Behindertenhilfe in Ostholstein macht sich auf den Weg

Autor:in - Reinhard E. Sohns
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 46/47, 2 + 3/2008, Seite 9-12. impulse (46/47/2008)
Copyright: © Reinhard E. Sohns 2008

Behindertenhilfe in Ostholstein macht sich auf den Weg

Seit vielen Jahrzehnten kennen wir sie, die "Werkstätten für behinderte Menschen" die WfbM. Sie waren und sind eine Reaktion darauf, dass der Allgemeine Arbeitsmarkt leistungsgeminderte Menschen nicht aufzunehmen vermochte und in dem beschützten Rahmen der Werkstatt gezielte Förderung und Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht wurde. Werkstätten sind keine Erwerbsbetriebe, sondern als Eingliederungseinrichtungen Teil des umfassenden Systems der beruflichen Rehabilitation in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Ostholsteiner Behindertenhilfe will sich nun auf den Weg machen, neue, zusätzliche Wege der beruflichen Rehabilitation zu beschreiten. Dabei soll Bewährtes weiterentwickelt werden und alternative, sozialraumorientierte Angebote in den Bereichen Arbeit und Wohnen für Menschen mit Behinderung entstehen.

Bereitschaft zur Veränderung

Die Ostholsteiner Behindertenhilfe will sich auf den Weg machen. Sie erklärt ihrerseits die Bereitschaft zur konstruktiven Veränderung. Im Rahmen eines EU-Projektes mit dem Titel "New paths to inklusion - A vocational training course in Person centred planning and practice" (übersetzt: "Neue Wege zur Inklusion - berufliche Weiterbildung in persönlicher Zukunftsplanung und Praxis") ist Ostholstein innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Modellregion. Die Ostholsteiner Behindertenhilfe nimmt als "aktiver Partner" teil, d.h., sie wird zusammen mit ähnlichen Organisationen aus anderen EU-Ländern (Österreich, Tschechien und England) ihr Leistungsspektrum selbstkritisch hinterfragen als "changing organisation", als sich verändernde Organisation.

Das EU-Projekt wird innerhalb des Landes Schleswig-Holstein von einer Vielzahl von so genannten "strategischen Partner" unterstützt. Unter ihnen sind das Sozialministerium, Verbände wie auch die BAG UB, Selbsthilfeorganisationen, Schulen, der Kreis Ostholstein und viele andere mehr. Flankiert durch Schulungsprogramme und wissenschaftliche Begleitung soll der Versuch gestartet werden, den Fokus von der Organisation und ihrer bestehenden Angebote verstärkt zu wechseln auf die persönliche Planung des Einzelnen.

Warum Veränderung, wenn doch die Angebote für Menschen mit Behinderung seit nunmehr Jahrzehnten etabliert und anerkannt sind auf dem Markt? Auch wir in Ostholstein blicken auf eine jahrzehntelange Geschichte, die älteste Werkstatt konnte im Juni ihr 35-jähriges Bestehen in Oldenburg feiern. Vorweg: Es ist ganz sicher nicht unser Interesse, den Leistungsträgern, also denjenigen, die die erbrachten Leistrungen in den Werk- und Wohnstätten wesentlich finanzieren, vorauseilenden Gehorsam zu leisten und Kosten zu reduzieren. Die Schreckensszenarien der steigenden "Fallzahlen" (ein furchtbares Wort!) können und dürfen uns nicht motivieren, für die vielen Menschen ein verändertes Angebot zu entwickeln. Nein, der Grund sich in Frage zu stellen, besteht darin, dass wir versuchen wollen, noch stärker den Ansatz zu wählen, die KlientInnen zum aktiven und gestaltenden Subjekt des Geschehens werden zu lassen - in allen Bereichen des Lebens (Wohnen, Freizeit, Bildung und Arbeit).

Bis heute sieht die Leistungserbringung wesentlich so aus, dass wir InteressentInnen unser Leistungsspektrum zeigen und sie sich aus dem hier Gebotenen das ihnen Gemäße auswählen können. Hierbei grenzen natürlich in einer ländlichen Region wie Ostholstein die jeweiligen lokalen Angebote der Werkstätten in Teilen die tatsächliche Wahl deutlich ein. Ein Interessent aus dem Süden des Kreises (z.B. Bad Schwartau) wird kaum einen Arbeitsplatz in der Aktenvernichtung erhalten können, welche wir nur in der Heiligenhafener Werkstatt, also ganz im Norden, vorhalten.

Der "neue Blickwinkel" wählt einen anderen Ansatz, bedeutet einen Perspektivwechsel: Er geht von den Einzelnen und ihren Wünschen, Fähigkeiten und Bedürfnissen aus. Welche Träume haben die behinderten oder psychisch beeinträchtigten Menschen jeweils von ihrer Zukunft, in welchem Bereich möchten sie gern arbeiten, welche Erfahrungen konnten sie in seinem bisherigen sozialen Kontext sammeln, von welchen Menschen möchten sie zukünftig in den Bereichen Arbeit und Wohnen begleitet und unterstützt werden? - Mit einem Wort: "Persönliche Zukunftsplanung", die so weit wie möglich und gewünscht sozialraumorientiert geschieht. Nicht jeder Wunsch, jeder Traum ist dabei realisierbar, aber er sollte Ausgangspunkt aller Überlegungen sein.

Schule, was dann?

Ein erstes wesentliches Betätigungsfeld ist für uns, den Übergang Schule - Beruf kritisch unter die Lupe zu nehmen. Zwar gibt es hier in Ostholstein seit vielen Jahren sehr gute Beziehungen zu den Förderschulen des Kreises, im Norden zum "Kastanienhof" in Oldenburg und im Süden zur "Schule am Papenmoor", betrieben von der Lebenshilfe in Bad Schwartau. Jedoch glauben wir, dass die SchulabgängerInnen bereits im Vorwege weit besser vorbereitet werden sollten und vorbereitet werden können auf das, was sie anschließend in der Berufswelt erwartet. Praktika in den Werkstätten der Ostholsteiner Behindertenhilfe sind sicher auch weiterhin mögliche und hilfreiche Erfahrungen, doch darf es damit nicht genug sein.

Bereits in den Werkstufen müssen die SchülerInnen ihren individuellen Wünschen und Potentialen gemäß ihre berufliche Zukunft zu planen und zu gestalten versuchen. Es sollen ihnen durch Beratung und Praktika (dies- und jenseits der konventionellen Werkstatt) Hilfestellungen an die Seite gegeben werden, die einen gezielten Einstieg in das Berufsleben ermöglichen. Bei dieser Unterstützung muss bereits der individuelle Sozialraum eine grundsätzliche Rolle spielen.

Die Vorentscheidung der einzelnen Person muss Auftrag für uns sein, das Mögliche zu versuchen - auch jenseits bisheriger Strukturen und Angebote. Warum ist es absurd, dass ein behinderter Mensch den Wunsch äußert, als Tierpfleger zu arbeiten oder in einem Kindergarten tätig zu werden? Die WfbM von heute sieht dies (noch) nicht vor, doch kann und darf dies allein nicht zu dem Urteil führen "geht nicht".

Menschen ohne Behinderung und/oder psychische Beeinträchtigung können zwischen über 340 Ausbildungsberufen wählen. Sicher ist diese Auswahl durch manche externe Faktoren in der Realität eingeschränkter, dennoch lässt sich festhalten, dass dem breiten Spektrum an Möglichkeiten für die einen (die nicht behinderten Jugendlichen) ein sehr reduziertes Spektrum für die anderen (behinderten Jugendlichen) gegenüber steht.

Je stärker es gelingt, den Wünschen des Einzelnen zu entsprechen und damit seine Begabungen mit einfließen zu lassen in seine Berufswelt, desto zufriedener wird diese Person dauerhaft sein und - auch das sollten wir sehen - desto engagierter, motivierter und somit leistungsstärker. Nutznießer sind "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" gleichsam. Gerade lernschwache und/oder verhaltensauffällige WfbM-MitarbeiterInnen werden oftmals dadurch in unseren Einrichtungen zum "Problemfall", dass wir ihnen keinen ihren Bedürfnissen entsprechenden, adäquaten Ausbildungs- und Arbeitsplatz anzubieten vermögen. Gruppengrößen von durchschnittlich 12 Personen können in unseren Werkstätten nur beschränkt auf die Bedarfe verhaltensauffälliger Personen eingehen. Der Einzelne wird zum ungeliebten Außenseiter und gerät nicht selten in einen Strudel der Isolation und Vereinsamung - mit all den uns bekannten Sekundärfolgen.

Damit sollen keineswegs die sich engagierenden Gruppenleiter kritisiert werden, nein, sie kommen automatisch "systemimmanent" an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Es muss unser Ziel und unsere Aufgabe sein, in Zusammenarbeit mit dem sozialen Umfeld des Schulabsolventen, bestehend aus Familie, Freunden, Ortsbewohnern, zunächst inhaltlich Ziele, Wünsche und Chancen des beruflichen Werdeganges zu eruieren und dann den geeigneten Rahmen zu realisieren. Bei dieser Realisierung kann dem Sozialraum ggf. eine unterstützende Rolle zukommen, beispielsweise durch den Einsatz von MentorInnen.

Fach- und Kompetenzzentren unter dem Dach der WfbM

Wenn - wie oben beschrieben - die konventionelle Werkstattstruktur an ihre Grenzen kommt, müssen alternative Leistungsangebote entwickelt werden. Wir in Ostholstein haben in einem ersten Schritt zunächst begonnen, die interne WfbM-Struktur auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. An drei Standorten im Kreis (Heiligenhafen, Oldenburg und Eutin) bieten wir jeweils eine Vielzahl an unterschiedlichen Arbeitsplatzangeboten unter einem Dach. Diese Ausrichtung erscheint uns reformfähig zu sein.

Je stärker es uns gelingt, wesentliche Teilbereiche in "Fach- und Kompetenzzentren" auszugliedern und überregional, zentral zusammenzuführen, desto stärker ist das Verbindende der in der Werkstatt Arbeitenden nicht der "Behindertenstatus", sondern das gemeinsame Interesse am jeweiligen Fachzentrum.

An einem konkreten Beispiel sei dies verdeutlicht: Bislang hatten wir in Oldenburg und Eutin jeweils einen Bereich Holz, der unterschiedlich gut ausgestattet war. Beide Bereiche haben wir nun als Fachzentrum zusammengeführt in einer aufgekauften Schreinerei in Groß Schlamin (ein kleines Dorf in der Nähe von Neustadt/Holstein). Die positiven Effekte liegen auf der Hand: Die Beschäftigten finden hier eine qualitativ und quantitativ weit höherwertig ausgestattete Werkstatt vor, ein großer Maschinenpark, wie er dezentral niemals in jeder Einzelwerkstatt zu realisieren gewesen wäre, fördert jeden Einzelnen. Zudem sind durch gleichzeitige Präsenz mehrerer GruppenleiterInnen und AusbilderInnen ganz andere personelle Möglichkeiten gegeben. Während früher die Abwesenheit einer Gruppenleitung (krankheitsbedingt oder Urlaub) bedeutete, dass die Gruppe von einem Nicht-Fachmann angeleitet werden musste, sind nunmehr auch fachlich andere Vertretungsleistungen möglich. Darüber hinaus ist ganz entscheidend ein psychologisches Moment: Bislang ging der im Bereich Holz Tätige in die "Werkstatt" (gemeint WfbM), heute sagen sie mit Recht, dass sie in der "Tischlerei" arbeiten. Der Rechtsstatus ist der gleiche geblieben und dennoch hat eine sicher nicht zu unterschätzende Änderung der Selbstwahrnehmung stattgefunden, eine Stärkung des Selbstwertes, die einen später u. U. folgenden nächsten Schritt hin zu weiterer Integration in den Arbeitsmarkt vorbereiten kann und leichter werden lässt.

Foto: Tischlerei und Zimmerei in Groß Schlamin

So wie für unseren Holzbereich beschrieben, haben wir auch einen Laden ("Scandy") mit skandinavischen Produkten inmitten der Eutiner Innenstadt geschaffen. Im vorderen Bereich des Ladens arbeiten behinderte Menschen im Verkauf, im hinteren Bereich des Ladens in der Produktion von Kerzen, wobei hier Externe immer wieder hinzukommen und das Kerzenziehen gemeinschaftlich stattfindet. Ein Angebot, das gerade auch von Eltern mit Kindern gerne wahrgenommen wird. Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung in unmittelbarer Nähe des Marktplatzes, d.h. im Herzen der Rosenstadt Eutin.

Dass die behinderten MitarbeiterInnen zur Werkstatt im Sinne der WfbM gehören, spielt für die Betroffenen im Alltag kaum mehr eine Rolle. Sie erleben sich als Personen, die wie andere EutinerInnen in ihren (!) Laden gehen und hier arbeiten. Ein Stück Mehr an gelebter Normalität und Integration.

An der Ausgründung weiterer und zusätzlicher Fach- und Kompetenzzentren unter dem "virtuellen Dach" der WfbM werden wir weiterarbeiten. Noch in diesem Jahr soll das Zentrum für Metallverarbeitung entstehen.

Foto: "Scandy" in der Eutiner Fußgängerzone

Virtuelle Werkstatt und Unterstützte Beschäftigung

Wir wollen aber noch einen weiteren Schritt gehen, "new paths to inclusion", denn zwei Defizite bleiben auch in den neuen, oben beschriebenen Werkstattstrukturen trotz aller Verbesserungen erhalten: Es können zum einen längst nicht alle Berufbilder abgebildet werden, welche AbsolventInnen anderer Schulen offen stehen, und zum anderen verbleiben die behinderten oder psychisch beeinträchtigen Menschen in ihrer Berufwelt unverändert unter sich - es sind Spezialeinrichtungen ohne gelebter Inklusion.

Innerhalb der Ostholsteiner Behindertenhilfe wollen wir darum die "Virtuelle Werkstatt" aufbauen. Was heißt das?

Neben der traditionellen WfbM, die es sicher immer auch weiter geben wird, entsteht eine Werkstatt, die keinen Baukörper braucht. Die Virtuelle Werkstatt verfügt durch "Außenarbeitsplätze" über eine - zumindest theoretisch - nicht begrenzte Zahl unterschiedlichster Arbeitsfelder, die zumeist in konventionellen Betrieben oder in Kooperation mit diesen realisiert werden. Menschen mit Behinderung und/oder psychischen Beeinträchtigungen arbeiten integriert in Betrieben und Gewerken, wobei sie im Arbeitsprozess individuell unterstützt werden durch eine Unterstützungsperson, die quasi die Funktion der Gruppenleitung der Werkstatt übernimmt. Sie fördert und unterstützt am Arbeitsplatz und bildet zudem die Brücke zum sonstigen sozialen Kontext.

Auch dies soll an einem konkreten Beispiel verdeutlicht werden:

Frank Müller-Lüdenscheid hat schon während seiner Schulzeit immer wieder gerne in seiner Freizeit dem Onkel in der Schlachterei geholfen. Der Onkel und der Betrieb sind Herrn Müller-Lüdenscheid insofern bestens vertraut und so wundert es nicht, dass er "Schlachter" als Berufswunsch benennt, d.h. er gerne auch dauerhaft in diesem Umfeld seinen Arbeitsplatz finden würde. Nach Abschluss der Förderschule wollen wir ihm dies ermöglichen. Zunächst werden wir in einer Kombination von fachlich-betrieblicher und zentraler Beruflicher Bildung ihm eine bestmögliche Ausbildung ermöglichen. Sollte dann sein Berufswunsch weiterhin bestehen und eine Übernahme auf einen regulären Arbeitplatz des Ersten Arbeitsmarktes aufgrund des unverändert zu hohen Hilfe- und Unterstützungsbedarfes (noch) nicht möglich sein, so wollen wir Herrn Müller-Lüdenscheid im Rahmen der "Virtuellen Werkstatt" seinen "Außenarbeitsplatz" in der Schlachterei des Onkels ermöglichen.

Es leuchtet schnell ein, dass in solcher Arbeitsform die nächste Stufe der Integration leichter zu erreichen ist und Herr Müller-Lüdenscheid nicht nur ein engagierter und zufriedener Mitarbeiter sein kann, sondern sicher auch seine Potentiale gezielter weiterentwickelt werden können.

Ein nächster Schritt kann der sein, dass auch ein Außenarbeitsplatz für Herrn Müller-Lüdenscheid nicht mehr die Grenze seiner Integrationsfähigkeit beschreibt, sondern ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz auf dem Ersten Arbeitsmarkt - bei gleichzeitiger individueller Unterstützung - ihm angeboten werden kann. Das Maß an Unterstützung und ggf. vollständiger Eingliederung wird allein bestimmt durch die Teilhabemöglichkeiten des Betroffenen und den Arbeitsmarktpotentialen.

Wichtig bei der Entwicklung dieser Modelle wird es sein, dass für den Ersten Arbeitsmarkt keine "billigen Arbeitskräfte" geschaffen werden. Hier wird es nicht zuletzt unsere Aufgabe sein, genau hinzusehen und dem deutlich entgegenzuwirken.

Integrationsbetriebe

Als weiteres Modell integrativen Arbeitens verstehen wir die Integrationsbetriebe. Auch hier bauen wir unser bereits bestehendes Angebot der "Ostholsteiner Dienstleistungsgesellschaft", eine hundertprozentige Tochter der OHBH, weiter aus.

Seit 2005 betreiben wir - nach unserem Kenntnisstand bundesweit einzigartig - ein "ganz normales" Kino als Integrationsbetrieb. Das "Lichtblick Filmtheater" in Oldenburg bietet unter der Regie eines kompetenten und engagierten Kinoleiters 10 behinderten und nicht behinderten Menschen einen Arbeitsplatz der besonderen Art, inmitten des kulturellen Lebens der Stadt.

Neue Dienstleistungsbereiche wurden neben dem Kino seit Herbst 2007 aufgebaut: Im Bereich Reinigung arbeiten 12 Personen, im Yachtservice bislang eine und im Landschafts- und Gartenbau fünf Personen. Alle Teilbereiche des Integrationsunternehmens haben ihre Aufträge im Wesentlichen jenseits der Ostholsteiner Behindertenhilfe akquiriert. Damit ist garantiert, dass hier konsequent Integration geschieht.

Foto: Integrationsbetrieb Lichtblick Filmtheater

Mehr Sozialraumorientierung in allen Bereichen des Lebens

Unsere Vision des quasi übergangslosen Spektrums an Möglichkeiten für den Bereich Arbeit haben wir oben zu beschreiben versucht. Der Mensch mit Behinderung findet nicht ein "definiertes" (="begrenztes") Leistungsspektrum vor, sondern die Spanne des Spektrums wird wesentlich definiert durch die Persönliche Zukunftsplanung und den Sozialraum des Einzelnen. So kann die Werkstatt (WfbM) für den Einen das passgenaue Leistungsangebot sein, für den Nächsten die "Virtuelle Werkstatt" oder für den Dritten die "Unterstützte Beschäftigung" auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt.

So wie wir diesen Weg konsequent gehen wollen, werden wir auch in den sonstigen Bereichen des Lebens integrative Modelle ausbauen und realisieren.

Die Wohnstätte für Menschen mit Behinderung ist bis zum heutigen Tag eine Spezialeinrichtung. In aller Munde sind das Mehr-Generationen-Haus, weniger jedoch integrative Wohnformen für Menschen mit - und ohne Behinderung. Wieso führt nicht der konkrete Unterstützungsbedarf zum Miteinander beim Wohnen, unabhängig von der Frage einer Behinderung? Wieso teilen wir uns in unserem Freizeitverhalten unverändert stark auf in Menschen mit und ohne Behinderung? Wann gibt es ein selbstverständlicheres Miteinander im Sport, im Chor, in der Politik? Stabilisieren vielleicht unsere separaten Wohn- und Arbeitsangebote auch in letzter Konsequenz ungewollt die Trennung in den Bereichen Freizeit und Bildung?

Es sind dies zugegebenermaßen provozierende Fragestellungen. Ich gehe davon aus, dass es die traditionelle WfbM und die heutige Wohnstätte weiterhin geben wird und diese Angebote auch für viele Menschen ein von ihnen gewolltes und förderliches Umfeld sind. Dennoch sollten wir den Traum der selbstverständlich gelebten Inklusion nicht als unrealisierbar zur Seite tun. Träume, so wissen wir spätestens seit Martin Luther King ("I have a dream"), motivieren zu Veränderungsprozessen und sie verändern selbst. - In diesem Sinne wollen wir in Ostholstein konsequent weiterträumen - ohne zu Traumtänzern zu werden.

Kontakt:

Reinhard E. Sohns, Geschäftsführer

Ostholsteiner Behindertenhilfe GgmbH

Elisabethstraße 70, 23701 Eutin

Tel.: 04521 / 7993-11

E-Mail: sohns@ohbh.de

Internet: www.ohbh.de

Quelle:

Reinhard E. Sohns: Behindertenhilfe in Ostholstein macht sich auf den Weg

erschienen in: impulse Nr. 46/47, 2 + 3/2008, Seite 3.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 16.08.2010

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