Qualitäts- und Prozeßmanagement innerhalb der psychosozialen Betreuung

Transfer für die Integrationsarbeit

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 10, Okt. 1998 impulse (10/1998)
Copyright: © Bernhard Dobbe, Erich Hildenbrand, 1998

1. Die psychosoziale Betreuung nach dem Schwerbehindertengesetz

Seit der Gesetzesnovellierung im Jahr 1986 hat sich auf der Grundlage des schwer-behindertengesetzes ein umfangreiches System an Beratungsangeboten zur psychosoziale Betreuung entwickelt.

Die Besonderheiten der psychosozialen Betreuung, u.a.

  • Verzahnung mit anderen Leistungen im Rahmen der begleitenden Hilfe (fachliche und finanzielle Unterstützungen für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite),

  • Fortbestand der Einzelfallsteuerung in der psychosozialen Betreuung durch Fachpersonal an der Hauptfürsorgestelle,

  • das intensive Kundenverhältnis zum Arbeitgeber des betreuten Klienten als Mitglied der Arbeitswelt,

  • grundsätzlich vergleichbare Ausgangslagen der beauftragten Dienste in Deutschland,

  • Fragen des Ressourceneinsatzes unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit, die begrenzten Einnahmen aus der Ausgleichsabgabe der Hauptfürsorgestellen gezielt für die verschiedenen Zwecke einzusetzen ...

haben die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Hauptfürsorgestellen bewogen, eine laufende Arbeitsgruppe ("Unterausschuß Psychosoziale Betreuung") zu bilden, die über die Jahre hin

  • Standards entwickelt und geschrieben hat,

  • Grundsatzpapiere verfaßt hat,

  • einen regen Erfahrungsaustausch zwischen den Hauptfürsorgestellen organisiert/gesichert hat,

  • die Aufbauarbeit jüngerer Regionen (insbesondere der neuen Bundesländer durch Erfahrungsaustausch) unterstützt hat,

  • die Qualifizierung der Fachkräfte durch Standards und bundesweite Angebote gefördert hat,

  • Ergebnisse der Arbeit (u.a. vergleichend) erfaßt hat und u.a. auch

  • das Thema Integrationsarbeit für Schwerbehinderte durch Fachdienste maßgeblich vorangetrieben hat.

Naheliegend war es da, die wichtige Diskussion zur zukünftigen Weiterentwicklung auch unter dem modischen Begriff des "Qualitätsmanagement" systematisch voranzutreiben.

Ergebnisse der Beratungs- und Betreuungsarbeit der Fachdienste (PSD, BbD, Arbeitsassistenz, Integrationsfachdienste) werden regelmäßig im Herbst eines Jahres im Rahmen eines Jahresberichtes veröffentlicht und können über die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Hauptfürsorgestellen in Karlsruhe (Postfach 4109, 76135 Karlsruhe) bezogen werden.

2. Das Projekt "Qualitätsmanagement in der psychosozialen Betreuung"

Hierzu wurde ein nahezu bundesweit getragenes Projekt initiiert, bei dem u.a. in einer Arbeitsgruppe (mit Vertretern aus 8 Regionen) ein "Referenzmodell" zur psychosozialen Betreuung erarbeitet wird, welches auf bereits existierende rechtliche und fachliche Grundsätze und auf den qualifizierte Erfahrungsfundus der Beteiligten aufbaut. Die externe Moderation des Projektes wird durch die TÜV-Unternehmensberatung Süddeutschland, u.a. vertreten durch Herrn Hildenbrand, geleistet. Die Auswahl dieses Anbieters hatte u.a die Begründung, daß ideologielastige Debatten vermieden werden können, ein weitreichender Erfahrungsfundus für solche Vorhaben vorliegt und die Würdigung durch die Kunden Betrieb und Arbeitnehmer erleichtert ist.

Erarbeitet werden in der Projektgruppe bis zum Beginn 1999 die sogenannten 3 "Hauptprozesse" der psychosozialen Betreuung:

  • die (berufsbegleitende) Einzelfallberatung/Betreuung,

  • Fachdienstliche Stellungnahmen durch den Fachdienst,

  • die (betriebsbegleitende) psychosoziale Betriebsunterstützung.

Zu den einzelnen Hauptprozessen werden verschiedene Maßnahmenpakete gesichtet und konkret in ihren optimalen Abläufen und Rahmenbedingungen beschrieben. Dies sind z.B. für die psychosoziale Beratung:

  • Gestufte Wiedereingliederung nach längerer Erkrankung,

  • Arbeitsplatzdiagnostik,

  • Zusammenarbeit mit Einrichtungen zur beruflichen Rehabilitation,

  • Beteiligung an Kündigungsverfahren ...

Bei diesen Beschreibungen werden (im Sinne eines umfangreichen Qualitätsverständnisses) nähere Aussagen formuliert

  • zur Verantwortung/Rolle der Führung (Hauptfürsorgestelle, Träger, Leitung),

  • zu den konkret verfolgten Zielen,

  • zu den stattfindenden Aktivitäten und den dabei verwendeten Dokumentationen.

Der bereits vorhandene Erfahrungsfundus der Beteiligten bildet wie gesagt die Grundlage für die Erarbeitung. Dies bedeutet auch, daß z.B. die Relevanz anderer helfenden Einrichtungen auf den tatsächlichen Nutzen abgeklopft wird und die Erfolgswahrscheinlichkeit von Kooperationen dadurch gesteigert werden soll. Dazu können eben genaue Beschreibungen von Abläufen und Schnittstellen der Zusammenarbeit eine große Hilfe sein!

Bereits parallel zur Erarbeitung des Referenzmodells gilt es, die konkrete Umsetzung und Gestaltung in den einzelnen Regionen voranzutreiben. Es gilt, Bewährtes abzusichern und Unklares in der Zusammenarbeit und der Effektivität der Arbeit zu bereinigen. Dabei steht die Professionalität der Arbeit im Vordergrund. Von Vorteil für das Projekt ist, daß Kürzungen von Etats oder Streichungen von Stellen kein Thema sind. Vielmehr gilt es, mit den bestehenden Personalressoucen die Arbeit zu optimieren und so die Erreichbarkeit und den Erfolg der Arbeit für die schwerbehinderten Klienten und deren Arbeitgeber zu optimieren. Das ganze Unterfangen ist somit eine fachliche Investition in eine Zukunft für Schwerbehinderte im Arbeitsleben und somit auch in die professionelle Zukunft der Anbieter.

3. Qualitäts- und Prozeßmanagement (QM) bei den Integrationsfachdiensten

Qualitäts- und Prozeßmanagement (QM) ist bei den Integrationsfachdiensten - genauso wie bei den Fachdiensten zur psychosozialen Betreuung (PSD, BbD) - auf zwei verschiedenen Ebenen von Bedeutung.

Zum einen ist Qualitätsmanagement mit den entsprechenden Begrifflichkeiten und dazugehörenden Normen in der Arbeitswelt - anfänglich insbesondere im Industrie- bzw. Produktionsbereich, mittlerweile aber auch immer mehr im Dienstleistungsbereich - eine feste Größe geworden. Deshalb sollten nicht nur Ingenieure und Facharbeiter, sondern alle diejenigen, die mit dieser Arbeitswelt zu tun haben, mit den Grundbegriffen des Qualitätsmanagements umgehen können. Herr Hildenbrand stellte hierzu die wesentlichen QM-Grundbegriffe dar.

Zum anderen wird das Qualitätsmanagement der Dienstleistung "Integrationsarbeit" selbst von großer Bedeutung werden.

Beim Aufbau eines Qualitäts- und Prozessmanagementsystems - gleichgültig für welche Dienstleistungen - sind zuerst die Fragen zu klären

1. Welche Dienstleistungen werden erbracht?

2. Wer ist der Lieferant?

3. Wer sind die externen und internen Kunden?

3.1 Erarbeitung eines Kunden-Lieferanten-Modells

Transferiert auf die Integrationsarbeit ist hierzu ein Kunden-Lieferanten-Modell der Integrationsarbeit zu erstellen, das die o.a. Fragen beantwortet.

Im Rahmen des Workshops Nr. 4 wurde ein solches Kunden-Lieferanten-Modell der Integrationsarbeit auf der Basis des Modells erarbeitet, wie es derzeit schon erfolgreich in der psychosozialen Betreuung angewandt wird (siehe Abbildung 1).

Das Modell trägt auch den Besonderheiten der Hansestadt Hamburg Rechnung, da etliche Workshopteilnehmer aus Hamburg teilnahmen.

Anschließend wurde anhand des oben aufgezeigten Modells von den Teilnehmern eingeschätzt, wo das größte Optimierungspotential zwischen den einzelnen Gruppen ist. Diese von den Workshop-Teilnehmern als (erheblich) optimierungsbedürftig eingestuften Schnittstellen sind mit Blitzen im Modell gekennzeichnet.

Insgesamt wurde von den Teilnehmern der Transfer des Kunden-Lieferanten-Modells der psychosozialen Betreuung auf die Integrationsarbeit als ersten positiven Schritt in Richtung eines gemeinsam getragenen Grundverständnisses eines Qualitäts- und Prozeßmanagement-systems für die Integrationsfachdienste angesehen.

Im Rahmen des Workshops gab es parallel zur Erarbeitung des Kunden-Lieferanten-Modells zwei weitere Gruppenarbeiten zum Thema Qualitätsmanagement.

Abbildung 1:?! von den Workshop-Teilnehmern als (erheblich) optimierungsbedürftig eingestuft

3.2 Fragestellung: "Was ist gute/professionelle Integrationsarbeit?"

Professionalität beinhaltet: Qualitativ gute Arbeit und erfolgreiche Arbeit

Ergebnis der Kartenabfrage/Gruppenarbeit:

  • Professionelle Arbeit braucht professionelle Ausstattung

  • Entwicklungsberichte/ Dokumentation

  • Integration = eine Leistung: Leistung = Qualität

  • Professionalisierung nach außen: Öffentlichkeitsarbeit

  • Öffentlichkeit + Beratung von Betrieben und Behörden

  • Quantität der Vermittlung bedeutet nicht Qualität (!)

  • Möglichkeit für Arbeitsassistenz im Betrieb

  • Unbefristete Möglichkeit der Begleitung

  • Zeitliche Freistellung für Arbeitsassistenz im Betrieb

  • Sicherung begleitender Hilfen auch im Praktikumstatus, z.B. für Schulabgänger/innen ohne festen Arbeitsplatz

  • Gute Arbeit: Wenn Begleitung orientiert ist an behinderten Menschen selbst und Bedürfnissen der Betriebe; kann u.U. auch dauerhafte 1:1 Begleitung sein

  • Professionelles Material für Arbeitgeber und BewerberInnen

  • Vernetzung statt Konkurrenz der Initiativen u.ä.

  • Sicherung von Wahlmöglichkeiten (WfB / Betriebe)

  • "Neuer" Umgang mit Betrieben

  • Verzahnung von Pädagogik und betriebswirtschaftlichem Denken und Handeln

  • Qualifizierungsmöglichkeiten den Begabungen entsprechend

3.3 Fragestellung: "Wie wird die Qualität des Prozesses derzeit gesteuert und gesichert?"

Wo liegt das größte Optimierungspotential?

Festgehalten wurden hierzu in der Untergruppe folgende Stichworte:

  • Fähigkeitsprofil

  • Hospitation

  • Persönliche Zukunftsplanung

  • Kontaktgruppe

  • Interne Datenbank

  • Arbeitsplatzanalyse

  • Akquisition

  • Bestandsaufnahme

Quelle:

Bernhard Dobbe und Erich Hildenbrand: Qualitäts- und Prozeßmanagement innerhalb der psychosozialen Betreuung - Transfer für die Integrationsarbeit

Erschienen in: impulse Nr. 10 / Okt. 1998

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 25.05.2010

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