwicklung der Kinder zielen.

  • Arbeit in Unterrichtsschwerpunkten (hier Körper-Lernwerkstatt), die ein zusammenhängendes, länger andauerndes und konzentriertes Lernen als Bedingung intensiven Lernens möglich machen; so wird es durch Gewöhnung zum "Stil", bei einer Sache zu bleiben.

  • Einbeziehen von Umwelterfahrungen in den Mathematikunterricht.

  • Mathematikunterricht mit vielen Möglichkeiten, wahrnehmend, hantierend, probierend, produzierend und kontrollierend an unterschiedlichen Materialien mit den Lerngegenständen umzugehen, also das zu tun, was man "Mathematik zum Anfassen" genannt hat.

  • Kein vorschnelles Abfordern eines von den Kindern nicht zu leistenden mathematischen Denkens (mit Verhinderung eigenen Suchens und Findens mathematischer Gegebenheiten und dem Ergebnis schablonenhaften Umgangs mit der Sache), sondern Herausforderungen, aus dem Wahrnehmen, Probieren und Produzieren heraus eigene Vorstellungen zur Sache zu bilden und sich ihr denkend zu nähern.

  • Durch die Betonung handelnden Umgangs mit konkreten Körpern wird eine positive Einstellung zur Mathematik entwickelt - unabhängig davon, welche Lernvoraussetzungen die einzelnen Kinder dafür mitgebracht haben und ob sie Mädchen oder jungen sind.

  • Das Konzept praktikabler Selbstdifferenzierung der Kinder innerhalb eines klar definierten und überschaubaren Aufgaben-Rahmens.

  • Wechselseitige Beratung und Überprüfung durch die Lernenden.

  • Intensive und einfühlsame individuelle Lernberatung durch eine den Kindern nahe Pädagogin.

Beispiel 8: Schüler sorgen für Schüler

(Besuch in der Klasse 4 (Frau Jensen) der Grundschule Horn in Hamburg, in der heute, am 18.6.93 von 10.10 - 10.55 Uhr, der Schulleiter, Herr Kühl, mit den Kindern spricht)

Herr Kühl (Kü): "Ihr wollt dafür sorgen, hörte ich, daß die Kinder, die nach eurem Weggang aus der Grundschule hier einziehen sollen, einen schönen Klassenraum bekommen und gut empfangen werden?"

Kinder: "Ja, wir haben zwei Regale weiß gestrichen und dann schön mit Blumen und Tieren bemalt. - Wir haben angefangen, eine Lese-Ecke und eine Spiel-Ecke für sie einzurichten. Auf den Bildern machen Kinder Rolle oder Handstand. - Das Podest für die Bau-Ecke haben wir auch gestrichen. - Wir haben für sie auch einen Geburtstagsstuhl bemalt. - Auf dem darf immer das Geburtstagskind sitzen."

Kü: "Was ist noch zu tun, damit sich die Kinder hier wofühlen?"

Kinder: "Sie brauchen kleinere Tische und Stühle! Sie müßten eine Tanz-Ecke bekommen, weil es solchen Spaß bringt zu tanzen! Vielleicht freuen sie sich über ein Lesespiel. Vielleicht müssen wir Namenkarten für sie schreiben? Und sie brauchen eine Tafel zum Malen für die Pause, eine Eßecke, einen Geburtstagstisch, eine Malecke und Spielsachen für die Pause. Und eine Bastelecke."

Kü: "Was könntet ihr denn heute für sie tun? Und wie könnten wir rauskriegen, was sie sich wünschen?"

Kind: "Die Kinder selber fragen."

Kü: "Ja, ich habe sie schon gefragt: Sie möchten etwas vorgelesen bekommen!"

Kinder: "Oder wir stellen ihnen Bücher für die Freiarbeit hin. -Jeder von uns sucht sich einen Text aus für sie."

Frau Jensen: "Mir haben sie erzählt, daß sie gerne von euch eingeladen werden würden."

Kind: "Da müssen wir ihnen eine Einladung schreiben."

Kü: "Und sie wünschen sich, daß ihr etwas für sie bastelt!"

Kinder: "Einen Würfel, einen Hasen zum Laufen..."

Kü: "Könntet ihr ihnen nicht auch die kaputten Spiele reparieren für die Spielecke?"

10.35 Uhr: Den während des Gesprächs jeweils durch ein Stichwort an der Wandtafel vermerkten Aufgaben (Namensschilder - Vorlesen - Einladung - Spielereparatur - ...) ordnen sich die Kinder zu und beginnen nach kurzer Arbeitsbesprechung mit der Einzelarbeit: Die meisten holen sich Pappen und einen Namen der Erstkläßler, um ein Namensschild herzustellen. Einige gehen ans Reparieren und Säubern der Spielesammlung; andere schreiben Einladungen. 4 Jungen haben sich mit Kinderbüchern in eine Sitzecke auf dem Flur zurückgezogen, um Vorlesetexte auszusuchen und zu üben. Christoph will die "Bremer Stadtmusikanten" und "Hase und Elefant" nehmen, vielleicht auch "Lilofee", "weil das schön für Kinder ist". Michael sucht aus "Was ich von meinen Tanten zum Geburtstag bekam", "weil das witzig ist", oder "Morgen früh um sechs kommt die kleine Hex","weil das kurz ist und leicht zu verstehen". Richard und Stephan hören sich wechselseitig ihre ausgesuchten Texte ab. Sie sagen mir, daß vielleicht für die Kleinen auch noch Abzählverse in Frage kommen.

Die Klasse ist Werkstatt: Da wird gefaltet, geklebt, geschrieben, verziert, einander gezeigt, kritisiert und verbessert. - Stolz lesen mir die Mädchen die Einladungen vor: "Liebe Kinder!!! Wir laden Euch herzlich in unsere Klasse ein. Wir können spielen und feiern und wir können Euch die Klasse zeigen. Die Klasse 4a".

Beispiel 9: Freie Bewegungsaktivitäten

(Besuch in der Integrationsklasse 4 (20 Kinder) der Schule Nettelnburg in Hamburg bei Frau Goldbach, Frau Wibrow und Frau Heitmann am 7.12.89 von ca. 10.00 - 10.40 Uhr)

Nach dem Umziehen vergnügen sich in der Turnhalle die Kinder einzeln oder zu mehreren auf das herrlichste in den verschiedensten Bewegungsaktivitäten an den für alle Klasse in der Schule aufgebauten oder bereitgestellten Geräten:

Viele Kinder klettern auf der Leiter zu einem hohen künstlichen Hügel hinauf, tummeln sich auf dem Gipfel und rutschen dann die große, aus Weichboden gebildete schiefe Ebene hinunter. - In einem umgekehrt auf ein Rollbrett gelegten Kasten wird ein Kind von Sophie mit großer Geschwindigkeit durch die Halle gezogen und jeweils vor einem Hindernis mit Kraft gebremst, was Augenmaß und Steuerungsfähigkeit erfordert (und dadurch fördert). - In der an Ringen hängenden großen Mattenschaukel lassen sich zwei Kinder genüßlich von anderen Kindern mit starkem Schwung hin und her schwingen. - Mehrere benutzen immer wieder verschiedene Pedalos - mit großer Lust an der Bewegung, wie man sie bei so gut wie allen Kindern spürt - nur einjunge hat sich in einem Kasten am Rande der Halle versteckt und versucht, sich vorbeilaufenden Kindern bemerkbar zu machen, indem er an einer Leine zieht, die er in das Lauffeld der Halle geworfen hat. Ein Mädchen hängt etwas herum; wie ich später höre, hat das zu respektierende Gründe; ohnehin aber ist es hier Prinzip, die Kinder frei das machen zu lassen, was sie wollen. Nur hin und wieder sieht man einmal, daß eine der Pädagoginnen ein Kind zu einer bestimmten Tätigkeit anregt oder etwas mit ihm übt.

Einige Kinder, darunter zwei Mädchen mit Könnerschaft und Eleganz, springen bewundernswert ausdauernd immer wieder über den Bock - bis zu einer Höhe von 1,25 m! Nur damit nicht vielleicht doch etwas passiert, erhalten sie Hilfestellung von der Erzieherin. Immer wieder kommen Kinder auf einem Rollbrett oder zu mehreren auf einer Matte, die auf Rollbrettern liegt, mit rascher Geschwindigkeit in vielen Kurven durch die Halle gesaust.

Der Besucher freut sich, daß wieder eine Grundschule mehr sich darum gekümmert und die Mittel erhalten hat, den Kindern zu geben, was sie in ihrer Welt außerhalb der Schule immer weniger haben: Gelegenheit zu vielerlei lustvoller Bewegung, Körper- und Umwelterfahrung nach eigenem Willen. Daß hier die Kinder eigene körperliche Möglichkeiten und Grenzen immer wieder neu erleben, ausweiten und erproben können, ist als Ausgleich fehlender Bewegungserfahrung in der menschenschmälernden Verkehrslandschaft unserer Zeit zum einen ein unmittelbarer Beitrag der Grundschule zu körperlicher und psychischer Gesundheit, zum anderen: Ließe sich auf bessere Weise ein dauerhaftes, also zukünftige Lebensgesundheit bestimmendes Interesse an Bewegung und Körpererfahrung entwickeln?

Der Wunsch: daß nicht nur, wie in der beobachteten Klasse, einmal wöchentlich solche starken Bewegungsimpulse und -erfahrungen überall wirksam werden, sondern mehrfach. Es versteht sich, daß das neben gezielt angeleiteter Bewegungs-, Sport- und Spielförderung und neben vielem sonstigen Sich-Bewegen im Schulalltag nötig ist.

Beispiel 10: Schreibkonferenz

(Besuch in der Klasse 5 der Gottfried-Röhl-Grundschule in Berlin bei Frau Karin Babbe am 2.7.90 von 9.45 - 10.30 Uhr)

Die Kinder sind beim Schreiben an ihren Gruppentischen. Die Pädagogin geht von Tisch zu Tisch, beantwortet hier eine Frage, gibt dort einen Rat und wendet sich einigen Schülerinnen und Schülern intensiver zu. Da von den 28 Kindern der Klasse heute 4 fehlen, kann sie sich sorgfältiger als sonst um ihre sehr unterschiedlich befähigten Kinder, darunter 4 aus anderen Ländern, kümmern.

Einige Kinder arbeiten einzeln, andere in Kleingruppen. Conny erklärt: "Wir haben gemeinsam an der Wandtafel Adjektive gesammelt, die eine innere Eigenschaft von uns benennen, z.B. ‚unbekümmert', wenn einer sich wenig Sorgen macht, oder ‚ernsthaft', wenn einer mit großem Ernst bei der Sache ist. Über alle diese Wörter haben wir uns unterhalten und haben sie erklärt und dann aufgeschrieben. Und dann haben wir die Aufgabe bekommen, daß jeder sich selbst oder einen anderen beschreibt - mit Hilfe dieser Wörter, wenn er will."

Einige Kinder haben einige Sätze, andere schon zwei große Blätter voll geschrieben; drei Kinder vor mir lesen sich gegenseitig ihre Berichte vor und sprechen darüber. Joanna berichtet: "Wir machen ‚Schreibkonferenz'. Immer, wenn wir etwas geschrieben haben, lesen wir uns das vor, ob man das gut verstehen und was man verbessern kann. Auch die Rechtschreibung gucken wir uns gegenseitig durch."

Kinder, die ihre Berichte fertig und in ihrer Gruppe besprochen haben, arbeiten an den anderen Pflichtarbeiten des Wochenplans, zum Beispiel einen Abschnitt aus dem Geschichtsbuch schriftlich zusammenfassen oder erdkundliche Daten zu den Bundesländern zusammenstellen; einige sind schon an den Arbeitsvorhaben der Interessengruppen, zum Beispiel Sabine an einem Städteführer, zu dem jeder aus ihrer Gruppe eine knappe Beschreibung beisteuern muß; andere sind bei der Herstellung einer Landschaft auf 2 Tischen.

Lernstarke Kinder helfen Mitschülern ohne Überlegenheitsattitüde. Der Geräuschpegel ist niedrig. Bei hoher Arbeitsintensität ist die Gemütslage der Kinder gemischt aus Gelassenheit und Konzentration.

Nach Schluß der Selbständigkeitsphase setzen sich alle im Kreis zusammen. Von allen Arbeiten werden Beispiele vorgestellt und besprochen. Die Lehrerin wird sie noch mit nach Hause nehmen, korrigieren, und nach Ausfertigung der Reinschriften werden sie - alle, soweit die Autoren wollen - an der großen Pinnwand im Vorraum ausgestellt. Stolz zeigt mir Anita die vielen Arbeiten der Vorwoche. Der Klassenraum ist Lernlandschaft nicht nur durch die Lernmittelausstattung, sondern auch durch die ausgestellten Produkte der Kinder.

Gemütlich schlendern die Kinder dann in die große Pause auf das Schulgelände, gehen dort in Gruppen spazieren, klönen, bewegen sich auf dem angenehm weichen Boden - den Asphalt hat man weggerissen -, balancieren auf dem Schwebebalken, spielen Tischtennis oder sind in einer von Hainbuchen begrenzten Zone beim Schachspiel.

Beispiel 11: Projektgruppen der Klassen 2-4

(Besuch in der Fehrs-Schule in Itzehoe am 5.12.91)

Auf einem Rundgang durch die Schule treffen wir als erstes auf 8 Kinder, die sich unter der Leitung von Herrn Meinert zum Gitarrenbau um einen großen Tisch versammelt haben. Ein Junge begründet mir seine Mitarbeit in dieser Gruppe: "Man lernt was dazu".

In der Küche sind unter Leitung von Frau Kudicke 12 Kinder - sie haben aus Gründen der Hygiene Kopftücher umgebunden - dabei, Tomaten, Gurken und Paprika zu zerschneiden, Eier abzupellen und Mayonnaise mit Joghurt zu verrühren für köstliche Salate. Andere stellen gerade Milch für Milchreis auf den Herd. Allen Kindern sieht man an, wie interessiert und aufmerksam sie ihre Arbeit tun.

Im nächsten Raum bemühen sich 10 Kinder unter Anleitung einer Mutter, aus Baumzapfen, Moos, Borke und anderen Naturmaterialien plastische Bilder schöner Bäume herzustellen. Ein Mädchen erzählt mir, daß die Bilder erst in der Schule für alle ausgestellt werden und daß sie ihres dann ihrer Mutter schenken will.

Bei Frau Friedrichs sehen wir 10 Kinder zeichnend, schneidend, klebend und einander aufmerksam und ruhig bei der Arbeit zusehend beim Basteln von Laternen, die sie für ein Laternenfest brauchen.

Hammerschläge schallen uns aus dem nächsten Raum schon entgegen: Etwa 10 Kinder (darunter 4 aus der Integrationsklasse) lassen hier - das erfordert Präzision und Geduld - durch Einschlagen großer Mengen von Nägeln in kleine Bretter mit Frau Stössers Hilfe Quadrate, Dreiecke und Herzen entstehen und gewinnen durch diese Tätigkeit geometrische Grundkenntnisse (Nagelbrett-Geometrie).

Herr Melzer hat heute die Fußballgruppe zu einem Wettspiel in eine andere Schule begleitet (wo sie leider nicht gewonnen hat) und zeigt mir noch das große, sich über mehrere Tische erstreckende Stadtmodell, das er mit seiner Gruppe aus Pappe gebaut hat.

Frau Janowsky leitet die Häkelgruppe an, wobei nicht allein das Häkeln, sondern auch die gemeinsamen Gespräche bedeutsam sind.

Im Malkursus sind unter Anleitung von Frau Olias 10 Kinder fleißig beim Malen großer schöner farbiger Bilder von Wanderburschen.

Bei Frau Potten haben 12 Kinder die Weibnachtsgeschichte aus Pappe dargestellt und spielen dann, im Halbkreis um die Wandtafel versammelt, konzentriert ein heiteres Ratespiel.

Zum Abschluß besuchen wir die Setzerei und Druckerei, in der Kinder bei Frau Beuster Gelegenheit haben, eigene und übernommene Texte zu setzen und zu drucken, was ihrem Schriftspracherwerb (und der Entwicklung ihres ästhetischen Verständnisses) förderlich ist.

In allen Projektgruppen haben wir Kinder verschiedener Altersjahrgänge aus verschiedenen Klassen gesehen bei Arbeiten, die sie selbst gewählt hatten: beim produktiven, anwendungsbezogenen, oft kooperativen, die Kinder erfreuenden und somit wirksamen Lernen.

Beispiel 12: Friedensfest der Grundschule Horn in Hamburg (28.5.93)

Nachdem die Schule vor zwei Jahren ein Friedensfest gefeiert und sich vorgenommen hatte, das vielleicht Tradition werden zu lassen, begannen im Mai 93 wieder Vorbereitungen in den Klassen. "Was ist Frieden?" und "Was können wir selbst für den Frieden tun?" wurde überall zum Gesprächsthema, und die Kinder schrieben ihre Gedanken dazu auf. Freunde sein und nicht streiten. Eine Bitte erfüllen. Keine Blume zertreten. Den Tieren helfen. Trösten. Nie einem wehtun. Anderen Mut machen. Keine Waffen mehr herstellen. Keine Pistolen kaufen. Mit anderen teilen. Anderen helfen. Vertrauen haben.

Für das Friedensfest wurden Lieder gelernt, Gedichte gelesen, Bilder gemalt, ein großer Friedensbaum für das Treppenhaus gezeichnet.

Am Tag des Festes treffen sich alle 300 Kinder mit Lehrerinnen, Lehrern und eingeladenen Eltern zum gemeinsamen Singen, Vortragen der Gedanken zum Frieden, zu einer Schweigeminute, zum gemeinsamen Frühstück und zum Vorstellen des Friedensbaumes in der Aula.

Anschließend versammeln sich alle in großem Kreis auf dem Schulhof, wo Kinder ankündigen, was sie den anderen vortanzen wollen. Ebru: "Wir tanzen zum Lied ‚Heal the world', das heißt ‚Heile die Welt'." - Ramona: "Die Tanzformen sind selbst ausgedacht und beziehen sich auf den FRIEDEN." - Julia: "Wir können dafür sorgen, daß hier die Welt, unsere Schulwelt, heil bleibt, wenn wir aufeinander achtgeben, freundlich aufeinander zugehen, uns freundschaftlich berühren, Neue und Fremde freundlich begrüßen. Dies soll der Tanz euch sagen." - Bettina: "Der Tanz beginnt in kleinen Kreisen. Wundert euch nicht, wenn jeder Kreis etwas anderes tanzt. Das soll die Verschiedenheit der Kinder in unserer Schule deutlich machen."

Nach den Gruppentänzen bewegen sich alle Kinder und Erwachsenen zur Musik tanzend über den großen Platz in einem riesigen Kreis.

Wissend, wie tief aggressives Verhalten in Menschen verwurzelt sein kann, bedingt durch Faktoren, auf die unser Einfluß gering ist, und wie komplex der Prozeß, Friedensfähigkeit zu entwickeln, müssen wir die Möglichkeit, durch ein Friedensfest positive Verhaltensänderungen zu bewirken, nüchtern einschätzen. Ein Gespräch zwischen dem Grundschulleiter und mir ergab dennoch Übereinstimmung in drei Punkten:

  • Mit Sicherheit hätten sich nicht alle Klassen der Schule sowie auch die Lehrerkonferenz und der Elternrat ohne die Notwendigkeit der Festvorbereitung so eingehend mit der Thematik befaßt.

  • Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben die gemeinsamen Aktivitäten der ganzen Schule wie Singen, Schweigen, Sich-Anfassen, Tanzen unter dem gemeinsamen Motto "Frieden" zu einem stärkeren Sich-Identifizieren der Kinder und Erwachsenen mit ihrer Schule beigetragen.

  • Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Tatsache, daß die eigene Schule es für richtig hält, ein Fest des Friedens vorzubereiten und das Ziel friedlichen Verhaltens in vielerlei nicht alltäglichen Ausdrucksformen zu würdigen, von sehr vielen als ein Signal empfunden worden, daß dem Schaffen von Frieden ein hoher Rang in unserem Denken und Handeln zukommen muß.

Der Grundschule helfen

So gut wie überall sind Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter in Grundschulen verantwortungsbewußt und kompetent bemüht, trotz vieler Probleme dem Erziehungs- und Bildungsauftrag und den Heranwachsenden gerecht zu werden. Wird jedoch jene Qualität von Schule realisiert, die zur Zukunftssicherung der Kinder und unserer Gesellschaft dringlich ist? Nutzt unsere reiche Kultur- und Wirtschaftsnation die in der Grundschule liegenden Chancen in dem Maße, wie sie es müßte und könnte?

Schulkenner haben starke Veränderungen der Schülerschaft festgestellt: Neben erfreulicher Kräftigung der Selbstbestimmungsansprüche junger Menschen (denen wir mit feineren Methoden konstruktiv entsprechen müssen) gibt es zunehmende Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Sprach- und Verhaltensprobleme, geringe Konzentration, Belastbarkeit, Sozialfähigkeit sowie große Unsicherheiten, Ichbezogenheit und Konsum-Mentalität relativ vieler Kinder. Manches Kind spricht kein Wort oder nur wenige Worte Deutsch. Es gibt viele Grundschulklassen, in denen es den Lehrerinnen und Lehrern trotz kompetenter Bemühung nicht gelingen kann, bei zu geringer Lernzeit und zu hohen Schülerzahlen die optimale Förderung jedes einzelnen Kindes und die Erziehung zum Miteinander zu leisten.

Die Grundschulwirkung auf Kinder bleibt hinter dem Notwendigen zurück, weil Parteien, Parlamente und Regierende nicht Schritt hielten mit den Notwendigkeiten, die sich aus den gewandelten Bedingungen des Aufwachsens der Kinder heute und aus den Zukunftserfordernissen ergeben. Der Grundschule wird unzureichend geholfen, ihre umfassender, anspruchsvoller und bedeutsamer als ehedem gewordene Arbeit zu tun. Es ist nicht nur dringlich, daß Grundschullehrerinnen und -lehrer ihr Bestes tun, um den Kindern mit weiterentwickelten Konzepten und Praktiken gerecht zu werden; es ist gleichermaßen dringlich, daß Bildungspolitik der grundlegenden Schulstufe die notwendigen Hilfen verschafft.

Die Öffentlichkeit, die die Politiker aufzufordern hätte, und diese selbst müßten besser als bisher erkennen:

  • Damit die Grundschule umfassende Grundbildung für alle Kinder realisieren kann, muß sie heute eine die Defizite in der Früherziehung nachholende Sozialisationsinstanz sein und für die allgemeine Erziehung, die neben der Grundschule durch Familie und Gesellschaft nicht überall mehr geleistet wird, Kompensationsfunktion erfüllen.

  • Um Einstellungen und Fähigkeiten, die die Jugend und unser Staat für ihre Zukunftsfähigkeit brauchen, durch Schulunterricht zu bewirken, genügt es nicht, Schulunterricht als solchen sicherzustellen. Dieses Ziel ist nur durch eine die gesamte Schulzeit hindurch zuverlässig wirkende hohe Unterrichtsqualität zu erreichen.

  • Alles weiterführende Lernen des Menschen ist bedingt durch die Qualität seines vorherigen Lernens. Es ist daher nicht nur unpädagogisch, sondern auch unökonomisch, diejenige Schulstufe, die für die grundlegende Bildung zu sorgen hat, mit den unter allen Schulstufen weitaus geringsten Personalmitteln zu bedenken.

  • Qualitätsmängel der Grundschule mit Willens- und Einsichtsmängeln der dort arbeitenden Menschen zu begründen, ist zu kurz gedacht. Nur Appelle an diese zu richten ist die falsche Medizin.

Drei Anstrengungen vielmehr könnten vor allem Besserung bringen:

1. Entwicklung verbesserter Struktur- und Handlungskonzepte;

2. Qualifizierungsmaßnahmen für alle Lehrerinnen und Lehrer;

3. Verbesserung der Lernzeit und der Lerngruppengrößen.

Ihre Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation würden

Parteien, Parlamentarier und Regierende in rechter Weise wahrnehmen, wenn sie in den Landeshaushalten die Mittel einplanten, mit denen die erforderliche Grundbildung für Kinder erreichbar ist. Hier der Vorschlag eines Bündels der wirksamsten Hilfen, die zusammenwirkend die bessere Grundschule möglich machen:

1. kindgerechte Klassengrößen schaffen;

2. für Verläßlichkeit sorgen;

3. Kooperationsstunden schaffen;

4. Lehrerausbildung verbessern;

5. Lehrerfortbildung intensivieren;

6. Erziehungskontinuität möglich machen;

7. Raum- und Ausstattungsprobleme lösen helfen;

8. die ganze Halbtagsschule einrichten.

Dem, der heute Geld für eine gute Kindererziehung fordert, wird nicht selten unterstellt, ihm fehle es an Einsicht in die Priorität der deutschen Einigung und der Aufgaben, die sich aus den Umwälzungen in Europa, der Umweltzerstörung und anderen gewichtigen Problemen ergeben. Dem ist zu entgegnen: Esgibt keine ergiebigere Investition in unsere Zukunft, als die Heranwachsenden durch Entwicklung humaner und demokratischer Haltungen und bestmöglicher Lernfäbigkeit vorzubereiten, die Zukunftsaufgaben zu meistern.

1. Kindgerechte Klassengrößen schaffen

"Wie oft gehe ich unzufrieden aus der Klasse, weil ich wieder den einzelnen Kindern nicht gerecht geworden bin." Diese Äußerung einer engagierten und kompetenten Grundschulpädagogin spiegelt das Erfordernis: Um Kindern mit der Hilfsbedürftigkeit dieses Alters, mit ihrer im Schulwesen sonst nirgends vorhandenen Unterschiedlichkeit, mit den gegenüber früheren Jahrzehnten gewaltigen Veränderungen ihrer Lebens- und Lernhaltungen und vor allem den Erfordernissen ihres zukünftigen Lebens gerecht zu werden, sind sehr kleine Klassengrößen erforderlich.

Die Chancen der Grundschulerziehung wahrzunehmen, dafür wäre eine Höchstzahl von 20 Kindern je Klasse sinnvoll.

Wieso wird dem von den Verantwortlichen nicht entsprochen? Bei Fünfjährigen im Kindergarten versteht es sich, die Gruppengrößen unter 20 zu halten - und nun soll es richtig sein, wenn für die Sechsjährigen das anspruchsvolle Programm schulischen Lernens mit dem sehr viel individuelle Hilfe erfordernden Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen hinzukommt, die Gruppengröße auf 25 zu erhöhen? Bei selbständigen Jugendlichen im Abiturientenalter hält man Kursgrößen von 12 - 15 Teilnehmern für richtig, bei den jüngsten und unselbständigsten Schulkindern soll das Doppelte richtig sein?

Ohne das Schaffen kindgerechter Gruppengrößen bleibt Grundschulerziehung unzureichend. Solange die Landtage die Mittel für höchstens 20 Kinder je Klasse nicht stellen können, sollte die Mühe zumindest dahingehen, jeder Klasse mit über 20 Kindern einige zusätzliche Lehrerstunden für die partielle Unterrichts-Intensivierung durch eine Zweitpädagogin zuzuweisen.

2. Für Verläßlichkeit sorgen

Stärker, als weithin beachtet wird, ist für gedeihliches Aufwachsen jüngerer Kinder Zusammenhang, Regelmäßigkeit und Verläßlichkeit der Erziehung und des schulischen Unterrichts nötig. Grundschulunterricht ist dann fördernd, wenn er Kindern hilft, langfristig, zusammenhängend, stetig und dadurch nachhaltig positive Gewohnheiten des Lernens und sozialen Verhaltens zu entwickeln.

Für den Zusammenhang, die Regelmäßigkeit und die Verläßlichkeit zu sorgen sind als erstes die Grundschulen selbst zuständig. Es gibt jedoch Faktoren, auf die sie bisher keinen oder zu wenig Einfluß haben: Den Kindern schadende Unstetigkeit des Unterrichts wird vor allem verursacht durch eine hohe Personalfluktuation und durch zu geringe Vertretungsmöglichkeiten bei Ausfallen von Lehrerinnen und Lehrern. Hierbei können die Verantwortlichen helfen:

  • Bei Besetzung vakanter Stellen wird den Schulen ein Mitspracherecht eingeräumt. Dieses bewirkt, daß in stärkerem Maße solche Lehrerinnen und Lehrer an die Schule kommen, die ins Kollegium "passen", etwa weil sie die Reformbemühungen einer Schule bejahen und dann durch Kooperation den Zusammenhang der Erziehung und des Unterrichts stützen und an der Schule bleiben möchten.

  • Bei Neueinstellungen zur Besetzung vakanter Stellen werden mit Lehrerinnen und Lehrern langfristige Verträge geschlossen.

  • Ohne Not werden keine Lehrerinnen oder Lehrer, auch keine abgeordneten Sonderpädagoginnen, aus einer Grundschule abgezogen, wenn sie dort für Erziehungs- und Unterrichtsarbeit erforderlich sind.

  • Die sofortige verläßliche Vertretung erkrankter, wegen Mutterschaft beurlaubter oder aus anderen Gründen fehlender Pädagoginnen und Pädagogen ist ein Problem höchster Ernsthaftigkeit für Grundschulen; denn hier hat ja jede Lehrerin ihre Kinder zu versorgen und ist nicht frei für Vertretungen. So müssen Kinder auf andere Klassen verteilt, nach Hause geschickt oder "beschäftigt" werden, wobei eine Lehrerin zwei Klassen gleichzeitig beaufsichtigen muß. Nicht selten müssen auch Lehrerinnen den Unterricht ihrer Kinder kürzen und in der eingesparten Zeit die Klasse der fehlenden Kollegin versorgen; so wird beim Fehlen einer Lehrerin jeweils die Unterrichtskontinuität zweier Klassen stark beeinträchtigt. Im Vergleich zu anderen Schulstufen ist die Grundschule vom Vertretungs-Problem besonders hart betroffen, weil bei ihrer extrem knappen Lehrerstundenzahl die "Manövriermasse" knapp ist und weil für jüngere Kinder häufiger vorkommende Unregelmäßigkeiten des Unterrichts noch schädlicher sind als für ältere Kinder.

Das Mindern von Unstetigkeit und Unterrichtsausfall könnte und sollte auf dreierlei Weise geschehen:

  • An Grundschulen springen bei kurzfristig notwendig werdenden Vertretungen häufig die Schulleiter/innen ein, um möglichst nicht Lehrerinnen aus ihren Klassen abzuziehen. Sie tun das auf Kosten ihrer Leitungs-, Koordinations- und Verwaltungsarbeit. Wenn daher die Zahl der Verwaltungsstunden an Grundschulen an die der Sekundarstufen angenähert würde, wäre das schadensmindernd.

  • Grundschulen müssen bei Lehrerausfall rasch und unbürokratisch über den Einsatz von Vertretungskräften verfügen können (nicht im Dienst befindliche Lehrer/innen, die sich der Schule zugehörig fühlen und bereit sind, kurzfristig Vertretungen zu übernehmen).

  • Die zentralen Vertretungskräfte-Pools in den Behörden ("Lehrer-Feuerwehr") müssen so aufgestockt werden, daß - soweit die eben genannten Sofort - Maßnahmen nicht greifen oder nicht ausreichen - den Schulen rasch und zuverlässig geholfen werden kann.

3. Kooperationsstunden schaffen

In mehrjährigen Erprobungen an Grundschulen hat sich erwiesen: Durch kooperativen Unterricht läßt sich schulisches Lernen von Kindern erheblich verbessern. Pädagogisch und bildungsökonomisch vernünftig wäre es daher, wenn die für das Schulwesen Verantwortlichen allen Grundschulen oder zumindest denen, die sich um solche Reform bemühen, je Klasse 5 Lehrerwochenstunden für Doppelbesetzung und 1 Lehrerwochenstunde für Planungsabsprachen zuwiesen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Förderung kooperativen Unterrichts die für ein Verbessern der grundlegenden Bildung in Deutschland wirksamste Maßnahme, die Bildungspolitiker treffen könnten.

4. Lehrerausbildung verbessern

Aus der Beobachtung der Grundschulpraxis leite ich die Bitte an die für Lehrerausbildung Verantwortlichen ab, bei der notwendigen Reform der Grundschullehrerausbildung auch folgende Schwerpunkte zu berücksichtigen:

  1. Eine Lehrerausbildung des "reflektierenden Praxisbezugs", welche die Erziehung und Bildung der Heranwachsenden in der Schule als einen Gesamtzusammenhang begreift, muß den Auszubildenden zu pädagogischen Grundeinsichten und Zielvorstellungen verhelfen, die ihnen später auch auf unbekannten Praxisfeldern Wegweiser sind und sie fähig machen, mitgebrachte oder neue Vorstellungen schulischen Unterrichts auf ihren Sinn zu befragen. Durch geeignete Ausbildungsformen müßten sie dabei lernen, in einer pädagogischen Situation, bei einem Problem, bei einer Idee selbst herausfinden zu wollen, worum es jeweils geht, was gegebenenfalls zu verändern undwie zu handeln wäre, müßten also "Suchende" werden und zu ihrer Gewohnheit machen, das Gefundene in wechselseitiger Stützung von Dialog und Alleinarbeit zu prüfen. Dieses Suchen- und Prüfenkönnen gehört zu den nutzbringendsten Kompetenzen, die Lehrerausbildung mitgeben kann, denn es mindert die Möglichkeit eines verbreiteten Schul-Übels: zum Schaden von Schülerinnen und Schülern die eigenen (oft unzulänglichen) Praktiken nicht erforderungsentsprechend weiterzuentwickeln. Genau hinsehen, hinhören, nachdenken, miteinander sprechen, erneut hinsehen, prüfen und das Ergebnis zu formulieren und zu begründen versuchen: In Verknüpfung dieser Beobachtungs- und Denk-Aktivitäten den Dingen "auf den Grund zu kommen" und handelnd das Suchen und Prüfen zu verinnerlichen, eröffnet die Chance, eine Denk- und Handlungskultur zentraler Bedeutung in die Schule mitzunehmen, mit der es möglich ist, den Heranwachsenden zu qualitätsvollem Lernen zu verhelfen.

  2. Die auszubildenden Grundschulpädagoginnen und -pädagogen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Erziehungs- und Bildungsaufgabe nur erfüllen können, wenn sie aufgrund erhöhter sozialpädagogischer Anteile an der Lehrerausbildung in der Lage sind, den Lebensbedürfnissen und -problemen heutiger und zukünftiger Schulkinder und ihren veränderten Lebensbedingungen gerecht zu werden.

  3. Die Grundschule braucht Pädagoginnen und Pädagogen, die ihre Arbeit als eine alle Aspekte der Erziehung und Bildung des Kindes und annähernd alle Lernbereiche umfassende Aufgabe konkretisieren. Sie dürfen nicht vorbereitet werden, vornehmlich Fachunterricht zu erteilen, oder gar, etwa im Sachunterricht, nur einzelne Aspekte des Unterrichts wahrzunehmen, sondern müssen gelernt haben, fachliche und fachdidaktische Kompetenzen in die Gesamtaufgabe einzubinden, sich weitere Kompetenzen anzueignen und die Schulklasse und die Schule als einen Ort zu organisieren, der durch gestaltetes Zusammenleben und sinnvoll zusammenhängendes Lernen den Entwicklungs- und Lernerfordernissen jüngerer Kinder gerecht wird.

  4. Die Grundschule hat einer so heterogenen Schülerschaft wie sonst nirgends im Schulwesen grundlegende Bildung zu vermitteln. Die dafür erforderlichen Formen insbesondere des selbständigen differenzierten Lernens wie auch die der sozialen Integration stellen nicht eben leichte Anforderungen an die Lehrenden und damit auch an deren Ausbildung. Wenn Hochschule und Studienseminare den Auszubildenden Methoden binnendifferenzierenden Unterrichtens und beziehungsstiftende Sozial- und Arbeitsformen in herkömmlichen Ausbildungsformen nur als Unterrichtsgegenstände anbieten, ist diesem Anspruch nicht gerecht zu werden. Die Auszubildenden haben vielmehr die größte Chance, sich binnendifferenzierende und integrierende Arbeits- und Sozialformen handelnd anzueignen, wenn in Hochschulen und Seminaren die Ausbildungsform den späterin der Grundschule anzuwendenden Lernformen entspricht.

  5. Zwei für die Grundschule zentrale pädagogische Qualifikationen nenne ich, die einer besonderen Pflege in der Lehrerbildung bedürfen. Das ist zum einen die Fähigkeit, Gespräche mit Schülerinnen und Schülern über bedeutsame Lerngegenstände so anzuleiten, daß dabei alle Kinder ihre Kräfte optimal entwickeln können. Zum anderen ist das die unerläßliche Fähigkeit der individuellen Lernbegleitung. Eine solche Fähigkeit kann aufgebaut werden, indem die Ausbildenden gemeinsam mit den Auszubildenden langfristig gezielt daran arbeiten, die Lernenden zu beobachten, das Beobachtete zu analysieren und auf neue Herausforderungen, Anregungen und Hilfen für die Kinder zu bedenken.

  6. im Interesse der nachwachsenden Generation muß die Grundschullehrerausbildung in der Hochschule und in den Studienseminaren von den für Lehrerausbildung Verantwortlichen sehr bald in die Lage versetzt werden, diesen (und anderen) Notwendigkeiten zur Verbesserung der Ausbildung zu entsprechen. Dazu gehören - soweit nicht weiterreichende Lösungen der Integration von Theorie und Praxis realisiert werden, zumindest kooperierend - ein achtsemestriges Grundstudium und ein zweijähriges Referendariat für alle zukünftigen Grundschulpädagoginnen und -pädagogen.

5. Lehrerfortbildung intensivieren

Soll erreicht werden, daß die in Schulgesetzen, Richtlinien und Lehrplänen proklamierten Ziele nicht Worte bleiben, muß Fortbildung in der Breite aller Lernbereiche der Grundschule in der Breite aller Klassen wirken. Mit der bisherigen Regelung, nach der an der einen Stelle von Fortbildung Gebrauch gemacht wurde oder Gebrauch gemacht werden konnte und an anderer Stelle nicht, ist die Grundschule nicht voranzubringen. Fortbildung muß fest einzuplanender Bestandteil schulischerArbeit werden.

  • Da die selbst gewollte und verantwortete Arbeit aller Beteiligten an der Entwicklung der eigenen Schule die beste Voraussetzung für deren Qualitätsverbesserung ist, sollten die zuständigen Behörden eine kollegiumsinterne Fortbildung, wie sie in manchen Grundschulen eindrucksvoll versucht wird, durch Möglichmachen von Fortbildungsvorhaben der Kollegien stärker stützen als bisher.

  • Fortbildung ist am wirksamsten, wenn eigene und andere Schulpraxis im Miteinander von Pädagoginnen und Pädagogen aus etwa den gleichen Klassenstufen mehrerer Schulen unter Leitung kompetenter Berater oder Seminarleiter gemeinsam beobachtet und kritisch, verständnisvoll und ermutigend für das eigene Handeln bedacht wird. Eine solche Fortbildung, für die es erprobte und bewährte Modelle gibt, sollte in den Schulkreisen organisiert und durch Zuweisung von je zwei Wochenstunden für die Vertretung der Teilnehmer verwirklicht werden.

  • Zentrale nachmittägliche Kurse müßten die kollegiumsinterne und regionale Fortbildung in Bereichen ergänzen und vertiefen, die von jenen nicht geleistet werden können. Damit Lehrerinnen und Lehrer die Veranstaltungen nach ihrem Schuldienst und neben der Vorbereitung auf den folgenden Schultag auch tatsächlich aufsuchen können, dürfte das Netz der Fortbildungsorte nicht zu weitmaschig sein.

Eine Fortbildung dieser Art wäre neben kooperativem Unterricht und der Einrichtung der ganzen Halbtagsschule (s. S. 138) einer der Hauptschlüssel, mit dem die Verantwortlichen das Tor zu höherer Qualität der Grundschulwirkungen öffnen könnten und sollten.

6. Entwicklungskontinuität der Heranwachsenden sichern

Koordination

Gegensätze in den Anforderungsstrukturen des Kindergartens und der Grundschule, insbesondere zwischen manchen Tagesheimen und der Grundschule sowie zwischen der Grundschule und weiterführenden Schulen belasten und verunsichern Kinder nicht selten und beeinträchtigen manche Kinder schwer. Um den für gedeihliches Aufwachsen von Kindern bedeutsamen Erziehungszusammenhang herzustellen, gibt es zwar manchenorts Bemühungen um Abstimmungsgespräche und gegenseitige Besuche und in seltenen Fällen auch Kooperationsprojekte, in der großen Mehrzahl der Fälle schaffen jedoch auch problembewußte Grundschulen wegen der Fülle der Alltagslasten die notwendige regelmäßige Abstimmungsarbeit mit den oft zahlreichen anderen Einrichtungen nicht.

Daher ist es keine taugliche Methode, an die Grundschule in dieser Sache weiterhin lediglich zu appellieren. Nicht wenige Sekundarstufenschulen erhalten für ihre internen Abstimmungsbesprechungen Stunden-Zuweisungen. Warum nicht die Grundschule für Koordination mit anderen Erziehungsbereichen? Indem Kooperation für die Koordinierungsaufgabe durch - zumindest einige - zweckgebundene Stunden-Zuweisungen an die Grundschule zur festen Einrichtung gemacht wird, ließe sich das Nebeneinander der Erziehungsbereichein die Richtung eines den Kindern förderlichen Miteinanders verändern.

Reformen auf der Sekundarstufe weiterführen

Anerkanntermaßen ist die Grundschule diejenige Stufe innerhalb des Schulwesens, die sich am gründlichsten in der Breite der Schulen bemüht hat, neueren Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft über das Lernen von Kindern und Jugendlichen zu entsprechen, konstruktiv auf die tiefgreifenden Veränderungen der Heranwachsenden zu reagieren und sich in ihren Zielen und Methoden auf die Zukunftserfordernisse in einer demokratischen Gesellschaft einzustellen. Es liegt im hohen Interesse der Heranwachsenden und dem des Staats und der Gesellschaft, daß diese Entwicklungen in der Sekundarstufe in stärkerem Maße als bisher weitergehen, denn die Entwicklung autonomen Denkens und Handelns sowie eine tiefgehende soziale Integration, wie sie die Grundschule ansteuert, kann nur in langfristigem kontinuierlichem Lernen gelingen. Manche der anzustrebenden Umgestaltungsprozesse, etwa die Realisierung des Grundsatzes "Fördern statt Selektion", bleiben schon innerhalb der Grundschule stecken, weil ihre Nichtberücksichtigung oder gar Ablehnung in weiterführenden Schulen in die Grundschule zurückwirkt. Es ist daher geboten, daß die für Bildungspolitik Zuständigen in Parteien, Parlamenten und Regierungen ernsthafter als bisher um eine entschiedene Reform der Sekundarstufe 1 Sorge tragen.

Sechsjährige Grundschule

In ihre Überlegungen zum Entwickeln einer Schule, die Kinder und jugendliche nicht müde macht und nicht in Ablehnungshaltungen entgleiten läßt oder gar treibt, sondern zu sinnvollem Produktivsein herausfordert und Gemeinsinn stärkt, sollten die für die Bildungspolitik Verantwortlichen das Konzept der sechsjährigen Grundschule einbeziehen. Die sechsjährige Grundschule, in Deutschland bisher nur in Berlin und Brandenburg realisiert, trägt der Einsicht Rechnung, daß späte Schullaufbahnentscheidungen günstiger sind als frühe; sie setzt Integration gegen Desintegration und Kontinuität gegen Diskontinuität und ist ein Schritt der Annäherung an die Schule der großen Mehrheit europäischer Länder, in denen die Kinder eine längere gemeinsame Schulzeit haben als bei uns.

7. Raum- und Ausstattungsprobleme lösen helfen

Damit die Grundschule Lebensstätte und wirksamer Lernort für jüngere Kinder sein kann, bedarf es keines Komforts, aber ausreichender Räumlichkeiten, in denen Kinder Geborgenheit und Anregungen erfahren und ihren Arbeits-, Bewegungs- und Freizeit-Aktivitäten nachgehen können. jede Schulklasse braucht ihren eigenen Lebens- und Lernraum, der groß genug ist für gemeinschaftsfördernde und für individualisierende Formen des Lernens, der von Pädagoginnen, Kindern und Eltern nach den Bedürfnissen und Erfordernissen ihrer Klasse gestaltet und ausgestattet werden kann und in dem sie die Produkte ihrer Arbeit ausstellen können. - Und es müssen, wenngleich in bescheidenem Maße, Räume für Pädagoginnen und Pädagogen und ein Raum für Eltern vorhanden sein.

Damit Grundschulen diesen Ansprüchen genügen können, muß ihnen geholfen werden bei der Lösung ihrer unterschiedlichen Raumprobleme, die hier nur durch Beispiele zu skizzieren sind: So erfordert die erziehlich bedeutsame Arbeit und Freizeitgestaltung der Kinder in der Schülerbibliothek einen Raum, der in den bisherigen Raumprogrammen meist nicht vorgesehen ist; eine - zumindest kleine - Küche gehört in jede Grundschule, die Lebensstätte sein und projektartig arbeiten will; Gruppenräume sind zu schaffen, in die sich die Kinder während der Phasen selbständigen Arbeitens zurückziehen können; viele Grundschulen haben noch keinen Raum für die Gruppe von Kindern, die nach ihrem Unterricht noch der Obhut bedürfen und dort auch ein Mittagessen erhalten müssen; nicht wenige Grundschulen gibt es, die Raum nötig haben für die Schulversammlung oder für eine hinreichende Zahl von Bewegungszeiten und Sportstunden.

In einer Zeit, da das Überleben des Menschen von seinem ökologischen Verstehen und Handeln abhängig werden wird, sollte das Konzept der "Grünen Schule" für alle Grundschulen vorgesehen werden.

Auf die ausreichende Versorgung der Grundschule mit Spielgeräten, vielfältigen Arbeitsmitteln und modernen Medien (Computer!) sei hingewiesen, weil ein Sparen an der oft ohnehin kärglichen Grundschulversorgung ein solides zukunftsgerechtes Lernen der Kinder behindern würde. Für das Entwickeln und Sichern grundlegender Bildung sind außer situationsentsprechend selbst hergestellten Lernmitteln die besten auf dem Markt erhältlichen Lemmittel richtig.

8. Die ganze Halbtagsschule einrichten

Eine Schule, die ihren Kindern zu Personstärke, zu Gemeinschaftsfähigkeit und zu den soliden schulischen Grundfähigkeiten verhelfen will, die alle Kinder für ihre Zukunft dringlich brauchen - eine solche Grundschule braucht außer dem Konzept kind- und sachgerechter Ziele, Prinzipien, Formen und Inhalte vor allem genügend Zeit für Kinder. Damit die Grundschule dem Leben und Lernen von Kindern gerecht werden kann, darf sie nicht Schule mit zu wenig Stunden bleiben, sondern muß Ganztagsschule oder zumindest ganze Halbtagsschule sein.

Damit die Grundschule eine ganze vollwertige Halbtagsschule werden kann, müßten die Verantwortlichen in Parlament und Regierung die dafür erforderliche Zahl von Grundschulpädagoginnen und -pädagogen einstellen und an jene Schulen entsenden, die ein entsprechendes pädagogisches Konzept erarbeitet haben und durch ihre Reformbemühungen zeigen, daß die zur Verfügung zu stellenden Ressourcen der Verbesserung des Lebens und Lernens der Grundschulkinder dienen.

"Betreuungsschule" oder "Hort in der Schule" sind kein Ersatz für die ganze Halbtagsschule, da sie die dringlich benötigte Zeit für die Gestaltung individuumsgerechten, gründlichen und vielfältigen Lernens und guten Miteinanders der Gesamtschülerschaft der Schule nicht bringen. Betreuungsschule oder Hort in der Schule können nur partielle Hilfe sein für Kinder, die morgens und mittags zusätzlich der Fürsorge bedürfen, weil sie sonst unversorgt wären.

Es dient dem notwendigen Zusammenhang derErziehung jüngerer Kinder, wenn ihre gesamte pädagogische Versorgung in der Schule innerhalb und außerhalb des Unterrichts von dem mit ihnen vertrauten Stammpersonal der Schule wahrgenommen wird. Es vertieft die Beziehungen und damit die Grundlagen schulischer Erziehung, wenn Lehrerinnen und Kinder die Chance haben, in noch anderen als unterrichtlichen Zusammenhängen miteinander umzugehen.

Diese Lösung schließt nicht aus, daß eine oder zwei zusätzliche Sozialpädagoginnen - voll ins Kollegium integriert und mit den Lehrerinnen und Lehrern zusammenarbeitend - die Verantwortung für die morgendliche und mittägliche oder sonst nötig werdende pädagogische Versorgung von Kindergruppen übernehmen.

Als Gliederung des Schulvormittags wird in der ganzen Halbtagsschule möglich:

 

Ab 7.00

Uhr

Behütete Zeit für Gruppen

 

7.45

-

8.00

Uhr

Gleitender Schulbeginn

8.00

-

9.30

Uhr

1. Unterrichtsblock

9.30

-

9.40

Uhr

Frühstück im Klassenraum

9.40

-

9.55

Uhr

Spiel- oder Büchereipause

9.55

-

11.25

Uhr

2. Unterrichtsblock

11.25

-

11.45

Uhr

Spiel- oder Büchereipause

11.45

-

13.15

Uhr

3. Unterrichtsblock

 

Ab 13.15

Uhr

Behütete Zeit für Gruppen

 

(Die "Unterrichtsblocks" enthalten auch Sport-, Lese-, Spiel- und Entspannungszeiten sowie Arbeitsgemeinschaften.)

Erhielte die Grundschule genügend Arbeitszeit voll in das Kollegium integrierter Pädagoginnen und Pädagogen, böte das folgende Vorteile:

  1. Das Angebot einer behüteten Anlaufzeit am Morgen für Kinder, deren häusliche Situation das erfordert.

  2. Der gleitende Schulanfang am Morgen für alle Kinder.

  3. Genug Zeit für ein Geborgenheit gebendes und anregendes Schulleben als Grundbedingung einer guten Entwicklung der Kinder.

  4. Genug Zeit für gründliches Lernen.

  5. Vielfältigere Möglichkeiten für Kinder, die Lernziele der Grundschule zu erreichen, als sie die herkömmliche Schule bot.

  6. Mehr Möglichkeiten, die Entwicklung von Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Sozialfähigkeit der Kinder zu fördern.

  7. Genug Zeit für Lehrerinnen und Lehrer, der großen Unterschiedlichkeit der Grundschulkinder gerecht zu werden und auf besondere Lebens- und Lernprobleme einzelner Kinder einzugehen.

  8. Genügend Möglichkeiten, mit den Hauptverantwortlichen für die Erziehung der Kinder, den Eltern, intensiv zusammenzuarbeiten.

  9. Verläßliche und familienfreundliche Schulanfangs- und Schulschlußzeiten von 8. 00 bis 13.15 Uhr ohne Stundenausfall.

  10. Das Angebot einer behüteten Auslaufzeit am Mittag für diejenigen Kinder, deren häusliche Situation das erfordert.

Außerhalb der Schule wirken vielfältige Einflüsse destruktiv auf Kinder und Jugendliche ein; dem gesetzlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag werden wir mit bisherigen Mitteln nur unzureichend gerecht; und den Erkenntnissen, wie grundlegende Bildung beschaffen sein muß, hinken wirhinterher. Durch mehr Zeit für Kinder jedoch könnten Parlamente und Regierende die Grundschule befähigen,

  • den Kindern bessere Bedingungen für ihre Lebens- und Lernentwicklung zu bieten;

  • den in Schulgesetzen, Richtlinien und Lehrplänen niedergelegten gesellschaftlichen Erfordernissen gerecht zu werden; den Erkenntnissen der Wissenschaft über das Lernen von Kindern zu entsprechen;

  • auf die tief greifenden Veränderungen der Heranwachsenden konstruktiv zu reagieren.

Wenn Pädagoginnen und Pädagogen in den Grundschulen ihr Bestes tun und wenn Parteien, Landesparlamente und Landesregierungen ihre Verantwortung für die heranwachsende Generation hinreichend erkennen und sich für eine höhere Priorität der Grundschule in den Landeshaushalten verwenden, haben wir die Chance eines Lebens- und Lernorts Grundschule, der den Kindern und ihrer Zukunft gerecht wird.

Schulautonomie - ein Weg zur besseren Grundschule?

Um dazu beizutragen, daß Individuum und Gesellschaft den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gerecht werden können, muß die grundlegende Stufe im Schulwesen nachhaltigere Erziehungs- und Bildungswirkungen entwickeln als bisher. Von einer Stärkung zentralistischer Regelungen oder einer Privatisierung des Schulwesens sind solche Besserungen nicht zu erwarten. Kann eine Stärkung kooperativer Autonomie der Grundschule neue Kräfte für die Qualitätsentwicklung bringen?

Gründe und Ziele

Erziehung und Bildung der Heranwachsenden erfordern heute mehr als je zuvor, ihnen zu helfen, sich selbständig zu orientieren und an Werte zu binden, selbständig zu denken, zu urteilen und zu handeln sowie ihr Leben eigenverantwortlich und dem Gemeinwohl verpflichtet zu führen. Dieses Ziel der relativen Autonomie des Individuums, das die unterrichtlich zu vermittelnden fachlichen Kompetenzen in die Persönlichkeitsbildung einbindet, muß stärker in das Zentrum grundlegender Bildung rücken.

Wirklichkeit werden kann die Autonomie der Heranwachsenden am ehesten, wenn sie von ihnen bei den Erwachsenen als vorgelebtes Handeln glaubwürdig erfahren und in autonomiestärkenden Beziehungsformen entwickelt wird. Dazu müßten Lehrerinnen und Lehrer Selbst- und Mitbestimmung, Selbst- und Mitverantwortung verinnerlicht haben. Das könnten sie in einer Schule, in der sie gemeinsam mit Schülern und Eltern innerhalb eines Rechts- und Richtlinienrahmens, der weitere Verantwortungsräume läßt, ihre Arbeit selbst steuern. Dieses Lernen der Lehrenden macht Schulautonomie unerläßlich. Es erfordert Zeit. Deshalb gilt es, Schulautonomie jetzt zustärken.

Entgegengehalten wird diesem Gedanken, daß Lehrerinnen und Lehrern weithin der Autonomiewille fehle. Aber bedürfte nicht der Wille, sich konstruktiv zu beteiligen, neben hinführenden Hilfen der Ernsthaftigkeit der Entscheidungen, an denen es sich zu beteiligen gilt? Gemeinsame Lösungssuche und Verantwortung entwickeln sich, wenn es nötig ist, sich tätig darin einzuüben, und nicht, wenn es wegen vorhandener Vorgaben überflüssig ist oder scheint.

Wenn die Beteiligten in einer Schule ihre Vorstellungen in die Entwicklung ihrer Einrichtung einbringen und sich dabei zum Begründen ihres Handelns stetig herausgefordert sehen, steigern sich ihr Interesse, ihr kritisch-konstruktives Handeln und ihre Mitverantwortung. Die Erfahrung, der eigenen Schule zusammen mit anderen ein selbstgewolltes Profil geben zu können, stärkt Selbstvertrauen und Zugehörigkeitsgefühl, Berufs- und Lebenszufriedenheit.

Eine Vielzahl der für eine Schule nötigen Entscheidungen - seien sie pädagogisch, personell, organisatorisch, baulich oder finanziell - werden vor Ort von den Beteiligten in Kenntnis der Personen und ihrer Möglichkeiten weit situationsgerechter und damit wirksamer getroffen, als das durch eine zentrale Verwaltung möglich ist.

In der schulischen Erziehung und Bildung muß die Aufgabenteilung zwischen Schulaufsicht und Schule,.zwischen Schulleitung und Lehrenden sowie zwischen den Lehrenden und ihren Schülerinnen und Schülern eine der Aufgabe zuträglichere Qualität erhalten: Die einen werden nicht mehr in dem Maße wie vorher vornehmlich die Steuernden und die anderen nicht in gleichem Maße die vornehmlich Gesteuerten sein; die bisher Gesteuerten übernehmen miteinander selbst große Anteile des Steuerns, und die bisherigen Steuerer werden verstärkt zu Helfern und Vermittlern. Auch zwischen den professionellen und nichtprofessionellen Beteiligten, zwischen den einzelnen Lehrenden und den von ihnen vertretenen Fächern werden die Abgrenzungen gemindert zugunsten besseren Zusammenwirkens aller und damit zugunsten zusammenhängenden Lernens der Schülerinnen und Schüler.

Entscheidungen, die besser durch die Schulen selbst getroffen werden, müßten die Behörden diesen überlassen, indem sie ihnen entsprechende Freiräume geben. Um Beliebigkeit beim Nutzen der Freiräume auszuschließen, muß die innerschulische Legitimierung der "nach unten" verlagerten Entscheidungen gesichert werden. Daraus ergeben sich drei Ziele:

  1. Die einzelne Schule als Einrichtung, die innerhalb eines Rechts- und Richtlinienrahmens mit weiten Verantwortungsfreiräumen die Entwicklung selbst plant, vorantreibt und überprüft;

  2. eine Kooperationsstruktur der Schule, die der erhöhten Verantwortung durch Bindung an demokratisch legitimierte Entscheidungen zugunsten kompetenter Aufgabenerfüllung gerecht wird;

  3. eine Schuladministration, welche die Leitung über und die Verantwortung für das Schulwesen beibehält, aber Befugnisse an die einzelnen Schulen in dem Maße abgibt, wie es der Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags förderlich ist.

Autonomie der pädagogischen Organisation

Pädagoginnen und Pädagogen können den ihnen anvertrauten Menschen und ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag nur gerecht werden, wenn sie die ihnen in Verordnungen der Verwaltung situationsunabhängig vorgegebenen Ziele, Prinzipien, Formen und Inhalte in freier Verantwortung individuums- und situationsgemäß konkretisieren. Das können sie, indem sie den Kindern im Schulalltag hinreichend Gelegenheit geben, sich am Festlegen von Zielen, Arbeitsweisen und Aufgaben zu beteiligen, und indem sie sich über die an ihrer Schule zu treffenden Entscheidungen in der Schulgemeinde verständigen. So kann Schule zu einer Einrichtung werden, in der die Anforderungen der Gesellschaft, der Wille der Schulgemeinschaft und die Interessen und Leistungen der Individuen sich produktiv verknüpfen.

Bei größeren Freiräumen in Stundentafeln, Lehrplänen, Zeugnis- und Versetzungsordnungen und anderen Vorgaben würden die Schulen sich gefordert und ermutigt sehen, die ihrer Verantwortung überlassenen Handlungsräume ziel- und situationsgerecht selbst zu gestalten.

Zum einen geht es darum, daß Schulen den kleinen pädagogischen Notwendigkeiten legal und verstärkt entsprechen können: Ideenstunde, vermehrte Bewegungszeiten, Spielstunden organisieren; der Tatsache Rechnung tragen, daß Frau X mit 14 Kindern einen exzellenten Kunstunterricht gestaltet, während er mit den vorgeschriebenen 28 wegen mehrerer Problemschüler unergiebig ist; Einrichten von vier statt drei Anfängerklassen; Erproben neuer Beurteilungsformen; schuleigene Lehrerfortbildung am Vormittag; vermehrtes kooperatives Unterrichten und vieles mehr. Zum anderen geht es um größere Innovationen wie jahrgangsübergreifende Klassen und Fächerintegration, um den Kindern in lebensweltlichen Bezügen zum Entwickeln von Grundqualifikationen zu verhelfen.

Damit Erziehung und Unterricht zielgerecht realisiert werden können, muß eine Schule über die Klassen- und Lernorganisation im Rahmen allgemeiner Regelungen selbst die Entscheidungen fällen, die den tatsächlichen, nur vor Ort erkennbaren pädagogischen Erfordernissen am ehesten gerecht werden. Dazu gehören:

  • Anzahl, Größe, Zusammenlegung und Teilung von Lerngruppen;

  • Bildung jahrgangsübergreifender Klassen; Doppelbesetzungen;

  • Kombination, Vermehrung oder Wegfall von Schülerstunden;

  • Epochalunterricht; Projekttage oder Projektwochen;

  • unterschiedliche Regelungen mit Rücksicht auf die Individuallage einzelner Schülerinnen oder Schüler;

  • ein Lehrerstundenkontingent zur selbständigen Verfügung für Planung, Beratung, Koordination, Kooperation, Verwaltung, Fortbildung, Schülerbetreuung und andere nachweisbar dringliche Zwecke.

Autonomiegrenzen

Die autonome Grundschule muß sich an das Prinzip der Gleichwertigkeit von Bildung und Erziehung in allen Grundschulen halten. Ihr Bemühen um ein pädagogisches Profil muß auf Verläßlichkeit zielen. Soweit die Schule zusätzliche Etatmittel benötigt oder von schulpolitischen Festlegungen abweichen will, wird sie weiterhin ihre Wünsche in der Aufsichtsbehörde geltend machen müssen. Auch ein Handeln, mit dem sie in die Bereiche anderer Schulen eingreifen würde - etwa durch ein Überschreiten ihrer Grenzen als Bezirksgrundschule -, müßte außerhalb ihrer Selbstbestimmung liegen.

Personelle Autonomie

Die Qualitätsentwicklung einer Schule ist bedingt auch durch ihre personelle Zusammensetzung - dafür muß die Schule das Mitbestimmungsrecht erhalten. Die allgemein geltenden Qualifikationen für einzustellende Lehrerinnen und Lehrer dürften dabei nicht aufgeweicht werden. Die Beschäftigung zusätzlicher Honorarkräfte, die nicht Lehrer sind, sollte zur Verbesserung des Bildungsangebots jedoch verstärkt möglich sein. Da Diskontinuität von Erziehung und Unterricht zu den größten Problemen der Schule zählt, müßte diese bei Fehlen von Lehrerinnen und Lehrern rasch über den Einsatz von Vertretungskräften entscheiden können. Dafür wäre außer der Zuweisung regulärer Lehrerstunden für eine ständige Vertretungsbereitschaft ein eigenes Vertretungsmittel-Konto eine Verbesserung. - Weitgehender als bisher braucht die Schule Mitbestimmung auch bei Auswahl, Einsatz und nötigem Wechsel des Hauspersonals.

Autonomie in Haus- und Bauangelegenheiten

Gebäudereinigung, Mobiliarpflege, Bauerhaltung, Modernisierung und Umbauten werden heute zum Teil entgegen den Prioritäten der Schule bestimmt, belasten diese oft stark und werden nicht selten unwirtschaftlich und unkorrekt realisiert. Leitlinie zur Neuregelung müßte sein, daß die Schule bei Haus- und Bausachen angemessen beteiligt werden muß oder selbst die Funktion der Auftraggebung und Steuerung erhält, ohne mit den Details belastet zu werden.

Finanzielle Autonomie

Zeitige Klärung der Gelder und globale Mittelzuweisung auf ein Schulkonto mit möglicher Mittel-Übertragung auf die folgenden Haushaltsjahre ist nötig, damit die Schule selbständig mit wirtschaftlicher Vernunft über zustehende Mittel verfügen kann.

Eine sehr weitgehende finanzielle Autonomie ("Schule als Firma") hätte wegen sehr unterschiedlicher Möglichkeiten der Schulen zur Mittelbeschaffung Bildungsungerechtigkeit zur Folge - durch Sonderzuwendungen an die weniger gut situierten Schulen kaum auszugleichen. Zudem ist die Gefahr groß, daß Schulen ihre Energien dann mehr auf Wirtschaft denn auf Pädagogik richten und somit ein schadenbringender Wirkungswandel der Schule in Gang gesetzt wird. Dem kann die Schulverwaltung entgegenwirken, indem sie überall den Bedarf sichert, die finanzielle Autonomie nur begrenzt möglich macht und durch Sonderzuwendungen entwicklungsschwachen Schulen hilft. Die Mittelzuweisungen sollte sie wie folgt vornehmen:

  • Alle Schulen erhalten die ihrer Aufgabenstellung und Schülerzahl entsprechende, im Prinzip jeweils gleiche Grundausstattung;

  • entsprechend der Zahl von Kindern mit nachgewiesenem besonderem Förder- und Pflegebedarf erhalten die Schulen zusätzliche Mittel;

  • für besondere Reformbemühungen erhalten die Schulen Sondermittel.

Die Verwaltung wolle Autonomie nutzen, um die Verantwortung für Einsparungen und Mängel den Schulen aufzuladen - so ein Vorwurf von Kritikern. Wenn die Schulen Finanzmittel nicht sachgebunden, sondern "globalisiert" erhielten und Verschlechterungsentscheide selbst treffen müßten, liege der "Schwarze Peter" bei ihnen, und "von oben" verfügte Einsparungen ließen sich leichter realisieren.

Von den Verantwortlichen in Parlamenten und Regierungen höhere Mittelzuweisungen für die Grundschule zu fordern, ist dringlich. Aber wegen des Verdachts, die Regierenden wollten mit Autonomie Verschlechterungen tarnen, Autonomiestärkung ablehnen? Dagegen spricht: Die Menschen in autonomen Schulen werden sich verstärkt fürdie Belange ihrer Schule verwenden, so daß Sparmaßnahmen schwerer durchsetzbar sein werden. Es gilt, sich Ressourcenkappungen im Schulwesen zu widersetzen und zugleich die durch Autonomiestärkung gegebenen Entwicklungschancen zu nutzen.

Evaluations-Autonomie

Zur autonomen Schule gehört die Selbst-Evaluation. Sie beginnt - möglichst unter Beteiligung aller Gruppen der Schule - mit dem eigenen Feststellen von Stärken und Schwächen schulischer Arbeit und sucht nach den Ursachen. Die Autonomie-Entwicklung steht in Frage, wenn das Überprüfen aus dem autonomen Handeln ausgegrenzt und der Schule ein zentrales Prüfverfahren übergestülpt wird. Einbeziehung externer Berater - auch aus der Schulverwaltung - in die Überprüfungen ist jedoch nötig, wie auch die Bekanntgabe der Überprüfungsergebnisse - soweit datenrechtlich möglich - an die Schulgremien. Zukunftsbedeutsam ist es, nicht nur die im engeren Sinne schulischen Leistungen in den Blick zu nehmen, sondern ebenfalls, in welcher Weise es der Schule gelingt, soziale Haltungen sowie das Mitbestimmen-Können der jungen Menschen zu entwickeln. In Beratungen der Schulgremien müßten die Evaluationsergebnisse dann Grundlage für Entwicklungs-Entscheidungen sein.

Kooperationserfordernisse

Autonomes Wahrnehmen des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags erfordert intensive wechselseitige Information und Kooperation von Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen, Schülern, Eltern und ihrer Vertretungen sowie des Hauspersonals. Dagegen wenden manche ein: Insbesondere Eltern und Kinder seien nicht in der Lage, kontinuierlich, sachangemessen und verantwortlich mitzuarbeiten; man müsse die "professionellen Funktionsvoraussetzungen von Institutionen" bedenken. - Diese Skeptiker scheinen verdrängt zu haben, daß Erziehung und Bildung als Vermittlungsprozesse der aktiven Beteiligung von Schülern und Eltern bedürfen und daß pädagogische Professionalität in der Demokratie das aktivierende Einbeziehen der Menschen einschließen muß. Zudem dürfen Entscheidungen, die durch Anordnungen des dem Parlament verantwortlichen Ministers legitimiert waren und jetzt in die Schule verlagert werden, nicht allein von den dortigen Bediensteten gefällt werden, sondern bedürfen einer Legitimation durch alle Betroffenen. Das bedeutet, daß die Schulkonferenz als Vertretung aller Beteiligten das oberste beschlußfassende Gremium einer Schule ist, das Haushaltsrecht erhält und - in Abstimmung mit der Lehrerkonferenz - über Grundsatzfragen der Gestaltung von Erziehung und Unterricht entscheidet.

Außenkontakte und -bindungen

Die Stützung der einzelnen Schule durch bestehende oder zu schaffende kommunale Einrichtungen wie Schulausschüsse und Stadtteilkonferenzen könnte wirkungskräftiger sein als durch eine zentrale Verwaltung. Nicht die "im eigenen Safte schmorende", sondern die im Gemeinwesen verankerte und von ihm getragene "offene" Schule, die den Austausch mit den Menschen des Umfeldes sucht, könnte das Zielbild der autonomen Schule sein.

Fazit

Eine Idee für die bessere Schule ist da: die Idee der Schulautonomie, die den Gedanken des selbstverantwortlichen Handelns mit dem Gedanken des kooperativen Handelns zur Idee der unterstützten gemeinsamen Selbsterneuerung der Schule vereint. Aus dieser Idee könnten wir die Kraft schöpfen und die Strukturen gewinnen, mit deren Hilfe die Grundschule zukunftsfähig zu machen ist. Arbeitsgruppen sollten gebildet werden, in denen Vertretungen aller an der Schule Beteiligten und Verwaltungsexperten gemeinsam die neuen Schulkonzepte entwickeln.

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bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 01.03.2006

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