"Selbstbestimmung - Wie nehme ich mein Leben in die Hand? Wie vertrete ich mich selbst?"

Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Seminar für unterstützte ArbeitnehmerInnen mit Behinderungen aus ganz Deutschland am 29.9.199. erschienen in: impulse Nr. 14, Dez. 1999 impulse (14/1999)
Copyright: © Anke Orbitz, Martina Puschke 1999

Was ist Selbstbestimmung eigentlich?

Erst einmal haben wir gesammelt, was für uns Selbstbestimmung ist. Dazu gehört: Schlafen wann ich will und solange ich will, was ich arbeite, wie ich mich anziehe, mein Geld einteilen, essen was ich will, ob ich heiraten will, meinen Partner oder meine Partnerin selber aussuchen, wann ich die Haare schneide und welche Unterstützung ich brauche.

Wie geht selbstbestimmt leben?

Danach haben wir uns gefragt, wie Selbstbestimmung gehen kann. Wenn ich selbstbestimmt leben will, muß ich erst einmal wissen, wie ich leben will. Ich muß es anderen sagen. Ich muß meine Rechte und meine Pflichten kennen. Ich muß selber entscheiden können, was ich will. Ich muß auch träumen dürfen. Und ich muß die Informationen bekommen, die für mich wichtig sind.

Was mache ich, wenn ich unzufrieden bin in der WfB?

Einer aus unserer Arbeitsgruppe hat erzählt, daß es ihm in der WfB überhaupt nicht mehr gefällt. Einige andere haben erzählt, daß sie auch lieber "draußen" arbeiten wollen. Wir haben dann zusammen überlegt, was man tun kann, wenn man in der WfB nicht zufrieden ist. Das ist dabei rausgekommen:

  • Sich zusammenschließen und Unterstützung suchen

  • Sich beschweren

  • Sich Hilfe holen beim Werkstattrat

  • Gespräche mit der Heimleitung oder Wekstattleitung führen (es muß nicht nur eine Person alleine hingehen, wenn zwei gehen, können sie sich gegenseitig stärken)

Was tun, wenn jemand wirklich nicht mehr in der WfB arbeiten will?

Diese Frage haben wir uns gestellt. Uns sind ganz viele Ideen eingefallen, was Einzelne dann tun können:

  1. Meine Wünsche erzählen (vor allen Dingen den Leuten, die mir helfen können, zum Beispiel der Gruppenleitung, Personen, denen ich vertraue, der Werkstattleitung)

  2. Eine Person suchen, der ich vertraue und die mir helfen kann

  3. Ich muß verantwortliche Personen, davon überzeugen, daß ich außerhalb der Werkstatt arbeiten kann

  4. Ich muß meine Stärken und meine Schwächen kennen

  5. Wenn ich andere kenne, die es geschafft haben, woanders zu arbeiten, kann ich sie fragen, wie sie es gemacht haben

  6. Ich kann gute Beispiele von anderen, die es geschafft haben, erzählen

  7. Ich kann den Vorschlag machen, mal ein Praktikum zu machen

  8. Ich kann Kontakt zu Organisationen aufnehmen, die sich auskennen

  9. Ich muß nicht alles alleine machen können. Vielleicht brauche ich auch Unterstützung oder Assistenz bei meiner Arbeit.

  10. Es ist klar, daß ich manchmal auch Angst habe, die Werkstatt zu verlassen, wenn ich schon lange da bin. Wenn ich was Neues anfange, darf ich auch ein bißchen Angst haben!

Nur darüber reden bringt nichts!

"Am besten, wir üben diese Schritte gleich mal!" Und das haben wir dann gleich gemacht. Alle, die wollten, konnten mitmachen bei den Rollenspielen. Es hat uns allen Spaß gemacht, auszuprobieren, wie solche Gespräche in Wirklichkeit ablaufen können. Es war spannend, zu üben, sich die Meinung zu sagen. Toll, daß so viele mitgemacht haben. Wir sind alle ein bißchen schlauer geworden!

von Anke Orbitz; Martina Puschke, Projekt "Wir vertreten uns selbst" - Kassel

Quelle:

Anke Orbitz und Martina Puschke: "Selbstbestimmung - Wie nehme ich mein Leben in die Hand? Wie vertrete ich mich selbst?"

Erschienen in: impulse Nr. 14 / Dezember 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 21.02.2005

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