Was können wir aus den Modellprojekten lernen?

Ergebnisse aus der bundesweiten Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" - (Teil 2)

Themenbereiche: Recht, Selbstbestimmt Leben
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 44/2007, S. 48-51. Teil 1 verfügbar unter http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-43-07-meyer-modellprojekte.html impulse (44/2007)
Copyright: © Thomas Meyer, Christine Rauscher 2007

Was können wir aus den Modellprojekten lernen?

Der "Nutzen" Persönlicher Budgets wird vor allem in der Verbesserung von Teilhabechancen und einer höheren Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung gesehen. Eine höhere Selbstbestimmung soll sich dabei insbesondere in sachlichen, sozialen und zeitlichen Dispositionsspielräumen bezüglich der Leistungserbringung manifestieren: BudgetnehmerInnen sollen mit Hilfe des (trägerübergreifenden) Persönlichen Budgets selbst entscheiden können, welche Unterstützung sie von welchen Personen und zu welchem Zeitpunkt erhalten. Nicht zuletzt aufgrund dieser Dispositionsspielräume wird erwartet, dass BudgetnehmerInnen mit Hilfe des Persönlichen Budgets "individuellere" Hilfearrangements entwickeln werden. Auf Seiten der Leistungserbringer wiederum ist zu erwarten, dass die Einführung Persönlicher Budgets mittel- bis langfristig die "Angebotslandschaft" beeinflussen und Impulse zu einer Veränderung und Weiterentwickelung bestehender Hilfe- und Unterstützungsstrukturen setzen kann.

Die Wirkungen Persönlicher Budgets werden dabei in einen engen Zusammenhang mit der "Nutzung", d.h. der Budgetverwendung gebracht. Dies gilt für die Wirkungen auf Seiten der BudgetnehmerInnen als auch für Wirkungen auf Seiten der Leistungserbringer. Die Aufgabe der wissenschaftlichen Begleitforschung zur Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" besteht aus diesem Grunde auch darin, eben diesem Zusammenhang nachzugehen und die Nutzung Persönlicher Budgets im Kontext der jeweils "eingekauften" Leistungen und der rekrutierten Unterstützungspersonen bzw. -dienste zu beleuchten. Kurz: Warum wollten die BudgetnehmerInnen das Persönliche Budget haben und für was setzen sie dieses ein?

Gegenstand des zweiten Teils[1] der Ergebnisdarstellung der Modellprojekte "Trägerübergreifendes Persönliches Budget" ist daher die Nutzung/ Verwendung Persönlicher Budgets mit Blick auf die jeweils dahinter stehenden Motive der Budgetbeantragung sowie auf die jeweils eingekauften Leistungen und Arrangements mit den Leistungserbringern. Folgenden Fragestellungen wird dabei im Kern nachgegangen:

  • Warum wollten die BudgetnehmerInnen das Persönliche Budget haben und was sind die Hintergründe der Budgetbeantragung?

  • Wie ist die Budgetverwendung bzw. die Unterstützung organisiert?

  • Für welche Leistungen setzen die BudgetnehmerInnen ihr Persönliches Budget ein?

  • Wie sind die BudgetnehmerInnen an die unterstützenden Personen/ Dienste gekommen und was ist ihnen bei der Auswahl geeigneter Personen/Dienste besonders wichtig

  • Hatten die BudgetnehmerInnen Schwierigkeiten, geeignete Personen/ Dienste zu finden?



[1] In dem ersten Teil der Ergebnisdarstellung wurden die theoretischen und methodischen Hintergründe der wissenschaftlichen Begleitforschung zur Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" dargestellt. Neben einem Überblick über die Anzahl bewilligter Persönlicher Budgets im Rahmen der Modellprojekte sowie über die jeweils bewilligten Leistungen und den Personenkreis der BudgetnehmerInnen sollte insbesondere der Frage nachgegangen werden, welche Rahmenbedingungen und Faktoren zu einer verstärkten Umsetzung Persönlicher Budgets beitragen können. Der Artikel ist abgedruckt in Impulse 3/2007.

1. Motive der Budgetbeantragung

In der Befragung der BudgetnehmerInnen (n=196) wurde unter anderem auch danach gefragt, welche Motive und Beweggründe zu einer Beantragung des Persönlichen Budgets geführt haben ("Was gab den Ausschlag?", "Warum wollten Sie das Persönliche Budget beantragen?"). Da es sich hierbei um eine offene Frage handelt, musste die Vielfalt der Antworten zu Kategorien zusammengefasst werden. Zwar können solche Kategorien die Individualität der Antworten nur teilweise widerspiegeln, dennoch lassen sich durchaus vergleichbare oder ähnliche Beweggründe erkennen und zu Komplexen zusammenfassen.

Die Analyse zeigt hierbei, dass der Wunsch "passende(re) Hilfen" einzukaufen und zu organisieren im Vordergrund stehen - etwa jede zweite befragte Person nennt Gründe, die diesem Themenkomplex zugeordnet werden können. Passende(re) Hilfen sollen den individuellen Bedürfnissen und vorhandenen Ressourcen entsprechen und zur Verwirklichung des eigenen Lebensstils beitragen. In einigen Fällen wird in diesem Zusammenhang auch deutlich, dass eine Unzufriedenheit mit bisher erhaltenen Leistungen eine Rolle für die Budgetbeantragung gespielt hat. Der Motivkomplex "passende(re) Hilfen" umfasst dabei drei verschiedene Komponenten:

  • den Wunsch nach individuellen Lösungen, insbesondere hinsichtlich "sachlicher" Dispositionsspielräume (etwa das Ermöglichen von sportlicher Aktivität durch die Finanzierung von Sportbekleidung, die Anschaffung eines Navigationsgeräts zur Orientierung, die Unterstützung eines Kindes durch einen speziellen "Schulbegleiter")

  • den Wunsch nach zeitlicher Flexibilität (etwa eine Freizeitbegleitung auch mal außerhalb der "üblichen" Zeiten oder an den Wochenenden nutzen zu können; auf der anderen Seite aber auch Hilfe nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn sie tatsächlich gebraucht wird bzw. darauf zu verzichten, wenn sie nicht erforderlich ist)

  • das Bedürfnis, die Unterstützungspersonen selbst auswählen zu können (z.B. auch Freunde und Bekannte engagieren zu können; sich in Form kleiner Geschenke für informelle Hilfe erkenntlich zu zeigen)

Als zweithäufigstes Motiv wird die "Sicherstellung der Versorgung" genannt. Etwa jede dritte befragte Person versucht durch das Persönliche Budget eine Versorgungssituation zu sichern. Dieses Motiv steht in engem Zusammenhang mit (akuten) Krisensituationen, mit dem Wunsch nach psychischer bzw. gesundheitlicher Stabilisierung oder mit Übergangsphasen. Des Weiteren spielen Situationen eine Rolle, in denen die Unterstützung nicht (mehr) über die entsprechende Sachleistung gewährleistet ist (etwa durch Kündigung eines Betreuungsverhältnisses; Personen, die eine bestimmte Leistung nicht in Anspruch nehmen wollen oder keine passenden Angebote finden).

Einen ähnlich hohen Stellenwert hat ferner der Wunsch nach einer möglichst "selbständigen Lebensführung". Mit Hilfe des Persönlichen Budgets soll beispielsweise der Auszug aus einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe bzw. aus dem elterlichen Haushalt vorbereitet und vollzogen werden (z.B. in eine ambulant betreute Wohnform). Andere Personen wollen mit dem Persönlichen Budget ihre (bereits erreichte) Selbständigkeit erhalten bzw. eine Heim- oder Klinikaufnahme vermeiden.

Ein weiteres - quantitativ ebenfalls bedeutsames - Motiv stellt der Wunsch nach Aktivitäten und sozialer Teilhabe dar - etwa ein Viertel der BudgetnehmerInnen möchten mit Hilfe des Budgets mobiler und aktiver werden, Freizeitinteressen verwirklichen können und mehr Kontakte zu anderen Menschen pflegen. Die "Entlastung des sozialen Umfelds" (insbesondere der Eltern) bildet einen letzten Motivkomplex, wobei es Überscheidungen zur "Sicherstellung der Versorgung" und "Selbständigere Lebensführung" gibt.

2. Organisation und Gestaltung der Budgetverwendung

Die Befragung der BudgetnehmerInnen macht deutlich, dass diese mit Hilfe des Persönlichen Budgets vorwiegend professionelle Hilfen einkaufen (48% aller befragten BudgetnehmerInnen). Dies geschieht z.B. über Leistungsverträge mit Einrichtungen, Diensten oder qualifizierten Fachkräften. Einige dieser BudgetnehmerInnen ergänzen bzw. kombinieren die professionellen Hilfen durch eine zusätzliche Inanspruchnahme anderer Dienstleistungen (z.B. Bildungskurse, Sportvereine, Mitgliedsbeiträge in Fitnessstudios) oder Sachmittel (z.B. Sportausrüstung, Fahrkarten).

Nur ein kleinerer Anteil der BudgetnehmerInnen organisiert die Unterstützung durch:

  • eine Kombination professioneller mit nicht-professionellen Hilfen (14%),

  • fest angestellte AssistentInnen oder Honorarkräfte (Arbeitgebermodell) (13%),

  • ausschließlich "nicht-professionelle", nebenberufliche oder informelle/ private Hilfen (13%)

  • ausschließlich Sachmittel und/oder allgemeine Dienstleistungen wie Fahrtkosten, Mitgliedsbeiträge für Bildungs-, Musik-, oder Sportangebote, Hilfsmittel usw. (6%).

Ca. 7% der BudgetnehmerInnen haben eine Abtretungserklärung unterschrieben. In diesen Fällen überweist der Leistungsträger das "Budget" direkt an den Leistungserbringer, was konzeptionell eher der Sachleistungslogik als der Idee eines Persönlichen Budgets entspricht (siehe Abb.1).

Abbildung 1: Organisation der Budgetverwendung (n=191)

Betrachtet man diese Organisationsformen differenziert nach Modellregionen, so fällt auf, dass in den Modellregionen Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein der Anteil der BudgetnehmerInnen, die ihr Persönliches Budget schwerpunktmäßig für professionelle Dienste verwenden höher ist als in den anderen Regionen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass in diesen Modellregionen "Fachkraftquo ten" in den Zielvereinbarungen festgelegt werden. Dabei wird es den BudgetnehmerInnen auferlegt, einen bestimmten Budgetteil für professionelle Dienste/Einrichtungen oder qualifizierte Fachkräfte einzusetzen. Auch der in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Thüringen erhöhte Anteil der Budgets, die direkt vom Leistungsträger an den Leistungserbringer überwiesen werden, deckt sich mit der bekannten Praxis dieser Modellregionen, mit Abtretungserklärungen zu arbeiten.

Das "Arbeitgebermodell" spielt hingegen insbesondere in Berlin eine große Rolle, und die Unterstützung durch nicht- oder semiprofessionelle Kräfte (i.d.R. private Hilfen) ist in den Modellregionen in Hessen und Rheinland-Pfalz überdurchschnittlich häufig verbreitet. In den zuletzt genannten Modellregionen wurde auch der Großteil der Budgets bewilligt, die ausschließlich für Sachmittel und allgemeine Dienstleistungen gedacht sind.

Des Weiteren zeigen sich Unterschiede in der Budgetverwendung in Abhängigkeit von der Art der Behinderung: Während professionelle Unterstützung insbesondere für Menschen mit psychischer Erkrankung (67%) und für Menschen mit geistiger Behinderung (55%) eine vorrangige Rolle spielt, bevorzugen BudgetnehmerInnen mit Körperbehinderung Unterstützung im Arbeitgebermodell (38%) und durch nicht-professionelle Helfer (23%) (siehe Abb. 2).

Abbildung 2: Organisation der Budgetverwendung nach Art der Behinderung (n=173)

3. Art und Inhalte der Unterstützung

Mit Hilfe eines Persönlichen Budgets kaufen sich die meisten BudgetnehmerInnen alltagspraktische Hilfen (wie z.B. die Unterstützung im Haushalt), psychosoziale Unterstützung oder Begleitung in der Freizeit ein: Über 40% der befragten BudgetnehmerInnen nennen "alltagspraktische Hilfen", knapp 40% "psychosoziale Unterstützung" und etwa ein Drittel kauft sich Unterstützung im Bereich Freizeit ein. Eine Rolle spielen weiterhin Leistungen im Bereich "tägliche Versorgung/Pflege" (13%) sowie Angebote in Einrichtungen wie z.B. teilstationäre Angebote, Angebote in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (12%), Fahrdienste (11%) und spezielle Leistungen und Therapien wie z.B. Ergotherapie, Arbeitstherapie, ABA-Therapie (11%). Andere Leistungen wie Angebote in den Bereichen Gesundheitsfürsorge, Bildung und Beschäftigung, Teilnahme an Kursen und/ oder in Vereinen, Sport usw. haben hingegen eine geringere Bedeutung (unter 10% der befragten Personen) (siehe Ab. 4).[2]

Abbildung 4: Qualifikationsprofil der Leistungserbringer (n=191; Mehrfachantworten., Angaben in Prozent)

Der größte Teil der Budget nehmerInnen kauft sich diese Hilfen bei (sozial-) pädagogisch, pflegerischen oder medizinisch qualifizierten Fachkräften ein (43%). Knapp ein Drittel der BudgetnehmerInnen (31%) gibt zudem an, dass sie von professionellen Einrichtungen/Diensten betreut werden bzw. Leistungen dieser Einrichtungen/Dienste einkaufen. Genauere Angaben über die jeweiligen Qualifikationen fehlen allerdings; es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich dabei zum größten Teil um MitarbeiterInnen mit vergleichbarer Qualifikation handelt (siehe Abb. 5).

Abbildung 5: Wichtige Faktoren bei der Auswahl der unterstützenden Leistungserbringer (n=175; Mehrfachantworten., Angaben in Prozent)

Knapp ein Viertel (24%) der BudgetnehmerInnen nimmt Unterstützung durch "private Hilfen" in Anspruch, wobei es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um nicht spezifisch qualifizierte Kräfte aus dem sozialen Umfeld handeln dürfte (Freunde, Bekannte, nachbarschaftliche Hilfen usw.). Angebote von allgemeinen Dienstleitungen (Kurse, Fitnessstudios, Sportangebote usw.) sowie Haushaltshilfen und "Assistenten" nehmen unter 20% der befragten Personen in Anspruch.

Abbildung 3: Art und Inhalt der Budgetverwendung (n=191; Mehrfachantworten)



[2] Die Prozentwerte errechnen sich anteilig an der Anzahl der befragten Personen. Da es sich um Mehrfachantworten handelt - d.h. die genannten Leistungen werden oftmals miteinander kombiniert - beläuft sich die Summe der Prozentwerte auf über 100%.

4. Rekrutierung der unterstützenden Personen, Dienste und Einrichtungen

Die Antworten auf die Frage "Wie sind Sie an die Personen und Dienstleister gekommen, die Sie unterstützen?" lassen erkennen, dass offensichtlich die persönliche Bekanntschaft mit den unterstützenden Person bzw. Einrichtungen sowie die Informationen und Empfehlung durch eine vertraute Person (z.B. MitarbeiterInnen aus Einrichtungen, Bekannte, Freunde, gesetzliche BetreuerInnen etc.) die wesentliche Zugangswege zu den im Rahmen des Persönlichen Budgets eingekauften Leistungserbringern darstellen. Eine geringere Bedeutung spielen hingegen Suchkanäle über Medien (Internet, Zeitungen usw.) sowie Informationen/Vermittlung über Selbsthilfegruppen, Behörden, Sozialdienste usw. Dass diese Vorgehensweisen keine "Notlösungen" sind, sondern durchaus mit den Wünschen und Erwartungen der BudgetnehmerInnen zusammenhängen, bestätigen die Antworten auf die Frage "Was war Ihnen besonders wichtig bei der Auswahl der Personen/ Dienste, die Sie unterstützen?". Hier wird deutlich, dass die BudgetnehmerInnen großen Wert darauf legen, dass eine vertraute Person die Unterstützung leistet: für 60% aller befragten BudgetnehmerInnen ist dies von ausschlaggebender Bedeutung. So genannte "weiche" Faktoren wie Sympathie (29%) und Verständnis/Empathie (24%) spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Auswahl der unterstützenden Personen. Hinsichtlich "härterer" Faktoren legen die BudgetnehmerInnen Wert auf "Qualifikation und Erfahrung" der unterstützendenPerson bzw. des unterstützenden Dienstes (38%) sowie auf "Qualität und Service" (23%) und Zuverlässigkeit der Unterstützung (20%). Der Preis als Auswahlkriterium hingegen spielt lediglich eine untergeordnete Rolle.

5. Probleme bei der Rekrutierung geeigneter Personen/Dienste

Die im Hinblick auf die Versorgungsstrukturen zentrale Frage lautet "Hatten Sie Probleme dabei, geeignete Personen/Dienste zu finden?". Insgesamt antworten 179 BudgetnehmerInnen auf diese Frage. Von ihnen geben rund zwei Drittel (68%, n=121) an, dass sie keine Probleme bei der Suche nach geeigneten Personen/Diensten hatten, 16% (n=29) berichten von "teilweisen" Problemen und 10% (n=18) hatten größere Probleme damit, geeignete Personen bzw. Dienste zu finden. Weitere 6% der Befragten (n=11) betonen, dass gar keine Auswahlmöglichkeiten bestanden haben.

Die 18 BudgetnehmerInnen, die Probleme bei der Rekrutierung von unterstützenden Personen/Diensten benennen, führen als Grund meist an, dass es in ihrer Umgebung zu wenig Anbieter bzw. zu wenig Auswahlmöglichkeiten gebe oder dass es schwer gewesen sei, eine Person zu finden, die über die notwendige (spezifische) Qualifikation verfüge. Ebenfalls häufig werden zwischenmenschliche Probleme zwischen BudgetnehmerIn und unterstützender Person genannt: dass die "Chemie" nicht stimmt, dass die Personen "überheblich", "unzuverlässig", "unmotiviert", "schlampig" etc. gewesen seien. Zum Teil berichten die BudgetnehmerInnen auch von Schwierigkeiten, für einen festgelegten Stundenlohn (z.B. Haushaltshilfe für 6,52 Euro oder 8 Euro als Einzelfallhelferpauschale) jemanden zu finden, der bereit sei, für diese Vergütung zu arbeiten.

6. Fazit

Im Rahmen der Ergebnisse der Budgetnehmer-Befragung wird deutlich, dass BudgetnehmerInnen ihr Persönliches Budget überwiegend dazu nutzen wollen, passgenaue(re) Hilfen bzw. individuelle(re) und flexible(re) Unterstützungsarrangements einzukaufen. Daneben spielt die "Sicherung der Versorgung" sowie Leistungen, die eine selbständige(re) Lebensführung ermöglichen sollen, eine wichtige Rolle.

Zur Verwirklichung dieser Ziele greifen die BudgetnehmerInnen zu einem großen Teil auf Leistungen von professionellen Leistungserbringern zurück. In einigen Fällen ergänzen bzw. kombinieren sie diese Leistungen auch mit allgemeinen Dienstleistungen insbesondere in den Bereichen Freizeit, Bildung, Mobilität usw. oder mit privaten bzw. nicht-professionellen Hilfen. Die Ursachen dafür, dass professionelle Leistungen bei der Budgetverwendung überwiegen, liegen zum einen darin begründet, dass die Aspekte "Vertrauen" und "Sicherheit" nicht zu unterschätzende Faktoren bei der Auswahl von unterstützenden Personen und Diensten darstellen: BudgetnehmerInnen greifen oftmals auf bekannte Leistungserbringer zurück, zu denen (bereits) ein Vertrauensverhältnis besteht - zumal einige BudgetnehmerInnen bereits vor der Beantragung eines Persönlichen Budgets von diesen Leistungserbringern unterstützt wurden. Zum anderen zeigt sich hierbei aber auch der Einfluss (und die Einflussmöglichkeiten) der Leistungsträger, die in den Zielvereinbarungen häufig bestimmte Qualifikationen eines "potenziellen" Leistungserbringers vorschreiben bzw. so genannte "Fachkraftquoten" festlegen oder sogar konkrete Dienstleister benennen. Auch werden die Budgets oftmals in Anlehnung an Fachleistungsstunden bemessen.

Alles in allem zeigt die Analyse, dass BudgetnehmerInnen mit dem Persönlichen Budget nach wie vor professionelle Hilfen und qualifizierte Fachkräfte in die Unterstützungsarrangements integrieren. Auch kann die Befürchtung, das Persönliche Budget könne zu einer Verschiebung hin zu "Billiganbietern" führen oder zu einer Finanzierung von "Familienangehörigen" missbraucht werden, mit den vorliegenden Daten nicht bestätigt werden: In Ergänzung zu budgetfinanzierten Hilfen erhalten ca. zwei Drittel der BudgetnehmerInnen (weitere) unentgeltliche Unterstützung von Familienangehörigen, Freunden, Bekannten, Beratungsstellen, Ehrenamtlichen, Selbsthilfegruppen usw., die sie nicht mit dem Persönlichen Budget bezahlen.[3] Das deutet daraufhin, dass Persönliche Budgets keineswegs unentgeltliche Hilfen aus dem sozialen Umfeld des Budgetnehmers verdrängen und i.d.R. nicht dafür genutzt werden, diese Unterstützung zu bezahlen. Vielmehr kann das Persönliche Budget dazu beitragen, das soziale Umfeld der BudgetnehmerInnen zu entlasten und zu stabilisieren.



[3] Eine genauere Analyse zeigt, dass es vorwiegend Familienangehörige (meist die Mütter), PartnerInnen oder Verwandte sind, die unentgeltliche Unterstützung leisten. Erst danach folgen Unterstützungsleistungen durch Freunde, Bekannte, Nachbarn, Arbeitskollegen, ehrenamtliche Kräfte, Selbsthilfevereine usw..

Kontakt

Thomas Meyer, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Fakultät für Sonderpädagogik Reutlingen, Pestalozzistr. 53, 72762 Reutlingen, e-mail: meyer01@phludwigsburg.de

Christine Rauscher, Universität Tübingen, Forschungsstelle "Lebenswelten behinderter Menschen", Nauklerstr. 37a, 72074 Tübingen; e-mail: christine.rauscher@unituebingen.de

Quelle:

Thomas Meyer, Christine Rauscher: Was können wir aus den Modellprojekten lernen? Ergebnisse aus der bundesweiten Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" - (Teil 2)

erschienen in: impulse Nr. 44/2007, S. 48-51. Teil 1 verfügbar unter http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-43-07-meyer-modellprojekte.html

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 12.10.2009

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