Verhindert. Behindert. Enthindert. Selbstbestimmt? Eine qualitativ-empirische Untersuchung unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung mit besonderer Bezugnahme auf den Raum Wien
Diplomarbeit an der Universität Wien, Diplomstudium Pädaogogik, angestrebter akademischer Grad: Magistra der Philosophie (Mag. phil.), Betreuer: Univ.-Prof.Dr. Gottfried Biewer
Inhaltsverzeichnis
- Abstract englisch
- Vorwort
- Danksagung
- 1 Einleitung
- 2 Reflexion zum Begriff der „sog. geistigen Behinderung“ und „Menschen mit Lernschwierigkeiten“
- 3 Menschen mit Lernschwierigkeiten am Rande der Gesellschaft
- 4 Zur Wohnsituation von Menschen mit Lernschwierigkeiten
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5 Sexualität von Frauen und Männern mit
Lernschwierigkeiten
- 5.1 Begrifflichkeit der Sexualität – eine Annäherung
- 5.2 Zur geschichtlichen Entwicklung bis zur Gegenwart
- 5.3 Beratungs- und Fortbildungsangebote
- 5.4 Geschlecht und Sexualität
- 5.5 Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten und hohem Assistenzbedarf
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5.6 Relevante Themen für vollbetreute
Wohneinrichtungen
- 5.6.1 Zur Erwachsenensexualität und dem Dilemma der Infantilisierung
- 5.6.2 Die Rolle der Eltern und die Ablösung vom Elternhaus
- 5.6.3 Liebe und Partnerschaft – Heirat?
- 5.6.4 Homosexualität – ein Tabu im Tabu
- 5.6.5 Sexualassistenz und Sexualbegleitung
- 5.6.6 Sterilisation
- 5.6.7 Verhütung
- 5.6.8 (Unerfüllter) Kinderwunsch
- 5.6.9 Sexuelle und sexualisierte Gewalt
- 5.7 Wege in die selbstbestimmte Sexualität
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6 Methodik
- 6.1 Erhebungsverfahren
- 6.2 Durchführungsphase
- 6.3 Die Auswertungsmethode
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6.4 Untersuchungsergebnisse und
Interpretation
- 6.4.1 Auseinandersetzung und Stellenwert Sexualität
- 6.4.2 Relevante Themenbereiche Sexualität
- 6.4.3 Sensibilisierung Bewohnerinnen
- 6.4.4 Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen
- 6.4.5 Menschen mit hohem Assistenzbedarf
- 6.4.6 Sexuelle Selbstbestimmung
- 6.4.7 Angehörige und Eltern
- 6.4.8 Gesellschaftliche Einstellung
- 6.4.9 Zukunftswünsche und -aussichten
- 7 Resümee und Ausblick
- Literaturverzeichnis
- Internetverzeichnis
- Gesetzesverzeichnis
- Anhang
Abbildungsverzeichnis
The following thesis deals with sexual problems of men and women suffering from learning disabilities in care homes and how these problems can be treated effectively. Based on a study of German specialist literature on diverse topics concerning sexuality (i.e. sterilization, desire for having children, parenthood, contraception, partnership, homosexuality, sexual and sexualized violence, sexual pedagogy and sexual counselling), six interviews with experts on that field have been taken. The analysis of these interviews follows Schmidt’s analytical strategy. Essential results of the empirical study show that structural and legal basic conditions have a detaining impact on the sexuality of people with learning disabilities. Also, sexuality is often regarded as a side issue in care homes. Possible effects of unanswered questions about their sexuality and the lack of addressing this crucial issue with the people living in care homes are widely underestimated. Despite a more frequent approach to this sensitive subject for the last two decades, an even more intensive discussion of and raising awareness for the matter are required, especially as far as formation, further education and consultation for the staff of care homes as well as people with learning disabilities are concerned. Regarding all findings, a question arises: when do we speak of sexual self-determination? When having a look onto the present situation, we cannot yet observe this sexual self-determination.
Solange wir uns nicht selbst
in den Augen und Herzen
unserer Mitmenschen begegnen,
sind wir auf der Flucht
Hildegard von Bingen
Ein herzliches Dankeschön geht an alle, die mich mit hilfreichen Anregungen und positivem Zuspruch unterstützt haben, so Univ.-Prof. Dr. Gottfried Biewer, meine Familie, meine Freunde. Außerdem danke ich dem Team von Weissgrad für die Formatvorlage in Word und „wenn´s mal wieder kompliziert wurde“.
Ein großes Dankeschön gilt natürlich meinen Interviewpartnerinnen, die sich für mich Zeit genommen haben.
Ich bedanke mich bei allen, die meine Diplomarbeit lesen und noch lesen werden.
DANKE!
Inhaltsverzeichnis
„Die behinderte Frau/der behinderte Mann ist nicht das Objekt der Betreuung, sondern das Subjekt, das Lebensbereiche wie Körperlichkeit, Beziehungen, Sexualleben im engeren Sinn und letztlich auch Fruchtbarkeit so weit wie möglich selbst gestaltet und wenn nötig mit Assistenz, Anleitung oder Begleitung in Anspruch nimmt“ (FREY 2002, S. 104 f).
Eine Aussage, die nicht für alle Menschen mit Behinderung selbstverständlich ist. Gerade Menschen mit „sog. geistiger Behinderung“ in vollbetreuten Wohneinrichtungen haben mit sexualfeindlichen Barrieren zu kämpfen. Nach wie vor wird durch die Tabuisierung der Sexualität wichtigen Themen wie Sexualberatung, Partnerschaft, Kinderwunsch, aber auch sexueller Gewalt zu wenig Beachtung geschenkt. Dies lässt sich aus dem aktuellen Forschungsstand ableiten. Diese Diplomarbeit soll dieses Problem aufgreifen und thematisieren. Es soll etwas thematisiert werden, über das gerne geschwiegen wird.
Es wird in dieser Diplomarbeit von einer sozialen Kategorie von Behinderung ausgegangen, welche diese als soziales Phänomen versteht, was für die betreffenden Frauen und Männer diverse Probleme und Benachteiligungen mit sich bringt. Daher ist für mich eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „sog. geistigen Behinderung“ von großer Relevanz. Ebenso ein geschichtlicher Rückblick zu den Themen „Wohnen“ und „Sexualität“, da meiner Meinung nach ohne diese Darstellung der gegenwärtige gesellschaftliche und professionelle Umgang mit Frauen und Männern mit „sog. Geistiger Behinderung“ die Sexualität betreffend nicht in der gesamten Tragweite erfasst werden kann. „Selbstbestimmung“ und in diesem Kontext „selbstbestimmte Sexualität“ ist dabei ein bedeutsamer Leitgedanke, der in der gesamten Diplomarbeit eine Rolle spielt. Die wissenschaftlichen Publikationen für diese Darstellung werden größtenteils aus Österreich und Deutschland herangezogen.
WALTER (2005a) nennt sechs Kriterien, die exemplarisch bei der Einschätzung und Beurteilung helfen sollen, ob und inwiefern von sexueller Selbstbestimmung bei Menschen mit „sog. geistiger Behinderung“ gesprochen werden kann:
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„Das Recht auf individuelles Sexualleben und die eigene Intimsphäre
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Das Recht auf physische und psychische Unversehrtheit – Schutz vor sexuellen Übergriffen
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Das Recht auf Sexualpädagogik und Sexualberatung
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Das Recht auf Sexualassistenz
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Das Recht auf eigene Kinder
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Das Recht auf Eigensinn“ (ebd., S. 10-16)
Es wird in der Diplomarbeit auch im Hinblick auf diese Kriterien die „selbstbestimmte Sexualität“ und deren reale Umsetzung thematisiert.
Die im Diplomarbeitstitel verwendeten Begriffe „Verhinderung“, „Behinderung“ und „Enthinderung“ in Zusammenhang mit „Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten“ und „vollbetreutem Wohnen“ werden in dieser Diplomarbeit folgendermaßen verstanden:
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„Verhinderte Sexualität“ im Sinne, dass die Sexualität und alle Themen, die sich daraus ergeben, aufgrund unterschiedlichster Ursachen keinen Platz finden und die Konsequenz daraus ist, dass diese Themen scheinbar nicht existieren und jegliche Form von „Enthinderung“ unterbunden wird.
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„Behinderte Sexualität“ im Sinne aller Vorurteile, Mythen und Probleme die sich im Zusammenhang mit diesem Thema für Menschen mit Lernschwierigkeiten ergeben.
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„Enthinderte Sexualität“ im Sinne, dass diese Vorurteile, Mythen und Probleme erkannt werden und auf unterschiedlichste Art und Weise entgegengewirkt wird mit dem Ziel, dass die Sexualität nicht „behindert“ ist.
Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Theorieteil nur die weibliche Form verwendet. Die männliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen. Im Interviewleitfaden und in der Interviewdurchführung werden sowohl die weibliche als auch die männliche Form verwendet. Auch die Auswertung beinhaltet nur die weibliche Form und schließt die männliche mit ein.
Die deutschsprachige Fachliteratur der letzten 20 Jahre über den Themenbereich der Sexualität von Frauen und Männern greift immer wieder ähnliche Themen auf. Es geht um die Selbstbestimmung und in diesem Zusammenhang um die selbstbestimmte Sexualität und um das Recht auf Sexualität. Diesbezüglich sind Themen wie (gleichgeschlechtliche) Partnerschaft, Eheschließung, Verhütung, AIDS, Kinderwunsch, sexuelle Gewalt, Sterilisation, Beratungsangebote und Fortbildungsangebote relevant. Ganz aktuelle Themen sind die Sexualassistenz und Sexualbegleitung sowie deren Umsetzung. Durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention wird das Recht auf selbstbestimmte Sexualität aus einer neuen Perspektive diskutiert. Es soll an dieser Stelle nicht auf konkrete Literatur eingegangen werden, da in den einzelnen Kapiteln dieser Diplomarbeit immer wieder ein Bezug zu aktuellen Forschungen und Studien hergestellt wird.
Die Sexualität gehört zum Wesen des Menschen. Als wesentlicher Bestandteil der individuellen Persönlichkeitsentwicklung ist die selbstbestimmte Sexualität ein fundamentales Persönlichkeitsrecht. Im Zusammenhang von „Sexualität“ und „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ führen sowohl tradierte Normvorstellungen, gesellschaftliche Vorurteile als auch formale Aspekte dazu, dass „freie sexuelle Entfaltung und eine Lebensführung in einer selbstbestimmten Beziehungsform“ stark beeinträchtigt sind (PLAUTE/SCHIRBORT 2003, S. 156 f).
In Anbetracht der Tabuisierung der Thematik und des Zusammenspiels von Normvorstellungen und Vorurteilen stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf Menschen mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen hat. Daher wird in der Diplomarbeit der Frage nachgegangen, welche Probleme im Umgang mit der Sexualität in vollbetreuten Wohneinrichtungen entstehen können.
Die zentrale Forschungsfrage der Arbeit lautet somit:
Welche Probleme entstehen im Umgang mit der Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen?
Daraus ergibt sich die Subfrage, die ebenfalls in Hinblick auf diese Forschungsfrage beantwortet wird:
Welche Schritte werden in den vollbetreuten Wohneinrichtungen gesetzt, um diesen Problemen entgegenzuwirken?
Die Theorieaufarbeitung und der anschließende empirische Teil sollen helfen, diese Fragen zu beantworten.
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel.
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In Kapitel 1 wird auf die Ausgangslage und die Problemsituation eingegangen. Die Herleitung der Forschungsfrage folgt nach einer kurzen Ausführung des aktuellen Forschungsstandes.
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Kapitel 2 thematisiert den Begriff der „sog. geistigen Behinderung“ und erklärt, warum in dieser Diplomarbeit die Bezeichnung „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ verwendet wird. Es werden unterschiedliche wissenschaftliche Betrachtungsweisen des Phänomens der „sog. geistigen Behinderung“ angeführt. Außerdem werden Stigmatisierungsprozesse im Hinblick auf die „sog. Geistige Behinderung“ erläutert.
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In Kapitel 3 wird ein kurzer Überblick über die rechtliche Situation und die Lebenssituation von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten in Österreich, unter besonderer Bezugnahme auf den Raum Wien, gegeben. Veranschaulicht werden soll damit in welcher Art und Weise und durch welche gesetzlichen Rahmenbedingungen Menschen mit Lernschwierigkeiten oft in Lebensbedingungen „gezwungen“ werden, die wenige Wahlfreiheiten für die betreffenden Personen zulassen. Im Kontext der Sexualität und vor allem der selbstbestimmten Sexualität sind dies wesentliche Rahmenbedingungen, die nicht unerwähnt bleiben können, gerade wenn es um Menschenrechtsangelegenheiten geht, was am Beispiel der UN-Behindertenrechtskonvention dargestellt wird. Eine differenzierte Betrachtung ist daher unverzichtbar, denn bereits bei der Begriffsdefinition ergeben sich erste Kontroversen.
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Kapitel 4 behandelt die Wohnsituation von Menschen mit Lernschwierigkeiten mit besonderem Augenmerk auf die vollbetreute Wohnsituation. Außerdem werden mit einem geschichtlichen Rückblick die Veränderungen der Wohnsituationen von Menschen mit Lernschwierigkeiten inklusive der Enthospitalisierung und Normalisierung dargestellt.
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In Kapitel 5 wird auf die Begrifflichkeit der Sexualität und auf die geschichtliche Entwicklung bis zur Gegenwart in Bezug auf Menschen mit Lernschwierigkeiten eingegangen. Es wird verdeutlicht, welche Beratungs- und Fortbildungsangebote es gibt. Außerdem wird der Stellenwert des Geschlechts in Hinsicht der Sexualität erläutert. Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten, die einen hohen Assistenzbedarf haben, werden in Bezug auf die Sexualität in einem Unterkapitel dezidiert angeführt, da sie oft außer Acht gelassen werden. Danach werden relevante Themen für vollbetreute Wohneinrichtungen und deren Umgang vorgestellt.
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In Kapitel 6 werden die Interviews ausgewertet. Nach einer kurzen Vorstellung der Interviewmethode und -durchführung und der Auswertungsmethode werden schrittweise die Ergebnisse vorgestellt anhand derer die Forschungsfragen beantwortet werden können.
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Kapitel 7 bietet eine Zusammenfassung der Ergebnisse und erläutert weitere Hypothesen und Forschungsfragen, die sich durch die Diplomarbeit und der Auseinandersetzung mit der Thematik ergeben.
Inhaltsverzeichnis
Die Vielfalt von Definitionen und unterschiedlichen Sichtweisen auf die „(sog. geistige) Behinderung“ weist darauf hin, wie unterschiedlich das Phänomen der „Behinderung“ und der „sog. geistigen Behinderung“ ausgelegt werden kann. Interessant ist die Frage, in welchem Kontext Behinderung definiert wird und welchen Zweck eine Definition verfolgt. Der Begriff „Behinderung“ gehört seit einigen Jahrzehnten zum festen Sprachgebrauch, zu dem viele Vorstellungen existieren, sowohl in der Wissenschaft als auch ganz allgemein in der Gesellschaft. In der Heilpädagogik[1] ist er ein wesentlicher Grundbegriff. Trotzdem ist der Behinderungsbegriff kein geklärter, der einheitlich verstanden und gebraucht wird (LINDMEIER 1993, S. 21 f).
Die bis dahin gebräuchlichen Begriffe „Krüppel“ und „Schwachsinnige“ wurden im Nationalsozialismus ersetzt durch die Bezeichnungen „Körperbehinderte“ und „geistige Behinderung“, die erstmals Einzug in die Amtssprache fanden. Diese Begriffe eigneten sich besser für die Erfassung eines großen Personenkreises (LINDMEIER 1993, S. 26). Der Behinderungsbegriff wird erst Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts als allgemeiner Begriff verwendet und findet unter anderem Einzug im Bildungs-, Rechts- und Gesundheitssystem (ebd., S. 27 f).
Anfang der 1970er Jahre wird der Begriff „Behinderung“ durch das Buch von BLEIDICK „Pädagogik der Behinderten“ zum Grundbegriff in der Heilpädagogik (BIEWER 2009, S. 39; KULIG/THEUNISSEN/WÜLLENWEBER 2006, S. 117).
In Umlauf gebracht wurde die Bezeichnung „geistige Behinderung“ 1958 durch eine Elterninitiative mit dem Hintergedanken, die Bezeichnung „Schwachsinn“ damit endgültig aus dem Wortgebrauch eliminieren zu können (vgl. hierzu KOBI 2000, S. 71; KULIG/THEUNISSEN/WÜLLENWEBER 2006, S. 116).
„Merkwürdig allerdings, dass man in diesen Kreisen (indirekt) betroffener Menschen auch nach dem Naziregime mit seinen Euthanasiepraktiken nicht vom ‚defizitären Geist’ lassen mochte“ (KOBI 2000, S. 71).
Der Begriff muss sich allerdings in den letzten Jahrzehnten immer mehr der Kritik stellen.
SPECK (2008), der in seinem Buch „System Heilpädagogik“ den Behinderungsbegriff in Frage stellt, weist auf die „Relativität der Behinderung“ hin (S. 244 f). Ein und dieselbe Behinderung kann je nach Mensch unterschiedliche Auswirkungen haben, da soziale Bedingungen und auch Persönlichkeitsvariablen eines Individuums eine große Rolle spielen. Die unterschiedlichen Normen einer Gesellschaft sind wesentlich. So kann es zum Beispiel den Schulversager lediglich in einer Leistungsgesellschaft geben (SPECK 2008, S. 244).
In der Medizin wird bei der „sog. geistigen Behinderung“ von einer defizitorientierten Sichtweise ausgegangen. Es geht im Wesentlichen darum, die Ursachen einer Funktionsstörung zu eruieren, um diese dann zu beseitigen oder zu heilen. Eine „sog. geistige Behinderung“ kann aber nicht geheilt werden, womit die medizinische Sichtweise auf das Phänomen kritisch betrachtet werden muss (NEUHÄUSER 2000, S. 32).
Laut NEUHÄUSER darf die medizinische Sichtweise – diverse Funktionsstörungen im Gehirn – nicht nur auf dieses Kriterium beschränkt bleiben. Die Umwelteinflüsse spielen eine wesentliche Rolle und der Entwicklungsverlauf eines jeden Menschen ist von sozialen und psychosozialen Faktoren abhängig (2000, S. 38; vgl. dazu auch FORNEFELD 2008, S. 340).
Lange Zeit war das „psychiatrisch-medizinische Modell“ vorherrschend. Es besagt, dass Behinderung eine Krankheit und ausschließlich eine Eigenschaft des Menschen ist. Frauen und Männern, die als „schwer behindert“ galten, wurde unterstellt, sie hätten kaum menschliche Eigenschaften. Dementsprechend wurde auch mit ihnen verfahren. Sie landeten in psychiatrischen Einrichtungen und wurden als permanente Pflegefälle von der Außenwelt abgeschottet (KULIG/THEUNISSEN/WÜLLENWEBER 2006, S. 119; vgl. hierzu auch Kapitel 4.2). So berichtet NIRJE[2] (1974a) von Besuchen in amerikanischen Anstalten für Menschen mit Behinderungen und deckte verheerende Zustände auf. Zimmer mit über 100 Betten, Zellen, Fixierungen, halbangezogene Menschen, die in ihren eigenen Exkrementen verharren mussten, offene Toiletten und Duschen, keine Beschäftigungsangebote, überforderte Pflegerinnen und eingesperrte Menschen, die die Anstalten nicht verlassen konnten (S. 24 f).
Das Modell gilt für die Heilpädagogik als gänzlich überholt. Trotzdem gibt es auch aktuell immer wieder Fachliteratur, die den Fokus auf eine defizitorientierte und/oder einseitige Sichtweise auf die „sog. geistige Behinderung“ legt. Pädagogische Maßnahmen zielen hauptsächlich auf einen Defizitausgleich ab. Dieser Ansatz muss scharf kritisiert werden (KULIG/THEUNISSEN/WÜLLENWEBER 2006, S. 119 f).
In der modernen Medizin hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, indem sich immer mehr von einer rein naturwissenschaftlichen Beobachtung gelöst wird und interdisziplinäre Bemühungen mit eingebunden werden (NEUHÄUSER 2000, S. 39).
In der psychologischen Betrachtung des Phänomens der „sog. geistigen Behinderung“, war lange Zeit die Intelligenzmessung und die „intellektuelle Defiziterfassung“ vorherrschend (STEINEBACH 2000, S. 40).
Wird versucht die „sog. geistige Behinderung“ durch einen Testwert zu definieren, stellt sich die Frage, ob die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen mittels eines an der Naturwissenschaft orientierten Tests erfassbar sein können (NEUHÄUSER 2000, S. 34).
Kritisch zu betrachten sind die Intelligenzmessungen[3] aus folgenden Gründen:
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Die intellektuelle Leistung kann nicht gänzlich gemessen werden, es werden Stärken übersehen, die eventuell gegeben sind.
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Emotionen und auch soziale Kompetenzen können hiermit nicht erfasst werden und werden in der Messung missachtet.
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Die Bedeutung der Umwelt für die Entwicklung der betreffenden Person wird außer Acht gelassen.
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Entwicklungsschritte und auch Lernfortschritte können nur lückenhaft abgebildet werden.
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Die Messung ist nicht individuell auf die Person abgestimmt und schließt die spezifische Umwelt nur unzureichend ein (STEINEBACH 1997 zit. nach STEINEBACH 2000, S. 40).
Daraus geht klar hervor, dass eine Behinderung nie ohne den jeweiligen (sozialen und gesellschaftlichen) Kontext der Person betrachtet werden kann. Eine rein objektive Beurteilung ist daher nicht aussagekräftig (STEINEBACH 2000, S. 41; KOBI 2000, S. 68 f).
Trotzdem gibt es Intelligenztests und IQ-Skalen, die die „sog. geistige Behinderung“ in Schweregrade unterteilen. Diese Einteilung hat massive Auswirkungen auf die betroffenen Menschen in diversen Lebensbereichen.
In der Diplomarbeit soll eine Einteilung in Schweregrade, aber auch die Unterscheidung zwischen einer „leichten“ oder einer „schweren“ Behinderung so gut es geht vermieden werden, da es sich um eine sehr umstrittene, fragwürdige und defizitorientierte Einteilung handelt, die den Menschen auf seine Behinderung reduziert. Die Klassifikation der „sog. geistigen Behinderung“ in Schweregrade ist ein Grundgedanke aus der überholten psychiatrischen Sichtweise, die sich jedoch für bestimmte Bereiche bis heute gehalten hat (KULIG/THEUNISSEN/WÜLLENWEBER 2006, S. 120).
Stellt man die Einteilung der Behindertengrade der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und der AAMD (American Association on Mental Deficiency) gegenüber, wird nach der WHO im diagnostischen Manual ICD-10 eine „sog. geistige Behinderung“ unter einem Intelligenzquotienten von 69 festgelegt, während es nach der AAMD ein Intelligenzquotient von 52 ist – also deutlich tiefer. Dieses Beispiel unterstreicht die Fragwürdigkeit einer IQ-bezogenen Sichtweise (SCHUPPENER 2005, S. 24). Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, als wäre das Verständnis der „sog. geistigen Behinderung“ nach der WHO und der AAIDD[4] auf die Intelligenzmessung reduziert. Im angloamerikanischen Sprachraum kam es aufgrund der Kritik an einer IQ-bezogenen Klassifikation zu der Einführung des so genannten Doppelkriteriums, das auch „soziale Anpassungsfaktoren“ berücksichtigt (THEUNISSEN 2005, S. 24). So wird “intellectual disability” laut der AAIDD folgendermaßen definiert:
„Intellectual disability is a disability characterized by significant limitations both in intellectual functioning and in adaptive behaviour, which covers many everyday social and practical skills. This disability originates before the age of 18“[5]
Gemäß dieser Definition müssen in zumindest zwei Bereichen des „adaptiven Verhaltens“ Einschränkungen vorliegen, um von einer „sog. geistigen Behinderung“ sprechen zu können (SCHUPPENER 2005, S. 24).
Das ICF-Modell, ein „bio-psycho-soziales Modell“, der WHO berücksichtigt unterschiedliche Einflussfaktoren, womit Behinderung nicht mehr nur als personenabhängiges Merkmal beschrieben wird. Behinderung ist laut diesem Modell eine Einschränkung von Partizipationsmöglichkeiten, die verschiedene Ursachen (personenspezifische, soziale und kontextbezogene) haben kann (KULIG/THEUNISSEN/WÜLLENWEBER 2006, S. 123 f).
Die Heilpädagogik ist eine Fachdisziplin, die den Begriff der „sog. geistigen Behinderung“ auf vielfältige Weise reflektiert und auch kritisiert.
Die Betrachtungsweise dieses Phänomens wird jeweils durch die vorherrschenden Normen, die aktuellen Werte und durch den aktuellen Zeitgeist der Umwelt mitgeprägt. FORNEFELD betont in diesem Zusammenhang, dass wir in einer „unmöglichen Zeit“ leben, da vieles, das zum menschlichen Leben gehört, verdrängt oder negiert wird. So finden Themen wie zum Beispiel Tod, Krankheit oder Unzulänglichkeit kaum Platz in unserer Gesellschaft. FORNEFELD sieht es als Herausforderung für die Heilpädagogik mit einem „unmöglichen Begriff“ in einer „unmöglichen Zeit“ fertig zu werden. Forderungen nach Anerkennung und Gleichbehandlung stehen dem aktuellen Zeitgeist gegenüber und scheinen mit diesem nicht vereinbar zu sein (ebd., S. 332 ff).
„Es gibt Menschen die WIR aufgrund UNSERER Wahrnehmung ihrer menschlichen Tätigkeit, im Spiegel der Normen, in dem WIR sie sehen, einen Personenkreis zuordnen, den WIR als ‚geistigbehindert’ bezeichnen“ (FEUSER 2000, S. 150, Hervorhebung i. O.).
FEUSER ist der Meinung, dass das, was als erstes bei einem Menschen mit „sog. geistiger Behinderung“ auffällt, zum „inneren Wesen“ dieser Person gemacht, als Eigenschaft der Person deklariert und den vorherrschenden gesellschaftlichen Normen gegenüber gestellt werden würde. Es wird eine „Andersartigkeit“ festgestellt, die nicht verstanden und erfasst werden kann und will. Die eigenen Verstehensgrenzen werden auf die Person mit „sog. geistiger Behinderung“ projiziert, womit laut FEUSER die eigenen Begrenzungen des Verstehens als eine Begrenzung der anderen Person wahrgenommen werden. Die Annahme der „für wesensmäßig gehaltenen Begrenztheit des anderen“ führt dazu, dass Orte und Räume geschaffen werden, die dem Menschen mit „sog. geistiger Behinderung“ angeblich entsprechen. So wurden und werden eigene Wohnformen, Therapieformen, Arbeitsformen usw. geschaffen, die aber den Menschen so belassen, wie „ich ihn mir nur denken kann. (…) Das bestätigt uns (…), beweist unsere ‚Normalität’ und dessen ‚Pathologie’ und schließt den Zirkel“ (FEUSER 2000, S. 151 f).
Diskriminierungen lassen sich auf gesellschaftspolitischer Ebene (negative Bewertungen, Einstellungen und Verhaltensweisen) und auf rechtlicher Ebene (Ungleichbehandlung vor dem Gesetz) feststellen, wobei noch zwischen „direkter“ und „indirekter Diskriminierung“ unterschieden wird (FORSTER 2007, S. 80).
Das soziologische Arbeits- und Forschungsgebiet „Soziologie der Behinderten“ ist ein Gebiet innerhalb der Heilpädagogik und beschäftigt sich aus soziologischer Sicht mit aktuellen Fragen rund um das Thema Behinderung. CLOERKES definiert die „Soziologie der Behinderten“ als die „Wissenschaft vom Zusammenleben der Menschen. Ihr spezieller Forschungsgegenstand ist die soziale Wirklichkeit von Menschen mit Behinderungen“ (CLOERKES 2007, S. 3).
Laut CLOERKES ist eine Behinderung eine (…)
„(…) dauerhafte und sichtbare Abweichung im körperlichen, geistigen oder seelischen Bereich, der allgemein ein entschieden negativer Wert zugeschrieben wird. ‚Dauerhaftigkeit’ unterscheidet Behinderung von Krankheit. ‚Sichtbarkeit’ ist im weitesten Sinne das ‚Wissen’ anderer Menschen um die Abweichung“ (2007, S. 8).
Behindert ist ein Mensch, wenn eine unerwünschte Abweichung vorliegt, die negative soziale Reaktionen auf sich zieht (ebd.).
An dieser Stelle kann nicht im Detail auf die Vorgänge eingegangen werden, da es den Rahmen der Diplomarbeit sprengen würde. Zusammenfassend soll aber festgehalten werden, dass eine negative soziale Reaktion auf Menschen mit Behinderung auch zur Folge haben kann, dass diese aus der Gesellschaft ausgesondert werden, wie es durch Sondereinrichtungen der Fall ist. Die Partizipationsmöglichkeiten werden beschränkt und eine Institutionalisierung von Menschen mit Behinderung (vor allem mit „sog. geistiger Behinderung“) ist die Folge (hierzu auch MARKOWETZ 2006, S. 145).
Wie bereits erläutert wurde, gibt es bis heute keine genaue und einheitliche Beschreibung dieses Personenkreises. Trotzdem geht eine Stigmatisierung und Etikettierung der betreffenden Personen mit der Bezeichnung „geistige Behinderung“ einher (THEUNISSEN/HOFFMANN/PLAUTE 2000, S. 126).
In der Soziologie steht der Begriff „Stigma“ für eine gesellschaftliche Abwertung, die sich durch Vorurteile begründet. Er geht auf GOFFMAN zurück, der 1963 ein gleichnamiges Buch veröffentlichte (BIEWER 2004, S. 288). Ein Stigma war bei den Altgriechen ein Zeichen, das zum Beispiel den Sklavinnen in den Körper geschnitten wurde. Somit waren sie für immer gebrandmarkt (GOFFMAN 1967, S. 9). Der Begriff wird von GOFFMAN in Bezug auf eine Eigenschaft verwendet, die zutiefst diskreditierend ist. Die Eigenschaft ist aber nicht das Diskreditierende, sondern sie steht in Relation zur Trägerin. Dahinter verbirgt sich eine doppelte Perspektive. Weiß das Umfeld über die Andersartigkeit Bescheid, ist die Person diskreditiert, bei Unwissenheit ist sie diskreditierbar. Ein und dieselbe Eigenschaft kann einen Menschen stigmatisieren und einen anderen nicht stigmatisieren. Es kommt also auf die Trägerin der Eigenschaft an (ebd., S. 11 f). GOFFMAN versteht unter der sozialen Identität die Zugehörigkeit zu einer sozialen Kategorie (ebd., S. 9 f). In diesem Fall ist die soziale Kategorie die Behinderung. Er unterscheidet aber auch noch zwischen personaler und Ich-Identität[6] (BIEWER 2006, S. 289).
Eine Stigmatisierung ist das Verhalten, das aufgrund eines Stigmas gezeigt wird. Je sichtbarer ein unerwünschtes Merkmal einer Person ist, desto leichter erfolgt eine Stigmatisierung (CLOERKES 2007, S. 170). CLOERKES bezeichnet das Stigma als „Sonderfall eines sozialen Vorurteils“ (ebd., S.104). Vorurteile sind „extrem starre, irrationale und negative Einstellungen, die sich weitgehend einer Beeinflussung widersetzen“ (ebd.). Es gibt einen Hang dazu, dass bereits stigmatisierten Personen weitere Unvollkommenheiten unterstellt und angedichtet werden. Durch eine Generalisierung steht das Stigma letztendlich über einer Person (ebd., S. 170; GOFFMAN 1967, S. 14).
Stigmatisierung kann nun eine gesamte soziale Kategorie betreffen. Beim Stigma „geistig behindert“ kann also folglich die gesamte Personengruppe, die dieses Etikett trägt, mit negativen Merkmalen in Verbindung gebracht werden.
„Dass es Menschen mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen, Wünschen, Emotionen, Charakteren und Sorgen sind, tritt demgegenüber in den Hintergrund“ (BIEWER 2004, S. 291).
Dem Individuum wird eine Identität zugeschrieben, die es aber nicht besitzt. Dies kann sich auch auf die Person negativ auswirken, indem die zugeschriebenen Attribute als etwas Schlechtes empfunden werden. Die Etikettierungen als minderwertiges, leistungsunfähiges oder minderbegabtes Individuum können Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung haben. Dies kann dann damit zusammenhängen, dass den stigmatisierten Personen bereits mit einer anderen Erwartungshaltung gegenübergetreten, ihnen womöglich weniger zugetraut wird (HARNACK 1996, S. 49 f).
Laut FALK (2001) ist die Rolle der Sexualität von Menschen mit „sog. geistiger Behinderung“ im Stigmatisierungsprozess die, dass in der Gesellschaft das Thema keine Relevanz hat, da viele Personen lange Zeit in Anstalten und bis in die 1980er Jahre auch in getrennt geschlechtlichen Anstalten untergebracht waren. Erst durch mehr gemeindenahe Wohnformen kann die Thematik für eine breite Öffentlichkeit gegenwärtig werden, da dadurch auch mehr gesehen werden kann, dass sich die Bedürfnisse nicht wesentlich von den Menschen, die nicht zu dieser Personengruppe gezählt werden, unterscheiden (FALK 2001, S. 110 f zit. nach BIEWER 2004, S. 291).
Leitprinzipien wie Integration, Partizipation und Teilhabe können also Stigmatisierungsprozessen entgegenwirken (vgl. hierzu BIEWER 2004; CLOERKES 2007; MARKOWETZ 2006).
EXKURS Wertegeleitete Heilpädagogik
Seit den 1980ern sind laut HAEBERLIN (2005) wieder Tendenzen zu beobachten, die die Würde, aber auch das Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen in Frage stellen (ebd., S. 26).
Nur die Anerkennung der Gleichheit und Würde eines jeden Menschen, auch bei „extremster Verschiedenheit“, macht eine Unterscheidung von „abnorm“ und „normal“ hinfällig. Trotz der Verschiedenartigkeit der Menschen dürfte niemand als „nicht normal“ wahrgenommen werden (HAEBERLIN 1990, S. 322; 1996, S. 31; 2005, S. 31).
Der Autor nennt es ein „zwanghaftes Bedürfnis“ von sozialen Gruppen, dass Besonderheiten von Menschen klassifiziert werden (1990, S. 322 f). In unserer Kultur wird auch das Bildungsrecht von Menschen mit Behinderung oftmals in Frage gestellt. Diese Haltung beruht auf einer jahrhundertelangen Prägung von Behindertenfeindlichkeit im pädagogischen Denken, der Ausselektierung der Schwächeren bis hin zum Absprechen des Lebensrechtes, was im Nationalsozialismus in vollem Ausmaß zu tragen kam. Das Bildungsrecht von Menschen mit Behinderung darf aber nicht hinterfragt werden, denn esgefährdet auch das Lebensrecht (ebd. 2000, S. 41 f).
Aber woher kommen nun Tendenzen zur Abwertung bestimmter Menschen? Wir leben in einer Gesellschaft, die GROSS eine „Multioptionsgesellschaft“ nennt. Sie wird nach marktwirtschaftlichen Interessen geleitet, und präsentiert uns die Freiheitsillusion, alles erwerben zu können. Nach diesem Ideal strebt ein Großteil der Gesellschaft. Es scheint, als gäbe es eine Angebotsmarktlage, bei der sich auch Ärmere durch Massenware von noch Ärmeren abgrenzen könnten. Diese Form der Marktwirtschaft hat aber keinen Profit durch Menschen, die nicht zur Kaufkraft beitragen (HAEBERLIN 2000, S. 44).
„Wenn die Mehrheit der Bevölkerung daran glaubt, dass man durch eigene Leistung Kaufkraft und Wahlfreiheit erreichen kann und muss, dann sinkt für diese Mehrheit der Wert von Menschen, denen dies für alle andern sichtbar nicht möglich ist (…) Der Gedanke, dass man sich der nicht kaufkräftig machbaren Menschen zu entledigen habe, am unauffälligsten und moralisch saubersten schon durch vorgeburtliche, selektive Maßnahmen, entspricht so gesehen dem Zeitgeist (…)“ (HAEBERLIN 2000, S. 45).
Diese Entwicklung beeinflusst nicht nur die Selbstbestimmung und Würde von Menschen mit Behinderung, sondern auch deren Lebensrecht (HAEBERLIN 2000, S. 46).
„Es gilt die Absurdität der neuen ‚Normalität’ zu erkennen“ (ebd.).
Seit einigen Jahren werden immer häufiger alternative Begriffsbezeichnungen zur „sog. geistigen Behinderung“ diskutiert und verwendet. Als Synonym für „Menschen mit geistiger Behinderung“ lassen sich unter anderem Bezeichnungen finden wie: „Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung“, „Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung“, „Menschen mit mentaler Behinderung“, „Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf“ und „Menschen mit Lernschwierigkeiten“.
KULIG/THEUNISSEN/WÜLLENWEBER benennen die Schwierigkeiten, die ein Begriffswandel mit sich bringen kann. Sie verweisen auf die allgemeine Verständlichkeit des Begriffs der „sog. geistigen Behinderung“; verschiedene Termini würden für Verwirrung sorgen. Außerdem verkompliziere es die interdisziplinäre Kommunikation und erschwere möglicherweise die Gewährung von Unterstützungen auf sozialrechtlicher Ebene. Als wesentliches Argument wird angeführt, dass auch neue Begrifflichkeiten relativ rasch eine stigmatisierende Wirkung haben können (2006, S. 117 f).
Von Bedeutung ist es m. E., dass Menschen, die in der Gesellschaft durch professionell Tätige und in diversen Wissenschaftsdisziplinen als „geistig behindert“ gelten, für sich selbst den Begriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ wählten. Die People-First- Bewegung (1974 in den USA gegründet) ist von Menschen mit Lernschwierigkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten auch in Österreich seit dem Jahr 2000 existent (FIRLINGER 2003, S. 29 f).
Auf der Homepage von „Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.“ lässt sich Folgendes nachlesen:
„ Wir (…) finden, dass die Wörter ‚geistig behindert’ uns (…) schlecht machen. Sie passen nicht dazu, wie wir uns selbst sehen. Bei den Worten ‚geistig behindert’ denken viele Menschen, dass wir dumm sind und nichts lernen können (…) Wir fordern, dass die Wörter ‚geistig behindert’ nicht mehr benutzt werden!“[7]
Es soll daher trotz aller Gegenargumente bezüglich neuer Begrifflichkeiten in dieser Diplomarbeit die Bezeichnung „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ verwendet werden, und das aus dem ganz plausiblen Grund: Die Menschen, über die hier geschrieben wird, haben diese Bezeichnung selbst gewählt. Dies soll m. E. nicht ignoriert werden.
[1] Heilpädagogik kann laut SPECK (2008) verstanden werden „als eine spezialisierte Pädagogik, die von einer Bedrohung und personaler und sozialer Desintegration ausgeht, und bei der es im Besonderen um die Herstellung oder Wiederherstellung der Bedingungen für eigene Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit, für den Erwerb von Kompetenzen und Lebenssinn, also um ein Ganz-werden geht, soweit es dazu spezielle Hilfebedarf“ (ebd., S. 56). Der Inhalt der Heilpädagogik weist auf eine pädagogisch-normative Aufgabenstellunghin, „nämlich auf das, was werden soll und kann, und nicht auf das, was faktisch behindert ist“ (SPECK 2001, S. 93).
In dieser Diplomarbeit soll die Auffassung von BUNDSCHUH/HEIMLICH/KRAWITZ (2007) geteilt werden, dass der Begriff „Heilpädagogik“ weniger Abgrenzung und Separierung beinhaltet, als es die Begriffe „Sonderpädagogik“ oder „Behindertenpädagogik“ tun. Heilpädagogik wird häufig als Synonym für die oben genannten Begriffe verwendet (ebd., S. 119).
Auch wenn SPECK (2001) kritisch anmerkt, dass aufgrund des geschichtlichen Wandels die Bezeichnungen auch unterschiedliche Begriffsinhalte haben und die Begriffe nicht wahllos austauschbar sind, wird in dieser Diplomarbeit die Bezeichnung „Heilpädagogik“ als Oberbegriff gewählt, da sich die diversen Bezeichnungen m. E. auch in unüberschaubarer Form in der Fachliteratur wiederfinden lassen (ebd., S. 92).
[2] NIRJE BENGT formulierte das Normalisierungsprinzip (siehe Kapitel 4.2.2.2).
[3] Es gibt keine generelle Festlegung und Bestimmung des Intelligenzbegriffs. Alleine in Europa liegen über hundert Intelligenzdefinitionen vor (BUNDSCHUH 2007, S. 145 f).
[4] Die AAMD nannte sich ab den 1980er Jahren AAMR (American Association on Mental Retardation) und heißt seit 2006 AAIDD (American Association on Intellectual and Developmental Disabilities).
[5] URL: http://www.aamr.org/media/PDFs/CoreSlide.pdf (Download: 26.1.2012)
[6] CLOERKES verweist auf die Weiterentwicklung des Identitätsbegriffes durch KRAPPMAN und FREY (ebd., S. 175-189).
[7] URL: http://www.people1.de/was_mensch.html (Download: 20.9.2011)
Inhaltsverzeichnis
In Österreich gibt es keine einheitliche Begriffsdefinition, wenn es um Menschen mit Behinderungen geht. Im österreichischen Recht lässt sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Definitionen ausmachen, die je nach Zielsetzung ausgerichtet sind. Das Behindertenrecht gehört in Österreich zur Querschnittsmaterie und setzt sich aus zahlreichen Bundes- und Landesgesetzen zusammen. Es gibt im Bundes-Verfassungsgesetz also keinen Kompetenztatbestand Behindertenwesen (BMASK 2009, S. 4; S. 42).
Gemeinsam haben alle Definitionen, dass versucht wird, Behinderung von Krankheit abzugrenzen, indem sie einen bestimmten Schweregrad aufweisen und eine bestimmte Zeit andauern muss.
So wird zum Beispiel Behinderung im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) im § 3 folgendermaßen definiert:
„Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.“ [8]
Auf Landesebene heißt es im alten Wiener Behindertengesetz (WBHG):
„Als Behinderte im Sinne dieses Gesetzes gelten Personen, die infolge eines Leidens oder Gebrechens in ihrer Fähigkeit, eine angemessen Erziehung und Schulbildung zu erhalten oder einen Erwerb zu erlangen oder beizubehalten, dauernd wesentlich beeinträchtigt sind“ (WBHG § 1a (1)).
In dieser Definition hat die Teilhabe am sozialen Leben noch keine Relevanz. Das WBHG aus dem Jahr 1986 (!) war bis zur Erarbeitung des Wiener Chancengleichheitsgesetzes (CGW) das geltende und wurde 2010 vom CGW abgelöst.
Das CGW, somit eine Neufassung des WBHG, hat sich zum Ziel gesetzt (…)
„ (…) Menschen mit Behinderung beim chancengleichen, selbstbestimmten Zugang zu allen Lebensbereichen, insbesondere bei der chancengleichen Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben zu unterstützen“ (§1. (1)).
Wer nun Menschen mit Behinderung sind, wird wie folgt definiert:
„Menschen mit Behinderung im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die auf Grund nicht altersbedingter körperlicher, intellektueller oder psychischer Beeinträchtigungen oder auf Grund von Sinnesbeeinträchtigungen in ihrer Entwicklung oder in wichtigen Lebensbereichen, insbesondere bei der Berufsausbildung, der Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dauernd wesentlich benachteiligt sind. Kinder erfüllen die Voraussetzungen auch dann, wenn mit solchen Beeinträchtigungen in absehbarer Zeit zu rechnen ist“ (CGW §3).
Wie sieht es nun mit der „chancengleichen“ und „selbstbestimmten“ Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten aus?
Als wesentlichen Punkt muss zunächst einmal erwähnt werden, dass es zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderung keine eindeutigen Daten für Österreich gibt. So gibt es etwa im Behindertenbericht 2008 keine Zahlen über Plätze in Behindertenwohnheimen[9], jedoch über Alten- und Pflegeheime (BMASK 2009). Es kann auch nicht genau gesagt werden, wie viele Menschen mit Lernschwierigkeiten es überhaupt in Österreich gibt. Das BMASK begründet die ungenaue Datenlage damit, dass alleine aus historischen Gründen eine Datensammlung eine „hoch sensible Herausforderung“ darstelle (ebd., S. 7 f).
Neben fehlenden Daten über Form und Art der Unterbringungen in Einrichtungen gibt es auch nur spärliche Einschätzungen zur Lebensqualität der betroffenen Personen (BUCHNER/FLIEGER/FEYERER 2008, S. 7) und beträchtliche Forschungslücken in Bezug auf die Anforderungen zum (Wieder-) Einstieg in den Arbeitsmarkt[10] (KOENIG/PINETZ 2009, S. 36 f).
Das Behindertenkonzept aus dem Jahr 1992 ist sowohl für die Bundes- als auch für die Landesebene verpflichtend und beinhaltet lediglich Empfehlungen. Es gibt weder Durchführungs- noch Überwachungsmechanismen. Es wird aber betont, dass die Ebenen das Konzept berücksichtigen sollen (FLIEGER 2011).
Träger der Behindertenhilfe in Wien ist der „Fonds Soziales Wien“ (FSW) der unter anderem zuständig ist für die Förderung von sozialen Einrichtungen und Leistungen.
Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten wohnen in Wien in einer betreuten Wohnform. Die vollbetreuten Wohnformen sind für die Bewohnerinnen an die Bedingung geknüpft, dass sie einer Tagesstruktur, einer Berufsqualifizierung beziehungsweise einer Berufs- oder Arbeitsintegration nachgehen. Die „Tagesstruktur“ (früherer Begriff „Beschäftigungstherapie“) ist eine Arbeitsmöglichkeit für Menschen mit Lernschwierigkeiten (im Original „Menschen mit Behinderung“) die „aktuell oder dauerhaft nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können“.[11]
Wer als „arbeitsunfähig“ eingestuft wird, ist geregelt im Sozialversicherungsgesetz, indem eine definierte Grenze einer (Rest-) Leistungsfähigkeit von mindestens 50% nachweisbar sein muss. Die Grenzziehung ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht willkürlich, denn die Einstufungsverfahren orientieren sich „immer noch an primär medizinisch- und defizitorientierten Indikatoren“ (KOENIG/PINETZ 2009, S. 38).
Es werden seit einigen Jahren vermehrt Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung in Österreich finanziert (siehe hierzu das Kapitel „Beschäftigung“ im Behindertenbericht 2008 des BMASK). Jedoch sind die als „arbeitsunfähig“ eingestuften Menschen aus diesen Maßnahmen derzeit noch gänzlich ausgeschlossen.
Aus Platzgründen kann auf diese Problematik nicht näher eingegangen werden. Kritisch angemerkt sei lediglich an dieser Stelle, dass der Status der Arbeitsunfähigkeit kaum rückgängig zu machen ist, was zu einem „lebenslang anhaftenden Exklusionsstigma“ führen kann (ebd.).
WANSING (2005) warnt im Zusammenhang mit Ausgrenzungen aus den gesellschaftlichen Funktionssystemen und ihren Organisationen vor einer „Negativkarriere der Ausgrenzung“.
„Die bereits eingenommenen sozialen Adressen beispielsweise im Bildungssystem als Resultat einer Abfolge von organisatorischen Selektionsentscheidungen werden als Voraussetzung, als kommunikative Relevanz oder Irrelevanz der Person in der Entscheidungszukunft wirksam“ (ebd., S. 99).
Von Bedeutung für die Diplomarbeit sind neben der Ausgrenzung aber auch die finanziellen und sozialen Folgewirkungen einer Tagesstruktur und einer vollbetreuten Wohneinrichtung für Menschen mit Lernschwierigkeiten.
So erhalten sie ein Taschengeld und keinen kollektivvertraglichen Lohn. Das Taschengeld ist minimal und durch die finanzielle Abhängigkeit wird eine allgemeine Abhängigkeit begünstigt (BADELT/ÖSTERLE 1993, S. 147).
Somit sind Menschen mit Lernschwierigkeiten in einer Tagesstruktur von Lohn- und Sozialversicherung, und folglich auch aus der Pensionsversicherung, ausgeschlossen. SCHENK weist auf die erhöhte Gefahr hin, als Mensch mit Behinderung von Armut betroffen zu sein. Im Speziellen geht er auch auf die Situation von Menschen ein, die einer Tagesstruktur nachgehen, und verweist auf die fehlenden Pensionsansprüche, die dazu führen, dass die Menschen trotz jahrzehntelanger Tätigkeit letztendlich als Sozialhilfeempfänger in den Ruhestand verabschiedet werden (2007, S. 7). Einige Menschen mit Lernschwierigkeiten sind auch bei ihren Eltern mitversichert und erhalten nach deren Versterben eine Waisenpension, die nach der Höhe deren früheren Einkommens bemessen wird.
Grundsätzlich ist das österreichische Pflegesystem seit 1993 durch das „Bundespflegegesetz“ (BPGG) geregelt. Seit Inkrafttreten des „Pflegegeldreformgesetzes“ im Jänner 2012 liegt die Zuständigkeit ausschließlich beim Bund.
Das Pflegesystem ist eine Kombination aus Geldleistungen und Sachleistungen (Dienstleistungen durch soziale Dienste oder Pflegeheime). Die Finanzierung der Sachleistungen setzt sich zusammen aus dem Pflegegeld, privaten Geldmitteln, öffentlichen Geldern und Spendengeldern. Die Kombination ist abhängig von der Art der Dienstleistung und dem Träger der Dienstleistungseinrichtung (SCHNEIDER et al. 2006, S. 4). Das Pflegegeld deckt jedoch nur einen Teil der Kosten des vollbetreuten Wohnens. Der Rest muss aus dem eigenen Einkommen oder Vermögen bezahlt werden. Der Träger der Sozialhilfe kommt für die Differenz auf, sollte das Geld nicht bezahlt werden können. Der Bewohnerin bleibt nur ein geringer Anteil des Geldes, über den sie selbst bestimmen kann (FÜRSTL-GRASSER/OSTERMEYER 2009, S. 228).
Diese finanziellen Gegebenheiten begünstigen nicht gerade die Wahlfreiheit der Bewohnerinnen.
So werden selbst gewählte Freizeitmöglichkeiten außerhalb der Einrichtungen eventuell unerschwinglich. Fahrtendienste und andere Assistenzdienste sind womöglich für die Bewohnerinnen nicht leistbar, wären möglicherweise aber notwendig, um auch ein Leben außerhalb der Einrichtungen führen und Kontakte knüpfen zu können. Dies alles begünstigt soziale Ausgrenzung und beschränkt gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten. In Bezug auf die Sexualität bleiben durch die geringen finanziellen Eigenmittel, die den Bewohnerinnen zur Verfügung stehen, eventuell vorhandene Wünsche – wie der Wunsch nach sexuellen Hilfsmitteln oder die Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen – verwehrt.
Eine weitere Einschränkung ergibt sich durch die Regelung der Sachwalterschaft in Österreich. Diese begründet sich aus der Diskrepanz zwischen „Rechtsfähigkeit“ und „Handlungsfähigkeit“ von Menschen mit Lernschwierigkeiten im österreichischen Rechtssystem. Nach § 16 des AGBG hat jeder Mensch angeborene Rechte und ist als Person zu betrachten. Personen die „einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen“ stehen laut § 21 (1) ABGB unter einem „besonderen Schutz“ der Gesetze. Die Handlungsfähigkeit wird ihnen also gesetzlich abgesprochen und auf dritte Personen übertragen. Diese Regelung betrifft neben Kindern und allgemein Minderjährigen auch Frauen und Männer mit einer psychischen Beeinträchtigung oder mit Lernschwierigkeiten.
Es kann eine Sachwalterin bestellt werden, die die gesetzliche Vertretung für die Person mit Lernschwierigkeiten übernimmt. Meist kommt der Wunsch nach einer Sachwalterin von Angehörigen, Behörden oder psychosozialen Einrichtungen. Es kommt zu einem Sachwalterschaftsverfahren vor Gericht. Wird die Sachwalterin bewilligt (das können Angehörige, Sachwaltervereine, Rechtsanwältinnen oder Notarinnen sein), ist sie für alle Bereiche zuständig, für die die Person mit Lernschwierigkeiten als „nicht geschäftsfähig“ deklariert wurde. Das kann die Verwaltung von Einkünften, medizinische Maßnahmen, die Bestimmung des Wohnortes, die Ehefähigkeit und vieles mehr betreffen (BMJ 2011, S. 6- 17).
Wie aufgezeigt wird, gibt es einige rechtliche Hürden für Menschen mit Lernschwierigkeiten, die m. E. auch nicht mit einem hohem Assistenzbedarf zu rechtfertigen sind. Die Diskussion um das „Persönliche Budget“ und die „Persönliche Assistenz“ auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten – unabhängig vom Assistenzbedarf – ist eine brisante, und in Hinblick auf diese Arbeit von Bedeutung, da sie auch im engen Zusammenhang mit der Entfaltung von Sexualität stehen (vgl. hierzu Kapitel 5.7). Es sollen Wahlfreiheit und Chancengleichheit für alle Menschen gegeben sein, wenn sie diese in Anspruch nehmen möchten. Einschränkungen gegen den Willen einer Person oder das Vorenthalten von Informationen und Möglichkeiten, die die Lebenssituation von Menschen verbessern könnten, widerstreben den Menschenrechten und lassen sich mit keinem Gesetz rechtfertigen.
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ beginnt die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)“, die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen wurde. Obwohl die Durchsetzung der Menschenrechte in allen Erdteilen unzureichend ist, lässt sich eine tendenzielle Verbesserung erkennen. Viele gesetzliche Veränderungen beruhen oft auf der Anerkennung der Menschenrechte. Bezüglich Menschen mit Behinderung scheint es, als würden ihnen Menschenrechte weniger zuteil werden. Artikel 2 der AEMR erfasst die Gründe, nach denen nicht diskriminiert werden darf, was Behinderung nicht mit einschließt (SCHULZE 2009, S. 20). Die Autorin betont, dass Menschen mit Behinderung vielfach aus diesem Grund ihre Rechte lange Zeit verwehrt wurden (ebd.).
In vielen Resolutionen der UN Generalversammlung und auch anderen Beschlüssen internationaler Gremien waren lange Zeit Verweise auf Behinderungen unzureichend und beruhten auf einer Darstellung des medizinischen Modells, wie DEGENER und QUINN in einer Studie (2002) herausfinden konnten.
Laut SCHULZE werden in diesen Dokumenten Menschen mit Behinderung vielfach als „wohlfahrtsbedürftige ‚Objekte’ dargestellt, von Rechten in einer umfassenden Form ist nicht einmal die Rede“ (ebd., S. 21).
Am 13. Dezember 2006 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ („UN-Behindertenrechtskonvention“, „UN-Konvention“ oder auch „Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“) beschlossen (BMASK 2010, S. 1; SCHULZE 2009, S. 21).
In den Jahren 2007 und 2008 folgte eine Übersetzung ins Deutsche. Ratifiziert wurde in Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention im Sommer 2008. Seit 26. Oktober 2008 sind Bund, Länder und Gemeinden verpflichtet, die Konvention in Österreich umzusetzen (BMASK 2010, S. 1).
Die UN-Konvention wählt vor dem Hintergrund des sozialen Modells eine Definition von Behinderung, die erst durch die Wechselwirkung zwischen dem Menschen mit Beeinträchtigung und den Barrieren seiner Umwelt entstehen kann, wodurch die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft verhindert wird. Zweck des Übereinkommens der UN-Behindertenrechtskonvention ist es (…)
„(…) den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten (…)“ (Artikel 1).
Sie gliedert sich grob in die Abschnitte „Präambel“, „Generelle Bestimmungen“, „Barrierefreie & inklusive Menschenrechte“ und in die „Durchführungsbestimmungen“ (SCHULZE 2009, S. 22 f).
Die „Barrierefreien & inklusiven Menschenrechte“ unterteilen sich in „Personenschutzrechte“, „Selbstbestimmungsrechte“, „Recht auf Barrierefreiheit und Partizipation“, „Freiheitsrechte“ und „Wirtschaftliche und soziale Rechte“ (ebd.).
Artikel 12 fordert die „Rechts- und Handlungsfähigkeit“ für alle Menschen mit Behinderungen. Für die Ausübung der Rechte kann eine Unterstützung notwendig sein. Der Entscheidungsprozess darf jedoch nicht durch eine dritte Person ersetzt werden. Die Regelung der Sachwalterschaft widerspricht also klar den Forderungen der Konvention.
Die Liste der Widersprüche der UN-Konvention zur derzeitigen rechtlichen Lage in Österreich ist lang und soll hier auch nicht weiter ausgeführt werden. Von Bedeutung für diese schriftliche Arbeit sind im Zusammenhang mit der UN-Konvention die Artikel, die Anlass dazu geben, dass der Umgang mit diversen Themen rund um die Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten neu überdacht werden muss.
So zum Beispiel Artikel 16 „Freiheit vor Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch“ und Artikel 17 „Schutz der Unversehrtheit der Person“, wenn es um Gewalterfahrungen in Einrichtungen geht (vgl. hierzu Kapitel 5.6.9).
Artikel 6 „Frauen und Behinderungen“ verweist auf die erhöhte Gefahr von Diskriminierung, die eine Frau erfahren kann, wenn sie eine Behinderung hat. Im Zusammenhang mit der Sexualität ergibt sich für Frauen (und Männer) mit Lernschwierigkeiten durch Kindesabnahmen, ungewollte Verhütungsmaßnahmen, Schwangerschaftsabbrüche, Sterilisation und einer vermehrten Gefahr von sexuellen und sexualisierten Gewalterfahrungen ein gesteigertes Diskriminierungsrisiko (siehe hierzu auch Kapitel 5.4).
Artikel 19 fordert das Recht auf eine „Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft“. Unter anderem sollen Menschen mit Behinderung selbst entscheiden können, wo und mit wem sie leben wollen. Sie sollen nicht verpflichtet sein, in „besonderen Wohnformen zu leben“.
Dies ist eine „klare Absage an herkömmliche Einrichtungen, die ausschließlich der Betreuung von Menschen mit Behinderungen dienen“ (SCHULZE 2009, S. 23).
Aber auch Artikel 22 „Achtung der Privatsphäre“ muss Anlass dazu geben, bestimmte Umgangsweisen in Wohneinrichtungen neu zu überdenken. So können unverschließbare Türen, Gestaltungseinschränkungen bezüglich der Räumlichkeiten und allgemein wenige Rückzugsmöglichkeiten hinderliche Faktoren für eine sexuelle Entfaltung darstellen.
Artikel 23 „Achtung der Wohnung und der Familie“ soll Menschen mit Lernschwierigkeiten in Fragen von „Ehe“, „Familie“, „Partnerschaften“ aber auch „Elternschaft“ eine Gleichberechtigung garantieren (vgl. Kapitel 5.6.2 und 5.6.8).
Mit Artikel 24 anerkennen die Vertragsstaaten das „Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung“. Erwachsenenbildungsangebote, die zur Stärkung der Persönlichkeit und des Selbstbewusstseins beitragen können, identitätsförderlich sind und Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten rund um Themen der Sexualität unterstützen, sind also unverzichtbar (hierzu auch Kapitel 5.3).
Die Vertragsstaaten haben sich gegenüber den Vereinten Nationen verpflichtet, Berichte über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention anzufertigen. In Österreich wurde für die Überwachung der Konvention auf der Grundlage des § 13 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) ein Monitoringausschuss[12] eingerichtet.
Am 24. Juli 2012 wurde von der Österreichischen Bundesregierung ein „Nationaler Aktionsplan Behinderung 2012-2020“ (NAP Behinderung), der die UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich umsetzen soll (BMASK 2012), ins Leben gerufen.[13]
[8] Die Quellenangabe dieses und nachfolgender Gesetze siehe Gesetzesverzeichnis.
[9] STOCKNER (2011) fragt sich in diesem Zusammenhang, wie ein Konsens in Richtung Deinstitutionalisierung bestehen kann, wenn es keine Zahlen auf Bundesebene gibt, die aber notwendig wären, um abschätzen zu können, wie viele gemeinwesenorientierte Unterstützungssysteme es geben müsste (ebd., S. 6).
[10] Vom Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien gibt es seit 2008 ein Forschungsprojekt „Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung“, das noch bis 2013 läuft und vom österreichischen Wirtschaftsfond (FWF) gefördert wird.
Nähere Infos siehe URL: http://www.projektalice.org/wp-content/uploads/2011/04/Informationen-zum- Forschungsprojekt.pdf (Download: 12.4.2012); URL: http://vocational-participation.univie.ac.at/de/home/ (Download: 13.7.2012)
[11] Siehe hierzu FSW: URL: http://behinderung.fsw.at/beschaeftigung/beschaeftigungstherapie/index.html (Download: 12.4.2012); URL: http://behinderung.fsw.at/wohnen/ (Download: 12.4.2012) ; CGW §9 u. §12 (2)
[12] Zu den Tätigkeiten des Monitoringausschuss siehe URL: www.monitoringausschuss.at (Download: 3.7.2012).
[13] M. E. fehlen Vorschläge und Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Konvention für ALLE Menschen mit Behinderungen ohne rechtliche Einschränkungen und Benachteiligungen.
Inhaltsverzeichnis
Wohnen ist mehr als eine Problemlösung und auch mehr als nur ein Ort der Versorgung. Kaum jemand würde anzweifeln, dass die Fragen wie, wo und mit wem ich wohnen will, von jeder Person selbst entschieden werden müssen. Wohnen ist somit wesentlich für das Wohlbefinden und für die Lebensqualität, für die Beziehungsgestaltung, für Identität und Selbstbewusstsein (RAUSCHER 2005, S. 145).
Wohnen wird als menschliches Grundbedürfnis verstanden. Wesentliche Komponenten sind dabei:
-
„Streben nach Sicherheit, Schutz und Geborgenheit,
-
Wunsch nach Beständigkeit und Vertrautheit,
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Suche nach einem räumlichen Rahmen, der die Möglichkeit der Selbstverwirklichung bietet,
-
Bedürfnis nach Kommunikation,
-
Der Wunsch nach Selbstdarstellung (Demonstration von sozialem Status)“ (BMSG 2003, S. 193).
In einem deutschen Projekt „Weiterentwicklung von Wohnformen von Menschen mit Behinderungen“ aus den Jahren 2002/03 wurden Menschen mit Behinderung zu ihrer Lebenssituation, aber auch zu ihren Wünschen und Vorstellungen befragt (Auswertung von 318 Fragebögen). Die Projektergebnisse zeigen, dass Menschen mit Behinderung ähnliche oder gleiche Vorstellungen vom Leben haben wie Menschen ohne Behinderung (RAUSCHER 2005, S. 156).
Was ein gutes Leben ausmacht, wurde im Projekt wie folgt beantwortet:
-
In einem guten Leben gibt es Lebenspartner, Familienangehörige und auch Freunde. Es wird einem Anerkennung, Liebe und Zuneigung geschenkt.
-
Das Leben kann selbstbestimmt gelebt werden und ist ein „eigenes Leben“.
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Es gibt weder Besonderung noch Benachteiligung.
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Es ist ein Leben ohne Exklusion und bietet gleichberechtigte Chancen, Zugänge, Mittel und Ressourcen (ebd.).
RAUSCHER weist darauf hin, dass diese Vorstellungen und Wünsche bei der Entwicklung von Unterstützungsleistungen[14] berücksichtigt werden müssen, was „eine radikale Abkehr von gruppen- und institutionsbezogenem Denken erfordert“ (ebd.).
In Österreich gibt es die Unterscheidung zwischen Versorgungsmodell und dem gemeindenahen Modell, wenn es um angebotene Wohnformen für Menschen mit Lernschwierigkeiten geht. Beim Versorgungsmodell erfolgt die Unterbringung in einem Heim oder einer Institution, wo diverse Unterstützungsangebote bereitgestellt werden. Im gemeindenahen Modell ist es das Ziel, sich in gemeinwesenintegrierten Wohnformen zu verwirklichen. Diese Wohnformen sind zum Beispiel kleinere Wohnheime, platziert in der Stadt oder in der Gemeinde, damit sich die Bewohnerinnen in ihre Umgebung integrieren können (BMSG 2003, S. 193 f).
Jedoch der Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Behinderung alleine ist nicht entscheidend. So kann eine Wohneinrichtung auch mitten in einem Dorf errichtet sein und trotzdem sind die Menschen, die darin leben, nicht in die Gemeinschaft integriert. CLOERKES macht genau darauf aufmerksam, indem er ausführt, dass nicht die Häufigkeit, sondern die „Intensität des Kontaktes“ für die Entwicklung einer positiven Einstellung von Menschen ohne Behinderung gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten entscheidend ist, wobei die „Freiwilligkeit“ und auch die „Emotionale Fundierung“ eine wichtige Rolle spielen. Außerdem nennt er auch als günstige Bedingungen die „relative Statusgleichheit“ und die „Verfolgung gemeinsamer wichtiger Aufgaben und Ziele“ (2007, S. 146 f).
Die letzten zwei Bedingungen können aber m. E. nur schwer erreicht werden, wenn Menschen mit Lernschwierigkeiten sowohl in Institutionen leben und arbeiten als auch ihr soziales Netzwerk womöglich „nur“[15] auf Familie, Bewohnerinnen, Kolleginnen in der Tagesstruktur und Mitarbeiterinnen beschränkt ist.
Gemeinwesenintegriertes Wohnen kann aber auch die lebenspraktischen, kognitiven, sozialen und emotionalen Kompetenzen von Menschen mit Lernschwierigkeiten erweitern, was durch Fremdbestimmung verloren gegangene Fähigkeiten wiederherstellen, oder auch neue Kompetenzen hervorrufen kann, zum Beispiel durch die Erweiterung des Selbstkonzeptes (HALL 1999, S. 100).
Oft kann nicht selbst entschieden werden, wo und mit wem zusammengelebt werden möchte. Es gibt ein begrenztes Angebot und die meisten Wohnformen für Menschen mit Lernschwierigkeiten sind institutionell ausgerichtet. Viele wohnen auch noch im Erwachsenenalter im Elternhaus (SEIFERT 2006, S. 377 f) (vgl. hierzu Kapitel 5.6.2).
Die vollbetreute Wohnform ist eine von mehreren Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten, die durch Einrichtungen oder Dienste unterstützt wird[16].
Laut FSW richtet sich vollbetreutes Wohnen an Menschen, die Hilfestellungen im Alltag benötigen. Für manche kann diese Wohnform als Übergang zu einem selbstständigeren Leben, zum Beispiel in Form des „teilbetreuten Wohnens“, gedacht sein. Diese Wohnform wird durch eine Tagesstruktur ergänzt. Fast alle Wohngemeinschaften und Wohnhäuser sind ausschließlich mit Einzelzimmern ausgestattet. Die dortigen Leistungen beinhalten die Unterstützung in Haushaltsführung, Körperpflege, Sicherheit, Gesundheit, Mobilität, Finanzen, Bildung, Freizeit, sozialen Kontakten und vieles mehr. Unterstützung erfolgt rund um die Uhr.
Voraussetzungen für die Aufnahme sind:
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die Beteiligung an einer Tagesstruktur (Beschäftigungstherapie oder Arbeit),
-
die Begutachtung durch den FSW und Bewilligung der Förderung, die beantragt wurde,
-
der Hauptwohnsitz muss in Wien sein,
-
die Antragstellerin muss österreichische Staatsbürgerin sein, beziehungsweise EU-Bürgerin, Asylberechtigte oder eine Person mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung.[17]
Zur Anschauung und um einen Eindruck der Verteilung der Wohnplätze und ihrer Anbieter gewinnen zu können, eine Darstellung der Verteilung der 1430 vollbetreuten Wohnplätze in Wien aus dem Jahr 2006 (gefördert vom FSW):
In den letzten Jahrzehnten gab es diverse Veränderungen und die Wohnformen wandelten sich mit der Zeit. So weist SCHIRBORT darauf hin, dass sich in kaum einem anderen Bereich des Lebens eine solche Veränderung ergeben hat, wie im Bereich des Wohnens für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Seit dem Paradigmenwechsel und der Enthospitalisierung entstanden diverse neue Wohnformen (2007, S. 379).
Es muss aber bedacht werden, dass gerade ältere Menschen mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen von Hospitalisierungserfahrungen betroffen sein können. Vielfach gehen Hospitalisierungserfahrungen mit „erlernter Hilflosigkeit“ (SELIGMAN) einher. Die Ermittlung von Bedürfnissen kann bei den betreffenden Personen sehr schwierig sein. Viele haben es nicht gelernt, Wünsche und Interessen zu äußern. Autonomie war ihnen lange Zeit fremd. Durch langjährige Hospitalisierung (totale Betreuung, Isolation und Versorgung) kann das Selbst-Konzept schwer beschädigt sein. Es kann zu auffälligen Verhaltensweisen, Stereotypien und Zwangsritualen bis hin zur Selbstverletzung kommen THEUNISSEN 1998, S. 85 f).
Gerade im Zusammenhang mit der Sexualität sollte darauf geachtet werden, dass auch Menschen trotz „schwierigem“ oder „auffälligem“ Verhalten nicht vergessen werden. Darauf wird im Kapitel 5.5 näher eingegangen.
Zur Verdeutlichung der Situation in Österreich und Wien soll an dieser Stelle auf die „Enthospitalisierung“ näher eingegangen werden. M. E. ist es von großer Relevanz die (geschichtlichen) Zusammenhänge zu kennen, um ein besseres Verständnis für die aktuelle Situation von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten haben zu können.
Die frühere Situation (Verwahrung, Hospitalisierung) hat auch noch heute Einfluss auf den Umgang mit Menschen mit Lernschwierigkeiten. Seien es die oben beschriebenen Verhaltensweisen, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt (auch in Hinsicht Selbstbestimmung), als auch bestimmte (negative) Einstellungen gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten, die m. E. sicherlich auch zum Teil ihre Begründung in der jahrzehntelangen Verwahrung finden.
Enthospitalisierung bezieht sich im weiteren Sinne auf die Ausgliederung von Menschen mit Behinderungen oder chronischen psychischen Krankheiten, die nicht stationär behandlungsbedürftig und trotzdem in solchen Einrichtungen untergebracht sind, aus hospitalisierten Einrichtungen (wie Psychiatrien, Krankenhäusern oder klinisch organisierten Großeinrichtungen). Im engeren Sinn kann unter Enthospitalisierung die Aufhebung von Hospitalisierungsschäden durch am Normalisierungsprinzip orientierte sowie pädagogische, therapeutische und soziale Maßnahmen verstanden werden (THEUNISSEN 2007d, S. 95).
Hospitalisierung wird somit als negative Kategorie verstanden, „die sich auf Lebensbedingungen erstreckt, unter denen Bedürfnisse, Interessen und Rechte betroffener Menschen keine ausreichende Berücksichtigung finden“ (ebd.).
Der Begriff der „Enthospitalisierung“ soll laut THEUNISSEN vom Begriff der „Deinstitutionalisierung“ unterschieden werden[18]. Die Bezeichnung Enthospitalisierung wird nur im deutschsprachigen Raum verwendet, wobei Deinstitutionalisierung international gebräuchlicher ist (ebd.). Deinstitutionalisierung bezeichnet den Prozess der Abschaffung von Institutionen und die Auflösung ihrer typischen Strukturmerkmale wie Systemzwänge und Machtstrukturen (ebd. 2007c, S. 67).
In Österreich waren bis Ende der 1960er Jahre Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten zu einem großen Teil in großen Institutionen mit Anstaltscharakter untergebracht. Sie wurden dort „lediglich verwahrt“ auf „überfüllten Stationen mit unzureichender Personalausstattung“ (THEUNISSEN/LINGG 1999, S. 7).
Argumente für die Institutionalisierung waren (…)
-
„(…) das Krankheitsargument (geistige Behinderung galt als psychiatrische Krankheit)
-
das Pflegeargument (viele der Betroffenen galten als ‚bildungsunfähige Pflegefälle’)
-
das Schutzargument (zum einen ging es um den Schutz der Gesellschaft vor dem Betroffenen, zum anderen sollten die Betroffenen auch vor der Gesellschaft geschützt werden)
-
das Distanzargument (der Gesellschaft sollte der Anblick behinderter Menschen erspart bleiben)
-
das Überforderungsargument (ein Leben in der Gesellschaft wurden (sic!) den meisten der Betroffenen überhaupt nicht zugetraut)
-
das Kostenargument (eine Massierung Betroffener in großen Einrichtungen galt als die ‚billigste’ Form der Versorgung“ (ebd.).
Eine Veränderung der Verwahrung in Österreich wurde ab den 1960er Jahren durch diverse Medienberichte eingeleitet, die die Zustände in den Einrichtungen aufzeigten, aber auch durch die Elternorganisation „Lebenshilfe“, die nach Deutschland auch in Österreich langsam Fuß zu fassen begann. Der Umdenkprozess wurde in den kommenden Jahren immer stärker, woraufhin im Jahre 1979 ein Zielplan für die psychiatrische und psychosoziale Versorgung in Wien vom Wiener Gemeinderat beschlossen wurde, der auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten vorsah, dass sie schrittweise aus den psychiatrischen Abteilungen ausgegliedert werden (SCHMIDT 1993, S. 67-72).
„Die vielleicht weitreichendste Konsequenz bestand aber darin, dass Menschen mit geistiger Behinderung erstmalig in ihrer jüngeren Geschichte in der Öffentlichkeit als eigenständige Gruppe mit eigenen Bedürfnissen und Problemen angesprochen wurden“ (ebd., S. 72).
Es folgte in Wien die „Psychiatriereform von Gugging“ (vgl. hierzu ebd., S. 73). Diese Schritte leiteten Umstrukturierungen ein, wie zum Beispiel erste Versuche integrierter Wohnmodelle von „Jugend am Werk“ und „Lebenshilfe Wien“ in den 1970er Jahren. In den 1980er Jahren kam es zur Gründung eines gesamtösterreichischen Arbeitskreises im Rahmen des „Österreichischen Komitees für Sozialarbeit“ (ÖKSA), der in Zusammenarbeit mit Trägerorganisationen im Jahre 1987 eine Broschüre „Leitbilder zum Wohnen geistig behinderter Menschen in Österreich“, kurz „Leitbilder“, herausbrachte (ebd., S. 73-77).
„Diese Leitbilder können mit gutem Recht als das wesentliche Dokument in der neueren Geschichte für die Betreuung geistig behinderter Menschen in Österreich bezeichnet werden. Es wurden darin die grundlegenden Richtlinien für alle zukünftig zu treffenden Maßnahmen im Sinne des Normalisierungsprinzips festgelegt“ (ebd., S. 77).
Die Richtlinien der Leitbilder blieben aber in manchen Regionen ohne nennenswerte Folgen (ebd., S. 78).
Ein Jahr zuvor wurde 1986 in Wien ein Übereinkommen zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Wohnplätze für behinderte Menschen“ (ARGE-Wohnplätze) unterzeichnet. Das Ziel war die Schaffung von gemeinwesenintegrierten Wohnplätzen und eine Abkehr von Anstalten und Großheimen (ebd., S. 79 f).
Eine flächendeckende Enthospitalisierung wurde am 1. Jänner 1991 mit dem „Unterbringungsgesetz“ (UbG) eingeleitet. Im § 3 des UbG ist geregelt, dass in psychiatrischen Einrichtungen nur Menschen mit einer psychischen Krankheit untergebracht werden dürfen.
Durch den geschichtlichen Rückblick wird deutlich, dass die Anfänge der Enthositalisierungsdebatte noch nicht lange zurückliegen. Parallel dazu hat sich das „Normalisierungsprinzip“ in den Einrichtungen immer mehr etabliert.
Der Begriff der „Normalisierung“, wie er in diversen Zusammenhängen in Sozialwissenschaften diskutiert wird, leitet sich aus dem „Normalisierungsprinzip“ ab, das initiiert wurde durch den aus Dänemark kommenden BANK-MIKKELSEN und dessen Grundidee vom schwedischen Juristen NIRJE in acht Leitideen ausformuliert wurde. Diese Leitideen sollten die in den 1950er Jahren menschenunwürdige und kritikwürdige Unterbringung und Verwahrung von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten ändern und reformieren. Die Leitlinien wurden Basis diverser Evaluationsstudien. Weiterentwickelt wurden sie unter anderem von WOLFENSBERGER und THIMM (BECK 2006, BUNDSCHUH/LINDMEIER 2007).
Kaum ein anderer Reformimpuls im Behindertenbereich war nachhaltig so wirksam wie das Normalisierungsprinzip. „Ein Leben so normal wie möglich!“ war die Maxime, die vom Anfang an auf eine Veränderung der Lebens- und Unterstützungsbedingungen abzielte und nicht auf die Anpassung, Korrektur oder „Heilung“ der Menschen mit Lernschwierigkeiten (GRÖSCHKE 2007, S. 242).
NIRJE formulierte das Normalisierungsprinzip anhand von acht Bereichen: ein normaler Tagesrhythmus; Trennung der Lebensbereiche Arbeit und Wohnen; ein normaler Jahresrhythmus; der gesamte Lebenslauf soll so normal wie möglich sein; Wünsche und Willensäußerungen müssen berücksichtigt und respektiert werden; Leben in einer bisexuellen Welt soll möglich sein (keine getrennt geschlechtlichen Einrichtungen); normale wirtschaftliche Standards, um ein normales Leben führen zu können (zum Beispiel durch ein Mindesteinkommen); gleiche Maßstäbe für alle Einrichtungen (Behinderteneinrichtungen sollen die gleichen Standards haben wie Einrichtungen des Regelbereichs. Sie sollen nicht zu groß, aber auch nicht in abgelegenen Gegenden sein) (1974b, S. 34-38)[19].
Aber wie „normal“ ist das angeblich „Normale“ und was ist „normal“? Das Normalisierungsprinzip darf nicht missverstanden und unreflektiert aus den 1960er Jahren übernommen werden, indem versucht wird, die Lebensweise von Menschen mit Lernschwierigkeiten an die gesellschaftliche Wirklichkeit anzupassen. Denn als normal gelten in einer postmodernen Gesellschaft die „Pluralität der Lebensziele und- stile, die Individualität der Lebensentwürfe, die Entritualisierung der Lebensführung und die Auflösung traditioneller Lebenszyklen (…)“ (PITSCH 2006, S. 119).
Der Sinn des Normalisierungsprinzips in der heutigen Zeit besteht laut PITSCH in der Anerkennung der Gleichberechtigung in diversen Lebenslagen. Menschen mit Lernschwierigkeiten sollen, so weit wie ihnen möglich, über ihre eigenen Belange bestimmen können und gleiche Bürgerrechte haben wie nicht behinderte Menschen. Eine Behinderung darf nicht mit „Willenlosigkeit“ oder „Inkompetenz“ gleichgesetzt werden (ebd., S. 119 f).
„Selbstbestimmung ist, worum es im Leben überhaupt geht. Ohne sie kannst du am Leben sein, aber du würdest nicht leben, du würdest nur existieren“ (KENNEDY/LEWIN 2004).
Ein Statement mit viel Aussagekraft, das unweigerlich zum Nachdenken anregt. Vor diesem Hintergrund soll nun eruiert werden, was „Selbstbestimmung“ für Menschen mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen bedeuten kann.
SPECK (2007) beschreibt „Selbstbestimmung“ und „Autonomie“ wie folgt: Selbstbestimmung ist ein Ausdruck von Freiheit. Trotz sozialer Abhängigkeit sollte der Mensch die Fähigkeit entwickeln, sein Tun und Handeln selbst zu wählen. Er sollte sein Leben möglichst selbständig gestalten können, entsprechend den eigenen Interessen und Fähigkeiten. Die Forderung nach der Selbstbestimmung (auch) für Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten (und nicht nur für Menschen mit Körper- oder Sinnesbeeinträchtigungen, für die sie ursprünglich galt) entstand aus dem „Normalisierungsprinzip“ und aus der „Independent Living-Bewegung“[20]. Das Leben soll über das eigene Selbst, über eigene Erkenntnisse und Erfahrungen geführt werden können. Der eigene Wille spielt dabei eine Rolle. Selbständigkeit soll laut SPECK bei Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten jedoch nicht mit einem „weitgehenden Sich- selbst-Überlassen“ verwechselt werden (ebd., S. 300 f).
STEINER (1999) weist darauf hin, dass der Begriff der „Selbstbestimmung“ von der „Selbstständigkeit“ differenziert zu betrachten ist. „Selbstständigkeit“ bedeutet im Zusammenhang mit dem Behindertensystem ein Leben ohne fremde Hilfe. Selbstbestimmung wird im Sinne von „Autonomie“ betrachtet und ist das Recht eines jeden Einzelnen, sein Leben selbst ordnen zu dürfen. Es erfolgt daher eine deutliche Abgrenzung von Fremdbestimmung.
Abbildung 2. Möglichkeiten und Grenzen einer selbstbestimmten Lebensführung

(HÄUSSLER/WACKER/WETZLER 1996, S. 56).
Selbstbestimmung in Einrichtungen heißt für die Bewohnerinnen ganz allgemein, dass ihre Äußerungen und Bedürfnisse wahrgenommen werden. Es gibt echte Wahlmöglichkeiten und selbstbestimmte Entscheidungen werden zugelassen (BRADL 1994, S. 363). Die strukturellen Grenzen für Selbstbestimmung in Wohneinrichtungen liegen laut BRADL im „strukturellen System“, das heißt
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in der institutionellen Struktur (geringe Einflussnahme auf die Wohnmöglichkeiten usw.),
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in den institutionellen Denksystemen (Träger-Philosophien, Interessen, Haltungen und Einstellungen die durch die Institution geprägt sind, wie zum Beispiel das Interesse an der lebenslangen Förderung),
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im alltäglichen und professionellen Handeln (zum Beispiel durch Übertragung persönlicher Lebensmuster und Vorstellungen auf die Bewohnerinnen) und
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in den institutionstypischen Beziehungssystemen (Beziehungsmuster und –rollen zwischen den einzelnen Systemen; also zwischen Wohngruppe, Eltern, Team, Bewohnerinnen usw., die bestimmte Loyalitäten fordern) (ebd., S. 365-374).
HALL unterscheidet zwischen „externen“ und „internen Rahmenbedingungen“, die im Erwerb von Kompetenzen eine große Rolle spielen können. Externe Rahmenbedingungen sind zum Beispiel die „Möglichkeit der Nutzung gemeindenaher Ressourcen“. Als interne Ressourcen können Rahmenbedingungen innerhalb der Wohneinrichtungen genannt werden, wie die Möglichkeit von „Privat- und Intimsphäre“ und „Gestaltungsmöglichkeiten“ beziehungsweise „Mitspracherecht von Tagesstrukturen“. Individuelle Unterstützung, die Kompetenz fördert, wäre unter anderem „achtvoller Umgang miteinander“ und die „Vermeidung von Gewalt und Unterdrückung“, „Wahlmöglichkeiten und Freiräume im Alltag“ haben zu können, „Privatsphäre zugestehen“, „Mitbestimmungsrechte einräumen“, den „eigenen Wohnraum gestalten“ zu können und die „Verfügung über Eigentum“ zu gewährleisten (ebd., S. 101 f).
In diesem Zusammenhang muss überlegt werden, ob die Kompetenzen, die in Folge auch wichtig für eine Selbstbestimmung sind, durch die vollbetreute Wohnsituation erreicht werden können. Viele Faktoren sprechen dagegen, denn neben strukturellen Abläufen, die Mitsprachrecht und Selbstbestimmung erschweren (zur „sekundären sozialen Behinderung“ siehe Kapitel 5.2), kann es auch sein, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten sich schwer damit tun, diese Kompetenzen überhaupt zu leben, auch wenn sie die Möglichkeit dazu hätten, was beispielsweise durch die Hospitalisierungserfahrungen begünstigt wird.
In diesem Sinne kann also in einer vollbetreuten Wohneinrichtung nicht von Selbstbestimmung gesprochen werden. Es geht hier eher um die Frage der Mitbestimmung im vorgegebenen Rahmen und wie weit diese möglich ist.
Finanzierungsträger von Einrichtungen weiterer Angebote für Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten bringen inhaltliche Vorstellungen über die Wohn- und Unterstützungssituation mit ein. Das beschränkt die Gestaltungsfreiheit von Einrichtungen in vielfacher Weise. Daraus resultieren für die Bewohnerinnen Abhängigkeiten und Fremdbestimmungen durch die Vorstellung der Finanzierungsträger und der (Wohn-) Einrichtungen (WOHLHÜTER 1996, S. 354 f).
Wahlmöglichkeiten für Bewohnerinnen von Einrichtungen sollten sowohl in großen Fragen gegeben sein (wie zum Beispiel: „Will ich in dieser Einrichtung wohnen?“), aber auch in alltäglichen Entscheidungen, wie in der Frage nach der Raumgestaltung, Speiseplangestaltung, Freizeitgestaltung und dergleichen (ebd., S. 358 f).
Aktuell ist dies aber größtenteils nicht der Fall. So schreibt WOHLHÜTER:
„Mir ist nicht bekannt, in wie vielen Einrichtungen die Möglichkeit besteht, daß behinderte Menschen ihre Mitarbeiter/-innen wählen können. Wenn wir allerdings Selbstbestimmung ernst nehmen, müsste die Mitsprache von Heimbewohner/-innen bei der Personalbesetzung auch möglich sein“ (ebd., S.359).
Zusätzlich können festgeschriebene Heimordnungen das Leben der Bewohnerinnen reglementieren (NIEHOFF 2005).
Die Nachfrage an Wohnplätzen für Menschen mit Lernschwierigkeiten ist in der Regel größer als das Angebot. In der Situation eines „deutlichen Ungleichgewichts“ müssen sich Träger von Einrichtungen keine Sorgen machen, dass ihre Angebote nicht genügend ausgelastet wären. Dies erlaubt ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit seitens der Einrichtungsträger. Würde mehr Konkurrenz am Markt vorherrschen, müssten sich auch Trägereinrichtungen noch stärker als bisher Gedanken zur Qualität der Einrichtungen machen, um der entstehenden Konkurrenzsituation entgegenwirken zu können (ebd., S. 198 f).
„Feststehende, im wahrsten Wortsinn immobile Konzepte mit einem ausgefeilten institutionellen Rahmen führen häufig dazu, dass sich Menschen mit Behinderung diesen Bedarfen anzupassen haben“ (ebd., S. 199).
Mit „Konkurrenzangeboten“ sind in diesem Kontext Angebote gemeint, die dem bisherigen traditionellen Hilfesystem entgegenstehen, indem sie dem Menschen mit Lernschwierigkeiten mehr Entscheidungsfreiheiten bieten. Dies kann durch das „Persönliche Budget“ oder durch die „Persönliche Assistenz“ erreicht werden (ebd.).
Die Lebensqualität der Bewohnerinnen in vollbetreuten Wohneinrichtungen steht in Wechselwirkung mit
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der konzeptionellen Arbeit in den Gruppen
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den Einstellungen der Mitarbeiterinnen
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den professionellen Kompetenzen der Mitarbeiterinnen
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und deren Arbeitszufriedenheit (SEIFERT 2001a, S. 303)
Die Arbeitszufriedenheit wird beeinflusst durch „strukturelle Bedingungen“ und durch „personenbezogene Bedingungen“. Die strukturellen Bedingungen umfassen die Räumlichkeiten, sowie Größe und Struktur einer Gruppe. Außerdem ist beispielsweise die Personalsituation von Bedeutung. Die Arbeitszufriedenheit hängt zusammen mit den personenbezogenen Faktoren (zum Beispiel Persönlichkeitsmerkmale und lebensgeschichtliche Erfahrungen) (ebd.).
Belastend kann sich auswirken, dass eine Diskrepanz zwischen dem professionellen Anspruch und der Realität gegeben sein kann. Aus strukturellen und personellen Gründen können Ansprüche häufig nicht in die Tat umgesetzt werden, was die Lebensqualität der Bewohnerinnen beeinflusst (ebd., S. 310).
Mitarbeiterinnen in Institutionen der Behindertenhilfe sollen sich trotz belastender Faktoren bewusst sein, dass sie den Menschen in vollbetreuten Wohneinrichtungen strukturell überlegen sind.
So schreibt HERRIGER (2010):
„Die Ungleichstellung der Macht zwischen beruflichem Helfer und Klient, das systematische Gefälle von Kompetenz und Nicht-Kompetenz, ist ein konstruktives Element einer jeden helfende Beziehung“ (ebd., S. 218).
Demzufolge hat die „berufliche Helferin“ die Macht über die „Kontrolle des Zugangs zu institutionellen Ressourcen (…) die Gewährung, den Zuschnitt, den Umfang und die Grenzen der Dienstleistungen“. Sie haben die „Definitionsmacht“, nämlich die Macht, die „zur Verhandlung anstehende Wirklichkeit“ definieren zu können, wie zum Beispiel die „Definition von Situation, Persönlichkeit und Lebensgeschichte“. Außerdem habe sie „Beziehungsmacht“, denn sie gestalten das formale Setting der Beziehungsarbeit und die geltenden Regeln der Kommunikation (ebd., S. 219)[21].
Diese „Macht“ muss auch bezüglich der Sexualität mitgedacht werden. So hängt es auch ein Stück weit von den Mitarbeiterinnen ab, inwiefern sich die Bewohnerinnen in ihrer Sexualität entfalten können (soweit es die strukturellen Grenzen zulassen).
Damit die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen gegeben ist, sollte der Personalschlüssel ausreichend bemessen sein. Ein gut funktionierendes Team, das sich gegenseitig wertschätzt und sich unterstützt, ist notwendig. Die Sinnhaftigkeit der Arbeit muss für die einzelne Mitarbeiterin gegeben sein. Aber auch fachlicher Austausch und Unterstützung von externen Professionellen inklusive ausreichender Fortbildungsangebote und Supervision, denn dies trägt wesentlich dazu bei, dass die Mitarbeiterinnen ihre Arbeit qualifiziert leisten können (hierzu auch SEIFERT 1997, S. 357 f).
Ängste und Befürchtungen bezüglich sexueller Themen der Bewohnerinnen müssen zugelassen werden und Platz haben (dürfen). Dies setzt voraus, dass sie auch zur Sprache gebracht werden, womit ein erster Schritt in Richtung Enttabuisierung getan würde. Dabei ist es wichtig, sich selbst abgrenzen zu können und sich auch nicht in Bedrängnis zu fühlen, etwas tun zu müssen, das einem unangenehm ist. Gerade beim Thema Sexualität kann diese Grenze schnell überschritten werden.
[14] „Betreuung“, „Begleitung“ „Unterstützung“ und „Assistenz“ werden oft als Synonyme für die professionelle Arbeit in Wohneinrichtungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten verwendet. Der Begriff „Betreuung“ ist jedoch seit der Selbstbestimmungsdebatte immer mehr unter Kritik, da er die Helferinnenrolle betont und Fremdbestimmung, subtile Gewalt und Verdinglichung der Betroffenen impliziert (THEUNISSEN 2007b, S. 49). Laut THEUNISSEN ist auch der Begriff „Begleitung“ nicht ganz passend, da es die Gefahr in sich birgt, zu einer „unreflektierten professionellen Beliebigkeit“ verleitet zu werden (2007a, S. 43). Der Begriff „Betreuung“ soll also in dieser Diplomarbeit vermieden werden. Allerdings ist eine unreflektierte Übernahme anderer Bezeichnungen auch nicht akzeptabel. Wird von „Teilhabe“, „Selbstbestimmung„ oder „Assistenz“ im Zusammenhang mit betreuten Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung gesprochen, stößt man schnell auf Kritik (BRADL 2005, S. 190).
Der Assistenzbegriff muss bei seiner ursprünglichen Bedeutung bleiben und darf nicht „inhaltsentleert für den im alten Behindertenhilfesystem verankerten Profi eingesetzt werden“ (STEINER 1999). STEINER meint damit die Funktion der Assistenz, nämlich dass der Mensch mit Behinderung Arbeitgeber ist und die professionell Tätigen die Arbeitnehmerinnen: „Es werden die Verhältnisse auf den Kopf gestellt, um den Betroffenen Selbstbestimmung zu ermöglichen“ (ebd.). Dieser Begriffsproblematik bewusst, werden trotz allem „Unterstützung“ und „Assistenz“ in dieser Diplomarbeit abwechselnd und als Synonyme benutzt. Die „Assistenz“ ist in diesem Kontext aber klar von der „Persönlichen Assistenz“ abzugrenzen.
[15] Das „nur“ soll keine Bewertung darstellen. Es gibt mit Sicherheit auch Menschen, denen diese Netzwerke reichen. Bedenklich wird es m. E. jedoch, wenn es keine Alternativen gibt, diese aber erwünscht sind. Zur Bedeutung sozialer Netzwerke siehe KARDORFF 1999.
[16] Bei Durchsicht mehrerer Wohnanbieterinnen auf der Seite des FSW für Menschen mit Lernschwierigkeiten konnten folgende Dienste neben dem „vollbetreuten Wohnen“ ausfindig gemacht werden: „Teilbetreutes Wohnen“, „Wohntraining/Trainingswohnen“, „Ambulant begleitetes Wohnen“, „Mobile Dienste“ und „Persönliche Assistenz“.
[17] URL: http://behinderung.fsw.at/wohnen/vollbetreutes (Download: 3.5.2012)
[18] In der Fachliteratur werden diese oft als Synonyme verwendet.
[19] WOLFENSBERGER entwickelte das Konzept weiter, indem er aus der Idee von NIRJE ein Bewertungssystem für Dienstleistungen entwickelte. Das Programm PASS (Programm Analysis of Service Systems) als von WOLFENSBERGER und einer Studentin entwickeltes Bewertungssystem fand weite Verbreitung (ebd., S. 251 f). Er betont die Bedeutung der sozialen Rolle, überarbeitet das Konzept von NIRJE grundlegend und spricht von der „Aufwertung (Valorisation) der sozialen Rolle“. Er versteht darunter den „Einsatz kulturell positiv bewerteter Mittel mit dem Ziel, Menschen eine positive bewertete Rolle zu ermöglichen, sie zu entwickeln, zu verbessern und/oder zu erhalten“ (ebd., S. 252). Er stellt weiters fest, dass für die Aufwertung und Erhaltung der sozialen Rolle, das Image und die Kompetenz eine Rolle spielen (ebd., S. 253). Ein Modell mit verschiedenen Handlungsebenen der Interaktion und Interpretation in unterschiedlichen Systemen und Vorschläge zur Konkretisierung der Unterteilung WOLFENSBERGERS siehe BIEWER (2009, S. 120 f).
[20] Menschen mit Behinderung können sich auch selbst vertreten und für sich selbst sprechen, wie diverse Selbstvertretungsgruppen zeigen. Der Begriff „Empowerment“ aus den USA spielt hier eine wesentliche Rolle und kann vereinfacht mit „Selbstermächtigung“, „Selbstbefähigung“ oder „Selbstbemächtigung“ übersetzt werden. Dahinter steht aber ein sehr komplexes Gebilde (THEUNISSEN 2006, S. 81). Die „Stärken-Perspektive“ (SALEEBY 1997, zit. nach THEUNISSEN 2006) steht hierbei im Vordergrund, nämlich sowohl individuelle Stärken (Potential, Fähigkeiten, Talente) als auch soziale Ressourcen im Sinne von informellen Unterstützungssystemen (haltgebende, entwicklungsfördernde und schützende). Diese Stärken sollen zu seiner Selbstbefähigung ermächtigen. Das Fundament der Empowerment-Bewegung bilden folgende nötige Grundeinsichten:
Der Defizit-Blickwinkel soll überwunden werden und die Akzeptanz eines So-Seins gegeben sein. Die Menschen mit Behinderung sollen ihren individuellen und sozialen Ressourcen vertrauen. Der Respekt vor der Sicht der Anderen und den von ihnen getroffenen Entscheidungen muss gegeben sein. Unkonventionelle (das heißt nicht alltägliche, beziehungsweise ungewöhnliche) Lebensentwürfe müssen von der Gesellschaft akzeptiert werden. Auf etikettierende, entmündigende und denunzierende Expertinnenurteile soll verzichtet werden. Es wird sich an der Bedürfnis- und Interessenslage sowie an der Lebenszukunft der betroffenen Personen orientiert (vgl. ebd., S. 81 f).
[21] WEIK (1982) spricht in diesem Kontext auch noch von der „Macht-Falle“. Dies sind Störungen im Umgang miteinander, die überall dort entstehen können, wo die „berufliche Helferin“ auf der einen Seite und die „Hilflosigkeitpräsentationen der Adressatinnen“ auf der anderen Seite zusammentreffen (HERRIGER 2010, S. 219). HERRIGER berichtet von einer Mitarbeiterin einer Beratungsstelle, die von der „stillen Verführung zur Machtausübung“ spricht (ebd.).
Inhaltsverzeichnis
- 5.1 Begrifflichkeit der Sexualität – eine Annäherung
- 5.2 Zur geschichtlichen Entwicklung bis zur Gegenwart
- 5.3 Beratungs- und Fortbildungsangebote
- 5.4 Geschlecht und Sexualität
- 5.5 Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten und hohem Assistenzbedarf
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5.6 Relevante Themen für vollbetreute
Wohneinrichtungen
- 5.6.1 Zur Erwachsenensexualität und dem Dilemma der Infantilisierung
- 5.6.2 Die Rolle der Eltern und die Ablösung vom Elternhaus
- 5.6.3 Liebe und Partnerschaft – Heirat?
- 5.6.4 Homosexualität – ein Tabu im Tabu
- 5.6.5 Sexualassistenz und Sexualbegleitung
- 5.6.6 Sterilisation
- 5.6.7 Verhütung
- 5.6.8 (Unerfüllter) Kinderwunsch
- 5.6.9 Sexuelle und sexualisierte Gewalt
- 5.7 Wege in die selbstbestimmte Sexualität
Was genau „Sexualität“ ist, lässt sich nur schwer definieren. In sexualpädagogischer und sexualwissenschaftlicher Literatur finden sich etliche Definitionsversuche. In eine einheitliche Definition lässt sich aber die Vielfältigkeit des Menschen kaum fassen (ORTLAND 2008, S. 16; SIELERT 2005, S. 37).
SIELERT (2005) bezeichnet es als „systematischen Definitionsversuch“ wenn er „Sexualität“ begreift (…)
„(…) als allgemeine, auf Lust bezogene Lebensenergie, die sich des Körpers bedient, aus vielfältigen Quellen gespeist wird, ganz unterschiedliche Ausdrucksformen kennt und in verschiedenster Hinsicht sinnvoll ist“ (ebd., S. 41).
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Sexualität als allgemeine auf Lust bezogene Lebensenergie
Lange Zeit wurde diese Lebensenergie als eine treibende organische Basis beschrieben, die aus der Psychoanalytik als „Trieb“ bekannt ist. Der Triebbegriff hat zumeist ein bestimmtes Sexualverhalten legitimiert, das hauptsächlich männlich gedacht war. Es wurde immer wieder versucht, die Sexualität auf einen natürlichen Kern zu reduzieren, was Fragen in den Raum stellte, ob dieses oder jenes Sexualverhalten natürlich sei oder nicht (ebd., S. 41 f).
SIELERT versucht mit der Bezeichnung der Sexualität als „Lebensenergie“, das Dramatische aus der Sexualität zu nehmen (wird sie mit dem Trieb in Verbindung gebracht). Andererseits soll diese Bezeichnung aber auch vor Begriffen wie „Verhalten“, „Motivation“ oder „Kommunikation“ bewahren, die oft mit der Sexualität in Verbindung gebracht werden, welche laut SIELERT augenscheinlich wissenschaftlich korrekter klingen, jedoch zur „Entsexualisierung“ beitragen (ebd., S. 44).
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Sexualität bedient sich des Körpers
Sexualität ist laut SIELERT ohne den Körper nicht zu denken und wird mit Geschlechtsorganen, erogenen Zonen, muskulärer Spannung und Entspannung, Hormonen und dem Gehirn, das diverse Funktionen steuert, in Verbindung gebracht (ebd.).
„Im sexuellen Handeln kommt ans Tageslicht, wie wenig die Menschen bloß aus Interessen und Vernunft bestehen, wie sehr Gefühl und Leib, wie Erregung und Begierde an allem mitwirken. In kaum einem anderen Bereich als in der Sexualität stoßen die Dimensionen Leib als beseelter Körper, Gefühl und Gedanke so prekär zusammen – eine wissenschaftliche und vor allem sozialpädagogische Herausforderung sondergleichen“ (ebd., S. 45).#
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Sexualität wird aus vielen Quellen gespeist
Die allgemeine Lebensenergie kann sich aus vielen Faktoren, wie Wünschen, Sehnsüchten, Affekten und Konflikten bedingen. Sie ist vielfältig kulturell durchsetzt und hängt mit individuellen Lernprozessen zusammen. Die Sexualität lässt sich laut SIELERT nicht ohne die Gesamtpersönlichkeit betrachten, denn „die Unterschiede im sexuellen Begehren ließen sich durch eine universell gespeiste und Lust aktivierende allgemeine Lebensenergie nicht erklären“ (ebd.). Aber auch die sexuelle Energie speist umgekehrt verschiedene Funktionen und Lebensbereiche (ebd., S. 48).
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Sexualität kennt ganz unterschiedliche Ausdrucksformen
Sie kann somit nicht auf die Genitalität beschränkt werden. Zärtlichkeit, Leidenschaft, Ergriffensein, Erotik, Sensualität, Ekstase und vieles mehr, aber auch Sexualität und Gewalt spielen zusammen und sind nie völlig voneinander zu trennen (ebd., S. 48).
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Sexualität ist in verschiedenster Hinsicht sinnvoll
SIELERT versteht in diesem Zusammenhang „Sinn“ nicht als moralische Kategorie, sondern als Funktion, die Sexualität erfüllt. So dient sie der Fortpflanzung, der Lust, kann Beziehungsstiftend sein und hat eine Identitätsfunktion, denn eine Persönlichkeit kann durch sie ergänzt, zusammengehalten oder erhalten werden. (ebd., S. 49 f).
„Sexualität ermöglicht das Geben und Nehmen von Selbstbestätigung als Bedingung zur Selbstliebe und als Voraussetzung, auch andere in ihrem Selbst zu achten. Diese Identitätsfunktion von Sexualität macht deutlich, wie unsinnig es ist, bestimmte Ausdrucksformen und Lebensweisen bei den Menschen zu diskriminieren, weil sie nichts mehr mit Fortpflanzung zu tun haben so z.B. die Kindersexualität, Sexualität im Alter, Masturbation und Homosexualität“ (ebd., S. 51 f).
Der Behauptung von HENSLE und VERNOOIJ (2002) kann zugestimmt werden, dass das Recht auf Sexualität Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten kaum mehr abgesprochen wird. „Form und Ausmaß der Inanspruchnahme dieses Grundrechts, scheinen jedoch ungeklärt wie eh und je“ (ebd., S. 293). Um diese Aussage besser nachvollziehen zu können, scheint an dieser Stelle ein kurzer geschichtlicher Rückblick angebracht.
Der Begriff Sexualität wird erstmals in einem Buch über Pflanzen erwähnt. Der Botaniker August HENSCHEL teilt 1820 in seinem Buch „Von der Sexualität der Pflanzen“ die Pflanzen in weibliche und männliche, was lange Zeit eine biologisch-medizinische Betonung der Sexualität mit sich brachte (ORTLAND 2008, S. 15).
Im 19. Jahrhundert galt das wissenschaftliche Interesse sexuellen Verhaltensweisen, die als unnatürlich und abnormal bezeichnet wurden, so genannten Perversionen (Onanie war eine davon). Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wird dem Thema Sexualität eher mit Zurückhaltung und Ablehnung begegnet. Die Psychoanalyse und die 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts trugen dazu bei, dass das Thema liberalisiert wurde (MÖSLER 2002, S. 40 f).
Trotzdem ist auch gegenwärtig das Thema noch immer stark tabuisiert und häufig mit Scham und Schuldgefühlen verbunden. Das betrifft auch die Wissenschaftlerinnen, die durch kulturelle Prägungen beeinflusst sind, was sich darin zeigt, dass das Thema Sexualität noch immer als Randthema betrachtet wird (ebd., S. 39).
„Es stellt sich die Frage, wie weit eine objektive Betrachtung der Sexualität überhaupt möglich ist. Jedenfalls besteht mehr als bei jedem anderen Thema die Gefahr – auch ganz ungewollt und unbewusst – Aussagen auf der Basis eigener sexueller Wertvorstellung (…) zu machen“ (ebd.).
Bis Ende der 1960er Jahre war Sexualität in Zusammenhang mit Behinderung ein absolutes Tabuthema. Das hatte einerseits mit der Tabuisierung der Sexualität im Allgemeinen zu tun, andererseits kann das auf eugenische Gründe (die Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben) zurückgeführt werden. Da Sexualität primär der Kinderzeugung diente[22], wurde aufgrund der Gefahr der Reproduktion der Behinderung Sexualität für Menschen mit Behinderung quasi verboten. Sterilisation von Frauen mit Lernschwierigkeiten war die Regel. Das Aufkommen der Verhütungsmittel hatte seinen Anteil bei der Enttabuisierung des Themas (ZEMP 2008, S. 20).
„Dennoch gibt es im aufgeklärten Europa nach wie vor Heime – vor allem für Menschen mit geistiger Behinderung – in denen Paare nicht zusammen sein dürfen (…) eine unverschämte Machtdemonstration gegenüber Menschen die aus irgendeinem Grund abhängig sind (…) Das hat zur Folge, dass Betroffene Sexualität oft nur auf eine höchst unwürdige Art ausleben können“ (ebd.).
Die Umsetzung des Normalisierungsprinzips führte ebenfalls zu einer verstärkten Hinwendung zum Thema Sexualität, da, wie bereits angeführt, viele Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten zu diesem Zeitpunkt in Heimen unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mussten und oft die getrennt geschlechtliche Unterbringung als sichere Form der Verhütung galt, was ab dem Zeitpunkt der gemischtgeschlechtlichen Unterbringung nicht mehr als Argument durchging (WALTER 2008c, S. 16 f).
In Folge von internationalen Kongressen entstanden die ersten Fachpublikationen, die Anfang der 1970er Jahre auch im deutschsprachigen Gebiet zu Publikationen der Behindertenpädagogik führten.
Der Mittelbereich von SPORKEN wurde in die Thematik aufgenommen. Es wurde allgemein angenommen, dass dieser Bereich der einzig präsente im Leben von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten bezüglich ihrer Sexualität sei (ebd., S. 17 f).
„Der Mittelbereich der Sexualität, das heißt die Ausdrucksformen von Beziehungen durch das Schenken menschlicher Wärme und Geborgenheit, Zärtlichkeit, Liebkosungen, Streicheln ist der wichtigste Bereich unserer Geschlechtlichkeit“ (SPORKEN 1980, S. 19 f).
Von SPORKEN wird Sexualität durch ein Drei-Stufen-Schema in Bereiche geteilt. In:
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die „allgemein – menschliche Beziehung“
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den „Mittelbereich“ (Zärtlichkeit, Sensualität, Erotik)
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die „Genitalsexualität“ (HENSLE/VERNOOIJ 2002, S. 294).
Jedoch wurde laut WALTER (2008c) der Moraltheologe missverstanden, indem der Mittelbereich dem Genitalbereich übergeordnet wurde. Wer den Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten auch Genitalsexualität zugestehen wollte, bekam es mit massivem Widerstand zu tun (ebd., S. 18).
Hier fließen einige unbegründete Moralvorstellungen mit ein und Vorstellungen darüber, was zur „wahren“ Sexualität gehört und wie sie für jemanden angemessen sei. „Genitale Sexualität“ wird mit „reifer Sexualität“ in Verbindung gebracht, die vielen Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht zugetraut wurde und auch gegenwärtig oft nicht zugetraut wird (HERRATH 2010, S. 11).
Nicht unüblich war der Versuch der medikamentösen Unterdrückung[23] von sexuellen Bedürfnissen. So schreibt HOLZINGER (1984):
„Der Aufbau einer Schlafhygiene (medikamentöse Bekämpfung von Einschlafstörungen, hartes Lager, Vermeidung sexueller Erlebnisse vor dem Einschlafen) wirkt der Onanie am Abend entgegen; durch ständige Beschäftigung und medikamentöse Reduktion sexueller Spannungen mittels gefahrloser Androgene (…) wird dies während des Tages erreicht“ (ebd., S. 307).
Die Unterdrückung sexueller Bedürfnisse führt zu einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität und kann auch viele psychosomatische Erkrankungen und Störungen hervorrufen (MÖSLER 2002, S. 49).
Anfang der 1990er Jahre wurde HIV und AIDS auch im Behindertenbereich thematisiert. Es drohte ein Rückschritt in der bis dahin erreichten Enttabuisierung der Sexualität durch die wiederkehrende Forderung, Sexualität von Frauen und Männern müsse nun wieder stärker unterbunden werden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde durch die Sterilisation die Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten eher befürwortet. Sterilisation verhindert Nachwuchs, kann jedoch nicht eine HIV-Infizierung vermeiden, was viele Mitarbeiterinnen in Wohneinrichtungen verunsicherte. Aus Angst vor HIV und AIDS wurden viele Hausordnungen und Heimkonzeptionen wieder sexualfeindlicher gestaltet. Jedoch konnte der Diskurs dahingehend gelenkt werden, dass aktive Sexualpädagogik, - andragogik und Sexualberatung eine sinnvolle AIDS-Prävention darstellen (WALTER 2008, S. 19).
Im Zusammenhang mit der Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten ergeben sich drei typische Vorurteile, die auch gegenwärtig noch einen gewissen Einfluss auf den Umgang mit diesem Thema haben:
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„Das unschuldige Kind“, womit zugleich die Sexualität verdrängt wird. Gerne werden Erwachsene mit Lernschwierigkeiten als „unverdorbene und geschlechtslose große Kinder“ wahrgenommen.
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„Der Wüstling“, der sich durch animalische Befriedigung jederzeit und überall sexuellen Handlungen hingeben muss. Eine sozial akzeptable Weise der Sexualitätsbefriedigung wird nicht zugetraut. In diesem Zusammenhang steht auch die Warnung keine „schlafenden Hunde“ zu wecken.
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„Der klebrige Distanzlose“, der sich „distanzlos“, „unbeherrscht“ und „triebhaft“ an alles und jeden heranmacht. (Nonverbale) Kommunikationsformen werden womöglich missverstanden und falsch interpretiert. (WALTER 2005b, S. 32 f).
Auch MATTKE (2004) publiziert eine Auflistung von Mythen über die Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten, die in einer Fortbildung von Mitarbeiterinnen von Behinderteneinrichtungen zusammengetragen wurden. Unter anderem nennt sie: „extreme Schamlosigkeit“, „ständiges Onanieren“, „Distanzlosigkeit“, „reduzierte Sexualität auf die Triebbefriedigung“ und „häufiges Partnerwechseln“ (ebd., S. 47).
Es gibt nicht „die Behinderung“ und auch nicht „die Sexualität“. Es gibt immer nur konkrete Menschengeschichten. Es besteht jedoch eine Tendenz dahingehend, dass der Mensch und seine Sexualität vorrangig über seine etikettierende Behinderung zu definieren versucht wird (HERRATH 2010, S. 7).
Es gibt laut HERRATH (2010) aber mittlerweile mehr sexualfreundliche Fachaufklärungen und immer häufiger konzeptionelle Bemühungen, dass das Bedürfnis nach Sexualität in Einrichtungen anerkannt und begleitet wird. Die UN-Konvention hat sowohl rechtliche als auch gesellschaftliche Konsequenzen für ein, auch auf die Sexualität bezogenes, selbstbestimmtes Leben (ebd., S. 4).
Sexualität ist ein Thema; und es ist gesellschaftlich gesehen ein Thema.
„Es hat – auch in der Behindertenhilfe – aufgehört, ein Tabu zu sein. Dieser Berg ist genommen. Aber nun erwarten uns die Mühen der Ebenen“ (ebd.).
Sexualitätsbezogene Angebote für Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten in Einrichtungen der Behindertenhilfe sind weder selbstverständlich noch alltäglich. Es wird nicht bezweifelt, dass Sexualität ein ernstzunehmendes und bedeutsames Thema ist, die Gefahr besteht aber, dass das Thema in der „Anforderungs- und Themenfülle des institutionellen Alltags“ untergeht (ebd.).
Für HERRATH stehen einer sexualitätsbezogene Behindertenhilfe folgende Hindernisse gegenüber:
„Über Jahrzehnte ins Normalverhalten gegenüber Behinderten eingebrannte strukturelle und im ‚Wir wollen nur euer Bestes’ schön geredete Fremdbestimmung durch professionelle wie durch verwandtschaftlich zuständige Begleitende. Eine in unserer Kultur fundamente Sexualitätsaversion, die sich auch und manchmal besonders in der Behindertenhilfe zeigt; die sich unter den verdeckenden Vokabeln der ‚Ökonomisierung’ oder auch ‚Qualitätsmanagement’[24] verbergende sogenannte Kostendämpfung im Gesundheitswesen, die sexualitätsbezogenen Begleitungsanforderungen als abseitigen, exotischen Luxus zu diskreditieren sucht, der mit den Kernaufgaben der Behindertenhilfe nichts zu tun habe. Und schließlich jede einzelne Sexualität ignorierende Heimordnung, jeder beigezogene Arzt, der sexuelle Auffälligkeiten prompt und wie selbstverständlich mit blockierender Medikation beizukommen sucht, jede aggressiv, antisexuelle Pflegehandlung, jeder einzelne Akt sexueller Übergriffigkeit (…)“ (ebd., S. 6 f).
WALTER konnte bereits Ende der 1970er Jahre in sozialpsychologischen Einstellungsuntersuchungen herausarbeiten, dass das Sexualverhalten und die Sexualität im Allgemeinen von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten abhängig ist von der Einstellung und der Toleranz der Eltern und Mitarbeiterinnen von Wohneinrichtungen. Durch eine negative Einstellung, durch Verbote, ergibt sich für die Betroffenen meist eine „sekundäre soziale Behinderung“, die die Sexualität behindert oder oft auch verhindert (ebd. 2008c, S. 16).
HAHN spricht in diesem Zusammenhang von einem „Mehr an sozialer Abhängigkeit“. Je größer das „Mehr“ an Abhängigkeit ist, desto schwieriger gestalten sich diverse Lebensbereiche, unter anderem auch die Sexualität und desto unwahrscheinlicher werden zum Beispiel der Wunsch nach einer Partnerschaft, Kinderwunsch und ähnliche Wünsche (ebd. 2005, S. 17 f).
Sekundäre soziale Behinderungen dürfen laut HERRATH keinesfalls als Primärbehinderungen einer Person betrachtet werden. Strukturelle, manifest bauliche, sozio-kulturelle und ökonomische Bedingungen, Bequemlichkeit, Kostengründe und selbstverständlich gewordener Machtmissbrauch können eine sekundäre soziale Behinderung herbeirufen. Dies kann massive Identitätsstörungen mit sich bringen. Eine sexualfeindliche Sozialisation kann dazu führen, dass keine sexualitätsbezogenen Interessen gezeigt werden (ebd., S. 9 f).
Von Bedeutung ist es auch, dass Eigenarten einer Person akzeptiert und nicht als Zumutung identifiziert und zurückgewiesen werden, da dies die Entfaltung der Persönlichkeit hemmt. Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten haben das Recht auf Eigenarten, das gleiche Recht auf „Anormalität, Skurrilität, Provokation und Beschädigungseffekte“ (ebd., S. 13 f).
So ist es m. E. eine Anmaßung, wenn sexuelle Praktiken, Wünsche und Vorstellungen nicht respektiert werden. Hier schwingt das „Ich weiß, was gut für dich ist“ mit und lässt die Grenzen zwischen begründbaren Eingriffen und respektlosen Einmischungen verschwimmen. Dies ist bei erwachsenen Menschen (aber auch bei Kindern) m. E. sehr problematisch. Jede Anweisung sollte auf eigene Wert- und Moralvorstellungen hin und auf den eventuellen Wunsch, diese zu transportieren, gründlich durchdacht und reflektiert werden. Auch eventuell absurde Strukturen oder Vorgaben in Einrichtungen, die sich mit der Zeit „eingeschlichen“ haben, können nur auf diesem Wege durchbrochen werden.
Im Folgenden sollen Beratungs- und Fortbildungsangebote in Bezug auf Themen rund um die Sexualität, sowohl für Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten als auch für deren Angehörige und für professionell Tätige, aufgezeigt werden.
Menschen mit Lernschwierigkeiten werden, wie bereits zum Teil aufgezeigt werden konnte und noch wird, als „mündige“ Personen oft nicht ernst genommen. Sowohl einer Infantilisierung, Überbehütung als auch physisch-psychischer Pauschalierung durch institutionelle Systemzwänge (durch monotone Arbeitsabläufe in der Tagesstruktur oder fremdbestimmtes Leben in Wohneinrichtungen) kann mit Erwachsenenbildung entgegengewirkt werden. Gezielte Bildungsarbeit kann ein Schritt in Richtung mehr Selbstbestimmung bedeuten. Für viele, die ohne Unterstützung mit dem „Selbstbestimmungspostulat“ überfordert wären, können gezielte Angebote die Eigenverantwortlichkeit anregen und stärken. Es kann gelernt werden, wie Wünsche artikuliert und wie Entscheidungen getroffen werden können (HOFFMANN/THEUNISSEN 2003, S. 52 - 55).
Die Einbeziehung des näheren Umfelds gehört zum wesentlichen Bestandteil der Erwachsenenbildung für Menschen mit Lernschwierigkeiten (ebd., S. 59).
Bildungsangebote sind „lebensnotwendig“, da sie eine unverzichtbare Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben darstellen. Handlungsbestimmende Leitprinzipien in der Erwachsenenbildung sind die erwachsenengemäße Ansprache und eine partnerschaftliche Vorgehensweise (gleichberechtigte Partner in der Beratung, die in ihrem „So-Sein“ akzeptiert werden). Außerdem sind die Freiwilligkeit, Wahlmöglichkeit und die Selbst- und Mitbestimmung von großer Bedeutung, da sonst dem Erwachsenenstatus widersprochen werden würde. Dafür sollten in Einrichtungen regelmäßig Angebote beworben werden[25]. Wenn aufgrund des hohen Assistenzbedarfs nicht selbst entschieden werden kann, ist folglich die aktive Mitbestimmung selbst das Lernziel. Der Mann oder die Frau müssen in den Angeboten in ihrer Subjektivität erschlossen werden und die Lernbedürfnisse, Interessen, Vorerfahrungen und Entwicklungsmöglichkeiten sind wesentlich. Sie sollen der Bewältigung von Lebenssituationen und der Selbstverwirklichung dienen. Dafür bedarf es eines breiten Bildungsangebotes mit unterschiedlichen Inhalten. Lernprozesse sind als integraler Bestandteil des Lebens zu betrachten. Das Lernen soll nicht nur in Bildungsstätten oder im gewohnten Umfeld passieren, sondern es soll eine aktive Auseinandersetzung in realen Lebenssituationen stattfinden. Wichtig ist es auch, dass die Angebote regelmäßig stattfinden und Wiederholungen wenn nötig auch ihre Berechtigung finden (HOFFMANN/THEUNISSEN 2003, S. 65-73; CARROLL 2000).
GOSSEL fasst es wie folgt zusammen:
„Erwachsenenbildung lässt sich beschreiben als ein Angebot für erwachsene Menschen, um Erfahrungen und Kenntnisse zu festigen, zu erweitern, zu erneuern und eventuell zu verändern, so daß die Beteiligten ihre Lebenssituation und - perspektive selbstständiger nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen im sozialen Kontext und den sozio-kulturellen Anforderungen entsprechend gestalten können“ (GOSSEL 2005, S. 223).
In den letzten Jahren entstanden in Österreich einige Beratungsstellen und Fortbildungsangebote für Betroffene, aber auch für Angehörige und professionell Tätige.
So lassen sich zum Beispiel nennen: „Verein NINLIL – Empowerment und Beratung für Frauen mit Behinderung“ mit den Arbeitsbereichen „Kraftwerk – gegen sexuelle Gewalt an Frauen mit Lernschwierigkeiten“ und „Zeitlupe – Peer-Beratung für Frauen mit Behinderung“, „Institut für Sexualpädagogik“, „Institut für Lebensgestaltung“, „Zentrum für Kompetenzen“, „People First“, „Selbstbestimmt Leben Initiative“ und „Courage“ in Wien; „alpha nova GmbH“ und „ Verein Hazissa. Fachstelle für Prävention – gegen sexualisierte Gewalt“ in der Steiermark; „Verein Senia“ in Oberösterreich; „WIBS – Beratungsstelle für Menschen mit Lernschwierigkeiten“ in Innsbruck; „Lebenshilfe Salzburg“ und der Verein „ZEIT ZU ZWEIT“ in Tirol.
Einige Beratungen in den oben genannten Stellen, werden als Peer-Beratungen angeboten. Diese Beratungsmethode ist „von“ Menschen mit Lernschwierigkeiten „für“ Menschen mit Lernschwierigkeiten und geht davon aus, dass sie somit auch aufgrund eigener Erfahrungen authentischer und empathischer ist (FIRLINGER 2003, S. 41)[26]. Trotzdem muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass es derzeit nur ein spärliches Angebot an Peer- Beratungsmöglichkeiten in Österreich gibt.
Dem „alpha nova Beratungszentrum“ ist es zu verdanken, dass wichtige Schritte in Richtung Aufklärung und selbstbestimmter Sexualität für Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten getätigt wurden.
Doris KROTTMAYER berichtet in der Tagung „Liebe, Sex … und Betreuung?“ (2005) über die Seminar- und Bildungsangebote im „alpha nova Beratungszentrum“. Die Beratungsstelle in der Steiermark ist eine der ersten in Österreich und wurde im Jahre 1995 gegründet. Im EU-Projekt „alphanova:inclusion“ (1998-2000) wurden diverse Materialien für die Sexualberatung, aber auch Seminare für Mitarbeiterinnen von Einrichtungen entwickelt und modifiziert. Im Jahr 2002 startete ein einjähriges Forschungsprojekt mit dem Namen „Projekt:hautnah“, an dem auch zirka 60 Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten teilnahmen. Das Projekt sollte die Bedürfnisse und Wünsche im Bezug auf Sexualität eruieren. Die Ergebnisse waren, dass vielen die Grundlagen im Bezug auf ihre Sexualität fehlen, um sich selbstbewusst als Frau oder Mann wahrnehmen zu können (KROTTMAYER 2005, S. 10-13).
Im Jahr 2006 entstand das Projekt „LIBIDA … mehr Lust im Leben“, das bis heute besteht. Das Projekt ging anfangs der Frage nach, ob eine „aktive Sexualbegleitung“ in der Steiermark sinnvoll wäre, worauf drei Jahre später die „Fachstelle .hautnah. für Sexualität – Beziehung – Behinderung“ ins Leben gerufen wurde. Im Oktober 2008 startete der erste Lehrgang in Sexualbegleitung, der bis zum März 2009 sieben Frauen und einen Mann zu Sexualbegleiterinnen ausbildete[27]. Die „LIBIDA-SEXUALBEGLEITUNG ®“ als geschützte Marke, bietet als Dienstleistung erotisch-sexuelle Begegnungen für Frauen und Männer mit Behinderungen, wobei Geschlechtsverkehr und Oralverkehr ausgenommen sind, da es unter das steiermärkische Prostitutionsgesetz fallen würde. In Österreich gibt es somit erstmalig ein Angebot zur Sexualbegleitung[28]. Die Umsetzung der Sexualbegleitung wird im Kapitel 5.6.5 näher ausgeführt.
5.3.1 Sexualpädagogik, -andragogik und Sexualberatung[29]
In der Forschung und Anwendung der Sexualpädagogik[30] wird die „absichtliche oder unabsichtliche Einflussnahme auf die psychosexuelle Entwicklung“ von Menschen in jeder Lebensphase thematisiert. Im Vordergrund steht die Bedeutung von Sexualität für Emanzipationsprozesse und Selbstbestimmung. Aufgabe der praxisorientierten Sexualpädagogik ist es, dass Menschen in ihrer sexuellen Selbstbestimmung und Verantwortung begleitet und unterstützt werden (SPECHT/WALTER 2007, S. 309).
Relevante Themen sind nach McCABE und SCHRECK (1992):
-
„Miteinbeziehen aktueller Beziehungen
-
Sex und Sexualität
-
Körper und Körperidentifikation
-
Menstruation
-
Schwangerschaft, Geburt und Abtreibung
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Sexuell übertragbare Krankheiten
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Selbstbefriedigung
-
Heirat
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Homosexualität
-
Sexuelle Begegnungen
-
Intimität
-
Sexueller Missbrauch (inkl. Grenzen, Sexuelle Abhängigkeit, Sexuelle Ausbeutung usw.)“ (ebd. zit. nach PLAUTE 2006, S. 506).
Die Art der Vermittlung sollte die Prinzipien der „Einfachheit“ (Gestaltung in „leichter Sprache“), „Lebendigkeit“ (abwechslungsreiche Methoden), „Multi-Sinnlichkeit“ (kreative Elemente), „Wiederholung“ (durch regelmäßiges Gesprächsangebot), „Anschaulichkeit“ (Bildmedien) und „Be’greif’barkeit“ (Einsatz von Gegenständen zum haptischen Erleben) berücksichtigen (SPECHT/WALTER 2007, S. 310).
Laut ACHILLES et al. (2009) sind Mitarbeiterinnen in Einrichtungen oft verunsichert und können nur Vermutungen bezüglich der sexuellen Bedürfnisse von Bewohnerinnen anstellen. Oft wissen sie auch nicht, welches Wissen und welche Erfahrungen sie mit haben. Es gibt kaum Konzepte, auf die die Mitarbeiterinnen zurückgreifen können. Oft wird reaktiv gehandelt und es kommt erst zu Gesprächen, wenn aus diversen Gründen die Notwendigkeit dafür besteht. Zu viele und zu widersprüchliche Erwartungen von Kolleginnen und Bewohnerinnen können dazu führen, dass kompetentes Handeln erschwert wird. Die Mitarbeiterinnen müssen für das Thema sensibilisiert, eigene Wert- und Normvorstellungen sollten reflektiert werden (S. 14 f).
Die eigene Sexualbiographie[31] zu kennen und sich mit ihr auseinanderzusetzen spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die Lebenshilfe Salzburg konzipierte vor einigen Jahren ein „sexualpädagogisches Konzept“, das Themen wie Verhütung, Kinderwunsch und Einstellung zur Sexualität zum Inhalt hat. Mitarbeiterinnen und Eltern werden in die Sexualberatung von Frauen und Männern miteinbezogen. In Zusammenarbeit mit dem „Österreichischen Institut für Familienforschung“ wurde „Special LoveTalks“ konzipiert, das einen Trialog zum gegenseitigen Austauschen und voneinander Lernen schaffen soll, mit dem Ziel einer Projektgestaltung für die jeweilige Einrichtung. Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten werden somit von Beginn an miteinbezogen (PLAUTE/SCHIRBORT 2003, S. 159; PLAUTE 2006, S. 507 ff).
Zudem wurden in den letzten Jahren einige wenige Materialien für die Aufklärung und Beratung von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten entwickelt, wie sie zum Beispiel im Buch „Sexualpädagogische Materialien für die Arbeit mit geistig behinderten Menschen“ (ACHILLES et al. 2009) vorgestellt werden. Neben zahlreichen Beratungsanleitungen finden sich diverse Arbeitsblätter in diesem Buch[32].
Um der Sexualität von Menschen mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen gerecht werden zu können, bedarf es einer Auseinandersetzung mit der psychosexuellen Entwicklung der Personen. Es braucht explizite Festlegungen, wie mit dem Thema Sexualität umgegangen wird (dies gilt auch für die Familien, vor allem wenn Erwachsene noch zu Hause leben). Es bedarf großen Mutes zur Diskussion und auch vieler Auseinandersetzungen, wobei „schwierige“ Themen (wie Sexualassistenz, Trainings für Selbstbefriedigung und Kinderwunsch) nicht ausgeklammert werden dürfen. Die eigenen Werte, die durch die Sozialisation geprägt werden, müssen reflektiert werden, damit der Umgang mit diesem „sensiblen Thema nicht der Willkür Anderer“ überlassen wird (PLAUTE 2006, S. 510).
Die Erfahrungen mit „Special LoveTalks“ zeigen, dass Ansätze wie dieser eine positive Resonanz bei allen Beteiligten hervorrufen kann. Würden derartige Konzepte auf handlungspraktischer Ebene impliziert werden, wäre laut PLAUTE die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Lebensqualität der Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten auch nachhaltig verbessert werden könnte (ebd.).
Sehr häufig ist in der öffentlichen Diskussion aber auch in der Fachliteratur von „dem Behinderten“ (was mit Männern assoziiert wird) die Rede oder von dem „behinderten Kind“ oder ganz neutral von den „Menschen mit Behinderung“. Damit gelten Frauen mit Behinderung als geschlechtslose Wesen. Die Frauenrolle wird (so wie die Behindertenrolle) noch überwiegend mit Hilflosigkeit und Abhängigkeit in Verbindung gebracht (CLOERKES 2007, S. 149).
„Auch von männlichen Behinderten wird ‚weibliches’ Rollenverhalten erwartet, damit lastet auf behinderten Frauen ein verstärkter Erwartungsdruck, sich noch ‚weiblicher’ zu verhalten“ (ebd.).
Im Zuge eines vierjährigen Forschungsprojekts von FEGERT et al. (2006) wurden junge Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten zur sexuellen Selbstbestimmung und sexueller Gewalt in Wohneinrichtungen befragt. Bei der Befragung äußerten sich weibliche Befragte offen zu Befürchtungen und Erfahrungen sexualisierter Gewalt. Bei der Einstellung zur Sexualität artikulieren sich die Männer selbstbewusster zu ihren Erfahrungen. Während Männer Erfahrungen durch Ausprobieren sammeln, sind bei den Frauen auffällig negative Haltungen bemerkbar. Sie nehmen eine ambivalente bis ablehnende Haltung ein, vor allem gegenüber Geschlechtsverkehr (THOMAS/KRETSCHMANN/LEHMKUHL 2006, S. 218). Die Befragung hat ergeben, dass sich Frauen in einer verantwortungsvolleren Position mit vielen Ansprüchen befinden. So haben laut dieser Studie viele Angst davor, schwanger zu werden. Diverse religiöse und moralische Ansprüche sind bei den Frauen erkennbar (zum Beispiel keinen Geschlechtsverkehr vor der Ehe) und es scheint so, als würden selbst auferlegte Abstinenz und Vorsätze beruhigend auf die Frauen wirken. Die Autorinnen erklären sich dieses Verhalten auch damit, dass viele von familiärer Gewalt und sexualisierten Gewalterfahrungen betroffen sind, was die Studie ebenfalls bestätigt hat (ebd.).
Frauen mit Behinderung unterliegen sowohl den Behindertenklischees als auch den Frauenklischees, daraus resultiert eine „doppelte Benachteiligung“. Weibliche Attribute wie Attraktivität oder Mutterrolle können oft nicht realisiert werden und es sind auch größtenteils keine beruflichen Kompensationsmöglichkeiten gegeben. Es wird Frauen mit Lernschwierigkeiten verstärkt das tradierte historische Frauenklischee vermittelt (CLOERKES 2007, S. 149).
Die gesellschaftliche Kontrolle über Frauen umfasst laut SCHILDMANN einen größeren Bereich als bei Männern. Männer werden gemessen an dem, was auch für nichtbehinderte Männer als durchschnittlich und normal gilt. Dies betrifft meist die Erwerbsfähigkeit, wobei Frauen neben der Erwerbsfähigkeit auch noch an der „ (Un-)Fähigkeit zur familialer Reproduktionsarbeit (mit Schwerpunkten bei Schwangerschaft, Gebären und Kindererziehung)“ (SCHILDMANN 2000 zit. nach SCHILDMANN 2004, S. 42) gemessen werden. Frauen mit Lernschwierigkeiten wird meist der Zutritt zu beiden wesentlichen Bereichen verwehrt, und das, ohne eine adäquate Alternative geboten zu bekommen. Dies führt zu potenzierten negativen Folgeerscheinungen auf der Identitätsebene und im ökonomischen Bereich auf der Armutsebene (ebd.).
Zur menschlichen Entwicklung gehört die Geschlechtsidentität, die gerade bei Frauen und Männern mit hohem Assistenzbedarf häufig ignoriert wird. Dies kann im Erwachsenenalter zu „schwerwiegenden und tiefgreifenden Störungen“ führen (FRÖHLICH 2011, S. 238).
Eine ausführlichere Betrachtung von Menschen mit hohem Assistenzbedarf in Hinsicht auf deren Bedürfnisse wird nun in Kapitel 5.5 angestellt.
5.5 Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten und hohem Assistenzbedarf[33]
Bei Menschen mit hohem Assistenzbedarf besteht eine Tendenz zur Vernachlässigung der Sexualität. Auch in der Fachliteratur über Sexualität werden sie m. E. oft nur am Rande oder gar nicht erwähnt. Kommen zum hohen Assistenzbedarf auch noch Hospitalisierungserfahrungen dazu, kann es sein, dass die betroffenen Personen nie gelernt haben, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen (vgl. Kapitel 4.2.2.1; THEUNISSEN 1998, S. 85 f).
Aber auch aktuelle soziale und strukturelle Bedingungen können eine große Abhängigkeit hervorrufen. Eine „extreme Abhängigkeit“ kann dazu führen, dass die eigenen Bedürfnisse oder Willensäußerungen nicht (mehr) artikuliert und auch nicht anders zum Ausdruck gebracht werden, womit sich ein „angepasstes Verhalten“ zeigt. Eine vordergründige Aufgabe sollte es daher sein, dass diese selbst erkannt und geäußert werden können. Willensbekundungen und eigene Entscheidungen müssen ernst genommen werden, „dies ist der Nährboden, auf dem die Autonomie wachsen kann“ (SEIFERT 1996, S. 202 f).
Laut REUTHER-DOMMER/STACHOWIAK (1999) sind viele Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten und hohem Assistenzbedarf in der Sexualität auf sich selbst bezogen. Sie haben nicht die Erfahrungen oder auch nicht das Bewusstsein, Sexualität mit anderen Menschen zu erleben (ebd., S. 92).
Es kann aber auch sein, dass das Bedürfnis nach Sexualität nicht nach außen hin erkennbar ist. Dies kann neben den bisherigen Lebensbedingungen auch mit medikamentösen Behandlungen zusammenhängen. Eine Konsequenz kann sein, dass Sexualität für diese Menschen im vollbetreuten Wohnalltag nur eine untergeordnete Rolle spielt (SEIFERT 1996, S. 206 f).
Bei einer Körperbehinderung können zusätzlich neurologische Sexualstörungen auftreten. In diesen Fällen gibt es diverse Möglichkeiten, die verbliebenen sexuellen Möglichkeiten zu erkunden[34].
Bei Menschen mit hohem Assistenzbedarf, die sich ihrer Umwelt nicht über verbale Kommunikation mitteilen, kann die „basale Kommunikation“ helfen, in die Bedürfnisse der betreffenden Personen „hineinzuspüren“ (MALL 2007, S. 37 f). „Basale Stimulation“ versucht eine neue Erfahrungswelt zu schaffen, indem die Wahrnehmungsorganisation angeregt wird. Es werden elementare Körper- Bewegungs- und Sozialisationserfahrungen vermittelt, mit dem Ziel eine neue Erfahrungswelt zu eröffnen (FRÖHLICH zit. nach FATH 2007, S. 39 f).
„Bei Menschen mit schwerer Behinderung durchdringt die Sorge um ihr körperlichseelisches Wohlbefinden häufig den gesamten Alltag. Sie erfordert viel mehr Zeit als bei anderen Menschen, und oft müssen pflegerische Anliegen bei anderen Tätigkeiten, Aktivitäten und Erlebensbereichen gleichzeitig betrachtet werden. Gleichzeitig absorbiert die Pflege einen großen Teil der Zeit und Kompetenz der ‚Begleiter(innen)’, die dann kaum ‚Luft’ haben, auch noch Angebote zur Freizeitgestaltung und Unterhaltung, zur Kommunikationsförderung und Bildung machen und bei sinnvollen Tätigkeiten und kulturellen Aktivitäten begleiten zu können. (…) So bleibt kaum Zeit für Freizeit, für Kommunikation, (…) für Sexualität (…). Das bedeutet jedoch, dass Menschen mit schwerer Behinderung in besonderem Maße Gefahr laufen, in ihrem Lebensvollzug darauf reduziert zu werden, dass ‚nur’ für ihr Wohlbefinden gesorgt wird“ (KLAUSS 2011, S. 96 f).
In vollbetreuten Wohneinrichtungen müssen folglich Überlegungen angestellt werden, was sich an den strukturellen Bedingungen verändern muss, damit die Bedürfnisse der Bewohnerinnen mit hohem Assistenzbedarf ausreichend Beachtung finden können.
5.6.1 Zur Erwachsenensexualität und dem Dilemma der Infantilisierung[35]
Wie bereits aus dem Kapitel 5.2 hervorgeht, wird Menschen mit Lernschwierigkeiten, obwohl sie erwachsen sind, eine Erwachsenensexualität oftmals nicht zugetraut. Das deutet auch darauf hin, dass ihnen der Erwachsenenstatus abgesprochen wird. Wenn im Zusammenhang mit erwachsenen Menschen die Bezeichnung „Erziehung“ verwendet wird, ist dies auch ein Hinweis auf einen nicht-erwachsenengemäßen Umgang.
Dass Menschen mit Lernschwierigkeiten auch im Erwachsenenalter erzogen werden müssen (…)
„(…) ist immer noch eine weit verbreitete, wenn auch inzwischen meist unausgesprochene Vorstellung unter praktizierenden Heilpädagogen. In der Sonderpädagogik versteckt sich der Erziehungsgedanke heute meist unter dem neutraleren Begriff der Förderung“ (BIEWER 2000, S. 241).
In einer Untersuchung zum Thema „Lebensqualität und Sexualität in der Lebenswirklichkeit geistig behinderter Menschen“ von WALTER und HOYLERHERRMANN (1983 - 85) wurden mittels biographischer Interviews Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten zu ihrem Erleben von Sexualität und Erwachsensein befragt. Es wurde eine Antwort auf die Frage gesucht, ob die Identität der Befragten in Bezug auf ihre Sexualität eine „Erwachsenenidentität“ oder eine „Kinderidentität“ ist. Das Ergebnis der Studie war, dass sowohl die Sexualität als auch das Erwachsenwerden und das Erwachsensein verhindert werden, indem kindliche Verhaltensmuster durch die Mitarbeiterinnen verstärkt werden. Unterdrückte Sexualität verhindert die Identitätsentwicklung und somit auch die Selbstverwirklichung (ebd. 1987; WALTER 2008, S. 16 f).
Dass Menschen mit Lernschwierigkeiten oftmals die Geschäftsfähigkeit und diverse andere Rechte abgesprochen werden, verleitet dazu, sie auch nicht als erwachsene Menschen zu betrachten. Dazu gehört auch, dass ihnen die Geschlechterrolle abgesprochen wird, die Fähigkeit eine Familie zu gründen und vieles mehr. Wird das Intelligenzniveau mit Kindern verglichen, sind wir im Dilemma der Gleichsetzung von Erwachsenen mit „ewigen Kindern“. Nicht selten werden sie ungefragt geduzt oder über sie in ihrem Beisein gesprochen, eine eigene Meinung wird nicht zugetraut (HARNACK 1996, S. 50).
BOSCH und SUYKERBUYK (2006) beziehen sich in ihrem Buch „Aufklärung – die Kunst der Vermittlung“ auf die Einteilung in Behinderungsgrade und stellen diese einem bestimmten Entwicklungsalter gegenüber. Somit hat zum Beispiel ein „Mensch mit einer schweren geistigen Behinderung“ einen IQ von 0-20 und ein Entwicklungsalter von 0 bis 3 Jahren. Je nach Schwere der Behinderung geben die Autorin und der Autor praktische Tipps, wie sexuelle Aufklärung gestaltet werden kann. Ein Beispiel aus der Fachliteratur, das die Infantilisierung begünstigt.
Der Vergleich mit Kindern ist m. E. äußerst problematisch, da Infantilisierung von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten eine wesentliche Zuschreibung ist, die die selbstbestimmte Sexualität erschwert. Trotzdem werden in diverser Fachliteratur immer noch Vergleiche mit Kindern hergestellt.
In der deutschsprachigen Fachliteratur wird das Leben im Elternhaus bis ins hohe Erwachsenenalter meist kritisch beurteilt (SEIFERT 2001b, S. 253).
Es wird davon ausgegangen, dass mehr als 60 % aller Menschen mit Lernschwierigkeiten bei den Eltern leben. Im Sinne der Leitprinzipien Normalisierung, Integration/Inklusion und Selbstbestimmung muss die Notwendigkeit einer Veränderung dieser Situation allgemein diskutiert werden. Es gibt kaum empirische Studien zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum und meist werden die emotionalen Aspekte der Eltern durchleuchtet, nicht aber wie es den betroffenen Erwachsenen dabei geht (SCHULTZ 2011, S. 188 f)[36].
Gerade wenn die Erwachsenen zuhause bei ihren Eltern leben, bis diese sterben, fühlen sich die Eltern lebenslang für ihr Kind verantwortlich. Dies kann dazu führen, dass selbstbestimmtes Handeln begrenzt oder gar untersagt wird, denn das Vermeiden von Risiken nimmt oftmals einen höheren Stellenwert ein (SEIFERT 2001b, S. 249).
Wenn die erwachsenen Personen noch zuhause leben, sind sie den Eltern in der Regel sehr nahe. Die Eltern bekommen jede Tätigkeit ihres erwachsenen Sohnes oder ihrer erwachsenen Tochter mit, was sie aber laut ACHILLES et al. (2009) aus einem natürlichen Schamgefühl heraus nicht wollen, womit ein Tabu verletzt wird, wenn es um die Sexualität geht. Das kann zur Folge haben, dass ein bestimmtes Verhalten negativ dargestellt oder gar verboten wird. Laut den Autorinnen finden sich viele Eltern in beschämenden, erschreckenden und ratlosen Situationen wieder. Hier wäre es empfehlenswert sich Beratung einzuholen (ebd., S. 12).
Körperliche Veränderungen können in den Eltern bewusste und unbewusste Ängste auslösen. Ein geschlechtsreifer Körper kann bedrohliche und tief greifende Ängste aktivieren. So zum Beispiel die Angst bei erwachsenen Frauen mit Lernschwierigkeiten, dass sie schwanger werden könnten und die Eltern sich in ihrer Vorstellung um das Kind kümmern müssten. Eltern können in einen seelischen Zwiespalt geraten, denn einerseits wollen sie nur das Beste für ihr erwachsenes Kind und wünschen ihm ein glückliches Leben, andererseits löst die Sexualität tiefgründige Ängste aus. Leben die erwachsenen Menschen mit Lernschwierigkeiten bei ihren Eltern, müssen sich diese bewusst mit dem Thema auseinandersetzen (ACHILLES et al. 2009, S. 12 f).
PLAUTE (2006) ist der Meinung, dass für viele Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten partnerschaftlich genital orientierte Sexualität nicht von Bedeutung sei, da sich deren Sexualverhalten primär auf den eigenen Körper beziehe. Als Grund dafür nennt er den mangelhaften psychosexuellen Entwicklungsstand. Bereits in der Pubertät fehlt Mädchen und Jungen mit Lernschwierigkeiten der Umgang mit Gleichaltrigen und somit der Anschluss an eine Peer-Gruppe. Somit werden erste Erfahrungen mit der Sexualität erschwert, wobei die Überbehütung durch die Eltern auch eine große Rolle spielt (SCHLEIFER 1980 zit. nach PLAUTE 2006, S. 5).
Die Loslösung von den Eltern und die Bildung einer unabhängigen Ich-Identität sind maßgeblich für ein selbstständiges Leben. Unzureichende Aufklärung und Tabuisierung des Themas bedingen womöglich weitere psychosexuelle Entwicklungsdefizite, was sich vor allem in der „Diskrepanz zwischen der biologisch-hormonellen und der kognitivpsychosexuellen Entwicklung“ zeigen kann (ebd., S. 503).
Die Ablösung aus dem Elternhaus kann für die Eltern mit großen Schwierigkeiten verbunden sein. Ein intensiver Kontakt hat womöglich die eigenen Bedürfnisse der Eltern in den Hintergrund gedrängt. Es können sich implizite Schuldgefühle und die Angst, sie hätten nicht genug geleistet, hinter einer fordernden Haltung gegenüber Mitarbeiterinnen von Einrichtungen verbergen. Dies kann dazu führen, dass hinter etlichen Verhaltensweisen von Mitarbeiterinnen Ängste von Vernachlässigung aufkommen (HESSE 2006, S. 183 f).
Laut SEIFERT sehen Mitarbeiterinnen von vollbetreuten Wohneinrichtungen häufig die Eltern als Hindernis, um Menschen mit Lernschwierigkeiten mehr Entscheidungen treffen lassen zu können. Meist wird die Zusammenarbeit auf das Notwendigste beschränkt, was aber zu Missverständnissen und Konflikten führen kann. Es kann ein tripolares Spannungsfeld zwischen Bewohnerinnen, deren Eltern und den Mitarbeiterinnen entstehen (ebd. 2001b, S. 255).
Liebe und Partnerschaft nehmen auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten den gleichen Rang ein und haben auch die gleiche Bedeutung von Glück und Zufriedenheit. Durch eine Partnerschaft kann das Selbstwertgefühl steigen. Es werden aber nicht nur Liebe, Zärtlichkeit und Vertrauen erhofft. Sie bedeutet auch gesellschaftliche Akzeptanz, „Normalität“ und das Gefühl, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Ungefähr 10% der Menschen mit Lernschwierigkeiten leben in einer Partnerschaft. Die Beziehungen sind aber meist nicht gesellschaftlich akzeptiert und werden auch nicht als selbstverständlich gesehen.
Einschränkende Faktoren können die Eltern sowie die institutionellen, strukturellen und konzeptionellen Rahmenbedingungen sein (HENNIES/SASSE 2004, S. 65-69).
Durch die Abhängigkeit und durch eine starke emotionale Bindung können Eltern „absichtlich oder unbewusst“ Einfluss auf die Beziehungswünsche ihrer erwachsenen Kinder haben. Dies hat oftmals auch noch große Auswirkungen nach dem Auszug aus dem Elternhaus. Aber auch die Mitarbeiterinnen in Einrichtungen können die Regeln des Gruppenlebens maßgeblich bestimmen und so Möglichkeiten und Grenzen von Partnerschaften beeinflussen (ebd.).
WACKER (1999) referiert in einem Zeitschriftenartikel „Liebe im Heim?“[37] über die Ergebnisse einer bundesweiten Untersuchung in Deutschland zu den „Möglichkeiten und Grenzen einer selbstständigen Lebensführung in vollbetreuten Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe“[38] und geht basierend auf den Ergebnissen der Untersuchung der Frage nach, ob zwischenmenschliche Beziehungen in Wohneinrichtungen möglich sind (ebd., S. 239).
Die Ergebnisse zeigen, dass zwischenmenschliche Beziehungen in Wohneinrichtungen seitens der Mitarbeiterinnen kaum noch abgelehnt werden und knapp 90% der Anbieter von Wohnplätzen versichern, dass Beziehungen nichts im Wege stünde. Allerdings bedingen die räumlichen Gegebenheiten weniger Möglichkeiten für Privatsphäre. Hausordnungen und Verhaltensregeln schränken diese ebenfalls ein (ebd., S. 241 ff).
Werden Liebesbeziehungen seitens der Mitarbeiterinnen nicht erlaubt, hat das oft mit persönlichen Gründen und auch mit Bevormundung zu tun. Sexualität wird zwar nicht tabuisiert, „aus Platzmangel“ und „weil sowieso nichts passieren kann“ wird es aber auch nicht entsprechend thematisiert (ebd., S. 243).
Als eine der elementarsten Einschränkungen wird jedoch die mangelhafte Möglichkeit genannt überhaupt eine Partnerin zu finden. Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten werden nach wie vor auf ihre behinderungsbedingten Einschränkungen reduziert und als geschlechtslose Wesen wahrgenommen (ebd., S. 244).
WACKER schreibt außerdem, dass auch in Einrichtungen Statusunterschiede unter den Bewohnerinnen bestehen, die sich oft auch nach Art und Ausprägung der Behinderung richten. Sie begreifen sich nicht als homogene Gruppe und leben in einer „Zwangsgemeinschaft“ zusammen, wo auch viele Mitbewohnerinnen als beängstigend oder ärgerlich empfunden werden. Sowohl für Freundschaften als auch für Partnerschaften werden Mitbewohnerinnen oft für nicht attraktiv genug gehalten (ebd., S. 245 ff).
„Dazu mag beitragen, daß solche Personen ‚nur’ den Heimalltag teilen können und keine Verknüpfung mit der Außenwelt darstellen“ (ebd., S. 247).
Die Sonderform einer Ehe wird für Menschen mit Lernschwierigkeiten „Beschützte Ehe“ genannt und geht auf SCHRÖDER (1977) zurück. So meint die beschützte Ehe eine herkömmliche Ehe mit Einschränkungen, mit „besonderer Förderung“ und „besonderem Schutz“ im institutionellen Rahmen oder auch in einer Wohnung „locker betreut durch einen Sozialarbeiter“ (ebd., S. 70 ff).
In Österreich ist die „Ehefähigkeit“ an die „Geschäftsfähigkeit“ gebunden. Wie im Kapitel 3.1 bereits dargestellt wird, sind viele Menschen mit Lernschwierigkeiten nach dem Recht nicht geschäftsfähig. Eine standesamtliche Heirat kann somit nicht vollzogen werden.
FRISKE (1995) formuliert hier in diesem Zusammenhang passend (wenn auch m. E. für das Jahr 2012 nicht ganz zeitgemäß):
„Nichtbehinderte Frauen müssen heiraten, wenn sie als normal gelten wollen. ‚Normale’ geistigbehinderte Frauen heiraten nicht, und wenn sie es doch wollen, dürfen sie es oder sollten es zumindest nicht“ (ebd., S. 91).
WALTER warnt jedoch davor, Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten in eine eheähnliche Partnerschaft drängen zu wollen, um die „eigene traditionelle Ehe- und Sexualmoral“ befriedigen zu können. Jede Person soll frei nach ihren Vorstellungen leben können, ob nun mit Partnerin oder ohne Partnerin, ob mit Genitalsexualität oder ohne, es soll keine „Zwangsbeglückung“ sein (2005c, S. 293).
Nach Durchsicht der Fachliteratur aus dem deutschsprachigen Raum muss festgestellt werden, dass es zum Thema „Homosexualität“ verbunden mit „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ kaum Literatur gibt. „Homosexualität und Behinderung“ wird m. E. eher noch mit einer Körperbehinderung assoziiert.
In älteren Publikationen wird durch die damalige getrennt geschlechtliche Unterbringung von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten Homosexualität oft auch als „Zwangsalternative“ betrachtet, da angeblich die Heterosexualität durch die Geschlechtertrennung verhindert worden sei. Ausgegangen wird aber von der Heterosexualität als Norm und von der Homosexualität als „Notlösung“. Dass Homosexualität nicht bloß eine Notlösung sein kann, wird in den Publikationen kaum in Erwägung gezogen (JESCHKE/LEHMKUHL 2006, S. 269 f).
Menschen mit Lernschwierigkeiten „erfahren in der Gesellschaft ein höheres Maß an Ausgrenzung als Menschen mit körperlicher Behinderung, da Intellektualität höher bewertet wird als körperliche Gewandtheit“ (RUDOLPH 2001, S. 20).
Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten ist in der Gesellschaft ein Tabuthema und wird meist nur in Fachkreisen oder in Einrichtungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten beziehungsweise von Angehörigen thematisiert. Auch Homosexualität ist in unserer Gesellschaft noch immer ein tabuisiertes Thema.
Bei Homosexualität und Behinderung zeigt sich somit eine doppelte Diskriminierung. Nach wie vor gibt es im gesellschaftlichen Umgang mit Homosexualität eine Ambivalenz, die sich zum Beispiel in der Diskussion bei der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Beziehungen zeigt. Verbunden mit einer Behinderung ergibt sich eine Reihe an Vorurteilen und Vorbehalten (SCHMUTZER 2008, S. 50). Der Autor weist darauf hin, dass es auch im Behindertenbereich bei „politisch durchaus engagierten“ Vertreterinnen noch immer Vorbehalte gegenüber Homosexualität gibt (ebd., S. 50).
So schreibt auch FRISKE schon ein Jahrzehnt zuvor:
„Fatal ist meiner Meinung nach, dass auch die, die sich theoretisch in Veröffentlichungen und praktisch in der Begleitung von Frauen mit geistiger Behinderung mit deren Sexualität auseinandersetzen, dies oft nicht einmal in Erwägung ziehen können – oder in vielfältiger Weise diskriminieren und unterdrücken“ (1995, S. 143).
In der Fachdiskussion gibt es eine Unterscheidung zwischen „passiver“ und „aktiver“ sexueller Assistenz. „Passive Assistenz“ bedeutet, dass Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Sexualität durch Beratung, Information und Beschaffung von Materialien geschaffen werden. „Aktive Assistenz“ meint die sexuelle Interaktion von Mitarbeiterinnen und Pflegekräften. Dies beinhaltet erotische Massagen, „Hand anlegen“ und Geschlechtsverkehr.
Sexualbegleitung ist eine aktive Assistenz von Assistenzgeberinnen, die sowohl über pädagogische als auch pflegerische Kompetenzen verfügen, und kann somit nicht mit der Prostitution verglichen werden (WALTER 2008a, S. 12).
Aktive Assistenz sollte nicht von Mitarbeiterinnen durchgeführt werden, da ein „tatsächliches wie rechtliches Missbrauchsrisiko“ besteht, weil Bewohnerinnen in einem institutionellen aber auch persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu den Mitarbeiterinnen stehen (ZINSMEISTER 2005, S. 15). In deutschen Fachbeiträgen wird jedoch vermutet, dass Mitarbeiterinnen schon immer heimlich „Hand anlegten“, wobei sowohl die Heimlichkeit als auch die Handlung an sich mit großer Skepsis betrachtet wird (ebd., S. 25).
Frauen und Männer mit hohem Assistenzbedarf können aufgrund der Pflege und den ständigen routinemäßigen Berührungen verschobene Intimgrenzen haben. Trotzdem muss selbstverständlich ihre Intimität respektiert und geachtet werden. Die Vermischung der pflegerischen mit der sexuellen Assistenz bestärkt womöglich ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis (BILLER-PECH 2008, S. 44 f).
Aktive Sexualhilfe ist in Österreich verboten. Auch hier wird das Verbot durch die Abhängigkeit der Bewohnerinnen von den Mitarbeiterinnen begründet. Außerdem wäre dies womöglich ein fließender Übergang zur sexuellen Gewalt (HOCHLEITNER 2005, S. 22).
Die „LIBIDA–SEXUALBEGLEITUNG ®“ als anerkannte Sexualbegleitung wird in Österreich von „alpha nova“ angeboten. Aus dem Tätigkeitsbericht 2009 geht hervor, dass Frauen kaum dieses Angebot nutzen[39].
Wie bereits in Kapitel 5.4 ersichtlich wird, haben Frauen aus verschiedensten Ursachen teils andere Erwartungen und Bedürfnisse, wenn es um die Sexualität geht. Wie die Sexualbegleitung auch für sie attraktiver werden könnte und welche Rahmenbedingungen es dafür braucht, sollte m. E. in Fachdiskussionen mehr zur Geltung kommen. Eventuell ist das Thema aber auch noch zu „jung“ und andere wichtige Fragen, wie etwa rechtliche Fragen bei der Sexualassistenz, haben in diesem Zusammenhang derzeit noch Priorität.
Bei Menschen mit Lernschwierigkeiten spielen in diesem Punkt § 212 „Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses“ und der so genannte „Kuppelparagraph“ § 213 Strafgesetzbuch (StGB) eine große Rolle.
Im § 212 Absatz 2 StGB steht, dass zu bestrafen ist, wer (…)
„(…) als Arzt, klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Angehöriger eines Gesundheits- und Krankenpflegeberufes oder Seelsorger mit einer berufsmäßig betreuten Person (…) unter Ausnützung seiner Stellung dieser Person gegenüber eine geschlechtliche Handlung vornimmt oder von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen.“
So heißt es in § 213 „Kuppelei“ Absatz 1 StGB:
„Wer eine Person, zu der er in einem der im § 212 bezeichneten Verhältnisse steht, unter den dort genannten Voraussetzungen zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person verleitet oder die persönliche Annäherung der beiden Personen zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.“
Derzeit haben viele Einrichtungen mit diesem „Kuppelparagraphen“ in Verbindung mit der Sexualbegleitung zu kämpfen, obwohl die betreffende Person die Sexualbegleitung wünscht, wobei die Problematik jedoch mit der rechtlichen Absprache der „Geschäftsfähigkeit“ und der „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ zusammenhängt, weshalb der eigentliche Wille der Betroffenen vermeintlich rechtlich nicht relevant ist.
Wie bereits im Kapitel 5.2 kurz angeführt, wurde lange Zeit die Sterilisation als Verhütungsmittel eingesetzt.
Eine Verknüpfung von „Frausein – geistige Behinderung – Gewalt“ findet in der Sterilisation einen besonderen Ausdruck (FRISKE 1995, S. 152)[40].
WALTER stellt die These auf, hinter dem Sterilisationswunsch der Angehörigen verbergen sich unbewusste Ängste und Hoffnungen, der Sexualität durch die Sterilisation Einhalt gebieten zu können (ebd. 2008c, S. 24).
Vielfach wurde auch die „Angst vor sexueller Gewalt“ als Grund für eine Sterilisation angeben. So scheint ein solcher Beweggrund zu implizieren, dass die Verhinderung einer Schwangerschaft im Vordergrund stand. Psychische Folgen scheinen nur sekundär von Bedeutung zu sein (FRISKE 1995, S. 162 f). „Der Schutz vor einem Kind ist wichtiger als der Schutz vor Gewalt“ (ebd., S. 163).
Diese Argumentation ist für FRISKE aber äußerst kritisch, ermöglicht sie bei einer Vergewaltigung einen „Freibrief“ ohne Folgen, denn sie sieht darin durch die Sterilisation eine Bestrafung für die vergewaltigte Frau (ebd.).
„Zum Schutz der potentiell betroffenen Mädchen oder Frauen wird nichts anderes unternommen, als sie entweder sterilisieren zu lassen oder einzusperren, was beides elementare Eingriffe in ihr Leben sind“ (ebd.).
Eine „Zwangssterilisation“ liegt vor, wenn gegen den Willen einer Person sterilisiert wird (BERGER 1998).
Viele Frauen mit Lernschwierigkeiten wurden noch bis vor wenigen Jahren sowohl in Deutschland also auch in Österreich sterilisiert. In Deutschland betraf dies bis zum Jahr 1991 jährlich fast 1000 minderjährige Mädchen und junge Frauen mit Lernschwierigkeiten. Der Eingriff konnte in Stellvertretung für sie von deren Eltern beantragt werden. Mit dem neuen Betreuungsrecht wurde die Sterilisation an Minderjährigen verboten. Aber auch Erwachsene wurden ab diesem Zeitpunkt, aufgrund der Kontroll- und Rücktrittsmöglichkeiten, seltener sterilisiert. Heute wird eine Sterilisation sehr selten durchgeführt. In Österreich wurden im Jahr 2001 klare Regelungen zu dieser bis dahin ungeregelten Thematik getroffen. Mit der Änderung des Kindschaftsrechtsgesetzes (nach § 146d ABGB), wurde die Sterilisation Minderjähriger praktisch verboten. Wie in Deutschland ging auch hier die Sterilisation bei erwachsenen Frauen erheblich zurück (BIEWER 2009, S. 109 f).
Einer Sterilisation darf der Sachwalter zustimmen, wenn ein körperliches Leiden besteht und ohne diesen Eingriff das Leben und die Gesundheit der Person gefährdet wären. Bei „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ entscheidet die Person selbst (BMJ 2011, S. 15).
Die psychischen Folgen von Sterilisation werden meist zu wenig diskutiert. Es kann zu schweren Krisen, bereits an die Grenze von Psychosen, kommen. Sterilisation ist ein einschneidendes Ereignis im Lebensweg einer Frau. Sie werden ausgeschlossen von einem „normalen“ Frausein, das auch Kinderwunsch und Mutterschaft implizieren kann (BERGER 1998; FRISKE 1995, S. 168 f; LEUE-KÄDING 2004, S. 106).
Auch wenn Sterilisation gegenwärtig nur mehr in Ausnahmefällen durchgeführt wird, gibt es unzählige Frauen in vollbetreuten Wohneinrichtungen, die von den damaligen Bestimmungen betroffen sind. Viele wissen m. E. eventuell nicht, dass sie sterilisiert wurden und auch nicht, was mit ihnen geschehen ist. Auch wenn es nicht direkt angesprochen wird, kann es indirekt über andere Themen und in einem anderen Kontext (zum Beispiel beim Kinderwunsch) in Erscheinung treten. Frauen, die über ihre Unfruchtbarkeit Bescheid wissen, können ebenfalls darunter leiden, auch wenn sie sich nicht ihrem Umfeld mitteilen. Darum ist es für Mitarbeiterinnen m. E. wichtig, zu wissen, welche Bewohnerinnen von diesem Thema betroffen sind. Ein ehrlicher Umgang damit ist, alleine aus menschenrechtlicher Perspektive, unumgänglich.
Von Bedeutung ist es, dass Frauen und Männer über Verhütungsmethoden Bescheid wissen. Die Thematisierung von Verhütungsmitteln darf nicht zu kurz kommen. Sexualpädagogik und Beratung sind daher unumgänglich (FRISKE 1995, S. 149 f; WALTER 2001, S. 36; JESCHKE/WILLE/FEGERT 2006, S. 245).
Zu groß ist die Gefahr, dass sonst Kontrolle und Überwachung die Intimsphäre und die selbstbestimmte Entscheidungen ersetzen. Werden Verhütungsmittel ohne das Wissen von Frauen und ohne ihr Einverständnis verabreicht, dann entspricht das laut FRISKE dem Tatbestand der Körperverletzung. Die Rechte der Frauen werden elementar beschnitten und sie werden „bewusst dumm und klein gehalten“ (ebd. 1995, S. 150).
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Diskussion rund um die Elternschaft von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten.
Viele Studien widmen sich dem Misslingen von Elternschaften oder den Schwierigkeiten die Eltern mit Lernschwierigkeiten haben können. Trotz allem ist in den letzten Jahren auch in der Fachliteratur immer mehr positive Akzeptanz und Zuwendung zum Thema bemerkbar (PRANGENBERG 2006, S. 36 f; S. 44 f)[41].
In Österreich fehlen bedarfsgerechte Unterstützungsmodelle für Menschen mit Lernschwierigkeiten, die einen Kinderwunsch äußern oder schon Eltern sind. Es wären mehr Konzepte zur Betreuung und Begleitung erforderlich, Überlegungen dazu wurden aber in Österreich noch nicht offiziell angestellt. Häufig wird Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten unterstellt, die Ambitionen des Kinderwunsches wären, dass sie aus der Rolle der „Behinderten“ fliehen wollen. Mit einem Kind würden sie als „normale“ Menschen akzeptiert werden (KASSOUME/KÖBERL 2009, S. 1 f).
Es besteht eine Reihe an Vorurteilen gegenüber geäußerten Kinderwünschen, die eine negative Einstellung bedingen und größtenteils nur Mythen sind, da sie keine erkenntnistheoretischen Grundlagen haben (KASSOUME/KÖBERL 2009, S.2 f):
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Mythos 1: Die Behinderung ist vererbbar.
Hier zeigt sich ein stark durch die Eugenik beeinflusstes Denken, dessen Höhepunkt in den Verbrechen des Nationalsozialismus erreicht war. Menschen mit Behinderung wurden größtenteils sterilisiert oder ermordet (ebd., S. 1). Laut BERGER (1998) sind in etwa nur 10% „intellektueller Beeinträchtigung“ genetisch bedingt (ebd.).
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Mythos 2: Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten sind selbst Kinder.
Diese Annahme lässt sich zurückführen auf die Vermutung, die Intelligenz der Betroffenen wäre in einem bestimmten Kindesalter stagniert und resultiert aus der über lange Zeit ausschließlich vorherrschenden defizitorientierten Sichtweise (KASSOUME/KÖBERL 2009, S. 2).
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Mythos 3: Sie verfügen nicht über die elterlichen Kompetenzen.
Dies steht auch im Zusammenhang mit der Annahme, Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten wären weder lern- noch entwicklungsfähig (ebd., S. 3).
Derzeit können Eltern mit Lernschwierigkeiten nur sehr selten ihre Kinder behalten[42].
Artikel 23 Absatz 2 der UN-Behindertenrechtskonvention steht im Spannungsverhältnis zu der derzeit meist gängigen Praxis der Kindesabnahmen:
„Die Vertragsstaaten gewährleisten die Rechte und Pflichten von Menschen mit Behinderungen in Fragen (…) Pflegschaft, (…) oder ähnlichen Rechtsinstituten, soweit das innerstaatliche Recht solche kennt; in allen Fällen ist das Wohl des Kindes ausschlaggebend. Die Vertragsstaaten unterstützen Menschen mit Behinderungen in angemessener Weise bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung.“
Das Absprechen der Obsorge entspricht keinesfalls den Normalisierungsbestrebungen. KASSOUME und KÖBERL meinen, statt sich die Frage zu stellen, ob Menschen mit Lernschwierigkeiten Kinder haben sollten, sollte darüber nachgedacht werden, wie werdende Eltern auf ihre Rolle vorbereitet werden und welche Unterstützungsmöglichkeiten sie nach der Geburt erhalten können (ebd., S. 3-6).
Eine quantitative Erhebung von KASTLUNGER (2009) zeigt auf, dass es in Wien und Niederösterreich eine unerwartete hohe Anzahl an Kindern bei Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt. Erfasst werden konnten 42 Elternschaften mit 55 Kindern. Meist leben die Kinder jedoch nicht mit ihren Eltern zusammen. Es kann also nicht von „Einzelfällen“ gesprochen werden. Der Bedarf einer weiterführenden fachlichen Auseinandersetzung ist groß (KASTLUNGER 2009; KASSOUME/KÖBERL 2009, S. 5).
Der Umgang mit einem Kinderwunsch ist im Umfeld der betreffenden Personen oft von Hilflosigkeit geprägt. Wünsche verschwinden aber nicht dadurch, dass sie vom Umfeld ignoriert werden. Für einen angemessenen Entscheidungs- und Verarbeitungsprozess müssen die Wünsche der Person ernst genommen werden. Die Frauen und Männer müssen sich mit ihren Fragen, Bedürfnissen und Vorstellungen auseinandersetzen können, und dies auch, wenn ein Kinderwunsch aus diversen Gründen nicht erfüllt werden kann (PIXAKETTNER/ BARGFREDE 2006, S. 67 f).
Mitarbeiterinnen in Wohneinrichtungen können im Zusammenhang mit Kinderwunschfragen starken Belastungen ausgesetzt sein. Viele fühlen sich mit der Problematik alleine gelassen und überfordert. Bei konkretem Kinderwunsch sind sie vielfachen moralischen Fragen und Belastungen ausgesetzt (vgl. hierzu PIXAKETTNER/ BARGFREDE 2001, S. 288 f; PIXA-KETTNER/BARGFREDE/BLANKEN 1996, S. 230 f; S. 147).
In vollbetreuten Wohneinrichtungen sollte mit dem Thema offen umgegangen werden. Mitarbeiterinnen müssen sich m. E. mit Ängsten und Befürchtungen ehrlich und offen auseinandersetzen können. Es soll Raum dafür gegeben werden, mittels Sexualpädagogik, Beratung und Supervision. Nur auf diesem Wege haben auch die Bewohnerinnen eine ernsthafte Chance, über ihre Bedürfnisse reden zu können und dabei ernst genommen zu werden. Auch die betroffenen Frauen sollten selbstverständlich Sexualpädagogik, Beratung und bei Bedarf psychologische und/oder psychotherapeutische Hilfe erhalten.
5.6.9 Sexuelle und sexualisierte Gewalt[43]
Das Risiko, von sexueller Gewalt und sexualisierten Gewalt betroffen zu sein, ist im Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit Behinderung allgemein, bedeutend größer als bei Menschen ohne Behinderung. Zu diesem Schluss kommen zahlreiche Studien (vgl. z.B. BECKER 2001; FEGERT et al. 2006; NOACK/SCHMID 1994; SCHRÖTTLE/HORNBERG et al. 2012; HALLENSTEIN 1993; ZEMP/PIRCHER 1996).
Es lassen sich in diversen Studien und Untersuchungen über Menschen mit Lernschwierigkeiten, die von sexueller und sexualisierter Gewalt betroffen sind, sehr inhomogene Untersuchungsergebnisse ausmachen (die Ergebnisse schwanken zwischen 50 % und 90 %). Durch die unterschiedlichen Untersuchungsbedingungen sind viele Studien nicht repräsentativ. Auch aufgrund der Schambesetztheit des Forschungsgegenstandes muss mit Verzerrungen gerechnet werden. Dazu kommt, dass Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen befragt wurden und eine genaue Aussage zu Menschen mit Lernschwierigkeiten oft nicht gemacht werden kann. Von Bedeutung ist auch, dass differierende Begriffe verwendet werden (BUNGART 2005, S. 23 f; THOMAS/KRETSCHMANN/LEHMKUHL 2006, S. 90 f).
So werden in der Fachliteratur Begriffe wie „sexueller Missbrauch [44]“, „sexuelle Ausbeutung“, „sexueller Übergriff“, „sexuelle Misshandlung“, „sexuelle Gewalt“ und „sexualisierte Gewalt“ oft als Synonyme verwendet und unterschiedlich definiert (BUNGART 2005, S. 17 f; NOACK/SCHMID 1994, S. 32 ff).
Trotz aller Verzerrungen ist aus allen Studien deutlich erkennbar, dass bei Menschen mit Lernschwierigkeiten ein deutlich erhöhtes Risiko von sexueller und sexualisierter Gewalt besteht, was auf strukturelle Bedingungen zurückzuführen ist (THOMAS/KRETSCHMANN/LEHMKUHL 2006, S. 91).
Über Mädchen und Frauen mit Behinderung und sexuelle beziehungsweise sexualisierte Gewalterfahrungen wurde in Österreich erstmals im Jahre 1991 diskutiert. Im Jahr 1992 erfolgte ein internationales Symposium in Wien, wo zum ersten Mal deutlich wurde, wie viele Frauen und Mädchen mit Behinderung von sexueller Ausbeutung[45] betroffen sind. Aufgrund der enormen Zahl wurden diverse Arbeitskreise zu diesem Thema gebildet (ZEMP/PIRCHER 1996, S. 15 f).
Die Studie von ZEMP und PIRCHER „Weil das alles weh tut mit Gewalt“ (1996) ist die weltweit erste zu diesem Thema.[46]
HAZISSA „Fachstelle für Prävention – gegen sexualisierter Gewalt“[47] fasst die Ursachen, Hintergründe und Bedingungen von sexueller Gewalt die m. E. auch aus den oben genannten Studien hervorgehen, in einem Skriptum (2007) zusammen. Im Folgenden sollen für die Diplomarbeit wichtige Punkte kurz dargestellt werden.
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Machtungleichgewicht
Menschen mit Lernschwierigkeiten stehen in Bezug auf viele Dinge in einem Machtungleichgewicht. So können sie durch einen hohen Assistenzbedarf physisch unterlegen sein. Es kann aber auch ein Machtungleichgewicht in Bezug auf die Artikulation und das Wissen gegeben sein. Diese „Sprachlosigkeit“ kann auch auf die Wissensdefizite bezüglich Sexualität zurückzuführen sein. Aufgrund ihrer rechtlichen Position werden sie oft als nicht „einsichts- und urteilsfähig“ gesehen, was Täterinnen in einer höheren Position erscheinen lässt. Leben Menschen mit Lernschwierigkeiten in einer Wohneinrichtung oder in der Familie sind sie der Organisationsmacht unterlegen.
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Strukturelle Rahmenbedingungen
Statt individuellen Lebensmöglichkeiten dominiert in vollbetreuten Wohneinrichtungen in vielen Bereichen die Abhängigkeit. Bei Menschen mit hohem Assistenzbedarf werden zum Beispiel durch Pflegetätigkeiten die Intimitätsgrenzen häufiger überschritten als bei anderen, was eventuell eine Unterscheidung zwischen angemessenem Verhalten und sexueller Gewalt erschweren kann. Durch zu wenig sexuelle Aufklärung und Beratung wissen betroffene Frauen und Männer bei einem Vorfall nicht, an wen sie sich wenden können. Wenn eine Person über ihren eigenen Körper und über ihre Rechte weniger informiert ist, ist sie von einem erhöhten Risiko sexueller Gewalt betroffen.
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Gesamtgesellschaftliche Faktoren
Sexuelle und sexualisierte Gewalt wird bei Menschen mit Lernschwierigkeiten noch immer sehr stark tabuisiert. Diese Tatsache lässt sich auch auf das Absprechen von Sexualität zurückführen. Durch ein zusätzliches Machtgefälle und eine besondere Abhängigkeit sind Menschen mit Lernschwierigkeiten aufgrund ihrer Sozialisationsbedingungen oft daran gewöhnt, dass sie das tun, was andere ihnen sagen. Der Übergang zwischen einvernehmlicher Handlung und fremdbestimmter Handlung kann daher fließend verlaufen. Mangelnde Angebote und Hilfeleistungen können dazu führen, dass sich die Betroffenen keine Hilfe von außen holen können. Aufgrund falsch verstandener Solidarität von Mitarbeiterinnen, wegen des „Rufs“ der Einrichtung, wegen Unsicherheiten oder weil den Frauen und Männern einfach nicht geglaubt wird, kann es in vollbetreuten Wohneinrichtungen passieren, dass Hinweisen auf sexuelle und sexualisierte Gewalttaten nicht nachgegangen wird. Wenn Konsequenzen ausbleiben, setzt das womöglich die Hemmschwelle von Täterinnen herab. Scheinbar freiwillige Zustimmungen zu sexuellen Handlungen können aus unbefriedigten Bedürfnissen heraus entstehen, das heißt, die Suche nach Bedürfnisbefriedigung wird oft missverstanden als Einladung zur sexuellen oder sexualisierten Gewalt. Die Mythen über Menschen mit Lernschwierigkeiten, sie wären zum Beispiel asexuelle Wesen und große Kinder, können die Hemmschwelle von Täterinnen ebenfalls herabsetzen. Die Ansicht, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten sexuell nicht attraktiv wären, lässt viele Menschen in der Gesellschaft glauben, dass die betroffene Personengruppe nicht gefährdet wäre. Durch den Mythos, Menschen mit Lernschwierigkeiten seien sexuell animalisch und würden zu unkontrollierter Sexualität neigen, wird sexuelle Gewalt oftmals als provozierend und gewollt interpretiert (ebd., S. 15-20).
Sexuelle und sexualisierte Gewalt durch Mitarbeiterinnen in vollbetreuten Wohneinrichtungen und generell durch professionell Tätige im Behindertenbereich wird stark tabuisiert. Es lässt sich kaum Literatur in diesem Zusammenhang ausmachen. FEGERT/WOLFF (2006) zeigen in ihrem Buch „Sexueller Missbrauch durch Professionelle in Institutionen“ aber auf, dass dies nicht vollkommen auszuschließen ist.
Auch Männer machen sexuelle und sexualisierte Gewalterfahrungen – eine Thematik die oft „vergessen“ wird (THOMAS/KRETSCHMANN/LEHMKUHL 2006, S. 94-97).
Die Folgen sexueller und sexualisierter Gewalt für Betroffene können sowohl psychisch als auch körperlich sein. Oft werden die Folgewirkungen vom Umfeld verkannt oder falsch interpretiert (ZEMP/PIRCHER 1996, S. 87 f).
Wie aus einer in dieser Diplomarbeit überblicksmäßigen Darstellung der Situation von Menschen mit Lernschwierigkeiten zum Thema der Sexualität hervorgeht, kann im Kontext einer vollbetreuten Wohneinrichtung von „selbstbestimmter Sexualität“ nicht die Rede sein.
Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, was sich an der derzeitigen Situation verändern müsste und das auch im Sinne der UN-Konvention, damit selbstbestimmte Sexualität und Selbstbestimmung an sich möglich wird.
THEUNISSEN (2003) betont die Wichtigkeit einer gezielten Bildungsarbeit um Leitprinzipien wie Selbstbestimmung und Integration usw. verwirklichen zu können (ebd., S. 53).
Nicht nur die Mitarbeiterinnen in Einrichtungen, sondern auch die betroffenen Menschen mit Lernschwierigkeiten sind zu schulen, damit sie Fähigkeiten entwickeln können, um gegenüber den Mitarbeiterinnen eine Arbeitgeberinnenfunktion erfüllen zu können. Es geht im optimalen Fall um den Erwerb von Kompetenzen, sich Assistentinnen zu suchen, diese anzuleiten und zu bezahlen zu können. Das Ziel ist es aber nicht vollkommen selbstständig werden zu müssen, da dies lediglich das Bestreben sein sollte, wenn es auch erreicht werden kann. Es geht darum, „dass jede behinderte Person in Relation zu den eigenen Lebens-Bedingungen die ihr möglichen Schritte setzt“ (SCHÖNWIESE 2003).
Eine Kombination aus „Persönlicher Assistenz“[48] und dem „Persönlichen Budget“[49] könnte Menschen mit Lernschwierigkeiten, auch wenn sie einen hohen Assistenzbedarf haben, den Weg zu mehr Selbstbestimmung ebnen.
Die „Persönliche Assistenz“ ist jede Art von Hilfestellung, die Menschen mit Behinderung zu einem unabhängigen und selbstbestimmten Leben verhelfen kann. Sie gibt den Menschen die Möglichkeit, ihr Leben nach eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Sie umfasst alle Dinge des persönlichen Lebens in denen Hilfe und Unterstützung benötigt wird (SRBRÖSSLER 2007, S. 9). Das Ziel ist es, die gleichberechtigte Teilhabe auf Basis der Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die Persönliche Assistenz sollte auch selbstverständlich von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Anspruch genommen werden können. Auch wenn Menschen nicht in der Lage dazu sind, ihre Assistenz selbst anzustellen, auszuzahlen und dergleichen, können sie dafür Unterstützung von Dritten erhalten (von Personen, zu denen sie Vertrauen haben). Es soll in der Ausführung eine klare Abgrenzung zu den derzeitigen Betreuungsverhältnissen gegeben sein[50].
Zukünftig und im Sinne der Selbstbestimmung sollte auch die Möglichkeit des „Persönlichen Budgets“ für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Betracht gezogen werden. Das persönliche Budget bedeutet, dass bestimmte Geldleistungen selbst verwaltet werden können. Dies würde die derzeitigen Regelungen im Pflegesystem für Menschen mit Lernschwierigkeiten grundlegend verändern.
In vollbetreuten Wohneinrichtungen kann auch die „Persönliche Zukunftsplanung“ (ein Ansatz zur individuellen Lebensstilplanung) dabei helfen, die Vorstellungen, Ziele und Wünsche für das eigene Leben zu erreichen.[51]
Derzeit sind diese Modelle noch nicht oder nur ansatzweise realisiert beziehungsweise in Diskussion. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftig Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten durch Unterstützungsmaßnahmen wie diese zu ihren Rechten gelangen. Es kann nicht im Sinn eines Rechtsstaates sein, Personen, aus welchen Gründen auch immer, Selbstbestimmung zu verwehren.
[22] Auch heute noch ist für viele der Begriff der Sexualität ein anderes Wort für „Fortpflanzung“. Der ursprünglich von den Biologinnen benutzte Begriff wurde von Theologinnen, Medizinerinnen und Pädagoginnen übernommen, da er unsexueller klang als die ursprüngliche Bezeichnung „Geschlechtlichkeit“. Es ging im 19. Jahrhundert um den Kampf gegen die Onanie und um das Bestreben, Sexualität auf das Fortpflanzungsgeschehen zu reduzieren. Sexuelle Äußerungen die der Lust dienten, galten als pervers (SIELERT 2005, S. 49).
[23] Aktuell (Stand: April 2012) ist bekannt geworden, dass der Kinderarzt Andreas RETT massive medikamentöse Triebbekämpfung bei Menschen mit Behinderung zwischen den 1960er Jahre bis Ende der 1980er Jahren durchgeführt hat. Nähere Informationen zu finden auf der Homepage von „Selbstbestimmt Leben Österreich“ URL: www.slioe.at (Download 13.6.2012)
[24] Zum Qualitätsmanagement siehe zum Beispiel die Publikation von PETERANDER/SPECK (2004)
[25] Der Gedanke der Freiwilligkeit muss bedacht werden. Laut HOFFMANN und THEUNISSEN werden nicht selten Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten gegen ihren Willen in Bildungsmaßnahmen oder Kurse geschickt. Oder sie werden dazu überredet (ebd., S. 66).
[26] Peer-Beratungsangebote entstanden aus den Grundprinzipien der Independent Living-Bewegung. Unterschiede zwischen Peer Support und Peer Counseling und zur Vertiefung in das Thema siehe zum Beispiel KAN/DOOSE 2000; OSBAHR 2000; THEUNISSEN/PLAUTE 2002
[27] Im Dezember 2011 endete der zweite Lehrgang für weitere sechs Frauen und zwei Männer.
[28] URL: www.alphanova.at/media/Jahresbericht_2009_hautnah_gesamt.pdf (Download: 9.7.2011)
[29] Die „Sexual-Andragogik“ ist eine Aspektdisziplin der Pädagogik. „Sexualpädagogik“ und „Sexualerziehung“ sind unpassende Begriffe, geht es um die Aufklärung und Beratung von erwachsenen Menschen. Laut SIELERT hat sich aber die Bezeichnung noch nicht durchgesetzt. Dies lässt sich auf eine geringe Betrachtung der sexuellen Entwicklung in diesen Lebensphasen und einer zu geringen Theorieentwicklung zurückführen (ebd. 2005, S. 15). Angesichts der Gefahr der Infantilisierung und des Absprechens des Erwachsenenstatus von Menschen mit Lernschwierigkeiten ist eine Beachtung der Bezeichnungen sinnvoll und nachvollziehbar. Es soll daher in dieser Diplomarbeit nicht von „Sexualerziehung“ die Rede sein. „Sexualpädagogik“ wird im Kontext der „Sexualpädagoginnen“ verwendet, da es die allgemeine Bezeichnung ist (wenn auch keine geschützte Berufsbezeichnung).
[30] Diverse Sozialpädagogische Hauptrichtungen aus dem deutschsprachigen Raum seit den 1950er Jahren und deren Sexualverständnis siehe RAITHEL/DOLLINGER/HÖRMANN 2005
[31] Ein Fragebogen zur Sexualbiographie: SCHRÖDER 2005
[32] Weitere Arbeitsbücher: DIXON/CRAFT 1992; alpha nova Fotomappe „Menschen …Körper …Bilder“ und alpha nova Arbeitsmappe „Geschlechtsspezifische erwachsene Identität“
[33] Finanzielle Aufwendungen für Menschen mit Behinderungen werden überwiegend aus Steuermitteln erbracht, was kritische Fragen nach der Wirtschaftlichkeit zur Folge hatte. Es wurden Systeme der Qualitätssicherung entwickelt, die eine Kosteneinsparung durch Begrenzung der Leistungsinhalte zum Ziel hatten. Dadurch findet laut FORNEFELD (2008) eine „Zwei-Klassen-Behindertenversorgung“ statt, die Menschen aussondert, die nicht in das entwickelte System passen, weniger „integrationsfähig“ sind. FORNEFELD nennt diese „Menschen mit komplexer Behinderung“.
Es handelt sich hierbei um eine sehr heterogene Gruppe und soll keine neue Klassifizierung darstellen, sondern eine „Bezeichnung einer von Missachtung und Aussonderung bedrohten Personengruppe (…) die als angeblich Leistungsschwächsten übersehen werden. Sie unterscheiden sich (…) stark voneinander, nicht aber in der Komplexität ihrer Lebensbedingungen“ (ebd., S. 10). Es sind Menschen mit „mehrfachen und schweren Schäden“, Menschen mit Lernschwierigkeiten und „schwierigem Verhalten“ oder „psychischen Problemen“ oder auch solche, die nicht sprechen können (ebd., S. 9 f).
DALFERTH (2006) warnt vor dem Verbleib einer Restgruppe in der „Parallelgesellschaft einer Institution“ die aus organisatorischen Gründen und Kostengründen nicht oder nur wenig von den Leitprinzipien wie Normalisierung, Integration, Inklusion und Selbstbestimmung tangiert werden.
Und auch SEIFERT (2002) postuliert: „Die von Seiten der Sozialhilfeträger vorgenommene Aufteilung von behinderten Menschen mit hohem Hilfebedarf in ‚Förderfähige’ und ‚Pflegefälle’ erklärt die Letztgenannten zu Menschen zweiter Klasse, die nicht (mehr) bildungsfähig bzw. eingliederungsfähig sind. Dieses Vorgehen ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen jeder Mensch bildungs- bzw. entwicklungsfähig ist, wenn sein soziales und materielles Umfeld seinen Bedürfnissen entspricht“ (ebd., S. 219).
[34] Beschreibungen zur Sexualbegleitung bei Körperbehinderung, Surrogattherapie, neurologische Störungen und speziellen sexuellen Hilfsmittel zum Beispiel BANNASCH 2002/SANDFORT 2007/WALTER 2008.
[35] Im Duden wird „infantilisieren“ umschrieben als „geistig unselbstständig machen“ oder „bevormunden“. URL: http://www.duden.de/suchen/dudenonline/infantilisieren (Download: 1.6.2012)
[36] Ergebnisse einer Studie zum Ablösungsprozess und zur Konzeptionen bedarfsgerechter Angebote siehe SCHULTZ 2010 und SCHULTZ 2011.
[37] „Heim“ kann hier mit „vollbetreuter Wohneinrichtung“ gleichgesetzt werden. In Deutschland unterscheiden sich die Bezeichnungen von Wohneinrichtungen zu den Bezeichnungen in Österreich.
[38] Zur Untersuchung siehe WACKER et al. ( 1998); weitere Untersuchungen die unter anderem Bedingungen untersuchen, die sich direkt und indirekt auf die Sexualität auswirken können, sind zum Beispiel SEIFERT (1997) und SEIFERT/FORNEFELD/KOENIG (2001).
[39] URL: www.alphanova.at/media/Jahresbericht_2009_hautnah_gesamt.pdf (Download: 9.7. 2011)
[40] Außerdem erhält das Thema zusätzlich einen bitteren Beigeschmack, da im Nationalsozialismus an die 400.000 Menschen wegen vermeintlichen „Erbkrankheiten“ gegen ihren Willen sterilisiert worden sind (HEIDENREICH/OTTO 1991, S. 1).
[41] Eine differenzierte Auseinandersetzung ist aus Platzgründen leider nicht möglich. An dieser Stelle sei deswegen auf einige Publikationen zu diesem Thema verwiesen: ARNADE/BAZINGER 2007; KASSOUME 2006; PRANGENBERG 2002; PIXA- KETTNER/BARGFREDE/BLANKEN 1996.
[42] Beispiele von Eltern im „Kampf“ mit den deutschen Behörden und eine Darstellung der m. E. meist menschenunwürdigen Vorgehensweisen bezüglich Kindesabnahmen siehe PIXA-KETTNER 2006
[43] Die Bezeichnungen „sexuelle Gewalt“ und „sexualisierte Gewalt“ werden in dieser Diplomarbeit teilweise synonym verwendet. „Sexualisierte Gewalt“ wird in dieser Diplomarbeit als „sexuelle Gewalt“ im weiteren Sinne verstanden. „Im engeren Sinne“ sind Berührungen und Geschlechtsverkehr gemeint. „Im weiteren Sinne“ meint alles, was mit Sexualität assoziiert wird und gegen den Willen einer Person und/oder unter Machtausübung geschieht. Anzügliche Bemerkungen und so weiter fallen in dieser Begriffsbestimmung also unter „sexualisierte Gewalt“.
[44] Das Wort „Missbrauch“ impliziert auch einen legalen „Gebrauch“ und steht daher in der Fachliteratur teilweise unter Kritik. Der Begriff ist aber noch sehr gebräuchlich (hierzu auch ZEMP/PIRCHER 1996, S. 19).
[45] „Sexuelle Ausbeutung“ wird in der Studie definiert als jegliche Form der Bedürfnisbefriedigung einer Person mittels einer anderen Person. Das kann sexueller Natur sein, aber auch Bedürfnisse die in sexualisierter Form ausgelebt werden, wie Macht, Selbstbestätigung und Unterdrückung (ZEMP/PIRCHER 1996, S. 20).
[46] Innerhalb von einem Jahr wurden in neun Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Interviews mit Frauen mit Behinderungen und mit Expertinnen aus dem Bereich durchgeführt. Als Expertinnen gelten in der Studie sowohl Mitarbeiterinnen und Leiterinnen von Einrichtungen als auch so genannte „übergeordnete Expertinnen“.
Rund 60% der befragten Frauen mit Behinderungen gaben an, sexuelle und sexualisierte Gewalt einmal oder mehrmals erfahren zu haben. Viele Frauen sind wenig bis nicht aufgeklärt und/oder verfügen nur über spärliches Wissen rund um die Thematik Sexualität und den eigenen Körper. Die Studie hat ergeben, dass es bestimmte Einflussfaktoren gibt, die sexuelle und sexualisierte Gewalt in Einrichtungen begünstigen. Diese sind die Art der Behinderung, die Strukturen der Einrichtungen und die fehlende sexuelle Aufklärung. Di Folgen von sexueller Ausbeutung sind körperliche Beschwerden und psychische Auffälligkeiten. Die Täter sind meist männlich, Frauen als Täterinnen bilden in dieser Studie die Ausnahme. Sehr oft sind die Täterinnen nicht aus der Einrichtung, häufig Mitbewohnerinnen und selten Mitarbeiterinnen. Vielen betroffenen Frauen wird nicht geglaubt, wenn sie sich jemandem anvertrauen. Wurde ihnen doch geglaubt, sind die Konsequenzen für die Täterinnen ernüchternd. Die meisten Verfolgungen der Gewalttaten wurden eingestellt. Einige wurden ermahnt, wenige in eine andere Einrichtung versetzt. Als Grund dafür wird unter anderem angegeben, dass die Einrichtungsleiterinnen teilweise überfordert sind und nicht wissen, wie sie reagieren sollen (ZEMP/PIRCHER 1996; ZEMP/PIRCHER 1997).
[47] URL: http://www.hazissa.at/images/behi%20unterlage%202007.pdf (Download: 7.3.2012)
[48] Das Modell der „Persönlichen Assistenz“ bedarf laut FRITZER (2011) in Österreich noch einiger Überarbeitung. Es werden mehr Schulungen und Informationen, sowohl für Assistenznehmerinnen als auch für Assistentinnen benötigt (ebd., S. 70). Auch mit dem derzeitigen Stellenwert des Berufsbildes gilt es sich kritisch auseinanderzusetzen. Eine Untersuchung von THIELKING (2010) hat ergeben, dass viele Assistentinnen den Beruf nicht länger als drei Jahre ausüben und es sich größtenteils um einen „Studentinnenjob“ handelt. Assistentinnen können außerdem ein Problem damit haben, dass sie fremdbestimmt handeln sollten. Dies Position der Assistenznehmerinnen mit ausschließlicher Entscheidungsgewalt scheint dadurch gefährdet zu sein (ebd., S. 51-54). Wenn die Persönliche Assistenz zukünftig noch mehr auch von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Anspruch genommen wird, besteht m. E. die Gefahr, dass diese Entscheidungsgewalt noch unbeständiger sein kann. Diese Punkte sollten bei Überlegungen zur Umsetzung des Modells für Menschen mit Lernschwierigkeiten Beachtung finden.
[49] Zum „Persönlichen Budget“ siehe zum Beispiel KRUSE/STEINKE (?); JAHNCKELATTECK/ RÖSNER/WEBER 2007; PÖLZL 2010.
[50] MONITORINGAUSCHUSS 2011 URL: http://www.monitoringausschuss.at/sym/monitoringausschuss/Oeffentliche_Sitzungen (Download: 3.7.2012)
[51] Zur „Persönlichen Zukunftsplanung“ siehe auch BOBAN/HINZ 1999; DOOSE/GÖBEL 2004; DOOSE 2006; O`BRIEN/O`BRIEN 2000.
Inhaltsverzeichnis
- 6.1 Erhebungsverfahren
- 6.2 Durchführungsphase
- 6.3 Die Auswertungsmethode
-
6.4 Untersuchungsergebnisse und
Interpretation
- 6.4.1 Auseinandersetzung und Stellenwert Sexualität
- 6.4.2 Relevante Themenbereiche Sexualität
- 6.4.3 Sensibilisierung Bewohnerinnen
- 6.4.4 Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen
- 6.4.5 Menschen mit hohem Assistenzbedarf
- 6.4.6 Sexuelle Selbstbestimmung
- 6.4.7 Angehörige und Eltern
- 6.4.8 Gesellschaftliche Einstellung
- 6.4.9 Zukunftswünsche und -aussichten
Aufgrund der geringen Größe der Stichprobe muss gleich vorab festgehalten werden, dass die vorliegende Untersuchung keine Repräsentativität auf die Grundgesamtheit zulässt. Dennoch liefert sie wichtige Ergebnisse, die einen Einblick in die Situation von Frauen und Männern in vollbetreuten Wohneinrichtungen gewähren und Schlussfolgerungen bezüglich ihrer Sexualität, einschließlich der Probleme, die daraus resultieren, zulassen.
Die zentrale Forschungsfrage und die Subfrage werden mithilfe der Auswertungsergebnisse qualitativer Experteninterviews[52] beantwortet:
-
Welche Probleme entstehen im Umgang mit der Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen?
-
Welche Schritte werden in den vollbetreuten Wohneinrichtungen gesetzt, um diesen Problemen entgegenzuwirken?
Qualitative Forschung betrachtet den Menschen als erkennendes Subjekt und als Untersuchungsobjekt. Die Forschung soll keine Herstellung von Objektivität zum Ziel haben. Die Bedeutung der verwendeten Symbole und auch Sprachsymbole müssen verstanden werden. Diese sind kontext- und situationsabhängig. Es wird davon ausgegangen, dass das Gegenüber aufgrund einer ähnlichen Symbolsprache verstanden wird, die sich zum Beispiel durch die gemeinsame Kultur ergibt. Außerdem wird davon ausgegangen, dass sich in die Position des Gegenübers gedanklich hineinversetzt werden kann (LAMNEK 2010, S. 30).
Qualitative Forschung hat also (…)
„(…) den Anspruch Lebenswelten ‚von innen heraus’ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen“ (FLICK/KARDORFF/STEINKE 2008, S. 14).
Qualitative Interviews sind sehr verbreitet und haben eine wichtige Bedeutung für die qualitative Forschung. Die produzierten Texte lassen sich aufzeichnen und interpretieren.
Es ergeben sich Kontrollmöglichkeiten durch den Interview- und Interpretationsvergleich, wodurch das qualitative Interview einen hohen methodischen und methodologischen Status einnimmt (LAMNEK 2010, S. 301). Sie eignen sich ganz besonders, wenn „Meinungen, Werte, Einstellungen, Erlebnisse, subjektive Bedeutungszuschreibungen und Wissen“ erfragt werden wollen (REINDERS 2005, S. 97). Es lassen sich bestimmte Kriterien ausmachen, die bei der Wahl der Interviewmethode helfen sollen. Die Fragestellung und das Vorwissen der Forscherin über das Themengebiet, das erforscht werden soll, sowie die Forschungstradition der Methoden spielen eine Rolle (ebd., S. 101).
Als Erhebungsinstrument wird in der Diplomarbeit das „Systematisierende Experteninterview“ herangezogen, da Expertinnen die Zielgruppe der qualitativen Forschung in der Diplomarbeit sind. Was genau unter einer „Expertin“ verstanden werden kann, ist umstritten (LAMNEK 2010, S. 655).
„Der Experte verfügt über technisches Prozess- und Deutungswissen, das sich auf sein spezifisches professionelles oder berufliches Handlungsfeld bezieht. Insofern besteht das Expertenwissen nicht allein aus systematisiertem, reflexiv zugänglichem Fach- oder Sonderwissen, sondern es weist zu großen Teilen den Charakter von Praxis- oder Handlungswissen auf, in das (…) soziale Deutungsmuster einfließen“ (BOGNER/MENZ 2005, S. 46).
Es gibt verschiedene Zielsetzungen von Experteninterviews, wie die Einteilung in drei Bereiche von BOGNER und MENZ (2005, S. 37 ff) zeigt.
-
Exploratives Experteninterview: Diese Interviewform dient der ersten Orientierung in einem neuen und unübersichtlichen Forschungsfeld. Sie sollen das Untersuchungsgebiet thematisch strukturieren und Hypothesen generieren. Expertinnen dienen als Informationsquelle über eine Zielgruppe. Explorative Interviews sollen möglichst offen geführt werden, jedoch gibt es einen zuvor erstellten Leitfaden.
-
Systematisierendes Experteninterview: Der Schwerpunkt liegt bei dem Handlungsund Erfahrungswissen aus der Praxis mit dem Ziel einer lückenlosen Informationsgewinnung. Die Expertin erklärt der Forscherin ein Fachwissen, das für diese nicht zugänglich ist. Der Leitfaden ist sehr ausdifferenziert.
-
Theoriegenerierendes Experteninterview: Hier dient die Expertin nicht mehr nur zur Gewinnung fachdienlicher Informationen, das Interesse gilt der subjektiven Handlungsorientierung der Expertin. Entscheidungsmaximen der Expertinnen sind relevant. Durch die Vergleichbarkeit der Expertinnenäußerungen wird eine „theoretisch gehaltvolle Konzeptualisierung von (impliziten) Wissensbeständen, Weltbildern und Routinen angestrebt“ (ebd., S. 38).
Als kritische Punkte beim Experteninterview können angeführt werden:
-
Die interviewte Person stellt sich als Nichtexpertin heraus.
-
Die Thematik des Interviews wird verfehlt, indem über Konflikte und Verwirklichungen ihres Bereichs gesprochen wird.
-
Die Expertin schlüpft in die Rolle des Privatmenschen.
-
Das Expertinnenwissen wird in Form eines Vortrages vermittelt (KÖNIG/ZEDLER 2002, S. 176).
Ein Problem in der Anwendung kann sein, dass nicht die richtigen Expertinnen identifiziert werden, die relevante Antworten zum Interviewthema geben können. Weiters ergibt sich womöglich ein Zeitdruck bei der Durchführung, da es sich oft um sehr komplexe Themengebiete handelt und auch eine Nachfragezeit eingerechnet werden muss. Ein wichtiger Punkt ist das Problem der Vertraulichkeit. Werden heikle Themen angesprochen, kann es zu einer Aussageverweigerung kommen, Genehmigungen von übergeordneten Hierarchien müssen womöglich eingeholt werden (FLICK 2009, S. 218).
Nach reichlicher Überlegung, welche Expertinnen am besten zur Beantwortung meiner Forschungsfragen beitragen könnten, kontaktierte ich teilweise per Telefon, teilweise per E-Mail Einrichtungsleiterinnen und Expertinnen von Beratungsstellen, die Angebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen bereitstellen. Die E-Mails beinhalteten, neben einer kurzen Vorstellung meiner Person und meines Forschungsvorhabens, die Art und Weise, wie die Interviewpartnerinnen bei der Untersuchung mitwirken. Mit der Ankündigung, dass ich mich in den kommenden Tagen telefonisch melden würde, endeten die E-Mails. Auf meine Anfragen wurde teilweise überhaupt nicht, teilweise per E-Mail oder Telefon reagiert. Per Telefon erfolgten dann die genauen Absprachen über die Interviewdurchführung (Datum, Ort, Zeit, Tonbandmitschnitt, ungefähre Interviewdauer) und erste Absprachen zur Anonymisierung der Interviews.
Es konnten sechs Interviewpartnerinnen gefunden werden, wobei es sich zufällig ergeben hat, dass alle weiblich sind. In der nachfolgenden Tabelle werden die beruflichen Tätigkeiten der Interviewpartnerinnen kurz vorgestellt.
Frau Mag. S. |
Leiterin von zwei vollbetreuten Wohneinrichtungen und einer ambulant betreuten Wohneinrichtung |
---|---|
Frau Mag. R. |
Freiberufliche Sexualpädagogin |
Frau P. |
Leiterin von drei vollbetreuten Wohneinrichtungen |
Frau Mag. K. |
Bereichsleitung für 13 vollbetreute Wohneinrichtungen |
Frau DSA Bettina Weidinger |
Pädagogische Leitung „Österreichisches Institut für Sexualpädagogik“ |
Frau Mag. Lisa Udl |
Geschäftsführung und Leitung Verein „Ninlil – Empowerment und Beratung für Frauen mit Behinderung“ |
6.2.2.1 Österreichisches Institut für Sexualpädagogik (ISP)[53]
Das „Institut für Sexualpädagogik“ in Wien bietet Beratung und Begleitung bei allen Fragen rund um den Themenbereich Sexualität und Beziehung an. Es können außerdem Sexualtherapiestunden, Fachsupervision und Coaching in Anspruch genommen werden.
Neben der Ausbildung in „praxisorientierter Sexualpädagogik“ gibt es die Fortbildung „Klinische Sexologie – Sexocorporel“. Das ISP vernetzt sich mit anderen Einrichtungen, die sich ebenfalls mit dem Themenbereich der Sexualität auseinandersetzen. Frau DSA Bettina Weidinger ist die pädagogische Leiterin des Instituts. Außer Sexualpädagogin ist sie auch Sozialarbeiterin und Sexualtherapeutin.
6.2.2.2 Verein „Ninlil – Empowerment und Beratung für Frauen mit Behinderung“[54]
Der Verein „Ninlil – Empowerment und Beratung für Frauen mit Behinderungen“ teilt sich in die Arbeitsbereiche „Kraftwerk – gegen sexuelle Gewalt an Frauen mit Lernschwierigkeiten“ und „ Zeitlupe – Peer-Beratung für Frauen mit Behinderung“. Bei „Kraftwerk“ arbeiten Frauen mit und ohne Behinderung gegen sexuelle Gewalt an Frauen mit Lernschwierigkeiten. Neben Beratungsangeboten für Frauen mit Lernschwierigkeiten, Angehörigen, Assistentinnen und Mitarbeiterinnen von Behinderteneinrichtungen, werden Seminare angeboten, die die Stärken der Frauen entdecken und fördern sollen. Es gibt auch Seminarangebote für Mitarbeiterinnen in Behinderteneinrichtungen, die über das Thema „sexuelle Gewalt“ informieren. Ninlil versteht unter sexueller Gewalt:
-
„Erzwungener Geschlechtsverkehr
-
Geschlechtsverkehr, der nicht ausdrücklich von beiden gewollt wird
-
Unerwünschte Berührungen, unerwünschtes Streicheln
-
Nicht-Beachten der Intimsphäre einer Frau
-
Übergriffe bei der Pflege: unerwünschte Berührungen bei Assistenzleistungen
-
Frauenverachtende Redensweisen
-
Herzeigen von pornographischen Heften oder Filmen, wenn die Frau sie nicht sehen will
-
Zwangssterilisation
-
Jede Handlung, die die intimen Grenzen einer Frau überschreitet – jede Frau entscheidet selbst, was für sie gut ist und was nicht!“ [55]
Durch die Zusammenarbeit mit Einrichtungen und Institutionen kann eine individuell passende Beratung für Frauen mit Lernschwierigkeiten angeboten werden. Frau Mag. Lisa Udl ist die Leiterin und Geschäftsführerin des Vereins. Sie ist außerdem Integrativpädagogin und Voltigiertherapeutin.
Basierend auf der Theorieerarbeitung zum Thema „Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen“ wurden Leitfäden für unterschiedliche Expertinnen erstellt. Die Grobstruktur der Leitfäden wurde bereits vor der Suche der Interviewpartnerinnen niedergeschrieben, damit mögliche Vorinformationen zum Leitfaden des Interviews bereits im Vorfeld ausführlich beantwortet werden konnten. Erst nach der Eruierung der Interviewpartnerinnen wurde der Leitfaden dann auf die entsprechenden Personen angepasst. Somit ergeben sich vier Leitfadenvarianten:
-
Eine Variante für die drei Einrichtungsleiterinnen aus dem vollbetreuten Wohnen,
-
einer für die freiberufliche Sexualpädagogin,
-
einer für Frau DSA Weidinger,
-
und einer für Frau Mag. Udl.
Die Leitfäden sind dem Anhang dieser Diplomarbeit beigefügt.
Die Interviews wurden größtenteils in den Büros der Interviewpartnerinnen Ende Juni bis Anfang Juli dieses Jahres durchgeführt. Ein Interview erfolgte zudem in einem Park, eines in einem Lokal und ein weiteres in Strobl am Wolfgangsee im Zuge einer Fortbildung. Es gab bis auf kleine Unterbrechungen keine nennenswerten Störungen. Vor den Interviewaufnahmen wurden nochmals die Rahmenbedingungen geklärt. Die Interviewpartnerinnen waren alle sehr kooperativ und es gab keine Fragen, die nicht beantwortet wurden.
Aufgrund der Einheitlichkeit habe ich mich dazu entschlossen, die Interviews mit den Einrichtungsleiterinnen zu anonymisieren, obwohl zwei der drei Interviewpartnerinnen einer Namensnennung zugestimmt hätten. Aufgrund der heiklen Thematik (wie etwa dem Thema „sexuelle Gewalt“) wurden von mir im Nachhinein auch noch die Namen der Einrichtungen anonymisiert. Die Interviewpartnerinnen wurden über die Anonymisierung in Kenntnis gesetzt und haben dieser Änderung zugestimmt. Zudem wollte die freiberufliche Sexualpädagogin Frau Mag. R. nicht, dass ich sie in der Diplomarbeit namentlich nenne oder das Interview im Anhang veröffentliche. Da es nachvollziehbar ist, um welche Personen es sich bei Frau Mag. Udl und Frau DSA Weidinger handelt, wurden diese nicht anonymisiert.
Im Gegensatz zu den einzelnen Methoden der qualitativen Interviews, die sich einem qualitativen Paradigma zugehörig fühlen, gibt es unterschiedliche Ansätze und Methoden in der Interviewauswertung (LAMNEK 2010, S. 366).
SCHMIDT (2010) stellt im Artikel „Auswertungstechniken für Leitfadeninterviews“ eine mögliche Auswertungsstrategie vor, die eine Zusammenstellung aus diversen Auswertungstechniken darstellt.
In der Diplomarbeit wird die Auswertung der Experteninterviews in Anlehnung an SCHMIDT durchgeführt und beinhaltet folgende Schritte:
-
Transkription
In der Transkriptionsphase wird das audiovisuell aufgezeichnete Material verschriftlicht.[56] Sie dient der Aufbereitung des Materials (LAMNEK 2010, S. 369). Das Notationssystem orientiert sich in der Diplomarbeit an REINDERS (ebd. 2005, S. 255 ff) und ist dem Anhang beigefügt.
-
Entwicklung von Auswertungskategorien
Die Kategorien werden aus dem erhobenen Material heraus entwickelt. Durch intensive Auseinandersetzung mit dem Material werden wichtige Themen und Aspekte gekennzeichnet und Begriffe notiert. Die Formulierungen der interviewten Personen sollen verstanden und unter „Überschriften“ zusammengefasst werden. Danach werden Kategorien gebildet, die bereits im Vorfeld bei der Fragebogenerstellung als Entwürfe eine Rolle spielen (SCHMIDT 2010, S. 475 f).
-
Erstellen eines Auswertungsleitfadens
Im Auswertungsleitfaden werden die zuvor entwickelten Kategorien beschrieben und zusammengestellt. Anhand dieses Leitfadens werden in einem späteren Schritt die Interviews kodiert. Die Auswertungskategorien werden erweitert, indem eventuell zuvor nicht passende Textstellen nun zugeordnet werden. Kategorien können aber auch wieder herausgenommen werden (ebd., S. 476).
-
Kodierung des Materials In diesem Schritt werden einzelne Textpassagen auf ihre Relevanz hinsichtlich einer Kategorie identifiziert und kodiert, also einer Ausbildungskategorie zugeordnet. Hierbei wird eine „fallzentrierte Reduzierung der Informationsfülle beabsichtigt, um dominante Tendenzen zwischen den Fällen vergleichen zu können“ (ebd., S. 478).
-
Quantifizierende Material
übersichten SCHMIDT schlägt eine quantifizierende Zusammenstellung der Kodierungen vor, das heißt die Kodierungen werden in Form einer Tabelle übersichtlich strukturiert. Es kann eine Gesamtübersicht „für alle unterschiedlichen Fälle zu allen oder zu ausgewählten Auswertungskategorien erstellt werden“ (ebd., S. 482). In einer Tabelle wird in jeder Zeile ein Fall dargestellt, wobei in jeder Spalte die Ergebnisse der Kodierung der ausgewählten Auswertungskategorien eingetragen werden (ebd.).
-
Vertiefende Fallinterpretation
Die Interviewtranskripte werden hinsichtlich der Fragestellungen interpretiert und Antworten werden ausformuliert. Die Antworten können bestehen aus „inhaltlichen Bestimmungen von Zusammenhängen“ oder aus „theoretischen Schlussfolgerungen“. Ein Ziel der Interpretation kann sein, dass Hypothesen aufgestellt oder überprüft werden. Neue theoretische Überlegungen können angeführt werden (ebd., S. 482 f).
Es werden nun die Ergebnisse der sechs Interviews vorgestellt, interpretiert und mit dem Literaturteil dieser Diplomarbeit in Bezug gesetzt.
Es ergaben sich bei der Auseinandersetzung mit dem Interviewmaterial insgesamt 31 Auswertungskategorien, welche zu einem Auswertungsleitfaden zusammengestellt wurden. Nach der Kodierung des Materials und durch die quantifizierende Zusammenstellung der Kodierungen ergaben sich neun Themenschwerpunkte, denen die Kategorien zugeordnet wurden. Mit diesen Themenschwerpunkten werden im Folgenden die Hauptfragestellung dieser Diplomarbeit und die Subfrage beantwortet.
-
Welche Probleme entstehen im Umgang mit der Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen?
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Welche Schritte werden in den vollbetreuten Wohneinrichtungen gesetzt, um diesen Problemen entgegenzuwirken?
Die Themenschwerpunkte werden im Folgenden kurz erläutert und im Anschluss näher vorgestellt:
-
Auseinandersetzung und Stellenwert Sexualität
In diesem Schwerpunkt werden das „Ausmaß der Auseinandersetzung“ mit und der „Stellenwert des Themas“ der Sexualität für vollbetreute Wohneinrichtungen diskutiert. „Bereitgestellte Angebote“ aber auch „Vernetzungen“ mit anderen Vereinen und Einrichtungen, sowie „finanzielle Ressourcen“, die für das Themengebiet der Sexualität bereitgestellt werden, sollen näher betrachtet werden.
-
Relevante Themenbereiche Sexualität
Es wird auf die Themen „Sexualbegleitung“, „Beziehung und Partnerschaft“, „Heirat“, „Homosexualität und Transsexualität“ und deren Stellenwert für die Wohneinrichtungen eingegangen. „Sterilisation, Kinderwunsch, Abtreibung und Kindesabnahme“ werden in einem Kapitel gemeinsam behandelt und in Hinblick auf ihre Relevanz analysiert. Der Umgang mit „Verhütung“ und „sexuellen und sexualisierter Gewalterfahrungen“ schließt den zweiten Themenschwerpunkt ab.
-
Sensibilisierung Bewohnerinnen
Es wird dargestellt, wie und in welchem Ausmaß die Bewohnerinnen auf Themenbereiche der Sexualität sensibilisiert werden. Welchen „Wissenstand“ haben sie über Sexualität und gibt es „Austauschmöglichkeiten“ mit Bewohnerinnen und Mitarbeiterinnen? Können sie ihre „sexuellen Bedürfnisse“ ausleben und welche „Angebote“ werden für sie bereitgestellt?
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Sensibilisierung Mitarbeiterinnen
In diesem Schwerpunkt interessieren die „Einstellungen und Vorstellungen“ der Mitarbeiterinnen. Welche „Mythen“ spielen im Berufsalltag noch eine Rolle und wie wird der „erwachsenengemäße Umgang“ gepflegt? Auch bei den Mitarbeiterinnen interessiert, welche „Angebote“ sie in Anspruch nehmen können, wie zum Beispiel Aus- und Fortbildungen und Fallsupervision zu sexuellen Themen.
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Hoher Assistenzbedarf und Sexualität
Interessant ist bei diesem Themenschwerpunkt, ob die Sexualität von Menschen mit hohem Assistenzbedarf und Lernschwierigkeiten wahrgenommen wird und welche Möglichkeiten diesen Menschen bereitgestellt werden. Welche Schwierigkeiten ergeben sich und wo bedarf es mehr Aufmerksamkeit?
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Sexuelle Selbstbestimmung
In diesem Schwerpunkt wird hinterfragt, was es braucht, damit von sexueller Selbstbestimmung gesprochen werden kann. Wo gibt es „Mitspracherecht“ und beschränken die „Hausordnungen“ die Möglichkeiten der Bewohnerinnen? Ist „Privatsphäre“ vorhanden? Wie stehen die Leiterinnen dem „Persönlichen Budget“ gegenüber und könnten sie es sich für die Bewohnerinnen in ihren Einrichtungen vorstellen? Ergänzend wäre interessant, ob durch die „UN-Konvention“ für Leiterinnen eine Veränderung bezüglich der Themen rund um die Sexualität bemerkbar ist.
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Eltern und Angehörige
Interessant ist in diesem Zusammenhang, welchen Einfluss Eltern und generell Angehörige auf ihre erwachsenen Söhne und Töchter haben, auch wenn diese nicht mehr im Elternhaus wohnen.
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Gesellschaftliche Einstellung
In diesem Kontext interessiert die gesellschaftliche Einstellung zum Thema der Sexualität, denn sie tangiert – als Mitglieder der Gesellschaft – sowohl die Mitarbeiterinnen als auch die Bewohnerinnen.
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Zukunftswünsche und -aussichten
Zum Schluss werden die „Zukunftswünsche und -aussichten“ der Interviewpartnerinnen dargestellt, denn sie geben nochmals einen Einblick in die Vorstellungen der interviewten Personen gegenüber der Thematik. Es werden Verbesserungsvorschläge und konkrete Veränderungswünsche zur derzeitigen Situation genannt.
Eine Auseinandersetzung mit den Themenbereichen rund um die Sexualität findet in allen Einrichtungen statt, jedoch mit unterschiedlichem Stellenwert. Der Bedarf wird erkannt und es wird darauf reagiert, teilweise direkt auf das Thema bezogen, teilweise wird es über andere Themen mitbearbeitet.
„(…) ich glaub, dass es aber lange (…) kein offenes, bewusst bearbeitetes Thema war und erst in den vergangenen Jahren wirklich auch aktiv (.) zu einer Auseinandersetzung gekommen ist“ (Interview 1, Zeile 175 ff).
Auf die Frage, welchen Stellenwert es für den Verein hat, für den Frau Mag. K. tätig ist, meint sie:
„Ja. Also schon einen großen. (3) Ahm (.) Auch wenn es im Alltag manchmal immer wieder untergeht, aber Sexualität oder (.) möglicherweise unbefriedigte sexuelle Wünsche sind auch immer wieder (.) Thema bei Besprechungen. Prinzipiell natürlich eher bei jüngeren Leuten, als wirklich jetzt bei den (.) über Sechzigjährigen. (2) Ja (..) wir haben sehr unterschiedliche Äußerungsformen von (..) Bedürfnissen, die aus sexuellen Ursprung sind, und gehen sehr unterschiedlich damit um“ (Interview 4, Zeile 112-117).
Frau P. merkt an, dass offensiver und kritischer mit dem Thema umgegangen wird. Es wird darauf geachtet, dass Einschränkungen erkannt und verändert werden.
„Weil teilweise erleben wir Bewohner und Bewohnerinnen, die Sexualität überhaupt nicht leben können, die es auch nicht gewöhnt sind und es auch nicht einfordern (.) und dem wollen wir uns kritisch widmen, inwieweit das auch an uns liegt, oder wie weit es daran liegt, dass sie auf Grund von Institutionen sich mit dem Thema Sexualität gar nicht auseinandersetzen trauen, oder gar nicht auf die Idee kommen, wie auch immer“ (Interview 3, Zeile 153-157).
Es werden aber auch die organisatorischen und rechtlichen Grenzen erwähnt, mit denen sich die Institutionen oftmals auseinandersetzen müssen (hierzu u.a. Interview 3, Zeile 137- 145).
Die Sexualpädagogin Frau Mag. R. meint dazu, dass immer mehr Einrichtungen sexualpädagogische Konzepte haben und (…)
„(…) dass die auch präventiv das anbieten, also es wird jetzt einfach // es ist ein Umdenken da. Aber es ist schon so, dass man als Sexualpädagogin hinkommt und Feuerwehr spielt, das ist auch ein großer Teil. Also wo man nicht direkt Workshop, sondern auch sexualpädagogische Begleitung macht, geht es (.) sehr oft um Übergriffe, weil eben (.) vielleicht zu wenig getan wird.“ (Interview 2, Zeile 104- 109).
Frau Mag. Udl spricht in diesem Zusammenhang auch eine größere Hinwendung zu diesem Themenbereich seitens der Einrichtungen an. Die Institutionen seien bemüht und die Bewohnerinnen besser informiert als früher. Jedoch sind etliche Frauen mit Lernschwierigkeiten[57] auch sehr lückenhaft aufgeklärt (Interview 6, Zeile 47-53).
„Und ich glaub', das hat viel damit zu tun, dass einfach in der Pubertät ganz oft sie nicht als pubertierende Jugendliche wahrgenommen werden, sondern immer noch als Kinder (.) und wenn sie dann mit achtzehn, zwanzig in eine WG kommen, (..) ist es für die sozusagen, aus deren Sicht die Pubertät abgeschlossen (.) und da fehlt // da gibt es sozusagen eine Informationslücke“ (ebd., Zeile 53-57).
Die Geschäftsführerin vom Verein Ninlil betont die Notwendigkeit von Informationen, die noch verstärkter angeboten werden müssten. Außerdem braucht es aus ihrer Sicht nach wie vor noch mehr Möglichkeiten, dass „Frauen sich auch aussuchen, mit wem sie wann, wie über Sex reden wollen, (.) oder auch nicht“ (ebd., Zeile 63-67).
Es werden seitens der Einrichtungen diverse Angebote zum Thema Sexualität bereitgestellt, wie zum Beispiel Filmvorführungen, Broschüren, Aufklärungsmaterialien, Workshops, Einzelberatungen und Treffen in Freizeiteinrichtungen, wo Platz zum Austausch geschaffen werden kann, und die Vermittlung zu Fachärztinnen, Sexualpädagoginnen und Beratungsstellen.
„(…) wir stoßen an unsere Grenzen in unserer Arbeit (.) und dann müssen wir einfach schauen, wo gibt es Leute, die sich mit dem Thema (.) noch mehr beschäftigen und auskennen und auch Ansprechperson für unsere Bewohner und Bewohnerinnen sein können. Damit das einfach (.) nicht nur von uns abhängt, dass sie mit der Thematik besser, anders umgehen können oder so. Und vor allem (.) sie ja doch von uns, in einer (.) im weitesten Sinne Abhängigkeitsverhältnis sind und das ein bisschen ausschließen zu können und das zu umgehen (.) ahm versuchen wir einfach immer wieder (.) auch Leute von außen zu holen“ (Interview 3, Zeile 231-237).
Eine Einrichtung hat eine Broschüre für Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten zum Thema Sexualität erarbeitet (vgl. hierzu Interview 1). Pädagogische Interventionen als auch Beratungen werden teils präventiv, teils nach einem Vorfall angeboten. So äußert Frau DSA Weidinger, dass Beratungen und Workshops seitens der Einrichtungen sehr oft, aber nicht nur, aufgrund eines Vorfalls, in Anspruch genommen werden:
„Das muss man auch fairerweise sagen, dass es absolut (<f>) gerade in dem Bereich nicht nur ist. Es ist eher im Kinderbereich, (.) aber in dem Bereich würde ich sagen ist es häufig // ist der Vorfall meistens, weil das Team merkt, so jetzt müssen wir was tun, nicht weil was Dramatisches passiert ist, sondern (.) die Sexualität zeigt sich so offensichtlich, da müssen wir etwas machen, wir können nicht wegschauen“ (Interview 5, Zeile 215-219).
Alle drei Einrichtungsleiterinnen bejahen die Möglichkeit der Bewohnerinnen, im Bedarfsfall therapeutische und pädagogische Hilfe annehmen zu können. Frau Mag. R. weist jedoch darauf hin, dass es sehr wenig Psychotherapeutinnen und Psychologinnen gibt, die sich Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten widmen und an die sie traumatisierte Bewohnerinnen weitervermitteln kann (Interview 2, Zeile 367- 370).
An dieser Stelle ist es m. E wichtig zu erwähnen, dass es auch kaum männliche Sexualpädagogen gibt:
„Ich weiß nicht, wohin ich die Klienten schicken soll, die eine sexualpädagogische Beratung (.) haben wollen, weil ich das eben nicht (.) // Ich begleite nicht Männer (..) und=und ich find' keinen. (2) Also das ist einfach ein (...) // Es wird immer mehr und auch durch Sexualbegleiterinnen wird’s immer mehr, aber (.) // Es wird auch in den Ausbildungen immer mehr (.) forciert, aber es ist viel zu wenig“ (Interview 2, Zeile 488-493).
Diese Bedingungen machen es m. E. in der Praxis eventuell schwierig, dass immer die passenden pädagogischen, therapeutischen oder psychologischen Interventionen in die Wege geleitet werden können.
Viele Angebote sind auch davon abhängig, ob den Einrichtungen finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, wobei in diesem Kontext Ausgaben sowohl zum Zwecke von Beratungen für Bewohnerinnen als auch für Fort- und Weiterbildungen zum Thema Sexualität für Mitarbeiterinnen gemeint sind.
Sexualpädagogische Materialien werden in allen drei Einrichtungen finanziert. Für Fortbildungen von Mitarbeiterinnen stehen unterschiedliche Budgetrahmen zur Verfügung. Sexuelle Hilfsmittel, Sexualassistenz oder auch Einzelberatungen müssen von den Bewohnerinnen selbst finanziert werden. So betont Frau Mag. K. im Zusammenhang mit der Einzelberatung: „Ist halt auch eine Frage der Finanzierung (.) weil die Leute das selber zahlen müssen“ (Interview 4, Zeile 253).
Aber auch Frau Mag. S. äußert beim Kauf persönlicher Hilfsmittel kritisch:
„Also das sind Sachen, die sich die Personen selbst finanzieren müssen, das ist ganz klar (.) wenn es um Aufklärungsmaterialien geht (.), ist das natürlich auch innerhalb von=von den Trägern möglich, das zu finanzieren, also gehört auf alle Fälle dazu. Aber wenn es wirklich um persönliche Hilfsmittel geht (.) sind da die Personen selbst (.) zuständig sich selbst zu finanzieren (1), was immer wieder sicher auch problematisch ist, gerade wenn es Sachwalterschaften gibt und wenn das die Eltern sind, die die Sachwalter oder Sachwalterinnen sind“ (Interview 1, Zeile 506-511).
Wie im Kapitel 3.1 und 5.7 bereits aufgezeigt wurde, könnte dem Problem der Finanzierung mit der Einführung des Persönlichen Budgets aber auch mit einem kollektivvertraglichen Lohn in der Tagestruktur entgegengewirkt werden. Die Fremdbestimmung durch die Sachwalterschaft wird im Kapitel 3.1 ebenfalls aufgezeigt und thematisiert. Auch im Sinne der selbstbestimmten Sexualität ist die derzeitige Situation bezüglich der Finanzierung kritisch zu betrachten.
Zur Finanzierung in Bezug auf sexualpädagogische Workshops und Beratung merkt Frau DSA Weidinger an:
„Also ich // Das ist schon auch mein Eindruck, den ich habe, dass da viele Institutionen schon (.) aktiver wären (.) und mehr machen würden, wenn sie einerseits mehr personelle Ressourcen hätten, weil das ist ein Aufwand, also ich finde auch, das muss man anerkennen und achten, dass das für eine Institution nicht so leicht ist so was zu organisieren (.) und das Andere ist die Finanzierung, irgendwer muss zahlen. Und das ist in meinen Augen schon (.) ein Stückerl auch (.) skandalös, dass (.) gerade in diesem Bereich, es gar nicht so leicht ist Förderungen zu bekommen, wo man sagen kann (...) diese (.) ahm das Thema Sexualität wird für genau diese Personengruppe kostenlos angeboten (.) und zwar alles. Was die Einzelberatung und die Workshops anbelangt, ich glaube dann wäre das viel häufiger (.) aber so (.) wie jetzt die Finanzierung läuft (.) ist es einmalig eigentlich (.) meistens mit einer Folgemöglichkeit und natürlich auch dem Besprechen mit dem Team. Ahm (.) Was kann das Team weiterhin tun, also damit es Nachhaltigkeit besitzt“ (Interview 5, Zeile 242-253).
Vernetzungen und Austausch über Erfahrungen zu Themen rund um die Sexualität mit anderen Vereinen werden unterschiedlich gehandhabt. So gibt es in den Einrichtungen von Frau P. sehr regen Austausch, wo es auch darum geht zu schauen, wie andere Vereine bestimmte gesetzliche Barrieren handhaben, wie zum Beispiel den sog. Kuppelparagraphen bei der Sexualbegleitung (Interview 3, Zeile 174-183).
Auch Frau Mag. S. betont im Interview, das mehr Austausch mit anderen Vereinen zum Thema Sexualbegleitung sinnvoll und nötig wäre (Interview 1, Zeile 1005-1009). Frau Mag. K. äußert zur Frage bezüglich der Vernetzung mit anderen Vereinen:
„Also es gab schon, im Rahmen des Dachverbands einmal, sowohl auch auf der Geschäftsführerebene, als auch auf der Ebene pädagogischer Leitungen, war der Verein Libida (.) mal hier und hat mal Sexualassistenz vorgestellt, es gab dann Diskussionen über Erfahrungen. Das ist, glaub' ich, jetzt ein Jahr, zwei Jahre ungefähr her. Ja, also auf der Ebene schon (.) mit unterschiedlichen Erfahrungen. Prinzipiell ist es jetzt nicht=nicht ein wichtiges Thema in der Zusammenarbeit, ich denk' mir, es ist nach wie vor eine private Angelegenheit“ (Interview 4, Zeile 147- 152).
Offensichtlich beschäftigt das Thema der Sexualbegleitung die Wohneinrichtungen. Auf die Sexualassistenz wird im Kapitel 6.4.2.1 noch näher eingegangen.
Wie bereits im vorherigen Kapitel angeführt, beschäftigt die „Libida Sexualbegleitung“ von „alpha nova“ alle drei Einrichtungen (siehe hierzu auch Kapitel 5.6.5).
Frau Mag. K. wünscht sich in diesem Zusammenhang mehr Angebote für Frauen:
„Wir haben einige Frauen für die (.) wäre das total fein. Wir haben ein paar Frauen, wo wir es einmal auch probiert haben mit einer Sexualassistentin, weil die Vermutung auch sehr hoch ist, dass die Frau auch, (.) Frauen sehr schätzt. (1) Das hat dann nicht funktioniert, (.) auch weil die Sexualassistentin das nicht wollte. Also der Bedarf für Frauen ist da, ich denk' mir (.) größeres Angebot, also mehr verschiedene Sexualassistentinnen // Das gibt's jetzt zwar, aber (..) wenn die einzelne Sexualassistentin, die da jetzt kommt, nicht mein Typ ist, dann hab' ich auch Pech gehabt, ja?“ (Interview 4, Zeile 355-361).
Der sog. Kuppelparagraph beschäftigt alle drei Einrichtungen und erschwert beziehungsweise verhindert, dass das Angebot der Sexualbegleitung wahrgenommen werden kann.
„Ahm, wir dürfen selbst nicht auf Grund von rechtlichen Lücken, die es derzeit noch gibt in Österreich, den direkten Kontakt zu ausgebildeten Sexualbegleiterinnen, die es ja seit einigen Jahren gibt in Österreich, herstellen. Wir dürfen wohl Informationen über diese Sexualbegleitung weitergeben, die Organisation, gerade bei Menschen mit schweren, mehrfachen Behinderungen dürfen wir aber nicht übernehmen. Da geht’s‘ darum, dass wir ansonsten Gefahr laufen könnten, in=in so eine strafrechtsrelevante Geschichte reinzukommen, da geht’s‘ um diesen Kuppelparagraphen, ich weiß nicht, welcher Paragraph das im Strafrecht ist (.) und deshalb wurde das eben (.) derzeit so beschlossen (...) ahm (...) auf einer basalen Ebene, auch für angenehme, schöne (.) lustvolle Situationen zu sorgen (…)“ (Interview 1, Zeile 265-276).
Dem Thema „Beziehung und Partnerschaft“ stehen alle Einrichtungsleiterinnen offen gegenüber.
Frau Mag. K. berichtet, von den Bemühungen, dass Pärchen in die gleichen Urlaubsaktionen eingeteilt werden, damit sie sich sehen können (Interview 4, Zeile 389- 402), und auch Frau P. betont, dass nichts gegen Partnerschaft und Beziehung spricht und es für die Bewohnerinnen ein wichtiges Thema darstellt (Interview 2, Zeile 193-201). Frau Mag. S. erwähnt in diesem Zusammenhang:
„ In den Wohngemeinschaften ist es halt so, dass im Durchschnitt acht Personen da zusammen wohnen und wo einfach auch (.) auf diese Gemeinschaft geschaut werden muss. Aber grundsätzlich wird das natürlich unterstützt“ (Interview 1, Zeile 535 ff).
Zum Thema „Heirat“ äußert sich Frau Mag. S. im Zusammenhang mit der Sachwalterschaft:
„Ich seh' das als absolute Diskriminierung, dass Personen, die unter Sachwalterschaft stehen (.) fast nie die Möglichkeit haben standesamtlich zu heiraten. (.) Was ahm, aus meiner Erfahrung, ganz oft gemacht wird, ist zumindest eine kirchliche Trauung, also wenn dann progressive Pfarrer (lachen) gefunden werden, ist das oft dann möglich, oder ein=einfach ein Fest zu machen, aber die standesamtliche Trauung wird den allermeisten Menschen unter Sachwalterschaft verwehrt. Aus finanziellen Gründen“ (Interview 1, Zeile 541-547).
Was Frau Mag. S. anspricht, wird im Kapitel 5.6.3 thematisiert, nämlich die Bedingung der „Ehefähigkeit“ an die „Geschäftsfähigkeit“, die viele Menschen mit Lernschwierigkeiten rechtlich nicht besitzen.
Heiratswünsche kommen in allen drei Einrichtungen vor. Hierzu Frau Mag. K.:
„Der Wunsch bei den leichter Behinderten, bei den Menschen, die das normale Leben in der Gesellschaft stärker mitkriegen, ist der Wunsch natürlich da, (.) ein ganz normales Leben zu führen und da gehört halt Heiraten und Kinderkriegen und die ganze Batterie dazu, ja“ (Interview 4, Zeile 412-415).
Frau DSA Weidinger antwortet auf die Frage, ob Heiratswünsche in den sexualpädagogischen Beratungen und Workshops genannt werden:
„Ja, heiraten, Kinder kriegen, Haus bauen und Bäumchen pflanzen. Ein Riesenthema (.) und sehr romantisiert (.) und sehr konservativ. Ja ich denke mir, da geht’s um ein Stück Orientierung (.) und um natürlich das Bedürfnis, (.) ich sag mal nach ein Stück Familie, ich will meine eigene Familie haben, (.) und um das Bedürfnis nach Normalität“ (Interview 5, Zeile 525-528).
Frau Mag. S. betont die Doppeldiskriminierung bei „Homosexualität“ im Zusammenhang mit einer Behinderung (Interview 1, Zeile 566-587). Homosexualität sei bei den Bewohnerinnen von Frau P. selten Thema. Es wäre eher ein (…)
„(…)Pflanzthema, also wenn sie sich ärgern wollen gegenseitig und irgendwie, irgendeine Berührung unter gleichgeschlechtlichen, ich sag jetzt mal eher auf spielerische Art und Weise mitkriegen, dann ziehen sie die Person eventuell auf, aber nützen das einfach so wie andere Dinge auch um=um Schwächere (.) einfach nieder zu machen. Aber sonst ist das Thema Homosexualität eigentlich (.) also so, dass homosexuelle Partnerschaften gelebt werden wollen oder so, (3) ist zumindest mir nicht untergekommen bisher“ (Interview 3, Zeile 409-415).
Sowohl Frau Mag. R. als auch Frau DSA Weidinger bauen das Thema Homosexualität in ihre Beratungen und Workshops ein.
„Ja, das wird zum Thema gemacht, nämlich in den Workshops selber von den Menschen, das ist ja auch das was ich so mag, das ist meistens wenn sie dann frei reden können, gar nicht so von Unterscheidung, homo, hetero, was auch immer, (.) sondern sie erzählen einfach über ihre eigenen Bedürfnisse, die sehr breit gefächert sind. Und (.) sind manchmal weniger diesen Gesellschaftsnormen unterworfen, haben weniger das Gefühl, ich muss jetzt so tun als ob. Manchmal sind sie aber auch, es kann auch ins andere Extrem gehen, diesen Gesellschaftsnormen sehr stark unterworfen, das darf man nicht. Aber (.) thematisiert wird es eigentlich immer. (2) Ja, aber nicht mit diesem Titel“ (Interview 5, Zeile 474-481).
Frau Mag. Udl berichtet, dass Homosexualität ihren Erfahrungen nach in Einrichtungen kaum zum Thema gemacht wird:
„Also ich kenn jetzt schon wieder aus anderen Zusammenhängen Frauen mit Lernschwierigkeiten, die halt (.) schon so, (.) also die sich dann gar nicht als lesbisch definieren, weil das für sie (.) gar nicht in Frage kommen würde, weil immer alles, was damit zusammenhängt, ganz negativ konnotiert wird, aber die ganz klar in Frauenbeziehungen leben, eben ihr Leben lang und das es halt mehr oder weniger (.) körperlich ist, oder nicht, aber (.) die halt dann schon erzählen von Betreuern, die sie halt als (.) “Lesberl“ verunglimpfen oder so, wo das // Ich glaube, es ist halt bei allem, was mit Sexualität (.) zu tun hat, geht so sehr auch um die Werte und Wertigkeiten der Betreuerinnen und Betreuer (.) und wenn für die so was gar nicht auf dem Zettel ist, dass das sein kann, dass eine Frau, die halt jetzt schon lang keinen Freund hat, vielleicht lesbisch ist, (.) dann ist es auch für die vielleicht keine Realität, weil das einfach viel zu schwierig wär sich zu outen oder das einzufordern oder so“ (Interview 6, Zeile 531-541).
„Transsexualität“ findet laut Frau Mag. Udl noch weniger Platz in Einrichtungen als Homosexualität. Frau Mag. Udl berichtet von einem Beispiel, bei dem eine Frau in einer Einrichtung jahrelang Männerkleidung anzieht und (…)
„(…) wo halt gesagt wird, die ist halt so. Also gar nicht auf die Idee kommt, dass da vielleicht irgendwie ein Transprozess dahinter sein kann, muss auch nicht, aber es gibt gar nicht (.) gar keine Überlegung dazu, dass das vielleicht (.) was anderes sein kann, dass die halt (.) als Teil ihrer Behinderung sich lieber Männerklamotten anzieht, so. Also da wird schon, glaub ich // Es wird, glaub ich, ganz viel übersehen und nicht ernst genommen und halt als Teil von dem, die ist halt insgesamt (.) so (.) komisch“ (Interview 6, Zeile 556-564).
Die Themen „Sterilisation“, „Kinderwunsch“, „Abtreibung“ und „Kindesabnahme“ können nicht getrennt voneinander ausgewertet werden, da sie größtenteils in den Interviews in Verbindung zueinander genannt werden. Weil sie aber auch offensichtlich einen Zusammenhang haben, sollen sie an dieser Stelle gemeinsam dargestellt werden.
Eine gegenwärtige Durchführung einer Sterilisation lehnen alle drei Einrichtungsleiterinnen strikt ab.
„Das ist mir ein ganz großes Anliegen (.) weil es immer noch ganz viele Frauen gibt, die sterilisiert sind. Und das sind gar nicht wenige. Das zumindest mit ihnen aufzuarbeiten, das Gesetz ist erst vor ganz kurzer Zeit so geändert worden, dass es da eigentlich einen Schutz gibt und selbst trotz dieses Gesetzes werden nach wie vor Frauen sterilisiert, die betreut werden und die nicht ausreichend informiert wurden, was das bedeutet“ (Interview 1, Zeile 592-596).
Frau Mag. S. berichtet von einem Sterilisationsfall nach Änderung des Kindschaftsrechtsgesetzes (vgl. hierzu auch Kapitel 5.6.6).
„Und es wird auch nach wie vor gemacht, also ich war ganz entsetzt, als ich letzte Jahr ein (.) medizinisches Gutachten gefunden habe, aus dem hervorgeht, Sterilisation auf Grund von Mongolismus, also so stand das da drinnen, von einem Wiener Spital. Ahm (.) eine Frau, die damals vierundzwanzig war, also (.) rechtlich, absolut (.) irre. Ahm (..) ja. Ganz erschreckend und das war nach zweitausendeins, also nach der Änderung vom Kindschaftsrechtsänderungsgesetz“ (Interview 1, Zeile 646-651).
Den anderen beiden Einrichtungsleiterinnen sind keine aktuellen Fälle bekannt. Angaben, ob die Bewohnerinnen aus ihren Einrichtungen sterilisiert sind, können nur vage oder gar nicht gemacht werden.
„Nein. Ich könnte Ihnen jetzt auch nicht sagen, wer von den Leuten die wir // Das wäre vielleicht einmal interessant (.) herauszukriegen. (1) Ja, hab' ich mir noch nie überlegt. Herauszukriegen, wie viele der Bewohnerinnen sterilisiert sind, ja. (1) Ist im Alltag kein Thema, nein“ (Interview 4, Zeile 469-472).
Als eine der wesentlichen Folgen von Sterilisation kann genannt werden, dass als logische Konsequenz der Kinderwunsch nicht erfüllt werden kann. Eine Sterilisation kann schwere Traumata bedingen.
„Ja, ja. Also das war // das hat mich seitdem ich in dem Bereich tätig bin, immer wieder begleitet (.) also (.) ich hab' Frauen kennengelernt, die seit Jahren mit einer (.) Puppe (...) herumgehen. Mit einem Kinderwagerl, wo eine Puppe drinnen ist, das ist der Babyersatz (...) das=das sind so // Da fallen mir sogar zwei, drei Frauen, ein bei denen da eine Babypuppe ganz stark als Ersatz fungiert hat (.) eben dann, Geschichten (.) Sterilisation auf Grund einer Schwangerschaft, die aus einem sexuellen Missbrauch resultiert hat. Ahm (.) die Frau, die über fünfzig ist (.) und das ist passiert vor vierzig Jahren, und die es, nach wie vor, massiv emotional aufwühlt. (1) Das sind schon Lebensgeschichten und Traumata, die (.) g a n z häufig vorkommen im Betreuungsalltag, mit denen man konfrontiert wird“ (Interview 1, Zeile 659-667).
Auch Frau Mag. R. erzählt von ihren Erfahrungen in der Sexualberatung:
„I: Mhm. Ja und wenn es zum Thema wird, mit was haben die Frauen nach der Sterilisation Probleme?
IP : (2) Ein Trauma viele.
I : Trauma, ja.
IP : Es hat weh getan und ich hab' nicht gewusst, was mit mir passiert.
I : Mhm. (2) Das äußern sie auch?
IP : Manche äußern das schon“ (Interview 2, Zeile 294-305).
Frau DSA Weidinger erwähnt in diesem Zusammenhang auch:
„Da finde ich eine=eine Langzeitverhütung viel sinnvoller (3), weil Langzeitverhütung heißt, wir haben genau das, was möglicherweise wichtig ist für diese Frau, dass sie einen // Letztendlich den Schutz davor hat eine Schwangerschaft zu erleben und eine Geburt und das Kind dann hergeben zu müssen. Wobei man auch nicht sagen kann, dass das schlecht ist für eine Frau. (2) Also grundsätzlich, aber das Weggeben sind schon massive Trennungserlebnisse, aber Sterilisation ist endgültig und in meinen Augen (.) schwerst erklärbar“ (Interview 5, Zeile 638-644).
Scheinschwangerschaften oder Ignorieren der Sterilisation mit einhergehenden Kinderwunsch können die Folgen sein (ebd., Zeile 646-651). Wurden die Frauen über ihre Sterilisation nicht aufgeklärt, kann es zur Verwirrung kommen, wenn dann mit etwa sechzig Jahren eigentlich der Wechsel stattfinden sollte (Interview 6, Zeile 518-524).
Frau DSA Weidinger bezeichnet bereits den „hartnäckigen Kinderwunsch“ als psychische Spätfolge. Sie kritisiert, dass vielen Frauen keine Alternativen geboten werden können:
„Naja, die psychischen Spätfolgen könnten wir ja schon bezeichnen als dieses Dranbleiben am Thema. Das ist sozusagen, sie kommt nicht mehr weg. (1) Und das Blöde ist, die Umgebung ignoriert es möglicherweise auch, weil sie eh sterilisiert ist. Also es wird ja auch nicht überlegt, wohin mit dieser emotionalen Kraft des Kinderwunsches. Da kann ich wohin, ich kann ja mit dieser Energie etwas machen. (1) Oder vielleicht kann auch genau diese Frau sich mehr mit Kindern beschäftigen, vielleicht ist das ja auch möglich. Also (.) da geht’s ja auch um das kreative Denken, was kann mit diesem emotionalen Potenzial gemacht werden“ (Interview 5, Zeile 660-666).
Ein Kinderwunsch bedeutet für viele Frauen mit Lernschwierigkeiten nach den sexualpädagogischen Erfahrungen von Frau Mag. R. „Zugehörigkeit“, „soziale Wertigkeit“ und „Anerkennung“ „und manchmal ist es auch wirklich der Wunsch, ich möchte` mich um jemanden kümmern“ (Interview 2, Zeile 331-340).
Auch Frau Mag. K. erzählt von den Kinderwünschen der Frauen in ihren Einrichtungen. Sie reagieren auf Kinderwägen und auf kleine Kinder, wollen Puppen haben. Es zeigt sich auch darin, „dass Ersatzobjekte wichtig sind, dass sie versuchen (.) Fürsorglichkeit bei anderen auszuleben“ (Interview 4, Zeile 491-494).
„Tritt eine Person // und vor allem, je mehr sie auf Unterstützung angewiesen ist, desto schlimmer wird‘s, mit einem Kinderwunsch an (.) uns heran, wird mit Entsetzen reagiert. Das ist einfach so. (<f>) Oh Gott, was tun wir denn? Die kann sich ja nicht mal um sich selber kümmern und dann soll sie auch noch ein Kind in die Welt setzen. Es ist ein Teufelskreis, würd' ich sagen, denn wenn Menschen etwas nicht zugetraut wird, dann fällt‘s ihnen auch viel schwerer auch etwas zu können“ (Interview 1, Zeile 684-689).
Manchmal kann es aber auch bedeuten, dass hinter dem Kinderwunsch ein anderer Wunsch steht:
„Da gibt’s immer wieder (.) intensiven Austausch dazu, (2) weil einerseits der Kinderwunsch (.) da ist, andererseits so in ein bisschen einem intensiveren Austausch so erkennbar wird, dass immer wieder auch der Kinderwunsch steht für ahm (3) // Für den Wunsch nach Familie zu haben und (.) ahm den Wunsch, das was ich nicht gehabt habe an Familie, jetzt aber haben zu können und ahm wir zum Teil dann einfach auch merken, dass // Dass das Thema Kinderwunsch in all seinen Facetten sich konstant um jemanden kümmern zu sollen zumindest, ahm (.) wenn wir dann mit ihnen in diese Richtung reden, merkt man (.) o.k., das war es doch nicht ganz, ja“ (Interview 3, Zeile 477-484).
Wenn eine Frau in der vollbetreuten Wohneinrichtung schwanger wird, stellt sich die Frage, wie es mit der Mutter und dem Kind weitergeht.
Frau Mag. K. wurde noch nicht mit solch einer Situation konfrontiert. Es müssten „räumliche“ und „personelle“ Überlegungen angestellt werden (Interview 4, Zeile 488 ff).
„Ob das sich im Einzelfall für eigene Kinder ausgeht, wage ich oft zu bezweifeln, also (.) Kinder sind durchaus (.) verschiedene Anforderungen. Ahm (1) kann ich jetzt nicht sagen, muss man sich anschauen. Also (.) es wird sicher schwierig sein, wenn eine Frau in den Einrichtungen (.) ein Kind hat und das bei anderen dann einfach zu sehr viel Verwirrung führt. Muss man sich im Einzelfall dann anschauen und überlegen. Kann ich jetzt nicht ausschließen, aber auch nicht garantieren“ (ebd., Zeile 494-499).
Auch Frau P. berichtet von Überlegungen bei einer Frau, die schwanger war. Es wurden Vorüberlegungen gemacht, was mit der Mutter und dem Kind passieren würde. Ob es Räumlichkeiten gibt, die angeboten werden können. „Ja, welches Setting bräuchten die, oder wie könnten wir ein mögliches Setting schaffen für die Beiden, (.) dass sie ihr Kind auch (.) zum Teil ahm bei (XXX) sozusagen aufziehen könnten“ (Interview 3, Zeile 494- 499).
Wenn in einer vollbetreuten Wohneinrichtung von Frau Mag. S. ein Kind zur Welt kommt, muss die Mutter mit dem Kind aus der Einrichtung ausziehen (Interview 1, Zeile 720 ff).
„Es gibt keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Es kommt ganz oft zu Kindesabnahmen direkt nach der Geburt mit der Begründung des Jugendamtes und des Gerichts, dass diese Personen rund um die Uhr Betreuung bräuchten, aber das gibt`s in Österreich nicht“ (ebd., Zeile 726 ff).
Wie auch bereits aus Kapitel 5.6.8 hervorgeht, kommt es in den letzten Jahren immer häufiger zu einer Elternschaft. Dies wird auch von Frau Mag. S. bestätigt:
„Wir haben es letztes Jahr für den Wohnbereich bei (XXX) erhoben. Im Herbst, das war der Herbststand. Und (.) da waren es (.) über dreißig Eltern mit über vierzig Kindern. (.) Und der Großteil der Kinder war noch nicht volljährig. Also es gibt ja auch die Studien, die nicht aus Österreich sind, sondern aus Deutschland, aus denen hervorgeht, dass das in den letzten Jahren ganz massiv angestiegen ist, also das wurde bestätigt jetzt nach (.) der internen Erhebung“ (Interview 1, Zeile 758-762).
Von den Kindern bleibt nur ein geringer Teil bei den Eltern. Neun Kinder werden mitbetreut von dem Verein für den Frau Mag. S. arbeitet, der Rest ist in Fremdunterbringung (ebd., Zeile 762-766).
„Ja, ich glaub das // also ich schließ' mich da aus meiner Erfahrung, aber auch aus der intensiven Auseinandersetzung der Thematik, der Haltung an, dass es n i c h t auf den Intellekt ankommt, ob ich eine gute Bindung zu meinem Kind aufbauen kann. Ahm ob ich mein Kind lieben kann und ob ich es beschützen kann. Ich glaub', wo ein ganz großer Bereich liegt, ist in der Förderung. Wo einfach Unterstützung von außen notwendig ist. Je dichter mein soziales Netz ist, desto eher kann das gut funktionieren. Steh' ich alleine da (.) und das tun ganz viele Frauen und Männer, die von uns unterstützt und begleitet werden, fallt‘s mir natürlich wesentlich schwerer“ (ebd., Zeile 775-781).
Hier wird ein Mythos deutlich, Menschen mit Lernschwierigkeiten würden über keine elterlichen Kompetenzen verfügen, da sie nicht lern- und entwicklungsfähig seien (KASSOUME/KÖBERL 2009; vgl. Kapitel 5.6.8).
Als Verhütungsmittel, die den Frauen empfohlen werden, wurden von den drei Einrichtungsleiterinnen die Dreimonatsspritze, die Pille und das Implanon genannt. Die Dreimonatsspritze wird immer weniger als Verhütungsmethode eingesetzt.
„Ahm es gibt Frauen die nach wie vor (.) die Dreimonatsspritze bekommen, ich kenn' das bei keiner Frau, die nicht in Betreuung ist, hab' ich jemals in meinem Umfeld kennengelernt, die mit der Dreimonatsspritze verhütet, einfach auf Grund der (.) Nebenwirkungen. Bei Frauen in Betreuung ist das (.) Standardverhütung gewesen. Nach der Sterilisation würd' ich sagen (.) und von dem geht’s mehr und mehr weg, es wird jetzt einfach (.) mehr und mehr drauf geschaut die Personen auch in die Entscheidung miteinzubeziehen wenn’s um Verhütung geht (Interview 1, Zeile 599- 605).
Präventiver Verhütung wird unterschiedlich begegnet. Es wird auch berichtet, dass manchmal nicht ganz klar ist, ob die Bewohnerinnen verstehen, dass sie ein Verhütungsmittel bekommen.
„Ja (3) präventive Verhütung, hm hm. (1) Also es gibt schon, vor allem junge Damen, wo wir mitkriegen, dass es sehr wechselnde Partnerschaften gibt, (.) wo es zum Teil auch nicht klar ist, ob=ob es wirklich zum Geschlechtsverkehr kommt oder so und ahm (.) wo wir ihr zumindest raten (.) die Pille zu nehmen, oder zumindest raten einen Frauenarzt oder Frauenärztin aufzusuchen, weil das sehr, sehr unklar ist ob=ob (.) sozusagen eine ungewollte Schwangerschaft möglich sein könnte, ja. Und von daher (.) präventiv ist ein bissl ein großes Wort, aber es würde zumindest in die Richtung gehen“(Interview 3, Zeile 453-459).
„Also prinzipiell (..) ahm versuchen wir natürlich in Absprache mit den Sachwaltern, Eltern (2) dort, wo ahm wir den Eindruck haben, dass Leute in die Situation kommen könnten (.) auch wirklich Geschlechtsverkehr zu haben, was (.) ganz, ganz selten der Fall ist. Also, ich wüsste nicht wie viel (..) wie oft das wirklich passiert, dass die Leute das körperlich zusammenbringen und auch psychisch zusammenbringen und auch wollen (.) und so. Ahm (.) dort gibt's schon Verhütung. In den meisten Fällen, also da wo es möglich ist, wird es auch mit den Leuten besprochen (…)“ (Interview 4, Zeile 429-435).
„I : Gibt's auch Fälle von präventiver Verhütung?
IP : Ja, zum Beispiel bei der einen Frau, wo ich erzählt hab', sie hat Sexualberatung gehabt. Da wird jetzt präventiv mit der Pille verhütet. (2) Wir haben versucht ihr klar zu machen, was das heißt. Es ist nicht ganz sicher, ob sie es wirklich versteht“ (Interview 4, Zeile 440-444).
Frau Mag. R. erzählt, von präventiver Verhütung sind oft Frauen betroffen, die sich nicht verbal äußern können. „Aber es gibt immer wieder Fälle, wo auch Frauen dir sagen können und (.) nicht aufgeklärt werden. Das ist einfach ein Fehler. Ein schwerer Fehler, (..) der schon, glaub' ich, immer wieder vorkommt, der mir (.) in der Fortbildung von BetreuerInnen immer wieder zugetragen wird“ (Interview 2, Zeile 274-278).
Frau DSA Weidinger bezieht zum Thema präventive Verhütung folgend Stellung:
„Und ich würde auch // Ich sehe es auch nicht nur negativ. Weil es ist dann, wenn=wenn die präventive Verhütung in Zusammenhang mit einer wahnsinnigen Tabuisierung zu Sexualität steht. Also alles wird tabuisiert, aber präventiv tun wir (.) allen Frauen (.) was auch immer. Dann=dann finde ich das fachlich unmöglich. Aber wenn präventive Verhütung bedeutet, wir sind da sehr dran an den Personen und das ist jetzt eine // Ne sagen wir mal eine Frau (.) wo wir (.) annehmen, dass sie erwachsene Sexualität mit anderen lebt, mit Männern lebt (.) und es könnte durchaus sein, dass es da um Geschlechtsverkehr geht und wir sind uns da nicht sicher und (.) sie möchte das auch nicht so klar sagen, dann finde ich das durchaus o.k. Also präventive ahm Verhütung dann, (.) wenn sehr differenziert geschaut wird für wen. Aber nicht, bitte nicht auf Grund einer Tabuisierung. (3) Ja und da sind wir wieder bei der Auseinandersetzung“ (Interview 5, Zeile 559-569).
Frau Mag. Udl spricht sich ganz klar gegen präventive Verhütung aus:
„Also dort, wo Frauen gegen ihren Willen, oder gar nicht gefragt werden, oder gar nicht damit umgegangen wird, ob sie jetzt Hormone kriegen wollen oder nicht (.) // Also es sind auch Frauen, die dann hier in der Beratung sitzen uns sagen, ich hab eh nie Sex, (.) aber die Ärzte sagen trotzdem, oder die Betreuer sagen trotzdem, ich muss (.) die Pille nehmen oder so. Also das ist ja wirklich // Das ist wirklich // Das sind schon Eingriffe in den Körper, die ganz massiv sind, das weiß man ja, wie Hormone auch wirken, (2) ja“ (Interview 6, Zeile 507-512).
Wie im Kapitel 5.6.7 aufgezeigt wurde, bezeichnet FRISKE eine Verabreichung von Verhütungsmitteln ohne Wissen der Bewohnerinnen als Körperverletzung.
Zum Thema sexuelle und sexualisierte Gewalterfahrungen sind allen drei Einrichtungsleiterinnen Fälle bekannt. Zwei der drei Leiterinnen sind der Meinung, dass eine sehr große Zahl von den Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten aktuell auch noch betroffen sind. Frau P. schätzt zum Beispiel, dass es in etwa die Hälfte betreffen könnte (Interview 3, Zeile 552 ff).
Zwei Einrichtungsleiterinnen vermuten, dass eher im Umfeld außerhalb der Einrichtungen und in den Familien der Menschen mit Lernschwierigkeiten die sexuellen und sexualisierten Gewalterfahrungen passieren beziehungsweise im Vorfeld passiert sind (Interview 3, Zeile 573-576; Interview 4, Zeile 532-546).
Wenn ein Fall bekannt wird, werden von allen drei Einrichtungsleiterinnen die nötigen Schritte eingeleitet, inklusive therapeutische Hilfen. Alle Einrichtungen haben eine Vielzahl an Möglichkeiten, jedoch sind diese von Fall zu Fall unterschiedlich und nicht pauschal festgelegt (Interview 1, Zeile 828-844; Interview 4, Zeile 5443-557; Interview 3, Zeile 558- 568).
„Da gibt‘s klare Leitfäden, mir fällt ein (.) Verein Ninlil hat da auch ganz klare Leitfäden wo ich mir denk', das ist so wichtig auch zu wissen (.) nicht überstürzt zu handeln, aber auch dran zu bleiben und zu schauen, wie kann ich da jetzt diese Person (.) auch gut unterstützen. Ernst nehmen. Nicht sagen, das glaub' ich nicht und das abtun. Auch nicht gleich den vermeintlichen Täter jetzt zu einem Teufel erklären, sondern wirklich schauen, dass da eine gute Bearbeitung möglich ist“ (Interview 1, Zeile 852-857).
Frau Mag. K. hebt aber auch hervor, dass therapeutische Interventionen oft nicht ausreichend in die Wege geleitet werden können:
„Ja, ich hätte gern mehr Maßnahmen. (1) Also gerade für die Zielgruppe gibt es k a u m therapeutische Möglichkeiten. Für nonverbale Leute, die in dem Sinn keinen=keinen Dialog führen können, (2) schlecht erfüllte Bedürfnisse, oder solche Dinge über Verhalten ausleben, gibt es=gibt es kaum therapeutische Möglichkeiten“ (Interview 4, Zeile 582-585).
Wenn Mitbewohnerinnen die Täterinnen sein sollten, muss darauf reagiert werden. Es kommt auch hier wieder auf den Fall an, ein Auszug der Täterin wird nicht ausgeschlossen (ebd. Zeile 561-574).
Sollte eine Mitarbeiterin die Täterin sein, wird auch in allen drei Interviews eine Strafanzeige und Entlassung nicht ausgeschlossen.
Um die Bewohnerinnen vor Übergriffen schützen zu können, unterstreicht Frau Mag. S. den Stellenwert der Aufklärung:
„Aufklärung (1). Aufklärung ist das für mich so das Wichtigste, was mir auffällt, weil ich mir denk', je mehr Wissen ich hab und je mehr ich mich auch damit ausgesetzt hab, wo sind meine Grenzen und wann kann ich nein sagen und wann darf ich nein sagen, (1) was darf ich aber auch wollen? Desto eher bin ich geschützt davor (1) das es zu einem Übergriff kommt. Das ist für mich so (.) das ganz Wesentliche. Und eben dann gibt‘s noch so Möglichkeiten mit Selbstverteidigungskursen zum Beispiel, oder (.) ja (.) und von der Haltung her ist es halt wirklich auch zu=zu zeigen, es ist die Offenheit da (.) und du darfst dich mir anvertrauen, wenn du Probleme hast, egal (.) um welche Probleme es sich handelt und ich glaub', das sind so ganz wesentliche Punkte“ (Interview 1, Zeile 907-915).
Frau Mag. K. weist in diesem Zusammenhang auf das zentrale Thema der Mitarbeiterinnenzufriedenheit hin:
„Also ich würde sagen, im vollbetreuten Wohnen glaube ich wirklich, die sexuellen Übergriffe von Mitarbeitern ausschließen zu können. Ahm (.) das ist eine Frage der Qualifikation, das ist eine Frage der Fortbildung, das ist eine Frage ahm (.) natürlich der Offenheit im Team über diese Dinge zu reden. Nicht dass ich es jetzt hundertprozentig sagen kann, so was würde bei uns nie vorkommen, aber (.) ja, also nach menschlichem Ermessen würd' ich sagen, dass es eine Ausbildung, Fortbildung, qualifiziertes Personal (.) ahm, ausreichend Personal, also in dem Sinn, (.) dass Mitarbeiter neben ihrer Arbeit auch noch ein (.) Leben führen können. Ich denk' mir, solche Übergriffe, (.) abgesehen davon, dass es manchmal halt, wie soll ich sagen, sexuelle Neigungen gibt, hängt viel damit zusammen, ob ich auch (.) Ressourcen hab' ein erfülltes Privatleben zu führen“ (Interview 4, Zeile 590-599).
Widerstand seitens der Bewohnerinnen muss ernst genommen werden:
„Solange ich das zulasse, oder trotz Schreien dann weitermach (.) // Das ist einfach halt der Unterschied ahm (.) denk ich mir, lernt der Bewohner, die Bewohnerin, O.K. (.) mein Widerstand wird akzeptiert. (1) Was in der Pflegesituation immer wieder schwierig ist, zum Beispiel. Also, wenn das notwendig ist und die Bewohnerin will das nicht und ich muss es trotzdem tun, also (.) sind ganz, ganz schwierige Sachen. Den Widerstand anzunehmen, zu unterstützen, aber trotzdem ihnen die Unterstützung im Alltag zukommen zu lassen. Das ist fallweise (.) sicher auch Thema in den Supervisionen“ (Interview 4, Zeile 608-613).
Frau DSA Weidinger unterstreicht im Kontext der Pflege auch die Gefahr der Grenzüberschreitungen, die eventuell auch nicht beabsichtigt passieren. Sie weist auf den Gewöhnungseffekt bei den Grenzüberschreitungen hin. „Also ich habe das Gefühl, manche Menschen sind so gewöhnt, grenzüberschreitend behandelt zu werden, dass es ihnen gar nicht auffällt“ (Interview 5, Zeile 687-693).
Der Verein Ninlil bietet Seminare für Mitarbeiterinnen zur Prävention von sexueller Gewalt an, die laut Frau Mag. Udl aber selten in Anspruch genommen werden (Interview 6, Zeile 240). Der Frage, ob ihrer Meinung nach die Thematik in den Einrichtungen unterschätzt wird, begegnet sie mit:
„Jein. Also einerseits (.) wird wenig damit umgegangen, (.) es fängt teilweise an, dass Leitlinien entwickelt werden und so (2) und (.) ich kann aber nicht sagen, ob das mit Unterschätzung zu tun hat, oder mit einem wegschauen wollen, oder mit einer Überforderung auch, glaub ich auch, weil einfach die Kapazitäten und Ressourcen in den Einrichtungen ja so sind, dass das oft gerade mal so reicht um den alltagspraktischen Dingen nachzukommen und so Spezialthemen, oder speziell schwierige Themen noch dazu (.) gehen dann einfach unter“ (ebd., Zeile 218-223).
Ob sexuelle Gewalterfahrungen von Frauen mit Lernschwierigkeiten entsprechend ernst genommen werden in den Einrichtungen, kann laut Mag.a Udl nicht generell beantwortet werden. „Das ist extrem unterschiedlich“ (Interview 6, Zeile 286 ff).
Wenn Frauen nicht ernst genommen werden, begründet Frau Mag. Udl das damit, dass den Übergriffen oftmals zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. Dies kann auch mit Überforderung im Zusammenhang stehen:
„Also Betreuerinnen und Betreuer allein in der Ausbildung gibt’s schon mal wenig (.) zu dem Thema (.) und dann ist ja auch bekannt, dass die Ressourcen in dem Bereich so sind, dass es einfach wenig (.) Möglichkeiten gibt um extra Ressourcen zu mobilisieren, um sich eben // Und=und Gewalt, also Sexualität an sich, ist ja schon so ein privates und schwieriges Thema, dass man wirklich sich schon (.) mehr Ressourcen braucht, um sich damit auseinanderzusetzen. Und wenn dann Gewalt noch dazukommt, was schrecklich ist und gefährlich und kompliziert auch immer, weil (.) natürlich, wenn da jetzt zwei Freunde sitzen, ein Mann und die Frau (.) und erzählen ganz unterschiedliche Dinge // Als Betreuerin und Betreuer ist man für beide zuständig und=und das dann auseinanderzuhalten und zu schauen, wie kann ich wen (.) richtig unterstützen, (.) das ist hoch aufwendig und ganz oft (.) überfordernd. Und dann ist es natürlich einfacher wegzuschauen, das glaub ich schon“ (ebd., Zeile 309-320).
Ein schwieriger Punkt ist der Umgang mit Strafanzeigen. Es kommt sehr selten zu Verurteilungen, weil laut Mag.a Udl die Gerichte eher den nichtbehinderten Täterinnen glauben. Menschen mit Lernschwierigkeiten werden oft mit dem Gutachten „nicht aussagekräftig“ oder „nicht glaubwürdig“ abgetan. Es kommt auch in den meisten Fällen zu einem geringeren Strafmaß, da angeblich weniger Gewaltanwendung vorhanden war (ebd. Zeile 325-344).
„Und da gibt’s ja immer noch diesen Paragraphen, wo jetzt aber eh wieder Kampagnen laufen den zu streichen, (.) dass Frauen, die sich gar nicht wehren können, auf Grund einer Behinderung, (.) dass da die Vergewaltigung dann weniger stark bestraft wird, weil eben weniger Gewaltanwendung nötig ist“ (ebd., Zeile 361- 364).
All diese Kontroversen werden auch im Kapitel 5.6.9 behandelt. Die Interviews bestätigen die Annahme, dass es noch sehr viele Unstimmigkeiten im Umgang mit sexueller und sexualisierter Gewalt gibt, sowohl auf gesetzlicher als auch auf institutioneller Ebene.
Angebote für Bewohnerinnen wurden im Kapitel 6.4.1 bereits thematisiert. Mit den sexuellen Bedürfnissen der Bewohnerinnen wird unterschiedlich umgegangen.
„Und weil auch, weil es auch insofern ein sensibles Thema ist, wirklich herauszubekommen, was sind die Bedürfnisse der Person. Das ist vielleicht manchmal einen Hauch schwieriger als bei anderen Personen (..) das rauszukriegen, aber ich würde sagen, auch nur manchmal. Also es braucht (.) einen sehr sensiblen, offenen Umgang, (..) ein sensibles Hinhören, was so die Wünsche sind oder was so als Thema da ist“ (Interview 3, Zeile 622-626).
Es gibt die Diskrepanz, dass manche Bewohnerinnen sehr offen mit Sexualität umgehen und andere nicht, dass „andere ahm das=das Thema Sexualität eher als bedrohlich empfinden, zumindest ist das unsere Wahrnehmung (.) und da muss man schon bissl (.) ausgleichend auch wirken, wenn sie dann untereinander reden und=und agieren so quasi. Also das immer so ein bisschen ein zweischneidiges Schwert auch, ja“ (ebd., Zeile 340- 343).
Es wird versucht, sexuelle Vorlieben und Bedürfnisse zuzulassen, wie das Beispiel von Frau Mag. K. zeigt:
„Wir haben einen Mann, der muss immer an anderen riechen. Vor allem an Frauen. Er muss ihnen ein bisschen an den Frauen riechen, das ist sein Fetischismus, es gibt unterschiedliche Formen, wie die Menschen im Laufe ihres Lebens gelernt haben ihre sexuellen Bedürfnisse auf manchmal sehr schräge Art und Weise auszuleben. Wir versuchen das zu respektieren, soweit wir das Gefühl haben, dass sie gut damit leben können (.) und auch die BetreuerInnen gut damit leben können“ (Interview 4, Zeile 208-213).
Die Bewohnerinnen können sexuelle Hilfsmittel besitzen und es wird auch hinterfragt, ob der Wunsch danach da ist. „Also wir schauen dort wo der Bedarf da ist, (.) dass die Leute das haben, äußern können, es ist nicht, weil sie nicht wissen, dass es das gibt. Also sie können nicht sagen, ich will in einen Sexshop gehen, weil es ihnen nicht bewusst ist, dass es so etwas gibt. (3) Ja, aber dort, wo es möglich ist, wo wir das Bedürfnis vermuten, (.) haben die Leute gute Ausstattung“ (Interview 4, Zeile 346-350).
Da es sich teilweise um „langzeit- und schwersthospitalisierte“ Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten handelt, erscheint die Aufklärung und Beratung zu sexuellen Themen oft schwierig bis unmöglich, wie Frau Mag. K. betont (Interview 4, Zeile 174-179).
„Also (.) die Situationen, wo die Leute soweit verbal sind, oder kognitiv in der Lage (.) Zusammenhänge zu verstehen, (.) dort machen wir das // Bei dem größten Teil (.) der BewohnerInnen, die wir haben, gibt es keine strukturierte Form der Aufklärung, (.) also auf der kognitiven Ebene, da arbeiten wir halt auf der Körpererfahrungsebene. Da heißt Sexualität, auch für Menschen mit Inkontinenzversorgung (.) ausreichend nackt sein zu können, (.) in einem Rahmen, wo sie sich selber erleben können, wo sie sich ausprobieren können, wo sie ihren Körper als Ganzen begreifen können. (2) Oder eher auf der Schiene (.) körpertherapeutische Arbeiten, (.) Entspannung, Klangschalenmassage, oder irgendwie so (.) körpernahe Therapieformen“ (ebd., Zeile 192-200).
Frau Mag. S. ist der Meinung, dass die jüngeren Bewohnerinnen oft einen besseren Wissensstand als die älteren Bewohnerinnen haben (Interview 1, Zeile 319-326). Ob sich die Bewohnerinnen mit den Mitarbeiterinnen über sexuelle Bedürfnisse und Hilfsmittel austauschen können, hängt von der Haltung und Meinung der Mitarbeiterinnen ab und ist sehr individuell (ebd., Zeile 450-454).
Für Mitarbeiterinnen werden in den vollbetreuten Wohneinrichtungen Supervisionen, Fallsupervisionen, Workshops und Fortbildungen angeboten. Die Fortbildungen sind laut den drei Einrichtungsleiterinnen zum Themenbereich der Sexualität nicht verpflichtend. Viele Fortbildungen sind auch nicht direkt zum Thema Sexualität, sondern behandeln die Thematik lediglich neben vielen anderen Gebieten.
In den sexualpädagogischen Workshops beschäftigt die Mitarbeiterinnen sehr oft, wo die eigenen Grenzen zu sehen sind:
„Was dürfen sie und was dürfen sie nicht. (.) Mach ich irgendetwas falsch? Ahm (.) Greif' ich zu sehr in den Intimbereich des Klienten ein, wenn ich über Sexualität rede? Übersteig' ich meine Grenzen, oder muss ich irgendetwas preisgeben? Nein, muss ich natürlich nicht, die Sexualität bleibt (.) in der Sexualpädagogischen, die eigene muss zurückgehalten werden, also das (.) das beschäftigt sie sehr und ist=ist mit sehr viel Angst besetzt. (.) Das hat jeweils, auch mit der jeweiligen Geschichten auch zu tun, aber es ist durchwegs mit Angst besetzt, (.) also auch die Gefahr, ich mach' etwas, was ich nicht machen darf“ (Interview 2, Zeile 394-400).
Die Thematik wird in den Einrichtungen oft erst im Anlassfall besprochen (Interview 1, Zeile 359-362; Interview 3, Zeile 278-281).
Auf die Frage, ob die Mitarbeiterinnen genügend sensibilisiert werden, begegnet Frau Mag. K.: „Im Vergleich zu (.) auch anderen Themen denk ich mir (.) eh nicht viel. Eher in den Einrichtungen mit jüngeren BewohnerInnen“ (Interview 4, Zeile 281 f).
Frau DSA Weidinger bemerkt allerdings eine positive Veränderung und stärkere Hinwendung zu sexuellen Themen:
„(…) also, (.) wir halten sicher viel, viel mehr Fachsupervisionen, viel mehr (.) Vorträge und auch gerade bei den Fachsupervisionen bei den Teams muss man auch sagen, Hut ab. Also gerade bei den Teams, die mit Menschen mit Lernschwierigkeiten arbeiten gibt’s (.) nicht nur mehr Interesse, sondern auch mehr Bedürfnis, wo wirklich immer wieder zum Ausdruck gebracht wird, wir wollen das Thema anschauen und wir wollen einen guten Umgang damit finden, für uns selber, für uns persönlich und auch mit=mit den Klienten, Klientinnen, Kunden, Kundinnen, wie man es auch immer nennt. Und da habe ich schon das Gefühl, da ist m e h r (.) passiert“ (Interview 5, Zeile158-165).
Vorbehalte und Unsicherheiten von Seiten der Mitarbeiterinnen gegenüber der Sexualität bemerkt Frau Mag. R. bei Menschen mit hohem Assistenzbedarf:
„Also eher bei den Mehrfachbehinderten, würd' ich sagen, dass da (.) // das auch nicht einordnen können. Ist das jetzt, (<f>) Aha, Ok, das ist jetzt ein sexuelles Bedürfnis, nein das hab' ich jetzt gar nicht so gesehen. (.) Also das=das // Zum Erkennen, was für die das sexuelle Bedürfnis ist. Und vor allem Menschen, die reden können, oder Klienten, die auf einen zukommen und fragen können, was ist denn // Ahm (3) Was heißt Ficken? Manchmal nehmen die Wörter und wissen das ja gar nicht. Dann kann der Betreuer adäquat darauf regieren, das schaffen die Meisten. Aber (.) zu reagieren darauf, wenn ein Mensch nicht reden kann und nichts sagen kann, trotzdem aber sexuelle Bedürfnisse zeigt, da muss man einfach (.) ausprobieren. Da haben die Meisten eine Hemmung, weil sie Angst haben etwas falsch zu machen“ (Interview 2, Zeile 407-415).
Frau DSA Weidinger hat die Erfahrung, dass die Mitarbeiterinnen die Frage nach der Normalität interessiert. „Und zwar im Kontext nur auf die Person bezogen und auf den Beziehungskontext, also wie ist das, wenn die so miteinander umgehen, ist das normal, im Sinne von (.) sollen wir es lassen, oder nicht“ (Interview 5, Zeile 742 ff).
Auf die Frage, ob die Mitarbeiterinnen nach Meinung der Leiterinnen einen erwachsenengemäßen Umgang mit den Bewohnerinnen pflegen, wird sehr offen reagiert.
„Ich müsste lügen wenn ich jetzt sagen würde ja. Ich glaube aber dass wir uns (.) schon dahin entwickeln, langsam aber doch. Und dass sich einiges Positives getan hat, also dass es nicht mehr so selbstverständlich ist d i e s e s Bild zu vertreten. Sondern dass es da auch schon ganz viel progressive Mitarbeitende gibt, die // also ich würde sagen, die Tendenz ist auf jeden Fall auch in diese Richtung“ (Interview 1, Zeile 235-239).
Frau P. betont die Schwierigkeiten dabei:
„Ahm (3) ich glaub schon, dass es immer wieder ein bisschen schwierig ist, dass man nicht in dieses Infantile reinfällt, weil es zum Teil auch (.) stark von den Bewohnern kommt. Also es ist jetzt schwierig über alle das drüber zu stülpen, aber es gibt einzelne Bewohner, Bewohnerinnen, wo so dieses Infantile // Wo es vielleicht auch dieses Spiel mit dem Infantilen schon Thema ist (.) und dass man da nicht da reinkippt, ist schon eine Herausforderung, aber ich sehe es absolut so, (.) dass wir s e h r versuchen ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und=und entsprechend auch mit ihnen umzugehen, gerade auch was das Thema Sexualität betrifft, ja“ (Interview 3, Zeile 306-313).
Die Mythen über Sexualität und Menschen mit Lernschwierigkeiten spielen laut Frau Mag. R. mittlerweile eine untergeordnete Rolle. In den sexualpädagogischen Workshops mit den Mitarbeiterinnen werden sie häufig thematisiert:
„Also, deshalb beschäftigen wir uns so sehr mit dem Thema, (.) was ist Sexualität und was ist Sexualität und Behinderung? Da gibt’s eben so Thesen, die wir aufstellen, eben diese alten Mythen (.) und dann stellen sie sich so auf, so (.) stimm' ich dem zu? Dann geh' ich weiter hin, stimm' ich dem nicht zu, dann geh' ich weiter weg. Also das klären wir gleich am Anfang vom=vom ersten Modul, um diese Mythen einmal wegzulassen und da kommt aber meistens, (.) das ist uns eh klar. Diese Mythen stimmen nicht, wie dann wirklich in der Praxis ausschaut, wenn dann die Angst dazukommt (.) ist es wieder was anderes“ (Interview 2, Zeile 438-444).
Laut Frau Mag. S. wird der Mythos des „ewigen Kindes“ unterstrichen durch Gutachten, in denen steht, dass zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten den Stand einer Dreijährigen haben: „(…) einem Dreijährigen (.) spricht niemand eine aktive Sexualität zu und wenn er vierzig ist, und das steht da drinnen, dann wird er halt wie ein Dreijähriger behandelt. Das sind Bilder, die wir in den Köpfen haben, die so stark prägend und vorherrschend sind, dass es einfach nicht in Einklang zu bringen ist mit einer ahm erwachsenen Sexualität“ (Interview 1, Zeile 227-230).
Ein Punkt den auch Frau DSA Weidinger kritisiert:
„(…) und ein Mythos ist in meinen Augen (.) der immer wieder kehrende Versuch, (1) den so genannten IQ (.) gleichzusetzen mit dem sexuellen Entwicklungsstand, finde ich ganz fatal. Also Menschen mit Lernschwierigkeit entwickeln sich sexuell ganz genau wie alle anderen, nur haben sie häufig andere Bedingungen und sehr häufig eingeschränkte Bedingungen, weshalb sich (.) nicht immer eine sehr differenzierte, breit gefächerte Sexualität entwickeln kann“ (Interview 5, Zeile 793-398).
Es kann festgehalten werden, dass sich in den letzten Jahren sehr viel zum Positiven bezüglich der Einstellung von Mitarbeiterinnen verändert hat.
„Es kommen sehr, sehr viele junge ahm (.) sehr aufgeschlossene BetreuerInnen nach, das find' ich sehr positiv“ (Interview 4, Zeile 164 f).
Unsicherheiten zu vielen Fragen bei sexuellen Themen bestehen nach wie vor. Es würden m. E. daher mehr Fortbildungsangebote benötigt, die auch verpflichtend sein sollten.
Sexuelle Bedürfnisse von Menschen mit hohem Assistenzbedarf werden oft missachtet. Dieser Aussage stimmen alle Interviewpartnerinnen, die dazu befragt worden sind, zu.
„Das glaub ich schon, weil es eben schwierig ist. Wenn sich ein Mensch nicht dazu äußern kann, kann das zu Fehlinterpretationen führen, ja? Man muss halt ahm da genauer hinschauen und man darf diesen Menschen die Sexualität nicht absprechen, sie zeigen es genauso. (2) Ja? (1) Nur muss man ihre Sexualität, wie sie es wollen akzeptieren, nicht von unserer Sexualität ausgehen“ (Interview 2, Zeile 176-180).
Durch Pflegehandlungen kann schnell die Intimitätsgrenze überschritten werden, und „(…) dies wird respektvoll gemacht, aber halt auch mit einer gewissen Routine. Das lässt sich nicht (..) leugnen, dass das natürlich, wenn man es täglich macht (2) // Also nicht, dass es respektlos ist, aber es wird halt routiniert gemacht“ (Interview 4, Zeile 327-332).
„Das Thema muss gesehen werden und man muss es sich annehmen und in dem Bereich überhaupt, weil natürlich, also wenn=wenn jetzt (..) // Da ist eine Person, die ist achtundzwanzig Jahre alt und weil sie halt // sagen wir, sie hat bis vor kurzem bei den Eltern gewohnt und=und wird // braucht eine intensivere Pflege und eine=eine Windel, was auch immer da sein kann, (.) ist eigentlich in einem sehr nahen Körperkontakt mit anderen, aber Sexualität würde nie thematisiert, dann ist das natürlich ein Riesenproblem“ (Interview 5, Zeile 364-370).
Laut Frau DSA Weidinger muss bei den Pflegetätigkeiten auf die sexuellen Bedürfnisse geachtet werden. Ein Körpergefühl muss geschaffen werden, auch bei routinierten Tätigkeiten:
„Das müsste das Ziel sein, und wenn man sagt, es ist alles so kompliziert, weil es ist alles so auf der Auseinandersetzungsebene, dann ist das Platte, Pragmatische, womit man schon beginnen könnte, wirklich Aufklärung // einfach sprechen über den Körper, sprechen über das Genital. Beim Wickeln (.) sprechen, die Körperkompetenz fördern, nicht nur durch Körperübungen, sondern gezielt auch die Atmung, die Spannungen im Körper beobachten. Ahm auch beim Toilettentraining besprechen, gezielt Räume schaffen, wo (.) Menschen mit Lernschwierigkeiten Intimräume haben, um ihre Sexualität zu leben“ (Interview 5, Zeile 417-425).
Es gibt viele Bereiche in den Wohneinrichtungen, bei denen mitbestimmt werden kann. So gibt es Mitspracherecht beim Speiseplan, bei der Freizeitgestaltung, es gibt einen Wohnrat und in einer Einrichtung auch einen Mitsprachekatalog. Frau Mag. K merkt zum Thema Selbstbestimmung jedoch kritisch an:
„Also wenn man sich den großen Rahmen anschaut, ahm (.) dann leben sie natürlich komplett fremdbestimmt, sie dürfen sich weder aussuchen, wo sie wohnen noch mit wem sie wohnen, noch von wem sie betreut werden, noch wie der Tagesablauf jetzt im Groben ausschaut (.) ahm (.) das Thema Selbstbestimmung ist in dem Bereich, wo wir tätig sind (.) auch ein schwieriges, (...) weil es natürlich darum geht, dass wir Leute mit sehr schwierigen Verhaltensweisen haben, wie zum Beispiel (..) maßloses Essen. Und da gibt’s natürlich auch ganz klare Grenzen der Selbstbestimmung, das ist sehr fremdbestimmt, das entspricht der UN-Konvention überhaupt nicht, (.) aber wir müssen schauen, dass sich die Leute (.) sich halbwegs gesund ernähren. Das ist im vollbetreuten Wohnen eine ganz andere Diskussion, als zum Beispiel im teilbetreuten Wohnen“ (Interview 4, Zeile 49-58).
Besteht ein Assistenzbedarf, haben die Bewohnerinnen nur begrenzt Mitspracherecht. Durch personelle Bedingungen kann zum Beispiel eine gleichgeschlechtliche Pflege nicht immer gewährleistet werden (Interview 1, Zeile 158-168; Interview 3, Zeile 105-118; Interview 4, Zeile 90-104).
Hausordnungen gibt es in allen Einrichtungen der interviewten Leiterinnen. Teilweise bestimmen die Bewohnerinnen die Regeln mit, teilweise sind sie vorgegeben. Es gibt in einigen Fällen Ausgeh- und auch Besuchszeiten, die aber von Bewohnerin zu Bewohnerin unterschiedlich geregelt werden.
„Da geht‘s wirklich auch so darum, dass wir (<f>) gut arbeiten können, aber es kommt auch immer wieder vor // die Personen, die wir betreuen, sind volljährig, auch wenn sie (.) sehr häufig unter Sachwalterschaft stehen, haben wir jetzt auch nicht diese Verpflichtung, dass wir vierundzwanzig Stunden am Tag kontrollieren müssen, wer was macht und wer wo ist. Das ist schon immer wieder dann (.) schwierig auch auszuhalten aber, es ist so“ (Interview 1, Zeile 119-124).
Zusammenleben mit anderen Personen bedeutet, sich an bestimmte Regeln zu halten:
„Also das (.) ist schon ein wesentlicher Teil. Einfach schauen mit dem Blick darauf, ahm was würde ich als junger Mensch ahm wollen und nicht wollen beziehungsweise mir wünschen, oder nicht wünschen. Ahm andererseits auch mit dem Blick darauf, dass zum Teil elf Bewohner und Bewohnerinnen in einem Haus leben, wo auch andere Hausparteien leben und wo es auch so ein bisschen um gegenseitige Rücksichtnahme geht, ahm (.) was nicht immer eingesehen wird, dass man auch auf einen anderen Rücksicht nehmen muss. Deswegen sind so ahm Rahmenbedingungen und grobe Regeln schon auch sehr unterstützend in der Arbeit, muss ich sagen“ (Interview 3, Zeile 84-92).
In allen Einrichtungen gibt es Einzelzimmer, mit Ausnahme von einem Zimmer in einer Einrichtung, das als Doppelzimmer geführt wird.
„Ich würd so sagen, einerseits bemühen wir uns sehr um Privatsphäre, aber andererseits auf Grund der Räumlichkeiten, die teilweise doch sehr eng beieinander liegen ahm (2) und auf Grund der Zimmer, die relativ klein sind, müssen sie dann schon auch, oder wollen sie auch einige Zeit außerhalb verbringen. In den Gemeinschaftsbereichen (.) ahm ist es nur zum Teil gegeben die Privatsphäre. Also (.) das kann man nicht eindeutig mit ja oder nein beantworten“ (Interview 3, Zeile 45-50).
Frau DSA Weidinger erwähnt im Kontext der Zimmergestaltung die Bedeutung der Bettgröße, damit Sexualität, auch und vor allem mit einer anderen Person, erlebt werden kann:
„Also auch (.) Zimmereinrichtung. Es ist ja schon ein Unterschied, wenn in einer Institution alle ein Bett haben mit, was, wie breit ist das? Neunzig Zentimeter Breite, (.) oder ob die Betten grundsätzlich so breit sind, dass (.) gemeinsame Sexualität möglich wäre“ (Interview 5, Zeile 432-435).
„Ich glaube, dass bei den Rahmenbedingungen ganz viel fehlt. (<f>) wirklich viel, gerade auch wie // Da können die Institutionen auch nichts dafür, weil nicht alle haben Millionen zur Verfügung, um umzubauen. Aber es // Es wäre, denk ich mir, wenn man jetzt Neubauten macht, oder Umbauten macht (.) wichtig mitzudenken und es gibt ja auch viele positive Beispiele“ (Interview 5, Zeile 452-456).
Positive Entwicklungen bei der Sichtweise auf die Sexualität von Menschen mit Lernschwierigkeiten werden mit der UN-Konvention von den Einrichtungsleiterinnen wie folgt in Verbindung gebracht:
„Es wird zwar schnell (.) kritisiert, ja, das ist jetzt eine Konvention so wie viele andere auch und es hält sich niemand daran, (.) ich habe aber den Eindruck, dass sich die Haltungsänderung (.) zumindest mal in einer Diskussion (.) ganz stark gezeigt hat oder jetzt auch zeigt? Und find' das ganz, ganz wichtig, also ich denke mir, das ist wirklich eine Grundlage, die da geschaffen wurde, auf der Forderungen aufgebaut werden können, wo eben (.) ganz stark auch die Sichtweise der Personen selbst in den Vordergrund gerückt wird und nicht mehr dieses defizitäre (.) Menschenbild im Vordergrund steht. Das halte ich für ganz wesentlich“ (Interview 1, Zeile 191-197).
„Ahm (.) also es gibt zumindest ahm einen Gedankenanstoß dazu, weil sich auch Institutionen mehr und mehr mit dem Thema dann auseinandersetzen und darüber nachdenken, kritisch auch darüber nachdenken auch wo // So unter dem Motto, wo verhindern wir als Organisation, die Möglichkeit Sexualität auszuleben wie jeder andere auch, ja. Also, da glaub ich schon, dass es da immer wieder so Denkanstöße gibt und sie nicht schaden, wenn sie weitergehen und (.) konkreter werden. Ja. Mhm.“ (Interview 3, Zeile 165-170).
„Ich glaub', dass die Entwicklung prinzipiell ja auch ohne die UN-Konvention schon im Laufen ist. Sie bietet jetzt vielleicht noch einmal so eine Anlaufstelle, wo genau solche Fragen (.) noch einmal rechtlicher Seite von Behindertenvertretern anders bewertet und=und=und halt politisch durchgesetzt werden können. Dass es im Grunde lächerlich ist jetzt zu sagen (.), das ist Kuppelei. Also wenn man denkt, das ist eigentlich wirklich so eine Frechheit, ja“ (Interview 4, Zeile 137-142).
Alle drei Einrichtungsleiterinnen könnten sich das Persönliche Budget für ihre Bewohnerinnen vorstellen. Im Zusammenhang mit der Sexualität werden folgende Beispiele genannt:
„Also, ich sag' mal, Sexualassistenz, die Frequenz scheitert natürlich auch am Geld, ja? Also die=die Leute, die wir haben, (..) bestenfalls zweimal im Monat. Mehr ist nicht drinnen. Also es ist natürlich auch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Wenn das durch das Persönliche Budget (.) flexibler ist, dann kann es schon sein, auch dass es gut dazu führt, ja“ (Interview 4, Zeile 629-633).
„Also, das was mir jetzt spontan einfällt, wo es beitragen könnte ist so ahm (.) das Thema Selbstwertgefühlsteigerung. Und wenn mein Selbstwert steigt, dann bin ich sicher auch was die Sexualität betrifft selbstbestimmter und (..) da denke ich mir, hätte es wahrscheinlich einen wesentlichen Einfluss, ja. Ja“ (Interview 3, Zeile 609- 612).
Eltern und Angehörige haben, auch wenn die Frauen und Männer nicht mehr zuhause wohnen, einen Einfluss auf ihre erwachsenen Söhne und Töchter.
„Also (.) vor allem (.) Klienten und Klientinnen, die (.) sehr behutsam erzogen worden sind, ahm (.) wo die Eltern einfach auch überfordert waren, wie sie ihr Kind aufklären sollen (.) und ahm wir haben einmal einen Elternabend dazu gemacht und da waren sie richtig froh die Eltern und haben gesagt, O.K. (.) ihr macht’s das, ihr Betreuer macht das und wir müssen das nicht machen. Waren die Eltern eigentlich (.) sehr froh. Aber das sind einfach Eltern, wo die Haltung und die Einstellungen (.) einfach eine Rolle für die Klienten spielen // Wie auch für Menschen ohne Behinderung (.) die Haltung der Erwachsenen, die Mutter und der Vater eine Rolle spielen“ (Interview 2, Zeile 450-456).
Frau Mag. S. berichtet von Problemen mit den Angehörigen, wenn etwas zum Thema Sexualität in den Einrichtungen angeboten wird:
„Ahm (.) in Planung ist jetzt auch, die Angehörigen miteinzubeziehen in die Thematik, weil wir sehr schnell auch bei der Arbeit im Arbeitskreis draufgekommen sind, dass da ein ganz großer Knackpunkt ist. Dass die Eltern, Angehörigen sehr // wie ich vorher schon gesagt habe, durch ihre sehr beschützende Haltung, auch das Thema gar nicht bearbeitet haben wollen, also wo es auch auseinandergeht, die Meinung der Betreuer, Betreuerinnen, Eltern, Angehörigen“ (Interview 1, Zeile 338- 343).
Frau P. betont die Vorbildwirkung der Eltern für die Bewohnerinnen im Umgang mit der Sexualität. Sie erzählt, dass die Bewohnerinnen oft negative sexuelle Erfahrungen im Vorfeld gemacht haben (Interview 3, Zeile 379-388).
Im Zusammenhang mit der Sexualassistenz spricht Frau Mag. K. von Diskrepanzen zwischen männlichen und weiblichen Bewohnerinnen wenn es um die Angehörigen geht:
„Also im vollbetreuten Wohnen haben wir beide (...) ahm Extreme. Sowohl dass die Eltern ganz glücklich sind, dass es endlich Sexualassistenz gibt (.) und alles in Kauf nehmen, eben auch die, die Gefahr, dass sie der Kuppelei bezichtigt werden, um ihren Kindern das zu ermöglichen, aber natürlich (.) und das ist halt schon eine große Schere zwischen Männern und Frauen, also die Eltern von männlichen Bewohnern sind sehr dafür, dass Sexualassistenz passiert, für die ist Sexualität auch noch einmal ein positiveres besetztes Thema, (..) bei den weiblichen Bewohnerinnen ist es natürlich die große Angst vor Missbrauch, vor den Männern im Park, vor (...) Schwangerschaft, vor (.) Gewalt, also da wird natürlich deutlich behütender damit umgegangen. Also das (.) merken wir irgendwie. Wenn es um Eltern geht, dann sind die Eltern von männlichen Bewohnern deutlich aufgeschlossener, als die Eltern von weiblichen Bewohnerinnen“ (Interview 4, Zeile 377-387).
In den Anführungen zu den Eltern und Angehörigen wird deutlich, was auch in Kapitel 5.6.2 dargestellt worden ist. Ängste, Unsicherheiten und auch Ablösungsschwierigkeiten können bis in das hohe Erwachsenenalter von Wichtigkeit sein. Vor allem Themengebiete rund um die Sexualität können irrationale Ängste bei den Eltern auslösen.
Geht es um die Einstellung zum Thema Sexualität von Menschen mit Lernschwierigkeiten, ist die gesellschaftliche Meinung nicht gerade unbedeutend, prägt sie doch sowohl Mitarbeiterinnen als auch die Bewohnerinnen selbst, denn sie alle sind Teil der Gesellschaft. Stigmatisierungsprozesse, Ängste und Vorurteile (vgl. Kapitel 2.1.3.1) haben eine ebenso große Relevanz wie Tendenzen zur Abwertung bestimmter Menschen (vgl. Exkurs Wertegeleitete Heilpädagogik).
Zur Toleranzschwelle gegenüber Menschen mit Behinderungen ein Fallbeispiel von Frau Mag. K.:
„Also ich (.) find', wir haben immer wieder Schwierigkeiten mit Anrainern beispielsweise. Wir haben jetzt einen Prozess (.) eines Anrainers, eines Nachbarn einer Einrichtung, der sich beschwert über die Laute, die die Menschen von sich geben, dass er das seinen Gästen im Garten nicht zumuten kann. Ahm (.) das wird jetzt wahrscheinlich vor Gericht landen, wo ich mir denk', die Toleranzschwelle der Bevölkerung (.) // Zum einen (.) steigt sie, also wir haben auch sehr, sehr viele positive (.) Erlebnisse innerhalb der Gemeinwesen integrativen Situationen“ (Interview 4, Zeile 157-164).
Es wird zwar laut Frau P. scheinbar offensiv mit Sexualität in der Gesellschaft umgegangen, es ist aber nach wie vor ein tabuisiertes Thema (Interview 3, Zeile 617 ff).
Frau DSA Weidinger meint, es bestünde Sorge um die sozialen Regeln „(…) dass diese Personengruppen, eben Kinder, Jugendliche, Menschen mit Lernschwierigkeiten, dass sich die nicht an unsere so mühsam erarbeiteten sozialen Regeln zu Sexualität halten (.) und die uns dann einen Spiegel (.) vor Augen halten und uns hineinzwingen in eine Aktion beziehungsweise auch in eine Reaktion“ (Interview 5, Zeile 123-127).
Ob die Sexualität in Bezug auf Menschen mit Lernschwierigkeiten mehr thematisiert werden sollte, dazu hat Frau DSA Weidinger ihre Bedenken:
„Wenn es mehr thematisiert wird, dann wäre meine Sorge, dass man mehr in die Problemfaktoren geht. Weil wenn man sagt, es wird mehr thematisiert, dann wäre es doch total schön, wenn man das viel gesamter sehen und wenn man keinen Unterschied machen würde, weil ist denn schon (.) Sex ist Sex und was ist schon // Warum machen wir überhaupt einen Unterschied, ob es ich um Menschen mit Lernschwierigkeiten handelt oder andere Menschen, ich denke mir, jede Person ist einerseits individuell zu betrachten und andererseits zu betrachten mit ihren, sag ich mal, biologischen Voraussetzungen, das haben wir alle, biologische Möglichkeiten und dann noch persönliche Möglichkeiten und Grenzen. Das gilt für alle. (1) Und die Unterscheidung finde ich fachlich eigentlich falsch (…)“ (Interview 5, Zeile 88-97).
Welche Problematiken durch die Unterscheidung auf die Betroffenen zukommen können, wird durch diverse Themen der Diplomarbeit ersichtlich. Der gesellschaftliche Einfluss zeigt sich unter anderem ganz konkret in Kapitel 5.2.
Frau Mag. S. wünscht sich mehr Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. „Selbstverantwortung übernehmen zu können und gestalten zu können und nicht mehr so strikt zu trennen, wer ist behindert, wer ist nicht behindert, ich glaub', da würden sich ganz viel Probleme auch schon mal von selbst lösen“ (Interview 1, Zeile 1026- 1030).
Die Sexualpädagogin Frau Mag. R. wünscht sich mehr Offenheit, mehr Reflexion und einfachere Rahmenbedingungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die Sexualität soll gelebt und die Intimsphäre gewahrt werden können. Es bedarf einer permanenten Beschäftigung mit dem Abbau von Mitarbeiterinnenängsten durch Sicherheit zum Thema Sexualität, durch Schulungen und auch durch Konzepte. Präventives Arbeiten in diesem Themenbereich muss großgeschrieben werden (Interview 2, Zeile 498-510).
„Was wünsche ich mir für die Zukunft, ahm (4) ein (.) ein genaueres und besseres Hinhören (.) auf die Wünsche und Bedürfnisse (.) der Menschen mit Lernbehinderungen in dem Fall. Und ahm was ich mir sehr wünschen würde, wäre, dass weniger junge Menschen zu uns kommen, die mit sexuellen Gewalterfahrungen zu tun hatten ahm und mit denen wir dann arbeiten müssen, ich würde gerne mit ihnen wegen anderen Themen arbeiten (.) und nicht wegen sexueller Gewalterfahrungen, ja das (.) würd ich mir wünschen. Mhm. Und dass es vielleicht noch mehr Experten, Expertinnen auf dem Thema Sexualpädagogik gibt, die auch = die auch ahm Erfahrungen mit unserer BewohnerInnengruppe haben. Also wo so ein bissl ein routinierterer Umgang ist (…)“ (Interview 3, Zeile 634-641).
Frau Mag. K. wünscht sich einen offenen Umgang und mehr Entkriminalisierung, wenn es um die Sexualität geht.
„Also, dass Sexualität nicht mehr etwas ist, das ganz furchtbar schrecklich und ahm, da muss man aufpassen und anfällig und Gewalt und Übergriffe, sondern dass (.) der Lustanteil, den die Sexualität doch eigentlich ausmacht, dass der wieder ein bissl mehr in den Vordergrund rücken darf (.) und weniger strafrechtliche und=und ein vorsichtiger Umgang damit. Also wenn die Lust wieder mehr im Vordergrund stehen kann, dann wäre das super“ (Interview 4, Zeile 665-672).
Dass sich die institutionellen Rahmenbedingungen verändern müssen, dafür plädiert Frau DSA Weidinger und „das fängt bei der Bettbreite an, eigentlich auch beim Personalschlüssel, aber das wäre ja noch einmal ein Riesenthema (.) wie ist das Badezimmer eingerichtet, überhaupt, gibt es ein Badezimmer für alle, oder für jedes Zimmer eines, also (.) wie viel Intimitätsrahmen gibt es? Wie viel Möglichkeiten sich sexuell zu präsentieren (…)“ (Interview 5, Zeile 822-827). Das Thema Sexualität muss an Normalität gewinnen: „Normalität integriert ins Menschsein und nicht sonderintegriert ins (..) Lernschwierigkeiten haben oder Sonstiges“ (ebd. Zeile 828 f). Es muss auch Thema von Geburt an sein und in Pflegetätigkeiten miteinbezogen werden (…)
„(…) und ich würde mir parallel dazu, das hat jetzt gar nicht nur so viel mit der Sexualität zu tun, aber ich würde mir parallel dazu wünschen, dass es viel mehr noch an Fördermöglichkeiten gibt, die die Atmung, die sensorische Integration, die Bewegungsförderung von oberer und unterer Schaukel, also eben was man für die Sexualität braucht, mit einbeziehen, das heißt, (.) ahm dass es ein Körperkompetenztraining viel, viel mehr (.) gibt, das sich positiv auf eine gelebte Sexualität auswirkt, weil das ist schon etwas Spezielles für Menschen mit Lernschwierigkeiten“ (ebd., Zeile 831-837).
Laut Mag.a Udl soll in den Institutionen die Selbstbestimmung mehr gefördert und gestärkt werden und dass sie „(…) wirklich die Unterstützung kriegen, die sie dazu brauchen, in welcher Form auch immer, (.) ob das jetzt Assistenz ist oder Betreuung, oder Unterstützung, oder wie auch immer man dazu sagt“ (Interview 6, Zeile 589-593).
[52] Der Begriff „Experteninterview“ wird als Fachbegriff nicht gegendert.
[53] Informationen zu den einzelnen Tätigkeitsbereichen, Ausbildungen und Publikationen siehe URL: www.sexualpädagogik.at (Download: 26.6.2012).
[54] Informationen zu den einzelnen Tätigkeitsbereichen, Broschüren und Seminarbeschreibungen siehe URL: www.ninlil.at (Download: 26.6.2012).
[55] URL: http://www.ninlil.at/kraftwerk/ninlil_grundsaetzliches1.html (Download: 26.6.2012).
[56] Es können nicht alle Aspekte berücksichtigt werden, denn die Materialen werden zwar in Daten verwandelt, Intervieweinflüsse und interaktive Abläufe müssen aber gesondert festgehalten werden. Die Genauigkeit der Transkription hat einen großen Einfluss auf die spätere Analyse (BOHNSACK/MATOTZKI/MEUSER 2006, S. 159 f).
[57] Frau Mag. Udl spricht nur von Frauen, da es sich bei Ninlil um eine Frauenberatungsstelle handelt.
Es muss festgestellt werden, dass bezüglich der Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten die Probleme bereits an anderer Stelle vorzufinden sind und nicht erst in der vollbetreuten Wohnsituation beginnen. Sie nehmen bereits in der Sichtweise auf Menschen mit Lernschwierigkeiten ihren Anfang, konkret ob diese defizitorientiert betrachtet werden oder nicht. Des Weiteren spielen diverse Vorurteile und Ängste eine Rolle, die in Kombination mit Sexualität nochmals verstärkt werden können.
Rechtliche Bedingungen beschränken vielfältig die Möglichkeiten von Menschen mit Lernschwierigkeiten, was sich auch auf die sexuellen Entfaltungschancen auswirken kann. In der vollbetreuten Wohnsituation werden dadurch verstärkt Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen. Durch Regelungen wie Sachwalterschaften werden Menschen mit Lernschwierigkeiten zusätzlich kontrollierbar gemacht. Strukturelle Bedingungen in den Einrichtungen schaffen ebenfalls ein gewisses Maß an Kontrolle und führen zu Fremdbestimmung der Bewohnerinnen. Von Selbstbestimmung kann also im vollbetreuten Wohnkontext nicht die Rede sein und folglich auch nicht von sexueller Selbstbestimmung. Selbstbestimmung impliziert echte Wahlmöglichkeiten, die auch bei Entscheidungen zur Sexualität nicht gegeben beziehungsweise nur beschränkt vorhanden sind.
Sexualität ist ein Thema, das neben allen schönen Komponenten auch mit vielen Ängsten, Vorstellungen und Vorbehalten verbunden sein kann. Gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten kommen diese Vorbehalte oftmals besonders zur Geltung und das nicht nur in den Wohneinrichtungen, sondern auch von Eltern und Angehörigen. Dies kann sich zeigen in völliger Ablehnung oder Verdrängung bis hin zu idealistischen oder irrealen Vorstellungen, wie Menschen mit Lernschwierigkeiten ihre Sexualität angeblich leben und leben sollen beziehungsweise nicht sollen. Die Realisierung vieler Wünsche der Frauen und Männer werden vielfach eingeschränkt, sei es nun bei auftretendem Kinder- oder auch Heiratswunsch. Mit dem Thema der Sterilisation wird größtenteils zu unreflektiert umgegangen, denn mögliche Folgewirkungen werden nicht erkannt oder falsch interpretiert. In den vollbetreuten Wohneinrichtungen kann auch oftmals aus finanziellen und strukturellen Gründen nicht ausreichend auf Wünsche der Bewohnerinnen oder auf bestimmte Gegebenheiten reagiert werden, wie zum Beispiel auf die Sexualbegleitung. Ein weiteres Beispiel wäre die Frage, wie es mit den Eltern mit Lernschwierigkeiten weitergehen soll, wenn ein Kind geboren wird. Die notwendigen Ressourcen können oftmals nicht bereitgestellt werden. Die Sensibilisierung der Bewohnerinnen aber auch der Mitarbeiterinnen zum Thema der Sexualität wird immer mehr forciert, jedoch noch lange nicht in ausreichendem Maße. Oft wird die Sexualität als Randthema und als eines von vielen in Seminaren und Fortbildungen mitbehandelt. Menschen mit Lernschwierigkeiten sind auch im Erwachsenenalter oftmals nur unzureichend beraten und aufgeklärt. Das kann dazu führen, dass die Bewohnerinnen manche Möglichkeiten, die sie hätten, nicht ausschöpfen können, da ihnen diese unter Umständen nicht aufgezeigt werden. Sexuelle und sexualisierte Gewalt wird gesehen, die Problematik wird erkannt, Maßnahmen und auch präventive Maßnahmen werden jedoch zu wenig umgesetzt. Dies kann wiederum auf unzureichende personelle und finanzielle Ressourcen zurückgeführt werden, aber auch auf zu wenige Beratungsstellen, psychologischer und therapeutischer Hilf und auf das Fehlen von Sexualpädagoginnen, die sich auf den Behindertenbereich und speziell auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten spezialisieren. Es gibt derzeit viel zu wenig Angebote im Bereich der Sexualität, seien es nun gezielte Angebote zum Themenbereich als auch identitätsstärkende Erwachsenenbildungsangebote. Bei Menschen mit hohem Assistenzbedarf kann es passieren, dass deren sexuellen Bedürfnisse übersehen werden. Pflegehandlungen werden zur Routine, die Menschen werden womöglich als geschlechtslose Wesen betrachtet. Auch dies hängt wiederum größtenteils mit strukturellen Bedingungen zusammen wie etwa dem Personalschlüssel in einer Einrichtung. Wenn die verfügbare Zeit für den einzelnen Menschen knapp bemessen ist, kann folglich auf bestimmte Dinge nicht eingegangen werden oder sie finden nicht die Beachtung, die ihnen zuteilwerden sollte. Wird das Thema der Sexualität in den Einrichtungen unterschätzt, hat es auch damit zu tun, dass es womöglich in der Themenfülle untergeht, mit der sich die Institutionen auseinanderzusetzen haben. Das Thema muss einen größeren Stellenwert einnehmen, und das durch gezielte Fortbildungen, mehr Aufklärung und mehr Überlegungen dazu, wie mit bestimmten sexuellen Thematiken umgegangen werden kann.
Trotz aller Kritikpunkte kann an dieser Stelle auch festgehalten werden, dass eine Veränderung im Gange ist. Das Thema wird gesehen, Sensibilisierung ist vorhanden, wenn auch nicht ausreichend und es entstehen langsam aber doch immer mehr Angebote und Beratungsstellen in diesem Bereich. Ein Umdenken ist im Gange. Bestimmte Gesetze und Regelungen werden überdacht und reflektiert, die UN-Konvention spielt dabei keine unbedeutende Rolle.
Es sollte weiterhin in den vollbetreuten Wohneinrichtungen hinterfragt werden was nötig ist, damit Sexualität gelebt werden kann. Welche Ressourcen müssen dafür bereitgestellt werden? Wie wird Selbstbestimmung und auch sexuelle Selbstbestimmung für die Bewohnerinnen realisierbar? Wie wird sie für alle Menschen mit Lernschwierigkeiten realisierbar und nicht bloß für einige wenige? Auf die Freiwilligkeit muss dabei geachtet werden. Es soll keine „Umsetzung um jeden Preis“ stattfinden.
Ein nächster Schritt sollte sein, dass sich Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst aussuchen können, wo und mit wem sie leben möchten, auch wenn das zur Folge hat, dass die vollbetreuten Wohneinrichtungen im herkömmlichen Sinne und wie sie sich derzeit darstellen, nicht in dieser Form bestehen bleiben.
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Anmerkung der bidok-Redaktion:
Der Anhang kann unter: http://bidok.uibk.ac.at/download/anhang-menghini.pdf herunter geladen werden.
Quelle
Andrea Menghini: Sexualität von Frauen und Männern mit Lernschwierigkeiten in vollbetreuten Wohneinrichtungen. Verhindert. Behindert. Enthindert. Selbstbestimmt? Eine qualitativ-empirische Untersuchung unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung mit besonderer Bezugnahme auf den Raum Wien. Diplomarbeit an der Universität Wien, Diplomstudium Pädaogogik, angestrebter akademischer Grad: Magistra der Philosophie (Mag. phil.), Betreuer: Univ.-Prof.Dr. Gottfried Biewer
bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet
Stand: 19.05.2015