Das Modellhafte am Modellvorhaben Integrationsfachdienst Bayern e.V.

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 16, Juli 2000, S.27-29 impulse (16/2000)
Copyright: © Verein "Integrationsfachdienst Bayern e.V." 2000

1 Ausgangslage

Das BMA fördert vom 01.07.1998 bis 31.12.2001 "Integrationsfachdienste zur Eingliederung von Schwerbehinderten in das Arbeitsleben" als Modellprojekte aus Mitteln des Ausgleichsfonds nach §12 SchwbG.

Ausgangspunkt für die Durchführung dieser Modellprojekte war die hohe Zahl arbeitsloser Personen mit einer schweren Behinderung. Ein Teil dieses Personenkreises ist gekennzeichnet, zusätzlich zu den Behinderungsmerkmalen, durch vermittlungshemmende Merkmale wie Langzeitarbeitslosigkeit, Lebensalter und niedrige Qualifikation. Die notwendige Unterstützung ist in bestimmten Problemfällen sehr aufwendig und personalintensiv. Auch wenn die Fachdienste der Arbeitsämter und Hauptfürsorgestellen personell den Grundanforderungen entsprechend ausgestattet sind, kann diese Unterstützung nicht immer in der erforderlichen Art und Weise sowie in ausreichendem Umfang geleistet werden. Durch die Etablierung besonderer ergänzender externer Fachdienste sollen die Chancen der Integration in das Arbeitsleben für Erwerbstätige mit einer schweren Behinderung verbessert werden, soweit diese zur Beschaffung und Erhaltung eines Arbeitsplatzes besondere Unterstützung benötigen.

In einer Modellphase sollen ausreichende Erfahrungen über die Notwendigkeit solcher ergänzender Fachdienste, ihre Struktur und Ausstattung, ihre Effizienz, den Finanzierungsaufwand und ihre Zusammenarbeit mit den Betrieben und Verwaltungen sowie Arbeitsämtern, den Reha-Trägern und den Hauptfürsorgestellen gesammelt werden.

2 Das Modellvorhaben "Integrationsfachdienst Bayern e.V." - Trägerverbund

Das Modellvorhaben wird in Bayern vom Verein "Integrationsfachdienst Bayern e.V." durchgeführt, zu dem sich sieben Träger zu einem Trägerverbund zusammengeschlossen haben. Der Zusammenschluss zwischen großen und kleinen Trägern ermöglicht hohe Synergieeffekte, da die unterschiedlichen Erfahrungen und Traditionen des einzelnen Trägers in der Wohlfahrtspflege durch die gemeinsame Zusammenarbeit ineinander fließen.

Der Verein hat an sieben Standorten regionale Integrationsfachdienste eingerichtet (siehe Übersicht unten), jeweils ausgestattet mit zwei Personalstellen sowie zusätzlichen flexiblen Mitteln. Jeder regionale Integrationsfachdienst ist zuständig für zwei Arbeitsamtsbezirke.

Der Verein unterhält zudem eine Geschäftsstelle, die für die organisatorische Abwicklung des Modellvorhabens sowie für die Projektkoordination zuständig ist. Die Geschäftsstelle ist angesiedelt am Berufsbildungswerk St. Franziskus, Abensberg in Trägerschaft der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V.

Träger

Arbeitsamtsbezirk

Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e.V.

Augsburg / Memmingen

Integra e.V. Hof

Hof / Coburg

Förderkreis für integrierte Erziehung in Kindergarten, Schule und Beruf e.V., Ingolstadt

Ingolstadt / Donauwörth

Rummelsberger Anstalten der Inneren Mission e.V.

Nürnberg / Ansbach

Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V.

Regensburg / Schwandorf

Johann Peters GmbH, Waldkraiburg

Passau / Pfarrkirchen

Gesellschaft zur Förderung der Integration gfi gGmbH, Würzburg

Würzburg / Schweinfurt

3 Das methodische Konzept

Das Modellprojekt "Integrationsfachdienst Bayern e.V." wird auf der Grundlage des Konzeptes "Qualifizierte Methoden und Instrumente zur verbesserten beruflichen Eingliederung Schwerbehinderter" des BStMAS umgesetzt. Im Gegensatz zu traditionellen Ansätzen sollen nicht mehr nur Beratungsstellen eingerichtet, sondern neue Konzepte und Methoden zur beruflichen Eingliederung von langzeitarbeitslosen Erwerbstätigen mit einer schweren Behinderung entwickelt und erprobt werden.

Auftraggeber des IFD im Modellvorhaben ist nicht mehr nur die Hauptfürsorgestelle. Steuerungsteams setzen sich zusammen aus Arbeitsamt und Hauptfürsorgestelle, die den Integrationsfachdienst beauftragen.

Das methodische Konzept des Integrationsfachdienstes Bayern e.V. beruht auf drei Säulen:

  • Einzelfallunterstützung, insbesondere Casemanagement

  • Entwicklung einer regionalen Unterstützungstruktur

  • Arbeitsplatzakquisition (in Projektform)

Diese drei Säulen können auch als Zahnräder begriffen werden, die im Idealfall reibungslos zu einer höchsteffektiven Prozessgestaltung verzahnen. Aufgaben und Ziele sind die dauerhafte berufliche Integration von Arbeitnehmern mit einer schweren Behinderung, die Schaffung eines offenen und verständnisvollen Kooperationsklimas zwischen allen Beteiligten und die Vernetzung aller regionalen Dienstleister.

Nicht zuletzt stellt dieses Konzept sicher, dass an allen wichtigen Entscheidungen, Vereinbarungen und Maßnahmen der Nutzer/Inn des Integrationsfachdienstes verantwortlich mitwirkt.

3.1 Einzelfallunterstützung (Casemanagement)

Die persönliche Unterstützung des Nutzers bzw. der Nutzerin ist eine der drei Säulen dieses Ansatzes. Ziel ist die soziale Kompetenz und die Schlüsselqualifikationen des rat- und arbeitsuchenden Arbeitnehmer/Inn sukzessive zu verbessern, um am Arbeitsmarkt vermittlungs- und wettbewerbsfähig zu werden. Der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Fälle macht eine professionelle Vorgehensweise erforderlich.

Der Integrationsfachdienst Bayern e.V. arbeitet nach der Methode des Casemanagements. In den ersten beiden Phasen des Casemanagements initiiert und koordiniert der IFD die Durchführung einer systematischen Situationsanalyse (Assessment). Auf dieser Situationsanalyse basiert die Erstellung eines Eingliederungsplans, der im zentralen Mittelpunkt der Arbeit des IFD steht und im Auftrag des Kostenträgers erstellt und realisiert wird. Alle am Eingliederungsplan Beteiligten, insbesondere der Nutzer/Inn, müssen mit seinen wichtigsten Teilen, Problemanalyse, Ziele und Maßnahmen einverstanden sein. Einvernehmlich wird geklärt, wer welche Aufgaben übernimmt und ggf. finanziert. Damit ist sichergestellt, dass die Verantwortung bei dem jeweiligen Auftraggeber bleibt und dem IFD als Case-Manager/Inn der verbindliche Rahmen seiner/ihrer Tätigkeit für alle erkennbar festgelegt ist. Da der Integrationsprozess dynamisch verläuft, muss von Zeit zu Zeit je nach Erfolg oder Misserfolg der einzelnen Teilschritte der Eingliederungsplan revidiert bzw. angepasst werden.

Ab Ende Juni / Anfang Juli 2000 wird dem IFD zur Unterstützung der Erarbeitung des Eingliederungsplanes das CMS (Case-Management-System, ein computergestütztes Analyse-, Steuerungs- und Eingliederungsmanagement) zur Verfügung stehen.

3.2 Regionale Unterstützungsstruktur

Die Integrationsfachdienste versehen ihren Auftrag so, dass sie mit ihrer Tätigkeit Kooperationen für die Integration von Menschen mit einer schweren Behinderung eingehen. Dies geschieht zum einen über die Zusammenarbeit im Einzelfall. Die Integrationsfachdienste akquirieren in den Regionen "Geschäftspartner", die Aufträge im Rahmen des Casemanagements übernehmen. Dabei ist prinzipiell keine Tätigkeit aus keiner Phase des Casemanagements ausgenommen. Kooperationspartner der Integrationsfachdienste über den Einzelfall sind z.B. Bildungsträger, Arbeitsassistenz, Betreuer/Inn und Sozialpsychiatrischer Dienst. Die Beauftragung dieser Partner reicht von der Diagnose, Assessment, Training, Begleitung, Hilfestellung in der sozialen Integration, Akquisition, Bewerbungstraining bis zum Job-Coaching.

Zum anderen betreiben die Integrationsfachdienste Öffentlichkeitsarbeit mit dem strategischen Ziel, die "regionale Unterstützungsstruktur" anzubahnen. Öffentlichkeitsarbeit im Sinne eines gezielten Marketings gehört zu den Aufgabenschwerpunkten der Integrationsfachdienste. Eine fallübergreifende Zusammenarbeit entsteht über Veranstaltungen z.B. mit Bildungsträgern, mit Selbsthilfe-Gruppen und -Einrichtungen, mit Behörden und Schulen für Behinderte. Unter anderem ist für dieses Jahr eine Präsentation auf der ConSozial 2000 in Nürnberg geplant. Auf diesem Kongress werden das Modell und die bisherigen Ergebnisse des "Integrationsfachdienstes Bayern e.V." vorgestellt. Geplant ist ein Fachvortrag und 2 Workshops über moderne Strategien und innovative Instrumente für die berufliche Integration von langzeitarbeitslosen Erwerbstätigen mit einer schweren Behinderung.

Der Aufbau der regionalen Unterstützungsstrukturen musste in der Anfangsphase teilweise mit erheblichem Aufwand von den Integrationsfachdiensten betrieben werden. Erst im Laufe der Zeit werden diese Netzwerke voll zur Entfaltung kommen und effizient arbeiten. Die Erfahrungen und Beziehungen der einzelnen Träger spielten und spielen beim Aufbau der regionalen Unterstützungsstruktur eine wesentliche Rolle.

3.3 Akquisitionsstrategie

Der Modellversuch "Integrationsfachdienst Bayern e.V." hat in seiner Konzeption festgelegt, dass bei der Akquisition von Arbeitsplätzen neue Methoden angewandt werden sollen. Aufgrund der Anforderungen im Konzept realisieren die regionalen Integrationsfachdienste Akquisitionsprojekte nach unterschiedlichen methodischen Ansätzen. Neben Anzeigenkampagnen in der regionalen Presse werden Mailing-Aktionen oder gezielte Telefonakquise betrieben. Solche Aktionen werden durchgeführt, um z.B. regelmäßig stattfindende "Rundtisch-Gespräche" zu organisieren. Personalreferenten von Firmen und Unternehmen werden dazu aus der Region eingeladen.

Über die zunehmende Vergabe von flexiblen Mitteln auch für Zwecke der Akquisition konnten viele Betriebe erreicht werden. Mehrere Schulungen der einzelnen Mitarbeiter/Innen der IFDs zu den Themen Akquisition und Marketing sowie regionale Aktionsschwerpunkte belegen den großen Stellenwert der Akquisition von Arbeitsplätzen.

3.4 Zusätzliche Innovationsprojekte

Im Juli 1999 beschloss der Verein Integrationsfachdienst Bayern e.V., mit zusätzlichen Innovationsprojekten der methodischen und instrumentellen Neuorientierung der Integrationsfachdienste weitere Impulse zu geben. Die zusätzlichen Innovationsprojekte haben zum Ziel, die Akquisitionsarbeit methodisch und instrumentell anzureichern. Dazu wurden in den Regionen jeweils unterschiedliche Ansätze entwickelt. Themenschwerpunkte sind z.B. die Nutzung neuer Medien, Vergabe von Analysen des regionalen Arbeitsmarktes an regionale Bildungseinrichtungen u.a.m.

Diese Innovationsprojekte haben eine Laufzeit von i.d.R. einem Jahr. Nachdem im Herbst 1999 mit den meisten Projekten begonnen wurde, wurden erste Zwischenergebnisse im Mai 2000 während eines Teamtreffens präsentiert und ausgetauscht. Dadurch entstehen gute Synergieeffekte, da die einzelnen regionalen IFDs die Möglichkeit erhalten, schon gewonnene Ergebnisse in ihrer eigenen Projektarbeit zu berücksichtigen bzw. in ihre Arbeit aufzunehmen. Der regelmäßige Austausch ist auch weiterhin geplant.

4 Zusammenfassung

Der Integrationsfachdienst Bayern e.V. hat bis jetzt gezeigt, dass der Dreiklang des bayerischen Konzepts mit Casemanagement, Aufbau regionaler Unterstützungsstrukturen und Akquisitionsstrategien zu sehr guten Ergebnissen führen kann.

Dieser Erfolg setzt jedoch einiges voraus. Allem voran sei das Engagement der Mitarbeiter/Innen der Integrationsfachdienste genannt. Als eine große Herausforderung für die Mitarbeiter/Innen der Integrationsfachdienste erwies sich bisher, dass sie den Anforderungen der Auftraggeber und den Nutzer/Innen gerecht werden müssen, die auf dem Vorrang der konkreten Integration vor der Umsetzung des Konzeptes bestehen. Parallel dazu müssen die Mitarbeiter/Innen der Integrationsfachdienste einen erheblichen Aufwand betreiben, um die Zusammenarbeit mit Dienstleistern/Innen der Region aufzubauen sowie die einzelnen Akquiseprojekte zu koordinieren.

Eine weitere Voraussetzung für den Erfolg der Integrationsfachdienste ist die gute Zusammenarbeit mit dem Hauptauftraggeber, dem Arbeitsamt, aber auch den Hauptfürsorgestellen. Hier haben sich in allen Regionen Formen der Kooperation herausgebildet, die einen ausreichenden Informationsfluss sicherstellen. Dadurch kann den Nutzern/Innen der Integrationsfachdienste auf Seiten der arbeitssuchenden Erwerbstätigen mit einer schweren Behinderung und auf Seiten der Arbeitgeber eine wirklich professionelle Unterstützung angeboten werden.

Obwohl absehbar ist, dass die Integrationsfachdienste im System der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen fest installiert werden, kann die Frage nach den besten Methoden der Integrationsarbeit derzeit als noch nicht beantwortet gelten. Die bayerischen Integrationsfachdienste haben das innovative Konzept bisher in wichtigen Linien umgesetzt.

Es wäre jetzt erforderlich, die Wirksamkeit der verschiedenen neuen Ansätze der anderen Bundesmodelle transparent zu machen bezüglich der Integrationsmethodik und der Wirkfaktoren der Integration.

Kontakt:

Geschäftsstelle Integrationsfachdienst Bayern e.V. - Fr. Manina Sobe

Regensburger Str. 60, 93326 Abensberg

Tel.: 09443/903157, Fax: 09443/903158

eMail: vcregensburg@vc.post.de

***

Quelle:

Verein "Integrationsfachdienst Bayern e.V.": Das Modellhafte am Modellvorhaben Integrationsfachdienst Bayern e.V.

Erschienen in: impulse Nr. 16 / Juli 2000, S.27-29

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 06.11.2006

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation