Was können wir aus den Modellprojekten lernen?

Ergebnisse aus der bundesweiten Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" - Teil 1

Themenbereiche: Recht, Selbstbestimmt Leben
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 43/2007, Seite 4-10. impulse (43/2007)
Copyright: © Thomas Meyer, Christina Rauscher 2007

Was können wir aus den Modellprojekten lernen?

Kaum eine Entwicklung hat die Diskussion um Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung in den letzten Jahren so geprägt wie das Persönliche Budget. Die einen sehen in "dem Budget" die Zukunft der Behindertenhilfe, andere spötteln, dass es mehr Veranstaltungen zum Thema "Persönliches Budget" gebe als Persönliche Budgets selbst.

Betrachtet man die Anzahl bewilligter Persönlicher Budgets, die bislang im Rahmen regionaler Modellprojekte in verschiedenen Bundesländern realisiert wurden[1], ist dieser Spott teilweise verständlich und seit dieser modellhaften Erprobungen, aber insbesondere im Hinblick auf eine bundesweite Einführung Persönlicher Budgets gehen die Meinungen auseinander. Die gegenwärtige Diskussion lässt sich grob zu folgendem Stimmungsbild zusammenfassen: Die eine Gruppe lehnt das Persönliche Budgets generell ab, hält es für "überflüssig" oder befürchtet "Versorgungsengpässe", andere engagieren sich leidenschaftlich für die Umsetzung und (weitere) Verbreitung Persönlicher Budgets während die dritte Gruppe eine "Ja, aber" - Position einnimmt. Letztgenannte Gruppe betont auf der einen Seite die Richtigkeit der mit dem Persönlichen Budget verbundenen Intentionen, nämlich die Stärkung der Selbstbestimmung, der Eigenverantwortung und der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung. Auf der anderen Seite verweisen sie auf fehlende Voraussetzungen, z.B. was die Angebotsstrukturen anbelangt, oder auf ungeklärte Fragen, z.B. hinsichtlich der Bedarfsfeststellung oder der Budgetbemessung.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse der bundesweit angelegten wissenschaftlichen Begleitforschung zur Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" in verschiedenen Modellregionen zu sehen, die mit Abschluss des Projekts im Juni 2007 mittlerweile vorliegen und in Kürze veröffentlicht werden. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Zielsetzung und Vorgehensweise der wissenschaftlichen Begleitforschung (Kapitel 1) sowie über einige ausgewählte Ergebnisse (Kapitel 2). Ergänzend zu diesen Ergebnissen soll in Kapitel 3 anhand eines exemplarischen Vergleichs zweier Modellregionen der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Umsetzung Persönlicher Budgets durch strukturelle Voraussetzungen in den Modellregionen begünstigt oder erschwert wird.



[1] Als erstes Bundesland hat Rheinland-Pfalz die Einführung Persönlicher Budgets in vier Modellkommunen erprobt. Dabei wurden im Zeitraum von September 1998 bis Dezember 2000 insgesamt 119 Persönliche Budgets ausschließlich im Bereich der Eingliederungshilfe bewilligt. (vgl. KAAS 2002) In Baden-Württemberg wurde zwischen 2002 und 2005 ebenfalls ein Modellprojekt durchgeführt. In drei Landkreisen konnten insgesamt 37 Budgets in der Zuständigkeit der Sozialhilfeträger und 12 Budgets in der Zuständigkeit der Rentenversicherung realisiert werden. (vgl. KASTL, METZLER 2005) Ähnlich viele Budgets (53 Budgets, allerdings ausschließlich im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe) wurden im Rahmen eines Modellprojekts in Niedersachsen in 3 Landkreisen von Januar 2004 bis Dezember 2005 bewilligt (vgl. WINDHEUSER, AMMANN, WARNKE 2006). Weitere Modellprojekte fanden in Hamburg (18 bewilligte Budgets zwischen Januar 2003 und Juni 2005) sowie in Bayern im Regierungsbezirk Mittelfranken (10 Budgets zwischen Juli 2003 und Juni 2004) statt.

1. Die Modellprojekte "Trägerübergreifendes Persönliches Budget" - Hintergründe, Zielsetzung und Modellregionen

Die Grundidee Persönlicher Budget ist denkbar einfach: Das Persönliche Budget ist ein Geldbetrag, der sich nach dem individuellen Unterstützungsbedarf eines Menschen mit Behinderung richtet. Dieser wird monatlich (im Voraus) zur Verfügung gestellt, damit Menschen mit Behinderung die benötigten Leistungen selbst auswählen und "einkaufen" können. Auf diese Weise haben sie die Möglichkeit, Leistungsverträge direkt mit (professionellen) Leistungsanbietern abzuschließen oder aber AssistentInnen selbst anzustellen (Arbeitgebermodell). Je nach spezifischem Bedarf ist es dabei auch möglich, sogenannte "Laien" für die Unterstützung einzusetzen.

Im Jahr 2001 wurde mit der Einführung der neunten Buches des Sozialgesetzbuches "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" (SGB IX) die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass Menschen mit Behinderung anstelle von oder ergänzend zu sogenannten Sachleistungen (etwa ein "Wohnheimplatz" oder die ambulante Betreuung) Geldleistungen in Form eines Persönlichen Budgets in Anspruch nehmen können. Dabei soll es aber auch möglich sein, Leistungen verschiedener Leistungs- oder Rehabilitationsträger wie z.B. der Rentenversicherung, der Kranken- und Pflegeversicherung, der Bundesagentur für Arbeit, des Integrationsamtes, der Jugendhilfe, der Sozialhilfe usw. in einem "Trägerübergreifenden Persönlichen Budget" zusammenzufassen und als Gesamtbetrag den BudgetnehmerInnen zur Verfügung zu stellen. Eine solche Leistung aus "einer Hand" erspart dem Leistungsberechtigten unterschiedliche Ansprechpartner, verschiedene "Ämtergänge" und bürokratischen Aufwand. (Trägerübergreifende) Persönliche Budgets können bereits heute bundesweit beantragt werden; ab dem 01. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget.

Im Jahr 2004 hat die Bundesregierung einen bundesweiten Modellversuch initiiert und einen Forschungsverbund bestehend aus den Universitäten Tübingen (Z.I.E.L.) und Dortmund (Rehabilitationssoziologie) sowie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (Fakultät für Sonderpädagogik in Reutlingen) mit der wissenschaftlichen Begleitung beauftragt. Im Zeitraum zwischen Oktober 2004 und Juni 2007 soll die Einführung trägerübergreifender Persönlicher Budgets in ausgewählten Modellregionen erprobt und beratend unterstützt werden. Folgende Modellregionen haben sich bereit erklärt, (trägerübergreifende) Persönliche Budgets modellhaft zu erproben und mit der wissenschaftlichen Begleitforschung zusammenzuarbeiten:

  • Bayern (Bezirk Mittefranken und Bezirk Oberbayern/Stadt München)

  • Berlin (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und andere Bezirke)

  • Hessen (Landkreis Groß-Gerau und Marburg-Biedenkopf)

  • Nordrhein-Westfalen (Stadt Bielefeld und Stadt Düsseldorf)

  • Rheinland-Pfalz (Landkreis Bernkastel-Wittlich und Trier-Saarburg, Stadt Trier)

  • Sachsen-Anhalt (Stadt Magdeburg und angrenzende Landkreise)

  • Schleswig-Holstein (Landkreise Schleswig-Flensburg und Bad Segeberg)

  • Thüringen (Stadt Gera)

Kernziel der wissenschaftlichen Begleitforschung ist es dabei, auf der einen Seite förderliche und hinderliche Bedingungen für die Umsetzung Persönlicher Budgets zu identifizieren und hieraus praxisnah Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber, die Leistungsträger und Leistungserbringer abzuleiten. In dieser Hinsicht übernimmt die Begleitforschung gleichzeitig auch die Aufgabe einer projektbegleitenden Beratung der Modellregionen ("formative Evaluation"). Zum anderen sollen aber insbesondere auch die Wirkungen Persönlicher Budgets untersucht werden ("summative Evaluation"). Insgesamt müssen daher verschiedene Akteure in den Blick genommen werden: Auf der Ebene der Leistungsträger geht es im Wesentlichen um die Themen Antragsverfahren, Verwaltungsvorgänge, Bedarfsfeststellung, Budgetbemessung und Zielvereinbarungen. Weiterhin sollen auf der Ebene der Leistungserbringer Entwicklungen der Angebotsstrukturen in den Modellregionen untersucht werden und auf der Ebene der BudgetnehmerInnen interessieren insbesondere die Wirkungen Persönlicher Budgets auf die Lebensführung der BudgetnehmerInnen und ihr soziales Umfeld hinsichtlich der Themen Selbstbestimmung, Partizipation und Teilhabe.[2]

Diese umfassende Vorgehensweise sowie der Einbezug unterschiedlicher Akteure erfordern eine Kombination verschiedener Erhebungen und Methoden. Zur Datenerhebung werden daher sowohl quantitative als auch qualitative Verfahren eingesetzt. Im Wesentlichen stützt sich die Datengewinnung auf sechs verschiedene Erhebungsinstrumente und -verfahren:

  • Bestandsaufnahme und Auswertung von Budgetbeantragungen und -bewilligungen durch den Einsatz standardisierter Dokumentationsformulare bei den beauftragten Leistungsträgern

  • Erst- und Wiederholungsbefragung der BudgetnehmerInnen oder ihres sozialen Umfeldes durch "Face-to-Face" - Interviews, telefonische Interviews und schriftliche Befragungen.

  • Expertengespräche mit den Leistungsträgern in Form leitfadengestützter Interviews.

  • Schriftliche Befragung von Leistungsanbietern in der jeweiligen Region mittels Fragebögen.

  • Schriftliche Befragung von gesetzlichen BetreuerInnen in den Modellregionen mittels Fragebögen.

  • Analyse der Zielvereinbarungen in Form einer Dokumentenanalyse.



[2] Eine ausführliche Darstellung der Aufgaben und Ziele der wissenschaftlichen Begleitforschung sowie der verschiedenen Erhebungsmethoden findet sich auf der Projekthomepage unter www.projekt-persoenliches-budget.de sowie im Zwischenbericht der Begleitforschung (download auf der Homepage).

2. Ausgewählte Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung

Entwicklung der Budgetbewilligungen

Bis zum Ende des Projektzeitraums (Abschluss der Datenerfassung im Mai 2007) konnten insgesamt 494 Persönliche Budgets in den Modellregionen dokumentiert werden (vgl. Tabelle 1). Weitere 353 Budgets, die in verschiedenen Regionen außerhalb der Modellprojekte "Trägerübergreifendes Persönliches Budget" bewilligt wurden, konnten ergänzend zu den Dokumentationen aus den Modellregionen in die Auswertung einbezogen werden (vgl. Tabelle 2). Der Datenbestand stützt sich daher auf insgesamt 847 Persönliche Budgets bundesweit.

Tabelle 1: Anzahl der bewilligten Budgets in den Modellregionen

Modellregion des Projekts

"Trägerübergreifendes Persönliches Budget"

 

Anzahl bewilligter Budgets

Bayern

Mittelfranken

97

 

München/Oberbayern

12

Berlin

Friedrichshain-Kreuzberg (u.a. Bezirke)

88

Hessen

Groß-Gerau

20

 

Marburg-Biedenkopf

42

Nordrhein-Westfalen

Bielefeld

32

 

Düsseldorf

14

Rheinland-Pfalz

Bernkastel-Wittlich

32

 

Trier-Saarburg

35

 

Trier

32

Sachsen-Anhalt

Magdeburg (u.a. Kreise/Städte)

22

Schleswig-Holstein

Schleswig-Flensburg

17

 

Bad Segeberg

28

Thüringen

Gera

23

Gesamt: Alle Modellregionen

 

494

Tabelle 2: Anzahl der bewilligten Budgets in Regionen außerhalb der Modellprojekte

Regionen außerhalb der Modellprojekte

(nach Bundesländer)

Anzahl bewilligter Budgets

Baden-Württemberg

68

Bayern

20

Hamburg

33

Hessen

1

Mecklenburg-Vorpommern

1

Niedersachsen

18

Nordrhein-Westfalen

26

Rheinland-Pfalz

154

Sachsen

25

Schleswig-Holstein

2

Überregional (Deutsche Rentenversicherung Bund)

5

Gesamt: Alle Regionen außerhalb der Modellprojekte

353

Im Vergleich der einzelnen Bundesländer und Regionen lässt sich eine relativ große Spannweite hinsichtlich der jeweiligen Anzahl an Budgetbewilligungen feststellen. Dieser Unterschied hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen, die Gegenstand des Kapitels 3 sind. Eine wesentliche Rolle spielen vermutlich strukturelle Voraussetzungen wie das Vorhandensein ambulanter Unterstützungsangebote. Weiterhin dürfte die jeweilige Informationspolitik und -breite von Bedeutung sein, ebenso wie verschiedene Promotoren (etwa Selbsthilfeorganisationen und Beratungsstellen, aber auch "Schlüsselpersonen" wie gesetzliche BetreuerInnen, engagierte MitarbeiterInnen bei den Leistungsträgern usw.). Eine zentrale Rolle kommt aber auch der Erfahrung und dem Vorwissen im Umgang mit Persönlichen Budgets zu, denn auffallenderweise konnten diejenigen Regionen besonders viele Budgets realisieren, in denen bereits Modellprojekte durchgeführt wurden (etwa Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Mittelfranken, Hamburg) oder die bereits zu Anfang der Modellphase aktiv Werbung für das Persönliche Budgets betrieben haben und Budgetbewilligungen bereits frühzeitig forcierten (etwa Berlin). Auf diese Überlegungen wird in Kapitel 3 nochmals detaillierter eingegangen.

Wirft man schließlich einen Blick auf die Budgetbewilligungen im Zeitverlauf - d.h. von Beginn der Modellprojekte im Oktober 2004 bis zum Ende des Erfassungszeitraums im Mai 2007 -, so erhöhte sich die Zahl der bewilligten Budgets kontinuierlich. Die Anzahl Persönlicher Budgets stieg allerdings insbesondere im Jahresverlauf 2006 deutlich an und innerhalb eines Jahres (von Januar 2006 bis Januar 2007) hat sich die Gesamtzahl nahezu verdreifacht. Alles in allem verdeutlichen die Budgetbewilligungen in den Modellregionen eine tendenziell an Dynamik gewinnende Entwicklung (vgl. Abbildung 1). Entsprechend legen die gewonnenen Daten die Vermutung nahe, dass mit zunehmenden Erfahrungen und steigendem Bekanntheitsgrad des Persönlichen Budgets auch die Inanspruchnahme zunehmen wird.

Abbildung 1: Anzahl der bewilligten Budgets in den Modellregionen im Zeitvergleich (Aussagen zur Entwicklung der Budgetbewilligungen außerhalb der Modellprojekte können nicht getroffen werden, da diese erst seit April 2006 mit in die Analyse einbezogen wurden)

Personenkreis der BudgetnehmerInnen

Eine genauere Betrachtung des Personenkreises aller BudgetnehmerInnen (n=847) zeigt insgesamt, dass Persönliche Budgets von Menschen mit verschiedenen Behinderungen und in den unterschiedlichsten Lebenslagen beantragt und genutzt werden. Ein (systematischer) Ausschluss bestimmter Personengruppen konnte daher nicht beobachtet werden. Folgende Ergebnisse lassen sich zusammenfassen:

  • 54% aller Personen, die ein Persönliches Budget bekommen, sind männlich, 46% weiblich. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Budgetnutzung bestehen daher kaum.

  • Das Durchschnittsalter der BudgetnehmerInnen liegt bei 36 Jahren, allerdings erstreckt sich die Altersspanne von 2 Jahren bis hin zu 82 Jahren, was verdeutlicht, dass Persönliche Budgets in verschiedenen Lebensphasen und von allen Altersgruppen genutzt werden. Dennoch sind nahezu drei Viertel aller BudgetnehmerInnen zwischen 20 und 50 Jahren alt.

  • Den größten Anteil aller 847 dokumentierten BudgetnehmerInnen bilden Menschen mit einer psychischen Erkrankung (einschließlich Suchterkrankung) mit 42%. Danach folgen Menschen mit einer geistigen Behinderung (31%) sowie Menschen mit Körperbehinderung (19%). Daneben gibt es eine Gruppe an BudgetnehmerInnen (7%), die den "sonstigen Behinderungen" zugeordnet wurden. Darunter fallen z.B. Sinnesbeeinträchtigungen (Hör- oder Sehschädigung), chronische organische Erkrankungen, Epilepsie/Anfallserkrankungen oder Entwicklungsverzögerungen bei Kindern. Trotz dieser Konzentration verdeutlicht die Vielfalt der vorkommenden Behinderungen, dass Persönliche Budgets von allen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen beantragt und genutzt werden. Zudem hängt die Überrepräsentanz von BudgetnehmerInnen mit einer psychischen Erkrankung auch damit zusammen, dass Budgets überwiegend im Bereich der Eingliederungshilfe beantragt wurden.

  • Auch Personen mit einem umfassenden und komplexen Pflege- und Unterstützungsbedarf nutzen Persönliche Budgets: Bei etwa einem Drittel der BudgetnehmerInnen wurde neben der vorrangigen Behinderung eine oder mehrere weitere Behinderungen angegeben. Des Weiteren liegt bei 28% aller BudgetnehmerInnen ein Pflegebedarf vor, wobei davon wiederum bei einem Drittel die Pflegestufe III angegeben wird. Bei besonders komplexen Bedarfslagen werden im Übrigen auch Budgets bewilligt, die durchaus mit über 10.000 Euro im Monat bemessen sind. Aus diesem Grunde ist ein Ausschluss von Leistungsberechtigten hinsichtlich der Art und Schwere der Behinderung nicht zu beobachten.

  • Betrachtet man die Wohn- und Beschäftigungssituation der BudgetnehmerInnen, so fällt auf, dass die überwiegende Mehrheit (77%) bereits zum Zeitpunkt der Budgetbeantragung und -bewilligung in einer Privatwohnung lebt, meist alleine oder mit Ihren Eltern zusammen. Ein gemeinsamer Haushalt mit PartnerInnen, mit Kindern oder mit anderen Personen in Wohngemeinschaften ist hingegen eher die Ausnahme. Die nicht in einer Privatwohnung lebenden BudgetnehmerInnen (23%) wohnen zum Zeitpunkt der Antragstellung mehrheitlich in ambulant betreuten Wohnangeboten, der Rest in stationären Einrichtungen (Wohnheim, Senioren- oder Pflegeheim, Außenwohngruppen, Dorfgemeinschaften) oder in einer Pflegefamilie.

  • Die Beschäftigungssituation zum Zeitpunkt der Antragstellung ist einerseits gekennzeichnet durch eine relativ hohe Anzahl an Personen, die ohne Beschäftigung bzw. arbeitslos im Sinne des SGB III sind (29%), andererseits durch eine Vielzahl an BudgetnehmerInnen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung beschäftigt sind (28%). Nur wenige Personen verfügen über ein Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Beteiligte Leistungsträger und bewilligte Leistungen

Nahezu alle dokumentierten Persönlichen Budgets (95%) wurden in der Zuständigkeit nur eines Leistungsträgers bewilligt (Einfachzuständigkeit). Dies gilt für die Budgets in den Modellregionen gleichermaßen wie für die Budgets außerhalb der Modellprojekte. Auffallend ist hierbei, dass es sich fast ausschließlich um Budgets in der Zuständigkeit der Sozialhilfeträger handelt (94% aller Budgets in Einfachzuständigkeit). Die restlichen 6% wurden in der Zuständigkeit anderer Träger bewilligt, wobei besonders die Agentur für Arbeit (22 Budgets) und die Integrationsämter (18 Budgets) eine gewichtige Rolle spielen. Lediglich 6 Persönliche Budgets befinden sich in der Zuständigkeit der Rentenversicherung und 2 Budgets wurden von der Kriegsopferversorgung und -fürsorge bewilligt.

Trägerübergreifende Persönliche Budgets konnten insgesamt 44 Mal realisiert werden (in den Modellregionen 31, in den Regionen außerhalb 13); dies entspricht einem Anteil von insgesamt 5% an der Gesamtzahl aller bewilligten Budgets. An allen 44 trägerübergreifenden Budgets sind die Sozialhilfeträger beteiligt, in 43 Fällen als beauftragter Leistungsträger. Etwa 80% der trägerübergreifenden Persönlichen Budgets (35 von 44 Budgets) wurden von der Sozialhilfe zusammen mit der Pflegeversicherung bewilligt. Weitere trägerübergreifende Konzeptionen gibt es zwischen Sozialhilfeträgern und der Krankenversicherung (2 Budgets), Sozialhilfeträgern und Integrationsämter (2 Budgets), Sozialhilfeträger und Agentur für Arbeit (1 Budget) sowie Sozialhilfeträger und Jugendamt (1 Budget).

Daneben wurden auch drei komplexere trägerübergreifende Konzeptionen dokumentiert, an denen drei oder mehr Leistungsträger beteiligt sind:

  • Sozialhilfeträger, Pflegeversicherung und Integrationsamt

  • Sozialhilfeträger, Krankenversicherung und Pflegeversicherung

  • Sozialhilfe, Krankenversicherung, Rentenversicherung, Integrationsamt und Pflegeversicherung

Die in Form eines Persönlichen Budgets bewilligten Leistungen werden im Wesentlichen von zwei Leistungsarten der Sozialhilfe dominiert: "Ambulante Eingliederungshilfen im häuslichen Bereich" sowie "Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" (entweder ausschließlich oder in Kombination mit anderen Leistungen). Die häufigsten Leistungen von Trägern außerhalb der Sozialhilfe sind das "Pflegegeld" der Pflegeversicherung sowie "Arbeitsassistenz" als Leistung der Bundesagentur für Arbeit bzw. des Integrationsamts.

Was die trägerübergreifenden Budgets betrifft, so gibt es entsprechend der verschiedenen Leistungsträger eine Vielfalt an unterschiedlichen Leistungen, die in ein solches Budget einfließen. Am häufigsten wurden jedoch Sozialhilfeleistungen in Form ambulanter Eingliederungshilfe, Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und/oder Leistungen zur häuslichen Pflege in Kombination mit Leistungen der Pflegeversicherung (Pflegegeld, Pflegesachleistung) bewilligt.

Ob und inwiefern mit dieser noch geringen Anzahl trägerübergreifender Persönlicher Budgets sowie mit den dokumentierten Leistungskombinationen die Möglichkeiten trägerübergreifender Budgetgestaltung ausgeschöpft sind, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Zudem fehlen Referenzwerte über die Grundgesamtheit aller Leistungsberechtigten, die Ansprüche gegenüber verschiedenen Leistungsträgern haben und damit überhaupt für ein trägerübergreifendes Budget in Frage kämen.

Budgetbemessung

In den Modellregionen beträgt ein monatliches Budget im Durchschnitt 1.041 Euro. Die Beträge erstrecken sich allerdings von 36 Euro bis hin zu 13.275 Euro. In den Regionen außerhalb der Modellprojekte wird ein Budget im Durchschnitt mit 860 Euro bemessen. Die Spannweite der Budgethöhen reicht auch hier von 50 Euro bis hin zu 12.150 Euro. Trotz der insgesamt hohen Unterschiede bei den jeweils bewilligten Budgethöhen ist allerdings zu erkennen, dass über die Hälfte der bewilligten Budgets (sowohl in als auch außerhalb der Modellregionen) unter 600 Euro/Monat und über drei Viertel der Budgets unter 1.000 Euro/Monat betragen. Höhere Budgetsummen (über 1.000 Euro/Monat) sind hingegen vergleichsweise selten (vgl. Abbildung 2, Seite 8).

Abbildung 2: Verteilung der Budgethöhen in Klassen in und außerhalb der Modellregionen

Dabei scheint die jeweilige Höhe der Persönlichen Budgets insbesondere von folgenden Einflussgrößen abzuhängen:

  • Erwartungsgemäß korrespondiert die Budgethöhe mit der Anzahl der jeweils bewilligten Budgetleistungen: Je mehr Leistungen in ein Budget einfließen, desto höher ist ein Persönliches Budget.

  • Dabei kommt es allerdings auch darauf an, welche Leistungen in ein Persönliches Budget einfließen. Insbesondere Leistungen zur Pflege (Sozialhilfe, Pflegeversicherung) als Bestandteil eines Budgets gehen mit einer wesentlich höheren Budgetbemessung einher.

  • Ebenfalls scheint die Budgethöhe davon abzuhängen, ob es sich um ein Budget in "Einfachzuständigkeit" oder um ein "Trägerübergreifendes" Budget handelt. Trägerübergreifende Persönliche Budgets sind im Schnitt um ein Vielfaches höher bemessen als Budgets in Einfachzuständigkeit. Dieser Unterschied lässt sich jedoch insbesondere durch die einbezogenen Leistungen erklären: In trägerübergreifenden Budgets sind zu einem höheren Anteil Leistungen der Pflege (der Pflegeversicherung und/oder der Sozialhilfe) enthalten als in Budgets in Einfachzuständigkeit und diese sind in der Regel mit einer höheren finanziellen Ausstattung verbunden.

  • Im Vergleich der drei häufigsten Behinderungsarten bekommen BudgetnehmerInnen mit Körperbehinderung die höchsten Budgets (im Durchschnitt knapp 2.000 Euro). Personen mit einer geistigen Behinderung erhalten im Schnitt 771 Euro und Menschen mit psychischer Erkrankung 600 Euro. Dieser Unterschied ist allerdings ebenfalls darauf zurückzuführen, dass Menschen mit Körperbehinderung häufiger auf Pflegeleistungen angewiesen sind.

3. Unterschiedliche regionale Voraussetzungen und deren Bedeutung bei der Umsetzung Persönlicher Budgets

Die Beobachtung und Analyse der Umsetzung Persönlicher Budgets in den jeweiligen Modellregionen mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen stellte eine wichtige Aufgabe der wissenschaftlichen Begleitforschung dar. Dabei wurde u.a. auch der Frage nachgegangen, inwiefern bestimmte regionale Rahmenbedingungen Einfluss auf die Umsetzung (trägerübergreifender) Persönlicher Budgets haben bzw. ob sich förderliche und hinderliche Faktoren für deren Umsetzung identifizieren lassen. Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist die Vermutung, dass bestimmte strukturelle Voraussetzungen eine Umsetzung Persönlicher Budgets begünstigen. Folgende begünstigenden Faktoren lassen sich dabei herausstellen:

  • Ein ausreichendes und gut zu erreichendes Angebot an Beratung, das sicherstellt, dass Menschen mit Behinderung über Rehabilitations-, Pflege- und Unterstützungsmöglichkeiten umfassend informiert und beraten werden.

  • Ein gut ausgebautes und differenziertes Angebotsspektrum an Unterstützungsleistungen, welches Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und Unterstützungsbedarfen genügend Wahlmöglichkeiten bietet.

  • Insbesondere ein ausreichendes Angebot an ambulanten Unterstützungsangeboten in einer Region wird für die Umsetzung Persönlicher Budgets für zentral erachtet.

  • In einer einheitlichen Zuständigkeit innerhalb der Sozialhilfe (ein Sozialhilfeträger ist sowohl für ambulante, teil- und vollstationäre Leistungen zuständig) wird ebenfalls eine erleichternde strukturelle Voraussetzung für die Umsetzung Persönlicher Budgets gesehen.

Die Modellregionen weisen im Hinblick auf diese strukturellen Voraussetzungen z.T. große Unterschiede auf: Zum einen handelt es sich um städtische Gebiete, zum anderen um ländliche Gebiete; manche Regionen befinden sich in den alten, andere in den neuen Bundesländern. Auch die Zuständigkeiten innerhalb der Sozialhilfe und die Angebotsstrukturen unterscheiden sich von Region zu Region. Wie die folgende Abbildung 3 zeigt, ist das Verhältnis von stationären und ambulanten Wohnangeboten in den dargestellten Regionen sehr unterschiedlich.

Abbildung 3: Leistungsempfänger stationäres Wohnen und, ambulant betreutes Wohnen pro 1.000 Einwohner in der Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe? Struktur Jahr 2004" Vgl. CON_SENS (o. Jahresangabe, S. 26). Im Betreuten Wohnen sind auch die Hilfeempfänger der örtlichen Sozialhilfeträger enthalten, sogfern diese bekannt waren. Die Angaben für das begleitete Wohnen in Familien wurden außer Acht gelassen. Für Rheinland-Pfalz liegen keine Angaben vor. Für Mittelfranken bilden die Daten für das betreute Wohnen nur den Personenkreis der Menschen mit seelischer Behinderung ab. Betreutes Wohnen für körperlich und geistig behinderte Menschen liegt in Bayern in der Zuständigkeit der örtlichen Sozialhilfeträger.

Dieser Vergleich zeigt beispielsweise, dass in der Modellregion Berlin das Verhältnis zwischen Leistungsempfängern im stationären und ambulanten Bereich nahezu ausgeglichen ist, während in Bayern im Regierungsbezirk Mittelfranken lediglich 0,36 von 2,93 Leistungsempfängern pro 1.000 Einwohner ambulant betreut werden. Betrachtet man exemplarisch diese beiden gegensätzlichen Regionen noch etwas genauer, ergibt eine differenzierte Analyse der Angebotsstruktur folgende Auffälligkeiten:

Menschen mit Behinderung finden in Berlin ein gut ausgebautes und breitgefächertes System an Beratungsstellen - meist auch in ihrer Nähe - vor. Ein Teil der Beratungsstellen ist zudem aufsuchend tätig. Unterstützung im Alltag und beim Wohnen wird zu einem großen (ca. 50 %) bzw. für Menschen mit psychischer Erkrankung zu einem weit überwiegenden Teil (ca. 90 %) ambulant angeboten und erbracht. Mit Einzelfallhilfe und persönlicher Assistenz stehen Menschen mit Unterstützungsbedarf Angebote zur Verfügung, die hohe Selbstbestimmungs- und Teilhabechancen bieten. Neben der guten ambulanten Versorgungsstruktur für Menschen mit Behinderung trugen in Berlin weitere Faktoren zu einer zahlenmäßig erfolgreichen Umsetzung Persönlicher Budgets (vgl. Tabelle 1) und damit zum Gelingen des Modellprojekts bei:

  • Eine ungeteilte Zuständigkeit innerhalb der Sozialhilfe erleichterte die Gestaltung und Umsetzung Persönlicher Budgets

  • Die Fachdienste der Gesundheitsämter (Sozialpsychiatrische Dienste, Beratungsstellen für behinderte Menschen) waren von Beginn des Modellprojekts an in der Projektgruppe vertreten. Sie waren daher stets über den Stand des Projekts, Gestaltungsfragen Persönlicher Budgets etc. informiert und konnten ihrerseits Menschen mit Behinderung zu den Möglichkeiten eines Persönlichen Budgets beraten. Die Fachdienste der Gesundheitsämter sind zentrale Beratungsstellen, an die sich viele Menschen mit Behinderung wenden; sie sind damit auch in der Lage, für die Leistungsform Persönliches Budget zu "werben". Auch für eine unkomplizierte Weitervermittlung der Leistungsberechtigten von den Fachdiensten an den Sozialhilfeträger war von Vorteil, dass sich die beteiligten Personen aus der Projektgruppenarbeit kannten.

  • Mit der parallel zum Modellprojekt verlaufenden Einführung des Fallmanagementsystems in der Sozialhilfe und der damit verbundenen Schulung von SachbearbeiterInnen zu Fallmanagern konnte eine Qualifizierung auch im Hinblick auf das Persönliche Budget erfolgen.

  • Die Projektgruppe traf sich regelmäßig (einmal im Monat). Um die Umsetzung trägerübergreifender Persönlicher Budgets für die Verwaltungen zu erleichtern, wurden z.B. Netzwerke innerhalb der Sozial- und Jugendhilfe der Bezirke aufgebaut und ein Rundbrief an die Bezirksverwaltungen erarbeitet, in dem zahlreiche Informationen zur Umsetzung Persönlicher Budgets zu finden sind. Gegenüber VertreterInnen verschiedener Gruppierungen (z.B. gesetzliche BetreuerInnen, Selbsthilfe, Leistungsanbieter etc.) zeigte sich die Projektgruppe offen und nahm Anfragen u.ä. auf bzw. lud die VertreterInnen zu den Projektgruppentreffen ein.

Die Idee des Persönlichen Budgets stieß in Berlin auf Seiten der Selbsthilfe und auch auf Seiten der Leistungsanbieter nicht auf eine grundlegende Ablehnung. So reagierten z.B. einzelne Leistungsanbieter auf das Persönliche Budget, indem sie spezifische Leistungen mit Preisen versahen und sie BudgetnehmerInnen anboten oder mit Anfragen auf Kostenübernahme spezieller therapeutischer Angebote. Der Verein "Selbstbestimmtes Leben e.V." wurde gegründet, der es sich u.a. zur Aufgabe gemacht hat, Menschen mit geistiger Behinderung von der Antragstellung über die Vermittlung von Assistenten bis zum Umgang mit dem Budget zu begleiten.

Für Bayern (Bezirk Mittelfranken) ergab die Analyse, dass der größte Teil der mittelfränkischen BudgetnehmerInnen in der dicht besiedelten und industriell geprägten Region Nürnberg-Fürth-Erlangen lebt. Im ländlich geprägten West-Mittelfranken gibt es bislang kaum BudgetnehmerInnen. Insgesamt finden Menschen mit Behinderung in Mittelfranken ein deutlich stationär geprägtes Angebot an Unterstützung vor. Menschen mit Behinderung, die ambulant unterstützt werden möchten, können nur auf wenige Leistungsanbieter zurückgreifen, die ambulante Dienstleistungen erbringen. Neben einer durch stationäre Angebote geprägten Versorgungsstruktur erschwerte die getrennte Zuständigkeit innerhalb der Sozialhilfe bzw. die Unsicherheit, wo die Zuständigkeiten gebündelt werden, die Umsetzung Persönlicher Budgets. Diese Unsicherheit blieb nicht folgenlos. So unterblieb z.B. die Etablierung eines (dringend für notwendig erachteten) medizinisch-pädagogischen Fachdienstes auf örtlicher Ebene. In Folge dessen gibt es aber gegenwärtig Bemühungen, den ambulanten und teilstationären Versorgungsbereich für Menschen mit psychischer Erkrankung und Suchterkrankung zu verbessern. Auch die jahrelange Unsicherheit hinsichtlich der Zuständigkeit innerhalb der Sozialhilfe wurde mittlerweile angegangen. Ab 01.01.2008 wird es eine einheitliche Zuständigkeit geben und der überörtliche Sozialhilfeträger ist dann für alle Eingliederungshilfeleistungen zuständig.

Um diese Nachteile auszugleichen und um z.B. Menschen mit Behinderung über das Persönliche Budget umfassend zu informieren, wurden zahlreiche Informationsveranstaltungen durchgeführt. Auch die enge Zusammenarbeit mit Leistungsanbietern z.B. im Bedarfsfeststellungsverfahren oder die Information und Einbindung von gesetzlichen Betreuern ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Aus diesen Gründen gelang es in Mittelfranken schließlich dennoch, Persönliche Budgets in nennenswertem Umfang zu realisieren (vgl. Tabelle 1). Der wahrscheinlich bedeutsamste Faktor für eine im Vergleich zu anderen Modellregionen zahlenmäßig außerordentliche hohe Umsetzung Persönlicher Budgets liegt jedoch vermutlich auch in den Vorerfahrungen mit dem Persönlichen Budget begründet - Mittelfranken führte vor Beginn des Modellprojekts einen eigenen Modellversuch zum Persönlichen Budget durch und diese Vorerfahrungen begünstigten schließlich die Umsetzung Persönlicher Budgets. So waren Verfahrenswege bereits bekannt und die Zusammenarbeit mit örtlichen Sozialhilfeträgern eingespielt, einige Informationsveranstaltungen zum Persönlichen Budget hatten stattgefunden und es gab bereits BudgetnehmerInnen, die von ihren positiven Erfahrungen berichten konnten usw.

Beiden Regionen - Berlin und Mittelfranken - gelang es schließlich auf der Basis sehr unterschiedlicher struktureller Voraussetzungen eine große Anzahl Persönlicher Budgets umzusetzen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zeigen zudem, dass sich für die BudgetnehmerInnen eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Budgetnutzung eröffnen und für die Leistungsträger und Leistungsanbieter gibt es durchaus eine Reihe an Gestaltungsmöglichkeiten. Die Analyse der Angebotsstrukturen deutet zwar darauf hin, dass nicht alle "Spielarten" Persönlicher Budgets sofort und unabhängig von den Angebotsstrukturen in allen Regionen umgesetzt werden konnten. In jeder Region ist es jedoch möglich, Persönliche Budgets in der einen oder anderen Form zu gestalten. Beispielsweise können Regionen mit nur wenigen ambulanten Angeboten - wie etwa in Mittelfranken - versuchen, Leistungsanbieter, die vorwiegend stationäre Leistungen anbieten, für eine flexible, individuellere Leistungserbringung zu gewinnen. Auch die Erbringung von Unterstützungsleistungen durch nicht-professionelle Kräfte im Rahmen Persönlicher Budgets ist weitgehend unabhängig von Versorgungsstrukturen und kann daher auch in strukturschwachen Regionen erfolgen.

Der hier skizzierte Überblick zeigt lediglich einen Ausschnitt aus der Vielfalt an Erkenntnissen, die im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung zur Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" gewonnen werden konnten. Aus diesem Grunde werden weitere Ergebnisse in der nächsten Ausgabe der "impulse" präsentiert werden.

Literatur

CON_SENS (o.J.) Kennzahlenvergleich der überörtlichen Träger der Sozialhilfe 2003 und 2004, Hamburg.

KAAS, S. (2002): Persönliches Budget für behinderte Menschen. Evaluation des Modellprojektes "Selbst bestimmen - Hilfe nach Maß für behinderte Menschen" in Rheinland-Pfalz. Hrsg. vom Ministerium für Arbeit, Soziales Familie und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz. Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2002.

KASTL, J.M..; METZLER, H. (2005): Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Modellprojekt "Persönliches Budget für Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg". Hrsg. vom Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg. Stuttgart, 2005.

WINDHEUSER, J.; AMMAN, W.; WARNKE, W. (2006): Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Modellvorhabens zur Einführung Persönlicher Budgets für Menschen mit Behinderung in Niedersachsen. Hrsg. vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Hannover, 2006. Download unter: cdl.niedersachsen.de/blob/images/C9237134_L20.pdf

Kontakt

Thomas Meyer, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Fakultät für Sonderpädagogik Reutlingen, Pestalozzistr. 53, 72762 Reutlingen, e-mail: meyer01@ph-ludwigsburg.de

Christine Rauscher, Universität Tübingen, Forschungsstelle "Lebenswelten behinderter Menschen", Nauklerstr. 37a, 72074 Tübingen; e-mail: christine.rauscher@uni-tuebingen.de

Quelle:

Thomas Meyer, Christina Rauscher: Was können wir aus den Modellprojekten lernen? Ergebnisse aus der bundesweiten Erprobung "Trägerübergreifender Persönlicher Budgets" - Teil 1

erschienen in: impulse Nr. 43/2007, Seite 4-10.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 17.03.2009

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