Ein selbstbestimmtes Leben führen

Umsetzung des Modellprojekts "JobBudget" in Jena

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 51, 04/2009, S. 40-41 impulse (51/2009)
Copyright: © Jens Ludwig, Sabine Weigelt 2009

Ein selbstbestimmte Leben führen

Das Jenaer Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. (JZsL e.V.), eine Beratungsstelle von und für Menschen mit Behinderung, ist einer der 5 Praxisstandorte des Bundesmodellprojektes "JobBudget". Seit 2002 bildet die Unterstützung von Menschen mit Behinderung bei der Suche nach Alternativen zur Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt. So wurden vom JZsL in den Jahren 2002 bis 2007 junge Menschen aus Förderschulen bei der Berufsorientierung und bei Praktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützt und begleitet. Seit Beginn des Bundesmodellprojektes "JobBudget" im Januar 2008 werden vom JZsL Menschen aus WfbM unterstützt, die sich beruflich verändern möchten und eine Anstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt suchen. Das JZsL hat dafür Kooperationsvereinbarungen mit drei Werkstätten aus dem Umkreis von Jena geschlossen. In einer Werkstatt arbeiten ausschließlich Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Die Arbeit mit dieser Personengruppe stellt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des JZsL eine neue Herausforderung dar, da bisher vorrangig Menschen mit Lernbehinderung auf dem Weg ins Arbeitsleben begleitet wurden.

Wir wollen hier unsere bisherigen Erfahrungen sowie unsere Arbeits- und Vorgehensweise vorstellen:

Alles beginnt mit dem Wunsch, die WfbM verlassen zu wollen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Gemeinsam ist Vielen, dass sie den Glauben an die eigenen Fähigkeiten noch nicht verloren haben sowie der Wunsch, ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen.

Unsere bisherigen Erfahrungen in der Begleitung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zeigen, dass in der Vorbereitung auf ein Praktikum mehr Gespräche notwendig sind als dies bei Menschen mit Lernschwierigkeiten der Fall ist. Dabei werden in Gesprächen Ängste, Unsicherheiten, Krisenauslöser, Stressfaktoren und Hemmnisse sowie Ressourcen und Strategien des Umgangs mit Ängsten, Unsicherheit und Stress erfragt. Für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen stellen Umbrüche aller Art (auch positive) ein Risiko für das Auslösen einer Krise dar. Deshalb ist im gesamten Veränderungsprozess eine intensive und ganz individuelle Unterstützung wichtig. Aus unserer Sicht ist dies bei dieser Personengruppe noch wichtiger als bei anderen Menschen mit Behinderung. Es gibt kein Maß, wie viel Mehr an Zeit aufgebracht werden muss. Alles ist sehr individuell und auf die Lebensgeschichte der teilnehmenden Person bezogen. Wenn Auslöser für Krisen bekannt sind, kann im Vorfeld der Blick darauf gerichtet und es können entsprechende Lösungsmöglichkeiten (Kriseninterventionen) entwickelt werden. Dabei wird der Blick auf persönliche und individuelle Stärken gelegt, so dass die Erkrankung zunächst in den Hintergrund treten kann und neue Denkansätze ihren Raum erhalten. Die intensive Vorbereitung ist wichtig, um die Motivation für ein eigenständiges Leben zu stärken, den Veränderungswunsch zu unterstützen und zu begleiten. Der Weg auf den Arbeitsmarkt wird in Teilschritte aufgeteilt, damit wird der Veränderungsprozess überschaubar und für den betroffenen Menschen handhabbar.

Die MitarbeiterInnen des JZsL e.V. sind als Jobcoach von Anfang an verlässlicher Ansprechpartner. Der Jobcoach hilft neue Visionen für das eigene Leben zu entwickeln, vermittelt Mut, Kraft und Vertrauen in die eigenen Handlungsfähigkeiten. Diejenigen, die bereits im Praktikum sind, benötigen umso mehr die Unterstützung vom Jobcoach, denn mit einem erfolgreich absolvierten Tag im Praktikum steigen die Motivation und das Selbstvertrauen.

Die Erfahrungen nach einem Jahr Zusammenarbeit mit den WfbM zeigen auch, dass bei Einbeziehung aller am Prozess beteiligten Personen - PraktikantIn, Betrieb, MitarbeiterIn, WfbM, BetreuerIn, Eltern, Freunde - die Chancen und der Erfolg auf einen Arbeitsplatz steigen. Die TeilnehmerInnen brauchen mehr Zeit und vor allem die Chance sich einzubringen. Hierzu gehört im Vorfeld auch das Gespräch des Jobcoachs mit den Betrieben und die Aufklärung über den Sinn und das Ziel des Projektes. Es wird abgesprochen, was für den Prozess der Integration nötig ist und Informationen zur Person selbst gegeben. Unsere Unterstützung und Begleitung während der Praktika sowie die Verlässlichkeit, auch für den Betrieb als Gesprächspartner erreichbar zu sein, wird von den Betrieben als hilfreich und erleichternd gesehen. Durch die Begleitung des Jobcoachs im Betrieb wird ein regelmäßiges Reflektieren von Arbeit, Geschehenem, Erreichtem aus einem anderen Blickwinkel möglich. Der Jobcoach hilft den Blick darauf zu richten, was gut läuft, aber auch was man anders machen kann und wo Unterstützung erforderlich ist. Er hilft neue Verhaltensweisen zu erarbeiten und weiter Vertrauen und Kraft in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Er wertet Aktuelles noch am Ort des Geschehens aus und führt Reflektionsgespräche. Den TeilnehmerInnen hilft es zu verstehen, was schon geleistet wurde und in welchem Verhältnis dies zu den eigenen Zielen steht. Das sind wichtige Meilensteine auf ihrem Weg zu einer beruflichen Veränderung, zu einem Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

AnsprechpartnerInnen:

Jens Ludwig

Tel: 03641 / 776676

Mail: jens.ludwig@jzsl.de

Sabine Weigelt

Tel: 03641 / 776676

Mail: sabine.weigelt@jzsl.de

Jenaer Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V.

Hermann-Pistor-Str. 1, 07745 Jena

Quelle:

Jens Ludwig, Sabine Weigelt: Ein selbstbestimmtes Leben führen. Umsetzung des Modellprojekts "JobBudget" in Jena

erschienen in: impulse Nr. 51, 04/2009, S. 40-41

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 30.01.2012

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