Eine Frage der Einstellung

Regionalstudie zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Bremen

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: impulse Nr. 57, 2/2011, S. 24-31 impulse (57/2011)
Copyright: © Brigitte Fietz, Gerlinde Hammer 2011

Eine Frage der Einstellung. Regionalstudie zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Bremen

Anfang des Jahres 2011 ist eine vom Integrationsamt Bremen in Auftrag gegebene und vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen durchgeführte Regionalstudie zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt erschienen.[1] Sie untersucht die Akzeptanz der Förderinstrumente zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Die Studie zeigt auch, dass die Beschäftigungssicherung für ältere leistungsgewandelte MitarbeiterInnen zunehmend die sowieso geringe Bereitschaft zur Neueinstellung von Menschen mit Behinderungen einschränkt, obwohl hier vergleichbare Fragen der Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzgestaltung aufgeworfen werden.



[1] Die Studie trägt den Titel: "Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Einstellungsgründe und Einstellungshemmnisse - Akzeptanz der Instrumente zur Integration. Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung in Unternehmen des Landes Bremen". Der Download der Studie steht unter www.iaw.uni-bremen.de zur Verfügung. Ferner ist sie als Druckversion beim Integrationsamt Bremen erhältlich; bitte kontaktieren Sie Herrn Stubben: Tel. 0421-361-5294 oder Walter.Stubben@ versorgungsamt.bremen.de

Teilhabechancen auf dem ersten Arbeitsmarkt: noch nicht befriedigend realisiert

Erwerbsarbeit hat für behinderte Menschen einen hohen Stellenwert: sie bildet eine wesentliche Voraussetzung für ein selbst bestimmtes und gleichberechtigtes Leben in der Gesellschaft. Gleichwohl ist die Teilhabe am Arbeitsleben für schwerbehinderte Menschen nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Für sie ist es vergleichsweise schwieriger, auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu finden und auch möglichst dauerhaft zu behalten. Das Sozialgesetzbuch IX Teil 2 reflektiert diese Problematik: Es verpflichtet öffentliche und private ArbeitgeberInnen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Wird diese Quote nicht erfüllt, muss eine "Ausgleichsabgabe" entrichtet werden - wobei dies die Pflicht zur Beschäftigung nicht aufhebt. Der Gesetzgeber greift damit auf der einen Seite regulierend in die unternehmerische Freiheit ein: er verpflichtet die Arbeitgeber nicht nur zur Beschäftigung, er sieht auch eine Reihe von Regelungen vor, die den besonderen Schutzbedürfnissen dieser MitarbeiterInnen Rechnung tragen. Auf der anderen Seite wird jedoch den betriebswirtschaftlichen Kalkulationen der Betriebe Rechnung getragen: Aus Mitteln der Ausgleichsabgabe wird ihnen eine Reihe differenzierter beratender und finanzieller Hilfen angeboten, die die Beschäftigung unterstützen, in dem Nachteile, die durch sie entstehen können, kompensiert werden.

Der Blick auf die Statistik zeigt jedoch, dass trotz der Pflicht zur Quotenerfüllung und trotz der bundesweiten umfangreichen Informations- und Aufklärungsarbeit zur Unterstützung der Beschäftigung und Ausbildung schwerbehinderter Menschen, die in den vergangenen Jahren geleistet worden ist, in der privaten Wirtschaft Beschäftigungshemmnisse vorhanden sind, die bislang nicht überwunden werden konnten. Während der Öffentliche Dienst im Jahr 2008 die staatlich gesetzte Beschäftigungsquote mit 6,1 Prozent auf Bundesebene übererfüllt, tut sich die private Wirtschaft damit eher schwer: sie besetzte im gleichen Jahr lediglich 3,7 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten ArbeitnehmerInnen.[2] Diese Zahlen spiegeln auch die Situation im Land Bremen wider: die Beschäftigungsquote der privaten Wirtschaft betrug 2008 lediglich 3,6 Prozent.[3]

Foto: Bertolt Monk



[2] Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) (Hrsg.): Jahresbericht 2009/2010. Hilfen für schwerbehinderte Menschen im Beruf. Karlsruhe, 2010, S. 12

[3] Quelle: Bundesagentur für Arbeit Statistik (Hrsg.): Schwerbehinderte Menschen in Beschäftigung (Anzeigeverfahren SGB IX). In: Arbeitsmarkt in Zahlen - Beschäftigungsstatistik. Nürnberg, 2008

Durchführung der Studie

Diese für arbeitsuchende schwerbehinderte Menschen unbefriedigende Lage wurde Integrationsamt Bremen aufgegriffen. Eine Aufgabe der Integrationsämter ist es, Unternehmen darin zu unterstützen, neue Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zu schaff en, sie behindertengerecht zu gestalten und möglichst dauerhaft zu erhalten. Diese Zielsetzung kann aber nur dann optimal realisiert werden, wenn es hinreichend Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gibt, die diese Unterstützungen auch in Anspruch nehmen, und bereit sind, schwerbehinderte Menschen nach Maßgabe der Quote zu beschäftigen. Schritte zur Verbesserung der Beschäftigungssituation schwerbehinderter Arbeitsuchender zu entwickeln, bedeutet demnach, mehr Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu motivieren, diese BewerberInnen bei ihren Personalentscheidungen zu berücksichtigen. Das Integrationsamt Bremen hat deshalb das Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) beauftragt, in einer wissenschaftlichen Studie für das Land Bremen Verbesserungspotenziale zu eruieren. Unter dieser Zielsetzung gliederte sich der Auftrag des Integrationsamtes in zwei Schwerpunkte:

  • Erstens sollten aus der Identifizierung und der Analyse der Gründe Pro und Contra Beschäftigung in den privaten Unternehmen Schlüsse auf die Akzeptanz der Integrationsinstrumente und -strategien gezogen und mögliche neue, bisher nicht berücksichtigte Unterstützungsbedarfe erkannt werden.

  • Zweitens wollte das Integrationsamt das betriebliche Urteil über seine durch seine MitarbeiterInnen angebotenen und realisierten Dienste erfahren, um bei Bedarf auch diese Dienste zu verbessern.

Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, Beratung, Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit des Integrationsamtes in Bremen und Bremerhaven besser mit den betrieblichen Anforderungen und Sichtweisen abstimmen zu können. Die vom Integrationsamt Bremen in Auftrag gegebene Studie wurde im Jahr 2010 durchgeführt.

Das Untersuchungsdesign

Für einen wie oben skizzierten Forschungsauftrag versprechen qualitative Untersuchungsmethoden, insbesondere qualitative Experten- und Expertinneninterviews in Unternehmen, belastbare Ergebnisse, die sich in Handlungsempfehlungen umsetzen lassen, weil damit nicht lediglich feststehende Meinungen und Urteile abgefragt und quantifiziert werden, sondern diese diskutiert und hinterfragt werden können. Die Untersuchung basiert auf dem im Institut Arbeit und Wirtschaft, im Rahmen des Projektes EQUIB[4] entwickelten Instrumentarium des Regionalen Monitoring-System Qualifikationsentwicklung (RMQ) und seinem qualitativen Untersuchungsansatz.[5] Das RMQ stützt sich in seiner Gesamtanlage auf drei Säulen:

Im Zentrum steht das "Betriebspanel", bestehend aus Verantwortlichen in den Betrieben, die für die zu untersuchenden Fragestellungen als Experten und Expertinnen gelten; das Panel wird nach qualitativen Gesichtspunkten zusammengestellt. Für die Identifizierung hemmender wie förderlicher Bedingungen der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wurden zwei Betriebspanels (Säule 1) aufgestellt:

Panel 1 umfasste Betriebe, die die Quote von 5 Prozent erfüllen. Es sollte Auskunft geben über die positiven Gründe, die zur Beschäftigung geführt haben;

Panel 2 umfasste Betriebe, die keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen oder unterhalb der Quote bleiben; erwartet wurden hier Erkenntnisse über hemmende Bedingungen, die einer Beschäftigung entgegenstehen.

Die Betriebsbefragungen erfolgten zeitlich nacheinander, um die Ergebnisse aus Panel 1 für die Strukturierung von Panel 2 nutzen zu können. Persönliche, leitfadenzentrierte, ein- bis zweistündige Experten- und Expertinnen-Interviews wurden mit Personalverantwortlichen in den Unternehmen durchgeführt. Insgesamt wurden in den beiden Panels 37 solcher Gespräche geführt. Hinzu kamen Gespräche mit 7 Vertreterinnen und Vertretern von Betriebsräten und Schwerbehindertenvertretungen.

Beratende Funktion bei der Betriebsauswahl und der Leitfadenentwicklung hatte der sog. "überbetriebliche Expertenpool", bestehend aus regionalen Verantwortlichen und Akteuren aus Politik, Institutionen sowie Sozialpartnern, die in dem zu untersuchenden Handlungsszenarium wichtige Funktionen erfüllen (Säule 2). Im Vorfeld der Betriebsbefragungen wurde die Thematik mit 32 Personen aus diesen Arbeitszusammenhängen diskutiert.

Wissenschaftliche Recherchen und Sekundäranalysen wurden durchgeführt, um die eigene Untersuchung dem Stand der Forschung entsprechend anzulegen und ggf. regionale Ergebnisse mit bundesweiten Trends abzugleichen und zu interpretieren (Säule 3).

Zentrales Instrument der betrieblichen ExpertInnenbefragung ist das qualitative, leitfadengestützte Interview, das als Mind- Map-basierter Befragungsleitfaden aufgearbeitet wird.

Fotos: Bertolt Monk



[4] Nähere Ausführungen zum Projekt "EQUIBErmittlung des Qualifikationsbedarfes im Land Bremen" siehe unter: www.equib.de [letzter Zugriff: März 2011]

[5] Eine ausführliche Darstellung findet sich in Hammer, Gerlinde u. Benedix, Ulf: Erfahrungsbericht aus dem Bremer Projekt EQUIB. In: Kröcher, Uwe; Schwab, Herbert; Tute, Wiebke (Hrsg.): Weiterbildung in Unternehmen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Trends aus Niedersachsen und Bremen. Oldenburg, 2010, S. 139 - 150 sowie EQUIB: Regionales Monitoring Qualifikationsentwicklung in Bremen. In: Larsen, Christa; Dera, Susanne; Knobel, Claudia; Schmidt, Alfons (Hrsg.): Regionales Arbeitsmarktmonitoring: Ansätze, Konzepte und Entwicklungen in Deutschland. München 2005, S. 43 - 52

Ausgewählte Ergebnisse der Studie

Einfluss der Folgen des demografischen Wandels auf die Beschäftigungschancen

Noch jenseits einzelner, mit den Voraussetzungen schwerbehinderter Menschen oder in den Strukturen von Arbeitsplatz, Arbeitsorganisation und Wettbewerbsanforderungen begründeten Bedingungen, die für Unternehmen die Beschäftigung schwerbehinderter ArbeitnehmerInnen erschweren, ist als ein Ergebnis der Untersuchung festzuhalten: Eine Schranke für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zeichnet sich im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung und ihrem Einfluss auf die Alterszusammensetzung der Belegschaften in den Betrieben ab.

Auf diese Problematik verweisen die Untersuchungsergebnisse, die in Großbetrieben unterschiedlicher Branchen des verarbeitenden Gewerbes im Land Bremen gewonnen wurden. Diese Unternehmen haben eine hohe Bedeutung für die Beschäftigung in Bremen und Bremerhaven und zugleich auch für die der schwerbehinderten Menschen: Sie erfüllen und übererfüllen die gesetzliche Beschäftigungsquote, sie stehen jedoch aufgrund der Alterung ihrer langjährig Beschäftigten vor der Situation, dass zunehmend mehr ältere leistungsgewandelte MitarbeiterInnen noch jenseits des Status der Schwerbehinderung veränderte Arbeitsplätze benötigen. Diese Entwicklung kumuliert mit der hohen und wachsenden Zahl schwerbehinderter Beschäftigter. Für beide Gruppen von Beschäftigten gilt es, Arbeitsplätze neu oder durch Veränderungen der Arbeitsorganisation zu schaffen, die der Leistungsfähigkeit angepasst sind und zugleich dem Maßstab der Wirtschaftlichkeit entsprechen. Diese Aufgabe stellt die Betriebe zunehmend vor Probleme. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung kommen diese Betriebe für Neueinstellungen schwerbehinderter Arbeitsuchender wenig infrage; der Arbeitsplatzerhalt für bereits beschäftigte schwerbehinderte sowie leistungsgewandelte ArbeitnehmerInnen ist hier das zentrale Aufgabenfeld der Personalplanung.

Diese Folgen der demografischen Entwicklung zeigen sich tendenziell auch in Betrieben kleinerer Betriebsgrößen unterschiedlicher Wirtschaftszweige. Diese Betriebe beschäftigen schwerbehinderte Menschen, bewegen sich aber unterhalb der 5 Prozent-Quote. Dies wird auch mit begrenzten Kapazitäten vorhandener passender Arbeitsplätze begründet, da diese bereits mit leistungsgewandelten MitarbeiterInnen besetzt seien.

Die demografische Entwicklung verschärft das Problem der Integration schwerbehinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt. Insofern wäre zu überlegen, Konzepte und Maßnahmen zu alternsgerechter Personalentwicklung, Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzgestaltung, die im Rahmen der Bewältigung des demografischen Wandels eingesetzt werden, mit Integrationsmaßnahmen zu koordinieren.

Leistungsfähigkeit: - Einstellungsbedingung und Hemmnis

Die Ergebnisse der Regionalstudie zeigen weiter auf, dass die Erfüllung der Beschäftigungsquote und damit die Vermeidung der Kosten, die durch die Entrichtung der Ausgleichsabgabe entstehen, für Betriebe nicht im Mittelpunkt bei der Frage stehen, ob schwerbehinderte Menschen bei Einstellungen berücksichtigt werden oder nicht. Vielmehr ist die Erfüllung der Quote in den betrieblichen Abwägungen eine abhängige Variable der Kalkulation des wirtschaftlich lohnenden Einsatzes (auch) schwerbehinderter Arbeitskräfte. Voraussetzung hierfür ist die Leistungsfähigkeit und eine passende Qualifikation der ArbeitnehmerInnen. Diese Bedingungen stehen für alle in die Untersuchung einbezogenen Betriebe - unabhängig davon, ob sie die Quote erfüllen oder nicht - an erster Stelle.

Die Ergebnisse zeigen, dass Betriebe, die die Quote nicht erfüllen (Panel 2), ihre Argumentation gegen eine Beschäftigung in hohem Maße um diese Einstellungsbedingung zentrieren: hohe Leistungs-, Flexibilitäts- und Qualifikationsanforderungen der Arbeitsplätze werden als nicht kompatibel mit den Voraussetzungen schwerbehinderter Arbeitsuchender bewertet. Diese negative Einschätzung basiert in vielen Fällen auf konkreten Einzelerfahrungen mit schwerbehinderten Beschäftigten, deren Einsatz zu Problemen führte bzw. als nicht wirtschaftlich beurteilt wurde. Diese Urteile werden generalisierend auf die Gruppe der schwerbehinderten ArbeitnehmerInnen übertragen. Eine Differenzierung nach unterschiedlichen Arbeitsplätzen und Prüfung, ob sie für schwerbehinderte Arbeitsuchende geeignet sein könnten, wird auf Basis dieser Erfahrungen vielfach nicht mehr vorgenommen.

Den Maßstab einer wirtschaftlich lohnenden Beschäftigung legen auch die Betriebe an, die die Quote erfüllen (Panel 1). Bei ihnen führt dieser Maßstab allerdings zu einem anderen Resultat. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass zum einen eine Vielzahl von schwerbehinderten Menschen beschäftigt wird, die sich in ihrer Leistungsfähigkeit von den nicht behinderten überhaupt nicht unterscheiden - diese Befunde beziehen sich in der Regel auf Menschen mit inneren Erkrankungen. Positive Bilanz hinsichtlich des wirtschaftlichen Einsatzes wird jedoch zum anderen weitgehend auch für die in diesen Betrieben beschäftigten schwerbehinderten Menschen mit Unterstützungsbedarf gezogen. Für Menschen also, deren Behinderungen besondere Vorkehrungen an ihren Arbeitsplätzen notwendig machen, oder die eine laufende Unterstützung benötigen, um ihre Leistungsfähigkeit entfalten zu können. In diesen Betrieben sind schwerbehinderte Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsarten in einem breiten Spektrum von Tätigkeitsfeldern eingesetzt, die berufliche Qualifikationen auf allen Ebenen der Berufshierarchie erfordern. Dass sich die Beschäftigung schwerbehinderten MitarbeiterInnen auch da als lohnend erweist, wo besondere Unterstützungsbedarfe vorliegen, ergibt sich aus der Inanspruchnahme der unterstützenden Leistungen des Integrationsamtes.

Fotos: Bertolt Monk

Förderleistungen des Integrationsamtes für ArbeitgeberInnen

Diese Leistungen spielen bei den die Quote erfüllenden Betrieben die entscheidende Rolle in ihrer Wirtschaftlichkeitsrechnung bei der Beschäftigung schwerbehinderter MitarbeiterInnen. Die Verantwortlichen der Betriebe machen deutlich, dass ohne diese Leistungen eine Beschäftigung von Menschen mit Unterstützungsbedarfen für sie nicht leistbar wäre. Positiv ausgedrückt, macht die Inanspruchnahme einzelner oder die Kombination verschiedener Leistungen die Beschäftigung nach wirtschaftlichen Kriterien möglich. Umfang und Struktur der Leistungen entsprechen nach den Erkenntnissen der Studie weitgehend den betrieblichen Bedarfen. Sie werden von den die Quote erfüllenden Betrieben in hohem Maße in Anspruch genommen und erweisen sich als beschäftigungsfördernde Instrumente - sowohl in ihrer Wirkung auf Neueinstellungen wie zum Erhalt bestehender Arbeitsplätze.

Für Betriebe, die die Quote nicht erfüllen, stehen die beratenden und finanziellen Leistungen des Integrationsamtes hingegen weit weniger positiv im Fokus. Vielmehr wird die Inanspruchnahme von Förderleistungen eher wie ein zusätzlicher Kostenfaktor bewertet, der mit einem dafür notwendigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand begründet wird. Diese Einschätzung findet sich insbesondere bei Betrieben, die Einstellungen von schwerbehinderten Menschen ablehnen. Dabei kommt auch der Standpunkt zum Tragen, in Personalfragen unabhängig von "Ämtern und Behörden" bleiben zu wollen. Hier wird es weiterhin darauf ankommen, die Personalverantwortlichen anhand von Beispielen beschäftigender Betriebe aus der Region davon zu überzeugen, dass durch den Einsatz der Instrumente des Integrationsamtes die Beschäftigung auch von schwerbehinderten Menschen mit Unterstützungsbedarfen nach wirtschaftlichen Kriterien möglich gemacht wird. Auf längere Sicht gesehen sollte diese Wirtschaftlichkeitsrechnung Bestandteil entsprechender Ausbildungen, z.B. in der Ausbildung zu Betriebswirten und Betriebswirtinnen oder Meistern und Meisterinnen werden.

Soziale Verantwortung

Nahezu alle Betriebe sehen sich in sozialer Verantwortung für ihre Beschäftigten. Allerdings begreifen eher die Betriebe, die die Quote erfüllen, soziale Verantwortung auch als ein Handlungsfeld, in das sie die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter MitarbeiterInnen einbeziehen. Insofern befördert der Standpunkt der sozialen Verantwortung in einem Unternehmen dessen Beschäftigungsbereitschaft. Auffällig ist, dass so gut wie keine "Vermarktung", keine Außenwerbung mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Bezug auf das soziale Unternehmensimage erfolgt. Einen Anstoß zu solch einem Außenauftritt des Unternehmens könnten die Aktionen der Bundesregierung zur Förderung der gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung von ArbeitgeberInnen unter dem Begriff der ‚Corporate Social Responsibility' (CSR) geben. Denn jede Öffentlichkeitsarbeit verschafft dem Thema der "Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben" mehr Präsenz in den Unternehmen.

Der besondere Kündigungsschutz

Dieses Gesetz wird seit Jahren kontrovers - Schutzfunktion gegen Beschäftigungshemmnis - in seiner Wirkung auf die Beschäftigung schwerbehinderter ArbeitnehmerInnen diskutiert. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Mehrheit der Betriebe - ob sie die Quote erfüllen oder nicht - dieses Gesetz ablehnen. Vergleichsweise wenige Betriebe sehen in diesem Gesetz kein Hemmnis für Beschäftigung. Kern der Kritik ist, dass die vom Gesetzgeber gewollte Einschaltung/ Zustimmungspflicht des Integrationsamtes bei einer bevorstehenden Kündigung als "Einmischung in innerbetriebliche Angelegenheiten" abgelehnt wird. Dieser prinzipielle Einwand wird trotz der hohen Zustimmungsrate zu Kündigungen durch die Integrationsämter (aktuell fast 80%) nicht relativiert. Denn die Ablehnung bleibt mit dem Hinweis auf den Verwaltungs- und Kostenaufwand, der bei jedem Kündigungsverfahren drohen kann, bestehen.

Andererseits zeigen die Ergebnisse der Untersuchung keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem den besonderen Kündigungsschutz prinzipiell als Einstellungshemmnis charakterisierenden Standpunkt und der Einstellungs- und Beschäftigungspraxis der Unternehmen. Der besondere Kündigungsschutz ist ein Faktor innerhalb des Entscheidungsprozesses für oder gegen die Einstellung schwerbehinderter BewerberInnen. Der Einstellungsentscheidung liegen, wie im Bericht gezeigt werden konnte, unterschiedliche betriebswirtschaftliche Kalkulationsgrößen und soziale Positionierungen zu Grunde.

Fotos: Bertolt Monk

Der Bericht schließt mit einem Bündel von Empfehlungen zur besseren Außendarstellung und "Vermarktung" des Leistungsspektrums des Integrationsamtes Bremen.

Brigitte Fietz ist wissenschaftlicheMitarbeiterin in derForschungseinheit"Qualifikationsforschungund Kompetenzwettbewerb"am Institut Arbeitund Wirtschaft - IAWUniversität Bremen/ArbeitnehmerkammerBremen

Kontakt und nähere Informationen

Brigitte Fietz, c/o Universität Bremen - IAW,

Wilhelm-Herbst-Str. 7, 28334 Bremen,

Mail: bfietz@uni-bremen.de

Gerlinde Hammer ist Leiterin der Forschungseinheit"Qualifikationsforschung undKompetenzwettbewerb"am Institut Arbeit undWirtschaft - IAW UniversitätBremen/ArbeitnehmerkammerBremen

Kontakt und nähere Informationen

Gerlinde Hammer, c/o Universität Bremen - IAW,

Wilhelm-Herbst-Str. 7, 28334 Bremen,

Mail: ghammer@uni-bremen.de

Internet: www.iaw.uni-bremen.de

Quelle:

Brigitte Fietz und Gerlinde Hammer: Eine Frage der Einstellung. Regionalstudie zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Bremen Erschienen in: impulse Nr. 57, 2/2011, S. 24-31

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 03.06.2013

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