Vertragliche Beziehungen zur Regelung einer Arbeitsassistenz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Mitarbeiter aus der WfB (Werkstatt für Behinderte

Autor:in - Sabine Wendt
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 15, April 2000 impulse (15/2000)
Copyright: © Sabine Wendt 2000

1. Werkstattvertrag (WfB-Mitarbeiter)

Bei einer Ausgliederung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ändern sich die Rechtsbeziehungen zwischen WfB und dem behinderten Mitarbeiter. Es muss daher ein neuer Werkstattvertrag abgeschlossen werden. In diesem ist zu regeln, dass die WfB weiterhin Reha-Dienstleister bleibt, solange der Sozialhilfeträger den Kostensatz für den behinderten Mitarbeiter zahlt, und seine Sozialversicherung über die WfB erfolgt.

Da der Mitarbeiter jedoch nicht mehr in der WfB arbeitet, sondern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, richtet sich sein Lohnanspruch auch auf die dort erbrachte Arbeitsleistung. Dennoch wird der Lohn weiterhin von der WfB ausgezahlt, und nicht von dem Arbeitgeber, weil dieser sonst sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsgeber wäre. Dies ist in dem Überlassungsvertrag zwischen WfB und Arbeitgeber analog einem Leiharbeitsverhältnis geregelt. Die WfB muss allerdings den von dem Arbeitgeber erhaltenen Lohn in voller Höhe weiterleiten. Sie ist nicht berechtigt, davon Abzüge vorzunehmen, weil sie ihre Unkosten für die Vermittlung des Mitarbeiters von dritter Seite (Kostenträger) erstattet bekommt. Die WfB muss vertraglich ein Rückkehrrecht zusichern, solange kein unbefristeter Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber abgeschlossen wurde. Wird die Beschäftigung bei weiteren Arbeitgebern notwendig, verpflichtet sich die WfB, auch mit diesen Überlassungsverträge abzuschließen. Da die persönliche Betreuung am Arbeitsplatz durch die Arbeitsassistenz erfolgt, ist diese vertraglich mit der Arbeitsassistenz (Verträge 4, 5, 6) zu regeln.

Abbildung 1:

2. Überlassungsvertrag (WfB-Arbeitgeber)

Die WfB schließt mit dem Arbeitgeber einen Überlassungsvertrag über die Vermittlung des Mitarbeiters. Wegen der noch notwendigen persönlichen Begleitung am Arbeitsplatz ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt noch keinen Arbeitnehmerstatus hat und noch Rehabilitand der WfB ist. Nach arbeitsrechtlichen Kriterien ist hierfür die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung maßgeblich, und nicht die Tatsache, dass der Sozialhilfeträger noch einen Kostensatz an die WfB zahlt. Dies hat zur Folge, dass die Überlassung nicht nach den Regeln des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erfolgt, die eine Genehmigung durch die Arbeitsverwaltung vorschreiben.

Dieser Überlassungsvertrag wird in der Praxis z.T. Beschäftigungsvertrag genannt, und wird auch von dem Mitarbeiter unterschrieben. Da ein Vertrag zwischen drei Parteien aber rechtlich problematisch ist, ist einer Vertragsgestaltung mit jeweils zwei Personen der Vorzug zu geben, da der Mitarbeiter eine stärkere Rechtsstellung hat, wenn er eigenständige vertragliche Beziehungen zu der WfB und dem Arbeitgeber hat, und nicht lediglich Anhängsel eines Vertrags zwischen WfB und Arbeitgeber ist.

Der Überlassungsvertrag stellt gegenüber dem Arbeitgeber klar, dass der Mitarbeiter weiter Beschäftigter der WfB ist, und insoweit die Lohnzahlung und Sozialversicherung über die WfB erfolgt. Es regelt die Zeit, Art und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung, und sichert die Organisation einer persönlichen Betreuung durch die Arbeitsassistenz zu. Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Anmeldung des Mitarbeiters in der für ihn zuständigen Berufsgenossenschaft. Es ist außerdem zu klären, ob der Arbeitgeber die Verpflegung (Kantinenessen) und die Fahrtkosten übernimmt. Ist dies nicht der Fall, hat der Mitarbeiter insoweit einen Anspruch gegen die WfB aus dem Werkstattvertrag, weil diese Leistungen zu seinem gesetzlichen Reha-Anspruch gehören.

3. Arbeitserprobungsvertrag (Arbeitgeber - Mitarbeiter)

In dem Arbeitserprobungsvertrag bietet der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine für ihn geeignete Beschäftigung gemäß der Absprache in dem Überlassungsvertrag (2). Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die ihm überlassenen Arbeiten ordnungsgemäß zu erbringen, und sich in den Betrieb einzugliedern, indem er die Weisungsbefugnisse seiner vorgesetzten Arbeitskollegen akzeptiert und die betriebliche Ordnung und die Arbeitssicherheitsvorschriften einhält. Falls Kantinenessen und Fahrtkosten gewährt werden und Arbeitskleidung gestellt wird, ist dies ebenfalls zu regeln. Der Arbeitgeber informiert den Mitarbeiter über die in dem Überlassungsvertrag festgelegte Lohnhöhe und den Auszahlungsmodus an die WfB. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, Krankmeldungen sowohl dem Arbeitgeber als auch der WfB innerhalb von drei Tagen mitzuteilen, wobei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes bei der WfB einzureichen ist, weil diese krankenversicherungspflichtig ist. Der Arbeitgeber sichert ein jederzeitiges Zugangsrecht der Arbeitsassistenz zu dem Arbeitsplatz des Mitarbeiters zu, und erklärt sich bereit, bei Beendigung der Beschäftigung ein Zeugnis auszustellen. Der Urlaubsanspruch richtet sich nach den Regelungen des Werkstattvertrags, ein Urlaubsantrag ist nach Absprache mit dem Arbeitgeber gegenüber der WfB zu stellen, die auch die Lohnfortzahlung sicherstellt.

4. Dienstleistungsvertrag WfB-Arbeitsassistenz

Ein solcher Vertrag ist notwendig, wenn die Arbeitsassistenz nicht in Trägerschaft der WfB erbracht wird. Er regelt die Betreuungsaufgaben, die die Arbeitsassistenz an Stelle der WfB übernimmt. Dies ist die Erstellung eines Fähigkeitsprofils, die Suche eines geeigneten Arbeitsplatzes, die Sozialberatung, die persönliche Betreuung an dem Arbeitsplatz. Die WfB stellt hierfür die notwendigen Unterlagen (Einsicht in die Reha-Akten nach Zustimmung des Mitarbeiters) zur Verfügung. Die Vergütung für diese Tätigkeiten erfolgt durch die zuständigen Reha-Träger. Soweit diese in den Kostensatz der WfB einfließen (z. B. Sozialberatung) muss ein Kostenausgleich erfolgen, wenn diese Dienstleistung an Stelle der WfB von der Arbeitsassistenz erbracht wird. Der jeweilige Kostenträger ist darüber zu informieren, um eine Doppelabrechnung zu vermeiden.

5. Assistenzvertrag Mitarbeiter-Arbeitsassistenz

In dem Assistenzvertrag sichert die Arbeitsassistenz die mit der WfB abgesprochene (4) und mit dem Arbeitgeber vereinbarte (6) Dienstleistung dem Mitarbeiter zu. Der Mitarbeiter erklärt sich gegenüber der Arbeitsassistenz zur Mitwirkung bereit, insbesondere durch Erlaubnis der Einsicht in seine Unterlagen bei der WfB und den behandelnden Ärzten, soweit notwendig. Wenn es einen persönlichen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz gibt, regelt dieser Näheres zum Umfang der Betreuungsleistung.

6. Dienstleistungsvertrag Arbeitgeber- Arbeitsassistenz

In diesem Vertrag wird die Betreuungsleistung der Arbeitsassistenz am Arbeitsplatz vereinbart:

dazu gehört das Zugangsrecht zu Betrieb, die Gesprächsbereitschaft des Arbeitgebers, die Erreichbarkeit der Arbeitsassistenz für den Arbeitgeber. Dem Arbeitgeber wird die unentgeltliche Erbringung dieser Dienstleistung zugesichert. Dazu gehört auch die Beratung des Arbeitgebers für die für ihn in Frage kommenden Reha-Leistungen. Falls mehrere Probanten bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt werden, reicht ein für alle Betreuungen geltender Vertrag aus.

Dr. Sabine Wendt, Bundesvereinigung Lebenshilfe - Marburg

Werkstattvertrag - Vorbemerkung

(bei einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt)

Die Werkstätten (WfB) sind gemäss §54b Abs. 3 SchwbG verpflichtet, Werkstattverträge mit den bei ihnen beschäftigten Rehabilitanden abzuschliessen. Ändert sich der Beschäftigungsort, indem der Rehabilitand nach einem Praktikum ein befristetes Probearbeitsverhältnis in einer Firma des allgemeinen Arbeitsmarkts aufnimmt, ändert sich auch das Rechtsverhältnis zu der WfB. Dies gilt auch dann, wenn der Rehabilitand weiterhin Werkstattangehöriger bleibt, weil der Sozialhilfeträger nach §41 BSHG Eingliederungshilfe gewährt. Nach der Praxis einiger Träger der überörtlichen Sozialhilfeträger ist dies für einen Zeitraum einer Probebeschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis zu zwei Jahren lang möglich.

Werkstattvertrag (bei einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt)

zwischen (der Werkstatt für Behinderte / WfB, Anschrift)

________________________________________

(Reha-Dienstleister)

und

Frau/Herr ______________

Anschrift __________________ Geburtsdatum: ________

ggf. vertreten durch _______________

(Rehabilitand) wird folgende

Vereinbarung

über Betreuungsleistungen geschlossen:

§ 1 Änderung des Beschäftigungsorts

Frau / Herr__________________wird von dem Arbeitgeber (Anschrift ) __________________ in eine bezahlte befristete Beschäftigung als ___________________ übernommen. Bis zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags zahlt die WfB die Sozialversicherungsbeiträge weiter, und erhält den Kostensatz des zuständigen Reha-Trägers, weil Frau / Herr __________________ weiter Werkstattangehöriger bleibt, so lange das Kostenanerkenntnis des Reha-Trägers nicht beendet wird. Die WfB informiert den Reha-Träger über den neuen Beschäftigungsort und die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung.

§ 2 Leistungen der Werkstatt

Die WfB ist arbeitsrechtlich verantwortlich für die Beschäftigung, auch wenn diese an einem anderen Ort erfolgt. Sie verleiht den/die Rehabilitand(in) im Rahmen des befristeten Beschäftigungsvertrags mit der Firma _____________, in dem sie diese(n) für die in dem Vertrag angegebene Dauer von einer Beschäftigung in der WfB freistellt. Sie ist berechtigt, das Arbeitsentgelt für den/die Rehabilitand(in) entgegenzunehmen, und leitet dieses ohne Abzug an diese(n)weiter. Da die WfB an dem Verleih nichts verdient, findet das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz keine Anwendung. Sie führt die Sozialversicherungsbeiträge und die Abgaben nach den jeweils zutreffenden gesetzlichen Vorschriften ab. Für den Fall einer vorzeitigen Beendigung und einer Nichtverlängerung des Arbeitsvertrags mit der o.g. Firma wird der/die Rehabilitand(in) in der WfB weiterbeschäftigt. Die Tätigkeit erfolgt aufgrund eines gemeinsam erarbeiteten Reha-Förderplans, es wird ein Werkstattvertrag abgeschlossen. Der/Die Rehabilitand(in) hat die Möglichkeit, sich auf Wunsch in ihrer Freizeit an den begleitenden Massnahmen der WfB zu beteiligen.

Soweit in dem o.g. Kostensatz Fahrtkosten enthalten sind, werden diese für die Fahrten zu der o.g. Firma zur Verfügung gestellt, und nach monatlicher Abrechnung mit dem Lohn überwiesen, desgleichen Verpflegungskosten.

§ 3 Verpflichtung des/der Rehabilitand/in

Der/die Rehabilitand(in) verpflichtet sich, den Anweisungen der Vorgesetzten der o.g. Firma zu folgen. Er/Sie kooperiert mit der begleitenden Arbeitsassistenz (Adresse) ____________________ Er/Sie ermächtigt die WfB, das Arbeitsentgelt mit der o.g. Firma gemäss dem Beschäftigungsvertrag zwischen der WfB und der Firma (in Anlage beigefügt) abzurechnen. Eine Krankmeldung ist am ersten Abwesenheitstag der o.g. Firma mitzuteilen, die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der WfB und in Kopie der Firma weiterzuleiten. Die Entgeltfortzahlung erfolgt durch die WfB.

§ 4 Urlaub

Der/die Rehabilitand(in) hat gemäss Vereinbarung mit der o.g. Firma _________Tage Urlaub, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mindestvorschriften, er ist bei dieser zu beantragen. Die Entgeltfortzahlung erfolgt durch die WfB.

§ 5 Beendigung des Vertrags

  1. Der Vertrag endet mit dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

  2. Beendet der Sozialleistungsträger seine Kostenzusage endet der Vertrag mit dem Tag, der in dem bestandskräftigen Bescheid genannt ist.

  3. Bei Rückkehr in die WfB endet der Vertrag durch einen neu abgeschlossenen Werkstattvertrag.

  4. Der/Die Rehabilitand(in) kann den Vertrag durch eine schriftliche Erklärung mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende kündigen.

§ 6 Schweigepflicht und Datenschutz

Die Mitarbeiter der WfB verpflichten sich, den Datenschutz und die Schweigepflicht über die persönlichen Angaben des/der Rehabilitand/in zu wahren, soweit sie nicht durch eine gesondert abgegebene Erklärung derselben oder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung (§60 SGB I) zur Datenweitergabe berechtigt sind. Der/Die Rehabilitand(in)bzw. der ges. Vertreter haben ein Akteneinsichtsrecht. Wenn es im Einzelfall erforderlich ist, werden die behandelnden Ärzte durch gesonderte Erklärung von der Schweigepflicht entbunden.

§ 7 Abschlussbestimmungen

  1. Änderungen dieses Vertrags und Nebenabreden werden von den Vertragsparteien schriftlich bestätigt.

  2. Sollte eine Vertragbestimmung aus materiellen oder formellen Gründen rechtsungültig sein oder werden, so sind sich die Vertragsparteien einig, dass hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt wird. An Stelle der ungültigen Bestimmungen tritt eine vertragliche Vereinbarung, die dem erkennbaren Willen der Beteiligten entspricht.

_______________________________________

(Ort) (Datum)

________________________________

(Unterschrift Werkstattvertreter/in) (Unterschrift Rehabilitand/in) ggf. Betreuer

Anlagen:

1. Beschäftigungs-Überlassungsvertrag mit der Firma ______

2. Dienstleistungsvertrag mit der Arbeitsassistenz

3. Kostensatz des Sozialhilfeträgers für die Betreuung in der WfB

Quelle:

Sabine Wendt: Vertragliche Beziehungen zur Regelung einer Arbeitsassistenz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Mitarbeiter aus der WfB (Werkstatt für Behinderte)

Erschienen in: impulse Nr. 15 / April 2000

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 08.02.2005

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