Wege zur Inklusion in England und Deutschland -

eine Herausforderung für das Schulpersonal

Autor:in - Elisabeth Plate
Themenbereiche: Schule
Textsorte: Hausarbeit
Releaseinfo: Hausarbeit im Rahmen der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen. Gutachterinnen: Prof. Dr. Ingeborg Kriwet und Dörthe Detert. Hannover, 09. Juni 2005
Copyright: © Elisabeth Plate 2005

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

"Was ist das für ein Gebilde, diese ‚Gesellschaft', die wir alle miteinander bilden und die dennoch niemand von uns, die nicht einmal wir alle zusammen, so wie sie heute besteht, gewollt und geplant haben, die nur besteht, weil viele Menschen vorhanden sind, und nur in Gang bleibt, weil viele einzelne Menschen etwas wollen und tun, und deren Aufbau, deren große geschichtliche Transformationen dennoch offenbar nicht von dem Willen einzelner Menschen abhängen."

(ELIAS 1994, 17)

"Anlass für Wandlungsprozesse sind nicht Krisen, sondern echte Herausforderungen, auf die sich das System positiv einstellen kann. Es muss sich wandeln wollen, während es gut damit lebt, ständig mit der eigenen Krise konfrontiert zu werden."

(OELKERS 2003, 33)

Seit über drei Jahrzehnten wird um den Begriff der ‚Integration', und später ‚Inklusion', im deutschen Schulwesen debattiert. Das Ergebnis ist eine von Kontroversen geprägte, umfangreiche, theoretische Basis, wahrscheinlich umfassender als in jedem anderen Land und eine ambivalente schulische Praxis. Auf der einen Seite bestehen Tendenzen zu einer inklusiven Beschulung, auf der anderen Seite sind die Schwierigkeiten der schulischen Umsetzung offensichtlich: Lehrer/innen und Erzieher sind überfordert, Eltern sehen die Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Kinder in Gefahr und die Politik bangt um die finanziellen Ressourcen des Staates. Wo liegen die Ursachen dieser Probleme? Welche Möglichkeiten und Ansatzpunkte gibt es, sie zu lösen? Diese Fragen bilden die Grundlage der vorliegenden Arbeit.

  • Die seit einigen Jahren fortschreitende Globalisierung erhöht die gesellschaftliche Brisanz der Inklusion und Vergleiche in der internationalen Bildungsdiskussion spätestens seit der Salamanca-Konferenz 1994 und PISA 2000 positionieren Deutschland im unteren Bereich einer Rangliste, wodurch der Druck auf schulpolitische Reformen steigt. Inklusion ist ein soziales Instrument, aus dem sich unter anderem schulpolitische Konsequenzen ergeben müssen (Kapitel 1).

  • Die bestehenden Differenzen zwischen den nationalen Schulsystemen bewirken jedoch nicht nur einen "Bildungswettbewerb", sondern bieten hinzukommend zum einen die Chance sich an den Erfahrungen und Verhältnissen progressiver staatlicher Bildungssysteme zu orientieren und zum anderen die Entlastung, zu erfahren, dass die eigenen Schwierigkeiten auch in anderen Ländern existieren.

  • Bei einer Untersuchung der gegenwärtigen englischen Schulpraxis während eines einjährigen Aufenthaltes in England, wurden unter anderem erhebliche Unterschiede in der schulischen Personalstruktur im Vergleich zu den deutschen Gegebenheiten (Kapitel 2) sichtbar, die maßgeblich am Erfolg des inklusiven Unterrichts beteiligt sind: eine Ressource, die im Rahmen inklusiver Konzepte in Deutschland erst seit kurzem mit der Professionalisierungsdebatte eine größere Beachtung findet. Es scheint daher ein guter Zeitpunkt für die Betrachtung des am Unterricht beteiligten englischen Schulpersonals, um Anregungen zu erhalten, die eine Reduktion der in Deutschland bestehenden Diskrepanzen zwischen der inklusiven Theorie und ihrer schulischen Umsetzung unterstützen könnten (Kapitel 3).

  • In England weist die Personalentwicklung eine Vielfalt berücksichtigter Faktoren auf, die von ideologischen Wertvorstellungen bis hin zu Personalerweiterungen durch neue Personalgruppen führt (Kapitel 4). Es handelt sich nicht um additive Maßnahmen, die eine inklusive Beschulung ermöglichen, sondern um einen Wandel schulischer Strukturen und einer Neuordnung bestehender Ressourcen.

  • Besondere Erwähnung soll ein in der internationalen Diskussion viel gelobter Bestandteil der Schulpersonals sämtlicher Vorreiter-Länder der schulischen Inklusion, wie Schweden, Italien, Finnland, USA und England erhalten: die Unterrichtsassistenten. Ihre Flexibilität ist das Potenzial, welches sie für die Bedürfnisse der Schüler und Lehrer/innen variabel einsetzbar macht und wodurch sie entscheidend zum Gelingen des inklusiven Unterrichts beitragen. In Deutschland wurden sie bisher nicht in Erwägung gezogen. Die Vorstellung des englischen Modells der ‚Teaching Assistants', das zur Zeit eine neue Professionalisierung erfährt, soll Aufschluss über Aufgaben und Ausbildung dieser Personalgruppe geben (Kapitel 5), um sie schließlich als Option schulpersoneller Entwicklungen in Deutschland in Betracht ziehen zu können (Kapitel 6).

  • Bevor deklariert werden kann, eine inklusive Beschulung sei aufgrund mangelnder Ressourcen in Deutschland nicht durchführbar, gilt es noch viele Konzepte zu entwickeln. Bestehende Unterschiede nationaler Systeme verschaffen keine Legitimation dortige erfolgreiche Praxismodelle für Deutschland als inadäquat zu bezeichnen. Sie dienen vielmehr der Anregung und Unterstützung eigener Umsetzungsversuche. Das Anliegen dieser Arbeit ist nicht Wunschvorstellungen nachzugehen, die in Deutschland keine Umsetzungsmöglichkeiten finden, sondern neue praktikable Wege zur Unterstützung einer erfolgreichen, inklusiven Praxis vorzustellen und dafür zu motivieren, um schließlich alle Beteiligten zufrieden zu stellen.

  • Es gibt viele Wege die zur Inklusion führen. Den passenden zu finden soll eine Herausforderung sein und keine Überforderung.

[Zur Verwendung englischer Begrifflichkeiten in dieser Arbeit: der Begriff der ‚special educational needs' (SEN) wird mit den deutschen Termini ‚sonderpädagogischer Förderbedarf' oder ‚spezielle Förderbedürfnisse' gleichgesetzt; das Adjektiv ‚inklusiv' in Wortkombinationen wie beispielsweise ‚inklusive Zielsetzungen' oder ‚inklusive Anforderungen', wird immer in Bezug zum gesellschaftspolitischen Begriff der ‚Inklusion' gebraucht, der im ersten Kapitel erläutert wird.]

1. Citizenship und Inklusion

"Bedenkt man es einmal in aller Ruhe, dann zeigt sich rasch, daß beides nur zusammen möglich ist, ein störungs- und spannungsloseres Zusammenleben der Menschen nur, wenn alle Individuen dabei hinreichend Befriedigung finden, und ein befriedigenderes individuelles Dasein nur, wenn das zugehörige Gesellschaftsgefüge freier von Spannungen, Störungen und Kämpfen ist."

(ELIAS 1994, 24)

Der Gedanke eines Schulsystems, "das jedem Mitglied der Staatsgemeinschaft ohne Rücksicht auf Geburt, Stand und Vermögen sein ideales und unbestreitbares Recht widerfahren lässt, ... erzogen zu werden..." (KERSCHENSTEINER 1922, VII), ist schon über ein halbes Jahrhundert alt. Heutzutage wird diese Forderung in den meisten Fällen als ‚Inklusion' bezeichnet: Schulische Bildung mit dem Ziel des "Einschlusses[1]" in eine Staatsgemeinschaft als sogenannter ‚Staatsbürger' ist ein Recht, das jedem in einer Gesellschaft gebührt,unabhängig von Herkunft, Fähigkeiten oder Sozialisation. Doch welche Einschränkungen sind an dieses Recht gebunden? Wird es jedem zuteil? Wie kommt es zu der heutigen Aktualität von Inklusion? Was heißt es Staatsbürger zu sein, heute in mitten von Europäisierung und Globalisierung?

Diese sehr weitreichenden und für inklusive Entwicklungen elementaren Fragen stellen das Zentrum dieses Kapitels dar. Grundlage der Diskussion bildet die Theorie der ‚Citizenship Studies', die in vielerlei Hinsicht eine attraktive und geeignete Basis für die weiteren Ausführungen ist:

  • Sie ist umfassend und mehrperspektivisch: Sowohl die Betrachtung der Staatsbürgerschaft als Ganzes, wie auch die Fokussierung einzelner Bestandteile, z.B. sozialer Probleme, marktwirtschaftlicher Interessen, politischer Einflüsse und der Menschenrechte, sind möglich.

  • Sie bezieht sich auf verschiedene Ebenen und macht dabei immer wieder auf die Spannungsverhältnisse zwischen Individuum und Gesellschaft aufmerksam, wodurch sich die Vielschichtigkeit von Inklusion darstellen lässt.

  • Sie ist flexibel in der Kombination mit weiteren Themen:z.B. Citizenship und Exklusion, Citizenship und Immigration (vgl. MACKERT 2001, 291).

  • Sie ist eine relativ junge Disziplin (T.H. Marshall, 1992), wodurch der Aktualitätsbezug gewährleistet wird.

  • Sie bezieht sich auf nationale und internationale Diskussionen und ist daher für den Vergleich zwischen England und Deutschland relevant.

  • Jeder kennt das Wort ‚Citizenship' bzw. ‚Staatsbürgerschaft', oder meint zumindest, es zu kennen. Dies führt einerseits dazu, dass durch allseitigen Gebrauch des Begriffes der Staatsbürgerschaft "dessen Erklärungsgehalt zunehmend gegen null tendiert, denn die Bandbreite der verhandelten Themen reicht von ‚politics of the body' und Tierrechten (Turner 1993) bis hin zu fundamentalistischen Forderungen gesellschaftlicher Gruppen und Gruppierungen, die ihre Anliegen als Ausdruck einer angeblich fortschrittlichen ‚political correctness' ins Feld führen." (MACKERT 2001, 290), andererseits erhält ‚Citizenship Studies' das Potential, auch die Menschen aufmerksam werden zu lassen, die normalerweise von Debatten um Inklusion kaum Notiz nehmen, da sie nicht unmittelbar von inklusiven oder exklusiven Entwicklungen betroffen sind, d.h. nicht zu marginalisierten Bevölkerungsgruppen zählen.

Im Folgenden sollen kurz die zentralen Inhalte der ‚Citizenship Studies' vorgestellt und in Verbindung mit Fragen und Ursachen der aktuellen Inklusionsbewegung behandelt werden.

1.1 ‚Citizenship Studies' und die Ursachen heutiger Inklusionsbewegungen

Citizenship beschreibt EDER in ihrer Position und Bedeutung innerhalb einer Demokratie wie folgt:

"I would like to distinguish two principles that are central to the idea of democracy: first, the principle of enabling the equal participation of people and, second, the principle of collective will formation through rational discussion.... These rules which are central for a democratic order have given rise to two central institutions of a modern democratic order: the first institution is 'citizenship' which includes a series of active political rights of participation; the second institution is the 'public space' which provides an arena for discussing matters." (EDER 2001, 214)

Als zentraler Punkt der Citizenship, der Teilnahme am Staat, werden von EDER die mit ihr einhergehenden Rechte eines Staatsbürgers gesehen. Doch nicht nur die Rechte kennzeichnen den Staatsbürger, sondern vor allem seine Pflichten und Aufgaben, die dem Erhalt des Staates dienen.

Seit Beginn der achtziger Jahre gerät im Rahmen einer immer pluralistischer werdenden Gesellschaft, steigender Immigrantenzahlen in den Industrieländern, Verschwinden des Wohlfahrtsstaates, Europäisierungs- und Globalisierungsbestrebungen u.a. die ursprüngliche Definition der Staatsbürgerschaft ins Wanken.[2] Die Folge war die Gründung des klassischen Ansatzes der ‚Citizenship Studies' 1992 durch T.H. Marshall. Das Ziel dieser wissenschaftlichen Richtung wird von MACKERT folgendermaßen dargestellt:

"... (Es) müssen die kennzeichnenden Aspekte nationaler Staatbürgerschaft - Mitgliedschaft, Partizipation, Rechte und Pflichten - unter radikal veränderten Bedingungen neu bestimmt und die Institution selbst neu verortet werden." (MACKERT 2001, 290)

Das traditionelle Denken in Deutschland, das davon ausgeht, Homogenität ließe bei schwächeren Schülern ein positives Selbstkonzept entstehen und führe in einer Gesellschaft zu Leistungsstärke, ist durch die erziehungswissenschaftliche Forschung mittlerweile widerlegt worden und innerhalb heutiger Staatsstrukturen nicht mehr praktikabel. Bisherige national festgelegte Rechte und Pflichten müssen zunehmend transnationalen Bestimmungen, wie den Menschenrechten und dem mit ihnen einhergehenden Anspruch auf Chancengerechtigkeit[3] weichen. Eine nicht mehr zu übersehende Heterogenität aufgrund individueller Lebensstile kollidiert mit dem Streben des Staates nach Universalismus. Diese Paradoxie erkennt MACKERT in dem heutigen Verständnis von Citizenship:

"Das analytische Potenzial nationaler Staatsbürgerschaft, das den Bürger zur ‚dynamischsten Figur der Geschichte' (Dahrendorf 2000) hat werden lassen, beruht in vier konstitutiven Spannungsverhältnissen: Citizenship ist erstens zugleich rechtlicher Status des Bürgers und Ausdruck seiner gesellschaftlichen Praxis; sie institutionalisiert zweitens formale Gleichheit zwischen den Bürgern, lässt aber legitime soziale Ungleichheiten zu; sie schafft in modernen Gesellschaften drittens eine universalistische Grundlage, auf der eine Vielzahl partikularistischer Lebensentwürfe möglich wird; viertens beantwortet sie auf der Grundlage von Mechanismen der Inklusion und Exklusion die für die Gesellschaften grundlegende und legitime Frage, wer in ihnen Mitglied werden kann und wer nicht." (MACKERT 2001, 291)

Während es vor einigen Jahren noch die Möglichkeit gab, von dem "Normalen" abweichende Lebensarten aus der Gesellschaft auszuschließen, muss heute im Rahmen dargestellter Entwicklungen die Vielzahl bestehender Ungleichheiten vom Staat als neudefinierte "Normalität" toleriert und nutzbar gemacht werden.

Die Schule als entscheidender Ort zur Qualifikation oder "Nützlichmachung" von Staatsbürgern durch die Vermittlung staatsbürgerlicher Pflichten, aber auch Rechte, ist Ballungsraum der von MACKERT aufgezeigten Widersprüche. Schulische Inklusion statt Selektion ist das Konzept, welches durch seine Flexibilität mit der steigenden Vielfalt von Schülern umgehen soll. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein "Einschluss", der die optimale und individuelle Förderung des Einzelnen vorrangig zum Nutzen des Staates gewährleistet. Dabei stehen politisch-kulturelle und wirtschaftliche Interessen mit der "Selbstbeherrschung der Subjekte" (GRöSCHKE 2002, 22) in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis.

Die politisch-kulturellen Interessen des Staates sind ein Faktor, der die Implementierung von Inklusion momentan erschwert. In zwei Punkten wird dies sehr deutlich:

  1. Vor allem der deutsche Staat hängt an dem Jahrzehnte vorherrschenden Gedanken, dass Leistungsstärke in homogenen Gruppen entsteht, wodurch auch die Sonderpädagogik ihre Legitimation erhielt: "...the institutional practice of special education itself is an artifact of the bureaucratic organization of schools. In this regard, I will argue that special education is a nonrational and uncoordinated practice that emerged in 20th-century industrialized democracies to contain the inherent contradiction between the democratic goal of universal public education and the bureaucratic school organizations that were used to address it." (SKRTIC, 1991, 21) Die staatliche Rentabilitität des gemeinsamen Unterrichts von Schülern verschiedener sozialer und nationaler Herkunft, mit unterschiedlichen Begabungs- oder Behinderungsformen, wird trotz der veränderten Umstände, angezweifelt. Es besteht die Angst, dass leistungsfähigere Schüler in ihrer Entwicklung durch schwächere gehemmt werden[4].

  2. Der Staat führt immer mehr Sparmaßnahmen herbei und setzt auf soziale Zusammenschlüsse, ‚Nachbarschaftshilfe', die eine gegenseitige Unterstützung in der Inklusion gewähren sollen. Pädagogen hingegen sehen eine finanzielle Unterstützung vom Staat zur Entwicklung der Ressourcen als notwendig an, um die schulische Erziehung für alle Schüler in der Inklusion effektiv gestalten zu können. Zwei unterschiedliche Wege mit dem gleichen Ziel: der inklusiven Beschulung aller Kinder und Jugendlicher und letztlich der gesellschaftlichen Inklusion.

Die Ursachen heutiger Inklusionsbewegungen in der Gesellschaft sind, wie eben dargestellt, das Resultat von in den achtziger Jahren begonnener und bis heute andauernder Entwicklungen eines wachsenden Pluralismus', zunehmender Europäisierung und Globalisierung. Dies zeigt sich in verschiedenen Bereichen, wie beispielsweise kulturellen, marktwirtschaftlichen, sozialen und politischen. In der deutschen Bildungspolitik müssen hinzukommend die Forderungen nach ‚völliger Integration' von Seiten der kritischen Sonderpädagogik in den siebziger Jahren mit beachtet werden, deren Ziele mit denen der Inklusionsbewegung gleichgesetzt werden können und offensichtlich bis heute nicht erreicht wurden (vgl. KRIWET, 11). Die aktuelle Debatte um schulische Inklusion ist daher nicht nur als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen zu verstehen, sondern gleichzeitig die Kritik an vorangegangenen ungenügenden Integrationskonzepten. Ein insofern wichtiger Hinweis, da die Orientierung an der Integrationsdiskussion dazu verhilft damalige Fehlentwicklungen heute nicht zu wiederholen.

Auf der Basis gerade beschriebener Ausführungen soll nachfolgend das zugrundeliegende theoretische Verständnis von Inklusion in dieser Arbeit, mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die schulische Praxis dargelegt werden.

1.2 Inklusion: theoretische Definition und praktische Konsequenz

Das theoretische Verständnis von Inklusion ist durchaus nicht eindeutig. Dies ist eine Schwierigkeit, die sich vorrangig in internationalen Debatten zeigt:

"One of the initial problems in the discussion of provision for students with SEN in Europe is the importance of understanding one another's language. Apart from the fact that Europe has many different languages there are number of terms in use which are not translatable into different registers. One example is the term 'special education needs'." (O'HANLON 1995, 4)

Begriffe wie ‚Mainstreaming', ‚Normalization' oder ‚Integration' werden in einigen Ländern durch den Begriff der ‚Inklusion' abgelöst, andern Orts gelten sie als divergent. Diese Gegebenheiten haben auf der einen Seite zur Folge, dass von jedem, der sich mit Inklusion beschäftigt, eine Definition verlangt wird, um Missverständnisse zu verhindern, auf der anderen Seite heben CLARK, DYSON und MILLWARD hervor:

"...it tells us something about the state of the field of 'inclusive education' as it is currently constituted." (CLARK/DYSON/MILLWARD 1995, 164)

Der Begriff der ‚Inklusion' in dieser Arbeit lehnt sich an vorangegangene Ausführungen zu den ‚Citizenship Studies' an. Um Irritationen, vor allem in englischsprachigen Zitaten vorzubeugen, werden keine Differenzierungen zwischen den Begriffen ‚Inklusion', ‚Integration', ‚Mainstreaming' und ‚Normalization' vorgenommen und eingeschränkte Umsetzungen schulischer Inklusion, die in der Literatur häufig als ‚Teilintegration' gegenüber der ‚total inclusion' bezeichnet werden, sind hier unter den Begriffen der ‚Separation' oder ‚Selektion' mit eindeutig selektiven Ansätzen zusammengefasst.

Die dieser Arbeit zugrunde liegende Definition der Inklusion stammt von GEORG FEUSER, einem Vertreter der kritischen Sonderpädagogik in Deutschland, der unter anderen, wie vorangehend erwähnt in den siebziger Jahren eine Integration propagierte, die der heutigen Inklusion entspricht:

"... (Eine) untrennbare Einheit von sozialer Gemeinschaft und einer subjektorientierten Erziehung und Bildung aller ihrer Mitglieder. Diese Einheit fasst das Fundamentum der gesellschaftlichen und pädagogischen Bewegung, die wir heute mit dem Begriff der ‚Integration' fassen und als kulturbildenden Prozess verstehen." (FEUSER 1995, 137)

Die Definition zeichnet sich durch folgende wesentlichen Merkmale aus:

- Inklusion wird als ‚kulturbildender Prozess' verstanden;

- Inklusion findet auf verschiedenen Ebenen[5] statt:

  • der Ebene des Individuums oder Subjektes ("...subjektorientierte Erziehung und Bildung...");

  • der Ebene der Schule, der Klasse, der Kindergärten, der Familie u.a. ("...sozialer Gemeinschaft ... aller ihrer Mitglieder...");

  • der Ebene des Erziehungssystems ("...pädagogische Bewegung...")

  • der gesellschaftlichen Ebene (" ...gesellschaftliche Bewegung...")

- Inklusion ist zum Nutzen der Gemeinschaft und des Individuums;

- Inklusion bezieht sich auf alle marginalisierten Bevölkerungsgruppen, nicht nur auf Menschen mit Behinderungen;

- Verschiedenheit wird als positiver Wert, als "Normalität" angesehen;

- Schwierigkeiten eines Schülers in der Schule werden als von der Schule verursacht und nicht dem Schüler inherent betrachtet;

Eng verknüpft mit dem Inklusionsverständnis sind die Begriffe ‚Behinderung' und ‚Beeinträchtigung'. Ihre Definitionen sind der ‚International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps' (ICIDH) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entnommen. Hervorzuheben ist, dass ‚Behinderungen' als durch eine Schädigung[6] verursachte "Störungen auf der Ebene des Individuums" (WHO 1980) verstanden werden, während ‚Beeinträchtigungen' die Folge einer Behinderung sind die den "Betreffenden in der Ausübung einer für ihn normalen Rolle (je nach Alter, Geschlecht, sozialen und kulturellen Faktoren)" (WHO 1980) einschränken und sich folglich auf die Ebene des sozialen Umfeldes und die damit verbundenen Erwartungen an den Einzelnen beziehen.

Zum Begriff der Inklusion könnte noch weitaus mehr gesagt werden. Zentrales Anliegen dieses Kapitels war, ausgehend von den zu Beginn gestellten Fragen, die Entstehungszusammenhänge und Bedeutung der heutigen Inklusion zu erörtern. Es sollte deutlich geworden sein, dass Inklusion eine Folge der durch politisch-kulturelle Internationalisierung neu formulierten Staatsbürgerrechte ist. Ihre Funktion besteht darin, individuelle Lebensentwürfe mit den Interessen des Staates in Form von Staatsbürgerpflichten zu vereinen. In diesem Kontext sind verschiedenste zum Teil divergierende Bereiche, wie Wirtschaft, Politik, Recht, Sozialwesen, Kultur, moralische Aspekte u.a. betroffen, wodurch die Eingrenzung des Inklusionsbegriffes erschwert wird.

In Bezug auf die schulische Inklusion ist es vor allem die zu beachtende ‚Individualität', die zu Schwierigkeiten führt. Mit ihr wird auf eine unendliche Zahl möglicher Bedürfnisse eines Schülers, entstanden durch Komponenten verschiedener Ebenen (s.o.), wie beispielsweise Familie, kultureller Ursprung, soziale Hintergründe, Interessen, Temperament o.ä. hingewiesen, die als Bestandteil des Unterrichts Beachtung finden müssen. Fragen zur Implementierung schulischer Inklusion sind aufgrund dieser vielfältigen Einflüsse, Intentionen und Perspektiven des Einzelnen nicht einheitlich oder nur sehr allgemein zu beantworten:

"...we believe, that the only way to understand mainstreaming, to define it for ourselves, is to understand the meaning that people attach to it. And it may mean different things to different people, depending on such factors as their roles (for example whether a person is a principal or a parent), their specific encounter with it, and their attitudes about disabilities.

For some people mainstreaming means complying with the law, either because they want to or feel they must.... Thus, many parents regard mainstreaming as a principal right, as a symbol of their child's worthiness..." (BIKLEN 1985, 3)

Doch genau diese Variationsbreite und Flexibilität von Inklusion, die Inklusion in ihrer praktischen Umsetzung zu berücksichtigen vermag und die gleichzeitig eine begriffliche Eingrenzung so erschweren, sind das notwendige Potential für den Umgang mit der heutigen gesellschaftlichen Heterogenität und Schaffung chancengleicher Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen der Internationalisierung.

Die Auseinandersetzung mit den Zielen der gesellschaftlichen Inklusion bildet die Voraussetzung für eine erfolgreiche inklusive Schulentwicklung, die sich bisher häufig nur an schulorganisatorischen und schulpolitischen Bedingungen orientierte. Den Zusammenhang zwischen schulischer Erziehung und gesellschaftlicher Inklusion stellt SHARON RUSTEMIER nochmals zusammenfassend dar:

"Making education acceptable according to human rights standards means paying attention to the purposes of education not only in terms of qualification and outcomes but in terms of enabling all people to live together on the basis of non-discrimination and equality and thedevelopment in every individual of a sense of worth and dignity and a respect for the worth and dignity of others." (RUSTEMIER 2002, 23)



[1] In|klu|si|on die; -, -en: (selten) Einschließung, Einschluss; (c) Dudenverlag.

[2] "Vor allem seit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung hat sich die Veränderungsdynamik in den sozialstrukturellen, sozialnormativen und soziokulturellen Grundlagen der Gesellschaft enorm zugespitzt mit der Folge einer deutlichen Verdichtung gesellschaftlicher Konflikte und Krisen und einer Senkung der Schwelle der Gewaltbereitschaft." (GRöSCHKE 2002, 19)

[3] Die Verwendung des Begriffes ‚Chancengerechtigkeit' oder seine Ersetzung durch den Begriff der ‚Chancengleichheit' ist im Kontext der Menschenrechte zu diskutieren.

[4] Interessanterweise sind es in den meisten anderen Ländern, wie beispielsweise England und Schweden, die Eltern der Kinder mit Behinderungen, die anzweifeln, dass ihre Kinder im inklusiven Unterricht genauso gut gefördert werden können, wie im sonderpädagogischen Unterricht.

[5] Für weitere Vertiefungen ist der Aufsatz "Integration als Prozess". In: Sonderpädagogik 3/1986, 115 - 122 und Fortsetzung in: Sonderpädagogik 4/1986, 154 - 160 von H. REISER, G. KLEIN, G. KREIE und M. KRON zu empfehlen.

[6] "Impairments - Schädigungen. Als Schädigung wird jeder Verlust und jede Abnormität einer psychischen, physiologischen oder anatomischen Struktur bzw. Funktion bezeichnet. Schädigungen sind Störungen auf der Organebene." (WHO 1980)

2. Der Status Quo: Beispiele gegenwärtiger schulischer Inklusion in England und Deutschland

"Die ‚inclusive school' ist nicht nur deshalb eine veränderte Schule, weil sie behinderte Kinder aufnimmt, sondern weil sie durch höhere Qualitätsstandards schulisches Lernen für alle Kinder erfolgreich gestaltet. So heißt es, die meisten Veränderungen hätten nicht ausschließlich mit der Einbeziehung von Kindern mit speziellem Erziehungs- und Bildungsbedarf zu tun, sondern seien Teil einer breiteren Reform zur Verbesserung des Bildungswesens für alle Schüler."

(BIEWER 2000, 154)

Nachdem vorangehend das Verständnis des Begriffes der ‚Inklusion' und damit die theoretische Basis dieser Arbeit Erwähnung fand, sollen nun ergänzend aktuelle schulische Gegebenheiten in England und Deutschland als Grundlage für die praktische Umsetzung vorgestellt werden. In der Gegenüberstellung einer primary school in Lancashire (England) und einer Grundschule mit Integrationsklassen in Niedersachsen (Deutschland) wird die aktuelle schul-personelle Situation beider Schulsysteme fokussiert. Sie bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Erwägung schulpersoneller Veränderungen.

Ein internationaler Vergleich sollte immer im Kontext der politischen und soziokulturellen Bedingungen des jeweiligen Landes gesehen werden, um eine realistische Einschätzung des jeweils beschriebenen Gegenstandes zu erhalten. Hinzu kommen lokale Abweichungen, die die Repräsentanz der nationalen Situation durch nur ein einzelnes Fallbeispiel in Frage stellen. Da jedoch Variationen inklusiver Beschulungsformen, wie BIKLEN hervorhebt, niemals auszuschließen sind und der Definition zufolge sogar erwartet werden, um Standardisierungen zu entgehen, kann ein Eindruck nationaler Gegebenheiten des englischen und deutschen Primarunterrichts anhand nur jeweils einer Schule durchaus vermittelt werden:

"As with any social policy, particularly a new one, mainstreaming takes many forms. It is not one thing. It cannot be neatly defined. Thus, schools have been relatively free to shape it in their own image or, more accurately, in their own images. It can look different from one school or one district to another,..." (BIKLEN 1989, 12 ff.)

Aus folgenden Gründen fiel die Wahl der Fallbeispiele auf diese zwei Schulen:

  • Beide Schulen sind Primarschulen und erfüllen daher die gleiche Funktion: die Förderung von Kindern im Primarbereich, als Fortführung der vorschulischen Erziehung und Vorbereitung auf den Sekundarbereich.

  • In beiden Schulen werden Kinder mit als auch ohne speziellen Förderbedürfnissen gemeinsam in einer Klasse unterrichtet, was z. B. in Niedersachsen nicht in jeder Grundschule gewährleistet wird.

  • Deutsche Ansätze von Inklusion konzentrieren sich gegenwärtig größtenteils auf den Primarbereich. Für einen Vergleich inklusiver Unterrichtspraxis im Sekundarbereich gibt es bisher zu wenig Beispiele.

  • Durch die Absolvierung eines mehrwöchigen Praktikums in beiden Schulen, bekam ich einen recht umfassenden Einblick in die schulische Arbeit und Organisation, wodurch die Darstellung erleichtert wird und interne Informationen mit einfließen können.

Die Beschreibungen beginnen mit einem kurzen Einblick in den Unterrichtsalltag beider Schulen, anhand dessen Informationen über die Organisation und Aufbau der schulischen Arbeit gegeben werden. Darauf folgen Darstellungen der Aufgabenbereiche und Ausbildungsgänge einzelner Mitglieder des unterrichtenden und betreuenden Personals. Abschließend soll ein Organigramm für das jeweilige Schulpersonal beider Schulen, eine tabellarische Darstellung quantitativer Angaben über das Personal-Schüler-Verhältnis sowie der einzelnen Personalgehälter einen zusammenfassenden Überblick geben.

Je umfangreicher und konkreter die Vorstellung der gegenwärtigen Situation des inklusiven Unterrichts in beiden Ländern ist, desto effektiver kann in den folgenden Kapiteln über notwendige Veränderungen des niedersächsischen Systems, angeregt durch die englische Praxis, nachgedacht und gegebenenfalls eine Übertragung auf weitere Teile Deutschlands in Erwägung gezogen werden.

2.1 Mossgate Primary School'

‚Mossgate Primary School' liegt in Heysham, Lancashire, einem kleinen Ort an der Küste Nordwest-Englands. Heysham besitzt eine gemischte soziale Einwohnerschicht. Hauptsächlich mittelständische und verarmte Bezirke, doch auch wohlhabendere Viertel, wie beispielsweise Heyshamvillage, prägen das Bild dieses Ortes. Die Schule befindet sich in einem sozialen Brennpunktgebiet, welches die Entwicklung von Inklusion auf der Basis der Bestimmungen des ‚Education Act 1996' in Mossgate beschleunigte.

Folgende Vorgaben werden im Education Act 1996 bezüglich inklusiver Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemacht:

"316 Duty to educate children with special needs in mainstream schools...

(2) If no statement is maintained under section 324 for the child, he must be educated in a mainstream school[7].

(3) If a statement is maintained under section 324 for the child, he must be educated in a main-stream school unless that is incompatible with -

A.) the wishes of his parents, or

B.) the provision of efficient education for other children." (DES 1996)

Aufgrund der in ‚Mossgate' unterrichteten großen Schülerheterogenität, die ganz unterschiedliche familiäre Ausgangslagen und elterliche Unterstützungsmöglichkeiten besitzen, wurde die Inklusion und insbesondere die soziale Inklusion ein zentrales Anliegen der Schule. Im Schulprospekt wird das Verständnis der inklusiven Arbeit in Mossgate wie folgt beschrieben:

"At Mossgate we operate a policy of inclusion where ALL children have access to a broad and balanced curriculum. We believe that children have a right to quality education." (Special Educational Needs, MOSSGATE PRIMARY SCHOOL 2004b)

Das Anliegen der sozialen Inklusion ließ hinzukommend eine ‚Behaviour Management Policy' mit sehr genau beschriebenen Verhaltensregelungen entstehen, die für Lehrer/innen und Schüler gleichermaßen gelten und erschuf den Posten eines ‚Education Support Worker', dessen Aufgaben in der nachstehenden Personalbeschreibung (vgl. 2.3.1.5) geschildert werden.

2.1.1 Die schulische Arbeit in ‚Mossgate' (Beschreibung eines Unterrichtstages)

Ein Schultag beginnt immer um 8.30 Uhr und endet um 14.45 Uhr. Von 11.45 Uhr bis 12.45 Uhr gibt es eine Mittagspause für die erste und zweite Klasse, die dritte und vierte Klasse folgt von 12.00 Uhr bis 12.45 Uhr.

Dreimal in der Woche findet morgens in der ersten Stunde ein ‚Assembly', eine Schülerversammlung statt, an der alle Klassen teilnehmen. Sie wird von einem oder zwei Lehrern und Lehrerinnen geleitet und beinhaltet häufig soziale, kulturelle und religiöse Themen, sowie organisatorische Belange. Neben den leitenden Lehrern stehen Teaching Assistants[8] als Aufsichtspersonen zur Verfügung.

Der anschließende erste Teil des Schultages bis zur Mittagspause beinhaltet vorrangig den Unterricht in den sogenannten ‚core subjects'[9]. Die noch verbleibende Zeit wird auf die ‚noncore foundation subjects'[10] verteilt. Der Unterrichtsaufbau und die -organisation variieren von Klasse zu Klasse. Durch den hohen Personalschlüssel im Klassenunterricht (s.u.) sowie die bewusst gering gehaltenen gesetzlichen Vorgaben[11] bezüglich der inhaltlichen Unterrichtsplanungen, werden der Lehrkraft viele Freiheiten in der Unterrichtsgestaltung gewährt, die zu einer gesteigerten Effektivität führen können.

In den meisten Fällen wird die Unterrichtsstunde mit der gesamten Klasse begonnen. Es werden neue Unterrichtsthemen eingeführt oder schon behandelte wiederholt. Kinder, die Schwierigkeiten in dem jeweiligen Unterrichtsfach haben, sowohl jene mit, als auch ohne offiziell festgestellten speziellen Förderbedürfnissen[12], bekommen in dieser Unterrichtsphase Unterstützung durch den Teaching Assistant, der jeder Klasse zur Verfügung gestellt ist.

Im zweiten Teil einer Unterrichtsstunde wird häufig in Gruppen gearbeitet. Die Schüler werden nach ihren Fähigkeiten in mehrere Gruppen eingeteilt und bearbeiten die gleichen Aufgabenstellungen auf unterschiedlichen Niveaus mittels Unterrichtsdifferenzierung. Die Grundlage sämtlicher Unterrichtsinhalte bildet für alle Schüler das National Curriculum. Das Curriculum stellt von vornherein Differenzierungsmöglichkeiten durch Unterteilung in ‚levels' zur Verfügung, die durch entsprechende Vorlagen in Publikationen der Regierung[13] weiter differenziert werden können:

"353. The National Curriculum shall comprise the core and other foundation subjects and specify in relation to each of them-

(a). the knowledge, skills and understanding which pupils of different abilities and maturities are expected to have by the end of each key stage...,

(b) the matters, skills and processes which are required to be taught to pupils of different abilities and maturities during each key stage...,..." (DES 1996)

Durch diese einheitliche Basis sämtlicher Unterrichtsdifferenzierungen, wird der Anschluss an eine höhere "Leistungsgruppe" erleichtert. Die Kinder mit speziellen Förderbedürfnissen sind nicht automatisch Teil der schwächsten Gruppe. Erfahrungen zeigen, dass die Lehrer/innen durchaus in der Lage sind unabhängig von dem offiziell diagnostizierten Förderbedarf zu erkennen, in welchen Bereichen ein Kind Stärken und Schwächen besitzt, sodass die Gruppenzusammenstellungen immer wieder unterschiedlich ausfallen. Die Lehrkraft und das Assistenzpersonal, wie die Teaching Assistants, ordnen sich je nach Bedarf entweder einer Gruppe zu, mit der sie die gesamte Zeit hindurch arbeiten, oder stehen flexibel allen Schülern zur Verfügung. Die Basis dieser Unterrichtsphase bildet das selbständige Arbeiten der Schüler ohne ständige Betreuung einer Lehrkraft, welches in England von Beginn der Schulzeit an wesentlicher Bestandteil des Unterrichts ist.

Die geschilderten Arbeitsformen, der gemeinsame Beginn des Unterrichts und das anschließend selbständige Arbeiten der Schüler in Kleingruppen oder alleine, beruhen auf den Konzeptionen des ‚Open Classroom' oder der ‚Open Education', deren Ursprünge in England und den USA liegen.[14]

Diese Zeit des Unterrichts wird auch für betreute Einzel- und Kleingruppenarbeit, meist mit dem Teaching Assistant und nicht nur für Schüler mit besonderen Lernbedürfnissen, im Vorraum des Klassenraumes, genutzt. Hinzukommend erhält jedes Kind mehrmals in der Woche circa zehn Minuten Einzelleseunterricht von Elternhelfern (‚parents helpers') erteilt, die ehrenamtlich in ‚Mossgate' arbeiten.

Die Räumlichkeiten der Schule sind so angelegt, dass sich immer zwei Klassen einen Vorraum zu ihren Klassenräumen teilen. Eine Fensterwand aus Glas, die den Klassenraum vom Vorraum trennt und die meistens offenstehende Klassenraumtür, verhindern ein Gefühl der Isolation bei Schülern, die kurzzeitig räumlich getrennt von den Klassenkameraden unterrichtet werden.

Die verschiedenen dargestellten Unterrichtsformen, das Unterrichten in der gesamten Klasse, in Kleingruppen oder in Einzelbetreuung, haben das Ziel, eine Förderung zu erreichen, die durch Flexibilität so optimal wie möglich an die Bedürfnisse eines jeden Schülers angepasst wird. Die Möglichkeit flexibel zu handeln zu können wird unterstützt durch die große Eigenverantwortlichkeit englischer Schulen und geringere staatliche Vorgaben aufgrund des dezentralistischen Schulsystems. Nur durch sogenannte ‚statutory assessments'[15] am Ende einer jeden Keystage[16] kann die Regierung die Arbeit der Schulen anhand der Schülerergebnisse überprüfen.

2.1.2 Weitere Angebote und Aktivitäten der Schule außerhalb des Klassenverbandes

‚Mossgate Primary School' versteht sich als eine soziale Gemeinschaft, in der Schulpersonal, Schüler und Eltern über die Grenzen der Klassenräume hinaus miteinander leben und gemeinsame Ziele verfolgen. Dies basiert auf gleichen Wertvorstellungen, deren Bedeutung in späteren Kapiteln ausführlicher erläutert wird:

"At Mossgate we are working as a community to provide a secure environment where quality education allows everyone to succeed. ... Tolerance, respect and understanding of others are promoted throughout the school and every effort is made to promote social inclusion for all." (School Mission Statement & Equal Opportunities, MOSSGATE PRIMARY SCHOOL 2004b)

Mit jahrgangsübergreifenden Aktivitäten für die Schüler, Angeboten für Eltern und einer intensiven Verbindung zu außerschulischen Organisationen wird versucht den verschiedenen Anliegen aller Beteiligten zu entsprechen.

"We believe very strongly in working in partnerships with parents and everyone else who can make a difference to your child's education." (School Ethos and Values, ‚MOSSGATE PRIMARY SCHOOL' 2004b)

Für die Schüler findet einmal in der Woche ein jahrgangsübergreifender Chor statt, der von Lehrern/Lehrerinnen und Teaching Assistants geleitet wird. Außerdem werden Arbeitsgemeinschaften auf freiwilliger Basis, wie zum Beispiel eine Tanz- und Turngruppe, eine Fußballmannschaft, eine Theatergruppe, Sprachkurse, Outdoor-Kurse u.a. von verschiedenen Mitgliedern des Schulpersonals angeboten.

Ein Education Support Worker kümmert sich neben seiner Tätigkeit als Sportlehrer um die privaten Probleme von Schülern und Familien, bietet Hilfen an und steht in engem Kontakt mit dem ‚social service', dem sozialen Dienst in England.

Für einen besseren Kontakt zwischen Schulpersonal und Eltern wurde eine ‚Parents and Staff Association (PSA)' gegründet, die sowohl Schulveranstaltungen und die dafür erforderlichen finanziellen Mittel sowie Elternhelfer organisiert.

Der Kontakt zu außerschulischen Institutionen ist allein aufgrund der Auflagen zum ‚School Action Plus Plan' für die Schule verpflichtend. Doch auch für andere Belange und im Sinne einer auf institutionellen Netzwerken beruhenden Förderung eines jeden Kindes, ist die Zusammenarbeit der Schule mit anderen Organisationen unentbehrlich. Immer wieder kommen Mitarbeiter außerschulischer Organisationen, wie zum Beispiel occupational therapists[17], Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und andere zur Förderung einzelner Schüler in die Schule oder es werden gemeinsame Veranstaltungen organisiert, um Verbindungen zwischen Familien und Organisationen zu knüpfen.

2.2 Friedrich-Ebert-Grundschule Hannover

Die Friedrich-Ebert-Schule ist mit fünf bis sechs Parallelklassen pro Jahrgang und mit 25 bis 30 Schülern in jeder Klasse die größte Grundschule Hannovers. Die Hauptstadt im Süden Niedersachsens besitzt circa 500.000 Einwohner von ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft. Hauptsächlich prägen mittelständische Stadtteile das Bild Hannovers.

Die Schule liegt in einem Gebiet, welches, spätestens seit der Errichtung mehrerer Sozialwohnungsblocks nahe der Schule, Schülerinnen und Schüler aus einem überwiegend sozial benachteiligten Milieu unterrichtet. Die unterschiedlich situierten Familienverhältnisse der Schüler führen zu vielen Aggressionen unter den Schülerinnen und Schülern, welche im Unterricht aufgefangen werden müssen.

Die Schule kooperiert mit zwei Sonderschulen: der ‚Astrid-Lindgren-Schule', einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen und der ‚Albert-Liebmann-Schule', einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache. Eine sonderpädagogische Fachkraft der Albert-Liebmann-Schule kommt im Rahmen der Kooperation für vier Stunden pro Woche in die Schule, um dort nach Bedarf in Kleingruppen und Einzelförderung Wahrnehmungstraining, Sprachheilunterricht oder Diagnostik durchzuführen.

Die zweite sonderpädagogische Fachkraft ist im Rahmen der Integration in der Schule tätig. Zur Zeit gibt es zwei Integrationsklassen (I-Klassen) im ersten und dritten Jahrgang. Die Arbeitszeit der Sonderpädagogin in den I-Klassen ist abhängig von der Art der Behinderung der zu integrierenden Schüler. Für jedes Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich des Lernens oder der emotionalen und sozialen Entwicklung werden der Förderschullehrkraft zwei Stunden pro Woche in der Integrationsklasse zugeteilt, für jedes Kind mit kognitiven Beeinträchtigungen oder Behinderungen werden fünf Stunden bereitgestellt[18]. Es kann hieraus bereits ersehen werden, weshalb nicht jeder Jahrgang der Friedrich-Ebert-Schule eine Integrationsklasse besitzt. Bei zu wenig Anmeldungen von Kindern mit besonderem Förderbedarf, ist die Unterstützungsmöglichkeit durch eine sonderpädagogische Fachkraft aufgrund der geringen Stundenzahlen so begrenzt, dass die Förderung des einzelnen Kindes effektiver in einer Förderschule, aufgrund der dortigen Ressourcen, ausfallen würde. Damit tritt die in §4 des Niedersächsischen Schulgesetzes formulierte Einschränkung integrativer Möglichkeiten in Kraft, die eine Integration nur unter der Bedingung zulassen, "wenn auf diese Weise dem individuellen Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler entsprochen werden kann, soweit es die organisatorischen, personellen und sächlichen Gegebenheiten erlauben." (NIEDERSÄCHSI-SCHES KULTUSMINISTERIUM 3.3.1998, 9)

Es wird anhand dieses Beispiels ersichtlich, welchen Einfluss der Personalschlüssel auf die Möglichkeiten der Integration eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat. Doch darauf soll zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen werden.

2.2.1 Ein Tag in einer I-Klasse in der Friedrich-Ebert-Schule

Die personelle Betreuung der Integrationsklassen fällt innerhalb einer Schule aufgrund der gesetzlichen Auflagen zu den Förderschullehrerstunden (vgl. 2.2) bereits unterschiedlich aus. Für ein besseres Verständnis erschien es daher sinnvoll die Praxis der Integration anhand einer Klasse aufzuzeigen. Die dargestellten Gegebenheiten lassen sich trotz angesprochener Unterschiede auf andere Integrationsklassen übertragen und verschaffen so einen Einblick in die Praxis der Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Die erste Unterrichtsstunde in der ‚Friedrich-Ebert-Schule' beginnt um 8.00 Uhr und die sechste Stunde endet um 13.35 Uhr. Der gesamte Schultag wird durch zwei große Pausen von einmal 15 und einmal 20 Minuten geteilt. In der Integrationsklasse des dritten Jahrgangs befinden sich insgesamt 18 Schülerinnen und Schüler, von denen vier einen sonderpädagogischen Förderbedarf attestiert bekommen haben. Insgesamt darf eine Klassengröße von 24 Schülerinnen und Schülern mit maximal vier Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf in Integrationsklassen nicht überschritten werden.

Die vier Kinder dieser dritten Klasse besitzen unterschiedliche sonderpädagogische Förderbedürfnisse: in der emotionalen und sozialen Entwicklung, im Bereich des Lernens und im Bereich der geistigen Entwicklung. Durch einen sehr hohen Ausländeranteil in der Klasse, sind es jedoch noch weitere Kinder, die vor allem in der sprachlichen Förderung eine zusätzliche Unterstützung benötigen. Diese Kinder sind nicht etikettiert. Deswegen fließen keine besonderen Ressourcen in die Klasse. Der Förderbedarf muss also ohne besondere Unterstützung von der Regelschullehrer/in geleistet werden.

Die Klassenleitung wird von einer Sonderpädagogin, die für insgesamt elf Stunden pro Woche in dieser Klasse ist, und einer Grundschullehrerin übernommen. Alle Unterrichtsstunden werden gemeinsam geplant, unabhängig davon, ob sie auch beide in der Klasse sind.

Der Unterricht in den Hauptfächern findet in jeder Klassenstufe im Laufe des Vormittages statt. Er ist meistens in eine Phase des Frontalunterrichts mit einzelnen Schüleraktivitäten und einer Schülerarbeitsphase, die allein, zu zweit oder in Tischgruppen stattfindet, unterteilt.

Während zu Beginn der ersten Klasse versucht wurde alle Kinder in der Klasse zusammen mit Hilfe innerer Differenzierungen im ‚Gemeinsamen Unterricht'[19] zu unterrichten, sind nach Aussagen beider Lehrerinnen die Leistungsabstände zwischen den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie der von zwei weiteren Schülern zum Rest der Klasse bereits nach drei Monaten so groß gewesen, dass entschieden wurde, im Hauptfachunterricht die Förderschullehrkraft mit diesen Kindern im Nebenraum arbeiten zu lassen. So kann die Zeit der Sonderpädagogin effektiver genutzt und der Unterricht stärker an den individuellen Bedürfnisse der Schüler orientiert werden.

Der Nebenraum ist ein kleiner Raum zwischen zwei Klassenräumen, der von beiden angrenzenden Klassen genutzt wird. Durch eine Tür ist er mit dem Klassenraum verbunden. Abhängig von der Situation wird sie geschlossen oder offen gehalten.

Der Unterricht für die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf basiert auf den curricularen Vorgaben der Förderschulen mit den Schwerpunkten ‚Lernen' oder ‚geistige Entwicklung'. Das heißt, die Entscheidung, ob ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Klasse wiederholt, wird unter Berücksichtigung der Rahmenrichtlinien der Förderschule, nicht der Regelschule, entschieden.

In den Nebenfächern wird die gesamte Klasse gemeinsam unterrichtet. Alle Unterrichtsstunden, in denen nicht getrennt unterrichtet wird, beinhalten mehrere Aufgabendifferenzierungen, wie unter anderem in Form des ‚Stationslernens'.

Während die Förderschullehrerin bei einer Teilung der Klasse, immer diejenige ist, die mit der Kleingruppe arbeitet, geschieht es durchaus, dass im ‚Gemeinsamen Unterricht' die Regelschullehrerin als Unterstützung einzelner Schüler zur Verfügung steht und die Sonderpädagogin den Unterricht leitet.[20]

Nach der fünften Stunde findet für die dritte Klasse häufig kein Unterricht mehr statt. Da eine Grundschule jedoch seit dem Erlass ‚Die Arbeit in der Grundschule' der Ministerkonferenz vom 3.2.2004 ein fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot gewährleisten muss, übernehmen pädagogische Mitarbeiter die Betreuung der Schüler nach dem Unterricht (vgl. NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 18.05.2004).

2.2.2 Weitere Angebote der ‚Friedrich-Ebert-Schule'

Von den Lehrern und Lehrerinnen der Schule werden neben einigen Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag auch Kurse für Computerunterricht, Verhaltens- und Konzentrationstraining während der Schulzeit angeboten. Durch die Lehrkraft der Albert-Liebmann-Schule gibt es für ausgewählte Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit Wahrnehmungstraining, Lese-Rechtschreib-Training und Sprachförderung zu bekommen.

Eine Besonderheit der Schule ist das sogenannte Förder- und Forderband. Es ist eine Einrichtung für die dritten und vierten Klassen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Sämtliche Schüler beider Jahrgangsstufen werden in zwei Gruppen aufgeteilt, die Forder- (für die Leistungsstärkeren) und die Fördergruppe (für die Kinder mit größeren Schwierigkeiten im jeweiligen Fach). Hinter dieser Konzeption steht die Idee, eine Unterrichtsdifferenzierung mit möglichst geringem Personalaufwand zu erreichen, d.h. die Klassenlehrer/innen der vierten Klassen übernehmen jeweils eine Schülergruppe, zum Beispiel die Deutschfordergruppe, und drei weitere Lehrkräfte teilen die drei anderen klassenübergreifenden Gruppen, Deutschförder-, Matheforder- und Mathefördergruppe untereinander auf.

Durch Elternabende und -sprechtage gibt es für Eltern und Lehrer/innen die Möglichkeit sich über Schwierigkeiten im schulischen und familiären Bereich auszutauschen, wodurch eine umfassendere Förderung der Schülerinnen und Schüler gewährleistet werden kann.

2.3 Welche Personen erschaffen die Praxis? - Aufgaben und Ausbildung des englischen und deutschen Schulpersonals

Für vergleichende Betrachtungen des Personals an deutschen und englischen Schulen werden sämtliche Berufsgruppen, die in die Förderung und Betreuung der Schüler in beiden Schulen involviert sind, in kurzer Form mit ihren Aufgaben und Ausbildungen vorgestellt. Diese Informationen dienen der Einsicht in Möglichkeiten und Grenzen des gegenwärtigen Personals im Umgang mit neu entstehenden Herausforderungen im Rahmen der Inklusion. Sie bilden die Grundlage für weitere Ausführungen.

Die nachfolgend beschriebenen Aufgabenprofile sind aus Beobachtungen der Praxis, im direkten Gespräch mit Mitarbeitern der Schulen und aus den gesetzlichen und schulischen Vorgaben einzelner Berufsprofile zusammengestellt, wodurch sie auch auf andere Schulorganisationen übertragbar sind. Da die englischen Schulen aufgrund ihrer Eigenverantwortlichkeit größtenteils eigene Berufsbeschreibungen, angelehnt an nationale Standards[21], entwerfen, können lokale Abweichungen entstehen. Sie sind auf Ursachen, wie eine unterschiedliche Schulgröße, Entwicklungsphasen der einzelnen Schule, Schülerklientel, schulisches Umfeld und andere Faktoren zurückzuführen.

Es handelt sich ausschließlich um eine Gegenüberstellung der aktuellen deutschen und englischen Gegebenheiten. Leser, die mit Teilen dieses Kapitels bereits vertraut sind, seien daher auf die Möglichkeit hingewiesen entsprechende Abschnitte zu überspringen.

Eine Reflexion, sowie vergleichende Angaben erfolgen in den nachstehenden Kapiteln.

2.3.1 Mossgates Schulpersonal

2.3.1.1 Teacher

Das Lehramtsstudium für die Primarstufe in England

Der Studiengang ‚Lehramt für die Primarstufe' (‚Primary Teacher Education') kann in England in einem drei- oder vierjährigen Studium absolviert werden. Am Ende beider Kurse steht ein Diplom, ein sogenanntes ‚honours degree with Qualified Teacher Status (QTS)', welches dazu berechtigt, im Primar- oder Vorschulbereich[22] zu unterrichten. Der Unterschied zwischen beiden Kursen besteht darin, dass in dem vierjährigen Studium eine Fachspezialisierung hinzukommt: ein zusätzlicher Schwerpunkt neben den generell zu studierenden Fächern. Dadurch ergeben sich auf der einen Seite bessere Einstellungschancen, auf der anderen Seite ist die Möglichkeit geboten, sich auch außerhalb des Lehramts, in dem jeweils spezialisierten Fachgebiet beruflich zu orientieren. Die Schwerpunkte können sowohl in Schulfächern, wie auch in Themengebieten, wie beispielsweise ‚special educational needs' gewählt werden, wodurch in diesem Fall eine Anstellung als SENCO[23] in der Schule wahrscheinlicher wird.

Der Aufbau des Lehramtsstudiums ist in England sehr stark an der Praxis orientiert. Dies liegt unter anderem in der engen Zusammenarbeit von Schulen und Universitäten oder Colleges begründet, die gemeinsam die Planungen des Lehramtsstudiums übernehmen. Durch präzise Vorgaben des Unterrichtens, die in den vielen Praktika immer wiederholt werden, wird auf einen stark eigenverantwortlichen Unterricht im späteren Beruf vorbereitet: Die Freiheiten, die einem Lehrer in England zugunsten eines individualisierten, statt standardisierten Unterrichts gestattet werden, besitzt er im Studium durch einen sehr strukturierten und festgelegten Studienverlauf nicht.

Deutlich wird der Praxisbezug vor allem in der mindestens 18 wöchigen Praktikumszeit innerhalb des dreijährigen Studiums, in der ab dem ersten Studienjahr unterrichtet werden muss, und dem vom ‚Department for Education' seit 1992 festgelegten inhaltlichen Aufbau des Studiums, einer Mischung praktischer und theoretischer Inhalte, ganz im Gegensatz zu deutschen und anderen nationalen Lehramtsstudiengängen, die eine strikte Trennung von Praxis und Theorie vorgeben (vgl. STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU, 2004, 116&122).

"The Standards (heavy on practice, light on theory) are organized in three interrelated sections:

1. Professional Values and Practice;

2. Knowledge and Understanding;

3. Teaching." (STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 114)

Jede dieser drei Sektionen beinhaltet mehrere Unterpunkte, die abhängig von dem Lehramt welches angestrebt wird, ob Sekundarstufen- oder Primarstufenlehramt, einen größeren Fokus auf fachliche oder pädagogische Inhalte legen. Insgesamt wird im Vergleich zu den Lehrerausbildungen anderer Länder weniger Bezug zu speziellen Fachmethodiken genommen, als vielmehr allgemeine praktische Fragen besprochen, beispielsweise wie eine Klasse geführt werden kann, die aus Schülern mit sehr unterschiedlichen Förderbedürfnissen besteht (vgl. STE-PHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 115). Außerdem gibt es eine Veröffentlichung der DfES, ‚Qualifying to teach' (2002), die unter anderem auf folgende ‚management skills' des Lehrers eingeht:

"... ‚build successful relationships'; ‚establish a purposeful learning environment' and ‚set higher expectations for pupils' behaviour and establish a clear framework for classroom discipline'"(STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 122)

Aufgabenprofil der englischen Lehrer/innen

Das Aufgabenprofil der englischen Lehrer/innen lehnt sich an die drei oben genannten Studienbereiche an und ist in den sogenannten ‚Professional Standards for Qualified Teacher Status'(DfES & TTA 2002) sehr detailliert beschrieben.

Es beinhaltet zum einen ideologische Komponenten, aus denen die Fähigkeiten des Umgangs und der Interaktion mit Kollegen, Schülern, Eltern und anderen Professionellen resultieren: hohe Erwartungen an Schüler; Respekt vor unterschiedlichen Lebensstilen der Schüler (religiöse, soziale, kulturelle u.a. Unterschiede); Unterstützung von benachteiligten Schülern; Anerkennung der Leistung des anderen Schulpersonals zum Unterricht; Selbstreflexion zur Verbesserung des Unterrichts; verständnisvoller Umgang mit Eltern und Erziehungsberechtigten; Unterstützung der schulischen Gemeinschaft; (vgl. STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 121; DfES 2002, 7)

Ein weiterer Aspekt des Aufgabenprofils sind sämtliche Faktoren, die die fachliche Basis des Unterrichts bilden: fundierte Kenntnisse des Unterrichtsfaches, sowohl inhaltlich, als auch methodisch in Anlehnung an das nationale Curriculum; Verständnis und Beachtung physischer, kognitiver, sozialer, sprachlicher, kultureller und emotionaler Aspekte des Lernens und der Entwicklung; Kenntnis der im ‚SEN Code of Practice' formulierten Verantwortung bezüglich Kindern mit speziellen Förderbedürfnissen; Anwendung verschiedener Methoden und Strategien für den Einbezug aller Kinder in den Unterricht, unabhängig von ihren Fähigkeiten; Nutzung von ICT[24] Materialien zur Unterrichtsunterstützung;

(vgl. STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 121; DfES 2002, 8 ff.)

Die letzte Komponente beschäftigt sich ausschließlich mit der praktischen Anwendung der vorangehend beschriebenen Unterrichtskenntnisse. Sie werden unterteilt in:

  • Aufgaben der Planung und Zielsetzung des Unterrichts:

Die Zielsetzungen müssen den unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler entsprechen; Einbezug verschiedener Ressourcen; Teilnahme an Lehrerteams und der Kooperation mit anderen Klassen; Einstellung eines oder mehrerer zusätzlicher Erwachsener zur Unterstützung der Lernfortschritte der Schüler;

  • Beobachtung und Überprüfung der individuellen Lernentwicklungen der Schüler:

Anwendung angemessener Überprüfungs- und Beobachtungsmethoden unter Berücksichtigung nationaler Vorgaben; Erkennen und Unterstützung von Lernschwierigkeiten und Lernbegabungen; Protokollierung der Lernfortschritte aller Schüler;

  • Unterrichten und Klassenmanagement:

Bereitstellung eines zielorientierten Lernumfeldes, in dem alle Schüler gleichwertig sind und sich anerkannt und sicher fühlen; Unterstützung des selbstständigen Lernens und Arbeitens; Anwendung kooperativer Lernmethoden; Differenzierung des Unterrichts; Zusammenarbeit mit Fachleuten und anderen Kollegen; Abbau von Stereotypisierungen und exklusiven Prozessen;

  • (vgl. STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 121; DfES 2002, 10 ff.)

Die beschriebenen Aufgaben der Lehrer an englischen Schulen zeigen einen auffallend starken Bezug zu den Ansprüchen und aktuellen Entwicklungen schulischer Inklusion in England. Es wird immer wieder auf die Verschiedenheit der schulischen und persönlichen Entwicklung der Schüler hingewiesen, die es von den Lehrern zu beachten, zu unterstützen und zu fördern gilt.

Sicherlich ist die Frage berechtigt, wie ein/e Lehrer/in sämtlichen Anforderungen entsprechen kann und nicht eine große Diskrepanz zwischen den theoretischen Aufgabenbeschreibungen und der realen Praxis besteht. Dazu sind zwei Anmerkungen zu machen: Auf der einen Seite bekommt der Lehrer eine große Unterstützung durch das britische Erziehungsministerium in Form von Anregungen, Hilfsmitteln, Orientierungsmöglichkeiten aber auch eindeutigen Anweisungen für den Unterricht und nicht ohne Grund wird er folglich zum Teil "... a compliant state functionary who adheres, as appropriate, to the National Curriculum for schools." (STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 121) genannt. Auf der anderen Seite wird die Bedeutung der Kooperation und Aufgabenteilung im Schulpersonal immer wieder betont und auch im Aufgabenprofil der Lehrer fand sie Erwähnung. In diesem Sinne kommt die Beschreibung des englischen Lehrers als "Manager" oder "Führungskraft" seiner Position vielleicht am nächsten, in welcher er bestimmte Aufgaben zu bewältigen hat und andere delegieren kann.

Die im Folgenden zum Teil entstehenden Überschneidungen der verschiedenen Aufgabenprofile im Schulpersonal sind das Ergebnis der möglichen Aufgabenteilungen, deren Notwendigkeit im weiteren Verlauf der Arbeit verdeutlicht wird.

2.3.1.2 Headteacher

Ausbildung

Der Headteacher muss, wie oben bereits erwähnt, ein herkömmliches Lehramtsstudium absolviert haben. Die Wahl zum Headteacher, ist hauptsächlich mit seiner bereits gesammelten Erfahrung und der Anerkennung im Lehrerkollegium zu begründen.

Aufgabenprofil

Trotz der Lehramtsausbildung gehören Lehraufgaben nur in Form von Vertretungsverpflichtungen in das Aufgabenprofil des Headteacher. Ein zusätzliches Unterrichtsstundenkontingent ist abhängig vom Umfang der weiteren schulischen Aufgaben. Seine übergeordnete und koordinierende Funktion in der Schule hat Priorität. Da die Aufgabenbeschreibung des Headteachers sehr ausführlich ist, sollen hier nur einzelne Bereiche vorgestellt werden (detailliertere Informationen sind über die Autorin zu bekommen):

  • Kontaktperson zwischen Regierung und Schule, wodurch er für die Umsetzung aktueller Education Acts[25], sowie anderer schulisch relevanter gesetzlicher Bestimmungen, in der Schule verantwortlich ist;

  • Kontaktpflege mit dem Schulpersonal, den Eltern und anderen (außerschulischen) Institutionen, um im Bedarfsfall vermitteln zu können.

  • Formulierung des Schulprogramms mit seinen Zielen und Absichten unter Berücksichtigung vorhandener Ressourcen;

  • Teilnahme an Einstellungsverfahren des Schulpersonals und Sicherstellung einer professionellen Arbeit;

  • Gewährleistung der angemessenen Förderung und Überprüfung der Schülerentwicklung;

  • Sicherstellung von Fortbildungsmöglichkeiten für das Personal;

  • Verantwortung für den geordneten Ablauf des Schulbetriebes

  • (vgl. LANCASHIRE COUNTY COUNCIL 2002)

2.3.1.3 Deputy Headteacher

Ausbildung

Die von einem ‚Deputy Head' verlangte Qualifikation unterscheidet sich nicht von der des Headteachers. Daher sind sie hier nicht noch einmal aufgeführt.

Aufgabenprofil

Die Position des Deputy Headteachers ist eine zusätzliche Funktion zum allgemeinen Profil des Lehrers. Die additiven Aufgaben beinhalten:

  • Verantwortung organisatorischer Angelegenheiten, beispielsweise Stundenplanerstellung etc.

  • Informierung des weiteren Schulpersonals über Fortbildungen, neue Schul- und Unterrichtsentwicklungen etc.

  • Unterstützung einer motivierten, verständnisvollen und kommunikativen Schulatmosphäre in der das Schulpersonal uneingeschränkt bestehende Schwierigkeiten erörtern kann;

  • Vorbildfunktion für die Kollegen und Weitergabe von Erfahrungen und Hilfestellungen;

  • Sicherstellung der Beachtung der Schulregularien;

  • Fortbildungen für die Mitglieder des Schulpersonals anbieten;

  • Kontakt zu anderen Schulen und Organisationen herstellen;

  • In Abwesenheit des Headteacher die Leitung der Schule übernehmen; (vgl. MOSSGATE PRIMARY SCHOOL 2004a)

2.3.1.4 Special Educational Needs Co-ordinator (SENCO)

Ausbildung

Der Beruf des SENCO basiert, genau wie beim Deputy Headteacher auf einem absolvierten Lehramtsstudium. Allerdings beinhaltet das Aufgabenprofil in secondary schools keine Lehrverpflichtung, während die Funktion des SENCO in primary schools zusätzlich zu der Lehrtätigkeit ausgeübt wird. Als Voraussetzung dieser Position werden neben dem Lehramtsstudium Erfahrungen im Bereich der Förderung von Kindern mit ‚Special Educational Needs' erwartet, welche zum Beispiel durch die Teilnahme an Fortbildungen und Seminaren, durch die Arbeit in einer ‚Special School' oder aber auch durch das Studienfach ‚Special Educational Needs' als Schwerpunkt in der Lehrerausbildung erworben sein können.

Aufgabenprofil des SENCO

Die Aufgaben des SENCO müssen nicht von einer Person alleine erfüllt werden. In primary schools gibt es durchaus Beispiele, in denen aufgrund weiterer Verpflichtungen in der Schule, die Funktion des SENCO von mehreren Lehrern ausgeübt wird.

In den nationalen Standards wird seine Hauptaufgabe wie folgt beschrieben:

"The SENCO, with support of the headteacher and governing body, takes responsibility for the day-to-day operation of provision made by the school for pupils with SEN and provides professional guidance in the area of SEN in order to secure high quality teaching and the effective use of resources to bring about improved standards of achievement for all pupils.

The SENCO's fundamental task is to support the headteacher in ensuring that all staff recognise the importance of planning their lessons in ways that will encourage the participation and learning of all pupils." (TEACHER TRAINING AGENCY 1998, 5)

Die Reichweite seines Handlungsfeldes verläuft über die Grenzen der Schule hinaus. Die Kooperation mit sämtlichen Mitgliedern des Schulpersonals, dem Headteacher, den Eltern der Kinder mit SEN, außerschulischen Institutionen und der zuständigen Regierungsbehörde sind dabei unerlässlich. Die vorangegangene sehr komprimierte Rollenbeschreibung kann in vier Hauptaufgabenbereiche unterteilt werden:

a. "Strategic direction and development of SEN provision in the school

b. Teaching and learning

c. Leading and managing staff

d. Efficient and effective deployment of staff and resources"

(TEACHER TRAINING AGENCY 1998, 9 ff.)

Die Voraussetzung der Arbeit des SENCO bilden die Kenntnisse von:

  • Unterrichts- und Lernstrategien und ihrer Verwendung im Hinblick auf die Unterstützung von Kindern mit speziellem Förderbedarf;

  • dem Einsatz diagnostischer Instrumente zur Identifikation, Beobachtung und Überprüfung spezieller Förderbedürfnisse;

  • dem Nutzen der ‚individual education plans' und ihrer Handhabung;

  • der Benutzung von ICT-Instrumenten als Hilfe für Schüler mit speziellen Förderbedürfnissen, um an Inhalten des nationalen Curriculums teilhaben zu können, das Lernen und Lehren gleichermaßen zu unterstützen und die Kommunikation mit ihren Mitschülern zu erleichtern; (TEACHER TRAINING AGENCY 1998, 8)

Zu den genannten Aufgabenbereichen könnten noch viele weitere Informationen gegeben werden, die in diesem Kontext jedoch zu weit führen würden. Für ausführlichere Informationen sei hier auf die ‚National Standards for Special Educational Needs Coordinators' verwiesen (Teacher Training Agency 1998) und für einen Einblick in die Praxis der SENCOs die Veröffentlichung ‚Using the National Standards für Special Educational Needs Coordinators (SENCOs)' (TEACHER TRAINING AGENCY) hervor zu heben.

2.3.1.5 Education Support Worker (ESW)

Ausbildung

Es gibt keine offizielle Ausbildung als Education Support Worker und auch keine spezifischen Qualifikationen. Es muss ersichtlich sein, dass der Bewerber Vorkenntnisse und Kompetenzen besitzt, die dem Aufgabenprofil entsprechen. Der Education Support Worker in Mossgate ist ausgebildeter Sozialarbeiter und hat verschiedene Fortbildungen im Bereich der psychologischen Beratung besucht.

Aufgaben des Education Support Worker

Das Aufgabenprofil des Education Support Worker wurde von der Regierung eingerichtet, da zu viele persönliche, soziale und emotionale Schwierigkeiten der Schüler in Mossgate und ihrer Familien, das Lernen beeinträchtigten. Da die Schule sich nicht in der Lage sah, dieses Problem alleine zu bewältigen, willigte die zuständige Regierungsbehörde schließlich ein, für diese Arbeit ein Berufsprofil zu entwerfen, welches sich gegenwärtig in der Erprobungsphase befindet.

Die Arbeitszeit des Education Support Worker beschränkt sich auf zehn bis fünfzehn Stunden in der Woche, die allerdings, abhängig von dem jeweiligen Bedarf, flexibel vom ESW zu handhaben sind.

Die Aufgaben des ESW werden in der ‚Job Description' wie folgt beschrieben:

"The ESW is a member of the staff team whose specific role is to support the teacher in the delivery of, and those children identified by the teacher as having special needs, Personal Social and Emotional development..." (MOSSGATE PRIMARY SCHOOL, 2004a)

Dies beinhaltet unter anderem die Erstellung individueller Förderpläne, die Herstellung interpersoneller Beziehungen, die Beratung von Eltern und Kindern, sowie das Arbeiten mit großen und kleinen Schülergruppen, um spezielle Förderbedürfnisse zu adressieren (vgl. MOSSGATE PRIMARY SCHOOL, 2004a).

Speziell bei der Einrichtung des Education Support Worker ist bemerkenswert, wie die Regierung auf die Bedürfnisse der Schule einging.

2.3.1.6 Teaching Assistant

Es wurde hier darauf verzichtet das Aufgaben- und Rollenprofil des Teaching Assistants darzustellen, da im fünften Kapitel ausführlich darauf eingegangen wird.

2.3.1.7 ‚Parent helpers' (=Elternhelfer)

Die Elternhelfer arbeiten ehrenamtlich. Ein- bis zweimal in der Woche kommen sie in den Unterricht, um in Form von Einzelförderung mit jedem Schüler in einem bestimmten Fach zu arbeiten. Häufig beschäftigen sie sich mit der Leseförderung. Zum Teil wird jedoch auch Mathematik unterrichtet oder sie unterstützen bei größeren Klassenaktivitäten den Lehrer und den Teaching Assistant.

2.3.2 Das Schulpersonal der Friedrich-Ebert-Schule

Die einzelnen Aufgabenbereiche und Funktionen des Lehr- und Betreuungspersonals[26] an deutschen Grundschulen zu definieren, stellte sich insofern als schwierig heraus, da in gesetzlichen Auflagen und Erlassen zur schulischen Förderung tendenziell nur allgemeingültige, die gesamte Schule betreffende Angaben gemacht werden. Spezifische Aufgabenzuschreibungen, wie beim englischen Schulpersonal, gibt es nicht. Unabhängig von der jeweiligen Funktion des Einzelnen wird das Schulpersonal als "die Schule" bezeichnet. Für spätere Vergleichsmöglichkeiten der nationalen Gegebenheiten sollen auf der Basis eigener Erfahrungen und gesetzlicher Grundlagen dennoch bestehende Aufgabendifferenzierungen zwischen den verschiedenen Gruppen des Lehr- und Betreuungspersonals deutscher Grundschulen aufgezeigt werden. Der "Bildungsauftrag der Schule" (vgl. §2 NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1998, 8/9) wird als verbindliche, allgemeine Aufgabe und Funktion aller Schulen und folglich Grundlage sämtlicher Aufgabenprofile den einzelnen Personalprofilen vorausgehen.

2.3.2.1 Der Bildungsauftrag - die Pflicht sämtlicher Schulen

"Die Schule soll im Anschluss an die vorschulische Erziehung die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln. Erziehung und Unterricht müssen dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung entsprechen; die Schule hat die Wertvorstellungen zu vermitteln, die diesen Verfassungen zugrunde liegen. ..." (§2 (1) NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1998, 8 ff.)

Außerdem weist der Auftrag in mehreren Punkten auf die Ausbildung und Förderung

  • der staatsbürgerlichen Verantwortung und Teilnahme an der Gesellschaft,

  • des ökonomischen und ökologischen Bewusstseins,

  • des Gedankens der Völkerverständigung,

  • der Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Empfindungsmöglichkeiten

und anderen Fähigkeiten der Schüler hin, die von der Schule durch Bereitstellung entsprechender Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden sollen (vgl. NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM, 1998, 9ff.).

Es wird eine "begabungsgerechte individuelle Förderung gefordert" und unterschiedliche Bildungschancen sollen "nach Möglichkeit durch besondere Förderung" ausgeglichen werden (vgl. §54&54a NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1998, 31/32). In der Friedrich-Ebert-Schule versucht die Förderschullehrkraft diese Forderungen in der Integration (vgl. 2.2.1) und der Kooperation (vgl. 2.2) zu erfüllen.

2.3.2.2 Regelschullehrkräfte

Ausbildung

Der Studiengang ‚Lehramt an Grundschulen' besteht, wie alle Lehramtsstudiengänge in Deutschland, aus zwei Teilen. Der erste Teil dauert in der Regel acht Semester und endet mit der ersten Staatsprüfung. Der zweite Teil ist das Referendariat oder Anwärterzeit. Es dauert zwei Jahre und besteht hauptsächlich aus dem Unterrichten in einer Grundschule und dem Besuch eines Seminars, während die ersten vier Studienjahre in der Universität verbracht werden, unterbrochen durch einzelne Schulpraktika. Am Ende des Referendariats steht das zweite Staatsexamen, nach dessen erfolgreicher Absolvierung der Status eines staatlich Die ersten acht Semester in der Universität beinhalten die theoretischen Grundlagen des Unterrichtens. Es müssen Seminare in den Fächern Psychologie, Allgemeine Erziehungswissenschaft, Soziologie und den selbst gewählten Unterrichtsfächern belegt werden. Den einzigen Praxisbezug stellen die Pflichtpraktika in den Semesterferien und einige didaktische Seminare in den Unterrichtsfächern dar.

Das deutsche Lehramtsstudium gerät häufig in die Kritik einen zu hohen Anteil auf die Vermittlung von Theorie zu verwenden und die Studenten nicht ausreichend auf die schulische Praxis vorzubereiten. Diese Diskussion wird in den folgenden Kapiteln größere Beachtung finden.

Aufgabenbereiche der Regelschullehrer/innen

Neben den im Bildungsauftrag formulierten Forderungen, die die Lehrer/innen als Teil ihrer Aufgaben in unterrichtlichen Planungen mitberücksichtigen müssen, werden weitere, ausschließlich Lehrkräfte betreffende Aufgaben im Niedersächsischen Schulgesetz angegeben. Sie beinhalten:

  • die Unterrichtung der studierten Schulfächer;

  • die Übernahme schulischer Aufgaben außerhalb des Unterrichts;

  • die Verpflichtung sich fortzubilden, um die Fähigkeiten des Unterrichtens zu erhalten;

  • die Beaufsichtigung der Schüler auf dem Schulgelände und bei Schulausflügen auch außerhalb der Schule; (vgl. NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1998, 30&37)

Neben den benannten Aufgabenbereichen, finden sich zusätzliche Informationen zur Gestaltung des Unterrichts in einem bestimmten Schulfach in den Rahmenrichtlinien.

2.3.2.3 Förderschullehrkräfte

Das Studium 'Lehramt an Förderschulen'

Das Studium, welches zur staatlich geprüften Lehrkraft an Förderschulen führt, ist ähnlich aufgebaut, wie das des Grundschullehrers, obwohl beide Studiengänge organisatorisch völlig voneinander getrennt sind. Es ist ebenfalls in zwei Teile geteilt: ein stark theoretisch orientiertes Studium in der Universität, welches in der Regel neun Semester dauert und ein darauffolgendes 18 monatiges Referendariat in einer Förderschule.

Der Inhalt der ersten neun Semester besteht aus dem Studium zweier selbstgewählter sonderpädagogischer Fachrichtungen[27], der (sonderpädagogischen) Psychologie, der Allgemeinen Behindertenpädagogik, wahlweise der Politik, Soziologie, Psychologie oder Philosophie, dem Erstunterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik und ein oder zwei weiteren Unterrichtsfächern. Praktische Eindrücke werden nur durch Praktika in Schulen, sonderpädagogischen oder therapeutischen Institutionen und teilweise in methodischen und didaktischen Seminaren gewonnen, so dass vergleichbar mit dem Studium der Grundschullehrkräfte eine starke Trennung zwischen der Theorie und der Praxis zu erkennen ist.

Aufgaben der Förderschullehrer/innen

Der Sonderpädagoge ist genau wie alle anderen Mitglieder des Schulpersonals dem "Bildungsauftrag der Schule" verpflichtet.

Sein Aufgabenprofil variiert, abhängig von der Institution, in der er arbeitet: entweder in einer der Sonderschulformen oder in einer Regelschule. Angelehnt an die vorgestellten Fallbeispiele, werden sich die weiteren Ausführungen auf die Aufgaben der Förderschullehrkraft in der Integration beziehen.

In einem Schreiben der BEZIRKSREGIERUNG HANNOVER mit ‚Informationen zur Einrichtung und Fortführung von Integrationsklassen' an sämtliche Schulen Hannovers außer der Gymnasien, werden die Aufgaben der Sonderschullehrer/innen in der Integration an Grundschulen wie folgt beschrieben:

  • "Planung, Durchführung und Evaluation von differenziertem Unterricht gemeinsam mit der Klassenlehrkraft;

  • Förderdiagnostik;

  • Kooperative Beratung der Grundschulkollegin bei besonderen Problemen;

  • Planung, Durchführung und Evaluation von basalen Fördermaßnahmen in Kleingruppen (in begründeten Fällen und zeitlich befristet, keine ‚Nachhilfe', kein ‚Förderunterricht');" (BEZIRKSREGIERUNG HANNOVER 2003)

Im Niedersächsischen Schulgesetz wird, wie bereits vorangehend erwähnt, außerdem "die begabungsgerechte individuelle Förderung" und der Ausgleich unterschiedlicher Bildungschancen durch eine besondere Förderung verlangt. Diese Forderung ist nicht explizit an Förderschullehrer/innen gerichtet, wird jedoch zum größten Teil von ihnen erfüllt (vgl. §54(1) NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1998, 31).

Der Förderschullehrer ist meistens für mehrere I-Klassen in der Regelschule zuständig. In der Friedrich-Ebert-Schule gibt es eine Förderschullehrerin für alle I-Klassen, in denen sie, abhängig von dem festgestellten Förderbedarf der einzelnen Schüler, unterschiedlich viele Stunden unterrichtet (vgl. 2.2).

2.3.2.4 Schulleiter/in

Ausbildung

Die Voraussetzungen für die Position der Schulleiterin oder des Schulleiters sind ein der Schulform entsprechendes Lehramtsstudium (vgl. 2.3.2.2) und eine Prüfung vor einem Dezernenten des Landesschulamtes[28]. Die Prüfung verlangt eine Unterrichtsstunde zu zeigen, eine Unterrichtsstunde eines Kollegen zu beraten, eine Konferenz zu leiten und eine mündliche Prüfung zum Schulrecht.

Aufgaben der Schulleiterin/des Schulleiters

Im Niedersächsischen Schulgesetz werden die Aufgaben der Schulleiterin und des Schulleiters wie folgt beschrieben:

  • Gesamtverantwortung für die Schule;

  • Repräsentation der Schule in der Öffentlichkeit;

  • Vorsitz in der Gesamtkonferenz;

  • fachliche Beratung und Unterstützung der Lehrkräfte;

  • Verantwortlich für "Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung der Schule", sowie die "Einhaltung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Schulordnung"; (vgl. §43(2) NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1998, 27)

Hinzu kommt in begrenztem Rahmen für jeden Schulleiter eine Lehrverpflichtung.

2.3.2.5 Pädagogische Mitarbeiter

Mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 trat der neue Erlass des NIEDERSÄCHSISCHEN KULTUSMINISTERIUMS "Die Arbeit in der Grundschule" vom 3.2.2004 in Kraft. Mit ihm werden alle Grundschulen verpflichtet ein täglich fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot zu gewährleisten. Da die erste Klassenstufe nur 20 und die zweite Klassenstufe 22 Unterrichtsstunden pro Woche bekommt und die geforderten fünf Zeitstunden pro Tag damit nicht gefüllt werden, wurde eine neue Berufsgruppe, die der pädagogischen Mitarbeiter gegründet.

Die vorausgesetzten Qualifikationen reichen von einem abgeschlossenen Lehramts- oder Sozialpädagogikstudium bis zu Fortbildungskursen und Erfahrungen im Umgang mit Kindern. In ihren Aufgabenbereich fallen Betreuungs- und Vertretungsaufgaben, wodurch die ursprünglichen Vertretungs- und Betreuungskräfte wegfallen. Ein Faktum, welches durchaus kritisch zu betrachten ist.

Auf konkretere Informationen wird in diesem Kapitel verzichtet, da später noch eine detailliertere Darstellung dieser Berufsgruppe folgt (vgl. 6.3).

Im Sinne des Fokus' dieser Arbeit auf die Personalstruktur im Primarbereich wurde auf Informationen zur Sozialpädagogin, die in der Friedrich-Ebert-Schule den Schulkindergarten betreut, verzichtet. Auf ihre Existenz sollte nur insofern hingewiesen werden, als dass sie in weiterführende Gedanken der Personalplanung in Deutschland möglicherweise als Ressource mit einbezogen werden kann.

2.3.3 Organigramme des Schulpersonals der Mossgate Primary School und der Friedrich-Ebert-Schule

Einen wesentlichen Bestandteil der schulischen Organisation bildet die Aufgabenteilung des Schulpersonals. Die daraus resultierende Kooperation der Personalmitglieder untereinander fördert das Gemeinschaftsgefühl und beeinflusst die Qualität der schulischen Arbeit: wenn eine Person gut arbeitet, hat dies positive Auswirkungen auf das Arbeiten der anderen.

Die folgenden zwei Organigramme geben einen Überblick über die Positionen, Aufsichtsfunktionen und Verantwortungsbereiche beschriebener Schulpersonalmitglieder innerhalb der beiden Schulorganisationen. Die Anordnung des Schulpersonals auf verschiedenen Ebenen bedeutet nicht die Einschränkung der kooperativen Arbeit.[29] Desweiteren sind der SENCO und der Education Support Worker trotz ihrer Positionierung (Abb.1) im Gegensatz zu der Schulleitung weniger als Vorgesetzte der Lehrer/innen und Teaching Assistants zu verstehen, als vielmehr als Ratgeber und klassenübergreifend Agierende. Ehrenamtliche Mitarbeiter sowie nicht am Schulunterricht Beteiligte, wie z.B. die Sozialpädagogin, die den Schulkindergarten betreut, wurden in beiden Darstellungen nicht berücksichtigt. (Organigramme siehe folgende Seite)

Abb. 1: Organigramm des Unterrichtspersonals einschließlich des Headteachers der Mossgate Primary School

Abb. 2: Organigramm des Lehr- und Betreuungspersonals an der Friedrich-Ebert-Schule Diese Lehrkräfte sind nicht von der Grundschule, sondern von der Förderschule angestellt. (Zu Förderschullehrkraft im Bild: Diese Lehrkräfte sind nicht von der Grundschule, sondern von der Förderschule angestellt.)

2.4 Mossgate Primary School' und die ‚Friedrich-Ebert-Grundschule' im statistischen Vergleich

Anzahl der Schüler in Mossgate 2004/2005

Tabelle 1: Anzahl der Schüler in Mossgate Primary School

 

insgesamt

mit School Ation[a]

mit School Action Plus

mit Statement

N[b]

reception[c]

(Alter: 4 - 5 Jahre)

17

3

     

1. Klasse (Alter: 6 Jahre)

30

7

2

2

 

2. Klasse (Alter: 7 Jahre)

27

3

2

2

 

3. Klasse (Alter: 8 Jahre)

31

3

5

 

3

4. Klasse (Alter: 9 Jahre)

27

7

2

1

 

5. Klasse (Alter: 10 Jahre)

27

10

2

1

1

6. Klasse (Alter: 11 Jahre)

23

7

2

1

3

Gesamtschülerzahl

182

40

15

7

7

[a] siehe S. 15, Fußnote 12

[b] N = ist aus der englischen Bezeichnung übernommen und bedeutet, dass die Schüler seit diesem Schuljahr keine extra Unterstützung mehr benötigen, d.h. auf keinem Förderplan mehr stehen.

[c] Die ‚reception' ist vergleichbar mit der deutschen Vorschule. Sie wird vom Großteil aller englischen Schüler besucht.

Anzahl der Schüler in der Friedrich-Ebert-Schule 2004/2005

Tabelle 2: Anzahl der Schüler in der Friedrich-Ebert-Schule

 

Gesamtzahl der Schüler eines Jahrgangs

mit einem Förderbedarf im Bereich des Lernens

mit einem Förderbedarf im Bereich der kognitiven Entwicklung

Schulkindergarten

15

   

4x 1. Klasse

80 (~ 20/Klasse)

5[a]

 

4x 2. Klasse

88 (~ 22/Klasse)

   

4x 3. Klasse

104 (~ 29/Klasse; 18 in der I-Klasse)

3 SchülerInnen

1 SchülerIn

5x 4. Klasse

130 (~ 26/Klasse)

   

Gesamtschülerzahl

402

   

[a] Obwohl die Regel besteht, maximal vier Kinder mit sonderpädagogischem Gutachten pro Klasse zu haben, gibt es Ausnahmen.

Lehr- und Assistenzpersonal pro Klasse in Mossgate 2004/2005

Tabelle 3: Schulpersonal pro Klasse und Std./Woche

Klassenstufe

(Unterrichtszeit/Woche)

Lehrkräfte[a]

Std./Woche[b]

Teaching Assistants Std./Woche

Elternhelfer Std./Woche

‚reception'

(31,25 Std./Woche)

1 à 35,5 Std.

1 à 25 Std.

 

1. Klasse

(31,25 Std./Woche)

1 à 35,5 Std.

1 à 26 Std.

1 à ~ 5 Std.

2. Klasse

(31,25 Std./Woche)

1 à 35,5 Std.

1 à 26 Std.

1 à ~ 5 Std.

3. Klasse

(31,25 Std./Woche)

1 à 35,5 Std.

1 à 26 Std.

 

4. Klasse

(31,25 Std./Woche)

1 à 35,5 Std.

1 à 22 Std.

 

5. Klasse

(31,25 Std./Woche)

1 à 35,5 Std.

1 à 26 Std.

 

6. Klasse

(31,25 Std./Woche)

1 à 35,5 Std.

1 à 26 Std.

 

[a] Nicht mit einbezogen sind die Fachlehrer

[b] Lehrer haben eine offizielle Stundenanzahl von 37,5 Std. pro Woche. Davon gehen zwei jedoch Stunden auf die Vorbereitungszeit ab, wodurch die in der Tabelle angegebenen 35,5 Stunden entstehen.

Unterrichts- und Betreuungspersonal in der Friedrich-Ebert-Schule 2004/2005

Tabelle 4: Personalschlüssel des Unterrichts- und Betreuungspersonals (Std./Woche)

Klassenstufe (Unterrichtszeit/ Woche)

Regelschullehrkraft Std./Woche[a]

Förderschullehrkraft (Integration)

Förderschullehrkraft (Kooperation)

Pädagogische Mitarbeiter

Sozialpädagogin

1. Klasse

(20 Std./Woche

28

10

1

7

 

2. Klasse

(22 Std./Woche)

28

 

1

7

 

3. Klasse

(26 Std./Woche)

28

11

1

7

 

4. Klasse

(26 Std./Woche)

28

 

1

7

 

Schulkindergarten

(20 Std./Woche)

       

20

Gesamtstundenzahl

variierend

21

4

28

20

[a] Es ist hier die durchschnittliche Arbeitszeit einer Grundschullehrerin/eines Grundschullehrers gewählt, da ein/e LehrerIn nicht nur Klassenlehrerpflichten hat, sondern auch Fachlehrerpflichten.

Durchschnittliche [30] Bruttogehälter der einzelnen Berufsgruppen [31] im Schulpersonal der Primary School in England und Grundschule in Deutschland

Tabelle 5: englische und deutsche Personalgehälter im Vergleich Quelle: Lancashire County Council: Former Manual/APTC Local Government Pay Grades (April 2004); und Niedersächsisches Landesamt für Bezüge und Versorgung: Besoldungstabellen (gültig ab 01.08.2004) und Tabellen der Grundvergütungen, Ortszuschläge und allgemeinen Zulagen (gültig ab 01.05.2004)

Personalgruppe

Gehalt (₤[a]bzw. € pro Monat):

Mindestlohn - maximaler Lohn

Headteacher & Deputy Headteacher

~ ₤ 2618 (~ 3794,20€) - ₤ 7346,25[b] (~ 10646,74€)

Schulleiter

~ 3833,76€ - 4446,55€

Teacher

~ ₤ 1508 (~ 2185,51€) - ₤ 2762,50 (~ 4003,62€)

Advanced skills teacher[c]

~ ₤ 2479,75 (~ 3593,84€) - ₤ 2790 (~ 4043,48€)

Grundschullehrer/innen

~ 2659,52€ - 3622,25€

Förderschullehrer/innen

~ 2980,96€ - 4020,58€

Teaching Assistant[d]

~ ₤ 704,6 (~1021,16€)- ~₤ 1133,80 (~1643,19€)

(~9,83€/Std. - ~15,78€/Std.)

Pädagogische Mitarbeiter

~ 289,51€ - 428,02€ [e]

[a] Aktueller Wechselkurs von ₤ in € (Stand 27.05.2005): 1€ = ₤0,69 oder ₤1 = 1,45€

[b] In den englischen Besoldungstabellen sind die Schulformen nicht einzeln angegeben, sodass dieses ungewöhnlich hohe Endgehalt eines Schulleiters möglicherweise auf einen Highschool Schulleiter zutrifft.

[c] Lehrer mit speziellen Qualifikationen, z.B. einem Doktortitel.

[d] Es gibt drei verschiedene Level von Teaching Assistants, abhängig von der jeweiligen Qualifikation und ihrem Dienstalter, die unter anderem die Gehaltshöhe bestimmen. In dieser Tabelle ist das niedrigste Gehalt der Bezahlungsliste von Level 1 entnommen, das höchste Gehalt der Bezahlungsliste von Level 3.

[e] Gehalt für 28 Std./Monat (vgl. Tab.4);

2.5 Zusammenfassung

Das Hauptanliegen dieses Kapitels bestand in einer Gegenüberstellung der aktuellen inklusiven Praxis in England und Deutschland, die den Anlass und Ausgangspunkt dieser Arbeit darstellt. Eine besondere Beachtung galt dabei den schulpersonellen Strukturen. Erkennbare internationale Differenzen sollen zu einer kritischen Betrachtung der schulischen Praxis in Deutschland anregen und gleichzeitig das Interesse an englischen Konzeptionen und einer eventuellen Übertragung auf deutsche Gegebenheiten wecken.

Die Unterschiede zwischen der schulischen Arbeit in England und Deutschland sind vielfältig. Es zeigen sich Abweichungen in den Ausbildungs- und Aufgabenbereichen beider Schulpersonals, im unterrichtlichen Aufbau und in der Schulorganisation. Hervorzuheben sind hier

  • die präzise Aufgabenformulierung für alle Personalgruppen in England, während für das deutsche Personal nur sehr allgemeine Angaben gemacht werden;

  • der starke Praxisbezug des englischen Lehramtsstudiums, durch Zusammenarbeit von Universität und Schulen, während in Deutschland der wissenschaftliche Anspruch den theoretischen Anteil im Studium stark erhöht und von der Praxis trennt; Das englische ‚teacher training' der Lehramtsanwärter vermittelt vorrangig das praktische "Handwerkszeug" als Grundlage eines guten Unterrichts, während das deutsche ‚Studium der Regelschulpädagogik' die Basis guter schulischer Förderung in einem ausgeprägten theoretischen Grundwissen sieht;

  • die hierarchisch geprägte Aufgabenteilung im englischen Schulpersonal, während an deutschen Schulen die Gleichstellung aller Personalmitglieder befürwortet wird;

  • das Verständnis der schulischen Institution als Leistungsschule (in Deutschland), die das schulische Lernen in den Vordergrund stellt und Erziehungsinstitution (in England), die das schulische Lernen sozialen Aspekten und einem Gemeinschaftsgefühl unterstellt bzw. auf ihnen aufbaut;

  • der unterrichtliche Aufbau, der in England offene Unterrichtsmethoden mit einem großen Anteil selbständiger Arbeit der Schüler einsetzt, während der Unterricht in Deutschland häufig immer noch den traditionellen Frontalunterricht beinhaltet;

  • das Verhältnis der Schüler- und Personalzahlen:

Im Vergleich der Personalzahlen mit der Schüleranzahl an beiden Schulen entsteht ein ähnliches Ergebnis: In Mossgate gibt es circa 14 Schüler pro Lehrkraft[32], in der Friederich-Ebert-Schule besteht ein Lehrer-Schüler-Verhältnis von durchschnittlich 1:16. Leider entspricht diese Rechnung nicht uneingeschränkt der Realität. In Mossgate ergeben sich bezogen auf den Klassenunterricht keine Veränderungen im Zahlenverhältnis, während in der Friedrich-Ebert-Schule jetzt durchschnittlich ein Verhältnis von 1:25 besteht. Diese Diskrepanz ergibt sich dadurch, dass nicht alle Lehrer/innen in der Friedrich-Ebert-Schule die gleiche Stundenanzahl und daher nicht immer zeitgleich in der Schule, geschweige denn in einer Klasse sind.

Dass sich Unterschiede in derartig vielen verschiedenen Bereichen bemerkbar machen, ist auf ihre bestehenden Interdependenzen zurückzuführen.

Die Auswirkung der dargestellten Gegebenheiten auf die Beschulung von Kindern mit speziellen Förderbedürfnissen führen ebenfalls zu differierenden Ergebnissen beider Länder. Seit 1983 ist in England eine Reduzierung der Anzahl englischer Schüler in Special Schools von 1,5 % auf 1,1% zu verzeichnen (vgl. DfES 2004, 34). In Deutschland lässt sich trotz der Tendenzen, Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf vermehrt in allgemeinen Schulen zu unterrichten, ein Anstieg der Schüler mit sonderpädagogischem Gutachten von 1994 bis 2002 um 12,3 % und ein Anstieg der Schüler in den deutschen Sonderschulen (alle Förderschwerpunkte) von 4,225 % (1993) auf 4,803 % (2002) feststellen (vgl. KMK 2003, XI & 39).

Der Vergleich wirft zentrale Fragen bezüglich der gegenwärtigen inklusiven Praxis in Deutschland auf, die in den nachstehenden Kapiteln größere Beachtung finden werden: Wie kommen derartig gegenläufige Entwicklungen zwischen dem theoretischen Verständnis (vgl.1.) und der praktischen Umsetzung zustande? Welche Ziele strebt die inklusive Praxis an? Welchen Anteil hat das Schulpersonal?



[7] Mainstream school' bedeutet in diesem Zusammenhang jede Schule außer der ‚special school' und ‚indepen- dent school'

[8] Zur näheren Beschreibung siehe Kapitel 5 "Support Staff: Teaching Assistants"

[9] core subjects = Hauptfächer, welche in Großbritannien Mathematik, Englisch und Science (Biologie, Chemie, Physik) sind (vgl. DfEE, 1999, 16);

[10] non-core foundation subjects = Nebenfächer, die sich in Großbritannien aus RDesign and Technology', ‚Information and communication technology', ‚History', ‚Geography', ‚Art and Design', ‚Music', ‚Physical iEducation' und ‚Citizenship' zusammensetzen (vgl. DfEE, 1999, 16)

[11] Education Act 1996 & 2001, SEN Code of Practice 2002, National Curriculum 1999

[12] Offizielle diagnostizierte spezielle Förderbedürfnisse (=SEN) bedeutet für die Praxis, dass ein Kind im Besitz eines School Action-Plans, eines School Action Plus-Plans oder eines Statements ist.

School Action- und School Action Plus-Pläne sind sog. pre-statutory, d.h. sie kommen vor dem eigentlichen sonderpädagogischen Gutachten (engl. Statement). Mit ihrer Hilfe werden Kindern mit speziellen Lernbedürfnissen (Special Educational Needs) verschiedene Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt, welche den Verbleib in der Regelschule begünstigen sollen.

School Action ist die erste Stufe, bei dem das Kind extra Hilfen aus den schulinternen Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommt, während bei School Action Plus auf außerschulische Unterstützung (z.B. Occupational Therapists...) zurückgegriffen wird. Diese Programme weisen darauf hin, dass ein Kind individueller Aufmerksamkeit aufgrund seiner individuellen Lernwege bedarf. Ziel ist es, Schwierigkeiten eines Kindes möglichst früh zu erkennen und eine Verschlimmerung zu verhindern. Die Sicht der Eltern und des Kindes werden mit einbezogen. Zur Überprüfung der Fortschritte des Kindes können beispielsweise IEPs.

Statements, als letztes Ergebnis sonderpädagogischer Diagnostik, führen häufig dazu, ein Kind auf eine "Special School" zu verweisen

[13] Folgende Veröffentlichungen sind für einen Einblick in die englischen Unterrichtsdifferenzierungen zu empfehlen: Including all Children in the literacy hour and daily mathematics lesson - Management Guide (Department for Education and Skills (DfES) 2002); Teaching the daily mathematics lesson to children with severe or profound and multiple learning difficulties: Training File (DfES 2003); The National Curriculum - Handbook for primary teachers (Department for Education and Employment (DfEE) 1999)

[14] Diese Konzepte sind mit dem des ‚Offenen Unterrichts' vergleichbar, welche die Zielsetzung haben, durch Abbau der Lehrerzentrierung und erhöhte Beteiligung der Schüler den individuellen Lernfähigkeiten eines Schülers besser entsprechen zu können, als beispielsweise der ‚Frontalunterricht'. (www.offener-unterricht.de)

[15] ‚statutory assessment' = Tests, die am Ende einer jeden Keystage durchgeführt werden und der Regierung Auskünfte über die Ergebnisse der Arbeit einzelner Schulen liefern und sie in Vergleich mit anderen Schulen setzen (vgl. DfEE 1999, 1).

[16] Key Stages: Es gibt insgesamt vier Keystages bis Jahrgang 11. Am Ende einer jeden Keystage findet ein ‚statutory assessment' statt, in dem die Schüler sogenannte ‚attainment targets' (~Jahrgangsziele) erreichen sollen (vgl. DfEE 1999, 16 ff.).

[17] occupational therapist = eine Art Ergotherapeut

[18] gem. des Erlass' des NIEDERSäCHSISCHEN KULTUSMINISTERIUMS vom 18.02.1998 ‚Einsatz von Sonderschullehrerstunden in Integrationsklassen'

[19] siehe: "I. 7.2 Gemeinsamer Unterricht". In: Schulverwaltungsblatt Niedersachsen (2/2005, 52)

[20] Es bestehen keine gesetzlichen Festlegungen darüber, wie die Leitung in Integrationsklassen organisiert sein soll. Die Formen der Kooperation zwischen Regel- und Sonderschulehrkraft können daher ganz unterschiedlich ausfallen und hängen von vielen Faktoren, wie beispielsweise der Klassenzusammensetzung und den Lehrervorlieben ab. Oftmals entstehen bei der Aufgabenteilung Konflikte zwischen den Lehrkräften.

[21] Die ‚National Standards' wurden von der Teacher Training Agency (TTA) in Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen und Schulpersonals für verschiedene schulische Berufe festgelegt, um ein klares Rollen- und Aufgabenverständnis zu schaffen. Eindeutige Aufgaben- und Erwartungsbeschreibungen erleichtern die schulische Arbeit, ermöglichen Fortbildungen, die an den Bedürfnissen der Lehrer orientiert sind, stellen sicher, dass sich das gesamte Handeln des Lehrers auf die Optimierung der Schülerleistung und -entwicklung konzentriert und schaffen eine Basis zur Beurteilung der fachlichen Kompetenz (vgl. TEACHER TRAINING AGENCY, 1998). Weitere Informationen werden unter folgender Internetadresse bereitgestellt: www.tta.gov.uk

[22] England besitzt einen inhaltlich sehr gut ausgebauten Vorschulbereich, der einen hohen Stellenwert in der Schulbildung hat. Es gibt ein vorschulisches Curriculum, den ‚Curriculum guidance for the foundation stage', und das Personal besteht unter anderem aus speziell für diese Alterstufe ausgebildeten Lehrkräften

[23] SENCO = Special Educational Needs Co-ordinator

[24] ICT = Information Communication Technologies

[25] Bis heute gelten die Bestimmungen des Education Acts 1944, sofern sie in den darauffolgenden nicht verabschiedet oder verändert wurden. Die Grundlage gegenwärtiger schulischer Arbeit bildet daher die Gesamtheit aller Education Acts von 1944 bis 2001.

[26] Die Begriffe ‚Lehr- und Betreuungspersonal' wurden in diesem Kontext gewählt, da sie deutlich machen sollen, dass es sich ausschließlich um die Darstellung der Berufe handelt, die an der Betreuung und Förderung der Schüler im Unterricht beteiligt sind.

[27] Die momentan bestehenden sonderpädagogischen Fachrichtungen, wobei durchaus lokale Unterschiede in den begrifflichen Bezeichnungen existieren, sind: Beeinträchtigungen der emotionalen und sozialen Entwicklung, Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung, Beeinträchtigungen des Hörens Beeinträchtigungen der körperlichen und motorischen Entwicklung, Beeinträchtigungen des Lernens, Beeinträchtigungen der Sprache, Beeinträchtigungen des Sehens (vgl. NIEDERSäCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2005, 50)

[28] Die Bezeichnung variiert von Bundesland zu Bundesland.

[29] Der Austausch aller Personalmitglieder untereinander, der die verschiedenen Ebenen auf den ersten Blick verschwimmen lässt, besteht vor allem in primary schools. Highschools besitzen eine sehr viel stärker herausgearbeitete Hierarchie, in der bei auftretenden Schwierigkeiten o.ä. immer nur die nächst höhere zuständige Personalinstanz angesprochen wird

[30] In der Tabelle sind jeweils die möglichen Mindest- und Höchstlöhne genannt, abhängig vom Dienstalter, Familienstand, Anzahl der Kinder (=Ortszuschlag) und Qualifikation. Für sämtliche Gehaltsangaben ist von den gleichen Lebenssituationen ausgegangen worden.

[31] Mit dem Schulpersonal sind in diesem Falle nur die Schulleitung und diejenigen gemeint, die mit den Schülern arbeiten. Angestellte, wie Küchenhilfen, Sekretärinnen, Putzfrauen u.a., die in England ebenfalls zum Personal einer Schule zählen, sind nicht mitberücksichtigt

[32] Teaching Assistants sind hier dazu gezählt.

3.Diskrepanzen zwischen der Theorie der Inklusion und ihrer praktischen Implementierung in England und Deutschland

"The movement towards inclusion is a socio-political process (Wisniewski and Alper, 1994) that not only requires shared values about students and learning but also requires significant innovation and adaptation in instructional practices for those values to be realized within the day-to-day workings of a classroom."

(UDVARI-SOLLNER/THOUSAND 1995, 153)

Der beschriebene internationale, gesellschaftliche und politische Wandel (vgl.1.) führt zu einem erhöhten sozialen Druck auf die Schulsysteme. Mit dem Konzept der Inklusion werden neue Forderungen gestellt, die Veränderungen in der schulischen Arbeit und den Institutionen notwendig machen (vgl. BAILEY 1995, 17 ff.). Die Frage inwiefern die gegenwärtige schulische Praxis in England und Deutschland dieses Konzept umsetzen kann oder weiterer Veränderungen bedarf, um effektiv auf die neu hinzugekommenen Anforderungen zu reagieren, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Unterschiedliche Umsetzungsformen der Schulen sind dabei durchaus legitim, doch wie BIKLEN richtig bemerkt:

"...to say that mainstreaming does not take one form is not to say that it is anything and everything." (BIKLEN 1985, 13)

Die Qualitätsentwicklungen der schulischen Inklusion variieren von Schule zu Schule, abhängig von den jeweils vorherrschenden Rahmenbedingungen, wie den Schülern, dem sozialen Umfeld, materieller und personeller Ressourcen und anderen. Allen Schulen gemeinsam ist hingegen die Zielsetzung, die der theoretische Begriff der Inklusion impliziert, und wodurch jedes Schulkonzept als inklusiv oder selektiv beurteilt werden kann: Die Bildung einer sozialen Gemeinschaft, in der alle Menschen mit ihrer Individualität akzeptiert sind und ihren Beitrag leisten (vgl. 1.2).

Der Vergleich der beiden Schulen in England und Deutschland im vorangegangenen Kapitel machte sowohl Unterschiede zwischen den schulischen Strukturen, als auch zwischen den Personalausbildungen deutlich. Kann in beiden Fällen dennoch von schulischer Inklusion gesprochen werden oder sind separierende Prozesse zu erkennen? Sind die Voraussetzungen gegeben längerfristig eine gemeinsame Beschulung gewährleisten zu können? Diese Fragen gaben den Anstoß für die nachstehende Betrachtung der Übertragung in der Theorie formulierter inklusiver Ziele auf die schulische Praxis: ein Vergleich der Soll- und Ist-Zustände.

Es könnte zwischendurch der Anschein entstehen, dass hier eine schwarz-weiß Darstellung des deutschen Schulsystems gegenüber dem englischen angestrebt wird. Dem ist ausdrücklich nicht so. Diese Arbeit hat jedoch die Absicht, Lösungsvorschläge zu gegenwärtigen Problemen im deutschen Schulsystem vorzustellen, ausgehend von bekanntermaßen in der Inklusionsbewegung fortgeschrittener englischer Schulkonzepte. Im Sinne eines Problemaufriss' wird daher in erster Linie auf Missverhältnisse zwischen inklusiven Zielsetzungen und den tatsächlichen Resultaten der Praxis in Deutschland hingewiesen. Im weiteren Verlauf werden auch Schwierigkeiten im englischen Schulsystem aufgezeigt, welche in Deutschland somit von vornherein vermieden werden können.

Da England und Deutschland ähnliche gesellschaftliche Strukturen aufweisen, kann auch von vergleichbaren Ansprüchen an die Schulsysteme ausgegangen werden, welches den Vergleich der schulischen Konzeptionen ermöglicht.

Um einen internationalen Überblick zu bekommen sind aus der englisch- und deutschsprachigen Literatur einige der gegenwärtigen Ansprüche an die schulische Praxis zusammen getragen worden. In einer Tabelle werden sie den gegenwärtigen deutschen und englischen Schulstrukturen, exemplarisch anhand der bereits vorgestellten Friedrich-Ebert-Schule und Mossgate Primary School (vgl.2.), gegenübergestellt, um Unterschiede der schulischen Adaptionen feststellen und als inklusiv oder selektiv beurteilen zu können.

3.1 Veränderte Anforderungen an eine inklusive Schule: Die Umsetzung inklusiver Zielsetzungen in der Friedrich-Ebert-Schule und Mossgate Primary School

Die Anforderungen, die eine Schule heutzutage bewältigen muss ergeben sich aus den Ansprüchen theoretischer Konzeptionen, die sich wiederum an den Zielsetzungen gesellschaftlicher Inklusion orientieren. Für eine Schule bedeutet das die Beachtung sämtlicher individueller Bedürfnisse aller Schüler, nicht nur jener von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

"It is recognized that every student, regardless of label or assignment to a categorical group, is unique and worthy of individual consideration with regard to his or her educational needs. " (STAINBACK/STAINBACK 1989, 198)

Wie kann eine Schule diese Anforderungen erfüllen? Die folgende Tabelle stellt die Umgangsweisen der bereits vorgestellten zwei Schulen mit den neu entstandenen Anforderungen im Rahmen der Inklusion anhand ausgewählter Beispiele dar.

Tabelle 6: Der Umgang mit "inklusiven" Anforderung in der englischen und deutschen Praxis

neue Anforderungen

Friedrich-Ebert-Schule

Mossgate Primary School

1. Differenzierung des Unterrichts

  • Erfolgt durch den Klassenlehrer (z.T. mit Unterstützung der Förderschullehrkraft)

  • schuldifferenzierte Lehrpläne

  • Erfolgt durch den Klassenlehrer, den TA[a] und ggf. Elternhelfer und SENCO

  • ein Curriculum für alle Schulformen, mit gegebenen Differenzierungsmöglichkeiten

2. Diagnostik

  • erfolgt durch Klassenlehrer oder Sonderpädagogen

  • in gemeinsamer Arbeit von Klassenlehrer, TA und SENCO durchgeführt

3. Kooperation und Netzwerkbildung

  • Innerschulische Kooperation zwischen Klassenlehrer und Förderschulkraft und z.T. den Eltern

  • außerschulische Kontakte zu Kindergärten und Jugendklubs;

  • Innerschulische Kooperation zwischen sämtlichen Lehrern (bspw. durch Klassenübergreifenden Unterricht...), dem Education Support Worker, SENCO, den TAs und Eltern (‚Parents and Staff Association')

  • außerschulische Kontakte zu versch. sozialen Diensten, Schulen, Therapeuten, Psychologen o.ä.

4. Kommunikations- u. Verhandlungs-kompetenzen

  • Diese Kompetenzen werden primär vom Klassenlehrer, Sonderpädagogen und (stellvertretenden) Schulleiter verlangt.

  • In Bezug auf bestimmte Angelegenheiten werden diese Kompetenzen vorrangig vom Klassenlehrer, SENCO, Education Support Worker, Headteacher und Deputy Headteacher verlangt.

5. Ressourcen-entwicklung und -management [b]

  • Die Verwaltung materieller Ressourcen sind Aufgaben des Klassenlehrers, z.T. des Sonderpädagogen und des Schulleiters.

  • Diese Aufgabe fällt primär in Tätigkeitsbereich des TA und der übergeordneten Aufsicht des Klassenlehrers. Der SENCO ist für das Angebot materieller Ressourcen im sonderpädagogischen Bereich zuständig. Der Headteacher hat verwaltende Verantwortung über alle schulischen Ressourcen.

6. Reflexion des Unterrichts

  • Allein arbeiten ist für den Lehrer üblich; ein Austausch ist in begrenztem Maße mit dem Sonderpädagogen möglich;

  • Unterricht findet bei geschlossener Tür statt;

  • Austausch über Unterrichtsverläufe zwischen Klassenlehrer und TA (teilweise auch SENCO als Ratgeben);

  • Offene Türen beim Unterrichten, sodass auch Eltern und andere Kollegen in den Unterricht dürfen;

7. Professionelle Weiterbildung

  • Fortbildungen müssen eigenverantwortlich organisiert werden;

  • meist haben Lehrer keine Zeit sich fortzubilden;

  • Fortbildungen werden von der Schule für das Kollegium organisiert;

8. Ausgeglichenheit des Personals

  • zu wenig Freizeit

  • wenig Freizeit

[a] TA = Teaching Assistan

[b] Es ist nur die Verwaltung von Ressourcen innerhalb der Schule gemeint.

3.1.1 Differenzierung des Unterrichts

"Zurückdrängen des konventionellen Klassenunterrichts nach dem Prinzip des ‚Gleichschritts für alle'." (TERHART 2004, 11)

Aus dieser Forderung resultiert die Differenzierung des Unterrichts, aufgrund verschiedener Bedürfnisse der Schüler und im Sinne der Chancengleichheit[33]. Sie beinhaltet zwei Hauptkomponenten:

  • die Anwendung verschiedener Unterrichtsformen (‚instructional delivery')

  • die Differenzierung der Unterrichtsinhalte (‚excellence in curriculum')

In England unterstützen mehrere Faktoren die Möglichkeit des Klassenlehrers den Unterricht nach Unterrichtsform und -inhalt zu differenzieren:

1. ein differenziertes Curriculum für alle Schüler, mit Vorschlägen für seine Implementierung im Unterricht (vgl. Kapitel 2.1.1): "The driving force behind the national curriculum behind the introduction of a National Curriculum for schools in the late 1980s was that many pupils were leaving school without the knowledge and skills that the government believed they ought to have." (STEPHENS/TøNESSEN/KYRIACOU 2004, 113)

2. der ständig anwesende Teaching Assistant, der sowohl einzelne Kinder, als auch Kleingruppen und Klassen betreut, zum Teil mit Unterstützung der Elternhelfer;

3. der SENCO als Ratgeber für die Förderung von Kindern mit SEN in der Klasse;

4. das selbständige Arbeiten der Schüler in offenen Unterrichtsformen von Beginn der Schulzeit an;

An deutschen Schulen ist die Möglichkeit der Unterrichtsdifferenzierung vor allem durch die Zusammenarbeit mit dem Sonderpädagogen gegeben. Aufgrund der stark limitierten Stundenzuweisungen in der Regelschule ist er jedoch nur für den geringeren Teil des Unterrichts verfügbar (vgl. 2.2 ff.), so dass diese Zeit größtenteils in isolierter Kleingruppenarbeit verbracht wird. So können die Förderintensität gesteigert und Leistungsrückstände zum Rest der Klasse aufgeholt werden, die durch unzureichende Möglichkeiten entstanden, den individuellen Lernbedürfnissen der Kinder gerecht zu werden.

Es gelten für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ausschließlich die Rahmenrichtlinien der Förderschulen. Von den Lehrern wird die Kenntnis der aufeinander aufbauenden Inhalte der verschiedenen Lehrpläne verlangt, um eine sinnvolle Differenzierung zu finden, die die Inhalte der verschiedenen Richtlinien aufeinander abstimmt, um die weitere Beteiligung am Unterricht der gesamten Klasse gewährleisten zu können.

3.1.2 Diagnostik

Die Kenntnis der individuellen Lernbedürfnisse eines Schülers ist Voraussetzung, um daraus abgeleitet Lehrinhalte und -methoden auszuwählen, die den Fähigkeiten des Schülers entsprechen und präventiv die Entstehung weiterer Schwierigkeiten verhindern. Außerdem ist eine kontinuierliche Beobachtung, Protokollierung und Überprüfung der Entwicklung des Schülers statt einer einmaligen ‚Lernstandsdiagnose' notwendig:

"Diagnostic information is not only necessary for the purposes of effective feedback, but also for effective feedforward. Only by opening the window to a child's mind can teachers gain sufficient information on which to plan the next optimal step. In this sense, then, poor assessment practices can lead to pedagogical planning blight." (BENNETT 1991, 129)

Die kürzliche Einführung individueller Lernentwicklungsdokumentationen für alle deutschen Schüler "bildet die wichtigste Grundlage für die Individualisierung von Lernprozessen" (NIEDERSäCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2004, 89). Eine Anforderung, die in den Aufgabenbereich des Lehrers oder Sonderschullehrers fällt.

In England gibt es sogenannte IEPs (Individual Education Plans), die jedoch nicht alle Schüler betreffen, sondern nur zur Beobachtung und Kontrolle der Lernfortschritte von Kindern mit SEN verwendet werden. Ihre Erstellung und Überprüfung liegt in der Hand des Klassenlehrers in Zusammenarbeit mit dem SENCO, die die Verantwortung für die Förderung der Schüler mit SEN besitzen. Gegebenenfalls unterstützt der Teaching Assistant bei den Überprüfungen.

Über die Lernentwicklungen der anderen Kinder in der Klasse wird in einer Akte des jeweiligen Schülers Protokoll geführt. Die Unterlagen enthalten Hausaufgaben und Unterrichtsarbeiten des Schülers, Beschreibungen der Leseentwicklung, Selbsteinschätzungen, Kommentare der Elternhelfer, Teaching Assistants und Lehrer. An den meisten Schulen ist es üblich, dass der Lehrer und Schüler gemeinsam in regelmäßigen Zeitabständen die Akte durchgehen.

3.1.3 Kooperation und Netzwerkbildung

Die Kooperation ist ein wesentlicher Bestandteil schulischer Arbeit und dient sowohl der Aufgabenteilung und Entlastung des Einzelnen, wie auch der kontinuierlichen, lückenlosen Förderung eines jeden Schülers, orientiert an seinen individuellen Bedürfnissen. Es ergeben sich verschiedene Kooperationskonstellationen:

a) innerschulische Kooperation

Kooperation des Schulpersonals untereinander: Lehrer tauschen sich aus, über das Lernverhalten und die Entwicklung von Schülern, Unterrichtsmethoden und -inhalten, Aufgabenteilung, etc.

Kooperation zwischen Lehrern, Schule und Eltern: Austausch über familiäre Hintergründe eines Schülers, erzieherische Schwierigkeiten, persönliche Beratung der Eltern, etc.

b) Kooperation der Schule mit außerschulischen Organisationen:

c) Inklusion findet nicht nur in der Schule statt. Netzwerkbildung zwischen verschiedenen Organisationen und der Schule soll das Förderspektrum auf außerschulische Inhalte ausdehnen und den Austausch und die Ergänzung zwischen unterschiedlichen Professionellen fördern.

Im niedersächsischen Schulgesetz wird auf die Notwendigkeit von Kooperation, unter anderem zur Unterstützung präventiver Maßnahmen, hingewiesen und verschiedene mögliche kooperative Verbindungen der Schulen werden aufgezeigt:

1) "...Umfassende dialogische Beratung von Lehrkräften und Erziehungsberechtigten.

2) Zusammenarbeit mit Beratungsdiensten,

3) Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen,

4) Beratung mit Förderschulen." (NIEDERSäCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2005, 52)

Die deutsche Schulpraxis zeigt jedoch ein gegensätzliches Bild: Die Lehrer in Deutschland sind bekannt für ihren isolierten Unterricht hinter verschlossener Tür; die unumgängliche Kooperation zwischen Sonder- und Grundschullehrer im Rahmen integrativen Unterrichts weist bis heute große Probleme auf (vgl. LüTJE-KLOSE/WILLENBRING 1999); Fragen nach der Kooperation einer Schule mit anderen Institutionen werden meist zögerlich mit dem Hinweis auf ein oder zwei Kooperationspartner, wie Kindergärten oder Jugendklubs beantwortet; nach Aussagen der Lehrer, besteht der Kontakt zu Eltern außerhalb der Elternsprechtage und Elternabende, die immer schlechter besucht werden, nur lückenhaft.

In England ist innerschulische Kooperation aufgrund der Unterrichts- und Personalstrukturen wesentlicher Bestandteil der schulischen Arbeit. Ein erleichternder Faktor dabei, im Vergleich zur deutschen Struktur, ist die hierarchische Ordnung unter den Kooperierenden und die eindeutige Aufgabenteilung. Die Kooperation zwischen Lehrer und Teaching Assistant wird immer vom Lehrer, als dem Hauptverantwortlichen gesteuert. Der SENCO und Klassenlehrer haben ein anderes Kooperationsverhältnis, dass weniger durch Hierarchie, als durch klare Aufgabenteilung geprägt wird: Der SENCO fungiert als Spezialist für special educational needs mit einem Überblick über Fördermöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Schule, während der Klassenlehrer die Bezugsperson für den betreffenden Schüler ist.

Die kooperative Arbeit mit außerschulischen Institutionen und Eltern ist gesetzlich verpflichtend (vgl. DfES 2001, 16ff.&135 ff.).

3.1.4 Kommunikations- und Verhandlungskompetenzen (vgl. Ferguson 1989, 53 ff.)

Mit der Entstehung des inklusiven Unterrichts entstand für Schulen die Notwendigkeit mit außerschulischen Institutionen oder anderen Schulen verstärkt in Kontakt zutreten, um Förderunterstützungen[34] zu bekommen, wodurch die Kommunikation ein wesentliches Merkmal der schulischen Arbeit wurde. Sämtliche Kooperationsformen machen kommunikative Fähigkeiten erforderlich. Dabei kann es sich um die Kommunikation mit Eltern, Lehrerkollegen, Therapeuten, Ärzten u.a. handeln. Verhandlungskompetenzen werden vor allem durch bestehende bürokratische Hürden und das restriktive Verhalten des Staates notwendig, die den Zugang zu einer angemessenen Förderung eines Schülers häufig behindern.

An deutschen Schulen, wie der Friedrich-Ebert-Schule, werden diese Kompetenzen von den Klassenlehrern, Sonderpädagogen und Schuldirektorinnen und -direktoren verlangt, da sie diejenigen sind, die Gespräche mit Eltern, Kollegen und anderen Institutionen führen.

In England ist die Kommunikation und Verhandlung mit Organisationen und Eltern, sowie anderen außerhalb der Schule tätigen Professionellen aufgeteilt auf verschiedene Mitglieder des Schulpersonals: sowohl der Klassenlehrer, der Headteacher und der Deputy Headteacher, aber auch der Education Support Worker, der SENCO und die Teaching Assistants sind für bestimmte Kontakte zuständig.

3.1.5 Ressourcenentwicklung und -management (vgl. FERGUSON 1989, 53 ff.)

Die Effektivität der schulischen Förderung hängt zum großen Teil vom Management personeller und materieller Ressourcen und deren Weiterentwicklung ab. Die Schulleitung an deutschen Schulen ist für die Verwaltung sämtlicher Ressourcen der Schule verantwortlich. Im individuellen Unterricht muss der Klassenlehrer und der Sonderpädagoge den Einsatz von Ressourcen überwachen und steuern.

In England fallen diese Aufgaben, genau wie in Deutschland in den Verantwortungsbereich der Schulleitung und Lehrer. Durch die Aufgabenteilung werden jedoch häufig Teaching Assistants angewiesen die Aufsicht über materielle Ressourcen in einer Klasse zu führen und der SENCO kümmert sich um die schulische Ausstattung bezüglich der Versorgung von Kindern mit SEN.

3.1.6 Reflexion des Unterrichts - "teachers take responsibility for the development of their practice"(AINSCOW 1991a, 11)

Aufgrund der Heterogenität der Schüler und dem Anspruch den Unterricht an die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen anzupassen, ist die Möglichkeit, dass ein Unterrichtskonzept für alle Schüler angemessen ist, gering. Eine wiederkehrende Reflexion zur Überprüfung des Unterrichts ist notwendig, um seine Anpassung an die Schüler zu optimieren.

Diese Forderung ist in erster Linie an den Lehrer gerichtet, der der Hauptverantwortliche für den Unterricht ist. Voraussetzung der Reflexion ist zum einen die Kritikfähigkeit der Lehrer, sowie die Einstellung, dass nicht der Schüler für seine Lernschwierigkeiten verantwortlich ist, sondern sie das Resultat des Unterrichts oder der Schule sind, die sich nicht genügend auf die Bedürfnisse des Schülers einstellen.

Während in England gesetzliche Auflagen dazu raten, für eine mehrperspektivische Betrachtung des Unterrichts und das Gefühl der Verantwortungsteilung und gegenseitigen Unterstützung weiteres Personal zur Reflexion des Unterrichts hinzuzuziehen (vgl. DfES 2001, 53) und ein offener Austausch über Unterrichtsformen mit Kollegen stattfindet, werden Unterrichtsbesuche in Deutschland von Lehrern lieber vermieden. Dahinter lässt sich eine Kritikunfähigkeit vermuten, für die sich mehrere Gründe finden lassen. Auf der einen Seite kommen eine fehlende Selbstreflektionskultur und das Rollenverständnis des deutschen Lehrers als "Alleinkämpfer", als Ursache in Frage, auf der anderen Seite verunsichern die ständigen Forderungen der Eltern, Schulbehörde und anderer Personen.

3.1.7 Professionelle Weiterbildung

Professionelle Weiterbildungen dienen dem Kennenlernen neuer Unterrichtsstrategien und -materialien und ermöglichen außerdem den Austausch mit Kollegen über Schwierigkeiten und Erfolge, welcher die Motivation und folglich die Unterrichtsqualität steigert.

Im niedersächsischen Schulgesetz (vgl. NIEDERSäCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 1998, 30) findet sich unter §51(2) ein kleiner Hinweis bezüglich der Fortbildungspflicht des Lehrers. Steigende Anforderungen an die Lehrer und mangelnde Unterstützung der Schule in Form von Unterrichtsfreigabe, Finanzierung o.ä. verhindern, dass Lehrer dieser Pflicht nachkommen können. Grundsätzlich kann von einer Vernachlässigung der Personalentwicklung und -weiterbildung in Deutschland gesprochen werden. Es gibt nur vereinzelt Initiativen, wie z.B. die in Niedersachsen zwischenzeitlich eingerichtete ‚Schulinterne Lehrerfortbildung' (SCHILF), die einmal im Jahr verpflichtend für sämtliche Schulen war, inzwischen jedoch wieder abgeschafft wurde.

In England werden Fortbildungen von der Schule veranstaltet bzw. das Schulpersonal wird von der Schule auf Fortbildungen geschickt.

Ausgeglichenheit - "finally time itself" (JOHNSON/WRIGHT/HORNBY 1995, 38)

Normalerweise wäre dieser Aspekt sicherlich nicht unter den ‚Anforderungen eines Lehrers' aufgeführt. Er soll jedoch Erwähnung finden, da besonders im Lehrerberuf die Ausgeglichenheit und Selbstzufriedenheit elementare Bedeutung hat für den Umgang mit alltäglichen Anforderungen, wie einem ständigen Geräuschpegel, unterschiedlich konzentrierten und interessierten Schülern, fordernden Eltern u.a., die im Rahmen inklusiver Entwicklungen noch gestiegen sind.

Wie viel Zeit bleibt einem Lehrer noch für sich selber, nachdem er sämtliche zuvor beschriebenen Aufgaben erfüllt hat? Für den Lehrerberuf in Deutschland gibt es zwar eine zeitlich festgelegte Unterrichtsverpflichtung, doch die Reststunden, die eine volle Arbeitsstelle ausmachen reichen für die weiteren Aufgaben des Lehrers nicht aus: Unterrichtsplanung, Eltern- und Kollegengespräche, Fortbildungen und auch alle neu entstehenden Anforderungen an die Lehrer, müssen häufig in der Privatzeit stattfinden. Dieser Aufgabenbereich ist nicht eindeutig geregelt und wird nicht, wie in England auf verschiedene Professionen im pädagogischen System verteilt.

In England wird ebenfalls von einer hohen Belastung der Lehrer gesprochen, doch wirkt sich die konkretere Aufgabenbeschreibung der einzelnen Berufe des Schulpersonals und die daraus resultierende Arbeitsteilung entlastend aus.

3.2 Das Schulpersonal im Zentrum inklusiver Schulentwicklung

Anhand der vorangegangenen Ausführungen wird deutlich, welche entscheidende Rolle das Schulpersonal im Prozess der Inklusionsentwicklungen spielt. Jede neue Forderung, die im Rahmen der Inklusion an Schulen gestellt wird, muss hauptsächlich vom Schulpersonal erfüllt werden. Unterstützung gibt es zum Teil beispielsweise bei der Differenzierung des Unterrichts durch das nationale Curriculum in England.

"Jede historische bzw. schulgeschichtliche Epoche hat auf die Frage nach den Kompetenzen des Lehrerberufs ihre besonderen Antworten gegeben." (TERHART 2004, 10) In Deutschland scheint es wirklich der Lehrer zu sein, der als Hauptbestandteil des Unterrichtspersonals das Zentrum der schulischen Arbeit bildet und seine Kompetenzen dementsprechend erweitern soll.

In England nimmt das Personal ebenfalls eine entscheidende Stellung in Bezug auf die Implementierung inklusiver Unterrichtsformen ein. Die schulische Arbeit ist jedoch von der Vielfalt unterschiedlicher Qualifikationen der Personalmitglieder mit dem Nutzen der Aufgabenteilung geprägt. Der Lehrer übernimmt dann zum Teil nur noch managende Positionen (vgl. 2.3.1.1).

Die Konsequenzen einer derartig geringen Aufgabenverteilung in Deutschland, die einen Großteil neuer Ansprüche an den Lehrer übergibt sind offensichtlich:

a.) Ein niedriger Personalschlüssel in den Regelschulklassen in Deutschland (vgl. 2.5)

b.) Zunehmende Verunsicherung der Lehrer in Deutschland:

Es existieren keine klaren pädagogischen Zielvorstellungen oder klar definierte Leistungsanforderungen (vgl. 2.3.2.1 ff.; 2.5), wodurch die geforderte Beobachtung und Begleitung von Lernfortschritten eines jeden Schülers erheblich erschwert wird und die Lehrer zunehmend ihre Kompetenzen in Frage stellen (vgl. KöNIG/ZEDLER 2004, 83 ff.).

c.) Festhalten der Lehrer an konventionellen Berufsauffassungen, wodurch die Entwicklung neuer Personalstrukturen und die Kooperation mit Eltern und anderen außerschulischen Institutionen verhindert wird (vgl. SCHöNIG 2004, 456);

d.) Das seit kurzem deutschlandweit eingeführte System individueller Förderpläne und Zensurendifferenzierung lassen segregierende Entwicklungen erwarten:

"Angesichts mangelnder diagnostischer Kompetenz der Lehrkräfte und fehlender Ressourcen (Zeit, Fortbildung) ist zu befürchten, dass es (das System der Diagnostik mittels individueller Förderpläne; Anm. d. Verf.) bloß administriert wird und zu einer höheren Selektivität und Abwärtsmobilität führen wird." (SCHöNIG 2004, 453 ff.)

e.) Lange Arbeitszeiten und keine Zeit sich auf jedes einzelne Kind einzustellen:

Die steigenden Anforderungen an Lehrer ohne einhergehende adäquate Weiterbildung führen zu Zeitknappheit, wodurch die geplante individuelle Förderung sich wieder in Etikettierungsprozesse umwandelt, in denen die Bedürfnisse eines Kindes aufgrund seiner offiziell festgestellten Behinderung festgelegt werden:

"We often assume that if we know a person's disability, we can create appropriate, even optimal, programs for the person." (BIKLEN/TAYLOR 1985,125)

f.) Minderung eines positiven Vertrauensklimas zwischen Lehrern und Schülern: Leistungsgesellschaft (Nationale Leistungsmessung, -standards) vs. Schulfamilie;

g.) Konkurrierende Verhältnisse zwischen Lehrerinnen und Lehrern in der Kooperation, die durch eine stärker ausgeprägte Hierarchie im englischen Personal verringert werden;

h.) Fehlende Anerkennung der Lehrtätigkeit geht mit zunehmender Kritik einher:

"Parallel dazu hat sich ein formalisierter Anerkennungsdiskurs entwickelt, der Lehrkräfte pauschal unterstützt und unterschwellig abwertet, weil deren tatsächliche Leistungen nie wirklich sichtbar werden. Für die Arbeit der Lehrkräfte gibt es keinen sichtbaren Ausdruck, vergleichbar den Noten, die die Schüler erhalten." (OELKERS 2003, 121)

i.) Burnout: Die steigenden Anforderungen an Lehrer, ohne einhergehende Unterstützung und Anerkennung von außen, führen zu Überforderung und schließlich zu einem körperlichen und psychischen Zusammenbruch. Aktuell gehen 50% der Lehrer in Deutschland vorzeitig in den Ruhestand aufgrund von Burnout oder ähnlichen Erschöpfungszuständen. Circa 35% leiden am Burnout-Syndrom und weitere 30% befinden sich in einem Vorstadium (vgl. BAUER 2005).

Diese verschiedenen Konsequenzen, die sämtlichen inklusiven Entwicklungen entgegenlaufen, bilden eine kausale Folge, ausgelöst durch die Überforderung aufgrund neuer Aufgaben.

Abb.3: Kausalkette der Konsequenzen "inklusiver" Anforderungen an das Schulpersonal

Die dargestellte kausale Kette (vgl. Abb.3) könnte aufgrund der vielfältigen Interdependenzen an fast jeder "Konsequenz" (s.o.) ansetzen und führte zu den gleichen Folgen bis sie schließlich Segregation und eventuell ein Burnout-Syndrom bei Lehrern entstehen lässt. Es sind außerdem mehrere Kreisläufe zu erwarten, die allerdings nicht alle dargestellt wurden, um eine bessere Übersicht zu gewährleisten.

3.3 Wo muss Schulentwicklung in Deutschland ansetzen?

Die vorangegangenen Darstellungen deuten bereits an, dass momentane schulische Entwicklungen in Deutschland der Inklusion größtenteils entgegen laufen, ohne dabei Einzelfälle mit positiven Ergebnissen missachten zu wollen.

Was schafft die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis in Deutschland? Wie kommt es dazu, dass Segregation und Burnout das tatsächliche Ergebnis sind, wenn in der Theorie inklusive Zielsetzungen vorgegeben werden? Viele Ursachen sind hier zu nennen. Anhand der vorangegangenen Ausführungen wurde ein Faktor offensichtlich: Das Schulpersonal in Deutschland ist überfordert. Doch die nächste Frage wäre: Wieso ist das deutsche Schulpersonal den neuen Aufgaben nicht gewachsen?

Mit dem überforderten Schulpersonal sind in erster Linie die Lehrer/innen gemeint, welche den Großteil der neuen Aufgaben allein bewältigen müssen. Zeitlimitierungen, separate Rahmenrichtlinien, mangelnde personelle und materielle Ressourcen, erhöhte Forderungen nach einer Leistungsverbesserung des deutschen Schülers seit PISA, sowie die Einführung von Standards in den Kernfächern lassen die Anforderungen an Lehrer/innen noch weiter steigen ohne dass die politisch Verantwortlichen Lösungswege anbieten. Um den neuen Gegebenheiten gerecht werden zu können, muss sich die gesamte Schulorganisation vielfältigeren Aufgaben und dementsprechend einer Reformierung gegenüber sehen.

Die Ergebnisse der PISA-Studie gaben der deutschen Bildungspolitik den Anstoß, sich Anregungen aus anderen Ländern zu holen. Bildungsstandards wurden sehr zügig in das deutsche Bildungssystem eingeführt und auch die individuellen Förderpläne sollen in absehbarer Zeit zum Einsatz kommen. Während Beobachtungen zu Folge die Konzeption der Förderpläne in England und anderen Ländern die inklusive Beschulung durchaus unterstützt, lässt ihre Einführung in Deutschland eine Zunahme an Arbeit für die Lehrer/innen erwarten, die in Verbindung mit den vielen einhergehenden Anforderungen und aufgrund fehlender Qualifikation nicht mehr zu bewältigen scheint. Es ist daher zu mutmaßen, dass entweder die vorhandenen Sonderpädagogen mit der Aufgabe betraut werden, wodurch eine wichtige Unterstützung der "individuellen" Förderung wegfällt, oder die Förderpläne nur oberflächlich bearbeitet werden können.

Es hat den Anschein, dass Bedingungsfaktoren, wie beispielsweise schulpersonelle Strukturen, Personalausbildungen, dezentralistische Strukturen und auch die jeweilige Landeskultur, die den Umgang mit diesen Instrumenten in anderen Ländern erfolgreich machen, in Deutschland in der Eile übersehen oder ihre Bedeutung unterschätzt wurde. Die hinzukommend nötige Flexibilität sich schnellst möglich auf neue Schulkonzepte einzustellen wird durch komplexe Organisationsstrukturen und Verwaltungsbürokratien in Deutschland verhindert.

Es handelt sich um ein Konglomerat vieler Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen, welches Auswirkungen auf den inklusiven Unterricht hat und bei Nichtbeachtung zu oben beschriebenen Diskrepanzen führt. Dabei ist das Verhältnis zwischen Lehrkörper und Schulorganisation nicht einseitig, sondern als sich wechselseitig beeinflussend anzusehen. Einerseits bedingen Faktoren, wie beispielsweise Personalschlüssel, Personalqualifikation und Kooperation die Schulorganisation, andererseits bietet die schulische Organisation mit Faktoren wie Zeitmanagement, Aufgabenverteilung, materiellen Ressourcen, Klassengrößen, pädagogischen Zielvorstellungen etc. den Rahmen für die Arbeit des Schulpersonals. Die Berücksichtigung dieser Interdependenzen ist auf der schulstrukturellen Ebene bisher vernachlässigt worden und SCHöNIG beschreibt die augenblickliche Situation als einer Art "Teufelskreis", dem zu Folge die Lehrer/innen in immer größere Isolation geraten, die sie zum Teil auch selber verursachen:

"LehrerInnen sind in Organisationsstrukturen tätig, die sie zu individuellen Handlungsvollzügen nötigen und die sie entsprechende Einstellungen lernen lassen. Umgekehrt kommen sie aus der strukturellen Vereinzelung nicht heraus, weil ihnen die eigenen Einstellungen im Wege stehen. Wo also soll Schulentwicklung ansetzen?" (SCHöNIG 2003, 457)

Abb. 4: Die zyklische Verbindung von schulischer Organisation und Lehrerindividualismus



[33] Chancengleichheit bedeutet, dass ein jeder Schüler seinen Fähigkeiten entsprechende, individuelle Unterstützung bekommt. Chancengerechtigkeit bezeichnet dagegen die Behandlung aller Schüler unter den gleichen Bedingungen.

[34] Der Begriff ‚Förderunterstützung' meint in diesem Kontext sowohl die finanzielle Hilfe, als auch den Austausch mit anderen Schulen, Ärzten, Jugendämtern u.a. über Fördermöglichkeiten und -maßnahmen, Rechtslagen o.ä.

4. "...der Lehrerberuf ist ein Beruf - und keine Existenzform." [35]-

Unterstützung der Schulentwicklung durch Personalentwicklung in England und Deutschland

"We believe in inclusion, so we have to ask our-selves, how do we manifest that? You have to create the organizational structure for inclusion, or for any belief, otherwise you are constantly finding that you are compromising on your values."

(a school administrator in: BIKLEN 1989, 17)

In Kapitel 3 wurde auf die bestehenden Interdependenzen zwischen der Schulorganisation und dem Schulpersonal bereits hingewiesen. In den meisten Ländern, wie beispielsweise England, gehen dem zu Folge schulorganisatorische Veränderungen immer mit einer Reformierung der Personalstruktur einher, was sich als grundlegend für eine erfolgreiche Schulentwicklung herausstellte:

"If I reflect on the more successful projects I have been involved in they share a strong element of staff development. " (AINSCOW 1991b, 224)

In Deutschland geriet die Bedeutung der unmittelbar an Schulprozessen Beteiligten, des Schulpersonals, ins Abseits inklusiver Entwicklungen, während die Schulorganisation und Unterrichtsreformierung ins Zentrum rückten. Folge sind die vorangehend dargestellten gegenwärtigen Diskrepanzen zwischen der Theorie und der Praxis: die Überforderung des Lehrers, der immer mehr Aufgaben aufgebürdet bekommt, ohne dass die Frage gestellt wird, wie er diese Aufgaben erfüllen soll (vgl. Tab. 6).

Inzwischen ist auch in Deutschland erkannt worden, dass sich schulorganisatorische Veränderungen immer auf das Personal auswirken beziehungsweise ohne einhergehende Personalreformierung nicht den gewünschten Erfolg zeigen. Mit der aktuellen Professionalisierungsdebatte finden die Interdependenzen zwischen Schulpersonal und Schulorganisation nun eine größere Beachtung:

"Institutionen und Organisationen können nur lernen, wenn sich auch ihre Mitglieder weiterentwickeln. (vgl. Dalin 1997) Wenn die Mitglieder einer Institution neue Kompetenzen erwerben oder neue Fähigkeiten entwickeln, verändern sich die Prozesse und Inhalte. Auch wenn eine Organisation neue Aufgaben erhält, hat dies konkrete Auswirkungen auf ihre Mitglieder, deren Tätigkeitsprofile und Arbeitsinhalte. Deshalb haben wir Schulentwicklung stets als eine Verknüpfung von Organisationsentwicklung, Unterrichtsentwicklung und Personalentwicklung verstanden." (BUHREN/ROLFF 2002, 11)

Abb. 5: Schulentwicklung

Im Vergleich zu Abbildung 4, die nach dem Ansatzpunkt für Schulentwicklung fragt, bestätigen BUHREN und ROLFF das wechselseitige Verhältnis zwischen Schulpersonal und umgebenden Schulstrukturen (vgl. Abb. 5) und verstehen diese Multifaktoralität der Schulentwicklung als Antwort: Erfolgreiche Schulentwicklung muss in jedem Bereich ansetzen.

Welche Veränderungen müssen nun im Schulpersonal geschehen, um den Rückstand zu bisherigen schulorganisatorischen und -unterrichtlichen Entwicklungen aufholen und diese fortführend unterstützen zu können, um so die Effektivität der inklusiven Praxis zu steigern? Die individuellen Implementierungsformen schulischer Inklusion, die zu einem unterschiedlichen Reformierungsbedarf an jeder Schule führen, lassen keine eindeutige und präzise Antwort zu. Wie jedoch unter anderen auch AINSCOW behauptet, zeigen Erfahrungen, dass es eine Reihe allgemeingültiger schulpersoneller Veränderungen gibt:

"...I note a number of common features of those initiatives where staff development has had positive effects on the practice of teachers and the progress of pupils." (AINSCOW 1991b, 224)

In der Literatur werden hauptsächlich drei Bereiche genannt, die die Effektivität der schulischen Arbeit stark beeinflussen und im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff der Personalentwicklung zusammengefasst werden. Da die Reichweite dieses Begriffes sehr unterschiedlich verstanden wird, soll sie für den hiesigen Kontext kurz definiert werden.

Ein Bereich ist die bereits genannte Personalweiterbildung. Sie bezeichnet die Reformierung der Aufgabenprofile und Arbeitsweisen des bestehenden Schulpersonals. Darunter fallen unter anderem die Aspekte der Aufgabenteilung und Kooperation. Desweiteren gibt es den Bereich der Personalausbildung und Qualifikation der Mitglieder des Schulpersonals vor dem Berufseintritt. Damit werden die grundlegende Ausbildung oder das Studium angesprochen, welche sich an der schulischen Praxis orientieren sollten, d.h. an den jeweiligen Aufgabenprofilen der einzelnen Berufsgruppen, Zielsetzungen der Schule, Arbeitsweisen etc.. Der letzte Bereich ist die Erweiterung des Schulpersonals, die den Einbezug oder auch die Neugründung bisher nicht dem Schulpersonal zugehöriger Professioneller zur Unterstützung von Lehrern und Schülern bezeichnet. Diese drei Bereiche stehen in wechselseitiger Beeinflussung.

Abb. 6: Personalentwicklung

Im Vergleich zwischen der englischen und deutschen Personalentwicklung lassen sich Unterschiede in allen drei Bereichen feststellen. Da das englische Schulsystem unbestritten zu den Vorreitern der Inklusionsbewegung zählt, sollen im Folgenden zentrale Zielsetzungen und Merkmale der englischen Personalentwicklung dargestellt werden. Die Absicht ist ihre Übertragung auf deutsche Gegebenheiten, um durch Reformierung des deutschen Schulpersonals die Möglichkeit zu bieten auf schulorganisatorische und -unterrichtliche Veränderungen effektiver reagieren zu können. Desweiteren ist die Orientierung an bereits erprobten Konzepten dezentralistischer Schulsysteme hilfreich für die bevorstehende größere Eigenständigkeit der Schulen in ihrer Schulentwicklung, die im Rahmen der angestrebten Dezentralisierung erforderlich wird:

"Die Relevanz von PE (Personalentwicklung; Anm.d.Verf.) wird ferner unterstrichen durch den Trend zu selbständigeren Schulen. Wenn Schulen selbst der Motor der Entwicklung sein sollen (und wollen), dann müssen sie auch selber verstärkt PE betreiben; dies darf nicht wie bisher der Schulaufsicht und -verwaltung allein überlassen bleiben." (BUHREN/ROLFF 2002, 12)

Exkurs: "Why is it like it is?" [36]

Die Frage nach dem ‚Warum', die CATHERINE CLARKS, ALLAN DYSON und ALAN MILLWARD hier stellen, weist, ich möchte nicht sagen ausschließlich, doch unumgänglich, auf die Betrachtung historischer Entwicklungsprozesse, als dem Ursprung der Gegenwart und Grundlage zukünftiger Weiterentwicklungen, hin:

"So sind die einzelnen Arbeitsfelder und sozialen Problemstellungen ... letztendlich Ergebnisse Jahrhunderte langer historischer Entwicklungen, die es sowohl in der praktischen Arbeit, als auch in der Forschung und Lehre als Grundlage für gegenwärtiges Handeln zu berücksichtigen gilt. Damit ist die Vergangenheit nicht ein abgeschlossener Sachverhalt, sondern wirkt maßgeblich in die Gegenwart hinein und bildet den Ausgangspunkt für Zukünftiges." (AMTHOR 2003, 560 ff.)

Mit anderen Worten und auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen: Der Vergleich der aktuellen Personalstruktur deutscher und englischer (Grund-)schulen, ihre Überprüfung im Hinblick auf die Anpassung an derzeitige schulische Aufgaben und die daraus gegebenenfalls resultierenden notwendigen Veränderungen, sollten immer auf der Basis historischer (Personal-)entwicklungen im Kontext schulischer und gesellschaftlicher Bedingungen geschehen. Dies dient der Vermeidung von Misserfolgen aufgrund divergierender nationaler Strukturen oder der Wiederholungen einstiger Fehlentwicklungen und ermöglicht eine im nationalen Kontext folgerichtige Weiterentwicklung.

Im Vordergrund der folgenden Darstellungen steht das Anliegen, die Entstehung gegenwärtiger Unterschiede der Personalstrukturen englischer und deutscher Grundschulen nachzuvollziehen. Die Ausführungen werden sich auf einen Abriss markanter Stationen der schulpersonellen Entwicklung im Kontext direkt beeinflussender Veränderungen im Schulsystem konzentrieren, die maßgeblich die gegenwärtige Situation des Schulpersonals im sonder- und regelschulpädagogischen Bereich mitbegründeten.[37] Gesellschaftliche, (schul-)politische und wirtschaftliche Ereignisse werden nur im Falle direkter Auswirkungen auf das Schulpersonal berücksichtigt, worin sich die mangelnde Kontinuität ihrer Darstellung begründet. Eine präzisere Beschreibung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Die englisch- und deutschsprachige Literatur zum Thema der historischen Personalentwicklung ist stark limitiert, weshalb die Beschreibung der schulpersonellen Gegebenheiten zum Teil hypothetisch auf Informationen zur allgemeinen Entwicklung der Schulsysteme beruht. Aus diesem Grund können in den meisten Fällen auch nur ungefähre zeitliche Angaben zur Entstehung der einzelnen Berufsprofile gemacht werden. Im Anschluss an den Exkurs findet sich ein Schaubild ‚Zeittafel der Entwicklung des Schulpersonals in England und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert' als zusammenfassende Übersicht (Abb. 7).

Schulpersonelle Entwicklungen des 19. Jahrhundert

Sowohl in England, als auch in Deutschland spielte das 19. Jahrhundert eine entscheidende Rolle für die Entwicklungen der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die den Ursprung der heutigen Gegebenheiten bilden. Obwohl es vorher von Pädagogen in Deutschland bereits Initiativen zur Förderung dieser Kinder gegeben hatte, beispielsweise von J.H. Pestalozzi (1746-1827) in Bezug auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen der emotionalen und sozialen Entwicklung (vgl. BLEIDICK 1999, 144), setzt die eigentliche Entstehung des Schulwesens und folglich des Schulpersonals, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Die Schulpflicht wurde zwar schon um die Jahrhundertwende eingeführt, doch durch die Kinderarbeit bestand sie zu diesem Zeitpunkt nur formal (vgl. ALTSTAEDT 1977, 36).

In Großbritannien wurden erste Ansätze der Betreuung von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch die Errichtung von Anstalten, Einrichtungen und Sonderschulen für Blinde, Gehörlose, körperlich und geistig behinderte Menschen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sichtbar (vgl. DEPPE/SCHINDLER 1999, 328; O'HANLON 1995, 5). Die Festlegung einer allgemeinen Schulbildung für alle Kinder entstand jedoch erst 1870 mit dem ‚Education Act'[38], welcher zur Gründung der ersten Staatsschulen führte. Ohne dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf explizit in diesem Erlass erwähnt worden waren, gründete sich 1874 eine Klasse für gehörlose Kinder an einer Regelschule. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Großteil aller gehörloser und blinder Kinder in Regelschulen mit teilweise erteiltem Sonderunterricht beschult (vgl. DEPPE/SCHINDLER 1999, 328). Die Empfehlung der ‚Königlichen Kommission' 1889 hatte die gesetzliche Schulpflicht für Blinde zwischen fünf und 16 Jahren eingeführt. Im Elementarbereich sollten behinderte Kinder gemeinsam mit Nichtbehinderten unterrichtet werden.

Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen wurden abhängig von der zugeteilten Kategorie, als ‚Schwachsinnige' (‚feebleminded') in ‚Sonderschulen' (‚Special Schools') untergebracht, erhielten als ‚Geistesschwache' (‚imbeciles') Bildungsmöglichkeiten zur Entwicklung ihrer Sprache, Emotionen und ihres Körpers oder wurden als sogenannte ‚Idioten' (‚idiots') für nicht bildungsfähig befunden (vgl. DEPPE/SCHINDLER 1999, 327 ff.). Der ‚Defective and epileptic Children's Act' 1899, sieht die Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie und/oder geistigen, seelischen oder physischen Behinderungen in Sonderschulen vor (vgl. FLÖRKE 1995, 41).

Als Folge der oben genannten institutionellen Entwicklungen im britischen Schulsystem bildete sich im 19. Jahrhundert erstmals eine eigenständige Lehrerausbildung heraus. Sowohl Regelschullehrer/innen, als auch Lehrkräfte, die zusätzlich zu der herkömmlichen Ausbildung spezielle Kurse zur Qualifikation für den Sonderunterricht absolviert hatten, wurden in den Regel- und Sonderschulen angestellt.

"Die Lehrerbildung war zunächst nicht akademisch fundiert, auch wenn sie universitätsnah betrieben worden ist. Die Ausbildung der Grundschullehrer wurde an der Alltagspraxis orientiert, z.B. wird das schöne Schreiben an der großen Tafel oder die Aufrechterhaltung von Disziplin eingeübt. Die Sekundarlehrerausbildung dagegen bestand aus einer Einführung in verschiedene Aspekte von Erziehung und Unterricht, z.B. Erziehungsziele (Philosophie), Leistungstest, Unterschiede Jungen-Mädchen (Psychologie), Funktion und Selektion (Soziologie). Es wurden für Universitäten und Colleges auch Kurse über fachspezifische Unterrichtsmethoden eingeführt. Dies bestand bis in die 70er Jahre hinein (des 20. Jahrhunderts; Anm. d. Verf.), wobei auch Wert auf den Praxisbezug der Ausbildung gelegt wurde." (TULASIEWICZ 2004, 22)

In Deutschland existierte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein mehrgliedriges Elementarschulwesen, bestehend aus Industrieschulen, Fabrikschulen, Armenschulen und kommunalen Schulen, die sowohl Kinder mit als auch ohne sonderpädagogischem Förderbedarf aufnahmen, sofern sie nicht in die Kinderarbeit einbezogen waren. Da die kommunalen Elementarschulen von den Eltern finanziert werden mussten, fand automatisch eine Selektion der Schüler statt, bei der die Armenschulen eine sozial benachteiligte Schülerklientel aufwiesen, die von einem unterdurchschnittlichen Wissensniveau der Schüler geprägt war (vgl. ALTSTAEDT 1977, 38/41). Die Lehrer bekamen zum damaligen Zeitpunkt noch keine pädagogische Ausbildung und unterrichteten selbstangeeignete Inhalte.

Im Zuge des industriellen Frühkapitalismus, der darauf drängte, so viele qualifizierte Arbeitskräfte wie möglich für das Deutsche Reich auszubilden, wurde das Schulsystem immer weiter ausgebaut. Angeregt durch Berichte von Pestalozzi (1746-1827), Itard (1774-1838) und Seguin (1812-1880) entstanden, zum Teil mit Unterstützung der christlichen Kirchen, Einrichtungen für Menschen mit verschiedensten Behinderungsarten: Anstalten und Bildungsstätten für Kinder mit körperlichen Behinderungen, Schulen für Kinder und Jugendliche mit Verhaltensstörungen seit 1864 (vgl. BLEIDICK 1999, 145), Blindenschulen, einzelne Klassen an öffentlichen Schulen, die dafür zuständig waren in der Schule "versagende" Schüler zeitweise besonders zu fördern und schließlich wieder in den Regelunterricht einzubeziehen (vgl. WEGENER 1969, 531), "Idiotenanstalten", sowie Nachhilfeklassen[39] und Hilfsschulen[40] seit 1867 für die sogenannten "Schwachsinnigen", die so von den Menschen mit geistigen Behinderungen unterschieden wurden.[41] Allen, doch vor allem der Hilfsschule kam die Aufgabe zu, diese Menschen so weit es möglich war, für den Staat arbeitsfähig zu machen und zum anderen die Volksschule von den "leistungsschwächeren" Schülern zu entlasten.

"Die Volksschule bildete sich in der zweiten Jahrhunderthälfte als Institution heraus, in der das für die Leistung gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit notwendige Mindestmaß an allgemeinen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt wurde. Je präziser dieses Mindestmaß durch schulorganisatorische Maßnahmen, durch Lehrpläne und Erziehungsaufträge definiert wurde, desto schärfer musste sich das Problem der "Schulversager" abzeichnen, deren Schulleistungen dieses Mindestmaß aus verschiedenen Gründen nicht erreichten." (ALTSTAEDT 1977, 64)

Derartige Entwicklungen basierten auf der damals bestehenden Auffassung, Bildungs(un)fähigkeit sei auf die biologische Konstitution einer Person zurück zu führen.

Trotz der mit der Gründung unterschiedlicher Schultypen einhergehenden Weiterentwicklung und Differenzierung der Pädagogik, und der allmählichen Entwicklung von Lehrplänen und Unterrichtsprinzipien (vgl. WEGENER 1969, 531), beispielsweise durch Stötzners ‚Schrittchen für Schrittchen' oder Kussmauls ‚Sprachheilkunde' in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, blieb die Personalausstattung an Schulen und Institutionen unverändert. Anstalts- und Hilfsschullehrer arbeiteten in den entsprechenden Institutionen und unterschieden sich von den Volksschullehrern nur durch zusätzlich erworbene sonderpädagogische Kenntnisse, aufgrund der Teilnahme an Konferenzen für das Idiotenwesen und privaten Hospitationen im Bereich der Betreuung "schwachsinniger" Kinder.

Die Anforderungen der Volksschule an die Lehrkräfte hatten sich aufgrund der entstandenen Selektionsmöglichkeiten im Zuge der Hilfsschulgründung verändert, durch welche die Schülergruppen in der Volksschule homogener und gleichzeitig leistungsstärker geworden waren.

Schulpersonelle Entwicklungen des 20. Jahrhundert

In England setzt sich im 20. Jahrhundert die enge Verbindung zwischen schulischer Erziehung und Gesellschaft weiter fort und wurde durch das Engagement der Gewerkschaften an der Erziehung begünstigt. Dies förderte die bis heute bestehende starke Praxisorientierung der englischen Lehrerausbildung unter zunehmender Vernachlässigung wissenschaftlicher und pädagogischer Inhalte:

"... the intention has been to depoliticise and 'deintellectualize' the teacher's role by mandating courses where instructional and control skills take precedence over moral and political issues and educational theory." (STEPHENS/TØNESSEN/KYRIACOU 2004, 113)

Entscheidende Schritte für die Personalentwicklung an englischen Schulen entstanden mit dem ‚Education Act' von 1944. Mit ihm wurde die Erziehung und Bildung aller Kinder im Sekundarbereich gesetzlich festgelegt und die Schulpflicht aller Behinderten[42] im Alter von fünf bis 16 Jahren eingeführt. Die Kinder mit geringeren Beeinträchtigungen sollten in Regelschulen unterrichtet werden und die stärker behinderten Schüler in besonderen Einrichtungen. 1945 wurden elf Behinderungskategorien von einander unterschieden, von denen die Blinden, Gehörlosen, Epileptiker, Körper- und Sprachbehinderte in Sonderschulen beschult wurden (vgl. DEPPE/SCHINDLER 1999, 328).

Als Folge dieser Entwicklungen und den damit einhergehenden gesteigerten Anforderungen an die Lehrer entstanden angeblich auch die ersten Assistenten für den Unterricht an Regel- und Sonderschulen. Genauere zeitliche Angaben macht SHAW dazu in ihrer Arbeit:

"The original rationale for employing them was that the extra personnel would relieve teachers of the burden of mundane tasks thereby releasing them to concentrate on teaching. Adamson says that the importance of supporters and the potential for developing their role was first officially identified by Lady Plowden 1967 who saw them as an extra pair of hands for the teacher helping with such things as play and reading, preparing equipment, accompanying teachers on out of school trips and providing part-time help with specialist skills, particularly creative or sporting ones." (SHAW 2004, 8)

Die Regierung begann stärker Einfluss auf die Entwicklungen im britischen Schulsystem zu nehmen und 1972 verbot sie mit dem ‚James Report' die Einstellung von Lehrern ohne entsprechende staatliche Pflichtausbildung (vgl. TULASIEWICZ 2004, 22). Einhergehend mit den positiven ökonomischen Entwicklungen in der Nachkriegszeit und der "staatlichen und Vereinnahmung der Lehrerausbildung und Schulausbildung überhaupt" (TULASIEWICZ 2004, 22 ff.) entstanden Akademiker, die sich mit der Erforschung neuer pädagogischer Entwicklungen befassten.

Ein Ergebnis war der 1978 veröffentlichte ‚Warnock Report', der das Schulpersonal so veränderte, wie es heute noch an englischen Regel- und Sonderschulen zu finden ist. Unter dem Titel ‚Special Educational Needs. Report of the Committee of Enquiry into the Education of Handicapped Children and Young People' hatte er das Ziel die Bildungspolitik bezüglich der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf seit dem ‚Education Act 1944' zu reformieren. Eines seiner wichtigsten Ergebnisse war die Erkenntnis, dass nicht nur die damaligen, in Sonderschulen unterrichteten 2% der britischen Schülerpopulation, aufgrund ihrer Behinderungen einen speziellen Förderbedarf[43] besaßen, sondern insgesamt 20% aller Schüler im Laufe ihrer Schulzeit, durch unterschiedliche Ursachen, einer besonderen Förderung bedurften. Daraus resultierte, dass die Feststellung eines speziellen Förderbedarfs nur noch in "besonders schweren Fällen"[44] zur Beschulung in einer ‚special school' führen sollte und grundsätzlich eine individualisiertere Förderung, angepasst an die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler, in Regelschulen geboten werden musste.[45] Die dadurch entstandene größere Heterogenität der Schülerschaft an den Regelschulen, dessen ungeachtet die angemessene Förderung eines jeden Schülers sichergestellt sein musste, führte zur Entstehung weiterer Berufsgruppen: ‚Special Educational Needs Coordinator' (‚SENCO'), ‚SEN governors'‚ ‚SEN consultants' und Fachspezialisten. Sie besaßen übergeordnete Aufgaben im Bereich der Organisation der Beschulung von Schülern mit speziellem Förderbedarf. Das bereits bestehende Profil der Unterrichtsassistenten wurde weiterentwickelt:

"...over the last 30 years, as well as numbers of supporters increasing rapidly, all researchers have noted a change in their role. ...assistants have assumed or been given a role that is closer to that of the teachers, than the one defined for them (if any) at the time of their employment. The extension of the role came about not through planning or any coherent theory but had grown incrementally, driven by the practical needs of the classroom, including the inclusion of children with statements of 'special needs', and the varying support requirements of teachers." (SHAW 2004, 8 ff.)

Aufgrund wirtschaftlicher Krisen, wie beispielsweise der Ölkrise in den achtziger Jahren, kam es zu weiteren Veränderungen des Schulwesens, unter anderem zu der Einführung des ‚National Curriculums'[46] und sogenannter ‚league tables' durch den Education Act 1988. Die Entwicklung und des Schulpersonals mit dem Ziel der Effektivierung des Unterrichts wurde dadurch immer weiter vorangetrieben (vgl. TULASIEWICZ 2004, 23).

Seit den achtziger Jahren fanden vorrangig quantitative Veränderungen der Personalsituation an englischen Schulen statt. Die Zahl der Assistenzkräfte und die Vielfalt ihrer Aufgaben haben sich erhöht. Ersteres ist durch die stetige Zunahme der Schüler mit speziellen Förderbedürfnissen (SEN) oder sogenannten Statements[47] an Regelschulen zu begründen (vgl. 2.5). In vereinzelten Regionen sind neue Berufsprofile, wie beispielsweise das des ‚Learning Mentors' in Liverpool geschaffen worden, die die bestehenden Professionen ergänzen sollten, allerdings keine umfassenden Neuerungen beinhalten.

Im deutschen Schulsystem sind die personellen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts durch die Ausdifferenzierung des Sonderschulwesens vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, der Etablierung des Hilfs- bzw. später Sonderschullehrerstandes und Veränderungen der Lehrerausbildung geprägt.

Die Gründung des Verbandes der Hilfsschulen Deutschlands (VdHD) 1898 geben einen ersten Hinweis auf die immer größer werdende Distanz zwischen der sonder- und regelschulpädagogischen Disziplin. Die vom Verband geforderten Zielsetzungen, die Schaffung einer eigenständigen Existenz der Hilfsschule, ursprünglich verstanden als "Hilfsinstitution" der Volksschule (vgl. ALTSTAEDT 1977, 69), ihre Anerkennung und Verbreitung, sowie die Etablierung der Hilfsschullehrer als selbständiger Lehrergruppe, führten zur direkten Auseinandersetzung mit der Lehrerschaft der Anstaltsschulen und Volksschulen:

"Die Hilfsschullehrer stehen sowohl aufgrund ihrer Herkunft als auch ihres besonderen Arbeitsgebietes in enger Beziehung zu den Anstalts- und Volksschullehrern. Die erklärte Absicht der Hilfsschullehrer, für die Existenz und Ausbreitung einer neuen Schulart einzutreten, macht es notwendig, als Klientel auf Kinder zurückzugreifen, die bislang die Volksschule bzw. die Idiotenanstalten besuchten; damit war eine Auseinandersetzung mitdiesen beiden Lehrergruppen unvermeidlich geworden." (ELLGER-RÜTTGARDT 1980, 48)

Partielle Überschneidungen der Schülerschaft in den Anstalten und Hilfsschulen begründeten ein Selbstverständnis der Hilfsschullehrer, welches ihre Schule als Konkurrenzunternehmen zu den Anstalten sah. Aus taktischen Gründen vermied der VdHD eine totale Distanzierung von der Volksschullehrerorganisation, obwohl sich die Hilfsschullehrer im Laufe der Zeit nicht mehr als Volksschullehrer, sondern als Heilpädagogen verstanden. Die damit erhofftegehaltliche Gleichstellung mit dieser Berufsgruppe und das Streben nach einer qualifizierten Spezialausbildung traten dennoch erst einmal nicht ein (vgl. ELLGER-RÜTTGARDT 1980, 124 ff.).

Um die Jahrhundertwende gründeten sich weitere sonderpädagogische Institutionen: Das Schwerhörigenbildungswesen wird institutionalisiert[48] und die ersten Sehschonungsschulen und Kurzsichtigenklasse werden von Augenärzten und Schulhygienikern eingerichtet. Außerdem bestanden im Gebiet des Deutschen Reiches bereits fünfzehn ‚Bildungsstätten' für Kinder und Jugendliche mit körperlichen Behinderungen (vgl. BLÄSIG in BLEIDICK 1998, 87).

Die Zwanziger Jahre werden häufig als ‚Blütezeit' der Hilfsschule bezeichnet. Ein starker Anstieg ihrer Schülerzahl ist zu verzeichnen, der mit der "Verschiebung der pädagogischen Intentionen von Behütung und Bewahrung zur Leistung" (WEGENER 1969, 531) zu begründen ist, welche die Leistungsanforderungen in den Volksschulen anhoben. Zunehmend mehr Schüler, die trotz unterdurchschnittlicher schulischer Ergebnisse bisher auf der Volksschule geblieben wären, wurden nun in Hilfsschulen untergebracht.

In der gleichen Zeit entstehen Ansätze einer eigenständigen Ausbildung der Hilfsschullehrer, angelehnt an die heilpädagogische Ausbildung. Forderungen nach einer Angleichung des Besoldungs- und Ausbildungsstatus an die der Heilpädagogen und einer festen Anstellung, können zwar noch immer nicht erfüllt werden, doch es entstehen einjährige heilpädagogische Kurse, die die Möglichkeit bieten durch das Absolvieren einer staatlichen Prüfung eine additive sonderpädagogische Qualifikation zu erhalten (vgl. ELLGER-RÜTTGARDT 1980, 126). Die Hilfsschullehrer behaupten alleinig die Kompetenz zur Erziehung und Förderung der Hilfsschulkinder zu besitzen, doch bis zum Ende der Weimarer Republik gehört die Hilfsschule zum Volksschulwesen:

"Der unentwegte Kampf um die Anerkennung als eigenständiger Berufsstand hat letztlich zur Konsequenz, dass die Hilfsschullehrer auf jede Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen verzichten und sich somit in eine selbst gewählte Isolierung begeben." (ELLGER-RÜTTGARDT 1980, 127)

Die zunehmende Trennung der Hilfsschulpädagogik von der allgemeinen Pädagogik führt zu einer immer geringer werdenden kritischen Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Schulwesen, welche zuvor in der Diskussion um die Förderung von Schülern mit speziellen Förderbedürfnissen den Ursprung der Hilfsschulpädagogik bildete (vgl. KRIWET, 4 ff.).

Trotz Kritik aus den Reihen der Volksschullehrer ließ sich die Entwicklung der Hilfsschule zu einer eigenständigen Sonderschule nicht aufhalten. Während im Dritten Reich ein allgemeiner Rückgang des gesamten Hilfsschulwesens zu verzeichnen war, erfährt die Institution ‚Hilfsschule' eine Aufwertung zur ‚Leistungsschule' und der Hilfsschullehrer wird offiziell als Heilpädagoge anerkannt. Einhergehend mit diesem Strukturwandel entsteht der Behinderungsbegriff.

Die Entlastung der Volksschule, wie sie die Hilfsschule in der Weimarer Republik bereits übernommen hatte, wird nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt und lässt die Zahl der Hilfsschüler an einigen Orten auf über 5% ansteigen (vgl. WEGENER 1969, 531 ff.). Auch die anderen Schulformen und Anstalten für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsarten nehmen ihre Arbeit, so weit es nach den Kriegszerstörungen möglich ist, wieder auf und es wird eine Ausbildung für die Lehrer von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen Beeinträchtigungen geschaffen.

Das ‚Gutachten zur Neuordnung des Sonderschulwesens', welches von der ‚Ständigen Konferenz der Kultusminister' (KMK) herausgegeben wurde, enthielt neue Erkenntnisse der Begabungsforschung, die den biologischen Begabungsbegriff durch den dynamischen ersetzten (vgl. ALTSTAEDT 1977, 186 ff.), der das Kriterium der Bildungs(un)fähigkeit verabschiedete. Die hinzukommende Notwendigkeit Arbeitskräfte für den Staat zu qualifizieren förderte den institutionellen Ausbau des Sonderschulwesens. Bis in die siebziger Jahre entstehen zehn verschiedene Sonderschulformen (vgl. WACHTEL 2005, 89; BLEIDICK 1998, 68). Durch die Schaffung besonderer Betreuungsformen für Menschen mit geistigen Behinderungen wird die Sonderschule für Lernbehinderte entlastet, wodurch ihr Leistungsniveau ansteigt.

Die Differenzierung und fortschreitende Etablierung des Sonderschulsystems führt zur Schaffung eines grundständigen Studiums für Sonderschullehrer zu Beginn der siebziger Jahre, wodurch die Disziplinen der Regel- und Sonderschulpädagogik endgültig voneinander isoliert werden: an Sonderschulen arbeiten nun ausschließlich Sonderschullehrer unterstützt von Therapeuten, während in den Regelschulen nur noch Regelschulpädagogen unterrichten.

Die Gründung von Reform- und Gesamtschulen in den siebziger Jahren und die einhergehenden Diskussionen um Integration, die das Selbstverständnis der Sonderpädagogik in Frage stellten und Kritik an den separierenden Strukturen des mehrgliedrigen Schulsystems und den sonderpädagogischen Begrifflichkeiten übten, führten unter anderem 1977 zu der Verlegung des Sonderunterrichtes für Sprachbehinderte in die Grundschulen, zur Absicherung der Zusammenarbeit von Förder- und Grundschulen, zur versuchsweisen Einrichtung verschiedenster Integrationsklassen Ende der achtziger Jahre, sowie weiterer Integrationsmodelle seit Beginn der neunziger Jahre und zur Gründung des Mobilen Dienstes (vgl. WACHTEL 2005, 89). Im Hinblick auf die schulpersonellen Strukturen hat sich jedoch bis heute an deutschen Schulen kaum etwas gewandelt. Geringfügige Veränderungen der Personalverteilung wurde den Integrationsklassen seit den neunziger Jahren zuerkannt (vgl. 2.2).

Zusammenfassende Überlegungen

Wie zu Beginn erwähnt, erheben die vorangegangenen Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne einer historisch-chronologischen Darstellung schulpolitischer oder schulorganisatorischer Entwicklungen. Es stand nicht das Erfassen einzelner historischer Ereignisse im Mittelpunkt, auf denen sich schulische Entwicklungen begründen, sondern das Erkennen einer Kontinuität immer wiederkehrender Faktoren, die schulpersonelle Reaktionen hervorriefen und schließlich zu dem heutigen Schulpersonal der beiden Länder führten und sie noch immer beeinflussen. Folgende Aspekte sind dabei hervorzuheben:

1. In England sind, trotz immer wieder gegenläufiger Bewegungen, schon sehr früh (mit Einführung des Education Act 1870) fortlaufende Bemühungen zu erkennen, Kinder mit einem speziellen Förderbedarf in Regelschulen zu beschulen, während in Deutschland das Konzept der Separation der Schüler und Schulformen zur optimalen Qualifikation von staatsdienenden Arbeitskräften vorherrschte.

2. Den steigenden Anforderungen an die Schulen, wurde in England primär mit schulpersonellen, quantitativen Veränderungen und der Einführung neuer Berufsprofile begegnet, während in Deutschland die Spezialisierung der Lehrer und Aufteilung schulischer Institutionen die Folge waren.

Der erste Punkt macht deutlich, dass die Entwicklung des englischen Schulsystems, verglichen mit Deutschland einen "inklusiveren" Weg bezüglich der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Regelschulsystem beschreibt, beginnend mit dem Education Act 1870. Während die deutsche Hilfsschulpädagogik seit ihrer Gründung die Trennung von der Regelschulpädagogik stetig weiter vorantreibt, sind in England immer wieder Ansätze der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit einem speziellen Förderbedarf in Regelschulen zu finden. Beispielsweise werden um die Jahrhundertwende in England ein Großteil der blinden und gehörlosen Schüler in Regelschulen unterrichtet, während sich in Deutschland zu dieser Zeit das Hilfsschulsystem weiter ausdifferenziert.

Der zweite hervorgehobene Aspekt im Vergleich der historischen Entwicklungen des Schulpersonals ist die Unterschiedlichkeit der Personalstrukturen beider Schulsysteme. Während es in England bis heute ausschließlich den ‚Regelschullehrer' gibt, der sich durch zusätzlich besuchte Kurse für den Sonderunterricht in Sonder- und Regelschulen qualifizieren kann (vgl. 2.3.1.1), bestand in Deutschland bereits kurz nach der Gründung der Hilfsschule beim dortigen Lehrpersonal der Anspruch nach einer eigenständigen Berufsgruppe, unabhängig von der der Regelschullehrer. Dieser Forderung wurde, beginnend mit der Gründung des ‚Verbandes der deutschen Hilfsschulen' bis zur eigenständigen Sonderschulehrerausbildung in den siebziger Jahren immer weiter entsprochen. Vor allem in den sechziger Jahren waren es die staatlichen Forderungen nach qualifizierteren Arbeitskräften, eine daraus resultierende größer werdende Differenzierung schulischer Bildungsgänge und die Gründung immer spezialisierterer Schulen für die verschiedenen Fähigkeiten und Schwierigkeiten der Schüler, die die Ausdifferenzierung der Lehrerausbildung immer weiter forcierten. Die Sonderpädagogik hat ihre Separation selbst bewirkt. Dieses Faktum führte schon in der Integrationsdiskussion in den siebziger Jahren zur Infragestellung der Sonderpädagogik und tut es gegenwärtig wieder im Rahmen der schulischen Inklusionsentwicklungen.[49]

In England hingegen wurde auf die immer komplexer werdenden Aufgaben der Lehrer in den Schulen nicht in erster Linie mit der Spezialisierung der Lehrerausbildung reagiert, sondern mit einer quantitativen Erhöhung des Schulpersonals. Weniger qualifizierte Berufsgruppen, wie die Assistenzkräfte, die den Lehrer, die Schüler und die Schule unterstützen, wurden geschaffen. Ihre Gründung kann auch im Zusammenhang der Erweiterungen der Bildungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gesehen werden: 1944 erfolgte die Einführung der Schulpflicht für alle Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch den Education Act, 1967 wurden laut Lady Plowden die ersten Unterrichtsassistenten eingestellt; mit dem Education Act 1981 hatten die Ergebnisse des ‚Warnock Reports' Auswirkungen auf die schulische Praxis, zu Beginn der 80er Jahre entstanden die Berufsprofile des SENCO, des SEN consultant, des SEN governors und anderer.

Es stellen sich zwei sehr unterschiedliche Personalentwicklungen dar, die jedoch beide ihre Folgerichtigkeit haben. Die gegenwärtigen Personalstrukturen an deutschen Schulen, mit meistens einer Lehrperson pro Klasse, scheinen den Fortbestand eines separierenden Schulsystems mit dem immer unerfüllt bleibenden Streben nach homogenen Lerngruppen, anstelle eines inklusiven Systems, zu unterstützen. Englands Personalstruktur zeigt sich durch die Unterstützungskräfte des Lehrers im Unterricht eindeutig flexibler und vorteilhaft für einen Wandel zur schulischen Inklusion, deren Ansätze, trotz einiger separierender Entwicklungen seit dem Education Act 1870 immer in der schulischen Praxis vorhanden waren.

Die zu Beginn gestellte Frage "Why is it like it is?" (CLARKS/DYSON/MILLWARD 1995, 175) kann nun mit den dargestellten historischen Entwicklungen beantwortet werden. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass sie in der gleichen Richtung fortgesetzt werden müssen. Eine weitere mögliche Antwort auf die obige Frage könnte heißen: "Der Grund ist die mangelnde kritische Reflexion bestehender Gegebenheiten, bzw. sind die mangelnden Konsequenzen kritischer Betrachtungen.":

"...they (the people, Anm. d. Verf.) are much freer than they feel, (that) people accept as truth, as evidence, some themes which have been built up at a certain moment during history, and (that) this so-called evidence can be criticized and destroyed...." (FOUCAULT in: BALL, 1990, 1 ff.)

In Bezug auf die Entwicklungen des Schulpersonals an deutschen Schulen müssen die in der Vergangenheit betretenen Wege verlassen und neue Orientierungsmöglichkeiten gesucht werden, sofern die Bildung eines inklusiven Schulsystems beabsichtigt ist.

4.1 Merkmale und Zielsetzungen englischer Personalentwicklungen in Bezug auf deutsche Gegebenheiten

Aufgrund der bestehenden Interdependenzen nachfolgender Merkmale und Zielsetzungen der Personalentwicklung entspricht ihre separierte Darstellung nicht den realen Gegebenheiten. Um jedoch die Vielschichtigkeit des Personalentwicklungsprozesses verdeutlichen und dabei einzelne Bereiche fokussieren zu können, schien eine Aufteilung in diesem Zusammenhang sinnvoll. Sämtliche vorgestellten Inhalte lassen sich einem der drei Bereiche der Personalentwicklung zu ordnen (vgl. Abb.6) und betreffen auf der einen Seite die professionelle Entwicklung des Einzelnen und auf der anderen die Entwicklung des Kollektivs, zum Beispiel des Lehrerkollegiums.

Ein Wertewandel

Gemeinsame Wertvorstellungen und Intentionen spielen für das englische Schulpersonal und die schulische Arbeit eine große Rolle (vgl. 2.1.2). Im Rahmen inklusiver Beschulung setzt dies bei den meisten Menschen einen Wertewandel voraus, der international häufig als existentieller Faktor einer erfolgreichen Inklusionsentwicklung angesehen wird (vgl. PIJL 1995, 59). Seit Beginn der Integrationsdiskussion und mittlerweile weit verbreitet wird proklamiert: "Integration beginnt im Kopf." Einhergehend wird die Aufmerksamkeit jedes Einzelnen gegenüber unbewusstsegregierenden Haltungen gefordert, die das Relikt historischgewachsener Traditionen sind und sich wider Erwarten beispielsweise in integrativen Konzeptionen der achtziger und neunziger Jahre anhand des sich etablierenden Kompensationsgedankens zeigten.

Auf diesem Wege kann die Anerkennung von Verschiedenheit als Normalität und Potential eines Staates Platz im Bewusstein eines jeden Menschen finden und daraus folgend die gesellschaftliche Partizipation aller, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten, gewährleisten.

Für das Schulpersonal bedeuten diese Wertvorstellungen weiterführend, Vertrauen in die Möglichkeit der Unterrichtung heterogener Klassen mit notwendiger personeller und materieller Unterstützung, sowie in die Förderlichkeit einer heterogenen Schülerpopulation für die Entwicklung des Einzelnen zu haben (vgl. THOUSAND/VILLA 1991, 174 ff.).

Trotz nicht zu leugnender integrativer Fortschritte im deutschen Schulsystem, hat ein derartiger "Wertewandel im öffentlichen Bewusstsein" (vgl. KRIWET 2005, 13) scheinbar bisher nicht stattgefunden. Der Einfluss eines über Generationen tradierten Denkens meldet Skepsis gegenüber den Vorteilen einer heterogenen Schülergruppe an und zieht Standardisierung und Segregation als Weg zur Leistungsstärke der Individualisierung und Vielfalt im Unterricht vor (vgl.1.1). Hinzu kommt der Mangel an Beispielen einer erfolgreichen Praxis in Deutschland, welcher das Misstrauen gegenüber inklusiven Konzeptionen erhöht (vgl. SCHÖNIG 2003, 463), und die Chance einer gelingenden ‚Gemeinsamen Beschulung' wieder verringert.

Auch unter dem Aspekt kooperativer Prozesse und gemeinsamer Zielsetzungen des Personals, stellen uneinheitliche Wertvorstellungen ein großes Konfliktpotential für die schulische Arbeit dar:

"Such an approach is premised on collaboration, joint problem-solving and consensualvalues." (CLARK/DYSON/MILLWARD/SKIDMORE 1995, 85).

Zusammenfassend fördert der Einbezug des Aspektes der Wertvorstellungen und des notwendigen Wertewandels in die Personalausbildung und -weiterbildung die Entstehung gemeinsamer Zielsetzungen, schafft eine Basis für Kooperation und wirkt dem Teufelskreis von wachsender Skepsis und misslingender inklusiver Praxis entgegen.

Anerkennung der Lehrerpersönlichkeit als Teil von Entwicklungsprozessen

Ein großes Problem in der praktischen Umsetzung inklusiver Unterrichtskonzepte ist die häufige Missachtung der Lehrerpersönlichkeit. Ideen, Ansichten, Gedanken und Emotionen, sowie die unter anderem daraus entstehenden Ängste und Überforderungen werden übergangen. Trotz dessen, dass die deutschen Lehrer/innen im Verruf sind, "sich ein bequemes Leben zu machen", was hier nicht weiter erörtert werden soll, ist es der Inklusion nicht dienlich, ihren Schwierigkeiten oder Einwänden keine Beachtung zu schenken. Vor allem die Lehrer/innen, als die an der (schulischen) Inklusion direkt Beteiligten, müssen in den Prozess der Implementierung mit einbezogen werden:

"...for change to happen at all effectively it is important to involve those who will be bringing about the change in planning for it. This increases the chance of them understanding why the change is needed, and how it should be brought about." (BALSHAW 1991, 24)

Eine interessante Studie für den Umgang mit Lehrern und Lehrerinnen im Prozess der Entwicklung schulischer Inklusion ist von Huberman und Miles 1984[50] in den USA durchgeführt worden. Wie SCHÖNIG erwähnt beschreiben sie, dass den Lehrern von Beginn an vielfältige Unterstützungsangebote zur neuen unterrichtlichen Praxis gemacht wurden: Trainings, Unterrichtsbesuche, Arbeitszirkel, Supervisionen, Materialien und Beratung. Es werden immer wieder die emotionalen Berg- und Talfahrten der Lehrer/innen geschildert, die sich nach anfänglichen Gefühlen der Angst, Besorgnis, Konfusion und Verwundbarkeit schließlich in Sicherheit durch die gewonnene Routine verwandeln.

"Schulentwicklung kann somit als Lernprozess des Einzelnen charakterisiert werden, der von der verfestigten Schulroutine zu größerer innerer Autonomie führt. Aufschlussreich, dass das Projekt zuerst eine Veränderung des Unterrichts bewirkte. Erst danach fanden die Beteiligten zu einer neuen Verstehensweise, zu positiven Gefühlen und Einstellungen und schließlich zu einer kritisch-konstruktiven Haltung zur Schule im Ganzen (vgl. Guskey 1986)... ." (SCHÖNIG 2003, 460)

Hervorzuheben ist hier die Akzeptanz der Ängste und Einwände der Lehrer/innen gegenüber dem Neuen. Es wurde nicht von ihnen verlangt alles sofort richtig zu machen, sondern der Raum für negative und positive Erfahrungen geboten. Diese Umgangsweise befindet sich im eklatanten Gegensatz zur aktuellen deutschen Praxis und dem bestehenden rationalistischen Denken, führte jedoch im genannten Beispiel schließlich zum Erfolg.

Flexibilität statt Standardisierung

Die mangelnde Flexibilität auf individuelle Unterschiede von Schülern im Unterricht eingehen zu können ist als ein umfassendes Problem zu verstehen, welches sämtliche Bereiche der Schulentwicklung betrifft. In diesem Fall wird es jedoch nur auf das Personal bezogen werden.

Bisher prägten standardisierte Lehrer/innen- und Schülerhandlungen den Unterricht. Die Entstehung sämtlicher Parallelschulsysteme, sowie der Sonderpädagogik sind auf derartige Standardisierungsprozesse zurückzuführen: eine Einteilung der Schüler nach Leistungsstandards, denen mit Anforderungsstandards begegnet wird. Unterstützung finden diese Prozesse in einer normativen und reglementierenden Verwaltungsbürokratie:

"...the phenomenon of creating students with disabilities is inherent to bureaucratic school organizations, it is not inherent to the process of schooling per se. In this regard, I will argue that there is an alternative, non-bureaucratic configuration for schooling that eliminates the need to identify students as disabled and, at the same time, makes possible the kind of educational excellence that is needed in the 21st century." (SKRTIC 1991, 22)

Auf das Schulpersonal kommt daher im Zuge der wachsenden Heterogenität der Schülerschaft die Aufgabe hinzu, standardisiertes Handeln durch individuelles im Unterricht zu ersetzen. Diese Anforderung kann der Lehrer innerhalb seines momentanen Aufgabenprofils jedoch nicht bewältigen. Folglich müssen eine neue Aufgabenverteilung und daraus resultierend eine veränderte Lehrerausbildung die neuen Anforderungen an Lehrer/innen mittragen und flexibles Handeln fördern.

Aufgabenverteilung und Bildung hierarchischer Strukturen im Personal:

Dadurch, dass die Regel- und Sonderschulpädagogik zunehmend miteinander verschmelzen, fällt die bisher geteilte Aufgabenlast nun hauptsächlich auf den Lehrer in der Regelschule. Die Folge sind Überforderung und Minderung der Unterrichtsqualität:

"Es ist sinnlos, Anforderungsprofile aufzustellen, denen keine Lehrkraft dieser Welt genügen kann..." (TERHART 2004, 11)

Es bedarf einer neuen Aufgabenverteilung innerhalb des Schulpersonals.

An englischen Schulen ist die Arbeit unter einer Vielzahl unterschiedlicher Personalgruppen aufgeteilt: Lehrer/innen, Educational Support Workers, SENCOs, Teaching Assistants, Nursery Nurses etc. Die Vorteile dieser Aufgabenteilung sind offensichtlich:

  • konkrete Aufgabenprofile, auf die in der Ausbildung gezielter vorbereitet werden kann;

  • kleinere und dafür eindeutigere Aufgabenbereiche ermöglichen größeres Selbstvertrauen und flexibleres Handeln;

  • Verantwortungsentlastung des Einzelnen;

  • Förderung der Mehrperspektivität und des umfassenderen Handelns im Unterricht durch die erforderliche Kooperation;

  • qualifizierteres Arbeiten durch Entlastung;

Einhergehend mit der Aufgabenteilung ist die Bildung hierarchischer Strukturen. Hierarchie ist in diesem Zusammenhang weniger als Über- und Unterordnung einzelner Personalgruppen zu verstehen, sondern vielmehr im Sinne der Übersicht und dem Management größerer Unterrichts- oder Schulzusammenhänge und dem gegenüber die detailliertere Einsicht in kleinere Unterrichtsbereiche. Dabei sind alle Gruppen des Personals für die Effektivität der schulischen Arbeit von gleicher Wichtigkeit und der Austausch zwischen den einzelnen Personalmitgliedern ist, unabhängig von ihrer Position, grundlegend. (Weitere Erläuterungen zum Begriff der Hierarchie folgen an späterer Stelle.)

Kommunikations- und Kooperationsförderung

Die Kooperation und einhergehende Kommunikation der Personalmitglieder untereinander ist für die Effektivität des inklusiven Unterrichts unverzichtbar. ‚Deprivatisierung' wird diese Entwicklung genannt (vgl. BUHREN/ROLFF 2002, 23), die hingegen der konventionellen Lehrerrolle, in welcher der Lehrer auf sich gestellt hinter verschlossener Tür unterrichtet, nun die gemeinsame Arbeit des Lehrpersonals proklamiert.

In England wird diese Form der Zusammenarbeit als ‚collaboration' bezeichnet. Diese Definition beschreibt die höchste Form der Kooperation und meint damit eine gleichwertige Aufgabenteilung und gegenseitige Ergänzung statt bloßer Mithilfe:

"Effective collaborative teaming also promotes a climate of equality and equity in a number of ways; there is no one leader, instead, leadership roles are distributed and rotated among all members.... Specialists have no extra authority." (THOUSAND/VILLA 1991, 171)

Zu THOUSAND und VILLA muss einschränkend hinzugefügt werden, dass an englischen Schulen die Leitungsaufgaben zwar rotieren, abhängig von der jeweiligen Ausbildung der Mitglieder bestimmte Positionen allerdings nicht von allen im Personal vertretenen Professionen eingenommen werden können.

Angleichung personeller Kompetenzen und situativer Bedingungen

Ein Aspekt, der für die Personalentwicklung unabdingbar ist und wieder auf den Zusammenhang der personellen Arbeit und umgebenden Strukturen hinweist, ist die Erkenntnis, dass die bei Lehrern und anderem Personal vorhandenen Kompetenzen nur in den passenden situativen Bedingungen nutzbar werden. Dies hat zur Konsequenz, dass sowohl die Schulorganisation sich der Arbeit des Schulpersonals anpassen, als auch die Entwicklung personeller Kompetenzen sich an den jeweiligen schulischen Bedingungen orientieren muss.

"Auch wenn Kompetenzen ‚an sich' bei Personen vorhanden sind - im Handeln realisieren lassen sie sich nur unter bestimmten situativen Umständen. Das alltägliche sichtbare Handeln ergibt sich ... aus dem Zusammentreffen von vorhandener Kompetenz und situativen Bedingungen." (TERHART 2004, 13)

Ausbildungsreformierung

Die englische Lehrerausbildung ist vorrangig durch eine enge Verknüpfung von Praxis und Theorie geprägt. Das deutsche Lehramtsstudium weist hingegen eine Trennung der theoretischen und praktischen Inhalte auf, wobei der theoretische Anteil überwiegt. Während der erste Studienabschnitt, mit Ausnahme einiger Praktika nur theoretische Zusammenhänge vermittelt, ist der zweite Abschnitt, das Referendariat, praxisorientierter. Doch auch dieser Teil verlangt theoretische Arbeit zur methodisch-didaktischen Planung und Umsetzung von Unterricht, sowie eine sachanalytische Auseinandersetzung mit den (fachspezifischen) Theorien von Pädagogik (vgl. 2.3.2.2).

In England wird der praktische Anteil des Studiums zum Teil als zu hoch angesehen, und es besteht der Vorwurf, dass die Lehrer/innen aufgrund mangelnder theoretischer Kenntnisse keine Reflexionsfähigkeit besitzen. Die weitreichenden theoretischen Kenntnisse deutscher Lehrer/innen führen hingegen eher zur Behinderung ihrer Arbeit in der Schule und der Möglichkeit eines flexiblen Umgangs mit Veränderungen. Es werden Rezepte gewünscht, nach denen gehandelt werden kann.

"Professionalization, however, is premised on maximising discretion and on uniting theory and practice in the professional because the ambiguity of complex work requires the worker to think: that is, in principle, teachers must know the theory behind their work and have enough discretion to be able to adapt the theory to their students." (SKRTIC/WARE 1992, 211)

Desweiteren muss in Folge inklusiver Unterrichtsentwicklungen in Deutschland darüber nachgedacht werden, inwiefern eine Trennung der Regel- und Sonderschulpädagogik generell noch als sinnvoll zu bezeichnen ist und welche Aufgaben dem Lehrer im Rahmen schulischer Aufgabenteilung zu zuordnen sind.

Um Missverhältnisse zwischen Studieninhalten und beruflichen Aufgabenstellungen, wie sie gegenwärtig bestehen, zukünftig zu vermeiden, ist eine stärkere Orientierung der deutschen Lehrerausbildung an der Praxis notwendig. Der Nutzen theoretischer Inhalte sollte dabei dennoch nicht übersehen werden.

Unterstützung im Unterricht: die Erweiterung des Schulpersonals

Dass ein Lehrer allein auf sämtliche individuellen Bedürfnisse einer zunehmend heterogen werdenden Schülerschaft nicht eingehen kann, ist inzwischen international bekannt. Deshalb wurden in England eine Reihe personeller Unterstützungen für die Lehrer/innen im inklusiven Unterricht geschaffen:

"Without the assistance of support staff, teachers often cannot deal with the diversity of needs exhibited in a heterogeneous group of student." (STAINBACK/STAINBACK 1989, 199)

In Deutschland sind dies die Sonderpädagogen, die für ein bestimmtes Stundenkontingent in den Unterricht kommen, sowie Lesemütter, Klassenkameraden und andere Personen, die als Unterstützung fungieren. Es ist erstaunlich, dass im Gegensatz zu anderen Ländern die kontinuierliche Begleitung einer Klasse für den gesamten Schultag oder zumindest in den Hauptfächern durch sogenanntes Assistenzpersonal in Deutschland noch keinen Eingang gefunden hat.

Diese Personalgruppe ist in England einhergehend mit den inklusiven Schulentwicklungen entstanden (vgl. Exkurs). Ihr vielfältigster Einsatz in der schulischen Inklusion, der von Tätigkeiten einer Putzkraft bis hin zu Lehreraufgaben reichte und sowohl die Unterstützung der Schüler mit SEN, als auch die Unterstützung der individuellen Bedürfnisse sämtlicher Schüler umschloss, führte dazu, dass ihr Aufgabenprofil zunehmend undeutlicher wurde und momentan ein neues Professionalisierungskonzept erstellt wird. Ein günstiger Augenblick diese Personalgruppe mit ihren Aufgaben genauer zu betrachten und ihren Einsatz an deutschen Schulen in Erwägung zu ziehen (vgl. 5. & 6.).

4.2 Schwierigkeiten der Personalentwicklung und abschließende Ergänzungen

Die dargestellten Personal entwickelnden Maßnahmen lösen einschneidende Veränderungen in der gesamten schulischen Arbeit aus. Diese Erkenntnis stößt auf Widerstände, die unter anderem dazu führen, dass die Personalentwicklung ein vernachlässigter Bereich im deutschen Schulsystem ist. Beispielsweise sind es Lehrer/innen, die Einwände vorbringen:

  • Der Ursprung der Personalweiterbildung liegt im Wirtschafts- und Industriebereich. Weder die Schule ist mit ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag als Dienstleistungsunternehmen zu verstehen, noch lassen sich eindeutige Kunden oder Produkte definieren.

  • Eine Delegierung der Aufgaben professioneller Weiterbildung an Schulleitungen wird von Lehrern als Entmündigung verstanden, da sie bisher immer selbst dafür zuständig waren. Sie befürchten den Verlust ihrer Individualität und für die deutsche Bildungssituation verantwortlich gemacht zu werden: Personalweiterbildung im Dienste der Verschleierung anderer notwendiger Reformen.

  • Schulleitungen sind für die Leitung der Personalweiterbildung nicht qualifiziert und werden als "Förderer" und "Begutachter" der professionellen Leistungen von Lehrerinnen und Lehrern nicht akzeptiert.

  • In einer Zeit des Aufgabenanstiegs und der Überbelastung stellen Personalweiterbildungsmaßnahmen eine weitere Anforderung an Lehrerinnen und Lehrer dar. (vgl. BUH-REN/ROLFF, 13ff)

Die Einwände zeigen, wie stark noch immer ein traditionelles Unterrichtsverständnis in den Köpfen der Lehrer/innen vorherrscht: ein standardisierter Unterricht für den ein Lehrkörper die alleinige Verantwortung besitzt. Diese Einstellung ist das Resultat jahrzehntelanger Personal- und Unterrichtsentwicklungen (vgl. Exkurs). Ein Umdenken ist erforderlich, welches entgegen weitverbreiteter Meinungen nicht unbedingt Voraussetzung von Reformierungen, wie der Personalentwicklung sein muss, sondern auch Folge sein kann:

"Erst verändert sich die Praxis, dann verändern sich die Einstellungen und Haltungen." (SCHÖNIG 2003, 460)

Derzeitig werden vom Lehrpersonal mehrheitlich vor allem konkrete Hilfestellungen für den Unterricht gewünscht:

"Was hier deutlich wird, ist das praktische Anliegen von Lehrern, Erziehern usw., konkrete Methoden in die Hand zu bekommen." (KÖNIG/ZEDLER 2004, 86)

Die Vermittlung allgemeingültiger Methoden läuft jedoch der Erhaltung von Flexibilität und Individualität des inklusiven Unterrichts entgegen. Es gibt nur die Möglichkeit, Ansätze aufzuzeigen, die den inklusiven Unterricht effektiver machen können, wie es in Kapitel 4.1 in Ansätzen getan wurde. Die Umsetzung muss in jeder Schule und jeder Klasse individuell erfolgen. Dabei kann es sein, dass nicht alle der genannten Komponenten in jeder Schule sinnvoll sind. Auch könnten sich Variationen der Ansätze als geeigneter herausstellen. Sicherlich kann keiner der genannten Bereiche in einer Schule ausgelassen werden, da zwischen ihnen Interdependenzen bestehen, die den inklusiven Unterricht beeinflussen.

Unabhängig von der Art der vorzunehmenden Veränderungen in einer Schule oder Klasse sind Zeitressourcen notwendig, die ein Ausprobieren bis hin zur bestmöglichen Praxis erlauben:

"Es geht heute weder um "Jetzt-oder-Nie" noch um "Alles-oder-Nichts"-Kompetenzen. Das bedeutet: Kompetenzen entstehen nicht in Form eines abrupten qualitativen Sprungs vom Nichts zum Vollbild. Vielmehr entwickeln sie sich allmählich über bestimmte Vorformen bzw. Vorstufen hin zum individuell maximal Erreichten." (TERHART 2004,12)

In England zeigten sich im Rahmen der dargestellten schulentwickelnden Maßnahmen zwei Schwierigkeiten. Zum einen entstand die Tendenz, dass mit dem Angebot von Ressourcen, das durch den Anteil an Kindern mit SEN erweitert werden kann, die Anzahl dieser Schüler erheblich in die Höhe stieg. Entgegen der Intention von Inklusion nahmen Etikettierungsprozesse zu, mit dem Ziel mehr Unterstützung im Unterricht zu erhalten. Zum anderen meinten Lehrer/innen, Schüler mit SEN nur noch unterrichten zu können, wenn ihnen ein bestimmtes Ressourcenkontingent zur Verfügung stünde (vgl. AINSCOW 1991b, 218 ff.).

Als eine Reaktion auf diese möglichen Probleme müsste die Abhängigkeit schulischer Ressourcen von der Beschulung von Kindern mit SEN verhindert werden und ihr Großteil als Grundausstattung in den Schulen bestehen. Die Personalentwicklung muss als institutionelle Veränderung und nicht als bloße Addition von Hilfsdiensten (vgl. BIEWER 2000, 152) verstanden werden. Sie ist ein Instrument, welches Lehrern und Schülern gleichermaßen hilft eine effektivere Arbeitsweise zu finden, die langfristig den Umgang mit neuen Anforderungen erleichtert und Diskrepanzen zwischen theoretischen Zielsetzungen und praktischen Resultaten reduziert. Ein umfassender, statt punktueller Ansatz ist dabei unumgänglich:

"All too often, critiques of schools focus on the abilities of teachers and ignore or downplay the well-known fact that teachers,...tend to be more or less productive and effective depening on a broad range of factors in and outside of their organizational setting." (SEARL/FERGUSON/BIKLEN 1985, 52)

Wie zu Beginn des Kapitels erwähnt wurde, sind alle drei Bereiche der Personalentwicklung, die Personalausbildung, -weiterbildung und -erweiterung in der hier dargestellten Form als Neuerungen im deutschen Schulsystem anzusehen. In der theoretischen Diskussion um Inklusion, fand der Bereich der Personalerweiterung durch die sogenannten Assistenzkräfte bisher noch überhaupt keine Beachtung, ganz zu schweigen von Umsetzungen in der schulischen Praxis. Aus diesem Grund werden sich die folgenden zwei Kapitel näher mit den Aufgaben und Intentionen der Assistenzkräfte, organisatorischer Hintergründe und schließlich der Erwägung ihres Einsatzes in Deutschland beschäftigen.



[35] Zitat aus: TERHART 2004, 11

[36] Zitat aus: Clarks/Dyson/Millward 1995, 175

[37] Schulpersonelle Entwicklungen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) werden, auf- grund der großen Unterschiede zu den Entwicklungen in der Bundesrepublik, in den folgenden Darstellungen nicht mitberücksichtigt.

[38] Die ‚Education Acts' sind das Bildungsgesetz in Großbritannien, d.h. "amtliche Erlasse, nach denen das Schulwesen organisiert werden muss." (TULASIEWICZ 2004, 21)

[39] Die erste Nachhilfe- oder Hilfsklasse gründete sich 1859. Sie "... stellt (aber) die erste, vom allgemeinen Volksschulunterricht abgesonderte, unterrichtliche Versorgung schwachsinniger Kinder dar (Zeitschrift ‚Die Hilfsschule' 1927,298)." (ELLGER-RüTTGARDT 1980, 309) Im Zuge der Abgrenzung der Hilfsschule zur Regelschule und "unter Berufung auf die nicht zu behebende geistige Schwäche der betreffenden Kinder wenden sie (die Hilfsschullehrer; Anm. d. Verf.) sich gegen den Nachhilfegedanken und fordern die Umwandlung aller bestehenden Hilfsklassen in selbständige Hilfsschulen." (ELLGER-RüTTGARDT 1980, 426)

[40] Ein entscheidender Auslöser zur Gründung der Hilfsschulen war Heinrich Ernst Stötzners 1864 veröffentlichte Schrift "Schulen für schwachbefähigte Kinder".

[41] "Mit der staatlichen Organisation der "Schwachsinnigenerziehung" wurden die Einrichtungen des Idiotenwesens mehr und mehr zu Pflegestätten für geistig schwer Behinderte, während die Hilfsschule Teilfunktionen der Idiotenanstalten wahrnahm." (ALTSTAEDT 1977, 85)

[42] Seit dem ‚Education Act' 1921 wurde zwischen vier Behinderungsarten unterschieden: Blindheit, Gehörlosigkeit, Epilepsie und Unterentwicklung (vgl. DEPPE/SCHINDLER 1999, 328)

[43] Spezieller Förderbedarf (Special Educational Needs): Die Definition "spezieller Förderbedarf" bezieht sich nicht nur auf Kinder mit Behinderungen, sondern auf sämtliche Ursachen, wie z.B. Nationalitätsunterschiede, Geschlechterunterschiede (‚Gender Studies'), soziale Benachteiligung, etc..

[44] Hiermit sind Kinder mit ‚severe' oder ‚complex disabilities' und Kinder mit ‚severe emotional and behavioural disorders' gemeint.

[45] "The recommendations of the 'Warnock Report' (DES, 1978) fundamentally challenged the historical practice of dealing educationally with children with disabilities or learning difficulties in a segregated fashion. Children were deemed to have the right to be educated in their neighbourhood school, sharing learning with their peers. There was no longer to be a perceived separation between children with disabilities and their non-disabled peers. A continuum of provision was considered necessary to meet the continuum of needs (HORNBY, 1992). ... No longer was the teaching of the 'slower learner' to be in the exclusive hands of the specialist teacher. No longer did it seem proper to exclude such pupils from the mainstream curriculum experience and deal with skill deficits in isolation. No longer was it deemed appropriate to offer highly specialist training courses exclusively to the special needs teacher (ROBSON/WRIGHT, 1989). SEN departments bow have changed roles and functions, that is, they have become the advisory, support and strategic planners to assist all teachers to deliver the curriculum to all children." (JOHNSON/WRIGHT/HORNBY 1995, 37 ff.)

[46] Das Nationale Curriculum und die Bewertung einzelner Schulen mit Hilfe der ‚league tables', in der jede einzelne Schule einen Rangplatz bekommt, dient der zentralistischen Kontrolle, um die vorher bestandenen lokalen Leistungsunterschiede der Schüler zu verhindern (vgl. STEPHENS/TøNESSEN/KYRIACOU 2004, 113). Die Folge ist ein großer Druck auf die Regelschullehrer, besonders im Hinblick auf die Förderung der Schüler mit speziellen Förderbedürfnissen.

[47] Statements sind vergleichbar mit den deutschen sonderpädagogischen Gutachten.

[48] 1902 Gründung der ersten Schwerhörigenklasse in Berlin (vgl. BLEIDICK 1999,10).

[49] "Bei dem Versuch, seine eigene pädagogische Rolle zu bestimmen, ein widerstandsfähiges Selbstbild zu entwickeln (Mollenhauer), kann der Sonderschullehrer auf das Wissen um die Tradition seines Berufsstandes nicht verzichten, denn ‚die Vorstellungen, die eine jede gesellschaftliche Gruppe über ihre Vergangenheit und über ihre geschichtlich gewordene Identität hegt, beeinflussen ihr gesellschaftliches Verhalten in hohem Maße' (W.J. Mommsen 1972, 33 f.)." (Ellger-Rüttgardt 1980, 3)

[50] Literaturempfehlung: Huberman, M.A.; Miles, M.B. (1984): Innovation up close. How School Improvement works. New York: Plenum Press

5. Support Staff: Teaching Assistants

"The commitment of support staff to the work of schools is a key factor in achieving success."

(NJC[51] 2003, 6.1)

5.1 "Raising standards and tackling workload"

Dieses Zitat ist der Titel eines aktuellen Programms der britischen Regierung (DfES 2003), das sich unter anderem mit der Weiterentwicklung von sogenanntem ‚support staff', Unterstützungskräften, an britischen Schulen beschäftigt, um Lehrer/innen zu entlasten und die Effektivität der schulischen Arbeit zu steigern. Unter ‚support staff' werden alle Formen des inzwischen vielfältig entwickelten Assistenzpersonals in der schulischen Arbeit gefasst, welches in vielen nationalen Schulsystemen, vorrangig jenen mit inklusiver Beschulung, bereits eingeführt ist. Es beinhaltet technische und administrative Mitarbeiter, Betreuungspersonal, ‚personal assistants', ‚learning mentors', Sprachassistenten, Fachspezialisten und Unterrichtsassistenten. Die letzte Gruppe lässt sich nochmals unterteilen in ‚Higher Level Support Assistants' (HLTAs), deren Ausbildung erst seit 2004 besteht, und ‚Teaching Assistants' (TA). Der Unterschied zwischen beiden zeigt sich in ihrer Qualifikation und Tätigkeit im Unterricht. Das Aufgabenprofil des HLTA wurde von der TEACHER TRAINING AGENCY (TTA) erstellt und basiert auf den nationalen Standards des Lehrerprofils. Seine Kompetenzen sind umfassender, als die des TAs. Hauptsächlich wird der HLTA in der Sekundarstufe eingesetzt und seine Qualifikation stellt in der Regel nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum Lehramtsberuf dar. Die gegenwärtige Situation der Unterstützungskräfte an den Schulen ist ein Resultat von Entwicklungen, die erst Ende der neunziger Jahre einsetzten. Wie in dem Exkurs beschrieben wurde, gibt es das Profil des Unterrichtsassistenten bereits seit 1967. Seitdem vollzog es einen erheblichen Wandel. Entscheidenden Einfluss hatte der Warnock Report 1978, dessen Ergebnisse (vgl. Abb.8) durch den Education Act 1981 Konsequenzen für die Praxis zeigten. Die individuelle Förderung aller Schüler, ob mit oder ohne speziellem Förderbedarf sollte in den schulischen Institutionen eine größere Beachtung finden, wodurch die Forderung nach einer quantitativen Erhöhung des Assistenzpersonals entstand:

"Accommodation of this diversity, particularly in mainstream schools, has come to be seen as a need which creates a demand for extra forms of adult support"(BALSHAW 1991, 7)

Ein weiterer Grund für die vermehrte Einstellung von Assistenzkräften war die Einführung nationaler Leistungsstandards und dem ‚National Curriculum' an Schulen Ende der 80er Jahren, da festgestellt worden war, dass gravierende lokale Leistungsunterschiede zwischen den britischen Schulabgängern bestanden und ein Großteil nicht die erwarteten Kompetenzen erworben hatten. Die lokalen Bildungsministerien (LEAs) erhöhten die Anzahl der Unterrichtsassistenten und eine bis heute anhaltende Erweiterung ihres Aufgabenbereiches begann:

"It (die Einstellung der Assistenzkräfte; Anm.d.Verf.) was seen as a positive step forward in meeting the needs of the individual children and their school." (ebdeeddeebd.)

Abb. 8: Ergebnisse des Warnock Reports (vg. FLÜRKE 1995, 49)

Die Anforderungen an Unterrichtsassistenten variierten von Schule zu Schule und Ausbildungen gab es vielfach nicht. BALSHAW spricht 1991 von 26 Local Education Authorities (LEAs), die eine Einführung oder Ausbildung für Unterrichtsassistenten anboten (vgl. BALSHAW 1991, 7). Schließlich wurden von der britischen Regierung 16 verschiedene Kategorien pädagogischer Unterrichtsassistenten ermittelt, darunter sogenannte learning support assistants, specialist support assistants, specialist teaching assistants, carers, literacy supporter, primary helpers, classroom assistants, welfares, nonteaching staff und andere, mit 300 verschiedenen Qualifikationen (vgl. SHAW 2004, 42). Der Nutzen dieser Berufsgruppe war allein aufgrund der steigenden Zahlen der Unterrichtsassistenten bestätigt und eine nationale Standardisierung mit eindeutigen Aufgabenprofilen und festgelegter Grundausbildung wurde als notwendig erachtet, um die Effektivität der Arbeit zu erhöhen. Ein weiteres Ziel war die Steigerung der Attraktivität dieses Berufes durch

1. eine gesteigerte Akzeptanz als Mitglied des Schulpersonals aufgrund einer offiziell anerkannten Qualifikation,

2. eine einheitliche, stabile Gehaltsbasis und insgesamt eine Erhöhung der Löhne (vgl. Tab.5),

3. Reformierung der individuellen Anstellungsverträge, die nun sämtliche Arbeitsleistungen in der Besoldung berücksichtigen, nicht nur die Arbeit mit einem oder mehreren Schülern, sondern auch Planungen mit dem Lehrer etc.,

4. berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zum HLTA und schließlich zur Lehrkraft.

Einhergehend mit der Professionalisierung wurde von der Regierung für sämtliche Unterrichtsassistenten die offizielle Bezeichnung Teaching Assistants, vorher learning support assistants, ausgewählt. Die dahinterstehende, offizielle Definition lautet:

"...all those in paid employment in support of teachers in primary, special and secondary schools. That includes those with a general role and others with specific responsibilities for a child, subject area or age group." (DfES 2000, 5)

Im Jahr 2003 wurde die Anzahl des ‚support staff' in Schulen auf circa 200.000 geschätzt mit der Erwartung weiterer 50.000 bis zum Jahr 2005. In einigen Schulen gibt es mehr TAs als Lehrer/innen. Als Begründung für einen derartigen Anstieg der Unterrichtsassistenten wird in der Fachliteratur meistens die zunehmende Komplexität schulischer Aufgaben genannt.

Welche Aufgaben in den Bereich des Teaching Assistants fallen, wer von ihnen unterstützt wird, welches Verhältnis zwischen Lehrern und TAs besteht, welche organisatorischen Grundlagen für den Einsatz von TAs bestehen müssen, was für eine Ausbildung zugrunde liegt, welche Schwierigkeiten und Einwände im englischen Schulsystem existieren und so weiter, sind Fragen, die in den nächsten Abschnitten erörtert werden.

Während bisher in dieser Arbeit nur Elemente englischer Schulkonzeptionen angesprochen wurden, die in der Praxis bereits ausreichend erprobt und dadurch größtenteils fest verankert sind, befindet sich das Profil der Teaching Assistants noch in der Entwicklung. Immer wieder vorgenommene Veränderungen schaffen transparente Strukturen, die einen guten Einblick in den Professionalisierungsprozess mit seinen Schwierigkeiten und Erfolgen gewähren.

5.2 Schulische Bedingungen für den Einsatz von TAs

Die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Teaching Assistants, die eine Schule und ihr Personal bieten müssen, sind in zwei Arten aufzuteilen. Auf der einen Seite sind es die ideologischen Hintergründe der Arbeit einer Schule, die gemeinsame Zielsetzungen im Kollegium entstehen lassen und als ‚Organisationskultur' beschrieben werden können. Auf der anderen Seite sind es bestimmte organisatorische Gegebenheiten, die von ideologischen Faktoren mit beeinflusst werden.

5.2.1 Ideologische Bedingungen

Verschiedene ideologische Bedingungen, müssen in der Schule gegeben sein, um den Einsatz der TAs als hilfreich und effektiv zu erleben.

Die Einigkeit über den schulischen Auftrag auf der Basis eines ideologischen Konsens' des Schulpersonals ist an erster Stelle zu nennen. Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Warnock Report, der eine entscheidende Ursache für die heutige Bedeutung der Teaching Assistants ist (vgl. Abb. 7). Das dort formulierte Verständnis der schulischen Aufgaben basiert auf einer ideologischen Grundhaltung, die die Basis für den Einsatz und die Rolle des Teaching Assistants im englischen Schulsystem darstellt. Es beinhaltet zum einen die Akzeptanz der ‚Special Education' als regulärem Bestandteil der schulischen Arbeit und keiner additiven Sondermaßnahme. TAs werden nicht als Luxus, sondern als Standardressource dem Schulpersonal zugehörig, angesehen (vgl. BIKLEN/TAYLOR 1985, 124 ff.; BIKLEN 1985, 175), welches die personelle Kooperation begünstigt. Desweiteren geht damit die Verwerfung des defizitorientierten Behinderungsbegriffes einher, der Lernschwierigkeiten als Folge dem Kind inhärenter Defizite definiert. Ursprünglich wurden Teaching Assistants mit dem Auftrag an englischen Schulen eingestellt, die schulischen Schwierigkeiten der Kinder zu kompensieren.

Weitere Bedingungen für den effektiven Einsatz von Teaching Assistants, denen gemeinsame Wertvorstellungen zu Grunde liegen, werden von BALSHAW als sogenannte "basic assumptions" aufgeführt (vgl. 1991, 23):

  • eine aufrichtige, kooperative Atmosphäre im Kollegium;

  • vertrauensvolle Verhältnisse;

  • ein Gefühl gegenseitiger Verantwortung;

  • ein gemeinsames Interesse an der Überprüfung und Reformierung der bestehenden schulischen Arbeit;

  • die Einstellung, dass alle Personalmitglieder etwas zum Schulentwicklungsprozess beitragen und folglich als Kompetenz der Schule zur Förderung der Kinder angesehen werden, unabhängig von ihrer jeweiligen Position;

  • die Entwicklung eines Gemeinschaftssinns, der die Ideen und Beiträge des Einzelnen anerkennt und sich gleichzeitig als Team weiterentwickelt.

(vgl. BALSHAW 1991, 23 ff.)

Die meisten der aufgeführten Bedingungen sind äußerst anspruchsvoll. Beispielsweise die Bildung vertrauensvoller Verhältnisse bietet in den deutschen Schulpersonals ein umfangreiches, vielschichtiges Diskussionspotenzial (vgl. Abb.3). Eine Voraussetzung für ihre Entstehung ist die Offenheit der Personalmitglieder untereinander, die auch in England ursprünglich nicht existierte. Eine verschlossene Schulatmosphäre und Lehrer/innen, die hinter geschlossenen Türen unterrichteten prägten das Bild der Arbeit an englischen Schulen. Durch den Beginn der Schulreformierungen, ergaben sich Veränderungen der ideologischen Haltungen zum Teil automatisch (vgl. SCHöNIG in 4.2), wodurch sich die Situation an den Schulen wandelte: "Schools have become more democratic and the diversity of pupils in mainstream has increased, making it necessary for the classroom door to be open to many different professionals as well as community representatives, parents, volunteers and others." (SHAW 2001, 16)

5.2.2 Organisatorische Voraussetzungen

Eine Reihe organisatorischer Voraussetzungen werden in der englischen Literatur als notwendig beschrieben, um die Arbeit des Teaching Assistant erfolgreich zu gestalten:

1. Der TA benötigt einen "Manager". Häufig ist dies der Klassenlehrer, in dessen Klasse der TA tätig ist. Er gibt Arbeitsaufträge und Anleitungen für den Teaching Assistant. Wenn nicht der Lehrer die managende Position inne hat, dann müssen die Grenzen zwischen ihm und dem Teaching Assistant durch eine eindeutige Aufgabenverteilung gesetzt sein, um konkurrierendes Verhalten, Förderungsüberschneidungen oder -widersprüche zu vermeiden.

2. Eindeutige hierarchische Verhältnisse können kooperative Prozesse unterstützen:

"I like to be able to feel I'm actually thinking for myself, albeit I can always talk it over with the teachers." (TA in: BALSHAW 1991,18)

3. Die Bereitstellung von Zeit für mindestens einmal täglich stattfindende Besprechungen zwischen dem Teaching Assistant und Klassenlehrer zur Unterrichtsplanung und gegenseitigen Reflexion der gemeinsamen und individuellen Arbeit ist unerlässlich (vgl. SHAW 2001, 17). Das Ziel ist die eindeutige Definition von Aufgaben und Verantwortlichkeiten in der Schule und im Unterricht, sowie die Überprüfung der Effizienz der Arbeit:

"What we do, we discuss at the end of term and the beginning of the year and get our rota of how we are going to work, and then discuss it with the class teacher - we have meetings everyday." (BALSHAW 1991, 14)

Außerdem können neue Konzepte und Ansätze zur gemeinsamen Arbeit durch die vorangegangene Reflexion geschaffen werden, die eine kollektive Weiterentwicklung begünstigen.

4. Die Teilnahme der Teaching Assistants an Personalversammlungen und Fortbildungen beinhaltet nicht nur den fachlichen Nutzen, sondern fördert außerdem die Kooperation mit dem restlichen Schulpersonal und das Gefühl der Zugehörigkeit:

"Involvement in information sharing, decision making and planning is a way of fostering this team membership at a whole school level, particularly if it takes place inside assistants' contracted hours." (BALSHAW 1991, 18)

5. Kommunikation stellt eine wesentliche Komponente der Kooperation zwischen TA und Lehrer/in dar (vgl. 3.1.2.4). Hinzukommend sollte der Teaching Assistant in die Kommunikation in der gesamten Schule involviert sein.

6. Schultagebücher oder Berichte sollten auch für den Teaching Assistant zugänglich sein, um sich über Schüler informieren und mit den Lehrern austauschen zu können.

7. Eine umfassende Beschreibung des Schulprogramms, die den Teaching Assistant als eine Komponente mit einbezieht, dient einer präziseren Aufgaben- und Funktionsbeschreibung:

"Overall school policies are vital to the development of practice in relation to the work of TAs. " (DfES 2000, 15)

8. In einigen Schulen in England hat sich eine Probezeit für Teaching Assistants bewährt, um festzustellen, ob die Person für das jeweilige Aufgabenprofil geeignet ist (vgl. DfES 2000, 16).

5.3 Die Ausbildung zum Teaching Assistant

Die Ausbildung orientiert sich, genau wie das englische Lehramtsstudium, stark an der schulischen Praxis. Da das Profil des Teaching Assistants in Schulen vorrangig durch seine Einsatzflexibilität gekennzeichnet ist, besteht der Ausbildungskurs nur in einer Einführung in grundlegende Kenntnisse für die Arbeit mit Schülern mit und ohne speziellen Förderbedürfnissen an allgemeinbildenden Schulen. Dahinter steht die Annahme, dass die wichtigsten Erfahrungen und beruflichen Kompetenzen nicht in der Theorie, sondern in der Praxis, im Unterricht und direkt am Schüler erlernt werden, wodurch eine optimale individuelle Anpassung an die Bedürfnisse des Kindes möglich wird:

"I don't need someone who has first class honours in how to be disabled aware. I need someone who can think about how best to make me equal." (Bob in SHAW 2004, 47)

Der Ausbildungskurs nennt sich ‚Induction Course for teaching assistants (TAs)' und wird vom ‚Department for Education and Skills' (DfES) angeboten. Ausführende sind die verschiedenen Local Education Authorities (LEAs). Für jede Schulform gibt es eine eigene Einführung für Teaching Assistants, die sich zeitlich und inhaltlich von den anderen unterscheidet. Anlehnend an die zwei Fallbeispiele (vgl. 2.) wird im hiesigen Kontext nur auf die Ausbildung der TAs für den Primarbereich eingegangen.

Der Einführungskurs für die Primarstufe findet parallel zur bereits begonnenen Arbeit in der Schule statt und wird in vier ganzen Tagen oder acht separaten Sitzungen durchgeführt, abhängend von den Vorgaben der jeweiligen Local Education Authority (LEA) (vgl. DfES 2004b, 1.1). Zusätzlich werden Arbeitsaufträge für eine Vor- und Nachbereitung gegeben. Die übergeordnete Zielsetzung des Kurses ist der Erwerb von Kompetenzen zur Ausführung folgender Aufgaben:

- "contribute to the school's overall aim of raising educational standards,

- uphold school policies,

- provide appropriate and reliable support for teachers so that they can better concentrate on teaching." (DfES 2004c, CD-Rom)

Der Kurs gliedert sich in zwei Teile. Den ersten Teil bilden die Vor- und Nachbereitung des Kurses, die mit Unterstützung eines Mentors, der aus dem Schulpersonal ausgewählt wurde, durchgeführt werden. Sie dienen der Auseinandersetzung mit der eigenen Person im Kontext der Schule und der Erstellung eines persönlichen Rollenprofils, angepasst an die jeweiligen Schulstrukturen. Dies beinhaltet die Beschäftigung mit nachstehenden Themen:

1. ) persönliche Profilerstellung

  • persönliche Angaben

  • Qualifikationen und Abschlüsse

  • Frühere Arbeitsbeschäftigungen

  • Angaben zur aktuellen Anstellung

  • eigene Berufsbeschreibung

2.) Kennenlernen der Schule

  • Angaben zur Schule (Anzahl der Schüler, Lehrer/innen, TAs; Alter der Schüler; finanzieller Unterstützung,...)

  • Angaben zum schulischen Umfeld (soziale Einwohnerschicht...)

  • Schulische Organisation, Ausstattung, (Verantwortungsverteilungen, Schulregularien...)

  • Schulische Richtlinien (Berufsbeschreibung, Vorschriften...)

  • Curriculare Bestimmungen

(vgl. DfES 2004b, 1ff.)

Ergänzend zur Erstellung eines persönlichen Aufgabenprofils beschäftigt sich der zweite Teil mit dem Erwerb von Basiskompetenzen eines jeden Teaching Assistants. Sie werden in acht Modulen während des Kurses vermittelt, die hier thematisch zusammengefasst und in chronologischer Abfolge, wie sie im Einführungskurs behandelt werden, aufgeführt sind:

1.) Rolle und Kontext: Teil 1

Die Rolle des Teaching Assistants (Diskussion einzelner Berufsbeschreibungen und Bezugspersonen im Schulpersonal: "Wo kann ich hingehen, wenn ich Hilfe benötige?")

Unterstützung des Curriculums (das Schulcurriculum und das ‚National Curriculum', die Vorschulzeit, Chancengleichheit und Inklusion, die Beobachtung von Lernfortschritten)

2.) Verhaltensregelung (‚Behaviour Management')

Strategien für das Erlernen angemessenen Verhaltens (grundlegende Prinzipien guten Verhaltens, Übertragung in die Praxis)

3.) Englischunterricht (‚Literacy'): Teil 1 und 2

Einführung (der Lehrplan für den Englischunterricht in der ‚Primary School')

Die Rolle des Teaching Assistants im Englischunterricht (Möglichkeiten zur Unterstützung des Englischunterrichts, die Arbeit mit Kindern im Unterricht, die Unterstützung der Lehrer/innen im Unterricht)

Ausspracheübungen (das Lehren richtiger Artikulation, das Lautalphabet, der Zusammenhang von Graphem und Phonem...)

Besprechung der Unterrichtsarbeit

Lesen und Schreiben im Englischunterricht (angeleitetes Lesen, Schreibarbeit in Gruppen...)

4.) Mathematikunterricht: Teil 1 und 2

Zentrale Inhalte des Lehrplans für Mathematik in der ‚Primary School' (Vermittlung mathematischer Grundkenntnisse, Wie sieht eine alltägliche Mathematikstunde aus?)

Sprache und Mathematik (Die Wichtigkeit des Zuhörens und Sprechens, Schülern zuhören, Kinder unterstützen, die nicht weiterkommen, Unterstützung von Schülern mit Dyskalkulie...)

Erlernen von Rechenstrategien (Strategien selber entwickeln, kognitive Rechenstrategien, Einsatz von Hilfsmaterialien)

Die Rolle des TAs in der ‚dreiteiligen Mathematikstunde[52]' (Aufbau der Stunde, Gruppeneinteilung, Kommunikation mit dem Lehrer...)

Die Arbeit in einer Vorschulklasse (‚reception') (Umgang mit den Bedürfnissen von Kindern in einer Vorschulklasse, die Rolle des TAs...)

5.) Rolle und Kontext (Fortsetzung): Teil 2 und 3

Special Educational Needs (Die Bedeutung von Inklusion, Was heißt ‚Special Educational Needs' und Behinderung ?, die Rolle des TA bei der Unterstützung von Kindern mit SEN und Behinderungen...)

Kindesschutz

Unterstützung des Lehrers und der Schüler (Anpassung der Arbeitsaufgaben an die Bedürfnisse des Schülers, Strategien zur Unterstützung einzelner Kinder, Gruppen oder der gesamten Klasse; Assistenz bei der Reflexion der Schülerleistung...)

Unterstützung der Schule und der Teaching Assistants (offizielle Richtlinien der Schule, Weiterbildungsmöglichkeiten für TAs...)

(vgl. DfES 2004b, 1ff.)

Außerdem werden wahlweise drei weitere Module zur Spezialisierung angeboten:

6.) Verstehen, wie Schüler lernen (Lernstrategien, lebenslanges Lernen, Observation verschiedene Altersklassen im Unterricht...)

7.) Die Nutzung von ICT[53]-Medien (Was ist ICT? Der Einfluss auf die Schule und die Rolle des TA, Wie kann das Lernen mit diesen Medien unterstützt werden?...)

8.) Englisch als Fremdsprache (Spracherwerb, Identität, Sprachlernen und Inklusion, Möglichkeiten der Unterrichtsteilnahme für ausländische Schüler...)

(ebd.)

Einige der Kursinhalte können durchaus kritisch betrachtet werden. Dennoch ist die inhaltliche Vielfalt der Ausbildung positiv hervorzuheben. Zum einen beschäftigt sie sich mit grundlegenden Fragen, die die schulische Arbeit als Ganzes betreffen:

  • Welche ideologischen und kulturellen Wertvorstellungen liegen der Arbeit in der Schule zugrunde (vgl. 5.2.1)?

  • Welches ist die persönliche Rolle und der eigene Beitrag innerhalb der schulischen Organisation?

  • Was bedeutet Inklusion, die die Grundlage für die Existenz des Teaching Assistants ausmacht?

Zum anderen werden ganz konkret Fragen zum Unterricht behandelt:

  • Wie ist das Verhältnis zum Lehrer?

  • Welche Strategien gibt es im Umgang mit Lernschwierigkeiten im Unterricht, die aufgrund bestimmter Ursachen, wie beispielsweise Dyskalkulie oder Englisch als Fremdsprache entstehen?...

Bemerkenswert ist die Möglichkeit die Inhalte des Kurses sehr präzise auf die individuellen Bedürfnisse einer Schule abstimmen zu können, um den Teaching Assistant, den jeweiligen schulischen Anforderungen entsprechend, zu qualifizieren. Eine große Bedeutung erhalten in diesem Prozess die Vor- und Nachbereitung des Kurses (s.o.).

5.4. Aufgaben und Funktionen der Teaching Assistants

"be committed, respectful, adaptable, flexible, understanding, approachable, trustworthy, tolerant, tactful... good communicator, listener, have sense of justice, and a positive, nun-judgemental attitude, work in your own initiative, handle stress." (TA in: SHAW 2001, 9)

Die Eigenschaften, die einem Teaching Assistant hier zu geschrieben werden, lassen erahnen, welche Aufgabenvielfalt diesen Beruf ausmacht und welche Flexibilität dafür notwendig ist. Das Aufgabenprofil eines TAs ist so variabel und flexibel einsetzbar, wie kein anderes im Schulpersonal, was dazu führt, dass diese Berufsgruppe in jeder Schule, ob Primary School, Highschool oder Special School angestellt werden kann. Diese Flexibilität ist jedoch auch erst im Laufe der Zeit entstanden, nachdem TAs, damals ‚learning supporters' genannt, ursprünglich ausschließlich für die Einzelbetreuung zumeist von Kindern mit speziellem Förderbedarf zuständig waren. In einigen Schulen ist dies bis heute der Fall.

Die meisten Schulen in England veröffentlichen heutzutage eine ‚general job description', in deren Rahmen jedem Teaching Assistant die Möglichkeit gegeben wird sein eigenes, individuelles Profil zu entwickeln (vgl. DfES 2000, 15).

Die Tätigkeiten aller TAs orientieren sich gegenwärtig an vier übergeordneten Aufgabenbereichen, die von der Regierung geschaffen wurden:

  1. support for the pupil,

  2. support for the teacher,

  3. support for the curriculum and

  4. support for the school

(DfES 2000, 8)

Innerhalb dieser vier Bereiche ergeben sich verschiedene Aufgaben für einen TA, die von seiner Ausbildung, den individuellen Bedürfnissen der Schule und seiner Persönlichkeit abhängen. Es gibt Teaching Assistants mit einer Ausbildung zum ‚general Teaching Assistant', die in diesem Fall die Aufgabe der Begleitung und Unterstützung einer Klasse haben und zeitweise Kleingruppen, einzelne Schüler oder aber auch die gesamte Klasse unter Anleitung des Lehrers betreuen. In secondary schools ist die Unterstützung eines einzelnen Schülers im Unterricht mit der gesamten Klasse üblich, während in primary schools die Kleingruppenbetreuung am häufigsten vorkommt. In der Einzelbetreuung sind die Aufgaben des TAs oftmals vergleichbar mit denen einer persönlichen Betreuungskraft eines Kindes.

Ein anderes Aufgabenprofil hat der auf einen Bereich spezialisierte TA. Er hat zusätzlich zu der Grundausbildung einen Erweiterungskurs in einem bestimmten Fach absolviert (vgl. 5.3). Abhängig von der Fachspezialisierung gibt es drei Möglichkeiten seines Einsatzes:

  1. Er betreut verschiedene Klassen in dem spezialisierten Fachgebiet, wie beispielweise ICT.

  2. Er arbeitet in einem bestimmten Bereich der Schule, wie der Verwaltung oder ähnlichem.

  3. Er bietet additive Förderung der Schüler in einer bestimmten Thematik an, beispielsweise ‚Behaviour/Guidance/Support'.

Je nach Erfahrungsschatz und Qualifikation arbeiten die Teaching Assistants auf den Levels eins bis vier, die zum einen das Gehalt bestimmen, zum anderen Auswirkungen auf den Umfang der Aufgaben und der Verantwortung haben.

Wie die DfES bestätigt, gibt es keine eindeutige Tätigkeitsbeschreibung der Teaching Assistants:

"It is not possible to draw a complete picture of the model TA than it is to do one for the model headteacher. Again, schools will have their own requirements of TAs according to their differing situations." (DfES 2000, 9)

Um dennoch eine Vorstellung von der Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten zu bekommen sollen einige der Tätigkeiten exemplarisch aufgeführt werden, die in jedem Aufgabenprofil eines Teaching Assistants in unterschiedlichem Umfang enthalten sind:

  • soziale Fähigkeiten der Schüler entwickeln;

  • einzelne Schüler bei der Bewältigung von Aufgaben unterstützen;

  • Vorbereitung von Unterrichtsmaterialien;

  • den Lehrern Rückmeldung über den Unterrichtsstil u.a. geben

  • Zusammenarbeit mit anderen außerschulischen Organisationen unterstützen;

  • den Lehrern die Möglichkeit der intensiven Gruppenarbeit geben, während der TA die Aufsicht über die gesamte Klasse führt;

  • Unterstützung diagnostischer Prozesse;

  • Erkennen von frühen Zeichen der Ausgrenzung oder störendem Verhalten;

  • Unterstützung bei der Stundenplanerstellung;

  • Einweisung von Vertretungskräften in aktuelle Klassenaktivitäten;

  • Unterstützung von Schülern mit körperlicher Behinderung;

  • Zuhörer für die Probleme der Schüler sein;

  • Kontakt zu Eltern halten;

  • Die Inklusion aller Kinder in der Klasse unterstützen;

(vgl. SHAW 2001, 5)

An den verschiedenen Aufgaben ist zu erkennen, dass TAs mit allen Kindern unabhängig von deren Fähigkeiten und Schwierigkeiten, arbeiten. Sie tragen außerdem dazu bei, Lernschwierigkeiten zu reduzieren, die durch mangelnde Berücksichtigung individueller (Lern-)Bedürfnisse der Schüler, darunter auch Kinder mit Erziehungsschwierigkeiten, körperlichen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, durch das schulische Umfeld entstehen. Ihre Arbeit beinhaltet daher Aspekte des Lehrens und der Anleitung, der Betreuung, der Erleichterung von Kommunikation, der Ermöglichung der Teilnahme am Lehrplan und gegebenenfalls dessen Veränderung und Anpassung an die Bedürfnisse des Kindes (vgl. SHAW 2001, 4).

5.5 Die Beziehung zwischen Lehrern und Teaching Assistants

Das Verhältnis zwischen dem Lehrer und dem Teaching Assistant ist auf der einen Seite durch Hierarchie, auf der anderen Seite durch Gleichwertigkeit und Zusammenarbeit geprägt. Diese Beschreibung erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Da die Beziehung zwischen Lehrer und TA ein elementarer Faktor für die Effizienz des Einsatzes der Teaching Assistants ist, soll sie genauer erläutert werden.

Die Lehrer/innen sind dem Teaching Assistant aufgrund ihrer höheren Qualifikation und dem Besitz der Klassenleitung vorgesetzt. Sie geben Anweisungen bezüglich der Arbeit mit den Schülern. Eine Hierarchie besitzt den Vorteil, dass eindeutige Aufgabenverteilungen vorgegeben sind und nur eine Person, in diesem Fall der Klassenlehrer, richtungsweisend ist, sodass sich der TA daran orientieren kann. Demokratische Verhältnisse hingegen haben häufig den Nachteil, dass sie entscheidungshemmend sind und zu konkurrierenden Verhältnissen führen können, die letztlich die angestrebte Gleichberechtigung stärker reduzieren, als in einer hierarchischen Beziehung. Der Teaching Assistant hat die Möglichkeit Vorschläge zu äußern und beratend tätig zu sein, welches dem Lehrer ein Gefühl der Entlastung gibt. Die Lehrerrolle mit den Komponenten Aufsicht, Aufgabenverteilung und Unterricht, kommt der eines Managers näher, als der eines Vorgesetzten (vgl. 2.1.3.7 & Abb. 1). Ein Teaching Assistant beschreibt seine Zusammenarbeit mit dem Lehrer wie folgt:

"Every morning we discuss the day's work and what she would like me to do. There's no confusion. You have to know what she wants you to do and what she wants you to get from the children.... You have to be prepared to accept a bit of constructive criticism without getting upset." (Primary TA in: DfES 2000, 24)

Dieses professionelle Verhältnis verlangt einerseits vom Lehrer die Fähigkeit konstruktiv Kritik zu üben und in angemessener Form Anweisungen zu geben, andererseits muss der Teaching Assistant in der Lage sein diese Kritik und Anweisungen annehmen und umsetzen zu können. In England werden immer wieder die Schwierigkeiten der Lehrer/innen bemerkt, eine weitere Person des Schulpersonals am Unterricht teilhaben zu lassen. Seit einigen Jahren ist das Faktum der Kooperation mit anderen Professionellen und des Managements von Erwachsenen im Klassenraum Gegenstand des englischen Lehramtsstudiums, wodurch sich bereits erste Verbesserungen zeigten.

5.6 Positive und negative Effekte der Arbeit des Teaching Assistants

Hauptsächlich positive, doch auch einige negative Effekte, zeigt der beschriebene Einsatz der Teaching Assistants.

Vorteilhaft für den Unterricht ist nicht nur die praktische, sondern auch die emotionale Unterstützung des Lehrers durch den TA. Außerdem werden inklusive Entwicklungen begünstigt, zum einen durch die Intensivierung des Verhältnisses der Schüler untereinander, indem der Teaching Assistant die Unabhängigkeit der einzelnen Schüler zu fördern versucht und die gegenseitige Unterstützung der Schüler anregt (vgl. Balshaw 2003, 1), zum anderen durch die Begleitung einiger Schüler in den Unterricht anderer Schulen, um eine Verbindung herzustellen, die beispielsweise Rückschulungsprozesse erleichtert:

"... special schools increasingly forming links with mainstream schools and taking part in joint projects. Supporters contribute to making these links work by accompanying pupils between these settings and working with them in both places. Re-integration usually relies heavily on learning supporters easing the way back." (SHAW 2001, 14)

Trotz offensichtlicher Erfolge der Arbeit der TAs und ihrer Professionalisierung, gibt es eine Reihe von Schwierigkeiten, die durch die Aufgabenstellungen der TAs und eine mangelnde Kooperation im Schulpersonal entstehen. Ein großes Problem ist die Missachtung der Teaching Assistants und ihres Beitrags zur schulischen Arbeit. Durch die flexiblen Einsatzmöglichkeiten eines TAs erfährt seine Arbeit gegenüber der des Lehrers gesellschaftlich und zum Teil sogar innerhalb der Schule nur eine geringe oder gar keine Würdigung. Durch sein breitangelegtes Aufgabenspektrum ist eine Trennung zwischen ihm und dem Lehrer nicht immer offensichtlich, wodurch die Ansicht entstehen kann, der TA sei ein unqualifizierter Lehrer oder "nur" ein Assistent, anstatt ihn als eine eigenständige Berufsgruppe anzusehen. Dieses Bild wirkt sich auch auf das Verhältnis zwischen dem Lehrer und Teaching Assistant aus, welches statt durch Kooperation und Ergänzung dann ausschließlich durch Anweisung und Ausführung geprägt sein kann, wodurch gemeinsame unterrichtliche Planungen ausbleiben und die Kommunikation eingeschränkt wird:

"I still find that some staff do not notify me of changes in lesson plans in sufficient time." (SHAW 2004, 62)

Ein weiterer Grund für die zum Teil immer noch bestehende mangelnde Anerkennung der TAs war bisher das geringe Gehalt, welches in jedem ‚County' variierte. Ursprünglich bestanden Gehaltsschwankungen zwischen £3 und £8 pro Stunde. Seit der Professionalisierung sind Besoldungsstandards eingeführt worden, die auch eine Steigerung der Anerkennung des TAs zum Ziel haben (vgl. 2.4; Tab.5).

Eine weitere Schwierigkeit in der Arbeit des TAs kann sich durch die Möglichkeit der ständigen Begleitung eines Kindes aufgrund einer körperlichen, geistigen oder Lernbeeinträchtigung ergeben. Auf der einen Seite bietet sie der Schule die Chance sich nicht mehr für das Kind verantwortlich zu fühlen, auf der anderen Seite kann eine Überbetreuung des Schülers entstehen,

  • aufgrund von bestimmter Zeitzuweisung der Schule, wodurch der Teaching Assistant sich genötigt fühlt die gesamte zur Verfügung gestellte Zeit für die Betreuung zu nutzen, um nicht in Verruf zu geraten, "nicht genügend für sein Geld zu arbeiten";

  • aufgrund der Schwierigkeit für den TA, eine Balance zu finden zwischen einer Förderung durch aktive Unterstützung und durch Gewährung von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit:

"It is not be assumed that I can only communicate with the aid of my PA (Personal Assistant; Anm.d.Verf.). A PA can be of assistance, to you as well as to me, but ultimately it is your persistence that will help me achieve communication, in addition to giving me the message that you actually want to communicate with me." (Bob in: SHAW 2004, 49)

Die letzte hier anzusprechende Schwierigkeit ist ein weitreichender Kritikpunkt, den ich im nächsten Abschnitt erläutern möchte.

5.6.1 Teaching Assistants - "a cheap alternative to teachers"[54]?

Wahrscheinlich der schwerwiegendste Einwand gegenüber den Teaching Assistants beschäftigt sich mit dem Problem der eindeutigen Unterscheidung zwischen den Aufgabenbereichen des Lehrers und des Teaching Assistant. Die Folge ist eine starke Kritik an dem nicht ausreichend präzise definierten Aufgabenprofil der TAs. An erster Stelle ist es die NATIONAL UNION OF TEACHERS (NUT), die größte Lehrerorganisationen in England und Wales, die beanstandet, dass TAs häufig als Lehrerersatz in Klassen eigenverantwortlich fungieren, ohne dafür eine entsprechende Ausbildung absolviert zu haben. Der mögliche Nutzen der Teaching Assistants in einer Klasse wird dabei allerdings nicht in Frage gestellt:

"Classroom assistants provide invaluable help and support to teachers and pupils in our schools, but they are no substitute for teachers "(NATIONAL UNION OF TEACHERS 2002)

Ursprünglich ging mit der genannten Kritik einher, dass uneindeutige Aufgabenbeschreibungen

  • zu stark variierenden Gehältern führen, welches den TA zur schlecht bezahltesten Berufsgruppe im englischen Schulsystem machte,

  • das Verständnis der Rolle des Lehrers irritieren,

  • Verwaltungsaufgaben und den Organisationsaufwand für Lehrer/innen vermehren, statt wie erwartet abnehmen lassen.

Diese Kritik richtet sich in erster Linie an die Regierung und das von ihr erstellte Implementierungskonzept der Teaching Assistants und argumentiert im Interesse der Schulpersonals und letztlich der Schüler.

Inzwischen ist diesen Einwänden mit der Professionalisierung größtenteils entgegen gekommen worden. Immer noch Bestand hat die Gefahr, dass ein Teaching Assistant die Aufgaben eines Lehrers übernimmt oder in eine den Lehrer dominierende Situation gerät, beispielsweise, wenn ein junger unerfahrener Lehrer in eine Klasse mit einem erfahrenen Teaching Assistant kommt.

Im Zuge der Überlegungen, wie dieses Problem zu beheben sei, wird auf folgende Aspekte hingewiesen:

  • Standardisierungen in den Aufgabenprofilen der TAs reduzieren ihre flexiblen Einsatzmöglichkeiten.

  • In der Einzelbetreuung kennt der Teaching Assistant den Schüler häufig besser als der Lehrer und kann ihn dadurch besser unterrichten:

"I'm being his teacher again, because his teacher did not know at that time that Bob was confused." (SHAW 2004, 63)

Momentan wird in Publikationen der Regierung hervorgehoben, dass Teaching Assistants immer unter der Aufsicht und Anleitung eines Lehrers arbeiten müssen:

"'Raising standards and Tackling Workload' makes it clear that teachers and HLTAs are not interchangeable and goes in to state:

'qualified teachers make the leading contribution to teaching and learning, reflecting their training and experience. Each class/group for timetabled core/foundation subjects must be assigned a qualified teacher to teach them (subject to the existing qualified teacher provisions). Accountability for the overall learning outcomes of particular pupils must rest with that pupil's qualified classroom/subject teacher.' '' (NATIONAL JOINT COUNCIL 2003, 5.6)

Außerdem wird in den Beschreibungen der Aufgabenprofile der unterschiedlichen Levels eines TAs deutlich gemacht, dass die Levels eins bis drei "under guidance" (National Joint Council 2003, 5.8 ff.) arbeiten und der Teaching Assistant auf Level vier "under an agreed system of supervision/management". (National Joint Council 2003, 5.11) Auch diese Vorkehrungen geben keine einhundertprozentige Sicherheit, dass ein Teaching Assistant über seine Kompetenzen hinaus in Schulen eingesetzt wird. Doch je höher die Standardisierung ist, desto größer sind die Kontrollmöglichkeiten und um so geringer ist die Flexibilität: das Potenzial der Teaching Assistants. Die DfES beschreibt die Lösung dieses Dilemmas wie folgt:

"Providing a clear deployment within a flexible framework" (DfES 2000, 20)

5.7 Zusammenfassung

Es ist interessant zu sehen, wie in anderen Ländern Schwierigkeiten im Schulsystem oder im Unterricht gehandhabt werden und gleichzeitig erleichternd zu bemerken, dass diese Länder mit gleichen oder ähnlichen Problemen umgehen müssen. Auf die erwähnten Ergebnisse des Warnock Reports wurde in den Schulen unter anderem mit der quantitativen Erhöhung der Assistenzkräfte zur Entlastung der Lehrkräfte reagiert. Wie die bisherigen Ausführungen erkennen ließen, funktionierte dies nicht problemlos. Es waren die Teaching Assistants, die ihren Beruf in der Gesellschaft und in der Schule als nicht anerkannt empfanden; Es gab Lehrer/innen, die nicht einsahen ihren Klassenraum mit einem Erwachsenen zu teilen und zu kooperieren; Organisationen, wie die NUT kritisierten den Missbrauch von Teaching Assistants als preiswerte Lehrkräfte; Eltern hielten einen Teaching Assistant für nicht ausreichend qualifiziert, ihr schwerstbehindertes Kind in der Schule angemessen zu betreuen u.s.w. Auf der einen Seite wurde Flexibilität gefordert, um den Teaching Assistant genau an den Stellen einzusetzen, an denen Unterstützung benötigt wurde, auf der anderen Seite wurde eine angemessene Qualifikation verlangt. Trotz sämtlicher Kritikpunkte, Konflikte und dem Bedarf an Veränderung standen der Nutzen und die Notwendigkeit der Teaching Assistants niemals in Frage. Im Gegenteil, die Anzahl der Teaching Assistants nahm und nimmt noch immer ständig zu und es wird versucht auf sämtliche Schwierigkeiten zu reagieren. Es entstanden Aufgabenprofile und Ausbildungskurse, es wurden nationale Gehaltslisten erstellt und das Lehramtsstudium beinhaltet inzwischen einen Kurs für die Kooperation und das Management von Erwachsenen im Unterricht.

Ihr Beitrag für die Inklusion ist so erheblich, dass TAs aus den Schulen nicht mehr wegzudenken sind. Indem sie Lehrer/innen, Schüler und die gesamte Schule unterstützen, erhöhen sie die Chance eines jeden Schülers, in einer immer heterogener werdenden Schülerschaft am Unterricht und an der sozialen Gemeinschaft erfolgreich teilzunehmen.

Die Intention, die hinter der Betrachtung internationaler Konzepte, wie der schulischen Arbeit in England steckt, ist der Eigennutz, die gewonnenen Anregungen für die eigene Entwicklungen verwenden zu können. Die Forderungen der Inklusion zeigen in Deutschland zum Teil ähnliche Hindernisse im Schulpersonal, wie in England vor einiger Zeit: Überforderungen der Lehrer/innen und Schwierigkeiten in der Kooperation mit anderem Personal im Unterricht, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wäre es da nicht konsequent, den Einsatz von Teaching Assistants in Deutschland ebenfalls zu erwägen? Welche Bedingungen müssten für die Einstellung von TAs an deutschen Schulen gegeben sein? Gibt es vielleicht schon Ansätze für eine derartige Unterrichtsassistenz in Deutschland?



[51] NJC = National Joint Council for Local Government Services

[52] Der dreiteilige Unterricht ist ein Konzept, welches aus einer Anfangsphase mit der gesamten Klasse besteht, einer darauffolgenden Gruppenarbeitsphase, in der die Schüler in unterschiedlich leistungsstarke Gruppen eingeteilt werden und einer Abschlussphase, die zur Vorstellung einzelner Ergebnisse und dem Resümee von Arbeitsvorgängen dient (vgl. 2.1.1).

[53] ICT = Information and Communication Technology

[54] SHAW 2001, 21

6. ‚Teaching Assistants' in Deutschland

"Accommodation of this diversity, particularly in mainstream schools, has come to be seen as a need which creates a demand for extra forms of adult support."

(BALSHAW 1991, 7)

Nationale Konzeptionen sollten nicht unreflektiert in andere Länder übertragen werden. Darauf wiesen unter anderen STEPHENS, TØNNESSEN und KYRIACOU in einem Vergleich des norwegischen und englischen Schulunterrichts hin und warnten davor, dass ein unkritischer Import zu Verwirrung bei den Schülern führe (vgl. STEPHENS/TØNNESSEN/KYRIACOU 2004, 111).

Auch in Bezug auf die Überlegung, das Modell der Teaching Assistants in Deutschland zu etablieren, ist dieser Hinweis ernst zu nehmen, insbesondere nachdem sich aktuell bereits die ersten Schwierigkeiten bei Planungen für den Einsatz der individuellen Förderpläne (IEPs) an deutschen Schulen zeigten (vgl. 3.3): Das gleiche Instrument, eingesetzt mit der gleichen Zielsetzung, kann in einer anderen Ungebung aufgrund abweichender Interpretationen und Handhabungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten zwischen England und Deutschland, sind einige Gegensätze nicht zu leugnen und die Vorstellung der englischen Konzeption des Teaching Assistants (vgl. 5.) hat gezeigt, dass eine uneingeschränkte Übertragung in das deutsche Schulsystem nicht möglich ist. Soziokulturelle Unterschiede, differierende ökonomische Zielsetzungen, und daraus resultierend abweichende Schulstrukturen und -organisationen, sowie andere Weiterbildungskonzeptionen werden die Implementierung und spätere Arbeit der Teaching Assistants an den Schulen in Deutschland beeinflussen. Hinzukommend bestehen nicht nur im internationalen Kontext, sondern auch national strukturelle Unterschiede, die verschiedene Formen der Differenzierung der englischen Konzeption verlangen. Der Einbezug dieser Differenzen würde jedoch den hier gewählten Rahmen sprengen, sodass ihre Betrachtung im Folgenden unterlassen wird.

Der Gedanke, das Konzept der Teaching Assistants an deutschen Schulen einzuführen, entstand aufgrund der aktuellen Fülle neuer Aufgaben für den Lehrer, welche die bereits beschriebene Überforderung und schließlich Qualitätsminderung des inklusiven Unterrichts zur Folge hat (vgl. 3.2). Diese Gegebenheiten erinnern an die Situation im englischen Schulsystem zur Zeit des Warnock Reports Ende der siebziger Jahre, auf die das Erziehungsministerium mit der vermehrten Einstellung von Teaching Assistants und anderem ‚support staff' reagierte. In sämtlichen führenden Ländern der schulischen Inklusion, wie den USA, Großbritannien, Schweden oder Italien sind Assistenzkräfte inzwischen ein fester Bestandteil des Unterrichts. Wieso finden sich keine derartigen Ansätze in Deutschland?

Eine Betrachtung der Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von TAs im deutschen Schulsystem, der dafür notwendigen Schulentwicklungsprozesse, sowie der Vor- und Nachteile, soll dazu verhelfen das Profil des Teaching Assistant im deutschen Schulsystem zu konkretisieren.

6.1 Mögliche Hindernisse und notwendige Veränderungen

Der Erfolg einer Konzeption, wie jener der Teaching Assistants, hängt stark von ihrer Anpassungsfähigkeit an die sich ständig wandelnde Umgebung ab. Notwendige Voraussetzung dafür ist die kontinuierliche Überprüfung und Begleitung des Einsatzes. Folgende Leitfragen sind nicht nur Prozess begleitend, sondern können bereits in der Vorbereitung präventiv, zur Vermeidung von Schwierigkeiten während der Implementierung der Teaching Assistants, genutzt werden:

  1. "What gets in the way of me/us reaching the desired objective?

  2. Consider why it happened

  3. What helped to progress?

  4. What hindered progress?" (BALSHAW 1991, 28)

Es interessieren im Rahmen der Vorbereitungen nur die Fragen a), c) und d), die dann lauten: Was könnte die Implementierung behindern? Welche Entwicklungen unterstützen bzw. behindern den Einführungsprozess? Sie bilden die Grundlage nachstehender Überlegungen, die sich auf der einen Seite mit allgemeingültigen Veränderungen und Voraussetzungen befassen, auf der anderen Seite auf Deutschland und Niedersachsen spezifische Gegebenheiten hinweisen.

6.1.1 Die Konzeption des Teaching Assistants verlangt einen Wertewandel

Schon im vierten Kapitel (vgl. 4.1) wurde die grundlegende Bedeutung der Wertvorstellungen und gemeinsamen Zielsetzungen für die Inklusionsbewegung angesprochen, weshalb sie hier nicht noch einmal wiederholt werden soll. Im Hinblick auf die Kooperation zwischen Teaching Assistants und Lehrern ist ihre Bedeutung insofern nochmals hervorzuheben, als dass die Konzeption der Teaching Assistants aufgrund inklusiver Entwicklungen entstand (vgl. 4.1.2 & 5.1). Es ist somit offensichtlich, dass bereits beschriebene Wertvorstellungen nicht nur die Basis der Zusammenarbeit bilden, sondern essentielle Voraussetzung für den Einsatz der Teaching Assistants sind.

Ein erster Ansatz für jene Reformierungen ist, die bestehenden Haltungen gegenüber Menschen mit Behinderungen, ihre Entstehung und schließlich ihre Auswirkungen auf die schulische Praxis, im gesamten Schulpersonal zu erörtern und dabei jeden individuellen Standpunkt zu registrieren. Durch diesen Prozess können Differenzen aufgedeckt und die Basis für eine bessere Zusammenarbeit und gleiche Zielsetzungen gelegt werden (vgl. BALSHAW 1991, 17). Außerdem sollte der Einbezug dieses Aspektes in das Studium und die Ausbildung in Erwägung gezogen werden.

6.1.2 Schulorganisatorische Veränderungen

Der Zusammenhang organisatorischer und personeller Veränderungen wurde vorangehend bereits dargestellt (vgl. 3. & 4.). Im Hinblick auf die Implementierung von Teaching Assistants sind einige Veränderungen der schulischen Organisation in Deutschland notwendig:

  • Bereitstellung zeitlicher Ressourcen zur Besprechung und Planung für Lehrer/innen und Teaching Assistants, sowie zur (Selbst-)reflexion;

  • eine Reduktion der Verwaltungsbürokratie, die Flexibilität und individuelles Handeln verhindert und Standardisierung fördert, was von vielen Seiten als das Hauptproblem der schulischen Inklusion angesehen wird (vgl. THOUSAND/VILLA 1991, 176);

  • Angebote der Supervision zumindest in der Einführungsphase;

Weitere notwendige Veränderungen innerhalb des schulorganisatorischen Bereiches werden nachstehend, aufgrund ihres Erläuterungsbedarfs gesondert aufgeführt oder hängen von individuellen schulischen Gegebenheiten ab, wodurch sie in diesem Überblick nicht erwähnt wurden.

6.1.3 Kooperation

Die Möglichkeit einer erfolgreichen Kooperation der Mitglieder des Schulpersonals ergibt sich aus der schulorganisatorischen Unterstützung (vgl. 6.1.2) und der gemeinsamen Zielsetzung, basierend auf gleichen Wertvorstellungen (vgl. 6.1.1). Eine gute Kooperation wirkt entlastend auf alle Personalmitglieder, fördert eine positive Atmosphäre der Gleichberechtigung und Gerechtigkeit im Klassenraum und zeigt Schülern, was sie letztlich selber lernen sollen:

"We cannot ask students to do those things which we as professionals are unwilling to do' (Harris, 1987)." (THOUSAND/VILLA 1991, 170)

Konkurrierende Verhältnisse und Hierarchien spielen unweigerlich in die Kooperation zwischen Personalmitgliedern hinein. In Deutschland ist der Begriff der "Hierarchie" überwiegend negativ belegt, weshalb dieser Aspekt hier eine gesonderte Betrachtung erfährt.

In England besteht sowohl im Schulsystem, als auch in der Ausbildung und im Beruf ein größtenteils direktiver Managementstil, wodurch die Akzeptanz von Rangordnungen schon früh erlernt wird, während die in Deutschland vorherrschende liberale Leitungsform dazu führt, dass hierarchische Verhältnisse, die hauptsächlich in der Wirtschaft gegeben sind, vom Schulpersonal als Abwertung, Unterordnung und handlungseinschränkend verstanden werden. Hinzukommend ist der Hierarchiebegriff vermutlich durch die deutsche Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg negativ geprägt. Im Hinblick auf die bevorstehende Dezentralisierung im deutschen Schulsystem und der einhergehend zunehmenden Eigenverwaltung der Schulen sollte sich diese Situation ändern.

Die Bedeutung der Rollen des TA und des Lehrers für die schulische Arbeit ist trotz unterschiedlicher Hierarchiestufen als gleichwertig anzusehen und ein gegenseitiger Austausch, die Reflexion der Arbeit und Selbstreflexion sind Merkmale der Kooperation. Hierarchien legen eindeutige Positionen der einzelnen Personen im Arbeitsprozess fest und grenzen Aufgaben- und Verantwortungsbereiche ein. Dadurch werden Entscheidungsprozesse beschleunigt und bei den Beteiligten entsteht ein Gefühl der Entlastung. In England wird der Leitungsposten aus diesen Gründen als fundamental für eine gelingende Kooperation und die schulische Entwicklung angesehen:

"There is evidence that leadership (not only by the head teacher) is a key element in any initiative concerned with changes in school policy (e.g. Fullan, 1991)" (AINSCOW 1995, 67)

Für eine gute Leitungs- bzw. Führungsrolle werden eine Reihe entscheidender Faktoren genannt:

  • Es muss eine klare Zielsetzung formuliert und verfolgt werden.

  • Die Leitung sollte an eine Person aufgrund ihrer Erfahrung und ihrem Wissen und nicht aufgrund von Autorität und Macht übertragen werden.

  • Das Verhalten der Leitung ist ein wichtiger Faktor für die Effektivität der Gruppen- oder Teamarbeit.

  • Leitungsaufgaben sollten unter mehreren Leuten aufgeteilt werden, sodass möglichst viele Personen einen Beitrag leisten können und nicht nur ein kleiner Personenkreis die Führung übernimmt (vgl. AINSCOW 1995, 67).

Ein weiteres Element der Kooperation ist die Koordination. Sie basiert in erster Linie auf der Kommunikation der Personalmitglieder untereinander. Dabei ist entscheidend, dass alle Personen über Entwicklungen und Zielsetzungen in der Schule informiert sind und über den Verantwortungsbereich der anderen so weit wie möglich Bescheid wissen, um Überschneidungen verhindern zu können. Der Einbezug des Assistenzpersonals in Personalversammlungen und Lehrerfortbildungen, sowie die kontinuierliche Überprüfung der Integration des Teaching Assistants im Kollegium ist dafür von Nutzen.

Die Kooperation ist mittlerweile auch Teil des englischen Lehramtsstudiums geworden. Eine solche Einrichtung sollte auch in Deutschland in Betracht gezogen werden, vor allem da nach der langen Zeit des alleinigen Unterrichtens der Lehrer/innen (vgl. 3.3.) eine große Skepsis gegenüber der Zusammenarbeit mit anderen Professionellen besteht. Das additive Personal im Unterricht verursacht bei vielen Lehrern ein Gefühl des Angriffs auf die eigene Professionalität, woraus eine Unsicherheit resultiert, die nicht ignoriert werden darf (vgl. SCHÖNIG 2003, 457).

"This teacher will need to have a new set of skills and professional self-assurance as many classroom teachers are not comfortable with other teachers in the room." (BAILEY 1995, 26)

6.1.4 "Deutsche" Hindernisse

Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt wurde, gibt es einige soziokulturell bedingte Hindernisse, die dementsprechend notwendiger Veränderungen bedürfen. Damit ist nicht gesagt, dass die folgenden Aspekte nicht auch in anderen Ländern zu finden seien, sondern viel mehr, dass ihre Überwindung einem "Über-den-eigenen-Schatten-springen" gleich kommt.

Das erste zu nennende Hindernis ist das hohe soziale Prestige des akademischen Abschlusses an einer deutschen Universität. Daraus resultiert, dass die Ausbildung des Teaching Assistants gegenüber dem Sonderpädagogen, der momentan zur Unterstützung im inklusiven Unterricht in Deutschland eingesetzt wird, in der Öffentlichkeit weniger angesehen ist. Die möglichen Folgen sind

  • eine mangelnde Akzeptanz der TAs im Lehrerkollegium ("wir sind qualifiziert, ihr seid es nicht"), wodurch die Zusammenarbeit beeinträchtigt wird und

  • ein Misstrauen von Seiten der Eltern, die ihr Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf lieber in den Händen eines "qualifizierten Spezialisten" sehen wollen.

Ein weiterer Aspekt ist das ausgeprägte theoretische Denken und der Hang zur Sicherheit in Deutschland. Es ist interessant festzustellen, dass die Länder, die momentan in der schulischen Inklusion am fortschrittlichsten sind, wie Italien, Großbritannien, Schweden, Finnland und andere, nur eine unerhebliche theoretische Diskussion aufweisen. Italien beispielsweise besitzt als einziges europäisches Land kein Parallelschulsystem mehr, welches die Folge radikaler Reformierungsmaßnahmen im italienischen Schulsystem zu Beginn der siebziger Jahre war, ohne dass eine umfangreiche theoretische Auseinandersetzung vorangegangen wäre. Das erste Ergebnis wird als ‚integrazione selvaggia' (= die wilde Integration) bezeichnet, die eine Zeit der Konfusion beschreibt, in der sich die Regelschullehrer/innen mit der neuen Schülerklientel arrangieren und Methoden für einen Umgang finden mussten. Nach kurzer Zeit wurde das System jedoch organisierter und kontrollierbar (vgl. O'HANLON 1995, 12). Ein derartiger Prozess ist in Deutschland meines Erachtens, aufgrund der mangelnden Risikobereitschaft und administrativer Barrieren, schwer vorstellbar.

Gleichzeitig zeigt die Gegenüberstellung deutschsprachiger und englischsprachiger Literatur, "dass der Gedanke, der Unterricht müsse grundlegend verändert werden, z.B. in Richtung reformpädagogischer Modelle, in Deutschland von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt hat" (BIEWER 2000,153), in der englischsprachigen Literatur Namen wie Petersen, Freinet oder Montessori jedoch fast überhaupt nicht erwähnt werden (vgl. ebd.).[55] Heute wird England gegenüber Deutschland als Vorreiter in der inklusiven Schulentwicklung gesehen (vgl. O'HANLON 1995, 5 ff.).

Es ist bereits eine Tendenz zu erkennen, dass theoretische Prozesse auf Vorgänge der Implementierung verzögernd wirken können und zu Unflexibilität führen, die die Reaktion auf mögliche Unvorhersehbarkeiten verlangsamt. Der Nutzen wissenschaftlicher Arbeiten soll jedoch nicht angezweifelt werden, sondern nur auf die Beachtung möglicher Einschränkungen der Praxis durch die Theorie hingewiesen sein. In Bezug auf die Konzeption der Teaching Assistants sei daher die Überlegung angeregt, ob das Ziel eines zügigen Umsetzungsversuches in die Praxis gegenüber einer vorausgehenden theoretischen Überprüfung nicht eine größere Wirkung hätte.

6.2 Sonderpädagoge und Teaching Assistant

Nach den bisherigen Ausführungen stellen sich zurecht einige Fragen bezüglich des Verhältnisses zwischen Teaching Assistants und Sonderpädagogen im inklusiven Unterricht. Welche Tätigkeiten fallen in den Bereich des Sonderpädagogen, wenn ein Großteil seiner bisherigen Aufgaben, wie Kleingruppenarbeit, Klassenunterstützung, Unterrichtsplanungen mit dem Regelschullehrer und so weiter (vgl. 2.2.1), nun an den Teaching Assistant abgegeben werden sollen? Inwiefern ist der Teaching Assistant geeigneter diese Aufgaben zu übernehmen? Kann der Teaching Assistant den Sonderpädagogen ersetzen?

Es ist von vornherein festzuhalten, dass von einer Ersetzung des Sonderpädagogen nicht die Rede sein kann. Schulen benötigen eine Reihe unterschiedlich qualifizierten Personals, um dementsprechende Aufgabenteilungen vornehmen zukönnen (vgl. SHAW 2004, 13). Für jede Profession muss ein passender Einsatzort gefunden werden und aus den im Folgenden aufgeführten Gründen erscheint der Teaching Assistant für eine kontinuierliche Unterstützung im Unterricht geeigneter, als der Sonderpädagoge.

Die geringere, jedoch für sein Aufgabenprofil völlig ausreichende Qualifikation des TA hat den Vorteil, dass

  1. ein niedrigeres Gehalt bezahlt werden kann (vgl. Tab.5), woraus sich die Möglichkeit des zeitlich ausgedehnteren Einsatzes in einer Klasse gegenüber der stark limitierten Zeit des Sonderpädagogen ergibt.

  2. sich der Teaching Assistant eventuell besser auf die Unterrichtsgegebenheiten einstellen kann, während der Sonderpädagoge und Regelschullehrer in Deutschland aufgrund des unterschiedlichen Hintergrundes ihrer Disziplinen differierende Herangehensweisen und Verständnisse besitzen (vgl. UDVARI-SOLLNER/THOUSAND 1995, 154).

  3. die Möglichkeit eines konkurrierenden Verhältnisses zwischen Regelschullehrer/in und Teaching Assistants reduziert ist, da eine eindeutige Hierarchie besteht, während die gleichwertige Qualifikation des Regelschullehrers und Sonderpädagoge häufig zu Schwierigkeiten in der Kooperation, durch eine nicht eindeutige Leitungsposition, führt.

  4. sie aufgrund einer geringeren Spezialisierung zu größerer Handlungsflexibilität führen kann und so Normierungen entgegenwirkt.

Der letzte Punkt weist außerdem auf das Faktum hin, dass die Disziplin der Sonderpädagogik aufgrund der Segregation leistungsschwächerer Schüler von den leistungsstärkeren entstand (vgl. Exkurs). Ihr Handeln wird daher immer von dem Gedanken der Normierung geprägt sein, welcher dazu führen kann, in ihr die Chance zu sehen, sich schwächerer Schüler zu entledigen:

"The existence of these special needs programs minimizes the needs for teachers to theorize or reflect on their practice because they remove problematic situations from the practice context. In effect, there are no problematic situations; when a potential problem arises, it is redefined as a social, cultural or individual pathology, or as a problem of motivation, and relegated to one of the various special needs programs (Skrtic, 1988, 1991)." (SKRTIC/WARE 1992, 212) Die Zielsetzung der Inklusion kann durch die Sonderpädagogik daher nicht erreicht, sondern nur angenähert werden (vgl. KRIWET, 8; 4.1.3).

Grundsätzlich muss die Frage erörtert werden, inwiefern das gegenwärtig bestehende Profil des Sonderpädagogen in einem inklusiven Schulsystem überhaupt noch Verwendung finden kann? Die gesellschaftlichen Entwicklungen haben Auswirkungen auf das Feld der Sonderpädagogik, die sich gegenwärtig in einem Widerspruch präsentieren und die Reformierung traditioneller sonderpädagogischer Konzeptionen verlangen. Aufgrund des Ausmaßes dieser Thematik, kann hier jedoch nicht näher auf sie eingegangen werden.

Trotz vorangegangener Ausführungen, können die Qualifikation und die Kompetenzen der Sonderpädagogen für die Schulen von Nutzen sein. Dabei sind verschiedene Einsatzgebiete vorstellbar, wie beispielsweise die Diagnostik und Beratung.

AINSCOW fokussiert die beratende Komponente ihres Einsatzes:

"Special needs educators have to become part of the wider educational environment. In this context we have potentially important roles to play. Our experience and expertise can contribute to the improvement of schooling for all pupils. Indeed our focus in the development of individual pupils can provide understandings that can help facilitate such improvements." (AINSCOW 1991b, 226)

Unabhängig davon, welches Aufgabenprofil gewählt wird, ist die Orientierung nach einem neuen Aufgabenbereich für den Sonderpädagogen in der inklusiven Praxis notwendig, der fortführend Konsequenzen für die Konzeption des Studiums beinhaltet.

6.3 Bestehende Ansätze an deutschen Regelschulen

Es gibt einige Initiativen in Deutschland, die ähnliche Aufgabenprofile, wie die Teaching Assistants besitzen. Trotz bestehender Unterschiede, werden einige dieser Konzeptionen im Folgenden vorgestellt, um sie gegebenenfalls als Muster für die Einführung von Assistenzkräften zu nutzen oder ihre Erweiterung zu dem Aufgabenprofil eines Teaching Assistants in Erwägung ziehen zu können.

6.3.1 Pädagogische Mitarbeiter

Der Anlass für die Einstellung der pädagogischen Mitarbeiter war der Erlass des niedersächsischen Kultusministeriums ‚Die Arbeit in der Grundschule' vom 3.2.2004, der mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 in Kraft trat. Er verpflichtet die Grundschulen zu einem täglich fünf Zeitstunden umfassenden Betreuungsprogramm, welches außerhalb der Unterrichtszeit von den pädagogischen Mitarbeitern übernommen werden soll. Die Grundschulen erhalten für diese Betreuung ein Stundenbudget, das sich an der Schülerzahl orientiert und wie folgt berechnet wird:

Anzahl der Schülerinnen/Schüler der Grundschule x 0,15 Stunden = Stunden pro Woche; Stunde pro Woche x 40 Wochen = Stunden pro Schuljahr

(NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 18.05.2004)

Es liegt in der Verantwortung der Schulen zu entscheiden, mit welchen Personen das fünfstündige Schulangebot sichergestellt wird.

In den Aufgabenbereich der pädagogischen Mitarbeiter fallen

  • "unterrichtsergänzende Angebote laut Stundentafel im 1. und 2. Schuljahrgang,

  • unterrichtsergänzende Angebote parallel zum evangelischen und katholischen Unterricht,

  • zweite Begleitkraft beim Schwimmunterricht

  • Beaufsichtigung/Betreuung von Klassen bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften (hierzu muss die Schule ein Vertretungskonzept erarbeiten),

  • Unterstützung einer Lehrkraft im Unterricht."

(NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2004, 2)

Die Tätigkeit der pädagogischen Mitarbeiter darf von Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Erzieherinnen und Erziehern, ausgebildeten Lehrkräften und Personen mit anderen pädagogischen Ausbildungen oder umfangreicher Erfahrung in der Arbeit mit Kindern oder Jugendlichen ausgeführt werden. Zusätzlich werden Kurse von der Volkshochschule angeboten, die als Qualifikation für die Aufgaben der pädagogischen Mitarbeiter ausreichen.[56]

6.3.2 Die ‚Lehrerassistentin'

Die ‚Lehrerassistentin' wurde erstmalig in Duisburg an einer Hauptschule eingesetzt. Sie entstand im Rahmen des Schulversuches ‚selbständige Schule', mit dem Ziel den Unterricht und das Lernen zu verbessern. Nach einer Bestandsaufnahme der Schule und ihrer Schüler durch das Lehrerkollegium wurde festgestellt, dass nicht in erster Linie Unterrichtsmethoden und veränderte Rahmenbedingungen das Zentrum der Schulreformierung bilden sollten, sondern vorrangig Schulverweigerer aus sozial niederem Milieu, die durch ihre unregelmäßige Teilnahme am Unterricht das eigene Lernen und das der Mitschüler beeinflussten. Sie bedurften einer größeren Aufmerksamkeit und gleichzeitig mussten die Eltern an die gesetzlichen Verpflichtungen und die Schulpflicht ihrer Kinder erinnert werden. Da eine Hochrechnung der aufgewendeten Zeit der Lehrkräfte für die Verwaltung der Fehlzeiten und Verspätungen der Schüler eine Stundenanzahl von 1200 Stunden für jeden Lehrer ergab, entschloss sich das Schulkollegium dazu, eine Verwaltungsfachkraft für diese Arbeit zu engagieren. Mit den Mitteln aus der Stellenkapitalisierung wurde eine Stelle von 440 Arbeitsstunden geschaffen, die durch Unterstützung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) und "Bündelung gleicher Tätigkeiten einer Fachkraft" (BRONDER 2004, 79) ausreichten. Die Lehrerassistentin erledigt Verwaltungsaufgaben, für die "Pädagogen erstens nicht ausgebildet sind und die ihnen zweitens wertvolle Konzentrationszeit für ihren Unterricht abziehen." (ebd.) Ihre einheitlichen Arbeitszeiten geben Eltern die Möglichkeit telefonisch die Fehlzeiten ihrer Kinder zu erfragen und es finden fast täglich Absprachen mit den Lehrern bezüglich zu arrangierender Elterngespräche, Jugendamtterminen, Briefen an die Eltern etc. statt. Die Förderung der Schüler und Beratung der Eltern liegt dabei immer noch in der Hand der Lehrer/innen. Als Ergebnis dieser Reformierung lässt sich eine Effizienzsteigerung der Zusammenarbeit zwischen Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern erkennen.

6.3.3 Lesemütter[57]

Die ‚Lesemütter' sind eine bundesweite Einrichtung. Ungefähr einmal in der Woche kommen Mütter ehrenamtlich in die Grundschulen um in Kleingruppen- und Einzelarbeit mit den Schülern Bücher zu lesen. Zentrale Komponenten ihrer Arbeit sind dabei die Unterstützung des Leseverstehens und die Förderung der schriftsprachlichen Kompetenzen. Das Modell der Lesemütter ist vergleichbar mit dem englischen Modell der ‚parents helpers' (=Elternhelfer) (vgl. 2.3.1.7).

6.3.4 MENTOR - die Leselernhelfer Hannover e.V. [58]

Der Verein MENTOR wurde gegründet mit dem Ziel Kinder und Jugendliche mit unterdurchschnittlichen Deutschkenntnissen durch eine zusätzliche Förderung weiterhin am Unterricht der Regelschule teilhaben zu lassen. Die ‚Leselernhelfer', wie sie genannt werden, treffen sich ein- bis zweimal in der Woche mit einzelnen Schülerinnen und Schülern zwischen sechs und sechzehn Jahren zur Förderung verbaler und schriftsprachlicher Fähigkeiten in der Schule. Dazu muss vorangehend von der einzelnen Schule der Bedarf einer zusätzlichen Unterstützung bei MENTOR angemeldet werden.

Genau wie die ‚Lesemütter' arbeiten die Mitglieder des Vereins auf ehrenamtlicher Basis und bekommen dabei große Unterstützung von dem ‚Freiwilligenzentrum' und der ‚Region Hannover'. In Workshops und Fortbildungen werden die ‚Leselernhelfer' auf ihre Arbeit mit den Kindern vorbereitet.

Die Nachfrage nach additivem Förderunterricht ist inzwischen so groß, dass der Verein nicht alle Schulen versorgen kann. Aufgrund des Erfolgs hat sich das Modell bereits in der Region Hannover und darüber hinaus verbreitet.

6.3.5 Persönliche Assistenten in der Stadtgemeinde Bremen

Dieses Programm ist an "Schülerinnen und Schüler gerichtet, die den Anforderungen der allgemeinen Schule unter deren Regelbedingungen nachkommen können, die jedoch aufgrund ihrer Körperbehinderung[59] einer Hilfestellung bedürfen." (STADT BREMEN 2000, 1) Die persönliche Assistenz hat dabei Aufgaben der Unterrichtsbegleitung und Unterrichtsunterstützung zu übernehmen: Schulweg- und Pausenhofbegleitungen, Hilfestellungen bei alltäglichen Anforderungen, Bereitstellung von Materialien und Hilfsmitteln, Orientierungs- und Motivationsmittel u.a.. Das Ziel ist die Selbständigkeit und soziale Eingliederung des Kindes zu unterstützen, welches von der Assistenzkraft einen Balanceakt zwischen notwendiger Unterstützung und Zurückhaltung erfordert (vgl. 5.6). Unterrichtliche Tätigkeiten, sonderpädagogische Förderung oder Nachhilfe sind von dem Aufgabenbereich der persönlichen Assistenz ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. STADT BREMEN 2000, 1).

Die Auswahl und Anstellung führt der Martinsclub Bremen e.V. durch und orientiert sich dabei an dem Unterstützungsbedarf des jeweiligen Kindes. Auch Doppel- und Mehrfachbetreuungen sind möglich, abhängig von der Art und Schwere der Beeinträchtigung und den organisatorischen Gegebenheiten (vgl. STADT BREMEN 2000, 2 ff.).

6.3.6 Im Vergleich mit den Teaching Assistants

Jedes der vorgestellten Personalprofile besitzt eindeutige Parallelen zu dem der Teaching Assistants. Nicht nur die Orientierung der Aufgabenprofile an den individuellen Bedürfnissen einer Schule oder eines Kindes sind vergleichbar, sondern auch die ausgeführten Tätigkeiten, die von fächerspezifisch, wie bei den Lesemüttern, dem Verein MENTOR oder auch der Lehrerassistentin über Unterrichtsunterstützung bis hin zu Betreuungsaufgaben der pädagogischen Mitarbeiter und persönlichen Assistenten reichen, zeigen Überschneidungen. Es gibt allerdings einige wesentliche Unterschiede, die hier bereits deutlich werden: Die dargestellten Personalgruppen besitzen stark abgegrenzte Aufgabenbereiche, die von ihnen als "Spezialisten" ausgefüllt werden. Kein Profil, auch nicht jenes der pädagogischen Mitarbeiter, reicht an die flexiblen Einsatzmöglichkeiten des Teaching Assistant heran, dessen Aufgabenprofil sämtliche der dargestellten Tätigkeiten enthält. In den deutschen Konzeptionen werden viele "Spezialisten" für kleinere Aufgabenbereiche bevorzugt, während das englische Modell eine "Universalkraft" mit umfangreich angelegtem Aufgabenprofil vorzieht. Der Nutzen des "Spezialisten" soll dabei nicht abgewertet werden, das Potential des Teaching Assistants, das hauptsächlich in seiner Flexibilität und Einsatzvielfalt steckt, ist jedoch genau so wenig zuleugnen: Der Austausch von Informationen wird beschleunigt und die Interaktion zwischen den einzelnen Aufgabenbereichen gefördert, welches eine effektivere schulische Arbeit unterstützt. Eine Ausgewogenheit beider Profilformen an Schulen erscheint am sinnvollsten.

Der punktuelle Einsatz beschriebener Personalkräfte ist auf einen weiteren Unterschied gegenüber den Teaching Assistants zurückzuführen: die hinter dem Einsatz stehenden Intentionen und Werthaltungen. Gut zu erkennen anhand der Konzeption der persönlichen Assistenz, entsprechen sie dem Kompensationsgedanken (vgl.4.1): Bei auftretenden Schwierigkeiten wird ein ausschließlich auf das Problem fokussierter Lösungsansatz gewählt, anstatt grundlegende Veränderungen im bestehenden System vorzunehmen.

Trotz der genannten Unterschiede können die vorgestellten Ansätze und ihre Institutionalisierung wie zu Beginn erwähnt zur Orientierung für die Gründung der Teaching Assistants an deutschen Schulen dienen. In einigen Fällen, wie beispielsweise der pädagogischen Mitarbeiter oder der persönlichen Assistenz, kämen auch Überlegungen der Umgestaltung dieser Profile zu denen der Teaching Assistants in Frage.

6.4 Kritische Einwände

Die Entwicklungen des deutschen Bildungssystems orientieren sich zunehmend an Ergebnissen einer Kosten-Nutzen-Aufstellung (vgl. KRIWET, 13). Auf der einen Seite werden inklusive Schulentwicklungen aufgrund zu hoher Kosten von der Bildungspolitik abgelehnt, auf der anderen Seite machen Pädagogen den Vorwurf ein inklusives Schulsystem nicht mit dem Ziel der Einsparung teurerer sonderpädagogischer Unterstützungsprogramme errichten zu können (vgl.1.1). Der angeblich hohe Kostenaufwand der Umgestaltung des gegenwärtigen Schulsystems zu einem inklusiven, ist dabei nicht uneingeschränkt einzusehen, da von anderer Stelle Gegenbeispiele geboten werden, welche auch auf Kostenersparnisse hinweisen (vgl. RUSTEMIER 2002, 17 ff.; OECD 1999).

Eine Ausgabenüberprüfung ist auch bei der Implementierung der Teaching Assistants zu erwarten. Für eine vergleichende Kostenübersicht sind die durchschnittlichen jährlichen Bezüge eines TAs, Sonderpädagogen und weiterem Schulpersonal im zweiten Kapitel (Tab.5) aufgeführt. Da die Gehälter des englischen Schulpersonals einem anderen Entlohnungssystem unterliegen als in Deutschland, dienen die Angaben ausschließlich der Darstellung von Lohnverhältnissen zwischen den einzelnen Berufsgruppen und geben einen ersten Eindruck der finanziellen Aufwendungen, zu welchen weitere Ausgaben, wie Ausbildungskosten etc. hinzukommen werden.

Ein weiterer Einwand, der in England von der NATIONAL UNION OF TEACHERS geäußert wird, ist die Untergrabung der Qualifikation der Lehrer/innen durch die preiswerteren Teaching Assistants. Ein Faktum, welches gegenwärtig bereits an dem Einsatz der pädagogischen Mitarbeiter als Vertretungskräfte in Deutschland kritisiert wird. Aufgrund des Wissens um dieses Problem, kann es jedoch beispielsweise durch entsprechende Gesetze vermieden werden.

6.5 Abschließende Bemerkungen

Die Einführung der Konzeption der Teaching Assistants bringt eine Reihe von Veränderungen mit sich (s.o.), die sich nicht nur auf das Schulpersonal beschränken, sondern die schulische Entwicklung im Ganzen betreffen (vgl. Abb.5). Es ist eine Fülle notwendiger Reformierungen, die unter Umständen auf den Einzelnen abschreckend wirken kann. Um diese Reaktion zu verhindern und hinzukommend unnötige Anstrengungen bei Implementierungsversuchen zu vermeiden, sollten erleichternde Faktoren nicht übersehen werden:

  • Durch gegenseitige Anpassung und Unterstützung der verschiedenen schulischen Bereiche, der Schulorganisation, des Unterrichts und des Personals, wird die Implementierung erleichtert und zusätzlich der Nutzen gesteigert:

"The process can be painful, but if acknowledged as a whole school issue the benefits can be many and positive." (BALSHAW 1991, 27)

  • Da die notwendigen Veränderungen miteinander in Verbindung stehen, ergeben sich einige automatisch als Folge anderer. So wird zum Beispiel die Offenheit der Lehrer/innen gegenüber neuen Konzepten in dem Moment zu nehmen, wo sich ihr Stress durch die eingeführte Aufgabenteilung reduziert.

  • Die Erprobung des Einsatzes der Teaching Assistants in England, bietet für ein deutsches Äquivalent den Vorteil, sich an dortigen negativen Erfahrungen orientieren und sie von vornherein vermeiden zu können.

Die Grundlage für die Implementierung der Teaching Assistants in Deutschland ist bereits vorhanden: Es ist der längst bestehende Bedarf an Unterrichtsunterstützungen, der sich anhand des zunehmenden Einsatzes von Personalgruppen, wie den pädagogischen Mitarbeitern und anderer Assistenten zeigt (vgl. 6.3 ff.). Im Sinne der Inklusion ist es notwendig, diesem Bedarf nicht durch punktuell, sondern umfassend ansetzende Konzeptionen zu entsprechen, die die nötige Flexibilität bieten sich auf wandelnde situative Bedingungen und unterschiedliche Bedürfnisse einzelner Personen einstellen zu können.



[55] Einschränkend sei zu bemerken, dass durch den Ersten Weltkrieg die genannten Reformpädagogen zum Teil aus Deutschland emigrierten, welches sicherlich auch ein Grund ist, weshalb einige Konzeptionen keinen Eingang in die Praxis fanden.

[56] Volkshochschulkurs zur Schulung pädagogischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: "Qualifizierung Pädagogischer Mitarbeiter/-innen an Grundschulen" (siehe "VHS Concept Programm Frühjahr 2005")

[57] Weitere Informationen zu den ‚Lesemüttern' im Internet unter: http://www.primolo.de/home/InternetAG/hp_innen65.htm

[58] Weitere Informationen zu MENTOR im Internet unter:

www.region hannover.de/deutsch/presse/pressearc/einl/pm139Mentor.htm www.nsgv.de/presse/presse_detail.asp?ID=53

www.freiwilligenzentrum-hannover.de/projekte/mentor.html

[59] Außer für Kinder mit einer körperlichen Beeinträchtigung gilt dieses Angebot auch für Kinder mit Sinnesbeeinträchtigungen (vgl. STADT BREMEN 2000,2)

Nachwort

"We can, whenever and wherever we choose, success-fully teach all the children whose schooling is of interest to us... Whether we do it or not must finally depend on how we feel about the fact that we haven't done it so far (Ron Edmonds)."

(AINSCOW 1991, 1)

Das Ziel dieser Arbeit bestand darin der Frage nachzugehen, wie die gegenwärtig bestehenden Diskrepanzen zwischen Anspruch und Realität der inklusiven Praxis an deutschen Schulen zu reduzieren seien. England wurde dabei zu einem Vergleich herangezogen, da es global eines der progressivsten Schulsysteme besitzt. Im Fokus stand das am Unterricht beteiligte Schulpersonal, welches einen erheblichen Anteil am Gelingen der schulischen Inklusion hat und dennoch in Deutschland bisher nur geringfügig in Reformierungsprozesse des Schulsystems mit einbezogen wurde. Noch immer herrschen tradierte Personalkonzeptionen eines separierenden Systems in Deutschland vor, die den Forderungen einer zunehmend heterogen werdenden Schülerschaft nicht nachkommen können.

Das Spektrum der Ausführungen reichte von historischen Betrachtungen über sozialpolitische und ökonomische Aspekte bis hin zu den persönlichen Bedürfnissen des Einzelnen. Aufgrund dieser Vielfalt hätte an einigen Stellen noch weitaus mehr gesagt werden können, doch es bestand das Dilemma, einerseits den Anspruch zu besitzen möglichst präzise und konkrete Angaben zu machen und andererseits jeder individuellen Situation gerecht werden zu wollen. Schließlich habe ich mich bewusst für einen umfassenden Überblick entschieden, wodurch der Verlust einiger Details akzeptiert werden musste, um dafür eine Mehrperspektivität zu erreichen, welche die größtmögliche Einsicht in vorgestellte Konzeptionen bietet. So ergibt sich die Gelegenheit, die beschriebenen Ansätze auf individuelle Schulorganisationen übertragen zu können und es wird der bereits dargestellten Notwendigkeit flexibler statt standardisierter Implementierungsformen, sowie der zunehmenden Eigenständigkeit von Schulen im Rahmen der Dezentralisierung entsprochen. Insbesondere für die erstmalige Vorstellung des Modells der ‚Teaching Assistants' im deutschen Schulsystem ist eine detaillierte Einzelfallbeschreibung zur Erwägung schulischer Umsetzungsmöglichkeiten ungeeignet. Die meisten Schulpersonals, allen voran die Lehrkräfte, kämen erneut in die Situation, Forderungen erfüllen zu müssen, die auf der Basis ihrer aktuellen Fähigkeiten und der differierenden situativen Bedingungen unmöglich zu realisieren sind. Es würden Missmut und Resignation entstehen.

Für die Personalentwicklung im Rahmen der schulischen Inklusion sind folgende Ergebnisse dieser Arbeit zentral zu sehen:

  • - die Notwendigkeit schulpersoneller Veränderungen an deutschen Regelschulen als ganzheitlichem, statt punktuellem Ansatz, d.h. unter Berücksichtigung der individuellen Schul- und Unterrichtsorganisation;

  • - das umfassende Verständnis schulpersoneller Entwicklungen als drei interagierender Bereiche:

Personalfortbildung

Personalausbildung

Personalerweiterung

  • - die Notwendigkeit flexibler schulischer Arrangements, welche eine Reduktion der Verwaltungsbürokratie und Intensivierung der Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen voraussetzen, um allen Kindern sowohl mit als auch ohne sonderpädagogischem Förderbedarf eine optimale Förderung gewährleisten zu können;

  • - die Unterstützung des Lehrers durch

eine stärkere Aufgabenteilung und Bildung hierarchischer Strukturen;

Unterrichtsassistenten, deren Modell am Beispiel der englischen ‚Teaching Assistants' vorgestellt wurde;

  • - die Wichtigkeit einer kontinuierlichen Überprüfung und kritischen Betrachtung der eigenen Praxis;

Die Vorstellung der ‚Teaching Assistants', die in diesem Kontext besondere Beachtung fand, ist ein Vorschlag zur Steigerung der Effizienz des Unterrichts und zur Entlastung des gegenwärtigen deutschen Schulpersonals, vorrangig der Lehrer an Regelschulen. In sämtlichen Ländern mit einem weit entwickelten inklusiven Schulsystem sind Assistenzkräfte ein unerlässlicher Bestandteil des Unterrichts, sodass es fragwürdig scheint, wie die schulische Inklusion in Deutschland ohne diese Personalgruppe erfolgreich sein soll. Ergebnisse bisheriger Reformen sind anhand von Schlagwörtern, wie PISA oder Burnout Syndrom offensichtlich und die Notwendigkeit schulischer Veränderungen ist unübersehbar. Die bislang unter Beibehaltung separierender Strukturen hauptsächlich additiven und punktuell ansetzenden Maßnahmen bringen nicht die erhofften Erfolge. Vielleicht ist es die Angst vor zu hohen Kostenaufwendungen und zu geringem Ertrag, die bei Politikern dazu führt, umfassende, inklusive Reformen fortwährend abzulehnen und trotz eindeutiger Misserfolge, die sich in erster Linie an der Basis schulischer Arbeit, bei Lehrern, Eltern, Erziehern und Schülern zeigen, kontinuierlich auf der Zunahme additiver Maßnahmen zu bestehen.

Nach ausgiebiger Überprüfung des Modells der Teaching Assistants und der erforderlichen Einsatzbedingungen in Bezug auf die gegenwärtigen Ressourcen des deutschen Schulsystems, erscheinen meiner Ansicht nach verschiedene Ansätze für eine Einführung praktikabel, die keine finanzielle Mehrbelastung verursachen müssen und dennoch einen inklusiven Ansatz verfolgen. Beispielsweise wurde bereits die Möglichkeit angedeutet, das Profil des ‚pädagogischen Mitarbeiters' in Niedersachsen zu reformieren (vgl. 6.3.6). Es lohnt jedoch nicht an dieser Stelle Implementierungsansätze zu konkretisieren, die letztlich von den individuellen, lokalen Gegebenheiten abhängen.

Während des Schreibens der vorliegenden Arbeit stellte sich ein Faktor immer deutlicher als elementarste Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung inklusiver Konzepte heraus: ein notwendiger Wertewandel in den Köpfen der Menschen. Seit vielen Generation ist das gegenwärtig bestehende leistungsorientierte, separierende Denken ein Resultat der Sozialisation, unterstützt durch das Schulsystem und die Erziehung. Wie soll auf der Basis dieser Wertvorstellungen ein Nutzen des inklusiven Unterrichts erkannt werden? Wie sollen Lehrer annehmen können, dass ein Kind mit einer geistigen Behinderung dem Lernen der anderen zugute kommt? Wieso sollten finanzielle Mittel für eine individuellere Förderung aller Schüler in der Regelschule zur Verfügung gestellt werden, wenn gleichzeitig Tendenzen zur Intensivierung einer Eliteförderung bestehen?

Diese Fragen müssen bei der Umsetzung inklusiver Schulreformen mit berücksichtigt werden. Besonders gegenwärtig besitzt der Einfluss der Wertvorstellungen ein großes Gewicht, da aufgrund uneindeutiger gesetzlicher Erlasse in Deutschland die Umsetzung der schulischen Inklusion von den Überzeugungen Einzelner, hauptsächlich jener in Führungspositionen, abhängt.

Inklusion ist kein additives Arrangement, das in Form eines Events oder durch ein "Jahr der Behinderten" zu realisieren ist. Sie ist weder eine karitative Maßnahme, die von "nichtbehinderten" Kindern verlangt einen Teil ihrer Förderung abzugeben zugunsten des Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf, noch eine Notlösung bei der Eltern um die qualifizierte Betreuung ihres behinderten Kindes bangen, da es in der Regelschule nicht mehr von einem "Spezialisten" betreut wird. Die inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderungen ist untrennbar mit der Natur und Qualität des allgemeinen Unterrichts verbunden (vgl. BIKLEN/FORD/FERGUSON 1989, 267). Sie kann nur in dem Maße gelingen, in dem in ihr ein gesellschaftlicher Nutzen erkannt wird: Die Unterstützung der gesellschaftlichen Inklusion als Verknüpfung zunehmend individueller Lebensstile mit den universalistischen Interessen des Staates in Zeiten der Globalisierung (vgl. 1.1 ff.).

Dieses Verständnis lässt ein Interesse an der inklusiven Beschulung entstehen, welches gegenwärtig durchaus in Frage zu stellen ist, da die schulische Praxis in Deutschland den theoretischen Zielsetzungen der Inklusion größtenteils widerstrebt. Welche Absichten haben Schulkonzepte mit Bezeichnungen wie ‚inklusiver Unterricht' oder ‚Integrationsklasse'? Was sind die erhofften Erfolge? Es wird ein Interessenkonflikt deutlich, basierend auf gegensätzlichen Wertvorstellungen von denen die eine Position annimmt, dass ein ‚Gemeinsamer Unterricht' nicht allen Schüler gerecht werden kann. Die Folge ist die gegenwärtig inkonsequente Inklusionspraxis mit divergierenden Zielsetzungen, durch deren Misserfolge Skeptiker fortwährend Bestätigung erfahren. Solange derartige Praxiskonzepte fortgesetzt werden und die Opfer der Umsetzungsversuche Lehrer sind, die mit der Schülerheterogenität in ihrem Unterricht alleine überfordert werden und Schüler, die keine angemessene, ihren Bedürfnissen entsprechende Förderung erhalten, kann ein Interesse an schulischer Inklusion gar nicht erst entstehen und es lohnt sich meiner Meinung nach nicht, immer wieder über Konzepte inklusiver Beschulung zu debattieren.

Die schulische Inklusion kann nur erfolgreich sein und einen gesellschaftlichen Nutzen zeigen, wenn sie nicht mittels standardisierter Veränderungen, sondern durch flexible, umfassende Arrangements, ausgehend von den Bedürfnissen der Lehrer, der Schüler und der schulischen Organisation initiiert und von allen Beteiligten, innerhalb und außerhalb der Schule passiv oder aktiv mitgetragen wird. Dieses Ziel ist keine Utopie, da es unendliche Ansatzmöglichkeiten gibt und die auf den ersten Blick überwältigende Komplexität sich aufgrund bestehender Interdependenzen zwischen den einzelnen Komponenten im Laufe der Umsetzung von selbst reduziert (vgl. 6.5). Die Erprobung des Modells der ‚Teaching Assistants' wäre ein guter Anfang.

Wege zur Inklusion...

...nicht nur eine Herausforderung für das Schulpersonal,

sondern für uns alle!

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Kontakt zur Verfasserin der Arbeit

Email: elisabeth_plate@hotmail.com

Quelle:

Elisabeth Plate: Wege zur Inklusion in England und Deutschland - eine Herausforderung für das Schulpersonal

Hausarbeit im Rahmen der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen.

Gutachterinnen: Prof. Dr. Ingeborg Kriwet und Dörthe Detert. Hannover, 09. Juni 2005

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 11.09.2006

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