Mehr Mitbestimmung in Werkstätten

Autor:in - Robert Gießelmann
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 13, Nov. 1999 impulse (13/1999)
Copyright: © Robert Gießelmann 1999

Mehr Mitbestimmung in Werkstätten

Mein Name ist Robert Gießelmann, ich bin stellvertretender Werkstattsprecher von den Lahnwerkstätten in Marburg. Seit mehr als einem Jahr bin ich im Beirat vom Ausschuß Arbeit der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.. Ich habe das Amt von einem übernommen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr konnte. Wir treffen uns zwei- oder dreimal im Jahr zu Sitzungen in Marburg und einmal auswärts. Wir sind ungefähr zwanzig Leute aus unterschiedlichen Werkstätten, z.B. aus Bonn, aus Erlangen, aus Heidelberg aus Berlin, aus Bremen und ich aus Marburg. Es geht dabei um Werkstattverträge, um ältere Mitarbeiter in den Werkstätten, und um vieles mehr.

Vom 29.6. bis zum 1.7.1999 haben wir uns in Worms getroffen. Hauptsächlich ging es da um einen Entwurf über Mitbestimmung in der Werkstatt, genau heißt das Entwurf zur "Sechsten Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengestzes (Werkstätten-Mitwirkungsverordnung zum Schwerbehindertengestz-SchwbMV)". Da soll nämlich ein neues Gesetz gemacht werden und die Lebenshilfe wollte von uns wissen, was wir darüber denken und wie wir das finden.

Wir wollen, daß behinderte Mitarbeiter mehr Rechte kriegen, daß die Sachen, die man sagt, auch ankommen und daß nichts mehr hinter unserem Rücken geregelt wird. Die Sachen, die wir im Werkstattrat ansprechen werden nämlich nicht berücksichtigt. Wenn wir z.B. für eine Nichtraucherzone sind oder dafür, daß die Zivis ihren Dreck selber wegmachen, dann wird das nicht so ernst genommen. Behinderte Mitarbeiter werden zu ihren Arbeitsplätzen nicht gefragt, wenn sich die Arbeitsplätze verändern oder in welcher Abteilung sie eingesetzt werden. Die sogenannten nichtbehinderten Mitarbeiter haben mehr Rechte als die behinderten Mitarbeiter. Auch bei Urlaubsregelungen wird man nicht gefragt, manche Werkstätten haben 30 Urlaubstage, manche 32 oder 35. Der Werkstattrat hat kein Mitbestimmungsrecht. Er wird angehört, aber wenn es den Werkstätten nicht paßt, wird nichts geändert. Beim Lohn werden wir nicht gefragt. Die behinderten Mitarbeiter verdienen sehr unterschiedlich und oft ist nicht klar warum. Und oft verdienen wir für die Arbeit, die wir machen zu wenig und müssen zum Sozialamt. Wir sind in der Werkstatt ja auch keine richtigen Arbeitnehmer.

Manche Mitarbeiter können bei ihren Sachen zwar nicht mitreden, aber ungefähr die Hälfte weiß schon, welche Sachen sie verbessern möchten. Ein Werkstattrat muß freigestellt werden für seine Arbeit. Ich kriege für die Sitzungen frei, aber wenn ich mittags irgendwohin fahre, dann muß ich vormittags noch arbeiten. Und wenn ich zurückkomme, dann muß ich auch am nächsten Tag direkt wieder zur Arbeit. Das ist schon Streß. Wir haben in unserer Werkstatt z.B. 570 Mitarbeiter und wenn man mehr Zeit hätte, dann könnte man sich auch besser um die kümmern, die anderen Mitarbeiter fragen, was ihnen wichtig ist. Dazu braucht man schon Zeit und nicht so eine Hetze.

Die neue Bestimmung muß verständlich sein. Man muß wissen, was man für Rechte hat. So ist alles sehr kompliziert geschrieben. Wichtig ist aber, daß wir mehr mitentscheiden dürfen.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe will das, was wir gesagt haben, weitersagen, damit das neue Gesetz mehr Rechte für uns hat. Wir haben gesagt, was uns wichtig ist, aber ob man darauf hört, weiß ich nicht.

Die Arbeit im Ausschuß Arbeit ist schon anstrengend für mich. Es macht mir aber auch Spaß, man sieht mal andere Leute und kommt mal raus.

von Robert Gießelmann - Marburg

Quelle:

Robert Gießelmann: Mehr Mitbestimmung in Werkstätten

Erschienen in: impulse Nr. 13 / November 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 22.08.2006

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