Ora et labora II... oder "Humor ist, wenn man trotzdem lacht"

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 14, Dez. 1999 impulse (14/1999)
Copyright: © Stefanie Neu-Schrader 1999

Ora et labora II... oder "Humor ist, wenn man trotzdem lacht"

Komm näher geneigter Leser, Sie erinnern sich vielleicht noch an den ersten Teil meiner Odyssee "Arbeitsassistenz"...berichtet in impulse Nr. 12; Juni 1999 .... ?!

Hier nun die versprochene Fortsetzung:

Nachdem wir ja fast - wie Sie vielleicht noch wissen - im vermeintlich gesicherten Hafen gelandet waren, erreichte uns kurz vor der Hafeneinfahrt die BfA-Sturmflut. In Bruchteilen von Sekunden wurde ich (wir) von den anstürmenden Wellen mit Wucht zurück auf die unendlichen Weiten der Paragraphen- und Zuständigkeits-Ozeane der allzeit gegenwärtigen Behörden und Verwaltungen gespült.

Wie von hier aus die Reise weiterging und geht, davon will ich Ihnen kurz und knapp berichten:

Logbuch der SMS "NEU-SCHRADER" beginnend Ende März 1999 auf der weiteren Odyssee zu einem potentiell sicheren und beständigen Hafen namens "Absicherung (m)einer Arbeitsassistenz":

Nachdem wir das Festland schon zu riechen glaubten, spülte uns dann doch (nicht gehofft aber befürchtet) besagte Sturmflut in Form einer "formlosen" BfA-Beschwerde beim Sozialgericht Lüneburg wieder auf offene stürmische See.

Anfang Mai (7.5.99) folgte die Begründung der eingereichten Beschwerde und wurde dem Sozialgericht vorgelegt. Damit wurde die Einstweilige Anordnung des Sozialgerichtes Lüneburg an die nächst höhere gerichtliche Instanz, hier: das Landessozialgericht Celle weitergereicht (14.5.99)

Zu diesem Zeitpunkt war das Sozialamt Lüneburg zum zweiten Mal (1.4.-31.6.99) für die Heuer meiner Arbeitsassistenten-Crew in Vorleistung getreten. In dem Glauben endlich "unbürokratische Amtshilfe" zu erhalten, um mein eh schon stark lädiertes Kreuz wenigstens hierbei zu entlasten - normalerweise soll ja bekanntlich der Glaube Berge versetzen - hoffte, argumentierte und betete ich (wir) weiter. Aber hier hatte dieser berühmte Satz keinerlei Bedeutung, geschweige denn Gültigkeit.... im Gegenteil die Fronten standen nun endgültig fest. Die Klage trat in Kraft......

Ein dritter Antrag erging an das Sozialamt Lüneburg zwecks weiterer Kostenübernahme für meine "Matrosen" um ein Abheuern bzw. eine Meuterei zu verhindern.

Die Begründung seitens des Landessozialgerichtes Celle zur oben genannten Einstweiligen Anordnung lautete in der Kurzfassung wie folgt:

" .... kein Anordnungsanspruch gegeben...Sie (die Klägerin) habe keinen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz, da die Gewährung von Reha-Maßnahmen im Ermessen des Rentenversicherungsträgers (hier: BfA) stehe. Sie habe daher lediglich einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung, die im Hauptsacheverfahren zu überprüfen sei. Es sei nicht offensichtlich, daß diese Ermessensentscheidung allein im Sinne des Begehrens der Antragstellerin getroffen werden müsse ......" und so weiter und so fort.

Es würde hier den Rahmen sprengen die siebenseitige Begründung des Landessozialgerichtes im Detail wiederzugeben. Sollte dennoch bei dem einen oder anderen dieses Interesse bestehen kann der LSG-Schriftsatz gerne bei der BAG UB abgefordert werden. Es bedurfte einer etwas längeren Richtigstellung seitens meines Anwaltes, damit der tatsächliche Sachverhalt nicht in dem Wirbelsturm der Unzulänglichkeiten verloren ging.

Es folgte - wie in solchen Fällen immer - ein hin und her von Kläger- und Beklagtenseite, bis das Sozialgericht Lüneburg am 01.10.99 einen Beiladungsbeschluß mit vorheriger schriftlicher Stellungnahme der betroffenen Parteien - hier Hauptfürsorgestelle Hamburg und die Arbeitsverwaltung vertreten durch den Direktor des Lüneburger Arbeitsamtes - faßte, um endlich Klarheit in diese inzwischen fast unübersichtliche Situation zu bringen. Der Termin dieser Round-Table-Koferenz beim Sozialgericht Lüneburg steht bis zum jetzigen Zeitpunkt (Dez. 99) noch aus.

Zu Beginn des vierten Quartals diesen Jahres stellte ich wiederum besagten "Antrag auf Kostenübernahme meiner Arbeitsassistenz" beim Sozialamt Lüneburg zum letzten Mal, da meine ABM bei der BAG UB zum 31.12.99 ausläuft.

Ein kleiner Erfolg, der vielleicht (insgesamt) ein großer für alle behinderten Menschen in ähnlichen Situationen sein könnte, war bei der Jahrestagung der BAG UB in Teltow/Brandenburg vom 28.09-01.10.99 zu verzeichnen. In der Sozialpolitischen Arbeitsgruppe mit dem Thema "Sicherung der Arbeitsassistenz" wurde von den TeilnehmerInnen die Forderung "Für notwendige Arbeitsassistenz auch bei Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen muss auf der Basis eines individuellen Rechtsanspruchs eine eindeutige Regelung der Zuständigkeit und Finanzierungsverantwortung getroffen werden (...)".gestellt, wie sie im Punkt 16 der Eckpunkte zum SGB IX aufgenommen wurde.

Am 16.11.99 wurde ich dann zum vorgenannten Thema zu einem Werkstattgespräch vom Behindertenbeauftragten der Bundesregierung Herrn Haack "Wahlfreiheiten im beruflichen und privaten Leben - Erfahrungen und Perspektiven: Arbeitsplatzassistenz, Persönliches Budget; Arbeitgebermodell" im Reichstagsgebäude Berlin eingeladen. Hierauf folgte noch eine Einladung zur Regierungserklärung und -debatte zum Thema Behindertenpolitik und SGB IX am 02.12.99 ebenfalls in Berlin.

Von meinem jetzigen "Ist-Stand" betrachtet ist es mir unmöglich irgendeine Prognose, Vorschau oder was auch immer sonst zu geben ...."wie es mit mir, (m) einer Arbeitsassistenz und demzufolge (m)einem Erwerbsleben weiter gehen kann und wird.

Dennoch ist gewiß: FLUCTUAT NEC MERGITUR - von Wogen geschüttelt wird es nicht untergehen.

von Stefanie Neu-Schrader, Mitarbeiterin BAG UB - Hamburg

Quelle:

Stefanie Neu-Schrader: Ora et labora II ... oder "Humor ist, wenn man trotzdem lacht"

Erschienen in: impulse Nr. 14 / Dezember 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 11.02.2005

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