Fürs Leben lernen

Recherche zu inklusiven Weiterbildungsangeboten

Autor:in - Claus Sasse
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: impulse Nr. 74, 03/2015, Seite 20–24; Schwerpunktthema: Berufliche Weiterbildung; impulse (74/2015)
Copyright: © Claus Sasse 2015

Abbildungsverzeichnis

    Zusammenfassung

    Ergänzend zur Befragung von Betrieben, unterstützten ArbeitnehmerInnen und MitarbeiterInnen von Fachdiensten zu Bedarfen für und Erfahrungen mit Weiterbildungen für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung, wurde im Rahmen des Projekts „Karriereplanung inklusive“ bei Anbietern beruflicher Weiterbildung eine Recherche zur Angebotssituation durchgeführtSiehe dazu die Beiträge von Karl Miederer und Barbara Vieweg sowie von Birgit Nickel in diesem Heft. Erfragt wurde, ob Kurse angeboten werden, die Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen off en stehen, wie diese Kurse gestaltet sind und welche Erfahrungen mit in diesem Sinn „inklusiven“ Teilnehmenden-Gruppen gemacht wurden. Dieser Bericht ist eine Auswertung der Recherche-Interviews.

    Methode

    Für die Erhebung von bestehenden inklusiven Kursangeboten zur beruflichen Weiterbildung, d. h. Kursen, die allgemein angeboten werden und dabei auch für die Teilnahme von Menschen mit Behinderung geeignet sind, wurde analog zur Erhebung der Weiterbildungsbedarfe die Methode des halbstrukturierten Interviews gewählt[1]. Dafür wurden Interviewleitfäden entwickelt mit denen der/ die InterviewerIn offene Fragen zum Thema stellt und den/ die GesprächspartnerIn frei assoziieren lässt und ggf. Nachfragen stellt. Um einen möglichst umfassenden Überblick über bestehende Angebote zu bekommen, erfolgte die Recherche in vier verschiedenen Bereichen:

    • Integrationsämter – vor allem als Hinweisgeber,

    • Handels- und Handwerkskammern als Instanzen für die Abnahme von Prüfungen und auch als eigenständige Anbieter von Kursen zu beruflicher Weiterbildung,

    • Bildungswerke von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften und

    • freie Bildungsanbieter

    Der Bereich der Berufsförderungswerke wurde nicht mit einbezogen, da sie als Rehabilitationseinrichtungen für ihre Angebote einen Leistungsanspruch zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB IX voraussetzen und vor dem Hintergrund einen exklusiven Angebotscharakter haben.

    Abbildung 1.

    Foto: Fantagu wikimedia

    In den Rechercheinterviews wurde zunächst erfragt, ob es im Weiterbildungsprogramm der Anbieter Kurse gibt, die grundsätzlich für eine Teilnahme von Menschen mit Behinderung und insbesondere auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung geeignet sind und ob Menschen mit Behinderung schon einmal an den angebotenen Kursen teilgenommen haben. Wenn das der Fall war, wurde im weiteren Gesprächsverlauf erfragt, was die Themen und Inhalte dieser Weiterbildungen sind, wie sie konzipiert sind und welche Erfahrungen mit der Durchführung inklusiver Kurse gemacht wurden. Gab es keine inklusiven Kursangebote bzw. noch keine Erfahrungen mit Teilnahmeanfragen von Menschen mit Behinderung, wurde im nächsten Schritt versucht, für das Thema Inklusion in der beruflichen Weiterbildung zu sensibilisieren. Insgesamt wurden 45 Interviews geführt. In allen vier genannten Bereichen bilden die Interviews jeweils einen regionalen Querschnitt der Bundesrepublik ab.



    [1] Siehe dazu auch die Erläuterungen im Beitrag von Birgit Nickel in diesem Heft

    Interviews mit Weiterbildungsanbietern

    Integrationsämter

    Es wurden Interviews bei sieben Integrationsämtern durchgeführt. Die Integrationsämter finanzieren bei einer Teilnahme an „Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten“ auf der Grundlage von § 102 SGB IX in Verbindung mit § 24 SchwbAV (Schwerbehinderten- Ausgleichsabgabeverordnung) behinderungsbedingten Mehraufwand. Das sind Kosten, die bei einer beruflichen Weiterbildungsveranstaltung beispielsweise durch die notwendige Inanspruchnahme eines/r Gebärdensprachendolmetschers/ in entstehen. In den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) von 2012 wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die in Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention geforderten Zugangsmöglichkeiten in berufliche Aus- und Weiterbildung Bezug genommen. Laut BIH-Bericht 2013/2014 wendeten die Integrationsämter 2013 dafür 3,7 Mio € auf. Aus der statistischen Erfassung der geförderten Maßnahmen lässt sich allerdings nach Auskunft des BIH keine differenzierte Übersicht über die einzelnen Maßnahmen erstellen, durch die Anhaltspunkte für eine weitere Recherche von inklusiven Weiterbildungsangeboten gewonnen werden könnten.

    Die Integrationsämter bieten neben der Finanzierung von behinderungsbedingtem Mehraufwand bei Teilnahme an Weiterbildungen auch eigene Seminare und Kurse für Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretungen an, diese Kurse sind aber inhaltlich auf das Thema Arbeitsrecht und Schwerbehindertenvertretung beschränkt, also keine berufliche Weiterbildung im engeren Sinn. Teilweise werden die Kurse über externe Bildungsanbieter durchgeführt. Die Teilnahme von Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen und körperlichen Behinderungen ist bei diesen Kursen Normalität. Eine Teilnahme von Menschen mit kognitiven Einschränkungen konnte sich keine/r der Befragten vorstellen. Es wurde u.a. mit dem Hinweis argumentiert, dass zur Aufgabe von Schwerbehindertenvertretungen ja auch das Verstehen von Gesetzestexten gehöre. Diese würden auch nicht in Leichter Sprache vorliegen, was eine zusätzliche Hürde bedeute.

    Hinweise für eine weitere Recherche zu inklusiven Weiterbildungsangeboten konnten nicht gegeben werden, weil es keine entsprechenden Erfassungsrahmen für geförderte Maßnahmen gibt, auf den dafür zurückgegriffen werde könnte. Es gab auch keine Möglichkeit zu erfahren, wie oft es im Rahmen der Sicherung von Arbeitsverhältnissen zu Anträgen auf Förderung von beruflicher Weiterbildung gekommen ist. Es wurde allgemein auf das Kursangebot der BIH verwiesen. Dort gibt es eine Übersicht über die jeweiligen Kursangebote der Integrationsämter in den Bundesländern (www.integrationsaemter.de/kurs-vor-ort ) und Online-Kurse zu den Themen SBV, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Integrationsvereinbarung.

    Eines der befragten Integrationsämter bietet ein inklusives Seminar für gehörlose und nicht-gehörlose ArbeitskollegInnen an, mit dem Ziel, besserer Verständigung und Kommunikation im betrieblichen Alltag.

    Handels- und Handwerkskammern

    Es wurden zwölf Interviews mit BeraterInnen von Handels- und Handwerkskammern geführt. Bei der Hälfte der befragten Institutionen werden überhaupt keine eigenen Weiterbildungskurse angeboten, sondern nur Prüfungen abgenommen.

    Fast alle GesprächspartnerInnen bei den Kammern verweisen auf das Online-Informationsportal „WeiterbildungsInformationsSystem“ (www.wis.ihk.de ) auf dem ein Gesamtangebot von 45.000 Einzelseminaren bei 500 privaten Seminaranbietern katalogisiert ist. Eine Kategorie für barrierefrei oder inklusiv konzipierte Seminare gibt es nicht. Zum Stichwort „Barrierefrei“ finden sich 37 Seminarangebote zum Erstellen barrierefreier Dokumente und Internetseiten oder für die Planung barrierefreier Wohnungen. Bei drei Befragungen wurde von Kammer-BeraterInnen auch auf die Möglichkeit der sogenannten Teilqualifizierungen verwiesen.

    Bei den Kammern, die eigene Weiterbildungsangebote durchführen, besteht eine grundsätzliche Offenheit für die Teilnahme von Menschen mit Behinderung, allerdings richtet sich ein großer Teil der Kurse an Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung. Erfahrungen mit erfolgreichen Kursteilnahmen gibt es vor allem mit Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Nur eine Befragte hatte bereits auch Erfahrung mit der Teilnahme von Menschen mit psychischen Einschränkungen. Die Kursleitungen können sich nach Einschätzung der interviewten BildungsberaterInnen der Kammern gut auf die Bedarfe von Menschen mit körperlichen Einschränkungen einstellen und in der Regel die Kurse barrierefrei anbieten.

    Es gibt sowohl Kurse in Vollzeit wie auch als Teilzeitangebot. Alle Kurse werden mit einheitlichen Prüfungen und Zertifikaten abgeschlossen.

    Bildungsträger der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften

    Es wurde jeweils mit einer Institution ein Interview geführt.

    Beim Bildungswerk einer Gewerkschaft gibt es keine beruflichen Weiterbildungsangebote im engeren Sinn. Es gibt Seminare für Betriebsräte, an einem Standort speziell zum Thema Arbeit & Gesundheit. Es werden zwar einzelne Zusatzausbildungen als Suchthelfer oder Facility-Manager angeboten, ob diese Kurse barrierefrei sind, wird von der Befragten bezweifelt. Möglicherweise gibt es ein oder zwei Tagungsorte, für die das zutrifft. Für berufliche Weiterbildungsangebote verweist die Interviewpartnerin an die Angebote der Berufsförderungswerke (BFW).

    Beim Bildungswerk eines Arbeitgebeverbandes gibt es seit ca. 10 Jahren Kurse zur beruflichen Qualifizierung vor allem im Bereich Computeranwendungen, an denen Menschen mit Behinderung teilnehmen. Auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten stehen die Kurse off en. Die ReferentInnen haben eine rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation und sind in der Lage auf die individuellen Bedarfe der Teilnehmenden einzugehen. Kursmaterial in Leichter Sprache gibt es aber nicht. Die Rückmeldungen der Betriebe auf die Kurse sind sehr positiv und es gibt Überlegungen, das Angebot auszubauen. Hintergrund für die Entwicklung der Angebote war (und ist) der Fachkräftemangel.

    Freie Bildungsanbieter

    Es wurden 24 Interviews mit freien Bildungsanbietern durchgeführt. Die in diesem Bereich geführten Interviews lassen sich in drei Untergruppen unterteilen:

    • Anbieter allgemeinbildender und beruflicher Weiterbildung mit Zertifikat wie bspw. Grone-Schulen, TÜV, SAE Institute (School of Audio Engineering: http://de.sae.edu/de )

    • Anbieter beruflicher Bildung mit Anbindung an Organisationen sozialer Dienstleistungen

    • Anbieter vorrangig allgemeinbildender Kurse wie Volkshochschulen (VHS), die in der Regel ohne Zertifikat und Prüfung abgeschlossen werden

    Die einzelnen Bildungsanbieter sind sehr unterschiedlich aufgestellt und haben auch bisher in sehr unterschiedlicher Weise Erfahrungen mit der Teilnahme von Menschen mit Behinderung gemacht. Grundsätzlich bestehen bei den meisten keine Erfahrungen und (dadurch) offene Fragen, was die Teilnahme von Menschen mit Lernschwierigkeiten angeht. Dabei geht es vor allem darum, ob diese TeilnehmerInnen der Vermittlung der Inhalte überhaupt folgen könnten bzw. wie die Vermittlung von Lerninhalten für die Zielgruppe didaktisch zu gestalten sei. Ausnahmen sind hier vor allem die Volkshochschulen (VHS), die sich mit Fragen der barrierefreien Nutzung (im weitesten Sinne) von Bildungsveranstaltungen und inklusiven Kursangeboten offenbar schon intensiver auseinandergesetzt haben (s.u.). Im Bereich der beruflichen Weiterbildungsanbieter, die sich in Anbindung an Organisationen sozialer Dienstleistungen befinden, ist die Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema Inklusion sehr groß. Sieben von acht befragten Anbietern in dem Bereich bieten aber letztendlich exklusive Weiterbildungen für Menschen mit Behinderung an, also Kurse an denen nur Menschen mit Behinderung teilnehmen. Das liegt in erster Linie daran, dass diese Institutionen speziell als Anbieter für diesen Personenkreis ins Leben gerufen wurden. Die inhaltliche Bandbreite der Angebote umfasst Kreativ-Seminare, Maschinenscheine, PC-Kenntnisse, hauswirtschaftliche Kurse und Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung. Die ReferentInnen verfügen hier alle über Zusatzqualifikationen und betonen die Bedeutung der individuellen Unterstützung der einzelnen TeilnehmerInnen. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung gibt es aber auch in diesem Sektor die gleichen Hürden und Fragen, wie bei (vielen) anderen Anbietern.

    Bei den anderen beruflichen Weiterbildungsträgern ist ebenfalls eine grundsätzliche Offenheit für die Teilnahme von Menschen mit (körperlichen- und Sinnes-) Einschränkungen vorhanden, bei vielen gibt es dazu auch bereits konkrete Erfahrungen. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten gab es aber nur bei zwei Anbietern die uneingeschränkte Bereitschaft, ihre Angebote - soweit sinnvoll - auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten bereit zu halten. Dort wurden aber auch bereits wiederholt gute Erfahrungen gemacht. Die Idee, zur Unterstützung der Teilnehmenden auch Bildungscoache einzusetzen, wurde von keinem Anbieter abgelehnt. Ein Anbieter setzt ausschließlich auf E-Learning- Formate bei seinen Angeboten. Die Kurse decken inhaltlich ein breites Spektrum beruflicher Themen ab und werden mit Zertifikat abgeschlossen; es lassen sich aber auch einzelne bestandene Module zertifizieren. Betreuung durch die Kursleitung erfolgt online. Auch hier gibt es gegen eine Unterstützung durch Bildungscoaches keine Bedenken. Bisher haben nach Auskunft des Anbieters allerdings noch keine Menschen mit Lernschwierigkeiten teilgenommen.

    Im Bereich der Volkshochschulen ist die Aufgeschlossenheit für die Teilnahme von Menschen mit Behinderung sehr groß und die Skepsis gegenüber einer Teilnahme von Menschen mit Lernschwierigkeit oder geistiger Behinderung am geringsten. Die inhaltlichen Angebote der Kurse liegen vor allem im Kreativ-Bereich, Computergrundkenntnisse und Alphabetisierung und Fremdsprachenerwerb. Informationen in Leichter Sprache oder in einfacher Sprache gibt es bei drei Anbietern. Die meisten Kurse werden ohne Zertifikat bzw. Prüfung abgeschlossen. Informationen über die ReferentInnen und mögliche Zusatzqualifikationen zu bekommen, war bei den VHS nur mit viel Aufwand möglich. Es gibt bei verschiedenen Volkshochschulen inzwischen Kooperationen mit anderen Organisationen, um das Thema inklusives Lernen weiter voran zu bringen und auch Formate inklusiven Unterrichtens zu entwickeln und anzubieten.

    Fazit

    Für eine Teilnahme von Menschen mit körperlichen und Sinnesbeeinträchtigungen gibt es eigentlich bei allen Weiterbildungsanbietern zumindest eine grundsätzliche Offenheit, bei vielen auch bereits seit längerem ausreichend Erfahrung, um Kurse barrierearm anzubieten. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung sind Angebote dagegen rar und die Skepsis der Anbieter, ob eine Teilnahme möglich gemacht werde könnte, groß. Das korreliert damit, dass es auch keine Erfahrungen mit der Teilnahme dieser Personengruppe gibt. Dort, wo bereits jetzt Weiterbildungen inklusiv durchgeführt werden, werden Bildungscoaches/ Assistenzen zur Unterstützung des Lernprozesses auch eingesetzt oder als hilfreich angesehen.

    Die Integrationsämter konnten keine Hinweise zu Weiterbildungsanbietern geben, die auch inklusive Angebote vorhalten. Die Finanzierung von beruflicher Weiterqualifizierung für Menschen mit Sinnes- und Körpereinschränkungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben scheint aber unproblematisch zu sein. Die befragten Integrationsämter konnten keine näheren Informationen geben, in welchem Umfang bisher Förderanträge für Weiterbildungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten gestellt wurden. Eingeschätzt wird, das dies bisher eher sehr selten geschieht. Im Bereich der Sicherung von Arbeitsverhältnissen kommt nach Aussagen der MitarbeiterInnen in den Integrationsämtern ganz allgemein eine Beantragung von Weiterbildungsförderung nur vereinzelt vor.

    Bei den Angeboten der befragten Kammern, kommt den Teilqualifizierungen eine besondere Bedeutung als Weiterbildungsoption zu. Teilqualifizierungen sollen zur Ausübung einzelner Tätigkeiten innerhalb eines anerkannten Ausbildungsberufs befähigen. Sie werden sowohl von freien Trägern wie auch von einzelnen Bildungseinrichtungen der Kammern angeboten. Die verschiedenen Module werden einzeln geprüft und zertifiziert. Es gibt Teilqualifizierungen in den Bereichen Handwerk (z.B. Metallverarbeitung), Gewerbe (z.B. Lager, Logistik, Textil, CAD) und Büro (z.B. Rechnungswesen, Büroorganisation). Der Ansatz hinter dem Konzept der Teilqualifizierungen entspricht aber dem Gedanken, durch das Aufgliedern komplexerer Tätigkeitsprozesse passgenaue(re) Arbeitssituationen zu schaffen, die den individuellen Möglichkeiten der ArbeitnehmerInnen Rechnung tragen. Inwieweit die inhaltliche Anforderungen der bestehenden Teilqualifizierungskonzepte für Menschen mit Lernschwierigkeiten eine noch immer unüberwindbare Hürde darstellen, muss noch geprüft werden. Erfahrungen dazu konnten in den Interviews bisher noch nicht ermittelt werden.

    Beim Bildungswerk einer Gewerkschaft ergab die Recherche keine verwendbaren Ansätze für inklusive Weiterbildungen. Das Bildungswerk eines Arbeitgeberverbands repräsentiert einen sehr pragmatischen und leistungsorientierten Zugang zum Thema inklusive Weiterbildung. Der Impuls für inklusive Angebote entstand aus der Situation eines strukturellen Fachkräftemangels, die auch nach wie vor weiter besteht. Allerdings differenziert der Anbieter explizit zwischen Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit geistiger Behinderung. Für letzteren Personenkreis ist es aus Sicht des Bildungswerkes eine besondere Herausforderung, aufgrund fehlender Erfahrungen, adäquate Kursangebote vorhalten zu können.

    Im Bereich der freien Bildungsanbieter sind die Volkshochschulen aufgrund ihrer Kurskonzeption (d. h. normalerweise keine Voraussetzung von Bildungsabschlüssen für die Teilnahme und keine Abschlussprüfung), ihrer inhaltlich breiten Aufstellung und geringer Kursgebühren ein wichtiger Bildungsanbieter auch für Menschen mit Behinderung. Die Kurse bei Volkshochschulen sind zwar in der Regel keine beruflichen Weiterbildungen im engeren Sinne. In einem umfassenderen Verständnis sind aber auch diese Angebote für viele Menschen mit Behinderung durchaus für eine berufliche Weiterentwicklung von Bedeutung. Eine hohe berufliche Relevanz haben zumindest die Alphabetisierungs-Kurse zum Erlernen von Lese- und Schreibkompetenz und Computerkurse vor allem für die klassischen Text- und Datenverarbeitungs-Programme.

    Die wenigen Anbieter inklusiv gestalteter Weiterbildungen betonen, dass ihre Kurse besonders praxisorientiert konzipiert sind und sich deshalb für die Teilnahme zum Beispiel von Menschen mit Lernschwierigkeiten eignen. Das entspricht auch vielen Empfehlungen aus den Fachdienst-Interviews. Parallel wird im beruflichen Weiterbildungsbereich allerdings auch E-Learning als Format immer mehr eingesetzt. Es wäre zu diskutieren, ob ELearning als Methode den Kriterien für inklusives Lernen entspricht und zu prüfen, wie es in Verbindung mit dem von vielen Seiten empfohlenen praxisnahen Lernen erfolgreich einsetzbar ist.

    Abbildung 2. Claus Sasse

    Portraitfoto von Claus Sasse

    Claus Sasse ist bei der BAG UB Mitarbeiter im Projekt „Karriereplanung inklusive“.

    Kontakt und nähere Informationen

    Mail: claus.sasse@bag-ub.de

    Quelle

    Claus Sasse: Fürs Leben lernen. Recherche zu inklusiven Weiterbildungsangeboten. Erschienen in: impulse Nr. 74, 03/2015, Seite 20–24.

    bidok-Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

    Stand: 12.012.2017

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