Kurzer Länderbericht Berlin Schuljahr 2002/2003

zur 17. Jahrestagung der IntegrationsforscherInnen in deutschsprachigen Ländern in Kirkel (Saarland) vom 19. - 22.2.2003

Autor:in - Rainer Maikowski
Themenbereiche: I-Tagung
Textsorte: Bericht
Copyright: © Rainer Maikowski 2003

Länderbericht

Die quantitative Entwicklung der gemeinsamen Erziehung stagniert in Berlin auf relativ hohem Niveau. Seit 2 Jahren schwankt die Zahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der allgemeinen Schule um 5600, die Zahl der Schüler in Sonderschulen ist gleichzeitig leicht gestiegen.

Waren es im Schuljahr 2001/2002 5663 (27,8%), so sind es 2002/2003 5613 (26,8%). Und die Zahl der Schüler in Sonderschulen und Sonderklassen stieg von 14707 im Schuljahr 2001/2002 auf 15275 im Schuljahr 2002/2003.

(vgl. die Übersichten über Statistik und Angebot sonderpädagogischer Förderung in Berlin)

Obgleich das vor der Verabschiedung stehende neue Schulgesetz ausdrücklich den Vorrang gemeinsamen Unterrichts vor dem in der Sonderschule betont, befindet sich der Prozeß der Stabilisierung und Normalisierung gemeinsamer Erziehung in einer Krise.

Durch den Druck von Haushaltsengpässen und dem sich verschärfenden Konkurrenzkampf um Bildungsprivilegien bestehen im schulischen Alltag vielfältige Hemmnisse und Widerstände dem Vorhaben gemeinsamer Erziehung gegenüber. Das wirkt sich im Ostteil der Stadt besonders stark aus. Hier kommt es - nach anfänglichen Erfolgen und trotz immer noch bestehenden positiven Ausnahmen hinsichtlich des gemeinsamen Unterrichts - zu einer verstärkten Wiedereinführung bzw. zum Ausbau der Förderung in Sonderschulen.

Ging es bisher vor allem darum, in mühsamer Kleinarbeit die Ausweitung gemeinsamer Erziehung in der Sekundarstufe voranzutreiben (hier bestehen nach wie vor Probleme hinreichend Schulen und Plätze für die zieldifferente Integration zu finden) und Angebote für den Übergang in die berufliche Orientierung zu schaffen, so scheint inzwischen die erfolgreiche Entwicklung gemeinsamer Erziehung im Grundschulbereich gefährdet zu sein. Die Grundschulen können mit knapper fließenden Mitteln schon ihre immer umfänglicheren Aufgaben der Bewältigung von Aufgaben der Integration sozial Benachteiligter (z.B Migranten, Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten und zunehmender Gewalt in den sozialen Brennpunkten) nicht mehr leisten. Und gerade die Schulen, die hier schon sehr viel leisten engagieren sich auch in der gemeinsamen Erziehung - mit der Folge weiterer negativer Screamingeffekte. Hinzu kommen bezirklich unterschiedlich stark ausgeprägte Versuche, durch frühe Beratung von Eltern in Richtung Sonderschule, die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (speziell mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung) in der allgemeinen Schule zu reduzieren. So wechseln in den 4. und 5. Klassen vermehrt integrativ beschulte Schülerinnen und Schüler auf die Sonderschule.

Der landesweite Schulversuch zur Integration von Schülern mit einer geistigen und schweren Mehrfachbehinderungenin der Sek I konnte jedes Jahr nur fünf neue Klassen einrichten, was bei viel größerem Bedarf zu vermehrten Übergängen dieser Schüler auf die Sonderschule führte. Z.Z. liegt der Schulverwaltung ein Konzept zur Überführung des Schulversuchs in ein regionales Angebot von Schwerpunktschulen mit entsprechenden Integrationsklassen in abweichender Organisationsform zur Entscheidung vor (pro Bezirk mindestens eine Schule; siehe auch letzter Bericht der wissenschaftlichen Begleitung).

Die Unterstützung, Fortbildung und Begleitung der Schulen durch das LISUM ist z.Z. gefährdet, da durch die Leitung die Absicht besteht, im Rahmen der erforderlichen Stelleneinsparungen diesen Bereich nicht mehr mit fester Stelle zu vertreten.

Die Konzepte und Maßnahmen zur Realisierung eines Übergangs von der Sekundarstufe in die Berufsvorbereitung und -ausbildung sind durch die Schulversuche (20 Schulen in der Sek I zur Berufsvorbereitung und der Loschmidt-Berufschule mit sonderpädagogischem Schwerpunkt) und mit Hilfe von Projekten wie "SprungBrett" (ISBgGmbH) auf einem guten Weg. Es gibt erste Beispiele für gelungene betriebliche Integrationen und Arbeitsverhältnisse von Integrationsschüler/innen. Gerade ein Angebot wie "SprungBrett" zur Akquisition von Praktika, betrieblichen Ausbildungsplätzen, Berufsorientierungsmaßnahmen und Arbeitsassistenz für Jugendliche mit Behinderungen ist durch die derzeitige Haushaltslage akut in der Existenz gefährdet. Die ISBgGmbH bietet neben SprungBRett in Kooperation mit der OTA gGmbH und Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes einen betriebsintegrierten Förderlehrgang für Jugendliche mit Behinderungen an. Die ca. 20 Plätze reichen jedoch bei weitem nicht, um den Bedarf zu decken. Das Finden neuer Berufsschulen für die Realisierung einer integrativen Berufsorientierung und die Gewinnung von Trägern weiterer Maßnahmen der Eingliederung in die Arbeitswelt (wie etwa dss SOS-Berufsausbildungszentrum) sind dringend anstehende nächste Schritte.

Die mittlerweile zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung "Integrationspädagogik", die durch das LISUM angeboten wird ist inzwischen in die dritte Runde gegangen. Sie wird nach wie vor stark nachgefragt und ist nach Aussage der Teilnehmer auch sehr erfolgreich.

Auch in der zweiten Phase der Lehrerbildung sind Erfolge einer Ausweitung integrationspädagogischer Inhalte in Theorie und Praxis zu verzeichnen.

Und auch der integrationspädagogische Pflichtschein in der Lehrerbildung ist in allen vier Berliner Universitäten zu einem festen - wenn auch nicht unumstrittenen - Bestandteil geworden.

Zu weiteren Informationen über die gemeinsame Erziehung in Berlin und zum letzten Bericht über den Schulversuch Integration von Schülerinnen und Schülern mit einer geistigen oder schweren Mehrfachbehinderung, zu Info-Broschüre und Handreichung Sek I vgl im Internet:

http://bebis.cidsnet.de/faecher/feld/gem/index.html

Abb.1: Gemeinsame Erziehung in Berlin 2002/2003

Statistik Integration Berlin Schuljahr 2002/2003

Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Sonderschule

Regelklassen der Sonderschule

(63,2%)

13213

SL

 

6419

SG

 

2058

übrige

 

4736

     

Sonderpädagogische Förderklassen

 

1253

     

Sonderpädagogische Kleinklassen

 

809

Zusammen

(9,9%)

2062

     

Summe:

 

15275

Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der allgemeinen Schule

Grundschule

   

Einzelintegration

 

970

Integrationsklassen

 

3269

alle

 

4239

     

SekI

   

Einzelintegration

 

394

Integrationsklassen

 

929

LSV/SG

 

44

sonstige

 

7

alle

(26,8%)

1374

     

Grundschule + Sek I

 

5613

Alle Schüler mit sopäd. Förderbedarf

20888

Schüler mit Förderschwerpunkt Lernen

Einzelintegration

Grundschule

335

Sek I

34

Schüler mit Förderschwerpunkt Lernen

Integrationsklasse

Grundschule

1310

Sek I

757

Schüler mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

Einzelintegration

Grundschule

6

Sek I

-

Schüler mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

Integrationsklasse

Grundschule

100

Sek I

35

Schüler mit Förderschwerpunkt Verhalten

Einzelintegration

Grundschule

406

Sek I

211

Schüler mit Förderschwerpunkt Verhalten

Integrationsklasse

Grundschule

1148

Sek I

115

Quelle:

Rainer Maikowski: Kurzer Länderbericht Berlin Schuljahr 2002/2003 zur 17. Jahrestagung der IntegrationsforscherInnen in deutschsprachigen Ländern in Kirkel (Saarland) vom 19. - 22.2.2003

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 02.11.2005

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