Neue Wege der Gestaltung

Der Übergang von der Förderschule in den Beruf

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 51, 04/2009, S. 54-59 impulse (51/2009)
Copyright: © Manuela Heger, Désirée Laubenstein 2009

Zum Projekt und seinen Standards

Das Projekt wird, wie bereits dargestellt, in Kooperation des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (StMUK) sowie des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialord nung, Familie und Frauen (StMAS) durchgeführt, in der Steuerung, Gestaltung und Durchführung durch das Staatsinstitut für Schul qualität und Bildungsforschung München (ISB) und das Integrationsamt des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) unterstützt und im Zeitraum von Mai 2008 bis April 2011 von der Universität Würzburg, Institut für Sonderpädagogik, Lehrstuhl für Sonderpädagogik IV: Pädagogik bei Geistiger Behinderung unter Leitung von Prof. Dr. Erhard Fischer und unter der Mitarbeit der beiden Autorinnen wissenschaftlich begleitet. Es folgt damit nationalen und internationalen Gesetzgebungen, Standards und Übereinkommen, wie z.B. der Realisierung des Grundgesetzes, Artikel 12, in dem es heißt: "Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen" (Kultusminister 1988) oder auch der Umsetzung des jüngsten internationalen Abkommens, "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention)". In seinem Artikel 27 (Arbeit und Beschäftigung) heißt es ausdrücklich: "Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebens unterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit ..." (vgl. Bundesgesetzblatt). Um die u.a. berufliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen zu sichern, verpflichten sich die Vertragsstaaten im Artikel 26 (Habilitation und Rehabilitation), wirksame und geeignete Maßnahmen zu treff en und wollen "zu diesem Zweck" umfassende Habilitations- und Rehabilitations dienste und -programme, "insbesondere auf dem Gebiet der Gesundheit, der Beschäftigung, der Bildung und der Sozialdienste" organisieren, stärken und erweitern.

Ziele des Projekts

Ziel des Projekts ist es, SchülerInnen des Förderzentrums Förderschwerpunkt geistige Entwicklung Wege in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu eröffnen und die SchulabgängerInnen in ein sozialversicherungspfl ichtiges Arbeitsverhältnis zu vermitteln. Im Mittelpunkt der Unterstützung seht damit die Gestaltung, Initiierung und unter Umständen Realisierung des beruflichen Lebensweges der SchülerInnen in Richtung einer möglichen Integration auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Denn trotz der Bemühungen, auch SchülerInnen bereits am Ende oder nach Ablauf der Schulzeit bei dem Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen, konzentrieren sich bisherige Anstrengungen um Qualifizierung zur Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, oft unter Beteiligung der IFD, nach wie vor vor allem auf Menschen, die bereits im Berufs leben stehen (meist in einer WfbM) oder arbeitslos sind bzw. an Rehabilitationsmaß nahmen teilnehmen. Weniger im Mittelpunkt stehen bis heute Maßnahmen, die einen Übergang von der Förderschule direkt in ein Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anstreben. Doch die Unterstützung genau dieses Personenkreises wird explizit im SGB IX (§ 109, Abs. 2) als Aufgabe des FD ausgewiesen.

Als wesentliches und auch entscheidendes Kennzeichen des Projekts zeigt ich hier die intensive Begleitung durch den IFD, die bereits in der schulischen Phase (ab dem 11. Schulbesuchs jahr) beginnt und über die Schulzeit hinaus fortbesteht, denn vor allem durch die differenzierte und kontinuierliche Begleitung des IFD bekommen SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung die Möglichkeit, Praktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchzuführen, sich in Langzeitpraktika auszuprobieren und damit die Chance, ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufnehmen zu können.

Zur Methodik der wissenschaftlichen Begleitforschung

Durch die wissenschaftliche Begleitung des Projekts "Übergang Förderschule- Beruf" wird in Zusammenarbeit mit dem ZBFS und dem ISB die Reflexion der praktischen Arbeit gewähr leistet. Zu ihren konkreten Aufgaben gehören u.a.:

  • die Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Leitideen zur beruflichen Bildung und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit einer geistigen Behinderung, hier speziell für SchulabgängerInnen des Förderzentrums mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung,

  • die Analyse der dem Projekt zugrunde liegenden Konzeption und Vergleiche mit anderen Modellen und Organisation zur beruflichen Qualifikation und Integration in Bayern,

  • die Analyse und Einschätzung der Vernetzung zwischen IFD, Schule, Betriebe, Elternhaus (im weitesten Sinne) und der Bundesagentur für Arbeit.

Nachfolgendes Schaubild soll die systemische Sichtweise auf mögliche Vernetzungsstrukturen noch einmal verdeutlichen:

Weiterhin richtet die wissenschaftliche Begleitung ihre Untersuchung auf eine vom Verlauf eher unabhängige Erkundung des Ablaufs der Maßnahme im Rahmen einer qualitativen Sozialforschung (vgl. Friebertshäuser, Prengel 1997).

Der qualitative Forschungsansatz kann hier als "lebensnahe Sozialpsychologie" (Engler 1997, 118) unserer sozialen Gegenwartsproblematiken charakterisiert werden, der die Zeit- und Kulturabhängigkeit sozialer Geschehnisse und menschlichen Verhaltens anerkennt. Die qualitative Forschungsmethode bietet sich für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts "Übergang Förderschule-Beruf" deshalb an, weil die Methoden (teilnehmende Beobachtung als ‚Kernmethode', aber auch Interviews, Expertengespräche, Gruppengespräche, Dokumentenanalyse oder Videoaufzeichnungen) flexibel und in einem fortlaufenden rekursiven Prozess immer wieder an das spezifische pädagogische Feld angepasst werden. Zentrale Fragestellungen werden damit nach ihrer Relevanz immer wieder kritisch hinterfragt und neue Fragestellungen formen sich im Laufe des gesamten Forschungsprozesses. Darüber hinaus berücksichtigt die qualitative Forschung die TeilnehmerInnen sichtweise(n). Durch die Analyse von Einzel fällen soll so eine Vielzahl von Zusammenhängen in dem untersuchten Phänomenbereich beschrieben werden.

Zugleich bezieht die wissenschaftliche Begleitung quantitative Forschungsmethoden in ihr Forschungsdesign mit ein. Die Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden bietet sich aus dem Grund an, weil hier beispielsweise standardisierte Erhebungen durch Fragebögen dazu dienen können, weitere Forschungsfragen und Teilaspekte zu generieren, die Beobachterperspektive auf bestimmte Problematiken zu lenken, die mittels qualitativer Methoden nachgegangen und differenzierter expliziert werden. Erst durch die sogenannte "Methodentriangulation" (vgl. Friebertshäuser 1997) ist es möglich, die Komplexität gesellschaftlicher und personaler Wirklichkeiten zumindest ansatzweise abzubilden. Der Vielschichtigkeit sozialer Phänomene (und u.U. Probleme, Erschwernisse, Beeinträchtigungen) soll durch diese Methodenkombination Rechnung getragen werden.

Als weitere Forschungsgrundlage hat sich die wissenschaftliche Begleitung der Feldtheorie nach Kurt Lewin verpflichtet. Folgende Gegenüberstellung soll den Zusammenhang zwischen der Feldtheorie und einer möglichen Übertragung auf das Projekt präzisieren:

Feldtheorie nach K. Lewin:

Übertragen auf das Projekt:

Kein Ereignis ist singulär verstehbar, sondern nur im Zusammenhang und Zusammenwirken aller beteiligten Elemente.

Die Schülerin im Projekt kann nicht allein im Hinblick auf ihre berufliche Integration/Teilhabe auf den ersten Arbeitsmarkt betrachtet werden.

Alle Elemente stehen in einem komplexen, sich wechselseitig bedingenden Verhältnis zueinander.

Der Prozess wird maßgeblich durch andere Systeme/Wirkfaktoren beeinflusst (Eltern, Lehrkräfte, IFD etc.)

Jede Analyse muss die subjektive Sichtweise der Betroffenen berücksichtigen.

Die wissenschaftliche Begleitung bemüht sich darum, alle Perspektiven der am Projekt Beteiligten zu evaluieren und zu berücksichtigen.

Person und Umwelt wirken gegenseitig aufeinander ein, wobei sich ihr Verhältnis stets verändern kann.

Zu untersuchen gilt, in welcher Weise sich durch die berufliche Teilhabe von SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung möglicherweise weitere betroffene Systeme verändern (z.B. Schule oder Betriebe).

Folgende Grundaussagen lassen sich hieraus für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts "Übergang Förderschule-Beruf" präzisieren:

  • "Wenn Verhalten eine Funktion von psychologischer Umwelt und psychologischer Person ist, dann kann der Forscher dieser persönlichen Lebenswelt des Betroffenen nur in Interaktion mit dem Betroffenen im Dialog näherkommen" (Portele 2001, 276). Dies entspricht einer dialogisch orientierten Sonderpädagogik (vgl. Kleinbach 1990).

  • Der Forscher/die Forscherin "tritt mit dem Betroffenen in ein interdependentes Verhältnis ein, der Betroffene wird Element seiner, des Forschers Lebenswelt wie der Forscher Element der Lebenswelt des Betroffenen wird. Das ist notwendig so. Es kann also keine objektive, distanzierte, rein beobachtende Forschung geben. Der Forscher verändert den Forschungsgegenstand durch seine Tätigkeit als Forscher, d.h. den Lebensraum des Betroffenen" (Portele 2001, 276) und so aller am Prozess Beteiligten.

  • Aus den ersten beiden Punkten ergibt sich die ethische Forderung für die wissenschaftliche Begleitung die Lebenswelt der TeilnehmerInnen als ihre anzuerkennen und diese nicht als verdrängte, verleugnete, reduzierte, rudimentäre oder defizitäre abzuwerten.

  • Auf der Grundlage der Feldforschung nach Lewin zeigt sich, dass der Forscher/die Forscherin und alle am Projekt Beteiligten eine gemeinsame Wirklichkeit durch gemeinsames Handeln konstruieren.

  • In der Feldforschung sind nach Lewin jene Menschen und Menschengruppen, die von den WissenschaftlerInnen untersucht werden, nicht mehr bloße Informationsquellen der ForscherInnen, sondern Individuen, mit denen sich die ForscherInnen gemeinsam auf den Weg der Erkenntnis zu machen versuchen.

Angelehnt an diese Forschungsgrundlage, ergeben sich für die wissenschaftliche Begleitung im Rahmen ihrer Untersuchungen folgende Forschungsschritte:

Erste exemplarische Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung

Die Auswahl der ProjektteilnehmerInnen erfolgt in der ersten Phase zunächst auf der Basis der SchülerInnenkenntnisse der Lehrkraft, da sie sowohl die Stärken und Schwächen sowie deren Lerngeschichte kennt. "Besonders berücksichtigt werden bei der Auswahl arbeitspraktische Erfahrungen und sozial-kommunikative Kompetenzen" (ZB Bayern 2009, 2).

In einer Online-Befragung der wissenschaftlichen Begleitung im Frühjahr 2008 von 24 Lehrkräften und 10 IFD-BeraterInnen konnten hierbei folgende Auswahlkriterien ermittelt werden. Der Wert 1 stand hierbei für die Einschätzung des jeweiligen Kriteriums als ‚sehr wichtig', der Wert 4 für die Bewertung ‚unwichtig'. Die Graphiken auf Seite 58 zeigen den Mittelwert der Kriterien.

Ein erstelltes Ranking der Auswahlkriterien zeigt folgende Positionierung:

  1. Intrinsische Eigenschaften, wie z.B. Motivation, Eigenwunsch des Schülers/ der Schülerin am Projekt teilzunehmen bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten, Arbeitseinstellung,

  2. Arbeitstugenden, wie z.B. Pünktlichkeit, soziale Kompetenz, Konzentration, Verständnis,

  3. Externe Beurteilungen, z.B. durch vorherige Praktika,

  4. Mobilität, d.h. Sicherheit im Straßenverkehr, Orientierung,

  5. Elternhaus, hier besonders die Unterstützung,

  6. Kulturtechniken, d.h. Lesen, Rechnen oder auch das Erfassen und Lösen von komplexen Rechenoperationen.

Anhand dieses Rankings zeigt sich, dass SchülerInnen des Förderzentrums mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung besonders dann für die Teilnahme am Projekt "Übergang Förderschule-Beruf" ausgewählt werden, wenn sie ihre Motivation und ihren Wunsch für eine Beschäftigung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verdeutlichen und ihre bisherige Entwicklung darauf hindeutet, dass sie Arbeitstugenden bereits besitzen oder aber - durchaus mit Unterstützung der Einübung von Schlüsselkompetenzen - erlernen wollen. Wenig ent- scheidend für die Auswahl der Teilnahme ist das Beherrschen der Kulturtechniken.

"Gemeinsam mit dem Berater des Integrationsfachdienstes (IFD) erkundet der zuständige Lehrer im Gespräch mit dem Schüler Motivation und Interessenlage" (ZB Bayern 2009, 2). Diese, sich durch das Projekt etablierte intensive Zusammenarbeit zwischen Lehrkraft und IFD, kann bereits jetzt als Erfolg des Projekts verbucht werden. So konnten in bisher unveröffentlichten Teiluntersuchungen der wissenschaftlichen Begleitung bei einer Stichprobenbefragung des IFD im Juni 2008 und einer Befragung von 27 der bis dahin teilnehmenden 35 Projektschulen von Oktober bis Dezember 2008 mit einer Rücklaufquote von 77%, herausgestellt werden:

  • dass sowohl über 65% der IFD die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften als sehr gut, 20% als gut und nur knapp über 5% als weniger gut aufgrund von Abspracheproblemen einschätzt,

  • als auch die Lehrkräfte die Unterstützung und den Kontakt zum IFD insgesamt als sehr hilfreich (37%) oder als hilfreich (63%) bewerten.

Durch das Projekt "Übergang Förderschule- Beruf" wurde dieser Kontakt angebahnt, da er nur bei 11% der Beteiligten bereits vor dem Projekt bestand.

Durch die intensive und kooperative Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und IFD können so Interessen der SchülerInnen erkannt, Betriebe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach diesen Interessen sondiert und SchülerInnen in Praktika vermittelt werden, um ihnen zunächst die Möglichkeit zu geben, sich mit den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vertraut zu machen. Das kann auch bedeuten, dass SchülerInnen durchaus nach absolvierten Praktika erleben, diesen Anforderungen nicht gewachsen zu sein und sich damit für ihren weiteren Berufs verlauf für den Eintritt in die WfbM entscheiden.

Genau dies jedoch ist der Unterschied, der auf eine Durchbrechung des Automatismus Förderschule - WfbM hindeutet: Diese Entscheidung basiert auf der Grundlage einer Wahlmöglichkeit und wird von den SchülerInnen in Absprache mit dem gesamten Unterstützungssystem (beispielsweise in einer Berufswegekonferenz) gemeinsam diskutiert und entschieden.

Durch die Unterstützungsleistung des IFD im Sinne eines differenzierten Job-Coachings während und nach der Schulzeit konnte so bisher einer Vielzahl von SchulabgängerInnen des 1. (von Januar 2007 - Juli 2009) und 2. Durchlaufs (von Januar 2008 - Juli 2010) der Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ermöglicht werden, wie die Tabelle auf Seite 59 veranschaulicht.

Durchlauf

Anzahl TeilnehmerInnen

Vermittlungen

1: Jan. 07 - Juli 09

35

8 weiblich (22,9%)

27 männlich (77,1%)

25 (71,4%)

3 weiblich (12,0%)

22 männlich (88,0%)

20 Arbeitsverhältnisse bestehen noch

2 aufgelöst wg. pers. Schwierigkeiten

3 wirtschaftsbedingt gekündigt

2: Jan. 08 - Juli 10

49

18 weiblich (36,7%)

31 männlich (63,3%)

10 (20,4%)

1 weiblich (10,0%)

9 männlich (90,0%)

Zu verzeichnen ist hierbei jedoch - wie die Tabelle zeigt - eine signifikante Überrepräsentation von männlichen Schulabgängern. Zu vermuten ist, nach einer noch unveröffentlichten Befragung der IFD im September 2009, dass es leichter scheint, männliche Schüler mit dem Förderschwer punkt geistige Entwicklung in Praktika oder auch Beschäftigungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsplatz zu entlassen, da diese, aufgrund ihrer körperlichen Konstitution eher helfende oder ‚zupackende' Arbeiten ausführen können und damit in unterschiedlichsten Produktionsbereiche einsetzbar sind, d.h. in Arbeitsbereichen, in denen (bisher noch) Nischenplätze zu finden sind.[1] Die körperliche Belastbarkeit und das handwerkliche Geschick der männlichen Schüler ermöglicht es diesen, aus einer größeren Anzahl an möglichen Betrieben auswählen zu können, womit die Chance steigt, einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Schülerinnen streben dagegen eher Arbeiten im sozialen oder pflegerischen Bereich an wie die drei Teilnehmerinnen des 1. und die eine Teilnehmerinnen des 2. Durchgangs belegen, die in diesen Bereichen ein Beschäftigungsverhältnis gefunden haben. In diesen Bereichen sind jedoch oftmals Qualifikationen gefordert, die die Schülerinnen des Förderzentrums mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung aufgrund ihrer Schulbildung nicht erbringen können.[2] Gleichwohl zeigt sich bereits jetzt, belegt durch vielfältige Aussagen des IFD, dass sich sowohl Schülerinnen, als auch Schüler durch die Teilnahme am Projekt viel mehr zutrauen, Selbstbewusstsein, Selbständigkeit und Eigeninitiative entwickeln und den Wunsch äußern, Alternativen im Arbeitsleben zu erfahren.

Befragt nach einer möglichen positiven Entwicklung auch für SchülerInnen des Förderzentrums mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, die nicht am Projekt teilnehmen, gaben bei der Befragung der Lehrkräfte von Oktober bis Dezember 2008 annähernd 50% an, dass sie glauben, dass durch das Projekt auch nicht teilnehmende SchülerInnen bei der Gestaltung des Übergangs von der Schule in den Beruf profitieren können. Gründe sehen sie hier in der Erfahrung der Lehrkraft, der Weiterentwicklung der Berufsschulstufe oder auch der Vorbildfunktion, die teilnehmende SchülerInnen für ihre KlassenkameradInnen haben. Gründe für eine skeptische Prognose sehen die Lehrkräfte dadurch gegeben, dass der IFD sich nicht für die gesamte Schülerschaft verantwortlich zeigt. Einige Lehrkräfte negieren eine positive Ausweitung des Projekts auch auf nicht teilnehmende SchülerInnen eindeutig. Hier wird nach den Gründen zu forschen sein.

Bereits jetzt zeigen sich jedoch vielfältige Impulse, die Lehrkräfte durch die Teilnahme im Projekt "Übergang Förderschule-Beruf" erhalten haben. Einige seien hier exemplarisch am Schluss kurz genannt:

  • "Das nicht nur die WfbM der einzige Weg ist."

  • "Ich möchte den Automatismus Schule-WfbM durchbrechen."

  • "Nicht aufzugeben!"

  • "Vieles ist möglich."

  • "Neue Wege gehen, Kollegen überzeugen, Grenzen erreichen."

  • "Schule öff entlich machen."

  • "Sonderpädagogik droht den Menschen oft behinderter zu machen, als er eigentlich ist."

Dipl. Päd. Manuela Heger

arbeitet an der Uni Würzburg am Lehrstuhl für Sonderpädagogik IV:

Pädagogik bei Geistiger Behinderung

Kontakt und nähere Informationen

Universität Würzburg

Institut für Sonderpädagogik

Wittelsbacher Platz 1, 97074 Würzburg

Tel: 0931 / 3189124

Mail: manuela.heger@uni-wuerzburg.de

Dr. Désirée Laubenstein

arbeitet an der Uni Würzburg am Lehrstuhl für Sonderpädagogik IV:

Pädagogik bei Geistiger Behinderung

Kontakt und nähere Informationen

Universität Würzburg

Institut für Sonderpädagogik

Wittelsbacher Platz 1, 97074 Würzburg

Tel: 0931 / 3185235

Mail: desiree.laubenstein@uni-wuerzburg.de



[1] Da für SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung jedoch vorwiegend Helfertätigkeiten in Frage kommen, ist der Erfolg einer Vermittlung stark von der aktuellen Konjunkturlage abhängig, wie sich bereits jetzt, in Zeiten der Wirtschaftskrise zeigt und wie die Tabelle mit bereits 3 Entlassungen des 1. Durchgangs verdeutlicht.

[2] Dies sind erste Vermutungen, weitere Analysen der wissenschaftlichen Begleitung zur Genderthematik stehen jedoch noch aus.

Literatur

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämer und Hauptfürsorgestellen: SGB IX-Schwerbehindertenrecht. Texte und Verordnungen. Februar 2009.

Bundesgesetzblatt: Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Teil II, Nr. 35. Bonn: Bundesanzeiger 2008 (www.bundesgesetzblatt.de)

Engler, Steffani: Zur Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden. In: Friebertshäuser, Barbara; Prengel, Annedore (Hrsg.): Handbuch Qualitativer Forschungs methoden in der Erziehungswissenschaft. München, Weinheim, 1997, 118-130.

Fischer, Erhard; Heger, Manuela; Laubenstein, Désirée: Projekt Übergang Förderschule-Beruf. In: Impulse Nr. 2/3, Ausgabe 46/47, 2008, 13-16. Friebertshäuser, Barbara; Prengel, Annedore (Hrsg.): Handbuch Qualitativer Forschungs methoden in der Erziehungswissenschaft. München, Weinheim, 1997.

Friebertshäuser, Barbara: Feldforschung und teilnehmende Beobachtung. In: Friebertshäuser, Barbara; Prengel, Annedore (Hrsg.): Handbuch Qualitativer Forschungs methoden in der Erziehungswissenschaft. München, Weinheim, 1997, 501-534.

Kleinbach, Karlheinz: Gegen die ‚Wut des Verstehens': der Andere. In: Sonderpädagogik, 20. Jahrgang, 1990, 97-107.

Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Menschenrechte, Bürgerfreiheit, Staatsverfassung. 7. Aufl .. Bochum, 1988.

Portele, Heik: Gestaltpsychologische Wurzeln der Gestalttherapie. In: Fuhr, Reinhard; Sreckovic, Milan; Gremmler-Fuhr, Martina (Hrsg.): Handbuch der Gestalttherapie. 2. unveränd. Aufl .. Göttingen, 2001, 263-278.

Zentrum Bayern Familie und Soziales - Integrationsamt (Hrsg.): ZB Bayern. Behinderte Menschen im Beruf: Projekt Übergang Förderschule-Beruf. Nr. 1, 2009.

Quelle:

Manuela Heger, Désirée Laubenstein: Neue Wege der Gestaltung. Der Übergang vom der Förderschule in den Beruf

erschienen in: impulse Nr. 51, 04/2009, S. 54-59

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 30.01.2012

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