Was ich überlegt habe, als ich von dem Wohnhaus in die WG umgezogen bin

Autor:in - Monika Rauchberger
Schlagwörter: Erfahrungsbericht, Wohnen, Heim, Selbstbestimmt Leben
Textsorte: Artikel
Copyright: © Monika Rauchberger 2006

Was ich überlegt habe, als ich von dem Wohnhaus in die WG umgezogen bin

Bevor ich ausgezogen bin, habe ich mir oft überlegt, wie es wohl wäre, außerhalb von einem Heim zu leben. Ich habe mir vorgestellt, dass ich dort mehr Freiheit hätte. Ich könnte mir die Freizeit selber einteilen. Ich könnte mir das kochen, was ich essen mag. Ich könnte am Abend und am Wochenende ausgehen und es wäre egal, wann ich heimkommen würde.

Als es dann so weit war, musste ich viele Dinge überlegen. Ausziehen ist nicht einfach.

Was heißt das, selbständig zu wohnen in einer behindertengerechten Wohnung, wenn ich mein ganzes Leben lang in Heimen gewohnt habe?

Da brauchte ich als erstes ganz viel Mut, um meine Ängste abzubauen. Ich musste Geduld mit mir selbst haben, denn so schnell habe ich meine Ängste nicht überwunden. Ich musste damit zurechtkommen, dass ich immer wieder Zweifel hatte, ob ich überhaupt ausziehen möchte und ob ich es schon schaffen werde, selbständig zu wohnen.

Es half, dass ich mich mit ganz vielen Fragen beschäftigt habe und gemerkt habe, dass das Ausziehen aus vielen kleinen Schritten besteht. Ich nahm mir Zeit mit meinen Betreuern und meinen zukünftigen WohnungskollegInnen alles ganz gut zu besprechen. Und ich hatte Ehrgeiz, sonst hätte ich nicht gelernt, was zu lernen war.

Nachdem ich meine Zweifel und Ängste zum größten Teil überwunden hatte, konnte ich mich mit anderen wichtigen Fragen beschäftigen:

Die erste wichtige Frage ist, mit wem man gerne in der Wohnung zusammenleben möchte. Es gibt auch die Möglichkeit alleine zu leben. Es macht einen großen Unterschied, ob man alleine lebt oder in einer Wohngruppe. Ich habe mich damals noch nicht getraut, alleine in eine Wohnung zu ziehen. Meine Betreuer haben mich auch nicht dabei unterstützt, alleine in eine Wohnung zu ziehen. Ich wurde auch nicht gefragt, mit wem ich zusammenziehen möchte. Das ist nicht gut, denn da kommt es später zu Reibereien.

Die zweite wichtige Frage ist, wie komme ich zu einer rollstuhlgerechten Wohnung? Diese Frage konnte ich nicht alleine beantworten. Das musste ich mit meinen WohnungskollegInnen und den BetreuerInnen besprechen. Die BetreuerInnen hatten schon einen Plan von der Wohnung gezeichnet. Die Wohnung musste so groß sein, dass wir vier genug Platz hatten. Und sie musste rollstuhlgerecht sein, weil wir alle 4 RollstuhlfahreInnen sind. Sie hatte breite Türen, keine Stufen, senkbare Küchenkästchen und Haltegriffe im Bad.

Die BetreuerInnen haben mit dem Architekten verhandelt. Uns war das ganz recht. Wir hätten nicht gewusst, was wir sagen sollen. Der Architekt hat die Wohnung dann so gebaut, wie wir das wollten.

In der Zwischenzeit haben wir uns überlegt, was wir alles können mussten, damit wir in der WG mit wenig Betreuung leben können.

Wir haben gemerkt, dass wir kochen und Wäsche waschen können müssen. Ganz wichtig war, uns zu überlegen, was wir machen würden, wenn etwas passiert, z. B. wenn sich jemand verletzt oder der Geschirrspüler übergeht.

Wir müssen aber nicht alles können. Das ist ganz wichtig. Was wir nicht können, müssen die Betreuer für uns machen. Bei uns haben die Betreuer beim Land angesucht, wie viele Betreuungsstunden wir in der WG bekommen. Auch da haben wir nicht mitgeredet.

Dann waren wir so weit. Wir konnten einziehen.

Nun leben wir schon 2 Jahre in der WG. Wir streiten viel. Wir müssen viel selbst tun. Ich kann kommen und gehen, wann ich will. Manchmal kocht jemand etwas, was ich nicht mag. Die Betreuer sagen schon noch, was ich tun soll und was nicht. Aber sie bestimmen nicht mehr ganz so viel wie in einem Heim.

Ich bin sehr mutig geworden. Jetzt möchte ich gerne ausprobieren, wie es ist, mit meinem Freund in unserer eigenen Wohnung zu leben. Dass würde bedeuten, dass ich noch mehr Freiheit hätte.

Fragen, die Sie sich überlegen können:

1.) Welche Vorteile gibt es, wenn Sie in einem Heim leben?

2.) Welche Nachteile gibt es, wenn Sie in einem Heim leben?

3.) Was können Sie in einem Heim selbst bestimmen und was bestimmen die BetreuerInnen und die anderen HeimbewohnerInnen.

4.) Welche Hausordnung gibt es in Ihrem Heim?

5.) Wie viel Freiheit darf ein Mensch mit Lernschwierigkeit haben?

6.) Welche Vorteile gibt es, wenn Sie zu Hause bei den Eltern wohnen?

7.) Welche Nachteile gibt es, wenn Sie noch bei den Eltern wohnen?

8.) Was können Sie von den Eltern lernen und was können Sie nur lernen, wenn Sie selbständig leben?

9.) Welche Sorgen machen sich Ihre Eltern um Sie?

10.) Was trauen Ihnen Ihre Eltern zu?

11.) Wie finden Sie eine behindertengerechte Wohnung?

12.) Wer kann Ihnen bei der Suche helfen?

13.) Wohin können Sie sich wenden, wenn Sie eine behindertengerechte Wohnung mieten oder kaufen möchten?

14.) Wo soll Ihre Wohnung sein?

15.) Was brauchen Sie in der Wohnung?

16.) Wer soll sie in der Wohnung unterstützen?

17.) Wie viel Geld brauchen Sie, um ausziehen zu können?

18.) Woher bekommen Sie das Geld?

Quelle:

Monika Rauchberger: Was ich überlegt habe, als ich von dem Wohnhaus in die WG umgezogen bin

© Monika Rauchberger 2006

bidok - Internetvolltextbibliothek. Wiederveröffentlichung im Internet.

Stand: 07.06.2010

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