Beispiele der beruflichen Integration von Menschen mit Down-Syndrom

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 43/2007, Seite 24-25. impulse (43/2007)
Copyright: © Andrea Seeger, Stefan Bauer 2007

Beispiele der beruflichen Integration von Menschen mit Down-Syndrom

Berufliche Integration hat viele Gesichter und ist auf vielerlei Wegen möglich. Drei Beispiele, wie mit Hilfe des Persönlichen Budgets, in Form eines Werkstatt-Außenarbeitsplatzes und als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung individuell nach Wegen der beruflichen Integration von Menschen mit Down-Syndrom gesucht wurde, werden vorgestellt.

Die ACCESS Integrationsbegleitung gGmbH in Erlangen beschäftigt sich seit 1993 mit dem Thema "Arbeit für Menschen mit Behinderung". Inzwischen arbeiten 16 behinderte und nicht behinderte MitarbeiterInnen in dem Fachdienst. ACCESS hat es sich zur Aufgabe gemacht, immer wieder neue und innovative Dienstleistungsangebote zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu entwickeln.

So gibt es seit 2001 das "Betriebliche Arbeitstraining". Es dient der beruflichen Qualifizierung von Menschen mit Behinderung, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben. Die MitarbeiterInnen von ACCESS arbeiten nach den Prinzipien der "Unterstützten Beschäftigung". Die Ausgangsfrage lautet entsprechend nicht ob, sondern wie, d.h. mit welchen Unterstützungen, die Teilhabe am Arbeitsleben gesichert werden kann.

Hierbei gelten folgende Prinzipien:

Prinzip "Individuelle Passung": Eine betriebliche Eingliederung gelingt umso eher, wenn die Fähigkeiten der Beschäftigten und die Anforderungen am Arbeitsplatz weitgehend übereinstimmen.

Prinzip "Erst platzieren, dann qualifizieren": Die Qualifizierung der Beschäftigten erfolgt direkt am Arbeitsplatz; unterstützt und koordiniert durch einen externen Fachdienst.

Prinzip "Job Coaching": Bei Bedarf erfolgt eine 1:1-Betreuung der Beschäftigten im Betrieb durch speziell geschulte Fachkräfte; so lange wie nötig.

Prinzip "Unterstützung so lange wie erforderlich": Schließlich werden auch nach erfolgreicher Eingliederung Maßnahmen zur Stabilisierung und Sicherung des Arbeitsverhältnisses initiiert und umgesetzt.

Das "Betriebliche Arbeitstraining" wird in Kooperation mit Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BVB) im Auftrag der Arbeitsagentur angeboten.

Unter den bisher 86 AbsolventenInnen des "Betrieblichen Arbeitstrainings" waren auch drei TeilnehmerInnen mit Down-Syndrom: Anita Lailach, Bernd Schwemmer und Andrea Halder. Von ihren Beschäftigungsverhältnissen soll heute berichtet werden.

Anita Lailach, 28 Jahre alt, Helferin im Kindergarten, arbeitet 16 Stunden wöchentlich.

Seit vier Jahren ist Anita Lailach in einem Kindergarten beschäftigt. Der Kontakt zum Kindergarten wurde von den Eltern initiiert. Bereits während der Schulzeit absolvierte Anita Lailach von ACCESS begleitete Praktika. Nach Beendigung der Schulzeit absolvierte Anita Lailach ein zweijähriges "Betriebliches Arbeitstraining" im Kindergarten. Es wurde ein Aufgabenprofil erstellt, das ihren Fähigkeiten entspricht.

Durch Job Coaching wurde sie intensiv in die Arbeitsbereiche eingearbeitet. Zu den anfallenden Aufgaben gehören das Herrichten der Frühstückstabletts, das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine sowie das Abtrocknen von Plastikgeschirr. Außerdem ist sie für Mülltrennung und Abfallentsorgung zuständig. Neben den hauswirtschaftlichen Tätigkeiten ist Anita Lailach in das Frühstücksgeschehen einer Kindergarten-Gruppe einbezogen.

Nach Beendigung des "Betrieblichen Arbeitstrainings" wurde Anita Lailach vom Kindergartenträger als Helferin auf "Mini-Job-Basis" eingestellt. Sie hat durch die intensive Begleitung die Chance erhalten, ihre Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen. Auch weiterhin wird Anita Lailach für drei Stunden pro Woche von einer Fachdienst-Mitarbeiterin an ihrem Arbeitsplatz begleitet. Die Arbeit des Fachdienstes wird über das persönliche Budget finanziert.

Bernd Schwemmer, 27 Jahre alt, Helfer auf dem Bauhof, arbeitet Vollzeit.

Bernd Schwemmer absolvierte bereits während der Schulzeit mehrere Praktika auf dem Bauhof seiner Heimatgemeinde. Nach Abschluss der Schule wurde er in Kooperation von WfbM und ACCESS ins "Betriebliche Arbeitstraining" aufgenommen.

Mittels Job Coaching wurde er am Bauhof begleitet und für verschiedene Tätigkeiten qualifiziert. Er hilft den Gemeindearbeitern beim Kehren, beim Leeren der Mülleimer, beim Rasenmähen und beim Jäten des Unkrauts, bei der Werkzeugreinigung und beim Be- und Entladen der LKW. Bernd Schwemmer hat gelernt, seinen abgegrenzten Aufgabenbereich bestmöglich auszuführen.

Seit dem 1. Oktober 2004 hat er einen Beschäftigungsvertrag, der zwischen dem Arbeitgeber, der WfbM und ihm abgeschlossen wurde. Es handelt sich um einen so genannten Werkstatt-Außenarbeitsplatz, d.h. Bernd Schwemmers Arbeitsort ist der Betrieb, sein Beschäftigungsgeber ist die Werkstatt für behinderte Menschen, die Sozialabgaben für ihn abführt. Der Betrieb bezahlt das Arbeitsentgelt.

Neben den erzielten Fortschritten im fachlichen Bereich ist seine gelungene soziale Integration auf dem Bauhof herauszustellen. Er selbst bezeichnet seine Kollegen als seine Kumpels. Täglich wird er von zu Hause abgeholt und wieder heimgebracht. Die Arbeit ist sein Lebensmittelpunkt geworden. Seine beruflichen Erfolgserlebnisse hatten auch positive Auswirkungen auf den lebenspraktischen Bereich: So stellt Bernd Schlemmer selbständig seinen Wecker, kümmert sich um seine Arbeitskleidung und geht abends beizeiten zu Bett, damit er "fit für die Arbeit ist". Die Integration ist sowohl fachlich als auch sozial gelungen. Die Unterstützung durch den Jobcoach findet nur noch im Einzelfall statt.

Andrea Halder, 21 Jahre alt, Angestellte bei einer Werbeagentur, arbeitet 25 Stunde wöchentlich.

Nach dem Besuch einer integrativ arbeitenden Montessorischule und einem Berufsvorbereitenden Jahr (BVJ) in einer Berufsschule wurde Andrea Halder nach einem Eignungstest der Arbeitsagentur in das "Betriebliche Arbeitstraining" aufgenommen, und zwar in Form einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Das erste Praktikum absolvierte sie in einer Schule. Sie übernahm leichte Bürohilfsarbeiten und war außerdem in der hauseigenen Wäscherei beschäftigt.

Nach einer Praktikumszeit von zwölf Wochen wurde ein weiteres Praktikum akquiriert, das den Fähigkeiten von Andrea Halder entsprach. In enger Kooperation zwischen einer Werbeagentur, dem Fachdienst und Andrea Halder wurde ein passendes Aufgabenprofil erstellt und im Laufe der insgesamt 15-monatigen Qualifizierungszeit weiterentwickelt und angepasst. Ihre Hauptaufgabe in der Werbeagentur mit fast 200 Angestellten ist die Postsortierung, -verteilung und - abholung. Weiterhin übernimmt sie Bürohilfstätigkeiten wie Sortier- und Ablagearbeiten.

Zum 1. April 2005 wurde Andrea Halder in ein zunächst auf zwei Jahre befristetes, von der Arbeitsagentur gefördertes, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis übernommen. Mittlerweile hat sie einen unbefristeten Vertrag. Das Job Coaching findet weiterhin regelmäßig statt. Neben praktischen Fragen wird dabei auch an der Verbesserung der Sozialkompetenz gearbeitet.

Trotz der langen Hin- und Rückfahrt von jeweils 1,5 Stunden liebt Andrea Halder ihre Arbeit. Es ist erfreulich zu sehen, welchen positiven Einfluss die herausfordernde Umgebung auf ihre Gesamtentwicklung hatte und hat.

Zusammenfassung

Resümierend können wir feststellen, dass auch Menschen mit Down-Syndrom - ihren individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten entsprechend - außerhalb einer Werkstatt für behinderte Menschen beruflich eingegliedert werden können. Voraussetzung dafür ist nach unseren Erfahrungen allerdings,

  • eine ausreichend lange Zeiten für die fachliche und soziale Qualifizierung einzuplanen,

  • langfristige Unterstützung auch nach Abschluss eines Arbeitsvertrages zu ermöglichen

  • und vor allem die üblichen Schwarzweiß-Pfade zu verlassen und nach individuellen Lösungen zu suchen, die zu den beteiligten Akteuren passen.

Kontakt:

ACCESS Integrationsbegleitung gGmbH

Andrea Seeger,

Michael-Vogel-Str. 1c

91052 Erlangen

Tel. 0 91 31/89 74 44

Fax 0 91 31/89 74 49

E-Mail: andrea.seeger@access-ifd.de

Quelle:

Andrea Seeger, Stefan Bauer: Beispiele der beruflichen Integration von Menschen mit Down-Syndrom

erschienen in: impulse Nr. 43/2007, Seite 24-25.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 16.03.2009

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