"Arbeitsstandards als zentrales Instrument eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems"

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 14, Dez. 1999 impulse (14/1999)
Copyright: © Jörg Bungart, Detlev Straube, Volker Supe, Peter Willems 1999

"Arbeitsstandards als zentrales Instrument eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems"

Das Thema "Qualität" bzw. "Qualitätsmanagement" ist derzeit eines der meist diskutierten Themen in der sozialen Arbeit und gewinnt somit auch für die Arbeit von Integrationsfachdiensten zunehmend an Bedeutung. Hierbei gilt es, möglichst aktiv die in der Qualitätsdebatte liegenden Chancen wie z.B. die Möglichkeit einer transparenten Darstellung der Leistungen der Fachdienste nach außen oder die weitere Professionalisierung der eigenen Arbeit wahrzunehmen, um so einer allein unter Kostengesichtspunkten geführten Qualitätsdiskussion vorzubeugen.

Die folgenden Überlegungen stützen sich auf Erfahrungen und Ergebnisse, die im Rahmen des Modellprojektes "Qualitätssicherung und -entwicklung in Integrationsfachdiensten" gewonnen wurden, welches von der Forschungsstelle "Unterstützte Beschäftigung" der Universität Münster wissenschaftlich begleitet wird (Leitung Prof. Dr. Hohmeier und Prof. Dr. Mair[1]). Aufgabe dieses Forschungs- und Modellvorhabens ist es, ein System des Qualitätsmanagements für Integrationsfachdienste (IFD) zu entwickeln und dessen Umsetzung zu erproben. Im ersten Projektjahr wurden durch Expertenbefragungen Qualitätskriterien für die Arbeit von Integrationsfachdiensten ermittelt (als Experten gelten in diesem Zusammenhang alle am Eingliederungsprozeß beteiligten Personen, die als Nutzer, Vertreter eines Betriebes, professionelle Mitarbeiter oder Kooperationspartner bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit einem IFD gemacht haben). Aufbauend auf diese Qualitätskriterien werden seit Januar 1999 in den elf am Projekt beteiligten Integrationsfachdiensten sogenannte Arbeitsstandards fachdienstspezifisch entwickelt und deren Umsetzung erprobt[2]. Im vorliegenden Modellprojekt sind die Arbeitsstandards als zentrales Instrument zur Qualitätssicherung und -entwicklung in ein aus mehreren Modulen bestehendes umfassendes Qualitätsmanagementsystem eingebettet. Weitere Elemente des durch die Forschungsstelle entwickelten Systems sind beispielsweise Fragen der Leitbildentwicklung, der Kundenorientierung, der Mitarbeiterorientierung, der Managementorientierung oder der Außenorientierung.

Im Rahmen der Jahresfachtagung der BAG UB in Teltow wurde von der Forschungsstelle "Unterstützte Beschäftigung" und einem Mitarbeiter eines beteiligten Fachdienstes die Idee und die Systematik des Instrumentes "Arbeitsstandards" vorgestellt und den Teilnehmern des Workshops die Möglichkeit zu einem ersten eigenen Entwicklungsversuch gegeben.



[1] Das genannte Modellprojekt wird im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen und der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe durchgeführt. Das Projekt wird anteilig gefördert aus Mitteln der Europäischen Union, Gemeinschaftsinitiative Beschäftigung, Unterbereich HORIZON. Die Laufzeit des Projektes ist der Zeitraum vom 1.1.1998-31.12.2000. Zu den Projektteilnehmern zählen drei IFD für geistig und Lernbehinderte, drei IFD für psychisch Behinderte, vier IFD die behinderungsübergreifend arbeiten, und ein IFD für Blinde und Sehbehinderte. An dieser Stelle sei den beteiligten Fachkräften ausdrücklich für Ihre Mitarbeit gedankt.

[2] Inzwischen liegt ein erster Zwischenbericht vor, in dessen Mittelpunkt neben einer Beschreibung der Organisation und Bewerberstruktur der beteiligten Fachdienste insbesondere die Darstellung der empirischen Erhebung zu Qualitätskriterien für IFD steht. In dem voraussichtlich im Frühjahr 2000 erscheinenden zweiten Zwischenbericht wird dann unter anderem eine ausführliche Darstellung des entwickelten Qualitätsmanagementansatzes sowie eine erste Auswertung der im Rahmen der Umsetzung gemachten Erfahrungen enthalten sein.

Idee und Systematik der Arbeitsstandards

Die Diskussion zu Fragen des Qualitätsmanagements in der sozialen Arbeit sollte sich nicht in der Übertragung betriebswirtschaftlicher Modelle und Denkweisen erschöpfen, sondern versuchen, diese Modelle mit den eigenen Traditionen zu verbinden. In Begriffen wie Fachlichkeit, Professionalisierung und methodischem Arbeiten lassen sich gute Anknüpfungspunkte für eine Beschäftigung mit qualitätsrelevanten Fragestellungen finden. Im Gegensatz zu eher verfahrensorientierten und formalen Regelungen im Rahmen betriebswirtschaftlicher Qualitätssysteme, deren Fokus sich stärker auf die Festlegung von Zuständigkeiten und Prüfverfahren richtet (z.B. DIN ISO 9000ff.), liegt dort der Schwerpunkt auf der inhaltlichen Bestimmung von Merkmalen "guter Arbeit" und ihrer Umsetzung in der Praxis. Im Mittelpunkt einer solchen Diskussion steht die Reflexion über die Ausgestaltung des eigenen Einrichtungs- und Arbeitskonzepts sowie die Gestaltung der alltäglichen Arbeitspraxis. Bevor bestimmt wird wie die Qualität der Arbeit zu sichern und weiterzuentwickeln ist, muß zuerst festgelegt sein, was die spezifischen Zielsetzungen und Inhalte dieser Arbeit sind.

Welches sind nun die Bestandteile eines Arbeitsstandards?

In der hier verwendeten Definition besteht ein einzelner Arbeitsstandard im wesentlichenaus 3 Teilen:

  • einem Leistungsziel, das anzustreben ist, d.h. was soll erreicht werden?

  • i.d.R. mehrerenHandlungsleitlinien, um dieses Ziel zu erreichen, d.h. wie kann das Leistungsziel effizient erreicht werden?

  • i.d.R. mehrerenVerfahren zur Überprüfung der Zielerreichung, d.h. woran ist zu erkennen, daß das Leistungsziel effizient erreicht wurde?

Der Begriff "Leistungsziel" wurde gewählt, um deutlich zu machen, daß es sich dabei um Zielsetzungen innerhalb eines Dienstleistungsprozesses handelt und diese damit gegenüber fallbezogenen Zielbestimmungen z.B. im Rahmen der Erstellung eines Integrationsplans abzugrenzen. In dem Modellprojekt "Qualitätssicherung und -entwicklung in Integrationsfachdiensten" wurden für die zentralen Arbeitsfelder der Integrationsarbeit "Aufnahme und Klärung der Ausgangssituation", "Akquisition", "Vorbereitung und betriebliche Integration" sowie "Stabilisierung, nachgehende Begleitung und Krisenintervention" jeweils vier bis sechs Leistungsziele entwickelt. Beispiele für Leistungsziele wären die "Identifikation geeigneter Betriebe", die "Abklärung von Perspektiven mit dem Nutzer", oder die "Bewältigung von auftretenden Krisen am Arbeitsplatz". In der Summe sollten die aufgestellten Leistungsziele (und damit auch die Arbeitsstandards) in der Lage sein, das Dienstleistungsangebot und das Leistungsspektrum eines Integrationsfachdienstes in seinen wesentlichen Elementen zu erfassen.

"Handlungsleitlinien" beschreiben die konkreten Vorgehens- bzw. Arbeitsweisen, die zur Erreichung eines Leistungszieles dienen. Sie sollten so formuliert sein, daß sie

  • auf der einen Seite genügend konkret sind, um die Integrationsarbeit anleiten und eine relevante Strukturierungs- und Arbeitshilfe für die Mitarbeiter darstellen zu können,

  • auf der anderen Seite allgemein genug sein, um die notwendige Flexibilität in der fallbezogenen Ausgestaltung des Arbeitsprozesses nicht einzuschränken.

Die Frage des richtigen Grades der Ausdifferenzierung von Handlungsleitlinien erfordert letztlich etwas Übung und ist auch von den Arbeitsgewohnheiten und Bedürfnissen der einzelnen Fachdienstmitarbeiter abhängig.

"Verfahren zur Überprüfung der Zielerreichung" legen fest, woran das Erreichen der verfolgten Leistungsziele (und damit der Erfolg) zu erkennen ist. Oftmals wird dieser Aspekt in der Praxis mehr intuitiv erfaßt und weniger systematisch untersucht und dokumentiert. Dies hat zur Folge, daß "Außenstehenden" z.B. dem Kostenträger vor allem qualitative Ergebnisse der Arbeit häufig nur schwer zu vermitteln sind. Aber auch für sich selbst und im eigenen Team sind die (Zwischen-)Resultate der Integrationsarbeit dadurch selten direkt faßbar. Erfolge lassen sich somit nicht adäquat darstellen, und bei unzureichender Zielerreichung können notwendige Veränderungen bzw. Verbesserungen kaum erkannt oder nicht schnell genug umgesetzt werden. Gängige Verfahren zur Überprüfung der Zielerreichung sind das Einholen von Rückmeldungen der am Integrationsprozeß beteiligten Gruppen (z.B. Nutzer, Betriebe) anhand festgelegter Leitfragen, die Bestimmung von Indikatoren für eine Zielerreichung (z.B. die Weiterbeschäftigung des Nutzers oder dessen Arbeitszufriedenheit im Anschluß an eine Krisenintervention) sowie der Einsatz von Checklisten (häufig zur Prozeßkontrolle, d.h. zur Überprüfung des Arbeitsablaufes eingesetzt). Die Überprüfung der Zielerreichung erfolgt also in erster Linie durch Verfahren der Selbstevaluation und stärkt hierdurch die Eigenverantwortlichkeit der Fachdienstmitarbeiter.

"Arbeitsstandards" als zentrales Instrument eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems haben zusammengefaßt den Vorteil

  • unmittelbar handlungsleitend für die tägliche Arbeit in den Fachdiensten sein zu können,

  • durch die regelmäßige und methodisch abgesicherte Überprüfung der Zielerreichung eine fortlaufende Verbesserung und Qualifizierung der Arbeit zu gewährleisten (Stichwort kontinuierliche Verbesserung),

  • eine Dokumentation und Darstellung der Qualität der eigenen Arbeit nach außen zu ermöglichen.

Die gewählte Systematik erlaubt also eine Verbindung zweier Grundziele von Qualitätssicherungs- und -entwicklungsmaßnahmen: "Interne Qualifizierung" und "externe Darlegung".

In dem am Projektende von der Forschungsstelle "Unterstützte Beschäftigung" zu erstellenden "Handbuch zur Qualitätssicherung und -entwicklung in Integrationsfachdiensten" werden Beispielstandards zu gängigen Leistungszielen von IFD und umfangreiche methodische Hilfen zu Ihrer Erarbeitung enthalten sein. Zudem wird dort eine ausführliche Beschreibung der Module des umfassenden Qualitätsmanagementsystems zu finden sein und der im Rahmen der Expertenbefragung erhobene Kriterienkatalog zugänglich gemacht. Hierdurch wird es auch anderen Fachdiensten ermöglicht, sowohl in inhaltlicher als auch methodischer Hinsicht von den Erfahrungen und Ergebnissen dieses Modellprojektes zu profitieren und in Anlehnung daran ein eigenes System der Qualitätssicherung und -entwicklung in ihrer Einrichtung zu etablieren.

Anschriften:

Universität Münster - Forschungsstelle "Unterstützte Beschäftigung"

Georgskommende 33

48143 Münster

Tel.: 0251/8324204

Fax: 0251/8321305

e-mail: proin@uni.muenster.de

Lernen fördern e.V./ Projekt Integration

Detlev Straube

Breite Straße 10, 49477 Ibbenbüren

Tel.: 05451/594830

Fax: 05451/594860

von Jörg Bungart; Detlev Straube; Volker Supe; Peter Willems, Universität Münster

Quelle:

Bungart, Straube, Supe, Willems: "Arbeitsstandards als zentrales Instrument eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems"

Erschienen in: impulse Nr. 14 / Dezember 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 26.05.2010

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