Persönliches und trägerübergreifendes persönliches Budget

Autor:in - Alfred Simon
Themenbereiche: Recht, Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 43/2007, Seite 21-23. impulse (43/2007)
Copyright: © Alfred Simon 2007

Persönliches und trägerübergreifendes persönliches Budget

"Echte" Trägerübergreifende Budgets, also Budgets, die Leistungen verschiedener Leistungsträger betreffen, sind bislang für den Bereich Arbeit eher selten; ebenso entsprechende Zielvereinbarungen. Wie in dem hier geschilderten Fall bilden sie aber häufig erst die Grundlage, den Hilfebedarf auf der Grundlage des Wunsch- und Wahlrechts optimal abzudecken.

Mit der Leistungsform Persönliches Budget wird der durch das SGB IX eingeleitete Paradigmenwechsel in der Politik für behinderte Menschen fortgesetzt. Der behinderte Mensch organisiert kompetent und eigenverantwortlich in Abstimmung mit dem Reha-Träger die seinem Hilfebedarf entsprechenden Teilhabeleistungen seinen Weg in Ausbildung und Beschäftigung.

Mit der aktuellen Handlungsempfehlung der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden alle Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben als budgetfähig angesehen. Mit dieser gegenüber den bisherigen Weisungen wesentlich erweiterten Sichtweise eröffnen sich deutlich mehr Möglichkeiten, da über die bisherigen "Integrationsinstrumente" der BA hinaus kreative Einzellösungen erreicht werden können.

Die Agenturen sind aufgefordert, die Leistungsform Persönliches Budget in geeigneten Fällen zielgerichtet in den Beratungsprozess einzubringen. Mit dieser Empfehlung macht die BA bzgl. der Leistungsform des Persönlichen Budget einen entscheidenden Schritt nach vorn.

Mit der Einbeziehung aller Teilhabeleistungen werden individuelle Integrationslösungen möglich, die mit dem Förderungsrecht des Sozialgesetzbuch III nicht realisiert werden können.

Neu ist, dass auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld für Weiterbildung, Übergangsgeld und Ausbildungsgeld) und die notwendigen Maßnahmekosten bei Aus- und Weiterbildung als' budgetfähig erachtet werden, ebenso die Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen.

Mit Hilfe des persönlichen Budgets kann der behinderte Mensch nun Alternativen zu den klassischen Förderinstrumenten der Bundesagentur wählen, die in vergleichbarer Weise ggf. notwendige Betreuung und Qualifizierung (in größerer Nähe zum allgemeinen Arbeitsmarkt) bieten können.

Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs ggf. auch andere Reha-Träger sowie die Pflegekassen und die Integrationsämter im sogenannten "Trägerübergreifenden Budget" zu beteiligen. Für die Bundesagentur für Arbeit werden sich solche trägerübergreifenden Budgets nach bisherigen Erfahrungen in der Praxis auf Einzelfälle beschränken.

Wird die BA im Rahmen ihrer Verpflichtung nach SGB IX und SGB III als Reha-Träger tätig, und ist gleichzeitig eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) oder ein zugelassener kommunaler Träger bei Bezug von Arbeitslosengeld II leistungsverpflichtet, ist dieser Ergebnis wie ein trägerübergreifendes Budget zu behandeln.

Da die Leistungsverpflichtung der ARGE und des zugelassenen kommunalen Trägers im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben nur solange besteht wie Bedürftigkeit im Sinne des SGB II vorliegt, geht die Gesamtleistungsverpflichtung ggf. während einer laufenden Teilhabe-Maßnahme wieder an den weiterhin zuständigen Reha-Träger BA über.

Um eine kontinuierliche Leistungserbringung zu sichern und insbesondere die Zielerreichung und Qualitätssicherung in einem solchen Fall zu gewährleisten, muss die BA als im Gesamtverfahren zuständiger Reha-Träger die Aufgabe des Budgetbeauftragten von Anfang an übernehmen; auch wenn sie meist die Leistung nicht selbst aufbringt.

Bei der Agentur für Arbeit Trier werden seit dem 2. Januar 2007 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Stadt Trier erbracht.

Es handelt sich hierbei um eine betriebliche Umschulungsmaßnahme zum Straßenbauer für einen 28 jährigen Rehabilitanden. Wegen einer psychischen Behinderung sind begleitende psychologische, pädagogische und fachliche Hilfen neben der Kenntnisvermittlung durch Betrieb und Berufsschule erforderlich. Zum Ausgleich einer psychisch bedingten Schreibblockade werden außerdem technische Hilfen zur Vermittlung der schulischen Kenntnisse eingesetzt (Notebook mit großer Tastatur, Digitalkamera zur Aufzeichnung von Tafelbildern).

Da die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, für Unterkunft und Heizung, und die Maßnahmekosten (Begleitende Hilfen, Fahrkosten, Lernmittel, Arbeitskleidung) durch die zuständige ARGE, die technischen Arbeitshilfen für den behinderten Menschen allerdings durch die Agentur für Arbeit zu erbringen sind, handelt es sich hierbei um ein "echtes" trägerübergreifende Budget. Mit den vorhandenen Förderinstrumenten könnte eine Umschulung nur in einem Berufsförderungswerk mit seinen begleitenden Diensten zu deutlich höheren Kostensätzen realisiert werden, allerdings auch nicht im geeigneten Wunschberuf des Straßenbauers. Außerdem kommt aus therapeutischer Sicht der Einbindung in das am Wohnort vorhandene soziale Bezugssystem für die weitere psychische Stabilisierung besondere Bedeutung zu.

Während die üblicherweise bei vergleichbaren betrieblichen Umschulungen anfallenden Sach- und Unterhaltsleistungen relativ problemlos in das persönliche Budget und die Zielvereinbarung einzubringen waren, ergaben sich Probleme bei der Berechnung der Leistungen für pädagogische, psychologische und fachliche Betreuung. Da der Hilfebedarf im Vorhinein schwer abzuschätzen war, und im Laufe der zweijährigen Umschulung mit Veränderungen gerechnet werden muss, wurde zunächst eine Bedarfsschätzung für das erste Quartal vorgenommen und in das Gesamtbudget eingebracht. Im Rahmen der Qualitätssicherung und Prüfung der Mittelverwendung wird vierteljährlich geprüft, welcher Bedarf in den vergangenen Monaten vorlag. Falls erforderlich, ist dann die Zielvereinbarung hinsichtlich der Höhe des Hilfebedarfs entsprechend für das nächste Quartal anzupassen. Die jeweils nicht verbrauchten Mittel werden bei der Berechnung des Bedarfs für den Folgezeitraum in Anrechnung gebracht.

Bisher verläuft die Umschulung ohne wesentliche Probleme bei höherer Motivation des Rehabilitanden.

Kontakt

Alfred Simon, Rehaberater

Bundesagentur für Arbeit

Agentur für Arbeit Trier

Dasbachstraße 9, 54292 Trier

Fon: 0651/205 2500

eMail: Trier.Reha@arbeitsagentur.de

Zielvereinbarung

nach § 4 Budgetverordnung (BudgetV) für ein (trägerübergreifendes) Persönliches Budget

zwischen dem Budgetnehmer: Herrn XY und der Bundesagentur für Arbeit, Agentur Trier als beauftragter Leistungsträger (Budgetbeauftragter), gleichzeitig zuständiger Träger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Reha-Träger)

1. Teilnahme am Modellprojekt

Herr XY nimmt freiwillig am Modellprojekt "Trägerübergreifendes Persönliches Budget" in der Region Stadt Trier teil.

2. Ziele des Persönlichen Budgets und Leistungen

Übergeordnetes Ziel des Persönlichen Budgets ist es, dem Budgetnehmer in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben und die Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu ermöglichen.

Die Unterzeichner vereinbaren das folgende Ziel:

Herrn XY wird die betriebliche Umschulung zum Straßenbauer mit den notwendigen Hilfen gemäß den nachfolgend beschriebenen individuellen Förder- und Leistungszielen ermöglicht.

3. Individuelle Förder- und Leistungsziele

Dem Antragsteller wird im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben eine betriebliche Umschulung zum Straßenbauer ermöglicht. Um dieses Ziel zu erreichen, werden für die Dauer der Umschulung folgende Maßnahmen vereinbart:

1.1 Weitergewährung von Arbeitslosengeld II sowie Kosten für Wohnung und Heizung durch die Arbeitsgemeinschaft der Stadt Trier, solange Bedürftigkeit im Sinne des Sozialgesetzbuch II (SGB II) besteht.

1.2 Gewährung von Leistungen zum Erreichen des Ausbildungsplatzes, der überbetrieblichen Lehrgänge der zuständigen Handwerkskammer sowie der Berufsschule (Fahrtkosten).

1.3 Gewährung von Leistungen zur Beschaffung der für die Umschulung erforderlichen Lernmittel.

1.4 Gewährung von Leistungen zur Beschaffung der während der Umschulung notwendigen speziellen Arbeitskleidung.

1.5 Gewährung von Leistungen zur Übernahme der Kosten für die im Rahmen der Umschulung notwendigen überbetrieblichen Lehrgänge bei der Handwerkskammer Trier.

1.6 Gewährung von Leistungen zur Beschaffung der notwendigen begleitenden und unterstützenden Hilfen (Maßnahmebegleitende Beratung, pädagogische und organisatorische Hilfen; psychologische und therapeutische Hilfen und Betreuung).

1.7 Gewährung von Leistungen zur Beschaffung der notwendigen technischen Arbeitshilfen §33 Abs. 8 Nr. 5 SGB IX.

Während der Dauer der Umschulung ist die Bundesagentur für Arbeit der zuständige Träger der Teilhabe am Arbeitsleben (Reha-Träger).

Solange Bedürftigkeit im Sinne des SGB II besteht, erbringt die zuständige Arbeitsgemeinschaft als Leistungsträger die Leistungen von 3.1 bis 3.6. Entfällt die Leistungsverpflichtung der Arbeitsgemeinschaft, sind die Leistungen von 3.2 bis 3.6 ab diesem Zeitpunkt von der Agentur für Arbeit zu erbringen.

Für die Technischen Arbeitshilfen 3.7 besteht die Leistungsverpflichtung der Agentur für Arbeit ab Beginn der Umschulung.

1. Höhe des Persönlichen Budgets

Während der betrieblichen Umschulung werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II, angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung) im Rahmen der Bedürftigkeit weiter wie bisher gewährt und ausgezahlt.

Das Persönliche Budget setzt sich wie folgt zusammen:

  • Für Fahrtkosten zum Ausbildungsbetrieb, der Berufsschule und der überbetrieblichen Unterweisung bei der HWK Trier monatlich 200,00 Euro. Die Fahrtkosten werden monatlich im Voraus angewiesen.

  • Für die Beschaffung der für die Umschulung notwendigen Lernmittel 200,00 Euro. Der Gesamtbetrag wird einmalig zu Beginn der Umschulung angewiesen.

  • Für die Beschaffung der für die Umschulung notwendigen speziellen Arbeitskleidung 800,00 Euro. Der Gesamtbetrag wird einmalig zu Beginn der Umschulung angewiesen.

  • Für Kosten der überbetrieblichen Unterweisung und Prüfungsabnahme (Zwischen- und Gesellenprüfung) durch die HWK Trier 1.110,00 Euro. 700,00 Euro sind für die im 1. Umschulungsjahr anfallenden Kosten zum 01.04.2007, der Restbetrag von 410,00 Euro für die im 2.Jahr anfallenden Kosten zum 01.04.2008 anzuweisen.

Da der Gesamthilfebedarf im Vorhinein schwer abzuschätzen ist und sich im Laufe der Umschulung durchaus verändern kann, ist zu Beginn der Maßnahme eine vierteljährliche Überprüfung und ggf. Anpassung an den tatsächlichen Bedarf notwendig. Die jeweils nicht verbrauchten Mittel sind bei der Berechnung des Bedarfs für den Folgezeitraum in Anrechnung zu bringen.

  • Für die Beschaffung der notwendigen begleitenden und unterstützenden Hilfen zunächst für die ersten 3 Monate der Umschulung monatlich 950,00 Euro. Der monatliche Leistungsbetrag wird jeweils zu Beginn des Monats angewiesen.

  • Für die Anschaffung der für die Umschulung notwendigen Technischen Arbeitshilfen 2067,71 Euro. Der Leistungsbetrag ist vor Beginn der Umschulung einmalig anzuweisen.

2. Nachweis der Verwendung

Herr XY verpflichtet sich, das Budget ausschließlich im Sinne der vorstehenden Ziele zu verwenden.

Der Budgetnehmer verpflichtet sich, die Inanspruchnahme der o.g. Leistungen durch Rechnungsbelege nachzuweisen. Der Nachweis erfolgt bei monatlichen Leistungen vierteljährlich, Fahrtkosten sind durch Anwesenheitslisten zu belegen.

Nach Abschluss der Umschulungsmaßnahme nicht verbrauchte Budgetbeträge werden zu 50 Prozent beim Budgetnehmer belassen. Die restlichen 50 Prozent fließen an den jeweiligen Leistungsträger zurück.

3. Qualitätssicherung

Die Qualität der betrieblichen Umschulungsmaßnahme wird durch die Handwerkskammer als zuständige Stelle überwacht.

Es ist ein Umschulungsvertrag abzuschließen und bei der Handwerkskammer Trier in das Verzeichnis der Ausbildungs- und Umschulungsverträge einzutragen.

Weiterhin sind durch den Beauftragten halbjährlich Gespräche mit dem Budgetnehmer, dem Ausbildungsbetrieb, der Handwerkskammer und der Berufsschule zu führen, um den Erfolg der Umschulungsmaßnahme überprüfen und sicherstellen zu können.

Zwischenzeugnis und Abschlusszeugnis sind unaufgefordert vorzulegen.

4. Überprüfung der Zielvereinbarung und des Budgets

Diese Zielvereinbarung wird jährlich, erstmals im Januar 2008 in einem gemeinsamen Gespräch zwischen den Vereinbarungsparteien überprüft. Die Überprüfung erfolgt mit dem Ziel der Feststellung, ob und inwieweit sich Grundlagen, Ziele und Bedarfe verändert haben. Bei Veränderungen wird die Zielvereinbarung entsprechend angepasst, ansonsten wird sie fortgeschrieben. Die Höhe des Budgets wird ggf. ebenfalls angepasst.

5. Geltungsdauer und Kündigungsfristen

Diese Zielvereinbarung wird ausschließlich für die Zeit der Umschulung zum Straßenbauer vom 02.01.2007 bis längstens 31.12.2008 geschlossen.

Herr XY und der Beauftragte können nach § 4 Abs. 2 BudgetV die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Ein wichtiger Grund kann insbesondere in der persönlichen Lebenssituation von Herrn XY liegen. Für den Beauftragten kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn Herr XY die Zielvereinbarung nicht einhält.

Bevor die Kündigung durch den Beauftragten ausgesprochen wird, ist der Budgetnehmer anzuhören.

6. Besonderheiten

Bei vorzeitiger Beendigung der Maßnahme sind die auf 3.3 (Lernmittel) und 3.4 (Arbeitskleidung) entfallenden und noch nicht verbrauchten Budgetleistungen zurückzuzahlen.

7. Schlussbestimmung

Änderungen und Ergänzungen der Zielvereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Mündliche Nebenabreden bestehen nicht Diese Zielvereinbarung ist Bestandteil des gemäß § 3 Abs. 5 der BudgetV zu erlassenden Bescheids.

Sollte eine Bestimmung dieser Zielvereinbarung unwirksam sein, so bleibt die Zielvereinbarung im Übrigen wirksam und die Vertragsparteien verpflichten sich, eine neue Regelung zu treffen, die dem Zweck der unwirksamen Regelung in zulässiger Weise am nächsten kommt.

8. Erklärung zum Datenschutz / Einwilligung

Mir ist bekannt, dass das Modellprojekt "Trägerübergreifendes Persönliches Budget" wissenschaftlich begleitet wird. Im Rahmen dieser Begleitforschung sind Befragungen von Personen, die ein Persönliches Budget erhalten, vorgesehen. Die Universität Dortmund/Universität Tübingen benötigt zur Kontaktaufnahme meinen Namen, meine Adresse sowie meine Telefonnummer.

Für diesen Zweck ermächtige ich Herrn YX meinen Namen, Adresse und Telefonnummer an die Universität Dortmund/Universität Tübingen und die PH-Ludwigsburg zu übermitteln.

Ich wurde darüber aufgeklärt, dass mir keine Nachteile entstehen, wenn ich mich nicht mit der Weitergabe meiner Daten einverstanden erkläre.

Trier, den 14. Dezember 2006

Unterschriften

Quelle:

Alfred Simon: Persönliches und trägerübergreifendes persönliches Budget

erschienen in: impulse Nr. 43/2007, Seite 21-23.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 17.03.2009

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