Individuelle Förderpläne als Grundlage individualisierter Erziehung, Bildung und Unterrichtung in Österreich
Erschienen in: Zeitschrift für Inklusion, Ausgabe 01/2009 Zeitschrift für Inklusion (01/2009)
Inhaltsverzeichnis
- Abstract
-
1. Theoretische Verortung
- 1.1 Wozu braucht man überhaupt IFP?
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1.2 Zentrale Elemente eines Förderplans
- 1.2.1 Beschreibung des Ist-Standes
- 1.2.2 Schwerpunkte der Förderbereiche samt Zielsetzungen
- 1.2.3 Rahmenbedingungen der Förderung (personell, materiell, organisatorisch)
- 1.2.4 Fördermaßnahmen (methodisch-didaktische Umsetzung)
- 1.2.5 Evaluationsergebnisse und Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung
- 1.3 Ablaufschritte der Förderplanung
- 1.4. Kritik an Förderplänen
-
2. Praxis in Österreich
- 2.1 Gesetzliche Grundlagen
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2.2 Schwierigkeiten in der Umsetzung
- 2.2.1 Stark divergierende Bedeutung der Förderpläne
- 2.2.2 Spannungsfeld "Individuelle Förderung versus Jahrgangsstufenlehrplan"
- 2.2.3 Kein ersichtlicher Mehrwert für subjektiv empfundene Mehrbelastung
- 2.3.4 Aufbau und Elemente betonen den Dokumentationscharakter
- 2.2.5 Zuwenig Kooperation im Lehrerteam
- 2.2.6 Keine Einbeziehung von Eltern, Schüler/innen
- 2.2.7 Problematisches Verhältnis zur Unterrichtsplanung
- 2.2.8 Kaum Evaluation und Beratung
- 2.2.9 Problematischer Umgang mit externen Gutachten
- 2.2.10 Keine systematische Weitergabe der Förderpläne bei Schul- bzw. Lehrerwechsel
- 2.2.11 Rechtliche Stellung von Förderplänen unklar
-
3. Empfehlungen für die Arbeit mit IFP
- 3.1 Trennung von offizieller Dokumentation und prozessorientierter Datensammlung
- 3.2 Fördermaßnahmen mit dem Unterricht der gesamten Klasse verbinden
- 3.3 Betonung des Prozess- und Reflexionscharakters durch Erhöhung der Kooperation und Partizipation
- 3.4 Qualitätssicherung unterstützen
- 3.5 Aus-, Fort- und Weiterbildung anpassen und vernetzen
- 3.6 "Mehrwert" für Lehrer/innen schaffen
- 4. Schlussbemerkung
- 5. Literatur
In Österreich wurden aufgrund einer Empfehlung der Zukunftskommission für die Bewertung von Leistungen der Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (=SPF) keine einheitlichen Messlatten im Sinne von Output-Standards erarbeitet. Anstelle dessen sollten nach einer umfassenden Evaluation des sonder- und integrationspädagogischen Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssystems Struktur- und Prozessstandards entwickelt werden (Haider et al. 2003: 46f). Die Ergebnisse dieser Evaluation liegen inzwischen vor (Specht et al. 2006; 2007 und Feyerer/Hauer 2006). Struktur- und Prozessstandards wurden darauf aufbauend für die folgenden drei Bereiche erarbeitet und sind ab dem Schuljahr 2008/09 gültig:
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"Richtlinien für die Umsetzung und das Monitoring von Qualitätsstandards im integrativen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf" (Rundschreiben 18/2008, bm:ukk)[1]
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"Richtlinien für Differenzierungs- und Steuerungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs" (Rundschreiben 19/2008, bm:ukk)[2]
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- "Richtlinien für die Anwendung von Individuellen Förderplänen als Instrument der Unterrichtsplanung, Evaluierung und Qualitätssicherung im Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf" (Rundschreiben 6/2009, bm:ukk)[3]
Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Förderplanarbeit in Österreich. Nach einer kurzen Darstellung der theoretischen Grundlagen gibt er einen Überblick über die Praxis in Österreich und schließt mit Empfehlungen für die Arbeit mit Individuellen Förderplänen. Grundlage dafür ist vor allem die Studie "Individuelle Förderpläne für Schüler/innen mit ASO-Lehrplan. Eine Bestandsaufnahme der Situation in Österreich (2005/06) und internationale Aspekte" (Feyerer/Hauer 2006), downloadbar unter www.cisonline.at, wo sich noch viele andere hilfreiche Dokumente und Materialien zum Thema Förderplanarbeit finden.
[1] zu finden unter www.cisonline.at/index.php?id=43 [4.4.2009]
[2] ebenfalls unter www.cisonline.at/index.php?id=43 [4.4.2009]
[3] ebenfalls unter www.cisonline.at/index.php?id=43 [4.4.2009]
Inhaltsverzeichnis
- 1.1 Wozu braucht man überhaupt IFP?
-
1.2 Zentrale Elemente eines Förderplans
- 1.2.1 Beschreibung des Ist-Standes
- 1.2.2 Schwerpunkte der Förderbereiche samt Zielsetzungen
- 1.2.3 Rahmenbedingungen der Förderung (personell, materiell, organisatorisch)
- 1.2.4 Fördermaßnahmen (methodisch-didaktische Umsetzung)
- 1.2.5 Evaluationsergebnisse und Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung
- 1.3 Ablaufschritte der Förderplanung
- 1.4. Kritik an Förderplänen
Individualisierung und Differenzierung kann als das Kernelement sonder- und integrationspädagogischer Erziehung, Bildung und Unterrichtung bezeichnet werden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem so genannten "Individuellen Förderplan" (IFP), der in der deutschsprachigen Literatur auch als "Förderplan", "Sonderpädagogischer Förderplan" oder "Individueller Entwicklungsplan" (IEP) bzw. "Persönlicher Entwicklungsplan" (PEP) bezeichnet wird, zu. In der englischsprachigen Literatur hat sich der Begriff "Individual Education Plan" durchgesetzt.
Als Kristallisationskern für einen Unterricht, der sich an den Bedürfnissen der Schüler/innen orientiert, spielt der individuelle Förderplan auch in der Diskussion um Qualitätsstandards in der Sonderpädagogik eine wichtige Rolle (vgl. Specht et al. 2006, 64 und 2007, 72f).
Systematisch mit Förderplanung setzen sich vor allem die Beiträge in zwei Sammelbänden auseinander und zwar in dem von Wolfgang Mutzeck herausgegebenen Band "Förderplanung", der 2000 erschienen war und 2003 eine zweite Auflage erfuhr. "Neue Entwicklungen in der Förderdiagnostik" (hrsgg. 2004 von W. Mutzeck und P. Jogschies) sind das Ergebnis eines Symposiums an der Universität Leipzig, bei dem Wissenschaftler/innen, Praktiker/innen und Vertreter/innen der Schulaufsicht mit den Entwicklungen in diesem Bereich auseinander setzten. Sehr weite Verbreitung hat mittlerweile auch die Arbeit von Dietrich Eggert gefunden und hier vor allem das Buch "Von den Stärken ausgehen ... Individuelle Entwicklungspläne (IEP) in der Lernförderungsdiagnostik", das 2000 in der 4. Auflage erschien. Darüber hinaus finden sich in den unterschiedlichsten Sammelbänden, stellvertretend sei hier nur das "Handbuch Lernprozesse verstehen" (hrsgg. v. H. Eberwein u. S. Knauer, 1998) genannt, sowie in sonderpädagogischen Zeitschriften vereinzelt meist kürzere Abhandlungen zum Thema Förderpläne.
In jüngster Zeit wird der Förderplan immer öfter auch mit dem Begriff "Assessment" in Verbindung gebracht, der in einem Projekt der European Agency sehr umfassend definiert wird (Watkins 2007, 15):
Assessment bezeichnet die Art und Weise, wie Lehrkräfte und andere Personen, die an der Bildung und Erziehung einer Schülerin/eines Schülers beteiligt sind, systematisch Informationen über ihren/seinen Leistungsstand und/oder ihre/seine Entwicklung in verschiedenen Erfahrungsbereichen (Schule, Verhalten, soziales Umfeld) sammeln und nutzen.
Individuelle Förderpläne spielen dabei als Instrument zur Feststellung der Lernausgangslage, zur dauerhaften Lernprozessbegleitung, zur Beurteilung der Schülerleistungen und zur Qualitätssicherung eine wichtige Rolle.
Dem defektorientierten Ansatz der Heil- und Sonderpädagogik, der sich auch in der Verankerung eines enorm ausdifferenzierten Sonderschulwesens manifestiert, steht heute eine ökosystemische und konstruktivistische Sichtweise gegenüber, die Behinderung im Sinne der WHO-Definition konsequent nicht als individuelle Eigenschaft bestimmter Personen, sondern als sozial bedingte Folge von individueller Schädigung (impairment) oder Leistungsminderung bzw. Funktionsbeeinträchtigung (disability) sieht.
Jedes Kind braucht zur Entwicklung ausreichend Anregungen aus seiner sozialen und materiellen Umwelt, seinem ökologischen System, das ihm in einem Wechselwirkungsprozess Lernen und Entwickeln ermöglicht. Sind Kinder ungenügend in ihr Ökosystem integriert, haben sie zu wenige Anregungen zur Auseinandersetzung mit ihrer konkreten Lebenswelt, so werden sie be-hindert. Sander (1994, 105) meint dazu: "Behinderung liegt vor, wenn ein Mensch auf Grund einer Schädigung oder Leistungsminderung ungenügend in sein vielschichtiges Mensch-Umfeld-System integriert ist." Damit lenkt die ökosystemische Sichtweise den Blick unmittelbar auf den Prozess der Integration des Kindes in das konkrete Umfeld und öffnet pädagogische Handlungsmöglichkeiten. Selbst wenn sich - wie es häufig der Fall ist - die Schädigung und die Leistungsminderung der pädagogischen Beeinflussung entziehen, kann doch an der Behinderung, d.h. an der ungenügenden Integration, pädagogisch gearbeitet werden. Die Umfeldbedingungen können so verändert werden, dass der betreffende Mensch weniger behindert ist als zuvor. Behinderung ist aus dieser Sicht kein unveränderbarer, genetisch/organisch vorgegebener Defekt, sondern eine durch soziales Handeln und Erleben veränderliche Bedingung des Menschseins. Man ist also nicht behindert, sondern wird behindert.
Gemeinsames Lernen in einer Schule für alle ist ein unverzichtbares Mittel, die in unserer Gesellschaft noch immer vorherrschende Segregation beeinträchtigter Menschen langfristig zu verändern und die notwendigen Grundlagen für eine umfassende Inklusion zu schaffen. Ziel und Weg müssen dabei identisch sein. Personen mit Beeinträchtigungen dürfen nicht länger aufgrund ihrer Symptome kategorisiert, selektiert und separiert werden, sondern sind als Menschen in all ihrem subjektiven Sein und in ihren biographischen und gesellschaftlichen Bezügen zu sehen. Ausgangspunkt der Förderung sollten nicht die Defizite sondern die Fähigkeiten der Schüler/innen sein.[4]
Im Zusammenhang mit diesem "Paradigmenwechsel in der Sonderpädagogik"[5] wurde auch eine intensive Diskussion über die Funktion von Diagnose geführt, die sich wohl am besten mit dem Schlagwort "Weg von der Selektionsdiagnose, hin zur Förderdiagnose" bezeichnen lässt.
Wenn in der Fachliteratur im Zusammenhang mit sonderpädagogischem Förderbedarf von Diagnose gesprochen wird, vergisst daher heute niemand den Hinweis, dass nicht nach Schwächen gesucht werden soll, sondern vor allem die Stärken eines Schülers/einer Schülerin festgestellt werden sollten und selbstverständlich auch seine/ihre Entwicklungsbedingungen durch eine Umfeldanalyse geklärt werden müssen.
Zusätzlich finden sich noch folgende Antwortkategorien auf die Frage nach dem WOZU in der Literatur, wobei sich Überschneidungen nicht ganz vermeiden lassen:
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systematische Auswahl aus dem Universum der Handlungsmöglichkeiten Durch den Einsatz von Förderplänen soll in der Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten eine gewisse Orientierung geschaffen werden. (Vgl. Sächsisches Staatsministerium 2005, 78)
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Koordination der Arbeit[6] Gerade im gemeinsamen Unterricht arbeiten immer mehrere Lehrer/innen zusammen, wobei sich im Laufe der Schuljahre diese Zahl erhöht. Eine effiziente Zusammenarbeit ohne gemeinsame, verschriftlichte Planung über die Arbeit mit dem/der jeweiligen Schüler/in ist nur schwer vorstellbar. (Vgl. Schob/Jainz 2004, 289)
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zielgerichtete Förderung Wenn Förderpläne zum Einsatz kommen, steigt die Hoffung, dass die sonderpädagogische Förderung eher zielorientiert stattfindet und weniger dem Prinzip "Versuch und Irrtum" unterworfen ist. (Vgl. Matthes et al. 2004, 74; Sächsisches Staatsministerium 2005, 78)
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große Streuung - sorgfältige Passung des Angebotes In allen Klassen, auch in Sonderschulklassen, ist die Lerngruppe durch eine große Heterogenität der einzelnen Schüler/innen im Lern- und Entwicklungsstand gekennzeichnet. Das Förderangebot der Lehrer/innen kann den Bedürfnissen der Schüler/innen nur gerecht werden, wenn auf die individuell unterschiedlichen Ausgangssituationen eingegangen wird. (Vgl. Kretschmann/Arnold 1999, 411)
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methodischer Weg zur Integration der gewonnenen Information Diagnostische, handlungsplanende, handlungsdurchführende und evaluative Schritte werden untereinander systematisch verbunden. (Vgl. Eggert 2000, 163; Mahrhofer/Speck 2004; o.S.)
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Verantwortung gegenüber den Eltern Wird für ein Kind ein sonderpädagogischer Förderbedarf ausgesprochen, ist das für Eltern sehr oft eine belastende Situation. Wenn sie nun akzeptieren müssen, dass ihr Kind eine besondere Unterrichtung braucht, soll durch einen Förderplan bewusst gemacht werden, welche Vorteile einem Kind durch eine solche Förderung erwachsen. (Vgl. Mutzeck 2004, 14)
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Kommunikationsmittel Mit Hilfe eines Förderplans können sich die Beteiligten des Förderprozesses über Ziele, Inhalte und Methoden verständigen. Darüber hinaus bietet er eine gute Grundlage und Argumentationshilfe für ein Gespräch mit Eltern. (Vgl. Mahrhofer/Speck 2004, o.S.)
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Erleichterung der Kontrolle Nach Sander besteht auch ein gewisses schulaufsichtliches Interesse an Förderplänen, denn schriftliche Pläne lassen sich einfacher kontrollieren. (Vgl. Sander 2003, 18)
Sollen schriftlich ausgefertigte Förderpläne längerfristig ihre pädagogische Wirksamkeit entfalten, muss man sich über ihren Stellenwert klar sein. Ein Förderplan soll in erster Linie ein Arbeitsinstrument für alle sein, die am Förderungsprozess beteiligt sind.[7] Deshalb wird seine Form sehr stark von den Bedürfnissen und Gewohnheiten der beteiligten Personen abhängen. Ganz allgemein lässt sich jedoch sagen, dass er mindestens drei Kriterien erfüllen muss, nämlich das der Übersichtlichkeit, Flexibilität und Praktikabilität. Das Postulat von Dietrich Eggert "Es gibt keine Patentrezepte! Es gibt nur individuelle Lösungen für individuelle Probleme." (2000, 309) kann auch bei der Gestaltung eines Förderplans als Handlungsmaxime gelten.
Aber: Auch wenn Pläne individuell sehr unterschiedlich gestaltet werden, müssen aus der Sachlogik heraus folgende Elemente enthalten sein[8]:
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Beschreibung des Ist-Standes
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Schwerpunkte der Förderbereiche samt Zielsetzungen
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Rahmenbedingungen der Förderung (personell, materiell, organisatorisch)
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Fördermaßnahmen
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Evaluationsergebnisse und Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung
Damit bei einem Kind die Stärken und Schwächen, die seine schulische und außerschulische Entwicklung fördern bzw. hemmen, entdeckt werden, ist eine umfassende Auseinandersetzung mit ihm notwendig. In der Fachliteratur zur Förderdiagnostik und zu den Förderplänen finden sich die unterschiedlichsten Gliederungspunkte, unter denen man die Entwicklung eines Kindes betrachten könnte. Am differenziertesten macht dies Eggert (2000, 289-304) in seinem Individuellen Entwicklungsplan (IEP), wo er das Beobachtungsschema in zehn Hauptpunkte untergliedert und jeden einzelnen dann noch einmal in Teilbereiche zerlegt. Hier ein kurzer Überblick über die Hauptpunkte:
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Einschätzung der eigenen Person, der Situation, der Stärken und Förderbedürfnisse durch das Kind
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Tabellarische Übersicht über besondere Ereignisse in Lebenslauf und Schullaufbahn des Kindes
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Außerschulische Lebenssituation[9]
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Sichtweise der Situation und der Förderbedürfnisse aus dem Blickwinkel von anderen Personen
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Beschreibung des derzeitigen Entwicklungsstands in den Basisbereichen Motorik, Sensomotorik, Wahrnehmung und Körpererleben; Orientierung im Raum; Sozialverhalten; Lern- und Arbeitsverhalten: Einstellung zum Lernen in und außerhalb der Schule; Sprach- und Kommunikationsverhalten;
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Entwicklungsstand in den einzelnen Unterrichtsbereichen.
Es bedeutet sehr viel Arbeit, das Kind genau zu beobachten, seine Meinungen, Wünsche, Vorstellungen einzuholen[10], die Sichtweise der Eltern zu erkunden und sich mit den Kolleg/innen auszutauschen um so einen Gesamteindruck über den Lern- und Entwicklungsstand zu bekommen. Im nächsten Schritt besteht nun die Herausforderung darin, aus dieser Vielfalt Förderschwerpunkte zu bilden, die für die Entwicklung des Kindes von Bedeutung sind und deren Ziele sich in den geplanten Zeitabschnitten auch verwirklichen lassen. Eine schriftliche Fixierung dieses Planungsschrittes ist aus mindesten zwei Gründen wichtig: Zum einen ist es bei einer Teamarbeit von Zeit zu Zeit notwendig, die gemeinsam vereinbarten Zielsetzungen als Grundlage für die individuelle Planung zur Verfügung zu haben. Zum anderen kann eine systematische Evaluation nur durchgeführt werden, wenn die angestrebten Ziele in operationalisierter und schriftlicher Form vorliegen.
1.2.3 Rahmenbedingungen der Förderung (personell, materiell, organisatorisch)[11]
Hilfreich für den gesamten Förderprozess ist es, wenn klar gemacht und dann schriftlich fixiert wird, wer in welchem Umfang an der Förderung beteiligt ist, welche materiellen Ressourcen zur Verfügung stehen und wie die Abläufe organisatorisch (räumlich, zeitlich) bewältigt werden. Möglicherweise müssen an dieser Stelle Ziele revidiert werden, weil sich herausstellt, dass die für die Zielerreichung notwendigen Rahmenbedingungen nicht hergestellt werden können.
Ganz gleich ob in einer Sonderschule oder in einer Integrationsklasse, in jedem Fall stehen die Lehrer/innen vor der Herausforderung, dass sie die Förderziele der einzelnen Schüler/innen im Auge haben müssen, auf der anderen Seite jedoch auch mit der gesamten Klasse an einem gemeinsamen Thema arbeiten sollen. Einzelförderung im "stillen Kämmerlein" widerspricht dem Integrationsgedanken und ist auch von den Personalressourcen her gesehen nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß möglich.
Für die spätere Evaluation ist es unbedingt notwendig, anhand von Aufzeichnungen die methodische Vorgangsweise bei der Förderung rekonstruieren zu können, denn möglicherweise müssen auch die Methoden kritisch hinterfragt werden, wenn die gemeinsam gesetzten Ziele nicht erreicht wurden.
Essentieller Bestandteil eines Förderplans ist auch ein Abschnitt, der regelmäßig die Reflexionen über den Förderprozess und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen stichwortartig festhält.
Dieser Teil bildet den Ausgangspunkt für einen weiteren Förderzyklus, indem hier nach dem ersten Förderabschnitt die neue Ausgangsituation als Grundlage für die nächsten Planungsziele und -schritte genommen wird.
In der Eingangsdiagnose werden Lernstände, Kompetenzen, Emotionen, Verhalten, Ressourcen, Risikofaktoren und Entwicklungsbedingungen erfasst.
Während des Förderhandelns finden begleitende Feindiagnosen der Lernentwicklung, der Lernumgebung, des Lehrerhandelns und der begleitenden Emotionen statt. Die Fähigkeit, angemessene Diagnosen zu erstellen gehört deshalb genauso zu einer qualitativen Förderplanarbeit wie die Kompetenz, methodisch-didaktisch adäquate Fördermaßnahmen zu konzipieren, idealerweise kooperativ und interdisziplinär.
An keiner Stelle wird in der Literatur die Empfehlung gegeben, dass eine einzelne Person, sei es ein/e Sonderpädagoge/in oder ein/e Klassenlehrer/in, den Förderplan erstellen soll. Immer wird von mehreren Personen gesprochen, die sich unter der Leitung eines/r Lehrers/in zusammenfinden und den Förderplan gemeinsam gestalten. In der Regel gehören zu diesem Team die Fachlehrer/innen bzw. Klassenlehrer/innen, die mit dem/der Schüler/in arbeiten, aber auch der/die Schüler/in selber sowie die Erziehungsberechtigen und weitere wichtige Personen der außerschulischen Lernumwelt (z.B. Horterzieherin, Oma).
Schon bei der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes wird an die Gutachter/innen die Erwartung herangetragen, den Diagnoseprozess so zu gestalten, dass die Ergebnisse den Ausgangspunkt für die Förderplanung bilden können. Es sollten Aussagen getroffen werden über den Lern- und Entwicklungsstand eines/einer Schülers/in, seine/ihre Stärken und Schwächen sowie über dessen/deren Umfeld mit seinen ermöglichenden und einschränkenden Bedingungen. In der Praxis werden diese Aufgaben jedoch oft nicht erfüllt, weil Feststellungs-, Ressourcensicherungs- und Legitimationsfragen die pädagogische Zugangsweise zur Seite drängen. (Vgl. Sander 2003, 23; Kretschmann/Arnold 1999, 411) Zu Beginn der Förderplanung sind daher oft weitere diagnostische Schritte notwendig, die jedoch ausschließlich dem Zweck dienen, eine Handlungsgrundlage für die weitere Förderarbeit zu bilden.
In einem nächsten Schritt werden im Team die unterschiedlichen Sichtweisen über die derzeitige Situation des Schülers / der Schülerin (schulisch / außerschulisch) ausgetauscht. Wenn so ein differenziertes Bild über die Lebens- und Lernbedingungen gewonnen ist, kommt es zu einer Klärung der Förderschwerpunkte und dem Ableiten der konkreten Förderziele. Meistens sind es die Erwachsenen, die hier im Mittelpunkt stehen. Dietrich Eggert (vgl. 2000, 269 ff) stellt in seinem Ansatz das Kind in den Vordergrund, indem es bei ihm vor der Festlegung der Fördermaßnahmen Gelegenheit erhält, sich selbst und seine Bedürfnisse darzustellen.
Schlee (vgl. 2004, 34) betont, dass die zentrale Leistung der Sonderpädagogik weniger in einer ausgefeilten Diagnostik mittels höchst differenzierten Checklisten liegt als vielmehr in der Fähigkeit, Fördermaßnahmen so zu planen und umzusetzen, dass sie für die betroffenen Schüler/innen lebensweltbezogene Handlungs- und Entwicklungsräume eröffnen.
Ausgehend von den gemeinsam vereinbarten Zielsetzungen ist zuerst zu klären,
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welche konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung führen können,
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wer in die Arbeit eingebunden ist,
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wer für welche Tätigkeit Verantwortung trägt,
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in welchen sozialen Zusammenhängen die Förderung stattfindet (gemeinsamer Unterricht, Einzelförderung, ...),
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auf welche Weise an die Stärken des Schülers / der Schülerin angeknüpft werden kann,
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wie Hindernisse beseitigt werden können,
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mit welchen Methoden sich die erwarteten Lern- und Entwicklungsschritte feststellen lassen,
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in welchen zeitlichen Rahmen die Maßnahmen eingebettet sind.
Anschließend erfolgt die Durchführung der Fördermaßnahmen, idealerweise eingebunden in das alltägliche Geschehen.
Dass nach einer gewissen Zeit der Förderung die Maßnahmen überprüft und darauf das weitere Handeln aufgebaut werden soll ist unbestritten. Unterschiedlich sind lediglich die Vorstellungen über den Zeithorizont innerhalb dessen eine Reflexion stattfinden soll. Die Spanne reicht hier von vier Wochen bis zu einem Jahr, wobei die Mehrzahl der Autor/innen für eine dreimalige Reflexion pro Schuljahr plädiert.
Alfred Sander spricht sich zwar nicht gegen eine systematische sonderpädagogische Förderplanarbeit aus, bezweifelt jedoch, ob "der Arbeitsaufwand, den die Erstellung und Fortschreibung eines formellen Förderplans erfordert, überhaupt in einem akzeptablen Verhältnis zum wahrscheinlichen Erfolg (steht)" (Sander 2003, 26). Darüber hinaus sieht er die Gefahr, dass die individuelle Förderung die betroffenen Schüler/innen mehr oder weniger in eine starke Isolierung bringt. Zur Vermeidung von isolierender Einzelförderung - so Sander - erstellen viele integrativ arbeitende Lehrer/innen einen langfristigen Förderplan sowie aktuelle Tages- und Wochenarbeitspläne für die Klasse. (Vgl. ebd. 27)
Für Sander lässt sich die Frage nicht knapp und klar beantworten, ob und unter welchen Bedingungen Förderpläne sinnvoll sind, denn seiner Erfahrung nach hängt die Förderung eines (beeinträchtigten) Kindes von so vielen Faktoren ab, dass optimale Lösungen am besten von den Lehrpersonen vor Ort getroffen werden. Sander schlägt vor, diesen die Entscheidung zu überlassen, "in welcher Form sie die Planung für das behinderte Kind innerhalb des Arbeitsplanes für die Klasse festhalten wollen" (ebd. 28). Um einem Missbrauch von Planungsfreiheit entgegenzuwirken soll die Verantwortlichkeit auf schulische Ebene verlagert werden, d.h. Klassen- bzw. Schulkonferenzen befinden in Zusammenarbeit mit dem/der regionalen Integrationsberater/in, bei uns also dem regionalen SPZ, über die Angemessenheit der Förderplanung.
Für Ines Boban und Andreas Hinz, Verteter/innen der inklusiven Pädagogik, sind Förderpläne "überflüssig, wenn nicht sogar kontraproduktiv" (Boban/Hinz 2003, 131). Sie kritisieren den Förderbegriff, der die Lehrer/innen als aktive und die Schüler/innen als passive, zu fördernde Teile sieht. Nach Boban/Hinz bauen Förderpläne auf einer solchen Sichtweise auf und verhindern so einen Perspektivenwechsel von der Defizitorientierung zur Kompetenzorientierung. Sie schlagen daher eine Vorgehensweise für den Förderprozess in Anlehnung an Verfahren wie z.B. das in Amerika unter dem Begriff MAP (Making Action Plan) entwickelte und erprobte Konzept vor, das bei uns auch als "Persönliche Zukunftsplanung" bekannt ist. Bei einem runden Tisch tauscht sich eine möglichst heterogen zusammengesetzte Gruppe über Vergangenheit und Zukunft eines Kindes aus und legt ausgehend von einer Zukunftsvision fest, durch welche Schritte dieses Ziel erreicht werden könnte. Selbstverständlich ist das Kind bei diesem Prozess dabei (ebd. 140 ff).
Teile eines Plans sind auch hier zu finden, denn die Gesprächsabläufe sind in diesem Verfahren systematisiert und es werden auch Aufzeichnungen gemacht, jedoch nicht in der herkömmlichen Form, sondern auf Plakaten, die im Laufe des Gesprächs gefüllt werden.
[4] Der Perspektivenwechsel "Weg von den Defekten - hin zu den Kompetenzen" drückt sich auch in der Neufassung der WHO-Definition (ICF - International Classification of Functioning, Disability and Health, WHO 2001) aus, die anstelle von Schädigung (impairment) Körperfunktion, statt Leistungsminderung (disability) Aktivität/Leistung und anstelle des Begriffs Behinderung (handicap) den der Partizipation setzt. Für die Definition einer Behinderung wird nun der gesamte Lebenshintergrund im Sinne von Kontextfaktoren mitberücksichtigt. (http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/index.htm, 20.10.2008).
[5] vgl. auch Eggert 1998, 20 ff
[6] "Eine wahrscheinliche Zusammenarbeit zwischen mehreren Personen, die bei der Durchführung eines Förderplans einbezogen sind, erfordert eine Darstellung, die eine adäquate Intersubjektivität gewährleistet." (Kooij 2004, 71)
[7] "Nur dort, wo der Förderplan nicht als ein Diktat verstanden wird, sondern als Verschriftlichung einer gemeinsam verantworteten Strategie, wird er solch eine Arbeitsgrundlage bilden können." (Kretschmann/Arnold 1999, 411)
[8] vgl. auch Schob/Jainz 2004, 290
[9] Vergleiche hier auch die ökosystemische Diagnostik von A. Hildeschmidt (1998, 182 ff)
[10] Wenn Schüler/innen sich schwer tun, ihre Bedürfnisse zu artikulieren, kann es auch daran liegen, dass sie bisher wenige Gelegenheit dazu hatten. "Viele Sonderschüler wachsen nämlich unter Bedingungen auf, in denen sich niemand für ihre inneren Bedingungen und Sichtweisen interessiert, geschweige denn sie befragt. So ist die Erwartung durchaus realistisch, dass auch Sonderschüler umso besser Auskunft über ihre eigenen Gefühle und Gedanken geben können, je häufiger und je anteilnehmender sie danach befragt werden." (Schlee 1998, 78)
[11] "Die hinreichende Bedingung des Fördererfolgs ist die, dass in den beruflichen Handlungsfeldern die Möglichkeit besteht, die zielführenden Konzepte auch professionell umzusetzen: mit ausreichend Zeit versehen und in das pädagogische Alltagsgeschehen integriert (...). (Kretschmann 2004, 136)
Inhaltsverzeichnis
- 2.1 Gesetzliche Grundlagen
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2.2 Schwierigkeiten in der Umsetzung
- 2.2.1 Stark divergierende Bedeutung der Förderpläne
- 2.2.2 Spannungsfeld "Individuelle Förderung versus Jahrgangsstufenlehrplan"
- 2.2.3 Kein ersichtlicher Mehrwert für subjektiv empfundene Mehrbelastung
- 2.3.4 Aufbau und Elemente betonen den Dokumentationscharakter
- 2.2.5 Zuwenig Kooperation im Lehrerteam
- 2.2.6 Keine Einbeziehung von Eltern, Schüler/innen
- 2.2.7 Problematisches Verhältnis zur Unterrichtsplanung
- 2.2.8 Kaum Evaluation und Beratung
- 2.2.9 Problematischer Umgang mit externen Gutachten
- 2.2.10 Keine systematische Weitergabe der Förderpläne bei Schul- bzw. Lehrerwechsel
- 2.2.11 Rechtliche Stellung von Förderplänen unklar
Obwohl die Bedeutung des IFP seitens der Schulbehörde schon lange betont wird, gab es in Österreich bisher nur eher schwache formale Regelungen für den Einsatz in der Praxis.
So war auf Bundesebene lange Zeit nur im Rahmen des Lehrplanes der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder aus dem Jahre 1996 die Verpflichtung zur Führung eines Förderplanes festgeschrieben.
Erst mit dem Schuljahr 2008/09 erfolgte in Anlehnung daran die gesetzliche Verankerung der Förderplanarbeit im neu erstellten Lehrplan der Sonderschule für gehörlose Kinder, der Sonderschule für blinde Kinder und der Allgemeinen Sonderschule (=ASO)[12], aus dem im Folgendem zitiert wird:[13]
"3.3 Unterrichtsplanung ... Der Lehrplan dient der Lehrerin bzw. dem Lehrer bei der Planung als Grundlage für ... - die Arbeit mit Individuellen Förderplänen. Bei der Planung und Durchführung des Unterrichts sind insbesondere folgende Grundsätze zu beachten: Jede Lehrerin bzw. jeder Lehrer hat bei der unterrichtlichen Arbeit von einer Jahresplanung auszugehen, die eine Konkretisierung des Lehrplanes für die jeweilige Schulstufe oder Lerngruppe und Schulsituationen bezogen auf ein Unterrichtsjahr darstellt und auch in den Individuellen Förderplänen ihren Niederschlag findet. Die Arbeit mit dem Lehrbuch ist dieser Konzeption unterzuordnen." ( 6)
"4.7 Aufgaben, Prinzipien und Ziele sonderpädagogischer Förderung ... Die Arbeit mit Individuellen Förderplänen dient der besonderen Förderung der Schülerinnen und Schüler. Die Unterrichtsthemen sind mit den in den Individuellen Förderplänen beschriebenen Methoden zu erarbeiten. Ziel ist es, das individuelle Entwicklungspotential der Schülerinnen und Schüler auszuschöpfen." (19)
"4.8 Individualisieren, Differenzieren und Fördern ... Individuelle Förderpläne unterstützen eine spezifizierte Planung im Sinne des Differenzierens und Individualisierens. Um diese Aufgabe bestmöglich erfüllen zu können, hat jede Lehrerin bzw. jeder Lehrer von einer individuellen Planung auszugehen. Individuelle Förderpläne unterstützen eine spezifizierte Planung im Sinne des Differenzierens und Individualisierens. Die Grundlage für die Erstellung derartiger Förderpläne ergibt sich aus den jeweiligen Entwicklungs-, Lern- und Kommunikationsvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Individuelle Förderpläne enthalten eine pädagogische Diagnose (Analyse der persönlichen sowie der umfeldbezogenen Bedingungen), benennen aus ganzheitlicher Sicht Ziele und Maßnahmen der Unterstützung, dokumentieren den individuellen Lern- und Entwicklungsfortschritt und sind im Hinblick auf notwendige Adaptierungen einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen. Zu ihrer erfolgreichen Umsetzung tragen alle am Bildungsprozess Beteiligten in gemeinsamer Verantwortung bei." (19)
Das oben erwähnte Rundschreiben 6/2009 hat zum Ziel, "einen allgemein verbindlichen Rahmen für die Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Individuellen Förderplänen zu beschreiben und Lehrerinnen und Lehrern eine praktische Hilfestellung für die konkrete Arbeit mit dem Förderplan sowie Schulleiterinnen und Schulleitern und der Schulaufsicht ein handhabbares Instrumentarium für die Überprüfung der Umsetzung der Förderplanarbeit zu geben. ... Die Anwendung von Individuellen Förderplänen im Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ... ist - unabhängig vom Ort der schulischen Betreuung - in Integrationsklassen und Sonderschulklassen umzusetzen." (1)
Der im Jahr 2005 herausgegebene Erlass "Besser fördern" (Bm:bwk, GZ BMBWK-36.300/0068-BMBWK/2005)[14], der für alle Schularten gilt, verlangt zwar auf der individuellen Ebene förderdiagnostisches Vorgehen, das Wort Förderplan findet sich dort aber nirgendwo. Damit soll wohl einerseits das Prinzip der individuellen Förderung für lernschwache und begabte Kinder unabhängig von einem SPF eingeführt werden, andererseits aber doch eine Trennung zwischen Regelschul- und Sonderpädagogik aufrecht bleiben, da "es unrealistisch ist, wenn jeder Regelschullehrer für jeden Schüler einen Förderplan im angegebenen Sinn erstellt. Allerdings könnte es auch für Regelschullehrer hilfreich sein, für einzelne Schüler - in der Art von Förderplänen - spezielle Maßnahmen bzw. Programme zu erstellen." (BMUK 1998, 4f)
Inwiefern diese Trennung langfristig Sinn macht oder eher kontraproduktiv ist, wäre eine zu diskutierende Frage, die hier aus Zeitgründen aber nicht ausgeführt werden kann.
Die Länder nützen den legistischen Freiraum bis 2007/08 unterschiedlich. Während Niederösterreich und Vorarlberg keinerlei Vorgaben machten, erwarteten Wien und Burgenland zumindest die Führung eines Förderplanes für alle Kinder mit SPF. Oberösterreich (2001)[15], Salzburg (2001), Tirol (2003), Kärnten (2004) und die Steiermark (2005) gaben verpflichtende Richtlinien heraus, die sich nur wenig unterscheiden und vor allem Aussagen zum Aufbau und zur Organisation machen sowie folgende Fragen beantworten:
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Warum/Wozu ist ein Förderplan zu führen?
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Aus welchen Teilen soll ein Förderplan bestehen?
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Wer ist für die Führung, Kontrolle und Weitergabe verantwortlich?
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Wo ist der Förderplan aufzubewahren?
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In welchem Bezug steht der Förderplan zur Unterrichtsvorbereitung?
Weiters gibt es zur Unterstützung der Lehrer/innen einen oder mehrere Musterförderpläne in diesen Bundesländern. Ein Vergleich der bestehenden Richtlinien und Formulare ergibt folgende Erkenntnisse:
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Prinzipiell sind sich alle über die grundlegenden Bereiche, die ein IFP enthalten soll, einig (persönliche und anamnestische Daten, aktueller Lern- und Entwicklungsstand, Förderziele, Fördermaßnahmen, Gesprächsaufzeichnungen, exemplarische Schülerleistungen), auch wenn kleinere Abweichungen in der Reihenfolge, in der Vollständigkeit, in der Bezeichnung der Bereiche und im Layout festzustellen sind.
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Bei der Erhebung des Ist-Standes, der Lernausgangslage sollte prinzipiell eine umfassende Kind-Umfeld-Analyse erfolgen. Darauf wird aber weder in den allgemeinen Richtlinien hingewiesen noch ist in den Vorlagen ausreichend Platz für z.B. Familiensituation, Wohnsituation, bevorzugte Freizeitaktivitäten und Lernbetreuung nach der Schule vorgesehen. Meist wird dieser Aspekt reduziert auf wichtige Kontaktadressen, Medikamentenunverträglichkeiten und therapeutische Maßnahmen.
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Ebenso wenig findet sich weder in den allgemeinen Richtlinien noch in den Formularen ein Hinweis darauf, dass in die Diagnose von Lernbarrieren auch die Lernumgebung (z.B. Lehrverhalten, Lernmittel, Lehrmethoden, Klassenklima, Sitzplatz) einbezogen werden muss, wenn man Behinderung nicht rein individualtheoretisch definieren will.
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Eine dem heutigen Stand der Wissenschaften entsprechende systemisch-konstruktivistische Sichtweise von Behinderung würde weiters verlangen, dass sowohl der/die Schüler/in selbst, aber auch die Erziehungsberechtigten, die Mitschüler/innen und die sonst in der Erziehung mitwirkenden Personen aktiv als mündige Partner/innen mit eigener Stimme und ihrer eigenen Sichtweise sowohl bei der Diagnose als auch bei der Planung und Evaluation der Förderziele und -maßnahmen einbezogen werden. Auch dazu finden sich in den untersuchten Unterlagen keine Hinweise.
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Die vorhandenen Musterförderpläne unterstützen vielmehr das herkömmliche sonderpädagogische Diagnose-Therapie-Modell, das bei den einzelnen Schüler/innen nach deren persönlichen Schwächen und Defiziten sucht und mit rein individuellen Fördermaßnahmen den einzelnen Kindern Besserung bringen will.
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Somit sind sowohl die Musterförderpläne als auch die allgemeinen Richtlinien als individuumsbezogen statt systembezogen einzuschätzen, der Paradigmenwechsel von der Selektions- zur Förderdiagnostik hat damit noch nicht wirklich begonnen und die folgende Aussage des Projektes QSP ist hundertprozentig zu bestätigen:
"So ergibt sich der Eindruck einer starken Diagnose- und Dokumentationslastigkeit individueller Förderplanung. Diese drückt sich auf der Erlassebene vor allem in der Sprachlichkeit aus. Förderpläne werden dort ‚erstellt‛ oder ‚geführt‛, Erkenntnisse aus Gutachten, die am SPZ aufliegen, ‚festgehalten‛, schülerbezogene Informationen ‚laufend ergänzt‛. Durch die Betonung der Funktion des Informationstransfers zwischen betreuenden Personen (Lehrkräften, Therapeuten, Eltern) und Institutionen (Schulwechsel) kommen Assoziationen an Dokumentensammlungen auf, die durch die konkreten Vorgaben (allgemeine Daten, unterrichtsrelevante Erkenntnisse aus Gutachten und Befunden, aktueller Entwicklungsstand, Aufzeichnungen, Notizen, Memos, exemplarische Dokumentation der Schülerleistung, ...) noch verstärkt werden. Hinweise auf den Prozesscharakter individueller Förderplanung (Ziele setzen und reflektieren, besondere Fördermaßnahmen) nehmen im Vergleich dazu einen deutlich geringeren Stellenwert ein. Auch Diagnosebögen und Formblätter vermitteln (ohne ihren Wert schmälern zu wollen) stärker den Eindruck von Status quo Erhebungen als von Prozessdokumentationen mit Rückkoppelungsschleifen." (Specht et al. 2006, 63f)
Während alle Landesschulinspektor/innen (=LSI) betonen, dass die Förderpläne ein Kernstück der sonderpädagogischen Arbeit seien und eine zentrale Bedeutung für die sonderpädagogische Arbeit, aber auch für die Regelpädagogik hätten, halten nur ca. 50 Prozent der befragten Lehrer/innen die Förderpläne für sehr wichtig bzw. wichtig. Die Einschätzung der Wichtigkeit der Förderpläne nimmt mit zunehmendem Dienstalter eher ab als zu, sie hängt aber nicht davon ab, ob jemand das Sonderschullehramt besitzt oder nicht, ob es administrative Vorgaben gibt oder nicht.
Förderpläne setzen beim individuellen Niveau des Schülers/der Schülerin an, die Anforderungen des Lehrplans beziehen sich jedoch immer auf eine bestimmte Jahrgangsstufe. Einerseits soll das Kind individuell gefördert, andererseits muss es nach den Zielen der jeweiligen Schulstufe mit Noten beurteilt werden. Es scheint so zu sein, dass sich der jahrgangsgestufte ASO-Lehrplan vor allem deshalb durchgesetzt hat, weil es auch für die Kinder in Regelschulen jahrgangsbezogene Lehrpläne gibt und die Kinder mit SPF eben nicht zu weit davon abweichen sollten.
Obwohl aus pädagogischer Sicht zwar eindeutig von allen LSI die Individualisierung und innere Differenzierung gefordert wird (selbstverständlich auch in der VS und HS), soll organisatorisch, strukturell keinerlei Veränderung des selektierenden und klassifizierenden Systems geschehen: Innere Schulreform ja, äußere nein - ein Muster, das von der Reaktion auf PISA her bekannt ist, wo ebenfalls die strukturelle Ebene aus der Diskussion ausgeschlossen wurde.
Da die Lehrer/innen in diesem Punkt keine Hilfe bekommen, sind sie weiterhin gezwungen, mit dem Problem kreativ umzugehen, in dem sie z.B. den Lehrplan sehr großzügig auslegen und manchmal die Augen zudrücken, um das Kind und nicht den Lehrplan in den Mittelpunkt stellen zu können.
Die Inspektor/innen betonen, dass den Lehrer/innen bewusst gemacht werden müsste, dass das Führen von Förderplänen Teil der Unterrichtsarbeit von Sonderschullehrer/innen bzw. den in der Integration zusätzlich eingesetzten Lehrer/innen sei, wie dies auch im Erlass von Kärnten zum Ausdruck kommt, und dass es für alle Lehrer/innen einen Mehrwert darstelle, genauer über die Kinder Bescheid zu wissen. Demnach dürfe den Lehrer/innen die Arbeit mit dem Förderplan auch nicht als Mehrarbeit verkauft werden. Vielmehr müsse versucht werden, den möglichen Gewinn bewusst zu machen, was aber in der momentanen Situation gar nicht so einfach sei.
Von den befragten Lehrerinnen und Lehrern wird nämlich der Arbeitsaufwand von rund drei Vierteln als sehr hoch oder hoch eingeschätzt. Eine Sonderschullehrerin fasst in ihrem Statement mehrere Faktoren zusammen, die verdeutlichen, warum der Arbeitsaufwand immer größer wird und dass die dafür vorgesehen Abgeltungen ungleich verteilt sind:
"Immer größer werdende Individualisierungen bedeutet auch immer höheren Arbeitsaufwand für Lehrer, was einerseits für die Schüler selbstverständlich nötig ist, für uns Lehrer aber zu immer schlechteren Arbeitsbedingungen führt, vor allem in Integrationsklassen. Gegenüber Sonderschullehrern (Anm: gemeint sind Sonderschullehrer/innen in Sonderschulklassen) verlieren wir Zuschläge für den Abteilungsunterricht und Zuschüsse für die Klassenführung. Außerdem werden die Gesamtschülerzahlen und die Anzahl der SPF-Schüler immer höher (zumindest an unserer Schule, vor allem im Vergleich zur Phase des Schulversuchs)."
Man ist sich sowohl seitens der Schulbehördenvertreter/innen als auch der Wissenschaft darin einig, dass ein vollständiger Förderprozess aus den Elementen
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Feststellung der Lernausgangslage (Diagnose),
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daraus folgenden Zielsetzungen (schwerpunktmäßig, für einen überschaubaren Zeitraum),
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der Planung und Durchführung entsprechender pädagogischer Interventionen (Fördermaßnahmen) sowie der
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Reflexion der Maßnahmen und Ziele (Evaluation)
besteht und als dynamischer, spiralförmiger Prozess gesehen werden muss, bei dem die Evaluation der ersten Ziele gleichzeitig die Feststellung der neuen Lernausgangslage ist. Dass sich die Diagnose aus zwei sehr unterschiedlichen Schritten zusammensetzt, der Beobachtung / Datensammlung und der Auswertung / Interpretation der Daten wird kaum thematisiert und findet auch kaum Widerhall in den Musterplänen.
Dementsprechend beinhalten von 50 repräsentativ ausgewählten IFP nur 16, also rund ein Drittel die definierenden Elemente Diagnose, Ziele und Maßnahmen. Eine Evaluation wurde nur in 5 der 50 Pläne angesprochen. Berücksichtigt man noch die Qualitätsmerkmale des Sächsischen Bildungsministeriums, dann dürfte keiner der 50 untersuchten Pläne als Förderplan eingestuft werden. Dies vor allem deshalb, weil nirgendwo schulische und außerschulische Fördermaßnahmen auch nur ansatzweise verknüpft werden (was allerdings die österreichische Schulbehörde nicht wirklich erwartet), die verantwortlichen Personen nicht genannt werden und so gut wie nie Zwischenbilanzen vorkommen.
In allen schriftlichen Richtlinien wird betont, dass die Förderpläne allen Lehrer/innen zur Verfügung stehen müssen, aber nur in der Steiermark wird darauf hingewiesen, dass alle Lehrer/innen auch beim Führen des Förderplanes mitzuarbeiten haben.
Trotzdem sind sich die Inspektor/innen darin einig, dass das Führen des Förderplanes auf jeden Fall eine Teamangelegenheit sei. Sie sind sich aber auch bewusst, dass dieses Ziel noch nicht optimal erreicht werde und die Sonderschullehrer/innen, speziell in den Hauptschulen, oft Einzelkämpfer/innen seien. Das Rundschreiben 6/2009 schreibt dazu nun vor: "Die Festlegung und Umsetzung der Förderziele und Fördermaßnahmen erfolgt durch das gesamte Team der Lehrerinnen und Lehrer. Die primäre fachliche Zuständigkeit liegt bei der verantwortlichen Sonderpädagogin bzw. beim verantwortlichen Sonderpädagogen." (2)
Zwischen 60 und 70 Prozent der Lehrer/innen meinen, dass Eltern im Förderplanprozess keine Mitsprachemöglichkeit zusteht. Ungefähr die Hälfte gesteht den Eltern nicht einmal die Möglichkeit der Einsichtnahme zu. Noch größer ist die Ablehnung, Schüler/innen zu beteiligen (85 bis 90 Prozent).
Eltern und Schüler/innen sollten aber im Sinne einer systemisch-konstruktivistischen Herangehensweise sowie einer demokratisch-partizipativ ausgerichteten Pädagogik als Betroffene aktiv miteinbezogen werden. Dies kann sowohl bei der Feststellung der Ausgangslage als auch bei der Zielformulierung und Maßnahmenplanung geschehen. Neben einer ausführlichen Kind-Umfeld-Analyse, die ohne Informationen der Eltern und Schüler/innen gar nicht möglich ist, sollten die Schüler/innen und Eltern auch um ihre Sichtweisen, ihre Interpretationen, Ziele und Lösungsansätze gefragt werden, wie dies im us-amerikanischen und kanadischen Raum bereits selbstverständlich ist.
Das manche Schüler/innen und Eltern dazu nicht in der Lage sind, darf kein Grund sein, diese Partizipationsmöglichkeit von vornherein gar nicht vorzusehen, wie dies in den vorhandenen Musterförderplänen und schriftlichen Richtlinien geschieht. Selbst jene Mustervorlagen, die sich auf Eggert (2000) beziehen, haben den dort vorgesehenen Schülerbogen (meine Interessen, Stärken,...) umgewandelt in von den Lehrer/innen formulierte Interessen, Stärken, ... des Schülers /der Schülerin. Nirgendwo ist Platz für die eigene Sichtweise des Kindes vorgesehen. Somit wird nicht mit ihm/ihr, aber auch nicht mit den anderen Repräsentant/innen des sozialen Systems, indem der/die Schüler/in lebt und lernt, geplant, wie das z.B. bei einer "Zukunftsplanung" (Boban/Hinz) vorgesehen ist, sondern noch immer für ihn/sie. Anstelle des in der Integration und Inklusion bedeutsamen Konzeptes des Empowerments liegt der Förderplanung damit immer noch das sonderpädagogische Stellvertreter-Modell zu Grunde.
Dass die Umsetzung des offiziellen Leitspruches des Jahres der Menschen mit Behinderung "Nothing about us without us" auch politischer Wille ist, kommt allerdings jetzt im Rundschreiben 6/2009 klar zum Ausdruck: "Im Sinne eines partizipativen Bildungskonzeptes sind nach Maßgabe der Möglichkeiten auch die Erziehungsberechtigten sowie die betroffene Schülerin bzw. der betroffene Schüler in den Prozess der Förderplanung einzubeziehen. ... Einsicht in den Individuellen Förderplan ist allen an der Förderplanarbeit beteiligten Lehrerinnen und Lehrern, der Schulleiterin/dem Schulleiter, der Schulaufsicht auf Bezirks- und Landesebene, den Erziehungsberechtigten und den betroffenen Schülerinnen und Schülern sowie - mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten - weiteren schulischen oder außerschulischen Expertinnen und Experten oder Maßnahmenträgern zu gewähren." (2f)
In den schriftliche Richtlinien sagt Oberösterreich, dass der Förderplan Teil der Unterrichtvorbereitung sei. Tirol betont, dass der Förderplan keinesfalls die Unterrichtsvorbereitung ersetze und Kärnten präzisiert, dass der Förderplan keinesfalls die Tagesvorbereitung ersetze. In der Steiermark finden sich dazu keine Aussagen. In Salzburg wird der IFP als Planungs- und Evaluationsgrundlage bezeichnet.
Für die Lehrer/innen ist die Sinnhaftigkeit des Führens eines Förderplans gerade im Zusammenhang mit der regulären Vorbereitung nicht immer klar ersichtlich:
"Führen von Förderplänen zusätzlich zur Vorbereitung (ohnehin individuell auf jedes Kind abgestimmt) wird von mir als Schikane und zusätzliche Belastung empfunden. Förderpläne sind nicht hilfreich."
Das Bundesministerium hält dazu ausdrücklich fest, "dass Individuelle Förderpläne die in den Allgemeinen Bestimmungen des Lehrplans geforderte Unterrichtsplanung nicht ersetzen, sondern als Teil der Unterrichtsplanung ein wichtiges ergänzendes prozessbegleitendes Instrumentarium für den Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind." (Rundschreiben 6/2009, 1)
Die Evaluation der Umsetzung beschränkt sich letztlich auf das Vorlegenlassen der Förderpläne bei Schulbesuchen (durch LSI, BSI, manchmal auch SPZ-Leiter/in) und die Weiterleitung der in Konferenzen, Dienstbesprechungen und sonstigen Arbeitsgruppentreffen gesammelten Erfahrungen, Anregungen, Beschwerden innerhalb der bestehenden Netzwerke an die oberste Schulaufsicht.
Ungefähr die Hälfte der befragten Lehrer/innen wurde bisher bezüglich ihrer Förderplanarbeit kontrolliert. Dass diese Kontrollen meist formaler Natur sind, kann daraus geschlossen werden, dass lediglich fünf Prozent der Befragten Anregungen erhielten. Wenn man weiß, wie vielfältig die Förderplanarbeit ist, wie diskussionsbedürftig manche Bereiche sind und wie viel Unsicherheit in diesem pädagogischen Feld noch immer herrscht, erstaunt es doch, dass pädagogische Beratung nur eine sehr minimale Rolle spielt.
Auch im Rundschreiben 6/2009 wird lediglich die Kontrolle geregelt: "Die Überprüfung im Hinblick auf die Umsetzung der Förderplanarbeit am jeweiligen Schulstandort obliegt in erster Linie der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter sowie im Rahmen der Schulinspektion der Schulaufsicht." (3)
Alle LSI betonen, dass eine Weitergabe der Gutachten nur mit Zustimmung der Eltern geschehen darf. Oberösterreich und Kärnten weisen in ihren Erlässen darauf hin, dass schriftliche Gutachten von Ärzten, Schulpsychologen, Therapeuten aber auch von Sonderpädagogischen Zentren (!) nur mit Zustimmung der Eltern an die Lehrer/innen weitergegeben werden dürfen. Dementsprechend ist es notwendig, "unterrichtsrelevante Erkenntnisse aus Gutachten, die am SPZ aufliegen, vom SPZ fest zu halten." (LSR f. OÖ 2001, 1; LSR f K. 2004, 2). Damit müssten die SPZ-Leiter/innen eine Zusammenfassung machen und diese dann den Lehrer/innen zur Verfügung stellen.
Die Praxis unterscheidet sich davon aber klar: Beinahe drei Viertel der Befragten aus Oberösterreich kopieren die externen Gutachten und legen sie dem Förderplan bei. Und obwohl die LSI von einer anderen Praxis berichten (Gutachten liegen beim BSR bzw. SPZ) geben auch in Salzburg (35%) und der Steiermark (43%) ein beträchtlicher Teil der Lehrer/innen die kopierten Gutachten zum Förderplan.
Das Rundschreiben 6/2009 gibt nun "zu beachten, dass Daten und Gutachten immer getrennt vom Individuellen Förderplan zu verwalten sind. Es ist auf jeden Fall sicherzustellen, dass der Datenschutz auf allen Ebenen gewährleistet wird!" (2)
Ein Hauptanliegen der Förderpläne ist die Weitergabe aller Daten, damit bei einem Lehrer- oder Schulwechsel nicht wieder bei Null mit einer Erhebung der Ausgangslage begonnen werden muss. Demgemäß wird in allen schriftlichen Richtlinien darauf hingewiesen, dass der/die zuständige Leiter/in für die ordnungsgemäße Weitergabe zu sorgen habe. Darüber, was nun genau weitergegeben werden muss, bestehen sehr unterschiedliche Sichtweisen, von "Good-will" (W) über "nur relevante Daten" (Bgld., T) bis zu "alles, was im Erlass vorgegeben ist" (Stmk.)
Von jenen Lehrer/innen, die Schüler/innen mit SPF aus anderen Schulen übernommen haben, bekamen je 22 Prozent die Unterlagen unaufgefordert mit oder ohne Gespräch, sieben Prozent wandten sich - weil kein Plan da war - an die abgebende Schule und erhielten ihn darauf, 11 Prozent taten dies erfolglos. Die weitaus größte Gruppe (38 %) erhielt keinen Förderplan, obwohl das Kind in der früheren Schule schon einen SPF hatte, und fragte auch nicht nach, sondern begann einfach einen neuen.
Um auch als nicht direkt am Prozess beteiligte Person mit den vorhandenen Plänen etwas mehr anfangen zu können wäre eine zeitliche Zuordnung der Eintragungen sehr wichtig. Bei der Analyse der Förderpläne stellt sich dieser Aspekt als ein großer Schwachpunkt heraus. Bei kaum einem Plan ist eine halbwegs durchgehende und nachvollziehbare zeitliche Zuordnung der Eintragungen zu finden.
Im Rundschreiben 6/2009 wird nun geregelt, dass "der Individuelle Förderplan unter Wahrung des erforderlichen Datenschutzes an die aufnehmende Schule weiterzugeben" ist und dabei "jedenfalls die bisher erreichten Förderziele, die durchgeführten Fördermaßnahmen und angewendeten Methoden sowie deren Überprüfung und Adaptierung zu beschreiben" sind. (3)
Bei der Weitergabe von Förderplänen ergibt sich auch die Frage, welche rechtliche Stellung eigentlich die Förderpläne haben. Sind sie Teil der Unterrichtsvorbereitung, wie dies die Erlässe in OÖ und Kärnten aussagen? Dann wären die Förderpläne aber eigentlich, so wie alle anderen Unterrichtsvorbereitungen auch, private Materialien der jeweiligen Lehrer/innen. Oder sind sie mehr? Aber was genau sind sie dann? Offizielle Dokumente im Sinne von Gutachten? Unterliegen sie dann dem Datenschutz?
In den schriftlichen Richtlinien finden sich dazu keinerlei Aussagen. Sieht man sich die Musterförderpläne an, dann sind diese eher als "offiziöse Dokumente" einzustufen. Zum Teil sind sie wie Dokumente layoutiert und beinhalten auch offizielle Schülerdaten wie Alter, Schullaufbahn, etc., die ohne Probleme weitergegeben werden können. Andererseits sammeln sich bei laufender Adaptierung in den Förderplänen über die Zeit eine Vielzahl von Beobachtungsdaten an, die eher als persönliche Aufzeichnung der Lehrer/innen über die Schüler/innen einzustufen sind und deren Weitergabe problematisch ist. So sind laut Schulunterrichtsgesetz z.B. im Zeugnis in den Abschlussklassen bewusst keine Verhaltensnoten erlaubt, mit den Förderplänen würden aber z.B. im Bereich Arbeits- und Sozialverhalten viel detailliertere Informationen weitergegeben als mit einer Note. Dass dies nicht immer nur von Vorteil für die Schüler/innen sein muss, und die Eltern daher zu Recht darauf pochen, dass solche Daten nicht weitergegeben werden, formuliert Landesschulinspektor Grill so: "Die Sorge der Lehrer und Eltern ist natürlich, dass hier so eine Art Mängelliste weiter gegeben wird, was mein Kind alles angestellt hat und und und. Dort wird es problematisch."
Was am Ende der Schulzeit mit dem Förderplan passieren soll, darüber geben weder die schriftlichen Richtlinien Auskunft, noch haben sich die Inspektor/innen bisher darüber Gedanken gemacht. Folgende mögliche Lösungen für diese Frage werden genannt:
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wegwerfen, vernichten (Bgld., Stmk., T);
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einen Abschlussbericht machen, dann die Unterlagen vernichten (V);
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an der Schule im Schülerstammblatt aufbewahren (V, OÖ, Stmk., S).
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den Eltern, den Schüler/innen geben (Stmk., T).
Oft wird die Schnittstellenproblematik nur nach oben hin diskutiert. Für die LSI ist aber auch eine Öffnung der Datenweitergabe aus dem Kindergartenbereich in die Volksschule wichtig.
[12] Allgemeine Sonderschule steht für den Förderschwerpunkt Lernen; der Lehrplan ist zu finden unter http://www.cisonline.at/index.php?id=8 [4.4.2009]
[13] die Verankerung in den anderen beiden Lehrplänen ist praktisch wortgleich mit den hier zitierten Ausführungen
[14] http://www.bmukk.gv.at/ministerium/rs/2005_11.xml [4.4.2009]
[15] Die Länder sind der Reihenfolge der Herausgabe ihrer Richtlinien nach angeführt.
Inhaltsverzeichnis
- 3.1 Trennung von offizieller Dokumentation und prozessorientierter Datensammlung
- 3.2 Fördermaßnahmen mit dem Unterricht der gesamten Klasse verbinden
- 3.3 Betonung des Prozess- und Reflexionscharakters durch Erhöhung der Kooperation und Partizipation
- 3.4 Qualitätssicherung unterstützen
- 3.5 Aus-, Fort- und Weiterbildung anpassen und vernetzen
- 3.6 "Mehrwert" für Lehrer/innen schaffen
Für die Umsetzung der Förderplanidee bedeuten die Diskrepanzen zwischen der Sichtweise der Schulaufsicht und jener der Lehrer/innen, dass einerseits verstärkt auf die Bedürfnisse der in der Förderplanung Tätigen geschaut werden muss, damit nicht ein Scheingebilde aufgebaut wird, das der schulischen Wirklichkeit nicht gerecht wird. Andererseits scheint es aber auch notwendig zu sein, dass beide Seiten ihre Sichtweisen noch stärker bezüglich des theoretischen Hintergrundes und internationaler Entwicklungen hinterfragen.
Im Folgenden werden auf Basis der nationalen und internationalen Erkenntnisse und Erfahrungen sechs Maßnahmen für eine möglichst umfassende und nachhaltige Verankerung der Förderplanung im österreichischen Schulsystem vorgeschlagen und zur Diskussion gestellt.
Eine sowohl pädagogisch als auch datenschutzmäßig gute Lösung wäre eine klare Trennung in einen offiziellen Förderplan, sozusagen den Dokumentationsteil mit Dokumentencharakter und in eine prozessorientierte Datensammlung. Damit würden einerseits die Förderpläne von nicht mehr relevanten Daten entstaubt, die Datenschutzproblematik klar geregelt, der Dokumentationsteil minimiert und die Lehrer/innen stärker angehalten, förderdiagnostisch und prozessorientiert im Sinne von regelmäßiger Beobachtung, Interpretation, Zielsetzung, Planung und Evaluation zu handeln. Vorschriften würde es nur für den offiziellen, möglichst schlanken Dokumentationsteil benötigen.
Der "offizielle Förderplan" müsste die personenbezogenen und anamnestischen Daten enthalten sowie die Lernausgangslage (= Zusammenfassung der bei der Bescheiderstellung gewonnen Erkenntnisse und der ersten eigenen Beobachtungen), daraus abgeleitete Förderziele (schwerpunktmäßig) und Fördermaßnahmen (individuelle und sonstige Maßnahmen im Lernumfeld) sowie die Ergebnisse der Evaluationen dieser Maßnahmen. Am Handhabbarsten erscheint es, dass die Lehrer/innen zumindest um Weihnachten, zu Ostern und am Jahresende eine kurze Zusammenfassung aus ihren prozessorientierten, ständigen Aufzeichnungen im Sinne einer Zwischenbilanz erstellen. Dieser Förderplan könnte dann als ein Teil des Schüleraktes, des Schülerstammdatenblattes gesehen und bezüglich Weitergabe, Aufbewahrung und Einsichtsrecht rechtlich gleich wie der gesamte Schülerakt behandelt werden.[16]
Der zweite Teil, also die Datengrundlagen für die Zwischenanalysen im offiziellen Förderplan, wie z.B. Checklisten zum Arbeits- und Sozialverhalten, Beobachtungsbögen zu den Basisbereichen, Lernziellisten, Tagebuchaufzeichnungen, Bögen nach Eggert (2000) oder welches Instrumentarium die Lehrer/innen auch immer verwenden wollen, wäre dann wirklich nur für die Hand der Lehrer/innen gedacht, also im Sinne eines Teils der privaten Unterrichtsvorbereitung zu werten.
Sollte, wie in den meisten schriftlichen Richtlinien der Länder empfohlen, auch eine Sammlung exemplarischer Schülerarbeiten angelegt werden, dann wäre es pädagogisch am sinnvollsten, dies mit den Schüler/innen gemeinsam zu machen. (Vgl. Brunner/Schmidinger, 2000 und 2001) Selbstverständlich wäre dann dieser Teil grundsätzlich den Schüler/innen auszuhändigen. Sollte sich der/die Lehrer/in einzelne oder alle Schülerarbeiten für seine Unterlagen aufheben wollen, dann könnte er diese ja kopieren bzw. einscannen oder sich vom Schüler/von der Schülerin eventuell schenken lassen.
Das Rundschreiben 6/2009 macht zu einer Trennung in "offiziellen Dokumentationsteil" und "prozessorientierten Datenteil" keine explizite Aussage, führt aber bei der Aufzählung der Bestandteile des IFP auch den Punkt "Prozessbeobachtungen" (2) an. Auch wenn dies auf den ersten Blick eher gegen eine Aufteilung spricht, wäre meiner Meinung nach eine Zweiteilung doch möglich, denn es fordert auch eine "klare, übersichtliche und präzise (möglichst knappe) Darstellung." (3) Sollten sich diesbezügliche Erfahrungen als positiv herausstellen, wäre eine spätere Überarbeitung der Richtlinien empfehlenswert.
Feuser spricht in seinem Modell der dreidimensionalen Didaktik von der "Tätigkeitsstrukturanalyse" (Vgl. Feuser 1995). Während übliche Unterrichtsplanungen ausschließlich stofforientiert sind, also maximal eine "Sachstrukturanalyse" laut Feuser aufweisen, würden mit den aus dem Förderplan abgeleiteten Individualisierungs- und Differenzierungsmaßnahmen auch die Subjekte mit ihren Entwicklungsmöglichkeiten in der Planung berücksichtigt. Gemeinsame Lernsituationen könnten damit gezielter auf die unterschiedlichen Entwicklungsniveaus abgestimmt werden ("Handlungsstrukturanalyse" laut Feuser). Allerdings müsste dazu das Konzept der Förderplanung stärker auf die gemeinsamen Lernprozesse Bezug nehmen als dies bisher zu bemerken ist. Anstelle von Planungsblättern für einzelne, sonderpädagogische Maßnahmen könnten z.B. in Anlehnung an den IEP von Eggert den Lehrer/innen Planungsblätter empfohlen werden, die für jeden Unterrichtsgegenstand ein Blatt mit drei Spalten vorsehen: Laufendes Thema in der Gruppe, Individuelle Lernziele/Lerninhalte, Methodische Überlegungen (Wie? Womit? Wodurch?). Diese Blätter wären dann aber nicht Bestandteil des offiziellen Dokumentations- sondern des prozessorientierten Datenteils.
Leider finden sich auch zur Verknüpfung von individuellen Förderplanzielen und gemeinsamen Lernvorhaben in der Klasse keine expliziten Aussagen im Rundschreiben 6/2009, abgesehen vom Hinweis auf folgende Lehrplanformulierung: "Die Unterrichtsthemen sind mit den in den individuellen Förderplänen beschriebenen Methoden zu erarbeiten." (1)
Die Befragung der Lehrer/innen und die Analyse der Förderpläne zeigen ziemlich deutlich, dass Förderplanarbeit in Österreich noch stark im individualtheoretischen Paradigma steckt und in erster Linie eine Einzelarbeit jener Lehrperson ist, die den Sonderpädagogikpart innehat. Für eine Qualitätssteigerung wird es unbedingt notwendig sein, die Kooperation zwischen den Professionist/inn/en innerhalb und außerhalb der Schule zu forcieren.
Die Beispiele, die im internationalen Teil der vorliegenden Studie präsentiert werden, machen einen ganz großen Unterschied zu Österreich deutlich, nämlich die Einbindung der Eltern und der Schüler/innen. Geschieht dies in Österreich nur in einem sehr geringen Ausmaß, so gehört es in den skandinavischen Ländern so wie in den USA und Kanada zu den unabdingbaren Voraussetzungen. Eltern werden auf ihre Rechte hingewiesen, von der Schule eingeladen am Prozess teilzunehmen und gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern Verantwortung zu übernehmen.
Daraus resultiert auch ein ganz wesentlicher Unterschied für die Förderplanarbeit: Weil eine Verständigung über die Ausgangssituation sowie über Ziele und Maßnahmen stattfinden muss, kommt der Prozess- und Reflexionscharakter viel stärker zur Geltung.
Der im Rundschreiben 6/2009 nun auch in Österreich verbindlich festgelegten Einbeziehung der Erziehungsberechtigten und Schüler/innen in den Prozess der Förderplanung sollte daher große Beachtung bei der Umsetzung der Richtlinien geschenkt werden.
Soll eine neu eingeführte Maßnahme in einer Organisation langfristig wirksam werden, so sind die Mitglieder des Systems in der Anwendung der Maßnahme so gut wie nur möglich zu unterstützen, indem gezielte Maßnahmen im Sinne eines Qualitätsmanagements angewandt werden wie z.B.:
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Absicherung, dass die grundlegenden Informationen wirklich an alle Anwender/innen gekommen sind und von diesen auch richtig interpretiert werden;
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anbieten einer entsprechenden Fort- und Weiterbildung;
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ausbilden von Multiplikator/innen, die den Anwender/innen vor Ort unbürokratisch und ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen;
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einplanen von Zeitschienen zur Kooperation der beteiligten Lehrer/innen;
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unterstützende Materialien zur Verfügung stellen;
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Best-Practice-Beispiele verbreiten;
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wertschätzende Kontrolle der Durchführung der Maßnahmen von im System dazu befugten Personen;
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einholen von Feedback, evaluieren der Gesamtentwicklung (Was hat sich bewährt? Wo muss nachjustiert werden?) und
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entsprechende Adaptierung der Regelungen.
Die Formulierung des Rundschreibens 6/2009 kann also nur ein erster Schritt gewesen sein, dem noch viele Unterstützungsmaßnahmen seitens der Schulaufsicht und auch der SPZ folgen müssen.
Mit dem derzeitigen Aus- und Fortbildungsangebot ist der überwiegende Teil der Lehrer/innen nicht zufrieden. Längerfristig gesehen sollte es zu einer engeren Kooperation zwischen Schulbehörde und Ausbildungsinstitutionen kommen. An allen Pädagogischen Hochschulen sollte laut den Wünschen der Schulaufsichtsbeamt/inn/en in allen Lehramtsstudien das Thema Förderpläne ausreichend stark verankert werden. Eine Öffnung der APS-Angebote für die Berufsschul- und Gymnasiallehrer/innen sollte in den jetzigen Pädagogischen Hochschulen kein Problem mehr darstellen, ich weiß allerdings aus eigener Erfahrung, dass dies auch unter den neuen Bedingungen nicht so einfach ist.
Gerade im gemeinsamen Unterricht kommt es immer wieder vor, dass Lehrer/innen, die den Sonderpädagogikpart einnehmen, zu den Jüngsten an einer Schule gehören und dann bei einem Rückgang der Klassenzahlen als erste gehen müssen. Das geschieht in der Regel unabhängig davon, ob sie mit ihrer Qualifikation dringend an der Schule benötigt werden oder nicht. Es könnte einen großen Motivationsschub bedeuten und eine Qualitätsverbesserung für die Schule bringen, wenn hier die Qualifizierung vor dem Dienstrecht, also vor dem Vorrückungsstichtag käme.
[16] Eine zum Teil dafür recht gut verwendbare Vorlage könnte übrigens die von Helmut Loidl aus Bad Goisern sein, http://schulen.eduhi.at/spz/SPZ.htm [5.8.2006]
Die traditionelle pädagogische Diagnostik hat sich als statische Diagnostik, Selektions-, Merkmals- und Eigenschaftsdiagnostik erwiesen und geht in der Praxis vorwiegend von einer eindimensionalen, an den Schwächen des Kindes orientierten Betrachtungsweise aus. Das pädagogische Diagnose- und Fördermodell des 21. Jahrhunderts geht nach Bundschuh auf deutliche Distanz zu traditionellen Sichtweisen. Förderdiagnostische Aufgabenstellungen beziehen sich nicht mehr lediglich auf die Merkmale eines Kindes, sondern beziehen die verschiedenen Systeme, in denen die Kinder lernen und leben, ein, da es darum geht den Entwicklungsprozess eines Kindes als Ganzes zu begreifen (vgl. Bundschuh 2004, 52).
"Pädagogische Diagnostik ist Situationsdiagnostik und zugleich auch immer Lernprozessdiagnostik. Eine so verstandene Diagnostik hat nicht mehr den Charakter einer normorientierten Statusdiagnose, sondern beinhaltet eine historische Dimension, einen Entwicklungsaspekt und geht generell von den Fähigkeiten und dem Lernwillen bei Schüler/innen aus." (Eberwein/Knauer 2003, 9)
Pädagogische Diagnostik umfasst das gesamte System der/des Lernenden - ihre/seine Kompetenzen, ihr/sein Lernumfeld, ihre/seine (Lern)biografie und das familiäre Umfeld. Wenn ein differenziertes Bild über ihre/seine Lebens- und Lernbedingungen gewonnen ist, kommt es zu einer Klärung der Förderschwerpunkte und dem Ableiten der konkreten Förderziele. Ziele einer Lern- und Entwicklungsbegleitung gehen von den Stärken der Schüler/innen aus und müssen auf eine Weiterentwicklung ausgerichtet sein. Sie brauchen ein offenes System und müssen so konzipiert sein, dass sie im Unterrichtsalltag durchführbar sind. Sie müssen außerdem so konkret formuliert werden, dass eine Evaluation möglich ist. Die bisherigen Erfahrungen und die neuen gesetzlichen Grundlagen können als Ausgangsbasis gesehen werden, Individuelle Förderpläne als Grundlage individualisierter Erziehung, Bildung und Unterrichtung in Österreich nachhaltig zu verankern, wenn von allen Beteiligten wirklich ein Paradigmenwechsel von der Selektions- zur Förderdiagnostik angestrebt wird.
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Quelle:
Ewald Feyerer: Individuelle Förderpläne als Grundlage individualisierter Erziehung, Bildung und Unterrichtung in Österreich
Erschienen in: Zeitschrift für Inklusion, Ausgabe 01/2009
bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet
Stand: 12.04.2010