Dialogische Validierung identitätsrelevanter Erfahrungen

- ein Konzept zur Entstigmatisierung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen als Gegenstand und Ziel einer integrativen Pädagogik.

Autor:in - Reinhard Markowetz
Themenbereiche: Schule
Textsorte: Vortrag
Releaseinfo: Schriftliche Fassung meines Vortrages in der Arbeitsgruppe "Innerpsychische Prozesse" anläßlich der Jahrestagung der IntegrationswissenschaftlerInnen vom 11.-14.März 1998 in Mainz. Veranstalter: Institut für Sonderpädagogik der Universität Koblenz-Landau, Abt. Landau (Prof. Dr. Dieter Kroppenberg).
Copyright: © Reinhard Markowetz 1998

Einleitung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte Ihnen ein Konzept zur Entstigmatisierung von Menschen mit Behinderungen vorstellen. Bitte erwarten Sie von mir nicht, daß ich Ihnen heute alle Facetten meines behindertensoziologischen, oder besser interaktionistischen Theorie-Entwurfs aufzeigen und exponiert darstellen kann. In Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit, erlaube ich mir Sie mit einigen Kern-Thesen zu konfrontieren und auf einige zentrale Fragen zu antworten versuchen.

Fünf wichtige Zusammenhänge zur Einordnung des Konzeptes

Gestatten Sie mir zur besseren Einordnung des Konzeptes fünf, mir wichtige Zusammenhänge:

1. Das Konzept der "Dialogischen Validierung identitätsrelevanter Erfahrungen" kann bislang nicht empirisch begründet werden. Den Theorie-Entwurf habe ich auf der Grundlage praktischer Erfahrungen und Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung nach dem Ansatz der Handlungsforschung von drei Modellprojekten zur sozialen Integration von Menschen mit Behinderungen entfaltet (vgl. hierzu Markowetz/Wilms 1991; Markowetz 1996, Markowetz 1997).

2. Im theoretischen Ansatz des symbolischen Interaktionismus, auf den ich in diesem Beitrag nicht weiter eingehen kann (vgl. hierzu Mead 1973 bzw.1934; Blumer 1969, McCall/Simmons 1974, Charon 1979, Matthes et al. 1973; Luckmann 1992; Brumlik 1973 u.a.) spielen zwischenmenschliche Beziehungen im Alltagsleben seit jeher eine zentrale Rolle. Der Ansatz geht davon aus, daß Interaktionserfahrungen ein Individuum beeinflussen und seine Identität verändern. Wenn ich in meinen folgenden Ausführungen von Identität spreche, beziehe ich mich im wesentlichen auf ein Identitätsmodell, das in Grundzügen mit dem Modell von Hans Peter Frey (1983) und den neueren Überlegungen zur Identität von Karl Haußer (1995) übereinstimmt, aber das durch die pädagogisch-anthropologische Theorie des Ich, wie sie Hildegard Macha (1989) in ihrer Habilitationsschrift entfaltet hat, komplettiert wurde.

Besonders Ihre ganzheitliche Sichtweise von Identität relativiert die traditionelle (Über-) Betonung des Geistigen. Identitätsarbeit, verstanden als Integrations- und Balanceleistung zwischen internen und externen Identitätsaspekten sowie umwelt- und anlagebedingten Identitätsaspekten ist demnach kein ausschließlich kognitiv gesteuerter, reflexiver Prozess, den nur Nichtbehinderte zu leisten vermögen. Auch Menschen mit Behinderungen, vor allem auch geistig- und schwermehrfachbehinderte Menschen erarbeiten sich ihre Identität. Man keine "Nicht-Identität" haben! Insofern beansprucht das von mir verwendete Identitätsmodell universelle Gültigkeit. Ich verweise hierzu auf die Ausführungen in Kapitel 6 des Buches: Soziologie der Behinderten meines Kollegen Cloerkes (Cloerkes 1997, 176-184).

3. Mir ist bewußt, daß bereits eine Vielzahl theoretischer Konstruktionen vorliegen, die in sehr dfferenzierter Art und Weise und außerordentlich profund auf die Psychologie der Kommunikation und auf Formen der zwischenmenschlichen Interaktion eingehen. Es sind dies in erster Linie Sichtweisen die die Psychologie hervorgebracht hat. Zu nennen wären zuförderst die Grundlagen der zwischenmenschlichen Kommunikation, wie sie von Watzlawick (1969) und von Schulz von Thun (1992) in besonders erwähnenswerter Art und Weise einer breiten Leserschaft zugänglich gemacht wurden, die erziehungspsychologischen Betrachtungen des Ehepaares Tausch (1963), die themenzentrierte Interaktion in Anlehnung an Cohn (1975), die existentialistisch-humanistische Therapien der Klientzentrierten Therapie von Rogers (1979) genauso wie die Gestalttherapie, wie sie von Perls (1969) begründet wurde und die Transaktionsanalyse wie sie Berne (1967) entwickelt hat. Sie zu negieren und ins Abseits zu stellen kann nicht Ziel meiner Erörterungen sein. Im Gegenteil, sie erhellen und untermauern zentrale Aussagen meines interaktionistischen Verständnisses der zwischenmenschlichen Beziehung, der Begegnung von Person zu Person im Allgemeinen und der Kontaktsituation zwischen Behinderten und Nichtbehinderten im Besonderen.

Und dennoch möchte ich an dieser Stelle auf einen mir wesentlichen Unterschied hinweisen. Für mich ist die dialogische Validierung keine Therapie, das ein ganz bestimmtes setting braucht. Auch kein Behandlungskonzept für eine Schulklasse (Integrationsklasse), das als System die Störungen mithervorruft und durch einen besonders ausgebildeten Therapeuten oder Lehrer mit entprechender Zusatzqualifikation Heilung bereits beschädigter oder von Beschädigung bedrohter Identitäten verspricht. Sie verläßt sich aber auch keineswegs auf den bekannten Effekt der spontanen Remission, schließt weder gezielte Therapie bei ernsthaften psychischen Problemen und Störungen einzelner Interaktionspartner aus, noch beansprucht sie einen allumfassenden, tiefgreifenden und finalen Lösungsanspruch für all jene Probleme, die sich gegenwärtig in immer verschärfeteren Formen an unseren Schulen und in den Köpfen unserer Schüler abspielen.

Mit Dialogischer Validierung ist in aller erster Linie ein interaktionistisches Konzept gemeint, das pädagogisch gehandhabt wird und im schulischen Alltag seinen Platz finden muß. Ein pädagogisches Konzept, das sich zeitlich nicht begrenzt, eigentlich lebenslang fortgeschrieben und verfeinert werden kann, prozessual in den Lernkosmos eingebunden ist, individuelle wie kollektive Befindlichkeiten in den jeweiligen Kontexten zu erfassen versucht und damit eine Systematik, Dynamik und innere Logik aufzuweisen hat. Also eigentlich nichts anderes als eine besonders sensible und vertieft pädagogisch gestaltete Form des sozialen Lernens mit Kopf, Herz und Hand, die es jedem Menschen ermöglicht eine Grammatik des sozialen Umgangs zu erwerben und eine perspektivenreiche solidarisch geprägte Kultur des Streitens und Aushandelns von Konflikten zu entfalten: etwas durchaus alltäglich Leistbares, etwas Normales, das Abweichungen von der Norm thematisiert, Beziehungen konjugiert, die Nomenklatur sozialer Normen fortschreibt und deshalb zur Normalität werden lassen könnte.

4. Der Begriff Dialog stammt aus dem griechischen ´dialogos´ und bedeutet Zwiegespräch. Martin Buber´s (1965) dialogische-personale Anthropologie bietet wertvolle Erkenntnisse über konkrete Ich-Du-Beziehungen. Sein dialogisches Prinzip wirkt bis heute tief in der Pädagogik. Besonders in der Sonderpädagogik wie in der Integrationspädagogik ist eine dialogorientierte Grundhaltung auszumachen (vgl. z.B. FEUSER 1995; FORNEFELD 1989, 234; GOLL 1993; HAEBERLIN 1996, 37-40; IBEN 1988; KOBI 1993, 413-433). Allerdings bleibt meiner Einschätzung nach das dialogische Verhältnis noch weitgehend auf das Verhältnis zwischen dem Pädagogen und dem Behinderten beschränkt (vgl. z.B. FRöHLICH 1989, 7-15; GOLL 1993; RODENWALDT 1989, 273-281; TAUSCH/TAUSCH 1991, 178-213,). Für die Umsetzung des Entstigmatisierungskonzeptes gilt es, das dialogische Prinzip als zwischenmenschliche Grundhaltung allen zu lehren, damit sie es lernen und praktizieren können.

Tragfähige Konzepte des sozialen Lernens in heterogenen Spiel-, Lern- und Arbeitsgruppen unseres Erziehungs-, Bildungs- und Erziehungssystems (z.B. in Form von Integrationsgruppen und -klassen) sind hierfür sicher bestens geeignet. Sie stellen zudem einen ersten Lösungsversuch für eines der Schlüsselprobleme der gegenwärtigen Pädagogik in Theorie und Praxis dar (vgl. KLAFKI 1993). Schließlich rechne ich den Dialog zu den zehn Quellen, Anlässen, Mittel der Menschenbildung, also zu jenen Lebenstätigkeiten, die VON HENTIG (1996, 103-137) zur Bestimmung von Bildung anführt. Er hält das Gespräch, "als gegenseitige Zuwendung von Personen, ein Vehikel der Geselligkeit, eine Chance der Selbstentfaltung, ja Selbstdarstellung" (ebd. 1996, 116) für eine Quelle von bildender Wirkung und für einen Anlaß zum Sich-Bilden.

5. Ich spreche in meinen Ausführungen von integrativer Pädagogik und nicht von Integrationspädagogik. Das bedarf einer kurzen Begründung meines gegenwärtigen Verständnisses von integrativer Pädagogik. Eine Integrationspädagogik ist und kann eigentlich keine "Neuschöpfung" sein, die weder die pädagogische Theorie noch Praxis um eine Variante bereichern möchte. Ich spreche deshalb lieber von einer integrativen Pädagogik, die den uns ohnehin bekannten und geläufigen Theorien, Modellen, Konzepten und Ansätzen weder neben-, noch gleich-, sondern übergeordnet ist. Das dabei wesensbestimmende Moment ist das des Integrativen. In der erziehungswissenschaftlichen Diskussion ist dieses Moment allerdings noch nicht ernsthaft genug und durchgängig aufgenommen. Die Bezeichnung integrative Pädagogik ist deshalb durchaus Ausdruck für bislang weder zufriedenstellend praktisch Realisiertes noch für wissenschaftlich fundiert theoretisch Herausgearbeitetes.

Eine integrative Pädagogik ist deshalb noch mit größter Ernsthaftigheit in Theorie und Praxis zu entwickeln. Dabei sollte sich eine integrative Pädagogik nicht exponiert "aufspielen" und den Anspruch erheben "eine neue Pädagogik erfinden zu wollen", geschweige denn sich mit den bestehenden Auffassungen von vor allem allgemeiner Pädagogik anfeinden. Im Gegenteil: Sie sollte nach übergreifenden pädagogischen und didaktischen Konzeptionen fragen und damit Schule, Unterricht, Erziehung, Bildung, Förderung, Pflege und Therapie in Theorie und Praxis neu überdenken. Dazu kann sie sich durchaus auf bestehende Theorien berufen.

Eine integrative Pädagogik fordert deshalb zuförderst alle Vertreter pädagogischer wie didaktischer Positionen zu einer gründlichen und kritischen Reflexion und Analyse ihrer Denk- und Handlungsschemata auf allen Ebenen hinsichtlich des "Phänomens Integration" auf, statt diese zu entlasten und einen Alleingang zu starten, dem dann niemand mehr folgen möchte. Der vorangestellte Terminus "integrativ" stellt also eine Hilfskonstruktion dar, die in besonderer Weise darauf aufmerksam macht, daß der allgemeinen Pädagogik und Didaktik das Wesensmoment des Integrativen noch fremd und nicht durchgängig immanent ist. Er ist deshalb solange aufrechterhalten, bis eine Neukonstruktionierung von allgemeiner Pädagogik und Didaktik in integrativer Form vollzogen ist und die Trennung von vor allem der "Regelpädagogik" und der "Heilpädagogik" überwunden ist.

Integrative Pädagogik ist Pädagogik und nichts anderes als Pädagogik! Aber, eine Pädagogik, die sich nicht länger vor der "Pädagogik unter erschwerten Bedingungen" (Paul Moor) drückt, sondern sich ernsthaft, umfassend und tiefgreifend darum bemüht, allen zu erziehenden Subjekten gleichermaßen zur Verfügung zu stehen. Keine leichte Aufgabe also für eine Pädagogik, die den vorangestellten Terminus allgemein verteidigen oder sich vielleicht erst verdienen muß! Und keine leichte Aufgabe für eine Pädagogik, die ohne qualitative Verluste auf ihre vorrangestellten Termini "Heil-", "Rehabiliations-", "Behinderten-" oder "Sonder-" verzichten kann.

Zwei Grundthesen zum Thema

Die erste These lautet:

Stigmatisierende Zuschreibungen führen zwangsläufig zu einer massiven Gefährdung bzw. Veränderung der Identität, zu einer sog. "beschädigten Identiät". Sie kennen diese These bereits als STIGMA - IDENTITäTSTHESE (vgl. Cloerkes 1997, 151ff). Mit Hilfe der Abbildung 1 möchte ich lediglich auf folgende Zusammenhänge aufmerksam machen:

Die zweite These lautet: ENTSTIGMATISIERUNG DURCH INTEGRATION !

Sie besagt: Eine gelungene soziale Integration behinderter Menschen trägt ganz entscheidend zur Identitätsentwicklung bei, verhindert "beschädigte Identitäten" und führt zu Entstigmatisierung (vgl. Cloerkes 1997, 173 ff).

Was damit gemeint ist, möchte ich zunächst an einem Beispiel verdeutlichen. Es soll uns gleichzeitig aufzeigen, was identitätsrelevante Erfahrungen sind.

Aus einer Integrationsklasse hat mir eine Studentin, die dort im Rahmen ihrer Wissenschaftlichen Hausarbeit mehrere Wochen hospitiert hat, folgende Szene erzählt:

Während einer etwa 20-minütigen Erarbeitungsphase in mehreren Kleingruppen geht es in der Gruppe, in der der geistigbehinderte Philipp mit dabei ist, gereizter und deutlich turbulenter als in den anderen zu. Ein Schülern wendet sich, nachdem er Philipp bereits mehrmals angeschnautzt und schließlich weggeschubst hatte, lauthals der Klasse zu und gibt der noch eimal unmißverständlich zum besten, daß solche Idioten ja absolut gar nichts blicken, hier nur stören würden und wohl besser eine Schule für Sandkastenkacker besuchen sollten. Viele lachen, einige hänseln mit. Auch ein lernbehinderter Junge spottet fleißig. Nur wenige lassen sich von den Bemühungen der Lehrerin um mehr Verständnis für Behinderte beeindrucken.

Über den Vorfall selbst wird dann nicht weiter geredet. Kichernd und sichtlich belustigt setzen die Schüler schließlich die Arbeitsphase ohne Philipp fort. Der erhält zwar noch einige tröstende Worte von der Sonderschullehrerin, möchte dann aber wohl lieber alleine sein und schaut betroffen aus dem Fenster. Es vergeht noch einige Zeit, bis er sich nur zögerlich, sichtlich verunsichert und mißtrauisch eher wieder dem Unterrichtsinhalt als den Mitschülerinnen und Mitschülern zuwendet. Zuvor hatte die Lehrerin ihrer Klasse wissen lassen, daß Philipp mit seiner Behinderung eigentlich schon genug bestraft sei und beim Rest der Klasse um mehr Mitleid und um einen schonenden Umgang geworben.

Zu dem Beispiel ließe sich sicher viel sagen, vor allen Dingen über die Beziehungsprozesse. Ich beschränke die Analyse darauf, wie der geistigbehinderte Junge die Situation erlebt haben könnte:

  • Philipp bekommt vorgeführt, daß er deutlich anders ist als alle anderen.

  • Philipp erfährt, daß er den Erwartungen seiner Mitschüler nicht entsprechen kann

  • Philipp bekommt deren negative Einstellung deutlich zu spüren.

  • Philipp bricht die unangenehme Interaktion ab.

  • Philipp geht es nicht gut dabei, er wirkt verletzt und ratlos.

Solche und ähnliche soziale Reaktionen stellen einen Angriff auf die eigene Person dar. Wiederholen sie sich ständig, werden sie zur Bedrohung. Das Selbstwertgefühl leidet erheblich oder gerät völlig verlustig. In der Behindertensoziologie sprechen wir hier von einer "beschädigten Identität".

Wir können also sagen, daß negativ erlebte Erfahrungen Stigmaqualität haben und deshalb identitätsrelevant sind. Auf die gestellte Frage, was identitätsrelevante Erfahrungen sind, wäre zu antworten: es sind dies

  • situative Erfahrungen, die einem Menschen subjektiv wichtig sind und bedeutsam erscheinen, die ihn subjektiv betroffen machen und beschäftigen,

  • die Einflüsse und Rückmeldungen, die ein Mensch durch den "sozialen Spiegel", also die Widerspiegelungen des eigenen Handelns und So-Seins in den "Re-aktion" der anderen erfährt, sowie die eigene Auseinandersetzung mit diesen Reaktionen.

Nun, Sie werden sich fragen, wie man nach so einem Beispiel noch an der These "Entstigmatisierung durch Integration" festhalten kann. Könnten wir doch sagen, daß Integration ein pädagogisches Unternehmen ist, in dem die Zahl identitätsrelevanter Situationen sprunghaft ansteigt und sich negative persönliche Erfahrungen und soziale Bewertungen, die Stigmaqualitäten aufweisen, anhäufen. Und so geben mir viele angehende Sonderschullehrerinnen und -lehrer mit denen ich das Beispiel diskutiere, spontan auch zu bedenken, daß Philipp in dieser Klasse nicht gut aufgehoben ist und es wohl am besten wäre, wenn er wieder eine beschützende Sonderschule besuchen könnte, in der das "Wohl des Kindes" im Vordergrund steht, behindertenadäquate Förderung und heilpädagogisch strukturierter Unterricht stattfinden kann, bei dem sich Erfolge einstellen und das positive Selbstwertgefühl wiederkehrt.

Es bedarf also einer begründeten Präzisierung der These. Wenn Sie sich die These "Entstigmatiserung durch Integration" nocheinmal anschauen, dann werden Sie mit mir feststellen, daß man eigentlich nur für eine "gelungene soziale Integration" sorgen muß, damit sie aufrecht erhalten werden kann. Wie aber können wir das erreichen? Meine Antwort lautet: durch die dialogische Validierung identitätsrelevanter Erfahrungen! Denn: Die dialogische Validierung ist eine Möglichkeit den Kommunikationsstil und das Kontaktverhalten zwischen behinderten und Nichtbehinderten positiv zu verändern.

Dialogische Validierung

Im folgenden möchte ich versuchen, Ihnen die Konturen des Entstigmatsierungskonzeptes der "dialogischen Validierung identitätsrelevanter Erfahrungen" transparent zu machen.

Dialogische Validierung ist ein Ansatz des Sinnverstehens, um sich in der sozialen Umwelt orientieren und diese mitgestalten zu können. Aus menschlichen Aktivitäten wie wahrnehmen, denken, fühlen, sich verhalten, handeln, reflektieren, phantasieren etc. werden Erkenntnisse über real faßbare und existente Dinge und Personen zielgerichtet und mit allen Sinnen reflexiv abgeleitet. Die dabei divergierende Perspektiven gilt es dialogisch zu kommentieren, zu beschrieben, zu interpretieren und zu validieren, d.h. seine Sichtweise und die Sichtweise des anderen auf interaktionistischem Wege zu einer gemeinsamen Sichtweise zu verdichten, in der sich als ´kleinstes gemeinsame Vielfache´ jeder Interaktionspartner in Anerkennung des gemeinsam Herausgearbeiteten, universell Gültigen, wieder findet und die sich deshalb von allen Beteiligten in einem dynamischen Prozeß differenziert, den sich verändernden Verhältnissen folgend, fortschreiben und weiterentwicklen läßt. Der Dialog ist also eine Form des sozialen Handelns und eine Methode des sozialen Aushandelns.

Im Kontext meines Konzeptes zur Entstigmatisierung ist mit Validierung jener Prozess gemeint, der insbesondere bereits internalisierte Haltungen, Bewertungen, Zuschreibungen, Einstellungen, Vorurteile und Stigmata gegenüber einem sozialen Objekt auf deren Richtigkeit und damit auf ihre Haltbarkeit und Langlebigkeit hin zu überprüfen hat. Dazu ist es notwendig, sein Bild vom anderen, seine Meinung über den anderen, bereits vorgenomme Einordnungen, kategorialer Zuordnungen, fixierte Zuschreibungen und statische Bewertungen im Dialog mit der betroffenen Person selbst auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu hinterfragen. Validierung in diesem Sinne hat insofern immer auch eine pragmatische Dimension, weil die Wirksamkeit der Überzeugung im konkreten Handeln in Form von Nähe und Distanz zu Subjekten wie Objekten der sozialen Wirklichkeit wiederzuerkennen ist. Eine so verstandene Validierung zieht Verhaltensänderungen nach sich. Sie hilft Handlungen in die Wege zu leiten, die zu den gewünschten Zielen führen.

Wenn wir uns also ein Bild vom Behinderten machen wollen, würden wir gut daran tun, mit ihnen in selbst in Kontakt zu kommen und sich im Dialog mit ihnen zu bilden. Integration bietet per se verläßliche Kontakte zum Behinderten, zum Du, zum Fremden, Neuen, Andersartigen und Widersprüchlichen. Die Antworten auf die dialogische Frage können dadurch grundlegend anders ausfallen. Wir können den Bereich der hypothetischen Konstruktionen, Vermutungen und mystischen Spekulationen über den Behinderten und die Behinderten verlassen und uns direkt im Zusammenleben mit Ihnen mit der Wirklichkeit auseinandersetzen.

Während der ´still geführte´ Dialog wohl sehr stark dazu dient, sich selbst aus der Perspektive anderer zu identifizieren und zu definieren, ohne mit diesen direkt in Kontakt stehen zu müssen, geht es im ´laut geführten´ Dialog mehr um die Evaluation des Wissens und der Erfahrungsbestände über sich, den anderen bzw. die anderen, die sich innerhalb eines gemeinsamen Handlungs- und Erfahrungsfeldes, (z.B. in Integrationsklasse) ansammeln. Identitätsrelevante Erfahrungen stehen hierbei natürlich besonders im Vordergrund.

Die ´Dialogische Validierung´ können wir als einen Sonderfall zur Erfassung real existenter sozialer Wirklichkeiten und zur Gewinnung von Erkenntnissen und Einsichten über Personen auffassen, die miteinander in mehr oder weniger qualitativem Kontakt stehen und weitgehend auf Erfahrungen aus erster Hand beruhen. Dialogische Validierung ist ein Prozeß, der unterschiedliche Auffassungen von Subjekten über die Gültigkeit des Wissens über individuelle und soziale Sachverhalte offenlegt, zur Sprache bringt, reflexiv überprüft und zu bilanzieren versucht. Von Interesse sind subjektiv gefärbte qualitative Deutungen identitätsrelevanter Dimensionen.

Man fragt, ob das, was man aktuell über sich und den anderen denkt, richtig und wahr ist. Lassen sich solche zwischenbilanzierte Urteile aufrechterhalten oder haben wir durch die selektive Auswahl den Blick auf andere wichtige Variablen vernachlässigt? Intern für valide erklärte Sachverhalte dürfen externen Validitätskontrollen nicht diametral widersprechen. Dialogisch eruierte Erkenntnisse führen zu einem hohen Maß an Übereinstimmung, selbst wenn diese unmittelbar unter den komplexen Interaktionsbedingungen der sozialen Alltagswelt noch nicht bestehen können. Aus flächendeckend praktizierter Dialogischen Validierung wird eine ökologische Validierung, die es vermag, immer mehr Systeme zu Revisionen und Relativierungen zu veranlassen.

Validierung kann aber kein absolut sicheres Wissen und keine endgültige Wahrheit hervorbringen. Dialogische Validierung hat die Aufgabe, zwischen konkurrierenden widersprüchlichen und falsifizierbaren Interpretationen real existierendender Phänomene, Einstellungen, Bewertungen und Zuschreibungen zu vermitteln und maximale Übereinstimmung herzustellen. Die Wahrheit stellt sich im Dialog unter den beteiligten Subjekten selbst her. Geltungsansprüche müssen grundsätzlich prozessual zwischen den Subjekten ausgehandelt werden.

Dialogische Validierung beinhaltet die dialogische Überprüfung der Validität von Erkenntnisansprüchen. Erkenntnis wird hier als Dialog zwischen Personen verstanden, nicht als Interaktion mit einer nichtmenschlichen Wirklichkeit. Erkenntnisse sind das Resultat der vorläufig letzten kontextuellen Bezugspunkte, über die sich die Dialogpartner via transkanaler Konversation verständigen und einigen konnten. Dialogische Validierung ist demnach kein einseitiger Anpassungs- oder Überzeugungsprozess, sondern ein dynamisches Geschehen, bei dem die Geltung einer Interpretation im Dialog erarbeitet wird. Es kann also auch nicht darum gehen, jemanden narrativ im Monolog zu überreden, mit rationalen und in sich höchst logischen Argumenten im kritischen Diskurs zu schlagen, in juristischer Art und Weise maßzuregeln oder einem bloßen Konsensualismus zwischen den Subjekten zu verfallen. Ziel der dialogischen Validierung ist es, neue Ideen, neue Differenzierungen und neue Diskursregeln zu erzeugen.

Die dialogische Validierung ist als eine Form interaktiver Erkenntnisgewinnung. So gewonnene Erkenntnisse dienen der Identitätsfindung, der Identitätspolitik, dem Stigmamanagement, der aktiven, kreativen nicht reaktiven Auseinandersetzung mit Identitätsdiffusion und Identitätserstarrung. Das Ergebnis dialogisch validierter identitätsrelevanter Erfahrungen führt zu "aktuellen Zonen" der Identität, die fortlaufend zu "neuen Zonen" der Identität erweitert werden. Das Subjekt wird zum kreativen Akteur seiner Identitätsenwicklung und -gestaltung. Identität ist das Produkt fortlaufend dialogisch validierter Identitäten. Die Dialogische Validierung ist insofern auch ein innovativer methodischer Weg der Identitätsfindung, als daß nicht mehr ausschließlich reflexiv auf kognitivem Wege über Identität befunden wird, sondern die emotionale, affektive und motivationale Befindlichkeit bei der Selbstwahrnehmung als entscheidende Einflußgrößen beachtet und umfassend mit einbezogen werden. Die Zusammenhänge lassen sich in in der folgenden Abbildung zusammenfassen und darstellen:

Abb. 2: Dialogische Validierung identitätsrelevanter Erfahrungen als Entstigmatisierungsprozess und Voraussetzung für die Entfaltung "unbeschädigter Identitäten"

Der Vorgang der Dialogischen Validierung verlangt von beiden Dialogpartnern einen vorsichtigen Umgang mit Bewertungen und Zuschreibungen, nicht aber den Verzicht. Schließlich bringen sie zum Ausdruck, was uns am anderen befremdet und beschäftigt. In der Hinwendung zum Subjekt werden wir zu erweiterten Kenntnisse kommen können, die uns vor Verurteilungen, Pathologisierungen und Entwertungen schützen. Je mehr wir vom Gegenüber in Erfahrung bringen werden, desto realistischer und umfassender wird unser Bild. Dialogische Validierung bietet keine Garantie für durchgängig vorurteilsfreie Meinungen und das völlige Ausbleiben von Stigmatisierungen, aber trägt entscheidend dazu bei, sich ungünstigen Einflüssen zu widersetzen und die eigene Integrität zu bewahren. Langfristig ist zu erwarten, daß durch den Prozeß der Dialogischen Validierung im Handlungs- und Erfahrungsfeld Integration mehr Toleranz für andere Menschen, eine größere Angstfreiheit aller und eine geringere Neigung zu identitätsstabilisierenden Stigmatisierungsstrategien ausgehen wird.

Sieben Phasen eines komplexen Geschehens

Dialogische Validierung ist ein überaus komplexes Geschehen. Der dynamische Prozeß bleibt nicht auf situativ erlebte Situationen und Ereignisse beschränkt. Neue kommen hinzu, die in das gerade mal eben ´eingestellte´ soziale Beziehungsnetz schon wieder Löcher reißt, die den Frieden stören. Dialogische Validierung ist damit immer auch ein Wechsel von Klarheit, Sicherheit und Gewißheit zu Undurchsichtigkeit, Unsicherheit und Ungewißheit, Akkordanzen und Diskordanzen, ein phasenhaften Geschehen des in Kontakt-Kommens, des Aneinander-Geratens und des Nach-Arbeitens, das auf den Erhalt der sozialen Kontakte und den qualitativen Ausbau der zwischenmenschlichen Beziehungen gerichtet ist. Im einzelnen lassen sich meiner Vorstellung nach folgende sieben Phasen ausmachen und anhand einiger Merkmale charaktersisieren:

Abb. 3 Dynamischer Phasenverlauf der Dialogischen Validierung

  • contacting (zueinander kommen)

Merkmale: Konfrontation im Rahmen eines verläßlichen Handlungs- und Erfahrungsraumes, z.B. in Familie, Kindergarten, Schule, Freizeit etc.

  • discovering (sich selbst und gegenseitig entdecken)

Merkmale: Selbsterforschung; Fremderforschung; authentische Begegnung von Mensch zu Mensch; Sich-Einlassen auf die Welt des Gegenüber; kognitive und emotionale Selbst- und Fremdwahrnehmung.

  • storming (aneinandergeraten)

Merkmale: Gegensätze, Verschiedenartiges, Abweichungen, Bedürftigkeit, Hilflosigkeit, Schwäche ausmachen; an seinem Image arbeiten; taktisch Vorgehen; Oberhandtechniken und Identitätsstrategien anwenden; Involviert-Sein; subjektiv Betroffen-Sein; innere und äußere Abstoßung empfinden; bisweilen schmerzhaftes, nicht angenehmes Austragen und Durchstehen von Turbulenzen; Stören der trügerischen Stille zwischenmenschlicher Harmonie; streiten, verletzen, diskretidieren, stigmatisieren; Ausleben der kognitiv-emotional angeeigneten Selbst- und Fremdwahrnehmungen.

  • grounding (nachspüren)

Merkmale: Phase der Nachbearbeitung, Beweisführung, Rechtfertigung, Begründung; Überwindung der Verschlossenheit und rechthaberischen Redseligkeit in Richtung einer dialogischen Partnerbezogenheit; Abbröckeln der Fassadenhaftigkeit und Zementieren der Echtheit; positive Umdeutung; Rückbiegung zum Subjekt; mit den Selbst- und Fremdbildern angemessen umgehen.

  • equalizing (balancieren - feinabstimmen)

Merkmale: Kein Prozess der Gleichmacherei und einseitigen Anpassung; Entdeckung von Nähe und Distanz; kein Polarisieren sondern Balancieren; keine symbiotische Verschmelzungen; vorläufige Zufriedenheit herstellen; differenzierte Sichtweise von sich und anderen entfachen; Wahrnehmung positiver wie negativer Eigenschaften von sich und den anderen; dialektisches Verständnis von Kompetenzen und Mängeln aufbauen; Herstellen einer dyamischen prozessualen Beziehungsdynamik im Spannungsfeld von Individualismus und Kollektivismus; produktives Deuten der Selbst- und Fremdbilder.

  • living (gemeinsam leben - gemeinsam handeln)

Merkmale: Qualitativer Ausbau der Kontakte; Intensivierung kooperativer Tätigkeiten; Bestehen im Miteinander und im Gegeneinander; Aufgabe und Reduktion von Bevormundungen, Lenkung, Gängelung, Direktiven, verbalen und nonverbalen Stigmatisierungen; Schaffen und Gewähren von Freiräume für selbstbestimmte Initiativen; Abbau von Herrschafts- und Machtinteressen und -strukturen; Befreiung von Zwängen und Abhängigkeiten; Realtivierung und (Neu-) Einordnung von Normen und Werten; Abstand nehmen - Nähe suchen; produktiver Umgang mit den Selbst- und Fremdbildern; sie leben und danach handeln.

  • doubting (zweifeln - in Frage stellen)

Merkmale: Neue Krisen, Probleme und Konflikte ausmachen; sich vor neuen Unklarheiten über die eigene Rolle und die Rollenbeziehungen nicht wegdrehen, sondern die Beziehungen aktualisieren und dort die Wahrheiten entdecken; in Kontakt bleiben (vom Primärkontakt über Sekundär- und Tertiärkontakt zu verläßlichen Kontakten n = soziale Integration); Wir-Gefühl als Ausdruck für eines besseren Bewußtseins von sich selbst und den anderen, das sich in neuen Fähigkeiten zur Empathie, Fürsorge für sich und den anderen, zu Kooperation und sozialer Bindung ausdrückt; impulsive Entfaltung und Gestaltung einer solidarischen Kultur.

Ausblick

Ich komme zurück zu meinem Beispiel und wage einen Ausblick:

Wer sich Rezepte erhofft hatte, wie man Philipp bei seinem Problem helfen und diese bei sachkundiger Anwendung "bequem und sicher" aus der Welt schaffen kann, wird enttäuscht sein. Sie gibt es nicht! Identitätsprobleme sind individuell höchst verschieden und vom jeweiligen sozialen Kontext abhängig. Auf bloßem reaktiven Weg lassen sich Identitätsprobleme nicht bewältigen. Sie bedürfen interaktiver Lösungswege, die oft nicht leicht zu gehen sind und uns allen, als den beteiligten Interaktionspartnern Zeit, Geduld, Mut und Zuversicht abverlangen. Wir müssen für identitätsbedeutsame Szenen empfindlich werden, wenn wir aufmerksamer und handlungskompetenter im Umgang mit derartigen Problemen und Krisen werden wollen. Dazu müssen wir sie zulassen , denn - so Horst Rumpf - "das An- und Austesten von Identitäten in neuen, fremden, irritierenden oder faszinierenden Beziehungen ist vielleicht die normale und alltägliche Provokation, etwas zu lernen".

Dafür ist es notwendig die separierenden Lebenswelten aufzulösen, so daß die behinderten Kinder im Handlungsfeld Integration umfassende Erfahrungen mit gleich- wie andersartig behinderten Kindern und nichtbehinderten Kindern machen können. Natürlich sind die Kinder auch auf Hilfe, Anregungen und vorbildhaftes Handeln erwachsener Bezugspersonen angewiesen, die - wie Emil Kobi das ausdrücken würde - die Grundbegriffe einer "Grammatik des sozialen Umgangs" im Spannungsfeld von Rationalität und Emotionalität selbst beherrschen und weitervermitteln können.

Was wir also brauchen ist eine Pädagogik, die diesen Anforderungen gerecht wird. Die gegenwärtige Integrationspädagogik muß aus behindertensoziologischer Sicht zukünftig mehr auf die Zusammenhänge zwischen Integration und Identität achten. Eine identitätsstiftende Pädagogik halte ich deshalb auch für einen unverzichtbaren Baustein einer Integrationspädagogik. Im Kontext einer identitätsstiftetenden Pädagogik sollten behinderte und nichtbehinderte Menschen die Möglichkeit haben die "Dialogische Validierung identitätsrelevanter Erfahrungen" als Verfahren und Methode (ähnlich dem professionsmoralischem Verfahren des Runden Tisches zur Lösung moralischer Konflikt, wie es Fritz Oser aus Fribourg beschreibt) erlernen zu können. Denn die Dialogische Validierung ist für "Stigmatisierte" eine offensive Identitätsstrategie zur Vermeidung einer "beschädigten Identität" und für jene die "Stigmatisieren" eine Chance ihre Einstellungen, Erwartungen, Zuschreibungen und Bewertungen an der Realität zu überprüfen und zu differenzieren.

Solange also Dialogische Validierung stattfindet, findet also auch keine Aussonderung statt! Gelingt uns das tatsächlich in der integrativen Praxis, dann sind wir bei unseren Bemühungen um "eine gelungene soziale Integration behinderter Menschen" als notwendige Voraussetzung für die Richtigkeit der These "Entstigmatisierung durch Integration!" einen großen Schritt weitergekommen. Dennoch: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir die These weder feiern noch ganz fallen lassen.

Lassen Sie mich meine Überlegungen mit "Zehn Empfehlungen für eine "offensive, dialogorientierte Identitässtrategie" schließen:

  1. Nehme Zuschreibungen und Bewertungen deiner Interaktionspartner ernst!

  2. Situative Bewertungen, die dich betroffen machen, bedeuten dir etwas. Sie sind für dich identitätsrelevant. Vernachlässige sie deshalb nicht!

  3. Trete in den Dialog mit allen Subjekten, die dich bewerten!

  4. Vergiß nicht, daß es viele Wege und Möglichkeiten gibt sich mitzuteilen. Es gibt niemanden, der nicht "NICHT KOMMUNIZIEREN" kann. Laut- und Schriftsprache sind zwar zwei wichtige und besonders geschätzte Kommunikationsmittel, doch nicht die einzigen. Sei sensibel und entdecke andere, dir bislang fremde Formen des Miteinander-in-Beziehung-Tretens!

  5. Lasse deine Dialogpartner spüren und wissen, was du wahrnimmst, fühlst und denkst! Löse dich vom kopflastigen Repertoire, entdecke deine emotionale Fähigkeiten und wende sie an!

  6. Höre zu, fühle mit und nimm wahr, was dir deine Dialogpartner zu sagen haben! Entdecke das DU, das dir, mit vielleicht noch so fremden und ungerechtfertigten Bewertungen oder als dich bedrohendes Subjekt, gegenüber steht!

  7. Verhandle mit deinen Dialogpartnern! Versuche nicht von vorn herein Recht zu behalten! Wägt eure Ansichten, Argumente und Begründungszusammenhänge ab! Versucht eure kognitive und emotionale Intelligenz sprechen zu lassen! Strebt keine Lösungen an, sondern Annäherungen und Übereinstimmungen, die tolerante Abweichungen zulassen!

  8. Lerne mit vorläufigen Nicht-Übereinstimmungen umzugehen!

  9. Freue dich über Übereinstimmungen!

  10. Überlege dir nach dem Dialog, was du und dein Dialogpartner gelernt habt. Resümiert, was ihr zusammen erreicht habt und wie ihr eure Beziehung leben, stabilisieren und ausbauen könnt!

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, hoffe Sie mit meinen Ausführungen nicht gelangweilt zu haben und freue mich auf die anschließende Diskussion mit Ihnen. Danke schön!

Auf Wunsch lasse ich Ihnen die Liste der verwendeten bzw. angegebenen Literatur zukommen!

Kontakt

Pädagogische Hochschule Heidelberg

Fakultät I: Institut für Sonderpädagogik

Reinhard Markowetz

Keplerstraße 87

D-69120 Heidelberg

Quelle:

Reinhard Markowetz: Dialogische Validierung identitätsrelevanter Erfahrungen - ein Konzept zur Entstigmatisierung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen als Gegenstand und Ziel einer integrativen Pädagogik.

Schriftliche Fassung des Vortrages in der Arbeitsgruppe "Innerpsychische Prozesse" anläßlich der Jahrestagung der IntegrationswissenschaftlerInnen vom 11.-14.März 1998 in Mainz. Veranstaltet vom Institut für Sonderpädagogik der Universität Koblenz-Landau

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 10.10.2005

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