Entwicklungen und Visionen von Unterstützter Beschäftigung

Autor:in - Detlev Jähnert
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 14, Dez. 1999 impulse (14/1999)
Copyright: © Detlev Jähnert 1999

Entwicklungen und Visionen von Unterstützter Beschäftigung

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich darf mich zunächst bei der BAG UB, für die Einladung zu diesem Impulsreferat bedanken.

Wenn auch 10 Tage zu früh, feiern wir heute Abend das fünfjährige Bestehen der BAG UB. Diese 5 Jahre sind schon ein kleines Wunder. Viele von Ihnen werden sich noch erinnern, vom 4. - 6. März 1994 fand in Hamburg die Fachkonferenz "Wo anders arbeiten" statt. Ich denke nur wenige die damals an dieser, der Vorbereitung der Gründung der BAG UB dienenden Tagung mitgewirkt haben, hätten die folgende Entwicklung voraus gesagt.

Ich will, wie mir aufgetragen, einige wenige Eckpunkte dieser Entwicklung benennen:

1. Quantitative Ausweitung

Da ist als Erstes die quantitative Ausweitung von Integrationsfachdiensten, wie sie dem Informationsblatt "impulse" zu entnehmen ist:

  • Im Januar 1996 gab es 75 Integrationsfachdienste in Deutschland,

  • im Juni 1996 sind es bereits 100,

  • im Sept. 1997 ist die Zahl dann auf 120 angestiegen,

  • im Juni 1998 vermeldet die BAG UB dann 150 Integrationsfachdienste und

  • im Juni 1999 wird die Anzahl mit mehr als 175 Integrationsfachdiensten angegeben.

Auch die AG der Deutschen Hauptfürsorgestellen vermeldet eine ähnliche Entwicklung. Während sie in ihrem Jahresbericht 94/95 von einer beachtlichen Zahl schreibt, lesen wir im Bericht 95/96, dass in Deutschland ... aktuell bereits 80 Integrationsfachdienste existieren. Im nächsten Bericht ist dann die Anzahl auf 110 gestiegen um im Letzten vorliegenden Bericht (97/98) zu lesen, dass es nunmehr 127 Dienste sind.

So erfreulich diese quantitative Entwicklung auch ist, wichtig ist ein ganz anderes Ergebnis, und das lautet: 1997 wurden 847 schwer behinderte Menschen mit Unterstützung der Integrationsfachdienste in unbefristete Arbeitsverhältnisse eingegliedert. Dazu kommen noch einmal 598 mit befristeten Arbeitsverträgen. D.h. 1.432 schwer behinderte Frauen und Männer erhalten jetzt die Möglichkeit, sich auf dem Arbeitsmarkt zu beweisen, erzielen ein eigenes Einkommen und können sich im Idealfall aus ihrer Abhängigkeit von der Sozialhilfe lösen.

Ohne hier jetzt auf die genauen Zahlen einzugehen, ich gehe davon aus, dass ein Teil der Praktikantinnen und Praktikanten nach dem durch die Fachdienste vermittelten Praktikum beschlossen hat, doch in der Werkstatt für Behinderte zu bleiben oder sich dort eingliedern zu lassen. Das ist eine dann eine Entscheidung, bei der wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, welchen Autonomiefortschritt mit dieser Entscheidung, die vor der Arbeit der Integrationsfachdienste so nicht möglich war, verbunden ist - Wahlfreiheit.

2. Politische Akzeptanz

Als zweiten Punkt will ich auf die zunehmende politische Akzeptanz der Unterstützten Beschäftigung hinweisen. Dies lässt sich z.B. nachvollziehen an den Behindertenberichten der Bundesregierung. Während im zweiten Bericht der Bundesregierung die Ausgliederung aus der Werkstatt noch keine Rolle spielte, lesen wir im dritten Bericht (1994):

"Unter entsprechend günstigen Voraussetzungen und nach angemessenen Fördermaßnahmen ist es möglich, einen geringen Teil der Werkstattbeschäftigten außerhalb der Werkstatt auf Arbeitsplätzen in Betrieben oder im öffentlichen Dienst zu beschäftigen. Der Bundesdurchschnitt liegt zurzeit unter 1 v.H. Deshalb müssen die Bemühungen, eine größere Anzahl Werkstattbeschäftigter in dauerhafte Arbeitsverhältnisse zu vermitteln, verstärkt werden.

Im vierten Bericht (1998) heißt es:

"Ein Teil der arbeitslosen Schwerbehinderten (zur Erinnerung: Werkstattbeschäftigte sind keine Arbeitslosen) kann - auch unter Ausschöpfung der schon bestehenden Fördermöglichkeiten - nur dann in das Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert werden, wenn besondere externe Fachdienste (Integrationsfachdienste) zur Unterstützung der Arbeitsverwaltung bei der Vermittlung und zur Unterstützung der Hauptfürsorgestellen bei der nachgehenden arbeitsbegleitenden Betreuung zur Verfügung stehen; dies gilt insbesondere für Ältere, Langzeitarbeitslose, unzureichend beruflich qualifizierte oder wegen Art und Schwere der Behinderung besonders Betroffene".

Die neue Bundesregierung hat natürlich noch keinen Bericht zur Lage der Behinderten vorgelegt. Hilfsweise zitiere ich hier aus der Rede des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Behinderten vom 28.01.99 im Deutschen Bundestag.

"Wir werden dem vierten Bericht der Bundesregierung folgen. Wir wollen die Integrationsfachdienste ausbauen, um zu erreichen, dass gewissermaßen eine spezielle Arbeitsvermittlung für diesen Teil der benachteiligten Bevölkerungsgruppen eingerichtet wird. Insofern meine ich, dass es nur eine zynische und faule Ausrede ist, wenn man sich darauf zurückzieht, dass die Vermittlung und die Beschäftigung von behinderten Menschen in unserer Gesellschaft zu bürokratisch organisert und zu teuer ist. Man muss sich da nur um die entsprechenden Fachdienste kümmern. Dann wird man feststellen, dass dies nicht der Fall ist. Wir leben darüber hinaus in einer Umbruchsituation. Viele behinderte Menschen in unserer Gesellschaft möchten nicht mehr in Werkstätten für Behinderte, die klassische Form der Beschäftigung, gehen, sondern einen Weg finden, in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen."

Lieber Karl-Hermann ich wünsche dir für deine in der gleichen Rede angekündigten Gespräche darüber, den Modellversuch vorzeitig abzubrechen und die Erfahrungen umzusetzen, viel Erfolg.

3. Projekt Unterstütze Beschäftigung 2000

Neben den zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen, die von der BAG UB organisiert wurden, den ungezählten Terminen, die insbesondere Stefan wahrgenommen hat und wo er immer überzeugend, das gilt zumindest für die Veranstaltungen an denen ich teilgenommen habe, für die Ziele der UB ficht, der mehr oder weniger regelmäßigen Herausgabe eines eigenen Informationsblattes und der Veröffentlichung zahlreicher Materialien, ich erinnere hier an die gemeinsame Stellungnahme der BAG Integrationsfirmen, der BAG UB und des Sozialverbandes Reichsbund zur Weiterentwicklung der Integrationsfirmen und Integrationsfachdiensten, hat die BAG UB am 1.10.1998 auch noch das Projekt Unterstützte Beschäftigung 2000 begonnen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, welche Mühe es macht, die mittlerweile kaum noch überschaubare Sammlung an Erfahrungsberichten, wissenschaftlichen Forschungsberichten oder Konzeptionspapieren im Auge zu behalten oder sich zu besorgen. Ich kann das auch anders ausdrücken: welche Arbeitserleichterung es für mich bedeutet, die zahlreichen Anfragen nach Material zum Thema unterstützte Beschäftigung mit einem Hinweis auf das Projekt Unterstütze Beschäftigung 2000 beantworten zu können. Und ich bin sicher, gerade die Verfügbarkeit dieser Materialien trägt dazu bei, dass die Idee der Unterstützen Beschäftigung immer mehr Verbreitung findet.

Für das Nds. Bündnis Unterstütze Beschäftigung, in dem ich mitarbeite kann ich jedenfalls feststellen, wenn wir Informationen, Literatur oder Referenten benötigten, durch das Projekt Unterstütze Beschäftigung 2000 wurde uns immer schnell geholfen.

4. Berufsbegleitende Qualifizierung Unterstützte Beschäftigung

Ich habe bereits über die quantitative Ausweitung der Arbeit der Integrationsfachdienste berichtet. Diese war natürlich nur möglich, weil es gelang, auch entsprechendes Personal für diese Aufgabe zu finden. Nach den Jahresberichten der AG der Deutschen Hauptfürsorgestellen waren es 1998 fast 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein großer Teil von ihnen ist ja heute auch hier. Wo kamen sie her, was haben sie vorher gemacht, welche Ausbildung/Qualifikation haben sie. Jedenfalls sind sie keine ausgebildeten IntegrationsberaterInnen, diese Ausbildung gibt bzw. gab es bisher ja nicht.

Von daher war es höchste Zeit eine berufsbegleitende Qualifizierung zur Unterstützten Beschäftigung zu entwickeln und anzubieten. Die Arbeit die sie leisten, ist eine hochkomplexe, und es ist für die weitere Entwicklung der Unterstützen Beschäftigung hilfreich, wenn Ihnen die Grundlagen der Unterstützen Beschäftigung angeboten werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte noch einmal daran erinnern, wir feiern heute Abend nicht das 20-jährige Bestehen der BAG UB, sondern es sind gerade 5 Jahre. Und vergessen wir dabei nicht, unter welchen unsicheren Arbeitsbedingungen dies alles begann, ein halbtags arbeitender Geschäftsführer, dessen Gehalt zunächst nur bezahlt werden konnten, weil Vorstandsmitglieder private Kredite gaben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit AB-Verträgen arbeiten müssen und wie gerade in der letzten "impulse" zu lesen war, unendliche Probleme bei der Absicherung der Arbeitsassistenten für Beschäftigte der BAG UB.

Ich denke es ist hier ein angemessener Ort, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BAG UB, dem Vorstand und allen die ehrenamtlich an der Entwicklung der BAG UB mitgewirkt haben und mitwirken, unseren herzlichen Dank auszusprechen, was ich hiermit und wie ich denke im Namen aller Anwesenden tun will.

5. Visionen

Ich bin gebeten worden, Visionen zu entwickeln. Ich gebe zu, ich tue mich damit diesmal recht schwer. Ich habe so etwas ähnliches schon einmal auf der Fachtagung "Wo anders arbeiten" versucht, und wenig von dem, was ich damals vorhersagte ist eingetreten.

Also schaue ich zunächst noch einmal zurück, denn, nicht nur wer nicht weiß wo er hin will wundert sich, wo er ankommt, sondern auch wer seinen Ausgangspunkt vergisst, verliert leicht den Weg aus den Augen. Ich habe also sinnbildlich das bereits leicht vergilbte Konzept "Unterstützte Beschäftigung - Diskussionsgrundlage" aus 1995 ausgegraben. Lassen sie mich daraus einige Kernaussagen zitieren.

1.

"Unterstützte Beschäftigung ist bezahlte Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit anfänglicher, mi zeitweiser oder wenn nötig auch mit dauerhafter Unterstützung am Arbeitsplatz für Personen mit Behinderungen."

.

Es ist ganz wichtig, dass wir uns wieder an die anfängliche, zeitweise und vor allem an die dauerhafte Unterstützung am Arbeitsplatz erinnern. Ich habe den Eindruck, dieser Ansatz ist mit der Ausweitung der Fachdienste zunehmend verloren gegangen. Es ging aber nie und es sollte auch zukünftig nicht darum gehen, nur die, die so fit sind, dass sie nicht in der Werkstatt Aufnahme finden, einzugliedern. Es ging, und muss auch weiterhin darum gehen, die einzugliedern, die auf umfangreiche Hilfe angewiesen sind. Hier sollten wir uns auch nicht ins Bockshorn jagen lassen. Natürlich ist es leichter die "olympiareifen" von mir aus auch die "paralympics-reifen" einzugliedern, bei den anderen darf es aber nicht unmöglich sein. Udo Sierck hat 1988 auf dem ersten Alternativen Werkstättentag ausgeführt.

"Viel versprechend erscheint vor allem die Idee der unterstützen Beschäftigungsverhältnisse, wie sie in den USA mit großem Erfolg praktiziert wird. Der Grundgedanke ist, dass alle Hilfen, die in der WfB angeboten werden, auch an einem regulären Arbeitsplatz zur Verfügung stehen und behinderte Menschen in einem regulären Betrieb ihren Platz finden können, wobei es wichtig ist, nicht von vornherein einen Trennungsstrich zwischen körperbehinderten und geistig behinderten Menschen zu ziehen".

Hätte er stattdessen gesagt: In 11 Jahren werden in Deutschland 175 Integrationsfachdienste dazu beitragen, die Einbahnstraße WfB in eine offenere Einrichtung zu verändern, er wäre ausgelacht worden. Er hätte aber auch mit dieser Aussage Recht gehabt. Lassen wir uns also nicht beirren, von mir aus auch auslachen, aber es muss uns gelingen, auch die schwerer behinderten unter den Schwerbehinderten, wenn nötig mit dauerhafter Unterstützung, einzugliedern.

2.

"Anders als in herkömmlichen Rehabilitationssystemen werden die Unterstützungsleistungen nicht in Institutionen, sondern in ambulanter Form vorgenommen."

Diese Forderung ist für die 175 Integrationsfachdienste erreicht. Aber reicht das? Nein! Mit Ausnahme in Hamburg ist es bisher anscheinend nicht gelungen, die Ausbildung schwer behinderter Menschen ambulant zu organisieren. Aber gerade dies ist wichtig. Es macht nach wie vor keinen Sinn, Schwerbehinderte in der Werkstatt für Behinderte für die Arbeit in der Werkstatt auszubilden, wenn diese nicht mit Sicherheit sagen können, ob sie dort überhaupt arbeiten wollen, oder sich nie entscheiden konnten, weil sie nie etwas anderes kennen gelernt haben. Hier bedarf es noch verstärkter Anstrengungen unsererseits, insbesondere die Arbeitsverwaltung zu überzeugen. Und wenn es denn nicht anders geht, muss eben die Rechtsgrundlage hierfür geschaffen werden. Hier bietet das SGB IX vielleicht einen Ansatz.

Ich mache hierzu einen konkreten Vorschlag: Die Werkstätten fordern zu Recht, dass das Arbeitstraining auf drei Jahre ausgeweitet wird. Eine Forderung, der wir uns anschließen können - mit einer kleinen Einschränkung: Das erste Jahr muss ambulant organisiert werden, z.B. durch Integrationsfachdienste: Der Schwerbehinderte lernt in diesem Jahr verschiedene Arbeitsplätze kennen, auch die WfB, und kann dann entscheiden, wo er seine Ausbildung fortsetzen will.

3.

"Die berufliche Rehabilitation ist ein selbstbestimmter Prozess der Arbeitssuchenden mit Behinderung. Maßnahmen der "Unterstützten Beschäftigung" werden in partnerschaftlicher Weise der Unterstützung suchenden Person angeboten".

Die Selbstbestimmung der Kunden der Integrationsfachdienste darf sich nicht auf die selbtbestimmte Möglichkeit beschränken, den Dienst in Anspruch zu nehmen oder eben nicht. Die BAG UB ist dem Ansatz der Selbstbestimmung treu geblieben. Dies belegt nicht zuletzt die aktive Einbeziehung der unterstützten ArbeitnehmerInnen in diese Jahrestagung. Jedoch vermisse ich bei den vorliegenden Projektberichten Hinweise darauf, wie die unterstützten Arbeitnehmerinnen in den Prozess der Unterstützten Beschäftigung einbezogen werden. Und damit meine ich nicht nur den individuellen Eingliederungsprozess sondern auch die verantwortlich Mitgestaltung der unterstützen ArbeitnehmerInnen in z.B. Vorständen, Beiräten o.Ä.. Unterstützte Beschäftigung ist nicht in erster Linie ein Beschäftigungsprogramm für Pädagogen oder andere Berufsgruppen sondern dient der beruflichen Eingliederung behinderter Menschen. Und die müssen verantwortlich mitenstscheiden wie die Arbeit organisiert wird. Stammtische o.a. Freizeitaktivitäten, so wichtig sie auch sind, reichen nicht aus.

4.

"Fachdienste der beruflichen Integration arbeiten als eigenständige und unabhängige Anlaufstellen einer Region."

Diesen Anspruch konnten wir in den letzten fünf Jahren nicht durchsetzen. Wenn ich es richtig einschätze, ist die Unabhängigkeit der Integrationsfachdienste in den letzten Jahren eher eingeschränkt worden. Das hängt auch damit zusammen, dass es nicht gelungen ist,

5.

"Fachdienste der beruflichen Integration durch eine Mischfinanzierung aller betroffenen Kostenträger" abzusichern. "In erster Linie die Bundesanstalt für Arbeit, die Sozialhilfeträger., die Kultur - bzw. Schulbehörde, die Versicherungsanstalten, die Berufsgenossenschaften sowie die Hauptfürsorgestellen".

Die Realität ist, dass in der Regel Hauptfürsorgestellen die Fachdienste finanzieren. Da liegt es nahe, wenn diese die Fachdienste an die Psychosozialen an gliedern. Dies hat, das ist nicht von der Hand zu weisen, auch Vorteile, die Unabhängigkeit der Fachdienste fördert es aber nicht. Ich komme aus Niedersachsen, dort ist gerade in Celle durch den Reichsbund mit alleiniger Finanzierung des Arbeitsamtes ein Fachdienst eingerichtet worden. Dieser darf nur Schwerbehinderte beraten und vermitteln, die das Arbeitsamt benennt, also keine Werkstattbeschäftigten, keine (zukünftigen) Schulabgänger. Von ähnlichen Problemen im Rahmen des BMA-Modellversuches hat Stefan Doose in der letzten Ausgabe der "impulse" berichtet. So wir die Unabhängigkeit nicht gemeint.

6.

"Die Angebote der Fachdienste stehen allen Personen mit Behinderung offen, sie sind nicht auf bestimmte Behinderungsarten begrenzt".

Der aktuelle Trend scheint mir eher in die andere Richtung zu gehen: behinderungsspezifische Integrationsfachdienste. Dies halte ich für eine falsche Entwicklung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe schon mehrmals auf das jetzt in der Diskussion befindliche SGB IX hingewiesen. In meinen Unterlagen, ebenfalls aus 1995, befindet sich eine Stellungnahme der BAG UB zum damals diskutierten Sozialgesetzbuch. Dieses ist mit Blick auf die jetzt vorgelegten Eckpunkte damals zum Glück nicht verabschiedet worden. Eine Stellungnahme der BAG UB zu dem neuen Anlauf fehlt allerdings bisher. Dies ist bedauerlich, weil in dem Eckpunktepapier, so dessen Inhalte in das Gesetz einfließen, die Arbeit der Integrationsfachdienste abgesichert würde. In der Fassung vom 16.09.1999 ist zu lesen,

"Neuregelung der Verwendung der Ausgleichsabgabe, auch zur Finanzierung neuer, zusätzlicher Instrumente zur Eingliederung (Schwer-) Behinderter auf dem allgemeine Arbeitsmarkt (wie Integrationsfachdienste, Integrationsfirmen, -betriebe, abteilungen)". Und weiter: "Im SGB IX muss eine eindeutige Regelung der Zuständigkeit und der Finzierungsverantwortung (für notwendige Arbeitsassistenz) getroffen werden".

Wie wahr.

Aber ich rege an, dass wir uns damit nicht begnügen sollten. Wir sollten uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass das neue SGB IX ein Leistungsgesetz wird. Es wird sich im Laufe dieser Tagung ja noch eine Gruppe mit dem SGB IX beschäftigten. Lassen sie mich schon einen konkreten Vorschlag machen. Im SGB IX sollte die institutionelle Förderung behinderter Menschen neu geregelt werden. Es ist festzulegen, das zukünftig behindertem Menschen anstatt institutioneller Förderung ein angemessener Barbetrag zur Verfügung gestellt wird, mit dem sie die Dienstleistung, auf die nach dem SGB IX Anspruch haben, dort einkaufen können, wo sie dies wünschen. Sie können entscheiden, ob sie mit dem zur Verfügung gestellten Geld (Budget) z.B. einen Platz in einer WfB, die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit Unterstützung eines Integrationsfachdienstes oder die Subventionierung eines ihnen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzes finanzieren".

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die nächsten fünf Jahre werden der weiteren Absicherung der Arbeit der Integrationsfachdienst dienen. Ich will ihnen nun doch eine Vision anbieten, die aber nicht von selbst kommt, für die wir uns alle gemeinsam einsetzen müssen.

Ich wünsche mir, dass wir uns in 5 Jahren während der Jahrestagung der BAG UB wieder treffen und folgende Situation vorfinden:.

Wir haben bundesweit ein flächendeckendes Netz von eigenständigen und unabhängigen Integrationsfachdiensten, dessen Dienstleistung von allen Menschen mit Behinderung, unabhängig von der Art ihrer Behinderung genutzt werden kann. Dies ist möglich, weil jeder behinderte Mensch über sein eigenes Budget verfügt, mit dem er die Dienstleistung der Integrationsfachdienste bei Bedarf einkaufen kann. In allen Diensten arbeiten unterstütze ArbeitnehmerInnen an verantwortlicher Stelle (Vorstand oder Beirat) mit und zunehmend auch als Integrationsfachkräfte. in den Fachdiensten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin sicher, wenn diese Vision Realität wird, haben wir auf den Jahrestagungen der BAG UB immer noch genügend Stoff für spannende Diskussionen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Geduld

von Detlev Jähnert - Hannover

Quelle:

Detlev Jähnert: Entwicklungen und Visionen von Unterstützter Beschäftigung

Erschienen in: impulse Nr. 14 / Dezember 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 15.02.2005

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