Auf dem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt

Eltern beraten über das Persönliche Budget zur Teilhabe am Arbeitsleben

Autor:in - Sibylle Hausmanns
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 38, 2/2006, Seite 11 impulse (38/2006)
Copyright: © Sibylle Hausmanns 2006

Auf dem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt

"Neben die WfbM als stationärem Angebot zur Teilhabe am Arbeitsleben soll ein unabhängig von Art und Schwere der Behinderung zugängliches ambulantes Angebot treten. Gebraucht wird ein verlässlicher, abgesicherter, regelfinanzierter, ambulant unterstützter Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt für diejenigen, die diesen Weg gehen wollen. Individuelle Unterstützung nach Maßgabe des Einzelfalles muss sichergestellt werden. Erst dadurch wird der Grundsatz "ambulant vor stationär" in diesem Bereich praktikabel und glaubwürdig." So formulierte die Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam leben - gemeinsam lernen zu Beginn des Jahres ihre Forderung in Bezug auf die Teilhabe am Arbeitsleben in der Phase des Übergangs von der Schule in den Beruf. Jetzt trafen sich Eltern aus der gesamten Bundesrepublik in Mainz um auszuloten, welche Möglichkeiten das Persönliche Budget in diesem Zusammenhang bietet.

Ursprünglich war geplant gewesen zu diskutieren, ob und wie es möglich ist, das Persönliche Budget zur Teilhabe am Arbeitsleben juristisch durchzusetzen. Nach der freudig begrüßten Änderung des § 103 SGB III, nach der nun alle Teilhabeleistungen der Bundesagentur für Arbeit budgetfähig sind, konnte der Fokus anders gewählt werden: Worin bestehen die neuen Möglichkeiten genau und wie können wir sie nutzen? Woran muss gedacht, was muss im Budget berücksichtigt werden?

Die Abkehr von dem vorprogrammierten Weg für junge Menschen mit geistiger Behinderung aus der Schule in die WfbM muss schon während der Schulzeit beginnen. Zukunftsentwürfe sollten nicht nur in den Köpfen entstehen, sondern auch konkret erprobt werden können, z. B. im Rahmen von Betriebspraktika. Schulen sind oft überfordert damit, geeignete Plätze außerhalb von Werkstätten zu akquirieren. Die Integrationsfachdienste haben zwar den gesetzlichen Auftrag, den Übergang zu begleiten, aber betroffene Schülerinnen und Schüler haben keinen Anspruch auf Leistungen und die Dienste keine entsprechenden Ressourcen. Die Zusammenarbeit von Integrationsfachdiensten und Schulen steckt noch in den Kinderschuhen. Hier muss nachgebessert werden, um Schritte in Richtung allgemeiner Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Zunächst knüpfen Eltern große Hoffnungen an die Möglichkeit, Eingangs- und Berufsbildungsbereich der Werkstatt zukünftig budgetieren zu lassen. Endlich scheint ein frei wählbarer Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt in Sicht. Allerdings ist auch klar, dass dieser Weg kompetent unterstützt werden muss (Richtschnur sind hier die Prinzipien Unterstützter Beschäftigung, wie sie die BAG UB formuliert hat) und dass das Persönliche Budget ausreichen muss, sich die erforderliche Unterstützung zu kaufen. Es wurde auch deutlich, dass es einen großen Mangel an Diensten gibt, die darauf eingerichtet sind, diese Aufgaben zu übernehmen. Hier tut Strukturentwicklung Not.

Das Verfahren zur Umwandlung einer Sachleistung in ein Persönliches Budget ließ viele Fragen aufkommen. Vor allem das Aushandeln der Zielvereinbarung in der Budgetkonferenz birgt bisher nicht einschätzbare Chancen und Risiken.

  • Es wurde klar, dass Betroffene und ihre Berater mit klaren Vorstellungen davon in die Budgetkonferenz gehen sollten, welche Hilfen von wem wie mit welchem Ziel und welcher Qualität geleistet werden sollen. Nur so kann Sparstrategien zulasten der Betroffenen entgegengewirkt und gleichzeitig Strukturentwicklung angeregt werden. Viele Eltern wünschen sich an dieser Stelle unabhängige beratende Unterstützung für sich und ihre Söhne und Töchter.

  • Ziel, Qualität und Preis sollen in der Budgetkonferenz frei verhandelt werden. Erst nachdem die Zielvereinbarung von beiden Seiten unterschrieben worden ist, kann ein widerspruchsfähiger Bescheid ergehen. Was geschieht, wenn wegen unüberbrückbar verschiedener Vorstellungen keine Zielvereinbarung zustande kommt? Eine juristisch undurchsichtige Situation!

  • Das Persönliche Budget ist auch als Sparmaßnahme konzipiert. Die Höhe der Geldleistung soll die Kosten der Sachleistung nicht übersteigen - das ist die Maßgabe nach oben. Leere öffentliche Kassen lassen für den Prozess der "Verpreislichung" von Leistungen nichts Gutes ahnen. Umso wichtiger, dass Betroffene mit dem Aushandeln im Einzelfall nicht alleine gelassen werden.

  • Es ist unsinnig, den sozialversicherungsrechtlichen Status, den nicht erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen in der Werkstatt genießen, an die Zugehörigkeit zu dieser Institution zu koppeln. Es muss möglich sein, ihn unabhängig davon dorthin mit zu nehmen, wo man am Arbeitsleben teilhat, und die Kosten zu budgetieren. Zu klären ist der arbeitsrechtliche Status in diesem Fall.

Die Antworten auf diese Fragen werden erst in der Praxis gegeben werden können. Die BAG Gemeinsam leben - gemeinsam lernen hofft, dass sich möglichst viele junge Menschen mit Behinderungen auf diesen Weg begeben.

Quelle:

Sibylle Hausmanns: Auf dem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt

Eltern beraten über das Persönliche Budget zur Teilhabe am Arbeitsleben

erschienen in: impulse Nr. 38, 2/2006, Seite 11

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 20.05.2008

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