Der Weg in den Beruf

Qualifizierungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Autor:in - Kirsten Hohn
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 49, 1/2009, Seite 10-19. Schwerpunkt: Unterstützte Beschäftigung. Konzept und Maßnahme impulse (49/2009)
Copyright: © Kirsten Hohn 2009

Der Weg in den Beruf

Frau A. arbeitet an ihrer Traumarbeitsstelle, in einem Kindergarten. Nicht, wie sie es ursprünglich vorhatte, als pädagogische Mitarbeiterin in einer Kindergruppe, sondern im hauswirtschaftlichen Bereich. Sie sorgt mit dafür, dass die Kindergartenkinder mittags etwas zu essen bekommen.

Herr B. arbeitet in einem Gartenbaubetrieb. Er pflegt zusammen mit Kollegen die Gärten von Privatmenschen, nach und nach hat er auch das Pikieren von Pflanzen im Betrieb gelernt. Im Winter fallen andere Arbeiten - wie z.B. Schnee schippen - an. Frau C. arbeitet in der Poststelle einer Werbeagentur. Sie sortiert dort die Post und bringt sie zu den 200 Angestellten an ihren Arbeitsplätzen.

Herr D. arbeitet in einem Supermarkt. Er steht dort an der Papppresse, sortiert das Leergut und räumt Flaschen ins Regal ein. Sein Aufgabenspektrum wird nach und nach erweitert.[1]

Frau A., Herr B., Frau C. und Herr D. sind Anfang 20. Alle vier haben nach mehreren Praktika und einer nachschulischen Qualifizierungsphase ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden. Eltern, LehrerInnen, Fachkräfte der beruflichen Integration, Kostenträger wie z.B. die Arbeitsagentur oder andere Menschen und Institutionen haben sie auf diesem Weg unterstützt. Alle vier hatten ihre Schulbildung in einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung oder (mit der Diagnose "Geistige Behinderung") in einer Integrationsklasse einer allgemeinen Schule erhalten.

Allerdings bilden Frau A., Herr B., Frau C. und Herr D. (noch) eher Ausnahmen als die Regel. Gerade die gelungenen Beispiele beruflicher Integration auch am allgemeinen Arbeitsmarkt sind wichtig, um Vorstellungen davon zu entwickeln, wie dieser Weg gelingen kann, wenn die Betreffenden ihn gehen wollen. Doch auch andere Arbeitsformen in Integrationsbetrieben oder in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder deren Außenarbeitsplätzen sind möglich. Für junge Menschen am Ende der Schulzeit ist es wichtig, unterschiedliche Berufs- und Arbeitsfelder sowie Arbeitsstrukturen und Rahmenbedingungen kennenzulernen, damit sie für sich eine passende Entscheidung treffen können.

Im Folgenden werden Möglichkeiten dargestellt, wie junge Menschen mit Lernschwierigkeiten dabei unterstützt werden können, den für sie besten Weg in den Beruf zu finden. Die skizzierten institutionellen und pädagogischen Konzepte und Angebote reichen von der Berufsorientierung und -vorbereitung noch während der Schulzeit (1.) über die berufliche Qualifizierung (2.) bis hin zu konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten (3.). Abschießend wird kurz auf das Persönliche Budget als Finanzierungsmöglichkeit verwiesen (4.), mit dem das Ziel von mehr Selbstbestimmung bei der Wahl des je geeigneten Angebots verfolgt wird.

Teil 1 Berufsorientierung und Berufsvorbereitung in der Schule

Ein wesentliches Kriterium für eine individuelle Wahl des Berufs- und Arbeitsfeldes ist das Kennen verschiedener Berufe sowie verschiedener Arbeitsformen. In den im Rahmen eines EU-Projektes entwickelten "Qualitätsstandards für einen guten Übergang von der Schule in den Beruf" wird hierfür formuliert: "Um eine Entscheidung für einen Beruf treffen zu können, müssen Jugendliche und junge Erwachsene Berufe / Berufsfelder kennen und erfahren. Um eine Entscheidung über einen konkreten Arbeitsplatz treffen zu können, müssen unterschiedliche Arbeitssituationen und Betriebskonstellationen bekannt und erfahrbar sein (z.B. Großbetriebe und Kleinbetriebe, Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit KollegInnen)" (Transition from School to Work 2005: 29).

Langjährige Erfahrungen von und mit Menschen mit Behinderungen auf dem Weg in den Beruf und von Professionellen und Projekten, die sich hierbei engagieren, haben gezeigt, dass die Vorbereitung auf das Arbeitsleben schon in der Schule beginnen muss, und zwar nicht erst im letzten Schuljahr. Viele Schulen haben eigene Konzepte für die Berufsorientierung und -vorbereitung entwickelt, in einigen Bundesländern sind auch Integrationsfachdienste und andere Institutionen in die Arbeit der Schulen einbezogen. Im Folgenden werden einige Beispiele und wichtige Konzeptbausteine hierzu skizziert:

Praktika

Praktika sind gerade für Menschen mit Lernschwierigkeiten eine grundlegende Möglichkeit, individuelle berufliche Neigungen, Wünsche und Fähigkeiten zu entdecken und entwickeln. SchülerInnen lernen verschiedene Berufsfelder und Arbeitsorte zunächst durch Betriebs- und Arbeitsplatzerkundungen und intensiver dann durch Praktika kennen. Gerade in Schulen mit dem Schwerpunkt "geistige Entwicklung" wurden Konzepte entwickelt, in denen die SchülerInnen bereits in der Oberstufe - d.h. mit 14-15 Jahren - erste Praktika in Betrieben des Allgemeinen Arbeitsmarktes oder auch zunächst in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) machen.[2] Diese "Schnupperpraktika" dauern meist nicht länger als zwei Wochen. In der Berufsschul- oder Werkstufe[3] geht es dann mit Erprobungs- und Belastungspraktika weiter: Die Praktikumsdauer wird intensiviert, sowohl im Hinblick auf die Tages- als auch die Wochenarbeitszeit. Weiterhin geht es darum, unterschiedliche Arbeitsbereiche auszuprobieren und eigene Interessen zu entwickeln und zu verfestigen. Die Praktikumserfahrungen sind nicht nur für die Entwicklung von individuellen Berufswünschen wichtig, sondern auch im Hinblick auf die Erschließung von Arbeits- oder Ausbildungsplätzen. So benennen ArbeitgeberInnen häufig die Arbeitserfahrung mit einer potenziellen Arbeitnehmerin oder einem potenziellen Arbeitnehmer im Rahmen eines Praktikums als wesentliches Überzeugungskriterium für eine Einstellung (vgl. a. Hohn 2005). Dies gilt vor allem für Praktika in nachschulischen Qualifizierungsmaßnahmen, die das Ziel der Vermittlung in eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle haben.[4]

Schülerfirmen

Eine andere Möglichkeit noch während der Schulzeit Berufe kennen zu lernen und Arbeitserfahrungen zu machen wird über die Einrichtung von Schülerfirmen angestrebt. Dort lernen SchülerInnen die Organisation eines Betriebes sowie die Planung, Kostenkalkulation und Durchführung von Arbeitsaufträgen kennen. Wie in "realen" Betrieben werden Lebensläufe geschrieben und Bewerbungsgespräche geführt. Als MitarbeiterInnen oder Geschäftsleitung stellen SchülerInnen "Produkte selbst her oder bieten Dienstleistungen an, führen kaufmännische Tätigkeiten aus und treffen unternehmerische Entscheidungen" (Melzer / Laudwein / Eiden 2006: 65). Zahlreiche Beispiele für Schülerfirmen liegen in den Bereichen Gastronomie (Gasthöfe, Betriebskantinen, Cateringservice), Handwerk (Malerbetrieb, Tischlerei, Baufirma, Fahrradwerkstatt), Büro sowie Sozialen Dienstleistungen (Kindergarten, Seniorenheim) vor. In den Schülerfirmen haben die SchülerInnen die Möglichkeit sich auszuprobieren, eigene Interessen und Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln und so einem eigenen Berufswunsch näher zu kommen. Bei einer späteren Bewerbung wirken sich dort gemachte Arbeitserfahrungen oft positiv aus (vgl. Meschenmoser 2005; Melzer / Laudwein / Eiden 2006).

bEO - Berufliche Erfahrung und Orientierung für SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten

Mit dem Ziel, SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten bei ihrer beruflichen Orientierung zu unterstützen, hat die Hamburger Arbeitsassistenz gemeinsam mit SchülerInnen aus Sonderschulen und Integrationsklassen und in Kooperation mit mehreren Schulen das Angebot bEO entwickelt, das für Lerngruppen konzipiert ist. Die Auseinandersetzung mit beruflichen Perspektiven und die Vorbereitung, Begleitung und Auswertung erster Einblicke in die Arbeitswelt (durch Betriebserkundungen und Praktika) sind Kernelemente von bEO (Hamburger Arbeitsassistenz 2007).

Immer wieder zeigt sich, dass eine rechtzeitige Vernetzung der relevanten AkteurInnen eines beruflichen Integrationsprozesses sinnvoll ist. Die Persönliche Zukunftsplanung und die Berufswegekonferenz sind zwei Konzepte, die den Anspruch der personenbezogenen Vernetzung umsetzen, die Netzwerkkonferenz zielt auf eine regionale Vernetzung relevanter AkteurInnen.

Bei der Persönlichen Zukunftsplanung geht es darum, dass Jugendliche mit meist professioneller Unterstützung eigene Unterstützerkreise zusammenstellen, mit denen sie ihre Zukunft planen. Alle Beteiligten treffen sich zunächst ein Mal, häufig aber auch in regelmäßigen Abständen zu einer Persönlichen Zukunftskonferenz. Hierbei stehen die individuellen Wünsche und Interessen, Fähigkeiten und Stärken im Mittelpunkt. Von dort ausgehend werden berufliche und andere Lebensperspektiven unter der Mitsprache und Mitwirkung aller Beteiligten geplant. Mit Hilfe der verschiedenen Perspektiven von Eltern, FreundInnen, LehrerInnen und anderen wichtigen Personen wird die Entwicklung und Verwirklichung der Ziele der Hauptperson vorangebracht (vgl. Doose, Emrich u. Göbel 2004; www.persoenliche-zukunftsplanung.de). Mit dem Schuljahr 2007/2008 hat Bayern als erstes Bundesland die Persönliche Zukunftsplanung als verbindliches Element in den "Lehrplan für die Berufsschulstufe - Förderschwerpunkt geistige Entwicklung" aufgenommen (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2007).

Die Berufswegekonferenz wurde zunächst in Baden im Rahmen eines Modellprojektes des Integrationsamtes des Landeswohlfahrtsverbandes Baden für SchülerInnen von Sonderschulen für so genannte geistig Behinderte entwickelt (vgl. Deusch 2002). Ziel ist die berufliche Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in einem Integrationsprojekt oder in einer WfbM. Zum Erreichen dieses Zieles arbeiten Schulen, WfbMs, die Berufsberatung der Arbeitsagentur, der Integrationsfachdienst, Integrationsfirmen, ggf. Bildungsträger, die Jugendlichen und ihre Eltern zusammen. Der Beginn dieser Zusammenarbeit liegt am Anfang der Werkstufe (i.d.R. 10. Schulbesuchsjahr). Die einzelfallbezogenen Berufswegekonferenzen ergänzen sich mit regionalen Netzwerkkonferenzen, an denen sich die lokalen bzw. regionalen Institutionen und Akteure des Arbeitsmarktes beteiligen, um Verfahrens- und Kooperationsabsprachen zu treffen. Das Konzept der Berufswege- und der Netzwerkkonferenzen wird auch in andere Bundesländer übertragen.[5]

Integrationsfachdienste

Integrationsfachdienste (IFD) sind Dienste, die bei der Umsetzung der Teilhabe schwerbehinderter und behinderter Menschen am Arbeitsleben langfristig beteiligt werden. Sie unterstützen und beraten sowohl behinderte Arbeitssuchende und ArbeitnehmerInnen als auch ArbeitgeberInnen. Die Zielgruppen und Aufgaben der IFD sind in §§ 109 ff. SGB IX geregelt.

Seit 2004 können IFD auch bereits in der Berufsorientierungsphase während der Schulzeit tätig werden. Sie können SchülerInnen z.B. bei Betriebspraktika, bei der individuellen Berufswegeplanung oder bei theoriereduzierten Ausbildungen unterstützen und dadurch eine schnittstellenübergreifende Funktion einnehmen. Für diese Aufgaben können die IFD von der Agentur für Arbeit beauftragt werden, was allerdings bislang nur in geringem Umfang geschieht. Es fehlt an einer gesetzlich und finanziell abgesicherten Leistung, mit der bereits in den letzten drei Schuljahren eine Beratung und Begleitung der Jugendlichen durch IFD erfolgen kann und eine Vernetzung insbesondere zwischen IFD und Schulen möglich ist.

In einigen Bundesländern ist eine Begleitung von SchülerInnen durch den IFD möglich, weil die Integrationsämter - z.T. in Kooperation mit dem Kultusministerium - Stellenanteile hierfür finanzieren. Hierzu gehört z.B. die zum Schuljahr 2008/09 beginnende Einführung der kombinierten Berufsvorbereitenden Einrichtung (BvE) und der Kooperativen beruflichen Bildung und Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (KoBV) in Baden Württemberg, das Projekt "Übergang Förderschule-Beruf" in Bayern (seit 2007), das im Mai 2008 in Schleswig-Holstein gestartete Projekt "Übergang Schule-Beruf", die flächendeckende Einrichtung von Übergangsstellen in den IFD in Nordrhein-Westfalen (für den Übergang aus Schule bzw. WfbM in den allgemeinen Arbeitsmarkt) und die zum 1.1.2009 begonnene flächendeckende Finanzierung von IFDArbeit in Schulen in Rheinland-Pfalz.

Auch mit dem Bundesarbeitsmarktprogramm Job4000 (2007- 2013) wird versucht, den IFD zur Unterstützung von SchulabgängerInnen mit einzubeziehen. Dies führt in weiteren Bundesländern zur Entwicklung und Implementierung von Konzepten des Übergangs Schule-Beruf und einer frühzeitigen Zusammenarbeit zwischen Schulen und IFD. Ziel dieser Projekte ist auch eine langfristige finanzielle Absicherung der aufgebauten Strukturen im Übergang Schule-Beruf. Ein erstes Beispiel für die im Rahmen von Job4000 entwickelten Konzepten und deren Verbreitung ist Rheinland-Pfalz (s.o.)

Teil 2 Zwischen Schule und beruflicher Qualifizierungsphase

Nach Beendigung der Schulzeit bestehen für Menschen mit Lernschwierigkeiten verschiedene Möglichkeiten, die berufliche Teilhabe umzusetzen. Um an dieser Schnittstelle einen Übergang und keinen tiefen Einschnitt zu erreichen, sollte die Suche nach geeigneten Wegen, wie oben beschrieben, bereits während der Schulzeit einsetzen. Zum einen geht es darum Informationen zu sammeln, zum anderen sollte der Kontakt zu den zuständigen Leistungsträgern der Maßnahmen und Hilfsmittel bereits frühzeitig aufgenommen werden.

Grundsätzlich gibt es im Rahmen der Berufsschulpflicht Möglichkeiten der schulischen Berufsvorbereitung, insbesondere durch das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ). Ziel für die Teilnehmenden des BVJ ist es, verschiedene Berufsfelder kennen zu lernen und so bei der Entwicklung eines Berufswunsches unterstützt zu werden. Die in der Regel an Berufsschulen angegliederten BVJ sind in den Bundesländern unterschiedlich konzipiert und tragen teilweise andere Namen. Sie werden für unterschiedliche Zielgruppen angeboten, je nach Region gibt es auch integrative und kooperative Angebote.

Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit ist die maßgebliche Instanz in allen Fragen zur Berufswahl und beruflichen Ersteingliederung. Zum einen werden - häufig im letzten Schuljahr - Gruppenberatungen in der Schule durchgeführt. Darüber hinaus findet die persönliche Beratung von Jugendlichen und ihren Eltern statt. Zur Entscheidungsfindung können Eignungsfeststellungsmaßnahmen oder Arbeitserprobungen durchgeführt werden sowie schulische und fachärztliche Gutachten und Gutachten des ärztlichen und psychologischen Dienstes der Agentur für Arbeit herangezogen werden. Die Bundesagentur ist i.d.R. der zuständige Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der beruflichen Ersteingliederung.

Im Juli 2008 wurde von der Bundesagentur für Arbeit mit DIA-AM eine neue Maßnahme eingeführt. DIA-AM steht für "Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen". Die Maßnahme richtet sich an behinderte Menschen, deren Leistungsfähigkeit im Grenzbereich zwischen den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und der WfbM gesehen wird. Ziel von DIA-AM ist es durch eine Eignungsanalyse und eine betriebliche Erprobung heraus zu finden, welche berufliche Rehabilitationsmaßnahme für einen behinderten Menschen geeignet ist. Das Ergebnis kann z.B. die Zuweisung in eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB), in die 2009 eingeführte Maßnahme "Unterstützte Beschäftigung" (§ 38a SGB IX) oder in eine WfbM sein.

Für SchulabgängerInnen, AbsolventInnen des BVJ und nun auch für AbsolventInnen von DIA-AM besteht einerseits die Möglichkeit an Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) der Agentur für Arbeit teilzunehmen oder aber eine Qualifizierung im Berufsbildungsbereich der WfbM zu erhalten. In einigen Regionen gibt es in der Zusammenarbeit von WfbM und externen Leistungsanbietern auch die Möglichkeit, den Berufsbildungsbereich in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes zu absolvieren. Für diejenigen, die mit einer BvB überfordert sind, die aber mit Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können, wurde zu Beginn des Jahres 2009 die Maßnahme "Unterstützte Beschäftigung" eingeführt.

Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB)[6]

Zur Zielgruppe der BvB gehören u.a. junge Menschen mit Behinderung und fehlender Berufseignung, deren Leistungsfähigkeit zwischen den Anforderungen des Berufsbildungsbereichs der WfbM und einer theoriereduzierten Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz anzusiedeln ist (s.u.). Ziel ist die Vorbereitung auf die Aufnahme einer Ausbildung oder die betriebliche Eingliederung ohne eine Ausbildung. Mit Hilfe von Praktikumserfahrungen sollen die TeilnehmerInnen mehr Entscheidungsmöglichkeiten für ihre Berufswahl bekommen und die erforderlichen Fähigkeiten für die Aufnahme einer beruflichen Erstausbildung oder Beschäftigung vermittelt bekommen. Eine BvB dauert in der Regel 18 Monate.

BEISPIEL Übergang von der Schule in den Beruf

Die Arbeitsweise des Ambulanten Arbeitstrainings der Hamburger Arbeitsassistenz (neuer Name seit 2008: Betrieblicher Berufsbildungsbereich) als Beispiel für den betrieblich durchgeführten Berufsbildungsbereich mit Kernelementen des Konzepts der Unterstützten Beschäftigung sei an folgendem konkreten Beispiel veranschaulicht:

"Frau M. ist behindert. Sie hat Trisomie 21. Sie besucht die Integrationsklasse einer Gesamtschule, anschließend war sie in einer Berufsvorbereitungsklasse (BVK). Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit gab ihr eine Empfehlung für den Berufsbildungsbereich der WfbM mit dem Hinweis, dass aufgrund der Art und Schwere ihre Behinderung auch keine entsprechende Leistungsfähigkeit festzustellen sei. In der Perspektive könnte sogar eine Maßnahme in einer Tagesförderstätte geeigneter sein.

Frau M. wurde 24 Monate im "Ambulanten Arbeitstraining" unterstützt. Die Qualifizierung erfolgte an vier unterschiedlichen Arbeitsbereichen in drei unterschiedlichen Betrieben. Die Intensität war zunächst überdurchschnittlich hoch: Für ca. sechs Monate nahezu im Verhältnis 1:1, zusätzlich (zu Beginn) Fahrtraining, um den Arbeitsort mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Nachfolgend konnte die Intensität der Arbeitsbegleitung deutlich vermindert werden, wobei die Arbeitsbereiche mit fortschreitender Qualifizierung komplexer wurden. Am Ende der Maßnahme wurde Frau M. von ihrem Praktikumsbetrieb in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis übernommen. Dieses umfasste 20 Wochenstunden und war tariflich entlohnt. Nach der Einstellung wurde sie weiterhin 2 Jahre durch Arbeitsassistenz unterstützt (§102 SGB IX) und arbeitete seit Anfang 2002 an ihrem Arbeitsplatz ohne externe Unterstützung. Nach einem weiteren Jahr entfiel auch die Lohnkostenförderung für den Arbeitgeber. Ihr Arbeitsbereich umfasst heute unterstützende Tätigkeiten im Bereich eines Bistros einer Großbank. Er wurde aus betrieblich vorhandenen Aufgaben, die ihr erlernbar waren, in Absprache mit den Vorgesetzten und Arbeitskollegen entwickelt. Konkret umfasst er:

• Befüllung der Verkaufsregale mit Süßigkeiten, Gretränken, Molkereiprodukten;

• Oberflächenreinigung der Tische im Gästebereich

• Abwaschen des Kaffeegeschirrs

• [...]

Die Struktur ist individuell auf Frau M. und die betrieblichen Anforderungen zugeschnitten und macht deutlich, weshalb die Qualifizierung am Arbeitsplatz durch die Arbeitsassistenten erforderlich ist. Bei einer vorbereitenden Qualifizierung außerhalb des Lernortes mit anschließender Platzierung ohne Unterstützung wäre die Überforderung von Frau M. und der Angestellten des Betriebes wahrscheinlich gewesen."

(aus Ciolek 2006: 167-168)

Berufsbildungsbereich der WfbM

Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit bietet "denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können" (§ 136 (1) SGB IX), die Teilnahme am Berufsbildungsbereich der WfbM an. Im Berufsbildungsbereich soll die Teilhabe am Arbeitsleben verbessert werden, in diesem Rahmen wird auch die Weiterentwicklung der Persönlichkeit gefördert. Die Aufgabe des Berufsbildungsbereiches ist es, die TeilnehmerInnen so zu fördern und zu qualifizieren, dass sie im Anschluss an diese zweijährige Maßnahme eine qualifizierte Tätigkeit im Arbeitsbereich der WfbM, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einem Integrationsbetrieb (s.u.) aufnehmen können. Die Qualifizierung im Berufsbildungsbereich findet je nach Konzept und Möglichkeiten der WfbM in einem oder mehreren Tätigkeitsbereichen der Werkstatt statt. Der Berufsbildungsbereich kann auch ganz oder teilweise auf ausgelagerten Plätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes absolviert werden. Dies ist seit 1.1.2009 gesetzlich geregelt (§136 (1) SGB IX).

Dem Berufsbildungsbereich der WfbM ist ein dreimonatiges Eingangsverfahren vorgeschaltet, in dem u.a. festgestellt werden soll, ob die WfbM die für die Person geeignete Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben ist (vgl. §3 (1) der Werkstättenverordnung). Ist dies nicht der Fall, kann während oder nach dem Eingangsverfahren der Wechsel in ein passenderes Angebot stattfinden.

Betrieblicher Berufsbildungsbereich

Als Alternative für den in der WfbM durchgeführten Berufsbildungsbereich wird dieser mittlerweile an einigen Orten betrieblich durchgeführt. Auch dies ist seit 1.1.2009 gesetzlich geregelt (§136 (1) SGB IX).[7] In Kooperation mit den jeweiligen WfbM vor Ort bietet beispielsweise die Hamburger Arbeitsassistenz den Betrieblichen Berufsbildungsbereich (früher: Ambulantes Arbeitstraining) an und Access in Erlangen ein Betriebliches Arbeitstraining. Beide Angebote nutzen das Konzept der Unterstützten Beschäftigung. Die TeilnehmerInnen werden durch die Möglichkeiten verschiedener betrieblicher Praktika in ihrer Wahl des Arbeitsfeldes und der Arbeitsstrukturen unterstützt. Nach dem Prinzip "Erst platzieren, dann qualifizieren" findet die Qualifizierung durch Job Coaches im Betrieb statt. Lernprozesse geschehen in der konkreten Arbeitssituation am Arbeitsplatz. Gerade hier sind spezifische Arbeitsaufgaben erlernbar, deren Transfer aus einer allgemeinen Lernsituation in einer betriebsfernen Ausbildungsstätte oft nicht gelingt. Die Job Coaches sind zu Beginn bis zu 100 % der Arbeitszeit mit am Arbeitsplatz und reduzieren ihre Präsenz nach und nach. Ihnen bietet sich die Möglichkeit, direkt vor Ort festzustellen, welche Unterstützung nötig ist und wie Lernprozesse z.B. durch den Einsatz von Hilfsmitteln oder das Zerlegen umfangreicher Aufgaben in kleine Arbeitsschritte gezielt gefördert werden können. Die TeilnehmerInnen von Maßnahmen des Betrieblichen Berufsbildungsbereiches bleiben rechtlich dem Berufsbildungsbereich der zuständigen WfbM angebunden. Mit diesen ambulanten Maßnahmen im BBB werden die direkte Platzierung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und die Erschließung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses verfolgt.[8] Die Möglichkeit, den Berufsbildungsbereich betrieblich durchzuführen, wird immer mehr auch in anderen Regionen geschaffen, so z.B. in Brandenburg durch das Netzwerk Integrationsassistenz in Brandenburg (NIAB) der Gesellschaft für Integration, Sozialforschung und Betriebspädagogik (vgl. auch Giga in dieser Ausgabe). Zudem gibt es zunehmend bewilligte Einzelmaßnahmen für den Betrieblichen Berufsbildungsbereich, die häufig auch über das Persönliche Budget finanziert werden (s.u.).

Ein Kernelement des Betrieblichen Berufsbildungsbereichs ist die Kombination von innerbetrieblicher und außerbetrieblicher Qualifizierung und Unterstützung. Für bestimmte Qualifikationen eignen sich außerbetriebliche Settings und Angebote, die im Rahmen von Gruppenangeboten und Einzelberatungen durchgeführt werden. Hierin erhält die gegenseitige Unterstützung von TeilnehmerInnen des Betrieblichen Berufsbildungsbereiches Bedeutung (Peer Support). Beispielhaft seien zwei Angebote der Hamburger Arbeitsassistenz angeführt:

In ihren Qualifizierungsmaßnahmen hat die Hamburger Arbeitsassistenz den Bedarf einer gezielten Vermittlung von Schlüsselkompetenzen festgestellt. Deshalb hat sie mit "kukuk - Kommunikation - Konfliktbewältigung - Kooperation" ein Seminarprogramm entwickelt, mit dem der Erwerb von Schlüsselkompetenzen für Menschen mit Lernschwierigkeiten Eingang in die berufliche Qualifizierung erhalten soll (Hamburger Arbeitsassistenz 2004).

Eine weitere Erfahrung in der beruflichen Qualifizierung ist, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten aus einem geringeren Berufs- und Tätigkeitsspektrum ihre berufliche Tätigkeit auswählen als junge Menschen ohne Behinderung und dass diese Wahl bei Frauen noch stärker eingeschränkt ist als bei Männern. Im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft "Talente - Entwicklung von Selbstbestimmung und Wahlmöglichkeiten" (2005-2007) wurde mit der Broschüre inkl. CD "Talente bei der Hamburger Arbeitsassistenz" ein Angebot für junge Frauen geschaffen, in der unter der Leitidee des Empowerments über geschlechtertypische Berufsentscheidungen hinausgehende Orientierungsmöglichkeiten eröffnet und Entscheidungskompetenzen gefördert werden (vgl. Klüssendorf 2007). Die entwickelten Bildungsangebote (Broschüre und CD mit umfangreichen Materialien) eignen sich auch für männliche Teilnehmer.

Das Konzept der Unterstützten Beschäftigung gilt auch außerhalb seiner Anwendung im Betrieblichen Berufsbildungsbereich für alle Menschen unabhängig von der Art und Schwere einer Behinderung. "Unterstützte Beschäftigung zielt auf bezahlte Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes, auch dann, wenn ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht erreicht werden kann" (BAG UB 2008). Es greift auch auf, dass für eine langfristige Integration neben der Arbeit auch die Lebensbereiche Wohnen und Freizeit zu berücksichtigen sind. Gesellschaftliche Teilhabe gelingt dann, wenn eine kontinuierliche Unterstützung in allen Lebensbereichen durch professionelle und / oder soziale Netzwerke umgesetzt wird.

Unterstützte Beschäftigung als Maßnahme

Seit 22.12.2008 ist die Maßnahme "Unterstützte Beschäftigung" (§ 38a SGB IX) per Gesetz eingeführt. Die Umsetzung beginnt voraussichtlich ab Mai 2009. Ziel der Maßnahme ist "die langfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Unternehmen - also auf dem allgemeinen, regulären Arbeitsmarkt" (BMAS 2008). Zielgruppe der Maßnahme sind SchulabgängerInnen mit Behinderungen, deren Leistungsfähigkeit zwischenden Anforderungen der WfbM und des allgemeinen Arbeitsmarktes eingestuft wird. Aber auch Menschen, die im Laufe ihres (Erwerbs-)Lebens eine Behinderung erfahren, sollen durch die Maßnahme erreicht werden. Die Maßnahme greift einige Kernaspekte des Konzepts Unterstützter Beschäftigung auf, lässt andere aber außen vor[9]. Deshalb muss zum jetzigen Zeitpunkt zwischen der Maßnahme und dem Konzept "Unterstützte Beschäftigung" unterschieden werden.

Als konzeptionelle Kernelemente der Maßnahme werden vom BMAS das Prinzip "Erst platzieren, dann qualifizieren", die individuelle betriebliche Qualifizierung sowie die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und berufsübergreifenden Kenntnissen hervor gehoben (vgl. z.B. Rombach 2008). In der Ausschreibung der Maßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit (bzw. die Regionalen Einkaufszentren) werden als Zielgruppe "lernbehinderte Menschen im Grenzbereich zur geistigen Behinderung, geistig behinderte Menschen im Grenzbereich zur Lernbehinderung sowie behinderte Menschen mit einer psychischen Behinderung und / oder Verhaltensauffälligkeiten" genannt. Zur Eignungsabklärung kann DIA-AM (s.o.) eingesetzt werden. Dies ist aber keine Zugangsvoraussetzung. Der Personalschlüssel für die Unterstützung beträgt 1:5. Wie sich die Umsetzung der Maßnahme "Unterstützte Beschäftigung" bundesweit entwickelt, wird in der nächsten Zeit zu beobachten sein.

Weitere Informationen zum Konzept und zur Maßnahme Unterstützte Beschäftigung sind unter www.bag-ub.de/ub/ub_ interessenver.htm zu finden.

Berufsausbildung Theoriereduzierte Berufsausbildung

Neben einer dualen beruflichen Vollausbildung (i.d.R. 3-jährigen Ausbildung im Betrieb, Unterricht in der Berufsschule) gibt es die Möglichkeit, eine theoriereduzierte Ausbildung in einem sog. Werkerberuf zu machen (§ 66 BBiG / § 42m HWO). Die Ausbildungen dauern zwei bis drei Jahre und werden außerbetrieblich (z.B. in Berufsbildungswerken) oder betrieblich (in Kooperation mit der Berufsschule und einem Fachdienst oder Bildungsträger) durchgeführt. Mit dem Projekt "Verzahnte Ausbildung mit Betrieben" (VAmB) finden auch die Ausbildungen in den Berufsbildungswerken zunehmend in Kooperation mit Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes statt (www.vamb-projekt.de).

Teil 3 Beschäftigungsmöglichkeiten im Anschluss an die Qualifizierungsphase

Im Anschluss an die Qualifizierungsphase gibt es verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten: Sozialversicherungspflichtige oder auch geringfügige Arbeitsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Arbeitsplätze in Integrationsprojekten oder WfbM sowie Beschäftigungen in Tagesförderstätten.

Allgemeiner Arbeitsmarkt

Wenn ein behinderter Mensch einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz gefunden hat, gibt es verschiedene Unterstützungsangebote für den/die ArbeitnehmerIn und den/die ArbeitgeberIn. Das Konzept der Unterstützten Beschäftigung sieht vor, eine Unterstützung (insbesondere durch IFD / JobCoaches) solange wie erforderlich zu leisten. Im zum 1. Januar in Kraft getretenen Gesetz zur Unterstützten Beschäftigung ist geregelt, dass schwerbehinderte Menschen, die durch die Maßnahme Unterstützte Beschäftigung ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis erlangt haben, weitere berufsbegleitende Unterstützung durch den IFD erhalten. Der zuständige Leistungsträger ist i.d.R. das Integrationsamt. Dieses ist auch für Leistungen an ArbeitgeberInnen zuständig.

So können für ArbeitgeberInnen z.B. Lohnkostenzuschüsse und Minderleistungsausgleiche gezahlt werden, es können behinderungsbedingte Arbeitsplatzausstattungen und technische Arbeitshilfen gefördert werden. Regionale und bundesweite Programme sehen teilweise weitere Förderungen vor.

Integrationsprojekte

In Integrationsprojekten arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Der Anteil der schwerbehinderten MitarbeiterInnen beträgt mindestens 25 % und möglichst nicht mehr als 50 %. Integrationsfirmen bieten eine Beschäftigung mit arbeitsbegleitender Betreuung, Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, Gelegenheit zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen so wie Unterstützung bei der Integration in Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes an (vgl. § 133 SGB IX; zur Praxis und rechtlichen Rahmenbedingungen von Integrationsprojekten vgl. Schwendy u. Senner 2005).

Arbeitsbereich der WfbM

Menschen mit Behinderungen, bei denen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt "wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht" kommt (§ 41 (1) SGB IX), haben die Möglichkeit, im Arbeitsbereich der WfbM tätig zu sein. Im Arbeitsbereich der WfbM sollen die Leistungsfähigkeit und die Persönlichkeit der MitarbeiterInnen sowie der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gefördert werden. Da die Übergangsquoten bundesweit gering sind[10], wird der Übergang durch gezielte Projekte gefördert, so z.B. mit dem Bundesmodellprojekt JobBudget (2008-2011). Im Rahmen dieses Projekts werden an fünf Standorten in verschiedenen Teilen Deutschlands Menschen mit Behinderung und einem besonderen Unterstützungsbedarf beim Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt begleitet. Ziel ist es, das Persönliche Budget (s.u.) als Finanzierungsmöglichkeit zu nutzen.[11]

Im Rahmen des Arbeitsbereiches der WfbM ist auch die zeitweise Beschäftigung auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz möglich. Ziel ist dabei i.d.R. die Vorbereitung auf den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 5(4) WVO). Daneben gibt es die Möglichkeit der Beschäftigung auf einem dauerhaft ausgelagerten Arbeitsplatz. Dies ist seit 22.12.2008 in § 136 neu SGB IX gesetzlich geregelt (vgl. Anm. 7). Insbesondere das Bamberger Projekt "Integra Mensch" verwirklicht für Werkstattbeschäftigte, die auf dem allgemeinen Arbeitmarkt arbeiten wollen, diesen Wunsch durch dauerhaft ausgelagerte Arbeitsplätze (vgl. Basener u. Häußler 2008).

Ausgelagerte Einzelarbeitplätze und Außenarbeitsgruppen der WfbM befinden sich in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die MitarbeiterInnen behalten dabei den arbeitsrechtlichen Status als Beschäftigte der WfbM.

Tagesförderstätten

Menschen mit Behinderung, die aufgrund eines selbst- und fremdgefährdenden Verhaltens oder aus anderen Gründen dauerhaft ein Mindestmaß an "wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung" in der WfbM nicht erbringen können, sollen in Einrichtungen oder Gruppen (Tagesförderstätten) gefördert werden. Diese Angebote werden meist unter dem Dach der WfbM organisiert.

Teil 4 Persönliches Budget

Seit 1. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget. Das Persönliche Budget ist keine weitere Maßnahme oder Fördermöglichkeit, sondern eine neue Form der Leistungserbringung, die die Möglichkeit zur Wahrnehmung eines individuell zugeschnittenen Angebots eröffnet. Anstelle von Sachleistungen können LeistungsempfängerInnen ein Budget erhalten. Der Budgetnehmerin / dem Budgetnehmer wird von einem zuständigen Rehabilitationsträger ein Betrag ausgezahlt, mit dem er / sie sich eine Leistung bei dem Anbieter seiner / ihrer Wahl einkaufen kann. Nähere Informationen zur Nutzung des Persönlichen Budgets im Bereich Arbeit sind als Ergebnis des Projekts "Integrative Arbeitsmöglichkeiten und Persönliches Budget" der BAG UB zusammengestellt (BAG UB 2009). Beispiele dafür, wie Menschen mit Lernschwierigkeiten (hier am Beispiel von Menschen mit Down-Syndrom) das Persönliche Budget für die Verwirklichung ihrer individuellen Wünsche der beruflichen Teilhabe genutzt haben, haben Andrea Seeger und Stefan Bauer aus ihrer Arbeit bei Access Erlangen zusammengestellt (Seeger u. Bauer 2007): Drei junge Menschen haben sich mit dem Persönlichen Budget je einen Arbeitsplatz geschaffen - die eine auf Mini-Job-Basis, ein anderer als Außenarbeitsplatz einer WfbM und eine dritte als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.

Fazit

Die kurze Darstellung verschiedener Konzepte und Rahmenbedingungen im Übergang Schule-Beruf sollte aufzeigen, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, Berufswünsche von jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten oder anderen Behinderungen zu fördern und umzusetzen. Zu bemerken bleibt aber auch, dass häufig standardisierte Wege gegangen werden, die nicht unbedingt an den Fähigkeiten, Wünschen und Interessen der jungen Menschen ansetzen. Bundesweit bestehen große regionale Unterschiede in der Angebotsstruktur und bei konzeptionellen Umsetzungen. Häufig ist die Umsetzung von Konzepten, die an den individuellen Wünschen der jungen Menschen ansetzen, stark vom Engagement von Eltern und Professionellen verschiedener Institutionen (Fachdienste, Schulen, Arbeitsagentur, WfbM etc.) abhängig.

Immer noch ungelöst ist auch die Frage der sozialen Absicherung. Für werkstattberechtigte Personen, die ihre Werkstattleistung außerhalb der Institution WfbM und unterstützt durch einen externen Fachdienst (keine WfbM) in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes in Anspruch nehmen wollen. Menschen, die in einer WfbM arbeiten, haben nach 20jähriger Werkstattbeschäftigung einen Rentenanspruch, der sich an 80% des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens orientiert. Dieser Anspruch ist jedoch an den Werkstattstatus gebunden. Dies führt zu einer deutlichen Verschlechterung von Menschen mit Behinderung, die trotz anerkannter Werkstattfähigkeit unterstützt durch einen externen Fachdienst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten, hier aber auch bei tariflich bezahlten Arbeitsverhältnissen nicht auf den Rentenanspruch kommen werden, den sie innerhalb der WfbM erzielen würden.

Abschließend sei hervorzuheben, dass eine (berufliche) Integration nur dann gelingt, wenn eine dauerhafte Unterstützung und kontinuierliche Begleitung sowohl am Arbeitsplatz als auch in anderen Lebensbereichen (Wohnen, Freizeit, Partnerschaft etc.) gewährleistet ist. Hierzu bedarf es persönlicher und/oder institutioneller Unterstützungsnetzwerke. Auch die Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Qualifizierungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten - beispielsweise der Wechsel von einer WfbM in einen Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes und umgekehrt - unter Beibehalt aller finanzieller und rechtlicher Absicherungen ist eine Grundbedingung für eine berufliche Integration, die sich an den Wünschen und Bedarfen von Menschen mit Lernschwierigkeiten orientiert, zu deren Umsetzung aber noch einiges getan werden muss.

LITERATUR

BAG UB (2008): Kommentar zum Gesetzesentwurf "Unterstützte Beschäftigung" des BMAS: www.bag-ub.de/ub/download/ub_stellung_2008-08_BAG_UB_Stellungnahme_ zum_Gesetzentwurf_UB.pdf

BAG UB (Hrsg.) (2009): Persönliches Budget für berufliche Teilhabe. Dokumentation und Handlungsempfehlungen, Hamburg

Basener, Dieter; Häußler, Silke (2008): Bamberg bewegt. Integration in den Arbeitsmarkt: Eine Region wird aktiv, Hamburg

Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hrsg.) (2007): Lehrplan für die Berufsschulstufe - Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, München.

BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) (2008): Behinderte Menschen qualifizieren: im Job - für den Job. Pressemitteilung vom 30.07.08 zum Bundeskabinettsbeschluss zur Einführung "Unterstützter Beschäftigung". www.bmas.de/coremedia/generator/27064/2008__07__30__unterstuetzte__beschaeftigung.html

Böhringer, Klaus-Peter (2005): Von der Werkstufe über die 'Eingliederungsstufe'zur 'Berufsvorbereitenden Einrichtung des Enzkreises (BVE)'. Chronologie einer Erfolgsgeschichte. In: impulse 36: 3-12

Bundesagentur für Arbeit (2009): Überarbeitetes Fachkonzept für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach § 61 SGB III der Bundesagentur für Arbeit: www.arbeitsagentur.de/nn_166482/zentraler-Content/HEGAInternet/A05-Berufl-Qualifizierung/Dokument/HEGA-03-2009-VA-Fachkonzept-BvB.html

Ciolek, Achim (2006): Das AmbulanteArbeitstraining der Hamburger Arbeitsassistenz. In: Hirsch, Stephan; Lindmeier, Christian (Hrsg.): Berufliche Bildung von Menschen mit geistiger Behinderung. Neue Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben, Weinheim u. Basel, S. 162-172

Detmar, Winfried; Gehrmann, Manfred; König, Ferdinand; Momper, Dirk (2008): Entwicklung der Zugangszahlen zu Werkstätten für behinderte Menschen, Berlin

Deusch, Berthold (2002): Die Berufswegekonferenz. Ein Instrument zur Optimierung des Übergangs Schule-Beruf. In: "Schritt für Schritt". Fachtagung zur Rehabilitation und Teilhabe schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben, Bonn

Doose, Stefan; Emrich, Carolin; Göbel, Susanne (2004): Käpt'n Life und seine Crew. Ein Arbeitsbuch zur Persönlichen Zukunftsplanung, Kassel, 2. Aufl.

Hamburger Arbeitsassistenz (2004): kukuk. Kommunikation - Konfliktbewältigung - Kooperation. Ein Bildungsangebot für Menschen mit Lernschwierigkeiten zum Thema Schlüsselqualifikationen, Hamburg

Hamburger Arbeitsassistenz (2007): bEO - berufliche Erfahrung und Orientierung. Theoretische Grundlagen - Projektbeschreibung - Methoden - Materialien, Hamburg

Hohn, Kirsten (2005): Evaluationsbericht zur EQUAL-Entwicklungspartnerschaft "Keine Behinderungen trotz Behinderung", Hamburg (auch im Internet: www.bag-ub.de/publikationen/evaluation_kbtb_bagub.pdf )

Hohn, Kirsten (2008): Qualitätskriterien für die Vorbereitung, Begleitung und Auswertung von Betriebspraktika. Ein Handlungsleitfaden für Fachkräfte in der beruflichen Integrationsarbeit. Hamburg, 2. Aufl.

Klüssendorf, Andrea (2007): Talente bei der Hamburger Arbeitsassistenz. Ein Projekt zur Förderung von jungen Frauen mit Lernschwierigkeiten im Prozess beruflicher Orientierung und Qualifizierung. In: Impulse 44: 5-10

Meschenmoser, Helmut (2005): Schülerfirmen: Ein Lernarrangement zur Förderung arbeitsrelevanter Basiskompetenzen benachteiligter Jugendlicher. In: Felkendorff, Kai; Lischer, Emil (Hrsg.): Barrierefreie Übergänge Jugendliche mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten zwischen Schule und Berufsleben, Zürich, S. 40-51

Melzer, Rüdiger; Laudwein, Erich; Eiden, Marlene (2006): Lernarrangement Schülerfirma. Ein neuer Ansatz der beruflichen Vorbereitung auf der Werkstufe der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung. In: Hirsch, Stephan; Lindmeier, Christian (Hrsg.): Berufliche Bildung von Menschen mit geistiger Behinderung. Neue Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben, Weinheim u. Basel, S. 64-85.

Molitor, Andreas (2008): Sonderschulfreie Zone. In: brand eins Magazin, H. 5: 48-56

Rombach, Wolfgang (2008): Inklusion im Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen. Position des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Rede anlässlich der Tagung "Arbeiten, wo andere auch arbeiten!" der Bundesvereinigung Lebenshilfe und des Lebenshilfe-Landesverbands Bayern am 21.10.08 in Bamberg

Schwendy, Arndt; Senner, Anton (2005): Integrationsprojekte - Formen der Beschäftigung zwischen allgemeinem Arbeitsmarkt und Werkstatt für behinderte Menschen. In: Bieker, Rudolf (Hrsg.): Teilhabe am Arbeitsleben. Wege der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung, Stuttgart, S. 296-312

Seeger, Andrea; Bauer, Stefan (2007): Beispiele der beruflichen Integration von Menschen mit Down-Syndrom. In: Impulse 43: 24-25

Transition from School to Work (transnationale EQUAL-Partnerschaft) (2005):

Qualitätsstandards für einen guten Übergang von der Schule in den Beruf: www.bag-ub.de/publikationen/tsw_qs_uesb_20051115.pdf

IM TEXT VERWENDETE ABKÜRZUNGEN

BAG UB Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung

BBB Betrieblicher Berufsbildungsbereich

BBiG Berufsbildungsgesetz

BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales

BvB Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme

BVJ Berufsvorbereitungsjahr

DIA-AM Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen

HWO Handwerksordnung

IFD Integrationsfachdienst

SGB Sozialgesetzbuch

WfbM Werkstatt für behinderte Menschen

WVO Werkstättenverordnung

Kirsten Hohn ist seit 2002 als Mitarbeiterin der BAG UB schwerpunktmäßig für die Evaluation und Qualitätssicherung in Projekten zuständig. Themenschwerpunkte sind der Übergang von der Schule in den Beruf und von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Kontakt und nähere Informationen

Kirsten Hohn

Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung e.V. (BAG UB)

Schulterblatt 36, 20357 Hamburg

Tel.: 040 / 43253123; Fax: 040 / 43253125

E-Mail: kirsten.hohn@bag-ub.de

Quelle:

Kirsten Hohn: Der Weg in den Beruf. Qualifizierungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Erschienen in: impulse Nr. 49, 1/2009, Seite 10-19. Schwerpunkt: Unterstützte Beschäftigung

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 19.08.2011



[1] Frau A. und Herr B. haben vor einigen Jahren an einer EQUAL-Maßnahme teilgenommen (vgl. Hohn 2005); zu Frau C. vgl. Seeger u. Bauer 2007; das Beispiel von Herrn D. aus Österreich ist dokumentiert von Molitor 2008.

[2] Als konzeptioneller Vorläufer ist hier die Gustav-Heinemann-Schule in Pforzheim zu nennen (Böhringer 2005); vgl.a. Schulkonzepte wie z.B. der Dr. Bernhard Leniger Schule in Lauf- Schönberg: www.lebenshilfe-nbg-land. de/wDeutsch/content/Einrichtungen/Lernen/ leistungen_werkstufe.php?navid=20

[3] Der in den meisten Bundesländern noch übliche Begriff Werkstufe wird zunehmend durch die Bezeichnungen Berufsschulstufe oder berufsvorbereitende Stufe abgelöst, wodurch die Ernsthaftigkeit der Berufsvorbereitung in den letzten drei Schuljahren unterstrichen wird.

[4] Im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft "Talente" (2005-2007) wurden in Zusammenarbeit mit den beteiligten Projekten (Bildungsträger, Schulen, IFD) Qualitätskriterien entwickelt, die bei der Vorbereitung, Begleitung und Auswertung von Betriebspraktika bedeutsam sind (vgl. Hohn 2008).

[5] Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG UB) und das Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Heidelberg haben gemeinsam die Verbreitung des Konzepts der Berufswege- und Netzwerkkonferenzen im Rahmen der EQUAL-Partnerschaft "Talente" (2005-2007) an drei Projektstandorten unterstützt.

[6] vgl. Bundesagentur für Arbeit (2009)

[7] § 136 (1) neu: "... Zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehören ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die aus-gelagerten Arbeitsplätze werden zum Zwecke des Übergangs und als dauerhaft ausgelagerte Plätze angeboten."

[8] Ein Konzept des Betrieblichen Berufsbildungsbereiches ist hier zu finden: www. bag-ub.de/publikationen/konzept_betrieblicher_ bbb_2006_03.pdf; nähere Informationen zum Ambulanten Arbeitstraining der Hamburger Arbeitsassistenz: Ciolek 2006

[9] Im Gesetzestext nicht berücksichtigte Elemente des Konzeptes Unterstützte Beschäftigung sind z.B. die Öffnung für alle Menschen unabhängig von der Art und Schwere ihrer Behinderung und ihrer Leistungsfähigkeit, die Wahlfreiheit, die durch Logik der Zuweisung in Maßnahmen begrenzt ist und die gesicherte Begleitung durch eine kontinuierliche Integrationsfachkraft bzw. einen Fachdienst

[10] So sind 2006 0,17 % der Werkstattbeschäftigten in Deutschland auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gewechselt (Detmar u.a. 2008).

[11] Nähere Informationen zum Projekt Job- Budget: www.jobbudget.org

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