Kommunikationsbarrieren und ihre Überwindung

Leichte Sprache und Verständlichkeit in Texten für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Themenbereiche: Psychosoziale Arbeit
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: Teilhabe, Die Fachzeitschrift der Lebenshilfe, Nr. 2/10, Jg. 49, S. 67-73. Neuere Texte der Fachzeitschrift Teilhabe ab der Ausgabe 01/11 finden Sie als E-Paper unter www.zeitschrift-teilhabe.de. Teilhabe (2/10)
Copyright: © Charlotte Kupke; Werner Schlummer 2010

Abbildungsverzeichnis

    Zwischen Werbung und verständlicher Kommunikation

    Werbung tendiert zum Einfachen hin. Zu dieser Einschätzung kann man bei kritischer Würdigung klassischer Produktwerbung kommen. Auch Werbeslogans der Parteien sind oft bestechend simpel, Fünf-Wort-Sätze gehören da schon zu Bandwurmsätzen. Das Superwahljahr 2009 hat dies eindrücklich gezeigt. Das findet nicht nur Zustimmung. Dieter Hallervorden formuliert seine Kritik in einer Talk-Runde der ARD eindeutig: „… für wie dämlich die Politiker uns doch halten“ (WDR 2009).

    In einem grundsätzlichen Spannungsfeld bewegt sich auch leichte Sprache. Sie will klar und unmissverständlich sein – und sie bedient sich gern der Methode der Simplifizierung, das bedeutet nicht zuletzt auch: weglassen. Wer das durchschaut bzw. erkennt, fühlt sich dann rasch auch einmal „auf den Arm genommen“.

    Alles andere als dies verfolgt allerdings der Ansatz der Leichten Sprache in der Kommunikation mit Menschen mit Lernschwierigkeiten. In dem Anspruch, sich dieser Personengruppe verständlich zu machen, schwingt auch die Kritik mit, dass es sich eine demokratische Gesellschaft kaum leisten könne, bestimmten Personenkreisen Informationen aufgrund von unverständlichen Texten zu verweigern (vgl. SAUER 1995, 169). So scheinen gerade Menschen mit Lernschwierigkeiten davon abhängig zu sein, dass ihnen Voraussetzungen geboten werden, auf deren Basis sie ihr Recht auf Bildung aktiv umsetzen können. Eine Möglichkeit, Menschen mit Lernschwierigkeiten neue Bildungsinhalte nahe zu bringen, besteht in der Produktion von Texten in Leichter Sprache. Verständliche Texte bieten dieser Menschengruppe die Chance – so die Annahme –, selbstständig die eigenen Interessen zu verfolgen und so ihre Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben.

    Verständlichkeit in diesem Sinne soll aber auch die Integration von Menschen mit Lernschwierigkeiten aktiv fördern. So wird gerade in dem Bereich der Erwachsenbildung die Möglichkeit zu einer nachhaltigen Integration gesehen, da hier auf professioneller Ebene unterschiedliche Menschen zu einem gemeinsamen Thema zusammenfinden (vgl. SCHÖLER 2000, 9). Das gemeinsame Interesse für ein Thema wird als Grundstock einer gelingenden Integration gesehen. Sprache – im Kontext dieses Beitrages vor allem auch als geschriebenes Wort – wird in diesem Zusammenhang als eine Informationsquelle gebraucht, und demnach ist es von besonderer Bedeutung, allen Teilnehmer( inne)n Informationen auf eine für sie zugängliche Art und Weise zu präsentieren.

    Wenn wir von „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ sprechen (anstelle von „Menschen mit einer geistigen Behinderung“), orientieren wir uns am Verein „Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e. V.“. Diese Selbsthilfe- Organisation fordert diese Bezeichnung für die eigenen Mitglieder und den Personenkreis an sich, um das Dilemma des Begriffs „geistige Behinderung“ zu überwinden (vgl. KLAUSS 2008, 198). Im Zusammenhang mit Verständlichkeit ist vor allem die Heterogenität der Gruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu konstatieren. Mit FREYHOFF u. a. (1998, 10) kann man vermuten, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten aufgrund ihrer intellektuellen Beeinträchtigung ein verändertes Verständnis von der Welt haben. Sie müssen, um z. B. einen Text zu lesen und zu verstehen, einen höheren Aufwand betreiben als Menschen ohne Lernschwierigkeiten.

    Umgang mit Kommunikationsbarrieren

    In seinem Organon-Modell, das ursprünglich im Bereich der Sprachentwicklung und Sprachtheorie angesiedelt ist, lässt BÜHLER (1965/1992) das „Sprachzeichen Z“ mit den drei Elementen Sender, Empfänger sowie Gegenstand und Sachverhalt kommunizieren. Auf der Basis dieses BÜHLER'schen Originals favorisieren wir ein modifiziertes Modell (vgl. Abb. 1), in dem die konsequente Einführung der Forderung nach Leichter Sprache („HALT! Leichte Sprache“) dargestellt wird. Diese Forderung ersetzt das BÜHLER'sche „Sprachzeichen Z“ und unterstützt die Übertragung des Ansatzes auf die Kommunikation mit Menschen mit Lernschwierigkeiten.

    Abbildung 1. Abb. 1: Das veränderte Organon- Modell (KUPKE 2009, 14)

    Abb. 1: Das veränderte Organon- Modell (KUPKE 2009, 14)

    Das neue Modell verdeutlicht, welche Funktionen die einzelnen Merkmale erfüllen müssen, damit keine Kommunikationsbarrieren entstehen. Es wird bewusst darauf verzichtet, Forderungen an den Empfänger zu stellen. Der Empfänger oder die Zielgruppe lassen sich nicht in ihrem momentanen Zustand beeinflussen oder verändern. Nur eine gelungene Kommunikation kann bei dem Empfänger eine Entwicklung oder Veränderung bewirken. Es ist die Aufgabe des Senders bzw. Autors eines Textes, sich auf den Empfänger auszurichten. Er besitzt den Einfluss auf die Elemente „Gegenstand und Sachverhalt“ sowie „Sprachzeichen: HALT! Leichte Sprache“ und kann sie nach seinen Vorstellungen verändern. Die Wortwahl „Halt! Leichte Sprache“ verwenden wir in Anlehnung an das Netzwerk Leichte Sprache (2009), in dem sich verschiedene Verbände bzw. Gruppen engagieren. Im veränderten Organon-Modell sind bei den einzelnen Elementen folgende Hinweise zu berücksichtigen:

    Der Sender

    Der „Sender“ stellt eine zentrale Rolle in der Kommunikation dar. Auf der Basis eines umfassenden Fachwissens analysiert er z. B. die Zielgruppe mit Fragen wie: Wer ist Mitglied dieser Gruppe? Wo liegen die Interessen dieser Gruppe? Welche Informationen braucht die Gruppe? Auf diesem Wege gelingt dem Sender eine leserspezifische Analyse (vgl. RICKHEIT 1995, 19).

    Der Empfänger

    Im veränderten Organon-Modell besteht der „Empfänger“ aus der Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten. Hier stellt sich die Herausforderung, die Individualität bei Menschen mit Lernschwierigkeiten noch spezieller beachten zu müssen als bei anderen Menschengruppen. Außerdem hat die Heterogenität unter dem neuen Begriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ deutlich zugenommen (vgl. KLAUSS 2008, 198). Mögliche Schwierigkeiten liegen bei den Kompetenzen im Bereich Kulturtechniken und dem häufigen Einsatz spezieller Kommunikationssysteme, die sehr uneinheitlich sind und nur bedingt gängige Schriftzeichen ersetzen können (vgl. FREYHOFF u. a. 1998, 10 f.). Auch ist zu berücksichtigen, dass laut WACHSMUTH (2007, 34) ein Zusammenhang besteht zwischen den Kompetenzen in den Kulturtechniken und der Erwartungshaltung der Umgebung. Menschen mit Lernschwierigkeiten wachsen vermehrt in einer Umgebung mit geringer Erwartungshaltung auf, was sich negativ auf ihr Selbstwertgefühl auswirkt. Dies führt wiederum zu einem ungenügenden Selbstvertrauen und geringer Motivation.

    Gegenstand und Sachverhalt

    Gegenstand und Sachverhalt sollten immer dem Interesse der Zielgruppe entsprechen. Hinter dieser Forderung steht die Annahme, dass das hervorgebrachte Interesse an einem Lernvorgang über die Qualität und Quantität des Lernvorganges bestimmt. Bei Desinteresse nehmen beide Faktoren ab; bei Interesse tritt der umgekehrte Fall ein (vgl. SCHIEFELE 2004, 136). Besonders Menschen mit Lernschwierigkeiten, denen das Lesen Mühe bereitet, muss ein Thema geboten werden, das die Lesemotivation ansteigen lässt. Die Freude am Lesen bzw. am Aufnehmen von Informationen sollte die Mühen der Rezeption übersteigen. GRAF (2007, 74) sieht in der lernenden Verbesserung der literarischen Kompetenz eine motivationale Subventionierung.

    Die Wahl des falschen Themas hemmt zum einen die Motivation des Empfängers – und somit auch eine gelingende Kommunikation. Zum anderen widerspricht dies der Empowerment-Bewegung im weitesten Sinne, da die Betroffenen in allen Lebensbereichen selbstbestimmt entscheiden wollen und Selbstbestimmung im alltäglichen Leben als ausschlaggebender Maßstab für die Lebensqualität gesehen wird (vgl. KNIEL & WINDISCH 2005, 9).

    Sprachzeichen Z

    Es bedarf einer genauen Analyse der Zielgruppe, bevor man sich für eine besondere Symbolwahl entscheidet. Der Auftrag „Halt! Leichte Sprache“ ist in seiner Umsetzung und darin gewählten Darstellungsform stark von der Zielgruppe abhängig. Je höher die Kompetenzen auf Seiten der Empfänger sind, desto mehr Variationen stehendem Sender in der Wahl der Darstellung und der Symbole zur Verfügung. In der geeigneten Auswahl entsprechender Symbole für eine Leichte Sprache hinsichtlich der Kommunikation mit Menschen mit Lernschwierigkeiten liegt die primäre und entscheidende Aufgabe des Autors bzw. Senders.

    Verständlichkeit und Textoptimierung – was meint das?

    Vor dem Hintergrund der Grundannahmen bzw. -forderungen des veränderten Organon-Modells gilt es nun, „Verständlichkeit“ als wesentliches Ziel in ihrer theoretischen Fundierung genauer zu erfassen. Hier ist exkursartig und skizzenhaft ein Einblick in die theoretische Auseinandersetzung mit Merkmalen sowie mit der Produktion und der Bewertung von verständlichen Texten zu liefern. Beim Blick auf den aktuellen Stand der Verständlichkeitsforschung und ihre leserspezifische Relevanz ist zu berücksichtigen, dass die Verständlichkeitsforschung lange Zeit ein Stiefkind der Linguistik war. Heute lässt sie sich kaum noch einem speziellen Wissenschaftsbereich zuordnen. Den Begriff „Verständlichkeit“ definieren wir – mit Bezug auf die sprachwissenschaftliche Sicht – als „zusammenfassende Bezeichnung für Eigenschaften der Textgestaltung, die den Verstehensprozess und das Behalten eines Textes beeinflussen“ (BUSSMANN 2002, 739). Die Vielfalt von Verständlichkeit umfasst dabei den Verstehensprozess beim Rezipienten (vgl. BALLOD 2001, 63), das erfolgreiche Aktivieren eines Verstehensprozesses (vgl. RICKHEIT 1995, 16) sowie das Eingehen eines Bündnisses zwischen Autor und seinem Leser (vgl. SAUER 1995). Auch ist der Anteil an kommunikativ relevantem Wissen für eine gelingende Kommunikation entscheidend, da eine Gewichtung in dieser Hinsicht die Kommunikation erleichtert und der Gebrauch von unnötigen Informationen den Verstehensprozess erschwert (vgl. LANGER u. a. 2002, 32 f.). Der Verstehensprozess selbst kann, so RICKHEIT (1995), auf mehreren Ebenen erfolgen: auf der morpho-syntaktischen, der konzeptuellen, der referentiellen, der semantischen und der pragmatischen Ebene. Dabei wird Sprachverstehen als eine Grundlage von Verständlichkeit angesehen. Die Bedeutung der Aspekte Motivation sowie Medienspezifik in Bezug auf Verständlichkeit werden in diesem Kontext unterschiedlich eingeschätzt (vgl. MESSELKEN 1996, 196; RICKHEIT 1995, 18 f.).

    Die Textoptimierung unter Verständlichkeitsaspekten entspricht einer Textumgestaltung mit dem Ziel, die Brauchbarkeit eines Textes zu verbessern. Es besteht die Notwendigkeit einer Textoptimierung, wenn sich zum einen die Rezipientengruppe verändert hat oder zum anderen ein Verständlichkeitsproblem aufgetreten ist (vgl. SAUER 1995, 153). Dabei wird gerade auch beim Personenkreis der Menschen mit Lernschwierigkeiten empfohlen, den Text von einer Person der Zielgruppe lesen zu lassen und so auftretende Verständnisprobleme durch eine erneute Überarbeitung zu minimieren (vgl. FREYHOFF u. a. 1998, 16). Die Erstellung eines optimalen Textes ist eine umfassende Aufgabe, da Textverständlichkeit fast unerfüllbare Charakteristika umschließt (vgl. SAUER 1995, 157). Eine Individualisierung der Rezipient(inn)en ist nicht in jedem Fall möglich; daher erweist sich eine homogene und überschaubare Zielgruppe als beste Basis, um eine maximale Verständlichkeit zu erreichen. Laut BIERE (1990, 25) sind beim Gestalten von verständlichen Texten „generelle verständlichkeitsfördernde Texteigenschaften“ und „adressatenspezifische Texteigenschaften“ zu berücksichtigen.

    Im Kontext dieser Annahmen und Erkenntnisse sind in der Vergangenheit vier Modelle entstanden, die in unterschiedlichen Praxisfeldern anzutreffen sind:

    • das Minimalmodell von SAUER (1995 und 1997),

    • das Verständlichkeitsmodell von LANGER, SCHULZ VON THUN & TAUSCH (2002),

    • das Modell „Verständlichkeit von Unterrichtstexten“ von GROEBEN (1972 und 1978),

    • das Modell „Textschwierigkeiten einschätzen“ von WILLENBERG (2005).

    Gemeinsam ist diesen Modellen, dass sie eine Art Bündnis zwischen Autor und Rezipient unterstellen bzw. anvisieren. Hauptagent ist der Autor, dessen Fokus auf einem „rezipientenspezifische[n] Zuschnitt“ (BUSSMANN 2002, 567) liegen sollte. Seine Aufgabe besteht zunächst in einer lesergruppenspezifischen Analyse, die im Besonderen das leserspezifische Vorwissen, bezogen auf bereits bestehendes Weltwissen und Lesekompetenz, beinhalten sollte (vgl. RICKHEIT 1995, 19; SAUER 1995, 154). Beide Punkte bedürfen einer sensiblen Behandlung, da in die eine Richtung eine Überforderung und in die andere Richtung eine Unterforderung, im äußersten Fall eine Infantilisierung möglich ist. Somit besteht eine Verbindung zwischen dem Verstehensprozess und dem bereits vorhandenen Wissen (vgl. SAUER 1995, 164; HERINGER 1984, 58).

    Eine besondere Nähe zu Herausforderungen, die mit dem Ansatz der Leichten Sprache verbunden sind, hat das Verständlichkeitsmodell von LANGER, SCHULZ VON THUN & TAUSCH (2002). Es ist das wohl bekannteste Modell und dient bis heute als Grundlage für andere Modelle. Das auch als „Hamburger Modell“ bezeichnete Verfahren hat die Hamburger Psychologengruppe in den 1970er Jahren als ein Rating-Verfahren entwickelt. Ihnen ging es darum, die Verständlichkeit von Texten zu analysieren und schließlich zu optimieren. In ihrem als psychologisch ausgerichteten Modell vertreten die Autoren die Meinung, dass die Verständlichkeit eines Textes nicht von dessen Inhalt, sondern von seiner Form und der Wortwahl abhängig ist (vgl. LANGER u. a. 2002, 16). Verständlichkeit ist für sie eine textimmanente Eigenschaft, die über Textmerkmale als Prädikatoren erfasst wird (vgl. ROSCHLAUB 2007, 4).

    Sie haben die folgenden vier Merkmale der Verständlichkeit festgelegt:

    • Einfachheit

    • Gliederung/Ordnung

    • Kürze/Prägnanz

    • Anregende Zusätze

    Neben der jeweiligen Überprüfung dieser Merkmale in einem sog. Beurteilungsfenster gewichten die Autoren die Merkmale: Entscheidend ist die Ausprägung des Merkmals „Einfachheit“, darauf folgt das Merkmal „Gliederung/ Ordnung“. Beim Merkmal „anregende Zusätze“ ergibt sich eine Gratwanderung zwischen diesem Merkmal und der Ausprägung von „Kürze/ Prägnanz“. Hier gilt es, sich zwischen einer guten Gliederung und der Steigerung der Leselust und der Verständlichkeit zu entscheiden (vgl. ebd., 13).

    Konsequenzen für Leichte Sprache

    Trotz einer wesentlichen, wenn auch skizzenhaften Darstellung des Themas Verständlichkeit und Textoptimierung aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und Beobachtungen heraus lässt sich Leichte Sprache nur schwer bestimmten Merkmalen zuordnen, da diese von der Individualität der jeweiligen Zielgruppe geprägt werden. Es entscheidet letztendlich der Leser bzw. die Leserin darüber, ob ein Text – in Leichter Sprache verfasst – für ihn auch leicht ist (vgl. FREYHOFF u. a. 1998, 9). Diese simple Erkenntnis unterstreicht gleichzeitig auch die Schwierigkeit, die Modelle zur Verständlichkeit und zur Textoptimierung in der Praxis „einfach“ anzuwenden. Um einen Text auf das Merkmal Leichte Sprache hin überprüfen zu können, muss der Verstehensprozess beim Leser bzw. der Leserin betrachtet werden, denn nur dieser gibt Aufschluss über die Verständlichkeit eines Textes (vgl. BALLOD 2001, 63). Dieser Verstehensprozess ist bei Menschen mit Lernschwierigkeiten durchaus noch ziemlich unerforscht, was die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen dem Autor und einer Person der Zielgruppe unterstreicht (vgl. FIX 2003, 10).

    Dennoch lassen sich – auch vor dem Hintergrund der Verständlichkeits-Modelle – wichtige Hinweise für Leichte Sprache aufzeigen. So haben FREYHOFF u. a. (1998, 9) allgemeingültige Merkmale von leichter Lesbarkeit bzw. Sprache zunächst charakterisiert und dann in konkrete Handlungsanweisungen übertragen (vgl. ebd., 14 ff.). Diese wiederum korrespondieren mit konkreten Tipps zur Gestaltung von Publikationen bzw. Texten hinsichtlich der Verbesserung der Lesbarkeit (vgl. ebd., 18 ff.):

    Zur Umsetzung von Handlungsanweisungen gehört grundsätzlich eine klare Strukturierung im Vorfeld der Textproduktion. Dabei geht es im Besonderen auch um das deutliche Aufstellen und Eingrenzen von Schlüsselwörtern. Schlüsselwörter bestimmen die Thematik eines Textes, die Differenzierung in diesem und seine inhaltliche Strukturierung. Sie sind maßgeblich entscheidend für die Verständlichkeit und Verstehbarkeit eines Textes (vgl. BALLOD 2005, 403 f.; FREYHOFF u. a. 1998, 13 f.). Aus diesem Grund sollte man bei der Wortwahl darauf achten, Wörter aus dem aktiven und passiven Wortschatz des Rezipienten bzw. der Rezipientin zu nutzen. Gerade Menschen mit Lernschwierigkeiten verfügen meist nur über einen funktionalen Wortschatz, der stark auf ihr alltägliches Leben begrenzt ist (vgl. ebd., 10). Daher ist es auch wichtig, dieser Zielgruppe neue Wissensbereiche mit Wörtern aus ihrem alltäglichen Leben zugänglich zu machen und abstrakte Ideen mit konkreten Beispielen zu verdeutlichen. Außerdem ist eine visuelle Unterstützung von Texten z. B. durch Bilder bedeutsam (vgl. ebd., 9).

    Ausschlaggebend für die Verständlichkeit eines Textes ist nach CHRISTMANN & GROEBEN (1999, 181) und FREYHOFF u. a. (1998, 9) die Gliederung. Auch SAUER (1995, 159) sieht in der äußeren Struktur eines Textes eine Unterstützung des Lesers für die inhaltliche Strukturierung des Textes. Allerdings birgt die Verwendung von Leichter Sprache und unkomplizierter Syntax die Gefahr in sich, einen infantilen Text zu gestalten (vgl. FREYHOFF u. a. 1998, 9). Eine Entwicklung in diese Richtung widerspricht jedoch in allen Bereichen dem eigentlichen Sinn von Leichter Sprache.

    FREYHOFF u. a. (1998, 10) sprechen davon, dass Texte in Leichter Sprache eine größtmögliche Zielgruppe ansprechen sollten. Deswegen sollten auch nur die wichtigsten Informationen auf eine sehr direkte Art und Weise dargestellt werden. Dieser Art und Weise des Schreibens ist jedoch mit CHRISTMANN & GROEBEN (1999, 182) entgegenzuhalten, dass ein Text eine mittlere Verständlichkeit aufweisen sollte, da sich kognitive „Hürden“ positiv auf die Motivation des Lesers bzw. der Leserin auswirken.

    Hilfreiche Textmerkmale für Menschen mit Lernschwierigkeiten

    Menschen mit Lernschwierigkeiten verfügen oft über einen begrenzten Wortschatz, der ihnen häufig nur zur Alltagsbewältigung dient. Daher sollte ihnen ihre Umwelt eine Unterstützung bei dem Brückenschlag zwischen der eingeschränkten Lesekompetenz und der „schriftsprachlichen Welt“ (WESSELS 2005, 228) bieten. Ihre Lesesozialisation verläuft unter erschwerten Bedingungen, aus diesem Grund ist ihre erreichte Lesekompetenz nicht altersentsprechend (im Sinne des Deutschen Pisa-Konsortiums 2001, 82). Die Aufgabe von Autor(inn)en aller Textgattungen liegt darin, sie adressatenbezogen verständlich zu verfassen. WESSELS (2005, 238) geht so weit zu sagen, Dokumente jeglicher Art könnten in Leichter Sprache eine Möglichkeit bieten, Informationen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich zu machen. Menschen mit einer schweren Behinderung, die häufig aus dem aktiven Leseprozess aufgrund ihrer Behinderung ausgeschlossen sind, benötigen die Hilfe von anderen. Der Mensch mit Behinderung hat so die Möglichkeit, als Zuhörer(in) neue Informationen zu rezipieren (vgl. FREYHOFF u. a. 1998, 10).

    Neben den Ansprüchen an inhaltliche Merkmale sollte ein Text in Leichter Sprache auch durch seine äußere Strukturierung und Darstellung dem Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Hilfestellung bieten. In den zurückliegenden Jahren haben sich Maßstäbe und Merkmale herauskristallisiert. Dies wurde u. a. durch das entsprechende Engagement von z. B. „Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland“, das „Büro für Leichte Sprache“, das „Netzwerk Leichte Sprache“ oder auch durch Qualitätsstandards zu barrierefreier Information von „Capito“[1] möglich. Dabei gilt es, derartige Merkmale und Kriterien an der Kompetenz der Zielgruppe auszurichten.

    Auf europäischer Ebene hat sich die Vereinigung der „Formely International League of Societies for Persons with Mental Handicap“ (kurz: ILSMH) 1998 mit der Herausgabe der „Europäischen Richtlinien für die Erstellung von leicht lesbaren Informationen für Menschen mit geistiger Behinderung“ hervorgetan (vgl. FREYHOFF u. a. 1998), welche in allen offiziellen Sprachen der Europäischen Union übersetzt wurden und auch eine Berücksichtigung fanden in aktuellen Materialien von Inclusion Europe (2009a) zur leichten Lesbarkeit und Verständlichkeit.

    Für Menschen mit einer geistigen Behinderung bzw. mit Lernschwierigkeiten ist nicht nur eine leichte Lesbarkeit der Dokumente wichtig, sondern auch eine leichte Verstehbarkeit. Da die Fähigkeiten eines jeden Menschen individuell sind, ist es wichtig, die Zielgruppe aktiv in den Schreibprozess zu integrieren und sie als Expert(inn)en in eigener Sache zu Rate zu ziehen. So können leichter brauchbare Dokumente entstehen (vgl. Inclusion Europe 2009b). Die Vielfältigkeit der Medien und ihre stetige Weiterentwicklung sollten ebenfalls Beachtung finden, da eine Reduktion auf textuelle Medien einen Teil der Zielgruppe kategorisch ausschließen würde (vgl. FREYHOFF 1998, 7 ff.).

    Im Bereich der Kommunikationserleichterung existiert parallel eine Vielzahl von Kommunikationssystemen, die in ihrer Symbol-Bedeutungszuweisung erhebliche Unterschiede aufzeigt. In der Regel lernt ein Mensch mit Behinderung den Umgang mit einem bestimmten Kommunikationssystem und ist demzufolge sehr auf dieses fokussiert. Daher ist eine Analyse der Zielgruppe vor dem Schreibprozess notwendig (vgl. ebd., 10 f.).

    Neben der Bedeutung des Einsatzes von Leichter Sprache im Alltag – zur lebenspraktischen Bewältigung – zielt Leichte Sprache besonders auch ab auf die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit. Hier ist die entscheidende Verbindungslinie zu ziehen zwischen der Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesellschaft und dem Ausbau von Bildungsangeboten. „Erst das Wissen um die eigenen Fähigkeiten und die Sicherheit der Nähe zu anderen Menschen erlauben eine autonome Lebenserfüllung und die Gestaltung der eigenen Vorstellungen von einem erfüllten und sinnvollen Leben. Dieses Prinzip gilt für alle Menschen – sowohl für Menschen ohne Beeinträchtigungen, als auch für Menschen mit einer schweren Schädigung“ (SCHÖLER 2000, 9).

    Diese Verbindungslinie ist gleichzeitig auch der Wegweiser in Richtung inklusiver Erwachsenenbildung. Diese wird hier verstanden als eine Erwachsenenbildung, an der Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten teilnehmen. Aufgrund ihrer Prinzipien der Freiwilligkeit, Wahlfreiheit und Mitbestimmung (vgl. BAUMGART & BÜCHELER 1998, 146) eignet sie sich wie kaum ein anderes Handlungsfeld der Pädagogik für integratives und Voneinander-Lernen behinderter und nicht behinderter Menschen. In diesem Sinne stellt inklusive Erwachsenenbildung einen günstigen Nährboden für eine gelingende Integration im Erwachsenenalter dar. Anders ausgedrückt: In der Kooperation und mit professioneller Begleitung können Menschen mit und ohne Behinderung über gemeinsame Themen Berührungsängste abbauen und autonomer werden (vgl. SCHÖLER 2000, 9). Die verantwortlichen Organisatoren und die übrigen Beteiligten haben die Möglichkeit, einen Rahmen zu schaffen, in dem die von der Sozialpsychologie formulierten Forderungen nach Abbau von Stereotypien und Vorurteilen (vgl. ARONSON u. a. 2004) erfüllt werden können.

    Damit dies gelingt, müssen Informationen in Leichter Sprache schriftlich vorliegen und ausgetauscht werden, Kommunikation muss mit für alle Beteiligten verständlichen Mitteln betrieben werden.



    [1] www.capito.eu

    Beispiel für eine Textoptimierung

    Anhand eines Beispiels hat KUPKE (2009) eine Textoptimierung unter den Aspekten von Verständlichkeit und Leichter Sprache realisiert. Zu diesem Zweck hat sie Ausschnitte aus dem Original-Beitrag von Theo KLAUSS (2008) „‚Geistige Behinderung' – vom Dilemma eines Begriffs“ in zwei Schritten umformuliert. Der erste Schritt produziert eine Version, die ihren Fokus auf den Aspekt der Verständlichkeit legt; die zweite Version transformiert den Ursprungstext in Leichte Sprache (siehe Beispiel in Tabelle 1). Als Zielgruppen bzw. Leserkreis sind in dem Herausgeberwerk, dem der KLAUSS-Text entnommen ist, angegeben: Interessierte Menschen mit und ohne Behinderung sowie die Fachöffentlichkeit im Bereich Erwachsenenbildung (vgl. HESS, KAGEMANN-HARNACK & SCHLUMMER 2008, 10). Die Fragen nach einer Textoptimierung sind bei der Bearbeitung für jeden Satz neu zu stellen. Beim ganzen Prozess gehen wir daher kleinschrittig vor.

    Tab. 1: Textoptimierung in zwei Schritten (Auszug aus KUPKE 2009, 62)
    Der Ursprungstext von KLAUSS (2008) 1. Version: Verständlichkeit 2. Version: Leichte Sprache
    Beispiel 1

    „Geistige Behinderung“ – vom Dilemma eines Begriffs

    „Geistige Behinderung“ – vom Dilemma eines Begriffs

    Die Probleme mit dem Wort „Geistige Behinderung“

    Beispiel 2

    „Da der Begriff eine sozialrechtliche Relevanz besitzt, könnten sich aus einer zu erwartenden begrifflichen Aufweichung Nachteile für behinderte Menschen ergeben, wenn es um Gewährung von Hilfen geht.“ (S. 198)

    Die Veränderung des Begriffs hat rechtliche Folgen, die Nachteile für behinderte Menschen bringen. Es geht um soziale und finanzielle Hilfen.

    Es sollen keine Nachteile entstehen.

    Beispiel 3

    „Ein neuer Begriff hätte vermutlich bald einen ebenso stigmatisierenden Charakter wie der bisherige, weil die mit dem bisherigen Begriff verbundenen Konnotationen auf diesen übertragen würden.“ (S. 198)

    Ein neuer Begriff bleibt nicht ohne Vorurteile. Die alten Vorurteile übertragen sich nach einiger Zeit auf den neuen Begriff.

    Das neue Wort darf kein Schimpfwort mehr sein.

    Beispiel 4

    „Redet man nun von mentaler, kognitiver oder intellektueller‚ Beeinträchtigung', so hebt man auf die organisch-funktionelle Seite ab.“ (S. 198)

    Es ist nicht die Genetik allein, welche die Entwicklung eines Menschen bestimmt. Die Entwicklung eines Menschen hängt wesentlich von der Umwelt und der Förderung ab.

    Erläuterungen der Beispiele:

    Zu Beispiel 1:

    • Die Überschriften des Ursprungstextes und der ersten Version unterscheiden sich nicht, da die Überschrift für beide Zielgruppen verständlich ist.

    • Die zweite Version der Überschrift unterscheidet sich von den beiden anderen, da der Begriff „Dilemma“ als selten benutztes Fremdwort durch das Wort „Probleme“ ersetzt wurde. So wird ein Wort aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verwendet.

    Zu Beispiel 2:

    • Der Ursprungssatz ist sehr lang und besteht aus vielen Nebensätzen und Fachbegriffen.

    • Die erste Version besteht aus zwei kurzen Sätzen. Auf Fachwörter wurde verzichtet.

    • Die zweite Version besteht aus einem kurzen Satz, der ausschließlich die Intention des Ursprungssatzes widerspiegelt. Es wurde darauf geachtet, dass die Satzlänge eine übliche Zeilenlänge nicht überschreitet.

    Zu Beispiel 3:

    • Der Ursprungssatz ist lang und verbindet zwei inhaltlich schwierige Begriffe („stigmatisierende[r] Charakter“ und „Konnotation“) miteinander. Dieser Satz ist im Allgemeinen nur für Personen aus der Fachwelt verständlich.

    • In der ersten Version ist der lange Satz in zwei Sätze gegliedert worden. Auf die beiden schwierigen Begriffe ist komplett verzichtet worden. Der Begriff „stigmatisierende[r] Charakter“ wurde mit dem Wort „Vorurteile“ ersetzt, und auf den Begriff „Konnotation“ wurde komplett verzichtet. Um den langen Satz verständlicher zu gestalten, wurde ein zweiter Satz („Die alten Vorurteile übertragen sich nach einiger Zeit auf den neuen Begriff“) angefügt, der den komplizierten Sachverhalt („weil die mit dem bisherigen Begriff verbundenen Konnotationen auf diesen übertragen würden“) verständlicher wiedergibt.

    • Die zweite Version besteht aus einem kurzen Satz, der ausschließlich die Intention des Ursprungssatzes widerspiegelt. Auch hier wurde darauf geachtet, dass die Satzlänge eine übliche Zeilenlänge nicht überschreitet.

    Zu Beispiel 4:

    • Der Ursprungssatz beinhaltet viele Fachbegriffe und ist nur mit dementsprechendem Fachwissen verständlich.

    • Die erste Version besteht im Gegensatz zum Ursprungstext aus zwei Sätzen. Es wurde darauf verzichtet, die fachlichen Begriffe zu verwenden; stattdessen wurde ausschließlich die Intention des Ursprungstextes übertragen.

    • Es existiert keine zweite Version dieses Satzes, da er nicht erheblich für die Leseaufgabe des Textes in Leichter Sprache ist und nicht zur Erläuterung der Grundintention beiträgt.

    „Teufelskreis“ von Bring- und Holschuld

    Beim Prozess der Textoptimierung in Richtung Verständlichkeit bzw. Leichte Sprache fällt besonders die Schwierigkeit auf, Fachwörter durch Wörter aus dem alltäglichen Sprachgebrauch zu ersetzen. Für manche Wörter gibt es keine entsprechende konkrete leichte Bezeichnung. Wörter bzw. Satzteile wie „organisch funktionelle Seite“ oder „sozialrechtliche Relevanz“ lassen sich nicht direkt in Sprache aus dem Alltagsgebrauch übersetzen, sondern nur vereinfacht umschreiben. Es wurde an dieser Stelle deutlich, dass die Fachwelt bestimmte Sachverhalte isoliert diskutiert und aus diesem Grund nur Fachtermini ganz selbstverständlich zur Erörterung des Problems nutzt. Die Allgemeinheit wird aus diesem Prozess ausgegrenzt, deswegen besteht auch keine Notwendigkeit, die Dinge in verständlicher Sprache auszudrücken. Das bedeutet dann auch, dass in den Fachdiskussionen zwar über Menschen mit Lernschwierigkeiten gesprochen wird, diese aber nicht in den Prozess einbezogen werden, wie es die Empowerment- Bewegung fordert. Ein Einbeziehen dieser Menschengruppe hätte zur Folge, dass sich der Sprachgebrauch von den Fachtermini weg und hin zur Leichten Sprache wandeln müsste.

    Überträgt man die Erfahrungen in solchen Fachzirkeln auf die gesamte Gesellschaft, müsste verstärkt die Notwendigkeit deutlich werden, zentrale Diskussionen in Leichter oder verständlicher Sprache zu führen. Hier könnte mehr geäußertes Interesse an den Diskussionen in der Fachwelt – auf Seiten der Gesellschaft bzw. von Menschen mit Lernschwierigkeiten – dazu führen, dass diese Fachzirkel durchlässiger werden. Natürlich wird an dieser Stelle auch der „Teufelskreis“ deutlich, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten erst Interesse für eine Sachlage entwickeln können, wenn ihnen die nötigen Informationen in Leichter Sprache vorliegen. Hier sind die Fachleute gefordert, mit dem verstärkten Einsatz von Materialien in Leichter Sprache als Vorleistung diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Aber auch allen anderen Menschen, die mit Menschen mit Lernschwierigkeiten kommunizieren, stellt sich die Herausforderung, die eigene Kompetenz in Bezug auf Leichte Sprache und Verständlichkeit auszubauen. Diese Kompetenz trägt letztlich erheblich dazu bei, das Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu verbessern. Öffnet sich z. B. die Erwachsenenbildung konsequent der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen an Bildungsprozessen und persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, wird ein wesentlicher Schritt in unserer Gesellschaft in Richtung einer Überwindung von Kommunikationsbarrieren getan. Dabei ist die Wissenschaft – insbesondere die Disziplin der Geistigbehindertenpädagogik – verstärkt gefordert, solche Themenfelder intensiv zu erforschen. Ein Buchtitel wie „Weg mit den Hindernissen!“ (Bundesvereinigung Lebenshilfe 2006) legt zwar die Vermutung nahe, dass wir die Hindernisse genau beschreiben können. Was letztlich Barrierefreiheit im Kontext „Leichte Sprache“ genau meint, ist in der Forschung allerdings noch ziemliches Brachland. Der z. B. von HESS, KAGEMANN-HARNACK & SCHLUMMER (2008) vorgelegte Band im Kontext Erwachsenenbildung, Inklusion und Empowerment könnte dafür eine Ausgangsbasis sein, wird doch hier der Versuch unternommen, parallele Textversionen – und somit auch Erfahrungswelten – unterschiedlichen Zielgruppen und Leserkreisen anzubieten. Berücksichtigt werden muss dabei auch, dass im Dialog bzw. in der direkten Kommunikation ein Stoppschild als Instrument wie „HALT! Leichte Sprache“ durchaus als hinweisendes Element – ggf. auch als Befreiungsakt bzw. -geste – Verwendung finden kann. Es darf aber nicht zum Machtmissbrauch führen, um sein Gegenüber mundtot zu machen. Der hinweisende Charakter eines solchen Instrumentes muss das authentische und kongruente Verhalten und damit die Eigenarten des Gegenübers und Kommunikationspartners im gegenseitigen Verhältnis respektieren.

    Die Autoren:

    Abbildung 2. Charlotte Kupke

    Portrait von Charlotte Kupke

    Charlotte Kupke

    Lehramtsanwärterin,

    Maria-Theresia-Allee 223, 52074 Aachen

    charlykupke@gmx.de

    Abbildung 3. Dr. phil. Werner Schlummer

    Portrait von Dr. phil. Werner Schlummer

    Dr. phil. Werner Schlummer

    Diplompädagoge und Journalist, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Geistigbehindertenpädagogik der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln,

    Klosterstraße 79 b, 50931 Köln

    @ werner.schlummer@hrf.uni-koeln.de

    Literatur

    ARONSON, Elliot; WILSON, Timothy D.; AKERT, Robin M. (2004): Sozialpsychologie. 4. Aufl. München: Pearson Education, 480–527.

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    Quelle

    Charlotte Kupke; Werner Schlummer: Kommunikationsbarrieren und ihre Überwindung. Leichte Sprache und Verständlichkeit in Texten für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Erschienen in: Teilhabe, Die Fachzeitschrift der Lebenshilfe, Nr. 2/10, Jg. 49, S. 67-73.

    bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

    Stand: 09.05.2017

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