Zusammenführen, was zusammen gehört

Unterstützte Beschäftigung als Persönliches Budget

Autor:in - Karl-Heinz Schmidt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: impulse, Magazin der Bundesgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung, Nr. 80/2017, S. 10-14, Schwerpunkt: Jahrestagung der BAG UB 2016. impulse (80/2017)
Copyright: © Karl-Heinz Schmidt 2017

Abbildungsverzeichnis

    1. Vorbemerkung

    Die nachfolgende Darstellung fasst wesentliche Ergebnisse eines Workshops zu diesem Thema im Rahmen der Jahrestagung BAG UB vom 17./18.11.2016 in Bad Honnef zusammen. Moderiert wurde der Workshop vom Verfasser dieses Artikels, der zuletzt bei der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz- Saarland der Bundesagentur für Arbeit als Fachexperte für die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben tätig war und Herrn Schwind (Reha-Berater der Agentur für Arbeit in Trier).

    Ziel war, unter den Aspekten Inklusion, Personenzentrierung und Selbstbestimmung zu untersuchen, ob sich die Leistungsform des Persönlichen Budgets (PersB) für den Ansatz der Qualifizierung nach Platzierung, der die Unterstützen Beschäftigung (UB) auszeichnet, eignet. Die Frage war zudem, ob die eigenständige Organisation und Realisierung des individuellen Förderbedarfs durch den Budgetnehmer im Betrieb zu mehr Inklusion führen kann.

    Anhand wesentlicher Teilnehmer- und Ausgabe-Daten[1] konnte aufgezeigt werden, dass inklusive Angebote und PersB in Rheinland-Pfalz-Saarland und insbesondere in der Agentur für Arbeit in Trier zu mehr Personenzentrierung und Selbstbestimmung und damit zu mehr Inklusion geführt haben.



    [1] Datenquellen waren einerseits Statistiken des Statistik-Service Südwest, Bundesagentur für Arbeit, 60496 Frankfurt, aber auch Auswertungen und Berechnungen des Verfassers (Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland, Eschberger Weg 68, 66121 Saarbrücken).

    2. Inklusion durch Individuelle betriebliche Qualifizierung in der Leistungsform des PersB gem. § 17 SGB IX als Beitrag zur UB gem. § 38a SGB IX

    2.1 Inklusionsaspekte der Leistungsform des Persönlichen Budgets

    • Das Hauptziel des PersB ist darin zusehen, dass diese Leistungsform Menschen mit Behinderung die selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen soll. Durch ein PersB übernehmen sie nämlich die Verantwortung für ihre Teilhabe und Integration, indem sie eigenverantwortlich und selbstbestimmt ihren Hilfebedarf organisieren und beschaff en (entsprechend bewilligter Teilhabeleistungen). Zudem lassen sich durch individuelle Gestaltung Teilhabe-Bedarfe besser realisieren als durch standardisierte Leistungsausführung. Dadurch lassen sich regelmäßig überdurchschnittliche Integrationsergebnisse (Wirkung) erzielen.

    Deshalb haben Leistungsträger in der Beratung aktiv über die Möglichkeit sowie über Inhalt und Bedeutung der Ausführung von Teilhabeleistungen durch ein Persönliches Budget und die damit verbundenen individuellen Gestaltungsmöglichkeiten zu informieren.

    Das bereits mit dem SGB IX eingeführte PersB ist sozusagen das inklusivste, was wir bei der Teilhabe am Arbeitsleben haben, da es die selbstbestimmte Inklusion und personenzentrierte Ansätze im betrieblichen Umfeld, folglich in der Normalität, ermöglicht.

    • Zielvereinbarung als multiples Steuerungs- und Qualitätssicherungsinstrument

    Mit dem Budgetnehmer sind konkrete, detaillierte Schritte, zu realisierende Qualifizierungselemente und die dafür voraussichtlich insgesamt notwendigen Kosten zu vereinbaren.

    Leistungsform durchaus an den gesetzlich definierten Standardmaßnahmen. Besondere Gestaltungsmöglichkeiten und inklusive Dynamik lassen sich z.B. durch Einbeziehung Dritter, wie der Leistungserbringer oder Betriebe in die Zielvereinbarung erreichen. Trägerübergreifende PersB ermöglichen schließlich zudem trägerübergreifende Komplexleistungen.

    Durch regelmäßigen Abgleich der vereinbarten Zwischenziele mit den Teilhabefortschritten wird auf sehr direkte Art und Kommunikation der Beteiligten die Qualität gesichert, ohne dass es aufwendiger Prüfmechanismen und –Administration bedarf.

    • Bemessung des PersB

    Zunächst ist der so genannte grundsätzliche Bedarf einzuschätzen und zu bemessen. Dabei wird die Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme festgelegt. Das wird im behandelten Kontext eine UB in einem Betrieb sein, die mit einer Individuellen betrieblichen Qualifizierung beginnt. Daraus lässt sich der grundsätzliche gesamte Finanzbedarf, einschließlich individueller Leistungen ableiten. Der Bedarf für das PersB wird dann auf der Basis des beantragten/vereinbarten Teilhabekonzeptes der Zielvereinbarung festgelegt (maximal Höhe des vorher bestimmten grundsätzlichen Bedarfs oder darunter).

    Dekobild: Steinformation

    Foto: Caramba, pixelio.de

    2.2 Inklusionsaspekte der Individuellen betrieblichen Qualifizierung (InbeQ) im Rahmen der UB

    Mit der UB wird ein Personenkreis adressiert, der über ein Leistungspotenzial im Grenzbereich der Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) verfügt.

    Das Ziel der UB besteht darin, durch konkrete Feststellungen in Betrieben belastbare Aussagen zu erlangen, inwieweit Menschen mit Behinderungen mit einem eingeschätzten Leistungspotenzial im Grenzbereich der Anforderungen von allgemeinem Arbeitsmarkt und WfbM eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (in Normalität und damit inklusiv) ausüben können.

    Perspektivisch wird durch InbeQ angestrebt, ein behinderungsgerechtes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen, das die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen mit Behinderungen besonders berücksichtigt, ggf. mit anschließender Berufsbegleitung nach § 38a Abs. 3 SGB IX.

    UB eröffnet also einem Personenkreis eine Chance auf Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt (Inklusion), dem mit den herkömmlichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Integration in Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarktnicht eröffnet werden kann.

    Die Maßnahmedurchführung der InbeQ folgt dem Grundsatz „Erst platzieren, dann qualifizieren“. Inhaltlich ist InbeQ also keine Maßnahme im Sinne eines gruppenorientiert standardisierten Hinarbeitens auf ein definiertes Ziel. InbeQ ist vielmehr eine auf das Potenzial des Menschen mit Behinderungen und an der betrieblichen Praxis ausgerichtete individuelle qualifizierende Unterweisung.

    InbeQ bietet sich wegen des von vornherein fehlenden Maßnahmecharakters geradezufür die Gestaltungsform des PersB an!

    3. Mit dem PersB trifft Selbstbestimmung auf die Normalität der InbeQ. In der Zielvereinbarung findet die „Inklusion“ ihren finalen Ausdruck

    Gelingensbedingungen sind insbesondere eine gute Vernetzung der Partner in der Region, wie das z.B. im Agenturbezirk Trier mit der Stadt Trier und verschiedensten Leistungserbringern der Fall ist, die alle innovative und inklusive Ansätze verfolgen. Außerdem muss der Mensch mit Behinderung als der „Auftraggeber“ mit allem was dazu gehört akzeptiert werden. Rollen und Aufgaben müssen klar abgesprochen werden. Wechselbeziehungen zu anderen Maßnahmen (z.B. zu Werkstätten für behinderte Menschen oder begleitete betriebliche Ausbildungsformen) müssen gemanagt werden. Soweit klassische Maßnahmeträger in die Leistungserbringung im Rahmen eines PersB einbezogen werden, muss klar sein, dass es sich um keine Maßnahme, sondern ein individuelles Teilhabe-Engagement handelt, aus dem sich keine weiteren Ansprüche à la Vergabemaßnahmen ableiten lassen.

    Auch mit der Landespolitik Rheinland-Pfalz hat sich eine Affinität zu PersB der Agenturen für Arbeit dadurch ergeben, dass das Land seinerseits mit dem „Budget für Arbeit“ inklusionsfreundliche Ansätze außerhalb von Sondereinrichtungen wie Werkstätten für behinderte Menschen verfolgt.

    So existiert bereits seit dem 30.05.2011 die „Verfahrensvereinbarung zur Zusammenarbeit von Leistungsträgern und Leistungserbringern der individuellen betrieblichen Qualifizierung und Berufsbegleitung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung (UB) nach § 38a SGB IX in Rheinland-Pfalz“. Dort wird festgehalten, „dass die Berufsbegleitung bei Beauftragung eines Leistungs-erbringers gegenüber dem schwerbehinderten Menschen als Sachleistung nach § 38a Abs. 5 Satz 1 SGB IX durchgeführt wird.“ Explizit heißt es weiter: „Bei einem Antrag auf ein Persönliches Budget (§ 17 Abs. 2 SGB IX) wird auch eine Geldleistung erbracht.“

    Es hat sich als sehr zielführend erwiesen, wenn inklusive Vorstellungen beimcÜbergang Schule-Beruf bereits in einer systematischen Berufsorientierung entwickelt und gefestigt werden. In einer Rahmenvereinbarung „Berufsorientierungsmaßnahmen“ haben Regionaldirektion und Rheinland-Pfalz in Kofinanzierung ein Konzept aufgelegt, das alle Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, unabhängig von Behinderungsart und Schulform erreicht. Explizites Ziel der Vereinbarung ist die Vermeidung von Werkstätten für behinderte Menschen – wo immer möglich.

    „Es bleibt zu hoffen, dass bei weiterer Individualisierung von Teilhabeleistungen und dem Wunsch nach Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung die dazu passende Leistungsform des PersB an Bedeutung gewinnt.“

    4. Quantitative Aspekte

    Dass es sich beim Bestreben nach Inklusivität wie aufgezeigt mittels PersB und InbeQ nicht nur eine programmatische Absichtserklärung oder graue Theorie handelt, sondern sich in der konkreten Teilhabepraxis der Agenturen für Arbeit niederschlägt, sollen einige quantitative Aussagen verdeutlichen[2].

    4.1 Investitionen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben 2011 bis 2015 – BA-Rheinland-Pfalz-Saarland

    Die Gesamt-Investitionen haben in diesem Zeitraum[3] um 4,3%, von rund 160 Mio. € auf 153 Mio. € abgenommen. Dies ist ein erstes Zeichen für inklusivere, eher betriebliche Maßnahmen, die in der Regel kostengünstiger als Maßnahmen in Sondereinrichtungen sind.

    Die Leistungsausführung als PersB hat um 121% zugenommen (1,18 Mio. € auf 2,61 Mio. €).

    UB-Leistungen sind von 1,97 auf 2,94 Mio. € um 49% gestiegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei PersB nicht die dahinter stehende Teilhabeform ausgewiesen wird, sondern sich eben gerade in Rheinland-Pfalz-Saarland hier einige UB’s verbergen; die Steigerung also insofern unterzeichnet ist.

    4.2 Investitionen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben 2011 bis 2015 – BA-Trier

    Die entsprechenden prozentualen Veränderungen der Agentur für Arbeit Trier stellen sich wie folgt dar:

    • Gesamt: +2,2%;

    PersB: +89,3%;

    UB: -39,2%.

    Der scheinbare Rückgang der UB wird bei genauerer Auswertung in der Leistungsformdes PersB erbracht.

    4.3 Maßnahmen in der Leistungsform des PersB BA-Rheinland-Pflaz-Saarland

    Voran gestellt werden soll, dass es große Spannbreiten in den Agenturen für Arbeit bei der Umsetzung von Teilhabeleistungen in der Form PersB gibt. Es gibt den Spitzenreiter der Agentur für Arbeit Trier, aber auch 2 Agenturen, die weniger als 3 PersB jährlich realisieren. Auch bei den Standartleistungen, die durch ein PersB dargestellt werden, gibt es große Unterschiede.

    Während es in Rheinland-Pfalz-Saarland 2014 97 Neueintritte gab, erhöhte sich die Zahl 2016 auf 237. Für die Entwicklung in Trier gilt: 46 auf 98.

    2014 wurden insgesamt 30 UB’s in der Leistungsform des PersB dargestellt. 2016 betrug die Zahl neuer ÜB’s in der Leistungsform des PersB 60. Für Trier gilt: 21 zu 40.



    [2] Zur detaillierten Darstellung wird auf die Präsentation des Verfassers bei der Jahrestagung der BAG UB 17./18.112016 in Bad Honnef verwiesen, die in der Tagungsdokumentation veröffentlicht ist.

    [3] Zeitraum wurde gewählt, da sich seit dieser Zeit UB Einführung stabilisiert hat.

    5. Schlussbetrachtung

    Auf der Jahrestagung der BAG UB galt es durchaus Erfolge zu feiern. Wirksamkeit und Kreativität bei den Einsatzmöglichkeiten von UB sind beeindruckend. Das gilt auch für Rheinland-Pfalz-Saarland. Man kann mit Fug und Recht feststellen, dass sich nach Einführung der UB in den Jahren 2009 bis heute ein flächendeckendes Angebot (seit 2011 stabil) von etwa 205 Maßnahmeplätzen pro Jahr herausgebildet hat. Hinzu kommen die oben genannten PersB.

    Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass die sehr individuelle Hilfe der UB und die personenzentrierte Leistung UB (und damit der gemeinsame Erfolg) nicht als PersB dazustellen, nichts anderes heißt, als die UB bisher mit einem Standartmodell überschrieben zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass bei weiterer Individualisierung von Teilhabeleistungen und dem Wunsch nach Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung die dazu passende Leistungsform des PersB an Bedeutung gewinnt. Machbarkeitsstudien sind aus Sicht des Verfassers in Anbetracht der gelungenen Beispiele nicht erforderlich.

    Abbildung 1. Karl-Heinz Schmidt

    Portaitfoto von Karl-Heinz Schmidt

    war bis 2016 bei der BA-Regionaldirektion Rheinlan-Pfalz-Saarland mit den Aufgabenschwerpunkten Übergang Schule/Beruf sowie berufliche Rehabilitation und Vermittlung schwerbehinderter Menschen befasst.

    Kontakt und nähere Informationen

    Mail: karl-heinz.schmidt@orange.fr

    Quelle

    Karl-Heinz Schmidt: Zusammenführen, was zusammen gehört. Unterstützte Beschäftigung als Persönliches Budget. Erschienen in: impulse, Magazin der Bundesgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung, Nr. 80/2017, S. 10-14, Schwerpunkt: Jahrestagung der BAG UB 2016.

    bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

    Stand: 03.12.2019

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