Viel Spaß für alle!

Workshops für unterstützte ArbeitnehmerInnen auf der BAG UB Jahrestagung 2013 in Suhl

Autor:in - Claus Sasse
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: impulse Nr. 67, 04/2013, S.22-24, impulse (67/2013)
Copyright: © Claus Sasse 2013

Abbildungsverzeichnis

    Viel Spaß für alle!

    Es scheint sich in der „Szene“ herumgesprochen zu haben, dass sich ein Besuch der Tagung lohnt. Die meisten, die einmal da waren, wollen unbedingt im nächsten Jahr wieder kommen, andere lassen sich von den Erzählungen ihrer KollegInnen anstecken. Umgekehrt ist die Enttäuschung wenn es mit der Teilnahme nicht klappt entsprechend hoch. Zumindest einige der unterstützten ArbeitnehmerInnen sind bereit, drei oder vier Tage ihres Jahresurlaubs zu opfern und Reisewege von manchmal 8 oder 10 Stunden in Kauf zu nehmen, um einmal im Jahr an dieser Tagung teilnehmen zu können. Woran liegt das?

    Die Atmosphäre

    Woher der große Zuspruch für die BAG UB Jahrestagung bei unterstützten ArbeitnehmerInnen kommt, lässt sich nur schwer verallgemeinern. Fragt man die TeilnehmerInnen selbst, bekommt man sehr unterschiedliche Antworten. Ganz wichtig ist demnach vielen, die schon einmal oder mehrmals teilgenommen haben, das Zusammentreffen mit „alten Gesichtern“ und das gemeinsame Erleben der drei Tage. Die meisten unterstützten ArbeitnehmerInnen reisen in kleineren oder größeren Gruppen an, viele haben AssistentInnen und ArbeitsbegleiterInnen dabei, nur wenige kommen allein. Auf der Tagung werden dann neue Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen durch den Austausch mit Menschen aus anderen Städten oder Regionen, die sich in einer vergleichbaren Lebenssituation befinden.Ein weiterer Grund, der für die Attraktivität der BAG UB Tagung genannt wird, ist die besondere Atmosphäre auf der Tagung. Sie ist bestimmt durch den relativ hohen Anteil unterstützter ArbeitnehmerInnen bei den TeilnehmerInnen – in diesem Jahr knapp 20% von insgesamt 380 Gästen und ein inzwischen vielfältiges und interessantes Workshop-Angebot, das den Vorstellungen und Wünschen dieser TeilnehmerInnengruppe entgegenkommt. Dazu kommt eine sehr breite Akzeptanz und Aufgeschlossenheit aller TagungsbesucherInnen an einer möglichst inklusiven Gesamtveranstaltung. In diesem Zusammenhang wird von einigen unterstützten ArbeitnehmerInnen betont, dass sie das Gefühl haben, sich hier inhaltlich einmischen zu können und dabei auch tatsächlich gehört zu werden. Diese für eine Fachtagung tatsächlich besondere Atmosphäre wurde in diesem Jahr noch durch die Teilnahme des „English Teaching-Assistent“ Tobias Wolff aus Mittenwald unterstrichen. Der junge Mann mit Down-Syndrom erläuterte in einem eigenen Workshop sein Unterrichtskonzept, mit dem er GrundschülerInnen am Starnberger See Englisch beibringt und war Podiumsteilnehmer im Offenen Forum auf der Hauptkonferenz. Für viele unterstützte ArbeitnehmerInnen bedeutet die Tagung auch einfach drei intensive Tage mit neuen, manchmal spannenden Erfahrungen. Dazu gehört auch die inzwischen „etablierte“, von unterstützten ArbeitnehmerInnen selbst gestaltete Abschlussveranstaltung am Freitagmittag, die auch bei den „professionellen“ TeilnehmerInnen auf große Begeisterung stößt und viele mit einem beschwingten Gefühl nach Hause fahren lässt.

    Abbildung 1.

    Foto aus dem Vampirfilmworkshop

    Szene aus dem Vampirfilm: „Die dunklen Seiten von Suhl“

    Die Angebote

    Grundsätzlich stehen den unterstützten ArbeitnehmerInnen natürlich alle Angebote der Tagung off en. Einige nehmen auch sehr bewusst und gezielt an den Podiums- und Plenumsvortragsveranstaltungen teil, beklagen aber, nicht sehr viel von den Vorträgen zu verstehen. Workshops, die nicht explizit als inklusive Veranstaltungen angeboten werden, werden bisher nicht besucht. Umgekehrt gibt es ein in den letzten Jahren mit der steigenden TeilnehmerInnenzahl gewachsenes Angebot an Workshops für unterstützte ArbeitnehmerInnen, die zwar auch prinzipiell allen TagungsteilnehmerInnen offen stehen, aber bisher nur exklusiv wahrgenommen werden. In diesem Jahr gab es insgesamt vier Kreativ-Angebote für unterstützte ArbeitnehmerInnen, zusätzlich an drei Tagen einen inklusiven inhaltlichen Tagungs-Workshop zum Thema Persönliche Zukunftsplanung.

    ArbeitnehmerInnen Informationsmaterial in Leichter Sprache zu den unterschiedlichen Workshopangeboten. Die meisten hatten sich daher vor ihrer Anreise bereits für einen Workshop entschieden und eine Rückmeldung an das Tagungsbüro geschickt. Auf der gemeinsamen Auftaktveranstaltung der unterstützten ArbeitnehmerInnen konnten sich dann alle noch einmal die Angebote erläutern lassen. Bevor die Gruppenarbeitsphase begann, wurde das große Plenum noch für einen Austausch zum Tagungsthema genutzt. Was ist Teilhabe, was bedeutet für mich persönlich Teilhabe, in welchen Bereichen brauche ich dafür Unterstützung und bekomme ich die auch so, wie ich sie gerne hätte und für mich sinnvoll ist? Die meisten TeilnehmerInnen waren dabei mit ihrer Arbeitssituation und der dafür nötigen Unterstützung zwar durchaus ganz zufrieden, es wurde aber angemerkt, dass die Unterstützungsmöglichkeiten insbesondere für ausgefallene oder ungewöhnlich Wünsche jenseits des Arbeitsalltags noch ausbau- und entwicklungsfähig sind.

    Nach dem kurzen inhaltlichen Austausch begannen die Workshops, in denen das Tagungsthema vor allem künstlerisch bearbeitet wurde. Eine sichere Bank bei den Kreativ-Angeboten ist nach nun vier Durchgängen der Filmworkshop, zu dem neben dem Referenten Robert Kruschel - in diesem Jahr gemeinsam mit seiner Frau Annett Kruschel - auch ein fester Kern von TeilnehmerInnen gehört, der dieses Angebot jedes Jahr unbedingt wieder wahrnehmen will und inzwischen sogar schon die Workshopinhalte für das folgende Jahr mitplant und -festlegt. Für dieses Jahr hatten sich die TeilnehmerInnen des Workshops in Bad Honnef 2012 bereits auf das Thema Vampirfilm geeinigt. Gemeinsam wurde nun in Suhl der Filmplot entwickelt, die Rollen verteilt, Drehorte im und um das Tagungshotel gesucht, Kostüme zusammengestellt und dann: gespielt und gefilmt.

    Abbildung 2. „Die dunklen Seiten von Suhl“

    Foto aus einem Workshop

    Teilhabe als besondere Herausforderung

    Genau so beliebt wie der Filmworkshop ist der angebotene Kreativ-Workshop von MitarbeiterInnen von ACCESS Integrationsbegleitung aus Erlangen. In diesem Jahr stand die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Fähigkeiten als Grundlage für eine selbstbestimmte Teilhabe im Mittelpunkt. Doris Ebert und Christoph Jahn zeigten den begeisterten TeilnehmerInnen, wie sie Aspekte ihrer Persönlichkeit, die ihnen besonders wichtig sind, in Form von Kollagen ausdrücken und sichtbar machen können.

    Parallel dazu fand nun zum zweiten Mal bei einer BAG UB Tagung ein Theaterworkshop mit dem Schauspieler und Regisseur Christoph Kaiser und der Lehrerin Eleonore Fröhlich statt. Diese Gruppe begann zunächst mit Improvisationsübungen und entwickelte schließlich für die Abschlussveranstaltung eine Performance, in der die TeilnehmerInnen sehr subjektiv und sehr anschaulich das Spannungsverhältnis zwischen Behinderung und eigenen Wünschen dargestellt und Synthesemöglichkeiten spielerisch erprobt wurden.

    Neu im Programm war in diesem Jahr ein Musikworkshop mit Berit Blesinger von der BAG UB und Doris Haacke von Mensch zuerst aus Hamburg. Hier trafen erfahrene InstrumentalistInnen auf Musikbegeisterte, die noch nie ein Instrument in der Hand hatten. Gemeinsam wurden zwei Rock-Klassiker erarbeitet, die während der Abschlussveranstaltung auf die Bühne gebracht wurden: „We will rock you“ von Queen und „Westerland“ von den Ärzten.

    Für das kommende Jahr wird es eine große Herausforderung sein, diese Angebote weiter auszubauen. Ziel ist nicht nur, das qualitative Niveau der Workshops zu halten und eine gleichbleibend hohe Anzahl an Plätzen für unterstützte ArbeitnehmerInnen anzubieten. Es soll auch darum gehen, die Tagung insgesamt zu einer tatsächlich inklusiven Veranstaltung weiter zu entwickeln. Wie das genau aussehen kann, muss sich nach und nach zeigen. Unterschiedliche Ideen und Ansätze gibt es bereits. Sicher ist aber jetzt schon, dass das wahnsinnig viel Spaß machen wird. Allen.

    Porträt des Autors

    Claus Sasse

    ist bei der BAG UB für die Impulse verantwortlich

    Kontakt und nähere Informationen

    BAG UB e.V Schulterblatt 36, 20357Hamburg

    Tel.:040 - 432 53 123

    E-Mail: impulse@bag-ub.de

    Quelle

    Claus Sasse: Viel Spaß für alle! Workshops für unterstützte ArbeitnehmerInnen auf der BAG UB Jahrestagung 2013 in Suhl. Erschienen in: impulse Nr. 67/2013, Seite 22-24.

    bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

    Stand: 25.05.2016

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