Persönliches Budget für Menschen mit Behinderung in Hessen

- Konzeption eines Modellversuches -

Themenbereiche: Selbstbestimmt Leben
Textsorte:
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 24, November 2002, Seite 27-31 impulse (24/2002)
Copyright: © Heidi Schlütter 2002

1. Präambel

Am 15. November 1994 trat eine Änderung des Grundgesetzes in Kraft. In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes wurde der Satz angefügt: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

In der "Charta der Grundrechte der Europäischen Union" wurde ebenfalls die Nichtdiskriminierung behinderter Menschen (Artikel 21 Absatz 1) sowie die Integration von Menschen mit Behinderungen (Artikel 26) aufgenommen.

Die Verfassungsänderung drückt auch ein verändertes Selbstbewusstsein von Menschen mit Behinderungen aus. Dieser Paradigmenwechsel wurde von den Behinderten-Selbsthilfeorganisationen in langen Jahren erkämpft. Menschen mit Behinderungen wollten nicht länger als "Sorgenkinder" betrachtet und deshalb gänzlich von der Fürsorge der Wohlfahrtspflege umgeben werden. Vielmehr wollen Menschen mit Behinderungen als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft leben und demzufolge selbst verantwortlich für ihr Leben sein - weg vom "Objekt der Fürsorge" hin zum "Subjekt des Handelns". Die Bundesregierung greift diesen Paradigmenwechsel in ihren Gesetzen zum Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) mit dem Titel "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" auf.

So setzt Teilhabe auch Teilnahme voraus - bei Entscheidungsprozessen über Leistungen und gleichermaßen bei der Auswahl und Ausführung von Leistungen. Dies ist im § 9 des SGB IX "Wunsch- und Wahlrecht" verankert. Wie, neben den angebotenen Sachleistungen dieses "Wunsch und Wahlrecht" umgesetzt werden kann, wird im § 17(1) 4. (2) beschrieben. Mit dem "Persönlichen Budget" können behinderte Menschen den "Einkauf" von Leistungen künftig eigenverantwortlich regeln. In Modellprojekten sollen die Rehabilitationsträger prüfen, welche Leistungen sich dafür eignen und wie die Budgets konkret bemessen sein müssen.

Bereits das BSHG verfolgt seit seiner Einführung das Ziel der "Hilfe zur Selbsthilfe": "Art, Form und Maß des Sozialhilfe richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen." - § 3 Absatz 1 BSHG beschreibt damit zutreffend die zu Recht geforderte selbstbestimmte Hilfe. Die in § 101 a BSHG formulierte Experimentierklausel ruft ausdrücklich zur Weiterentwicklung der Sozialhilfe auf. Statt Sachleistungen sollen und können Hilfen auch als Geldleistungen pauschal gewährt werden - sofern sie den Grundsatz der Bedarfsdeckung erfüllen.

Die Zeit ist daher reif, auch in Hessen für Menschen mit Behinderungen das Konzept eines "Persönlichen Budgets" einzuführen, damit sie selbst über Art, Weise und Umfang den von ihnen benötigten Hilfen bestimmen können. Der Paritätische Landesverband hat unter Berücksichtigung bereits vorliegender Entwürfe ein Konzept für ein "Persönliches Budget" entwickelt, das den Belangen behinderter Menschen Rechnung trägt.

Der Landesverband fordert daher einen hessischen Modellversuch "Persönliches Budget".

2. Forderung

Der Paritätische Landesverband Hessen fordert, ermutigt auch durch die einhellig positiven Voten aller Fraktionen der Verbandsversammlung des Landeswohlfahrtverbandes Hessen entsprechend § 17Abs 3 SGB IX die schnellstmögliche Einrichtung von Modellversuchen zur Erprobung eines "Persönlichen Budgets" für Menschen mit Behinderungen.

In insgesamt sechs unterschiedlich strukturierten Modellregionen sollen die Voraussetzungen, unter denen "Persönliche Budgets" für Menschen mit Behinderungen zu einer erhöhten Lebensqualität und zu verbesserten Möglichkeiten der Selbstbestimmung führen, erprobt werden.

Nach einer gemeinsamen Bewertung der Ergebnisse eines 3-jährigen Modells unter Beteiligung von Landesregierung, Leistungsverpflichteten (Rehabilitationsträger), Leistungserbringen, der Wohlfahrtsverbände und der Selbsthilfeverbände behinderter Menschen, soll entschieden werden, wie das "Persönliche Budget" als Wahlmöglichkeit neben der Inanspruchnahme von Sachleistungen flächendeckend in Hessen eingeführt werden kann.

3.Eckpunkte zu einem Modellversuch für das "Persönliche Budget"

3.1 Zusammensetzung des "Persönlichen Budgets"

Es wird ein Gesamtbudget bestimmt, welches alle Hilfen beinhaltet, auf die der behinderte Mensch einen Leistungsanspruch nach dem BSHG hat. Dazu gehören vor allem:

a) Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (die persönliche Assistenz)

  • Der Umfang der Leistungen (Assistenz) wird entsprechend dem individuellen Hilfebedarf nach Stunden festgelegt. Dabei ist auch der Bedarf an Unterstützung bei der Inanspruchnahme des "Persönlichen Budgets" zu berücksichtigen.

  • Die Höhe der Vergütung je Stunde wird für Fachkräfte (z. B. pädagogische Fachkräfte, pflegerische Fachkräfte, hauswirtschaftliche Fachkräfte) sowie für Nichtfachkräfte ("Laienhelfer") pauschaliert.

b) Sachkosten

  • Sachleistungen zur selbstständigen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben (z. B. Beratung, Regiekosten, Bildungs- und Freizeitangebote).

  • Diese Hilfen werden mit einer monatlichen Pauschale abgegolten.

  • Mobilitätshilfen (z. B. Taxi, Sonderfahrdienste). Hierzu wird eine Anzahl von Fahrten pro Monat pauschal festgelegt.

  • Hilfen zur Kommunikation nach individuellem Bedarf.

c) Teilhabe am Arbeitsleben, siehe auch § 33, SGB IX, z. B.:

  • Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (Beratung und Vermittlung ...)

  • Qualifizierung: Fort- und Weiterbildung

  • Zuschuss zum Arbeitslohn

  • Arbeitsassistenz

  • Arbeitsplatz in einem Integrationsprojekt

  • Arbeitsplatz in einer Werkstatt für behinderte Menschen

d) medizinische Rehaleistungen

e) Budgetassistenz

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Budgetassistenz als unabhängige Begleitung und Unterstützung des Budgetnehmers, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Einlösung des Anspruchs, dass das persönliche Budget allen behinderten Menschen unabhängig von Art und Schwere ihrer Behinderung zur Verfügung steht. Sie leistet weiterhin einen unverzichtbaren Beitrag zur Qualitätssicherung für Leistungen für Menschen mit Behinderung.

Budgetassistenz ist ein Angebot für die Budgetnehmer, die diese in Anspruch nehmen können. Der Einzelne entscheidet auch, wie viel Hilfestellungen aus der Budgetassistenz er nutzen will.

Die Budgetassistenz muss eine anwaltschaftliche Beratung, unabhängig von den Interessen von Leistungsträgern und Leistungsanbietern, gewährleisten.

Es ist sicher zu stellen, dass den Leistungsberechtigten kostenfreie Budgetassistenz bereit gestellt wid.

Die Budgetassistenz soll mit einer eigenen Infrastruktur ergänzend zur gesetzlichen Betreuung aufgebaut werden.

Budgetassistenten müssen Qualifizierungen erhalten (z.B. über Qualitätskriterien der ambulanten Dienste und anderer Leistungserbringer, rechtliche Rahmenbedingungen, Strukturen der Selbsthilfe, Gesprächsführung). Zu den vorbereitenden Aufgaben für das Modellprojekt gehört die Erarbeitung eines Qualifizierungskonzeptes.

3.2 Teilnahme am "Persönlichen Budget"

Alle volljährigen Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 39 BSHG und § 2, SGB IX können, unabhängig davon, ob sie im privaten Haushalt oder einer vollstationären Einrichtung leben, ein "Persönliches Budget" erhalten.

Für das "Persönliche Budget" gilt das Antragsprinzip. Die Teilnahme am Modellversuch ist freiwillig.

Ein "Persönliches Budget" ist möglich, wenn zuvor ein Gesamtplan nach § 46 BSHG aufgestellt und darin der Bedarf mit dem Hilfeempfänger gemeinsam festgelegt wurde. Der Hilfeempfänger kann hierzu auf Wunsch eine Vertrauensperson seiner Wahl hinzuziehen.

Es gibt eine Rückkehrmöglichkeit zur vorherigen Form der Hilfeleistung.

3.3 Gestaltung des Modellversuchs

Der Modellversuch startet zum 01.07.2003. Seine Praxisphase endet so rechtzeitig, dass die Ergebnisse des Modellversuches spätestens bis zum 30.06.2005 ausgewertet sind.

Der Modellversuch wird in vier Landkreisen und zwei kreisfreien Städten des Landes Hessen eingerichtet.

Zur Auswertung des Modellversuches ist eine wissenschaftliche Begleitung notwendig. Ferner wird ein Modellbeirat unter Einbeziehung der Selbsthilfeverbände behinderter Menschen eingerichtet, in dem auch Menschen mit Behinderung selbst mitarbeiten. Wesentlicher Bestandteil der Evaluation ist die Befragung der Teilnehmer am Modellversuch.

Die ausgewerteten Ergebnisse des Modellversuchs bilden die Grundlage für die Entscheidung über eine flächendeckende Einführung des "Persönlichen Budgets" in Hessen.

4. Ziele und Begründungen

4.1 Subjekt statt Objekt

Viele Jahre lang wurden Menschen mit Behinderungen ausschließlich über ihre Behinderung definiert und wurden in die Rolle des "bemitleidenswerten armen Geschöpfes" gedrängt, das auf die Fürsorge Anderer angewiesen ist. Die Selbsthilfeorganisationen haben lange Jahre für einen Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe gekämpft. Menschen mit Behinderungen wollen - trotz oder gerade auch wegen ihres Handicaps - selbst über ihr Leben bestimmen. Diese Selbstbestimmung ist ein wesentlicher Teil der Menschenwürde und zugleich Teil des im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 GG). Menschen mit Behinderungen wollen als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft mit ihren Bedürfnissen und Wünschen ernst genommen werden.

"Ich weiß doch selbst, was ich will!" - Menschen mit Behinderungen treten heute wesentlich selbstbewusster auf und formulieren ihre Wünsche an ihre persönliche Lebensgestaltung. Sie sind Experten in eigener Sache. Einrichtungen und Dienste in der Behindertenhilfe müssen sich auf diese "neuen" Menschen mit Behinderungen einstellen; sie müssen sie als "Kunden", deren Zufriedenheit oberste Maxime des Handelns ist, wahrnehmen und entsprechend handeln. Kundenorientierung und eine Stärkung des Verbrauchers ist zudem politisch gewollt.

Menschen mit Behinderungen sind bereit und - ggf. mit Unterstützung und Beratung durch eine Person ihres Vertrauens (Budgetassistenz) - in der Lage, eigenverantwortlich für ihr Leben Entscheidungen zu treffen. Damit gewinnen sie Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Die Stärkung der Leistungsempfänger und ihre Befähigung, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, steht im Mittelpunkt des Modells "Persönliches Budget".

Die seitherige starre Pflegesatz-/Entgeltstruktur verhindert häufig, dass selbst kleinere individuelle Bedürfnisse behinderter Menschen erfüllt werden (können). Menschen mit Behinderungen werden vertröstet, wenn sie ganz besondere Wünsche hegen. Doch auch oder gerade die Erfüllung kleiner "Alltagsfreuden" ist Teil der Lebensqualität.

Mit einem "Persönlichen Budget" werden Menschen mit Behinderung in die Lage versetzt, selbst zu bestimmen, wie sie ihren Alltag gestalten. Sie können Art, Umfang und Zeitpunkt der Hilfe fest legen. Die rechtlichen Voraussetzungen sind bereits heute erfüllt z.B. § 3 BSHG. Sie wurden durch das Sozialgesetzbuch IX § 9 (speziell § 17) noch weiter gestärkt.

4.2 Autonomie und Eigenverantwortung

"Die Würde des Menschen ist unantastbar". Das Grundgesetz räumt allen Menschen - mit und ohne Behinderung - das Recht ein, sich ihr Leben selbst zu gestalten. Für Menschen ohne Behinderung ist es selbstverständlich, dass sie autonom, selbst bestimmt, selbstständig, unabhängig leben und eigenverantwortlich ihr Leben gestalten. Dieses Grundrecht muss auch für hilfebedürftige Menschen mit Behinderung erlebbar sein. Ein "Persönliches Budget" trägt dazu wesentlich bei, da der Einzelne auch Schwerpunkte bei seinen Ausgaben setzen kann.

Sozialhilfe wird nach den Besonderheiten des Einzelfalls gewährt (§ 3 BSHG). Menschen mit Behinderungen wissen sehr genau, welche Art, Form und Maß der Hilfe sie benötigen. Sie wollen eine bedarfsgerechte Hilfe, die ihrer individuellen Lebenslage entspricht. Mit dem "Persönlichen Budget" werden die (vorhandenen) persönlichen Hilfen konsequent weiterentwickelt. Diese passen sich damit dem gesellschaftlichen Wertewandel an (hin zu "Selbst bestimmtem Leben").

Mit einem persönlichen Budget können Menschen mit Behinderungen als Verbraucher agieren und sich den entsprechend ihren Bedürfnissen passendenAnbieter von Hilfeleistungen auswählen. Einrichtungen und Dienste in der Behindertenhilfe müssen sich auf das veränderte Kundenverhalten einstellen und lernen, unterstützungsbedürftige Menschen mit Behinderungen als ihre Kunden wahrzunehmen.

Sicherlich kann eingewandt werden, dass aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung zahlreiche Menschen mit Behinderung überfordert sind, ein "Persönliches Budget" zu verwalten. Deshalb bedarf es als flankierender Maßnahme geeigneter Unterstützungsstrukturen (siehe Budgetassistenz 3.1e). Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige (z.B.Eltern, Lebenspartner) müssen in die neue Form der Hilfeleistung eingeführt werden. Sie müssen befähigt werden, Zug um Zug mit Hilfe des "Persönlichen Budgets" sich die notwendige bedarfsgerechte Hilfe "einzukaufen".

Menschen mit Behinderungen begreifen das Modell "Persönliches Budget" als Chance zur Selbstbestimmung. Sie nehmen freiwillig an diesem Modell teil. Sie haben die Möglichkeit, zur bisherigen Hilferegelung zurückzukehren, wenn sich zeigt, dass sie - auch mit Unterstützung - überfordert sind mit einem solchen Modell.

4.3 Kundenorientierung und Angebotsstruktur

Leistungsempfänger definieren die Qualität der Hilfeangebote und deren Struktur selbst nach individuellen Kriterien bzw. Vorlieben. Sie wählen sich aus den am Markt agierenden Einrichtungen und Diensten die Unterstützungsangebote aus, die ihren persönlichen Bedarf am besten abdecken. Entscheidend ist hier die subjektive Einschätzung. Qualität bedeutet, dass der Anbieter einhält, was er mit dem Kunden vereinbart hat.

Zur Qualität eines Modells "Persönliches Budget" zählt unabdingbar die Einrichtung eines unabhängigen Verbraucherschutzes, um die persönliche Beratung und Informationder Budgetnehmer zu sichern (vgl. "PerSaldo" in den Niederlanden). Diese Aufgabe könnten die Behinderten-Selbsthilfeorganisationen übernehmen.

Die Erfahrungen in den europäischen Ländern, die das Modell "Persönliches Budget" bereits praktizieren, zeigen, dass die Kundenzufriedenheit - als Indikator für die Qualität der Leistungen - gestiegen ist.

4.4 Wahlmöglichkeit

Menschen mit Behinderungen werden derzeit in ihrer Freizügigkeit stark eingeschränkt - sei es bei der Wahl ihrer Unterstützungsangebote, bei der Wahl ihres Wohnortes oder ihres Arbeitsplatzes. Dies gilt sowohl aufgrund fehlender Wahlmöglichkeiten zwischen allgemeinen Angeboten mit Assistenz oder Sondereinrichtungen als auch für die Auswahl unter einzelnen Sondereinrichtungen.

Mit der Einführung des "Persönlichen Budgets" als neuem Instrument der Hilfeleistung wird die Angebotslandschaft vielfältiger und bunter. Menschen mit Behinderungen erhalten damit erstmals echte Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Leistungsanbieter und Leistungsangebote.

Das Modell "Persönliches Budget" muss allen Menschen mit Behinderungen zugänglich sein - unabhängig von Art und Schwere ihrer Behinderung. Menschen mit höherem Hilfebedarf dürfen - schon nach dem Prinzip der Nichtdiskriminierung (Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) - nicht von der Möglichkeit auf ein selbst bestimmtes Leben ausgeschlossen werden. Deshalb ist nach unserem Selbstverständnis das Modell "Persönliches Budget" nicht nur im ambulanten Bereich möglich, sondern auch in stationären Einrichtungen. So müssen z.B. auch Heimbewohnerinnen und -bewohner die Chance erhalten, selbst über die Art und den Umfang ihrer benötigen Unterstützung zu entscheiden - und zwar mittels des Instruments "Persönliches Budget".

4.5 Entbürokratisierung und Effektivität

Sich im Dschungel der Hilfeangebote, der Dienste und Einrichtungen sowie deren Financiers zurecht zu finden, ist - nicht nur - für Menschen mit Behinderungen immer schwieriger. Durch die Aufgabenfülle innerhalb der Sozialhilfeverwaltung ist in den letzten Jahren kaum noch Zeit und Raum geblieben, die persönliche Beratung der Hilfesuchenden (§ 8 Abs. 2 BSHG) zu sichern .

Schon seit langem fordert auch der Paritätische niederschwellige Angebote, einfache Handhabungen und mehr Transparenz. Menschen mit Behinderungen benötigen eine kompetente Anlaufstelle für alle Fragen rund um die benötigten Hilfen ("Clearingstelle", "Bürgerbüro"). Schlagworte wie "Verwaltungsvereinfachung" machen - nicht nur - in der Behindertenhilfe die Runde; auch die Politik fordert seit langem eine schlanke Verwaltung auf allen Ebenen.

Das Modell "Persönliches Budget" liefert Voraussetzungen zur Verwaltungsvereinfachung in der Sozialhilfe. Wir sind davon überzeugt, dass längerfristig eine Optimierung von Kosten und Nutzen erreicht wird. Einsparungen im Verwaltungsbereichkönnen zur Schaffung neuer Beratungs- und Serviceangebote genutzt werden, die dann erforderlich werden.

5. Grundsätze (Zusammenfassung)

Als wichtigste Grundsätze für das Modellprojekt "Persönliches Budget" fassen wir zusammen:

  1. Das "Persönliche Budget" darf kein elitäres Modell für "fitte" Menschen mit Behinderung sein. Vielmehr ist der Zugang zum "Persönlichen Budget" unabhängig von der Art und Schwere der Behinderung zur Verfügung zu stellen.

  2. Demgegenüber sind alle Formen der Deckelung und damit des Ausschlusses von Menschen mit schweren Behinderungen zu vermeiden.

  3. Das "Persönliches Budget" muss den individuellen Hilfebedarf des Einzelnen decken.

  4. Menschen mit Behinderung muss es jederzeit möglich sein, zwischen Sachleistungen einerseits und Teilleistungen des "Persönlichen Budgets" bzw. dem Gesamtpaket wählen zu können.

  5. Für die Beratung und Begleitung zum "Persönlichen Budget" kann der Mensch mit Behinderung sich eine, für ihn kostenfreie, Budgetassistenz zu Hilfe nehmen.

  6. Die Teilnahme am Modellversuch ist freiwillig.

  7. Die Gewährung des "Persönlichen Budget" hat, wie im SGB IX festgeschrieben, zeitnah und mit einem vereinfachten Verwaltungsaufwand zu erfolgen.

6. Appell

Um bis zum 1. Juli 2003 den Modellversuch "Persönliches Budget" einrichten zu können, schlagen wir die schnellstmögliche Bildung einer Arbeitsgruppe vor, welche die Modalitäten festlegt. Die Federführung für diese Arbeitsgruppe sollte beim Sozialministerium oder beim Landeswohlfahrtsverbandliegen. Der Paritätische, der diese Konzeption erarbeitet hat, erwartet, dass er und alle oben genannten Gruppierungen an der Arbeitsgruppe und am Modellversuch "Persönliches Budget" beteiligt werden.

Kontakt:

Der Paritätischen Wohlfahrtverband Landesverband Hessen e.V.

Auf der Körnerwiese 5

60322 Frankfurt

Tel. 069/955262-35

Fax 069/955262-38

Quelle:

Paritätischer Wohlfahrtsverband Hessen: Persönliches Budget für Menschen mit Behinderung in Hessen - Konzeption eines Modellversuches -

Erschienen in: impulse Nr.24, November 2002, Seite 27-31

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 16.08.2006

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