"Es gibt eine Menge Gründe, warum in unserer Gesellschaft immer mehr Leute verrückt werden."

Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz - Teil 2

Autor:in - Autor:in - Jörg Bungart, UB
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 37, Jänner 2006, Seite 28 - 34. impulse (37/2006)
Copyright: © Jörg Bungart, BAG UB 2006

"Es gibt eine Menge Gründe, warum in unserer Gesellschaft immer mehr Leute verrückt werden."

In diesem Zusammenhang soll zuerst eine kurze Übersicht über das Rehabilitationssystem in Deutschland gegeben werden, anschließend werden grundlegende Unterstützungskonzepte dargestellt und schließlich Modelle zur Erhaltung und Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit skizziert.

Unterstützungen zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben

Das Rehabilitationssystem - ein Überblick

Die gesetzlichen Grundlagen des Rehabilitationssystems finden sich in den Sozialgesetzbüchern. In den letzten Jahren wurden die Sozialgesetze nicht zuletzt auch deshalb mehrfach geändert, um das Ziel der Teilhabe umfassend zu erreichen. Dabei wird die Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen gesondert hervorgehoben. In Teil 1 des SGB IX, das für alle Sozialgesetzbücher Gültigkeit hat, geht es in § 10 um die Koordinierung der Leistungen. Danach haben die Leistungsträger in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten, unter Berücksichtigung des individuellen Bedarfs und der Besonderheiten im Einzelfall, die erforderlichen Leistungen festzustellen und so zusammenzustellen, dass sie nahtlos ineinander greifen. In Absatz 3 heißt es zudem: "Den besonderen Bedürfnissen seelisch behinderter oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen wird Rechnung getragen".

Selbstbestimmung und Teilhabe (§§ 1 und 4 SGB IX), Vorrang von Prävention (§ 3 SGB IX), Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 SGB IX) sowie persönliches Budget (§ 17 SGB IX) sind einige der zentralen Zielsetzungen des allseits befürworteten Paradigmenwechsels. Zudem verweist § 20 SGB IX auf die Erfordernisse einer umfassenden Qualitätssicherung. Die praktische Umsetzung der gesetzlichen Grundlagen stößt jedoch vielfach auf Probleme. Hintergrund ist oftmals -und ungeachtet der gesetzlichen Vorgaben -ein Streit um die Zuständigkeit zwischen den Leistungsträgern.

Jüngste Erfahrungen aus dem Bereich der Integrationsfachdienste (vgl. §§ 109-115 SGB IX), die die Aufgabe der Vermittlung und Begleitung im Arbeitsleben haben, sollen dies exemplarisch verdeutlichen:

War man sich in der Vergangenheit auch bei den zuständigen Leistungsträgern darüber einig, dass es für Menschen mit einer psychiatrischen Diagnose häufig aus krankheitsbedingten Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, eine formelle Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft anzustreben (Stichwort: Ersatzkriterien), ist man heute diesen Argumenten gänzlich verschlossen. Ob eine Person mit einer schweren psychischen Erkrankung schwerbehindert ist oder nicht, hängt heute ausschließlich von förmlichen Anerkennungen ab. Die zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX übernehmen in unzureichendem Maße ihre Aufgaben. Das Nachsehen haben sowohl die Menschen mit Behinderungen als auch die Betriebe, denen keine bzw. keine adäquate Unterstützung zur Verfügung gestellt wird.

Neben den Problemen, die gesetzlichen Vorgaben im Sinne der betroffenen Menschen umzusetzen, ist das Rehabilitationssystem in Deutschland zwar auf den ersten Blick sehr ausdifferenziert, aber selbst für Fachleute oftmals unübersichtlich. Umso schwieriger ist es für Betroffene, ihre Angehörigen und auch die Betriebe an die im Einzelfall relevanten Informationen zur Unterstützung heranzukommen[1].

"Und dann kommen natürlich die sozialen Klamotten. Meine Wohnung war weg, ich hätte bei meiner Entlassung (aus der Klinik, d. Verf.) praktisch auf der Straße gestanden. Zwischenzeitlich war ich berentet, meine Berufslaufbahn war also praktisch beendet." [2]

Die folgende Übersicht soll - ohne Anspruch auf Vollständigkeit -die Vielfalt und Komplexität der Angebotsstruktur veranschaulichen (vgl. BAR 2003[3]): siehe Abbildung 5, Seite 33.

Abb.: Rehabilitationssystem und Angebotstruktur

Daneben werden Selbsthilfe- und Angehörigengruppen, "Psychose-Seminare", Patientenclubs, Bürger- und Laienhilfe genannt.

Die "Aktion Psychisch Kranke" verweist darauf, dass die Verfügbarkeit von Hilfsangeboten regional sehr unterschiedlich ist und fordert gleiche Rahmenbedingungen für alle Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen (vgl. BRILL/GREDIG/JÄGER 2002, S. 4ff.). Es wird aufgezeigt, dass ein großer Teil längerfristig psychisch kranker Menschen ohne jegliches Arbeits- oder Unterstützungsangebot ist. Zudem ist für viele Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine Vollzeittätigkeit kein realistisches Ziel. Notwendig sind deshalb auch Teilzeitbeschäftigungen, flexible Arbeitszeiten und "Überbrückungshilfen", z.B. im Vorfeld oder Anschluss an Qualifizierungsmaßnahmen. Letztere dienen zur Vermeidung von Destabilisierungen der Betroffenen. Insgesamt wird kritisch auf nach wie vor bestehende Barrieren beim (weiteren) Zugang zu erforderlichen und berechtigten Leistungen hingewiesen. Gefordert wird eine personenzentrierte und integrierte Hilfeplanung (statt einer maßnahme- und einrichtungsbezogenen Organisation) unter Beteiligung aller im Einzelfall zuständigen Leistungsträger[4]. Hilfen müssen wohnortnah verfügbar sein und entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalls abgestimmt erbracht werden. Zentrales Konzept ist der integrierte Behandlungs- und Integrationsplan (vgl. AKTION PSYCHISCH KRANKE 2005). Hervorgehoben wird auch die Notwendigkeit einer koordinierenden Bezugsperson bei der Umsetzung der Hilfeplanung, damit eine gesicherte "Verzahnung" zwischen medizinischer, sozialer und beruflicher Rehabilitation erfolgt.



[1] Sehr eindrucksvoll wird diese Problematik in einem Fallbeispiel der "Aktion Psychisch Kranke" geschildert (vgl. AKTION PSYCHISCH KRANKE 2002, S. 7f.).

[2] Auszug aus Interviews mit psychisch erkrankten Menschen ( WL 1997, S. 22)

[3] In der verwiesenen Literatur sind auch die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen genannt.

[4] Gerade die Kooperation der Leistungsträger sollte durch die gesetzlichen Vorgaben abgesichert sein (vgl. §§ 10-15 SGB IX); die praktischen Erfahrungen widersprechen dem leider oft genug. Inwieweit das Konzept des persönlichen Budgets (§ 17 SGB IX) hier zu Verbesserungen führt, ist auch auf dem Hintergrund derzeitiger Einsparungsdiskussionen skeptisch zu betrachten.

Allgemeine Unterstützungskonzepte

Die Erfordernis der "Verzahnung" adäquater Unterstützungsangebote im Einzelfall, die Zielsetzungen Selbstbestimmung, Teilhabe, Prävention, Wunsch- und Wahlrecht, sowie der Grundsatz "ambulant vor stationär", lassen es notwendig erscheinen, grundlegende Konzepte zu nutzen, die die genannten Prinzipien - zumindest teilweise - enthalten. Mit ihnen können dann konkrete Maßnahmen zur Erhaltung und (Wieder-)Erlangung der Arbeitsfähigkeit bestimmt und geprüft werden. Die folgende Auswahl ist exemplarisch.

1. Fallmanagement:

Die Idee einer koordinierenden Bezugsperson bei der Umsetzung der Hilfeplanung, wie sie z.B. von der Aktion Psychisch Kranke gefordert wird, liegt dem Konzept des Case- bzw. Fallmanagements zugrunde. Das Konzept wurde in den USA in den 70er Jahren als methodisches Instrument der Sozialarbeit entwickelt. Es umfasst soziale Einzelfallhilfe (Case Work), mit dem eine angemessene und kombinierte "Versorgung" hilfebedürftiger Menschen gewährleistet werden soll. Hintergrund war u.a. die Auflösung vieler Großeinrichtungen, die den Aufbau ambulanter und am Einzelfall orientierter Hilfen erforderlich machte. Fallmanagement kann beschrieben werden als fallbezogne Zusammenführung und Koordination verschiedener, erforderlicher Dienste bzw. Dienstleistungen, unter Beteiligung des betroffenen Menschen und seiner/ihrer Angehörigen. Die Betroffenen sind die Hauptakteure in der Bewältigung von Problemen und Notlagen, ihre Eigenverantwortung und Selbstbestimmung darf nicht begrenzt, sondern muss gestärkt werden (vgl. Konzept des Empowerment). Der/Die FallmanagerIn kompensiert nur da, wo es unbedingt erforderlich ist. Ansonsten besteht die Kernaufgabe in der Zusammenführung von Dienstleistungen und der Anleitung der Hilfeempfänger zur Erreichung ihrer Interessen. Fallmanagement ist somit zu einem großen Teil Netzwerkarbeit. Der Prozess des Case-Managements verläuft in funktionellen Phasen, unter Beachtung der zur Verfügung stehenden Ressourcen (vgl. WENDT 1997, S. 156 ff.):

  • Bedarfsabklärung von individuellen und sozialsituativen Gegebenheiten, Bedürfnissen, Ressourcen (Assessement)

  • Maßnahme-und Prozessplanung von Bewältigungs-und Unterstützungsaktivitäten (Planing)

  • Durchführung in Form von direktem Klientenkontakt, indirekten Dienstleistungen im sozialen Umfeld, administrativen System (Intervention)

  • Kontrolle / Überwachung der Durchführung der Unterstützungsleistungen durch Prüfung, Revision, Informationsverarbeitung, Berichterstattung (Monitoring)

  • Evaluation / Bewertung / Auswertung im Hinblick auf Aufwand, Verlauf, Zielerreichung des Case-Managements (Evaluation)

2.Recover Konzept:

Insbesondere nach "schwerer psychischer Krankheit müssen sich viele Menschen (...) auch damit befassen, dass sie sich in ihrem weiteren Leben mit Beeinträchtigungen auseinandersetzten müssen und sich dies auch auf ihre Erwerbsfähigkeit auswirken kann" (RÜST/ DEBRUNNER 2005, S. 21). Unter der Zielsetzung "Reintegration in den Lebensalltag" wurde im englischen Sprachraum vor allem von Psychiatrie-Erfahrenen selbst das Konzept des "Recovery" (Wiedererlangung) entwickelt. Das heißt, dass die Betroffenen selbst - und nicht die Professionellen - die Zielsetzungen der Rehabilitation bestimmen. "Recovery bedeutet, dem Leben einen neuen Sinn und ein neues Ziel zu geben, indem man über die verunsichernden Erfahrungen psychischer Erkrankung hinauswächst" (Anthony 2003, S. 16; zitiert nach RÜST/DEBRUNNER 2005, S. 21). Dem Konzept "Recovery" liegen

u.a folgende Thesen zugrunde (Anthony 2000; zitiert nach RÜST/DEBRUNNER 2005, S. 22):

  • Recovery kann auch ohne professionelle Intervention geschehen.

  • Recovery ist ein individueller, ganz persönlicher Prozess.

  • Recovery ist möglich, auch wenn Symptome nie ganz abklingen oder wieder auftauchen.

  • Recovery setzt voraus, dass eine Person Wahlmöglichkeiten hat.

  • Recovery ist nicht von einem bestimmten Verständnis für Ursache und Verlauf psychischer Krankheit abhängig.

  • Die Bewältigung der Krankheitsfolgen ist oft schwieriger als die Bewältigung der Krankheit selbst. Dies betrifft Diskriminierung bei Arbeit und Wohnen, eingeschränkte Selbstbestimmung, herabwürdigende Behandlungspraktiken und andere

"Gerade beim Thema Psychose habe ich oft festgestellt, dass die Leute zwar hinhören und einen angucken, aber in Wirklichkeit hören die gar nicht zu. Hier weiß ich, dass die anderen zuhören und eine Menge verstehen." [5]



[5] Auszug aus Interviews mit psychisch erkrankten Menschen ( WL 1997, S. 23)

3. Managing Diversity:

Grundidee des im Unternehmensmanagement (eher bei Großbetrieben) verstärkt diskutierten und z.T. erprobten Ansatzes ist, die unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten der Menschen zu achten und zu nutzen. Zu entwickeln sind daher Strategien für einen nicht-diskriminierenden Umgang mit der Verschiedenheit von Menschen im Bereich Personalführung und -entwicklung (vgl. RÜST/DEBRUNNER 2005, S. 35). Ursprung der Konzeptentwicklung war die Suche "US-amerikanischer Unternehmen nach neuen Wegen zur effektiveren Integration von Frauen und ethnischen Minderheiten. (...). Als Instrument der Unternehmensführung beschreibt Diversity (...) die Gesamtheit der Maßnahmen, die dazu führen, dass Unterschiedlichkeiten in und von einer Organisation anerkannt, wertgeschätzt und als positive Beiträge zum Erfolg genutzt werden" (STUBER 2004, S. 20; zur weiteren Information siehe www.ungleich-besser.de). Später wurde das Modell auch auf andere Zielgruppen, z.B. Menschen mit Behinderungen, übertragen.

4. Unterstützte Beschäftigung:

Unter der Bezeichnung "Supported Employment" und basierend auf den Ideen des "Normalisierungsprinzips" wurde in den USA seit Ende der 70er Jahre ein Konzept zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung entwickelt und 1984 gesetzlich verankert. Zielgruppe waren zuerst vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten, denen Alternativen zu den Werkstätten für behinderte Menschen eröffnet werden sollten. Zunehmend wurde das Konzept auch auf die Gruppe der Menschen mit psychischen Erkrankungen übertragen (vgl. (RÜST/ DEBRUNNER 2005, S. 36; EIKELMANN u.a. 2005). Die Ausgangsfrage bei der Entwicklung des Konzeptes war nicht ob, sondern wie die Teilhabe für Menschen auch mit schweren Beeinträchtigungen gesichert werden kann. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Prinzip "erst platzieren, dann qualifizieren". Dies bedeutet, dass die Qualifizierung nicht in überbetrieblichen Einrichtungen erfolgt, sondern direkt am Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dahinter stehen Beobachtungen, dass manche Menschen mit Behinderungen Probleme haben, die in überbetrieblichen Situationen gelernten Kenntnissen und Fertigkeiten, auf die konkrete betriebliche Praxis zu übertragen. Zur weiteren Unterstützung können sog. "Job Coaches" (Arbeitsbegleiter) eingesetzt werden[6]. Zusammengefasst können folgende Prinzipien und Aufgaben benannt werden:

  • "Unterstützte Beschäftigung" zielt auf dauerhafte und bezahlte Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes, unabhängig von Art und Schwere der Behinderung.

  • Übergeordnete Ziele von "Unterstützer Beschäftigung" sind die gesellschaftliche Teilhabe sowie die Sicherung von Wahlmöglichkeiten und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen.

  • "Unterstützte Beschäftigung" ist eine ambulante Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Sie umfasst die berufliche Vorbereitung (individuelle Berufsplanung), die Arbeitsplatzbeschaffung und Vermittlung, die Qualifizierung am Arbeitsplatz (job coaching) und die langfristige Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses.

  • "Unterstützte Beschäftigung" orientiert sich an den individuellen Fähigkeiten und dem Unterstützungsbedarf der ArbeitnehmerInnen mit Behinderung sowie den konkreten Anforderungen von Arbeitsplätzen (Erarbeitung und Abgleich von Fähigkeits- und Anforderungsprofilen).

  • Die Unterstützung wird so lange wie erforderlich aufrechterhalten.

Die Aufgaben des Integrationsfachdienstes nach § 110 SGB IX sind vielfach deckungsgleich mit dem Vorgehen nach dem Konzept der "Unterstützten Beschäftigung" (zur näheren Information siehe www.bag-ub.de).

Die oben skizzierten Konzepte haben gemeinsam, dass sie den Menschen mit seinen Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen. In den Ansätzen "Managing Diversity" und "Unterstützte Beschäftigung" werden im Besonderen die betrieblichen Bedingungen berücksichtigt. "Unterstützte Beschäftigung" beinhaltet zudem vorbereitende und ergänzende Maßnahmen. Dies gilt auch für die Bereiche Wohnen und Freizeit, wenn dadurch eine Hinführung und Stabilisierung im Arbeitsleben gesichert werden kann. Noch deutlicher wird diese Netzwerkarbeit beim Fallmanagement, wodurch alle erforderlichen Hilfeleistungen zusammengeführt werden sollen. "Recovery" betont die Notwendigkeit persönlicher und selbst organisierter Bewältigungsformen.



[6] "Gerade psychisch behinderten Menschen hilft das Job-Coaching-Konzept auch im sozialen und kommunikativen Bereich. Schwierigkeiten im Umgang - etwa Ängste, auf andere zuzugehen, können in aller Regel durch zeitweiligen fachkundigen Beistand im Betrieb gut angegangen werden. Die Kolleginnen und Kollegen, die oft unsicher im Umgang mit psychisch Behinderten sind, können beraten werden" (LWL 1997, S. 11).

Modelle zur Erhaltung und Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit

Die Auswahl der genannten Konzepte soll darauf hinweisen, dass bei psychischer Erkrankung am Arbeitsplatz, ausgehend von den individuellen Voraussetzungen, innerbetriebliche, außerbetriebliche und persönliche Strategien zu entwickeln und entsprechende Ressourcen zu nutzen sind. Dabei gilt es, die erforderlichen Maßnahmen zu vernetzen und aufeinander abzustimmen. In der gemeinsamen Wirkung soll damit die Teilhabe am Arbeitsleben und schließlich in der Gesellschaft gesichert werden.

Dabei ist zu beachten, dass psychische Erkrankung im Betrieb, wie gezeigt, noch immer auf Vorbehalte bei allen Beteiligten stößt. Hinzu kommt, dass eine psychische Erkrankung sowohl für die Betroffenen selbst als auch für andere, z.B. KollegInnen, vielfach nur schwer zu erkennen ist. Fehlzeiten sind nur ein möglicher, aber innerbetrieblich wichtiger Hinweis. Die Schwierigkeiten hängen nicht zuletzt damit zusammen, dass die Grenze zwischen einer vorübergehenden Belastung und einer länger anhaltenden Erkrankung fließend sind. So erfahren z.B. viele Menschen ängstliche oder depressive "Stimmungen", ohne dass daraus eine ernsthafte Erkrankung entstehen muss. Außerdem ist nicht nur die Entstehung, sondern auch Verlauf und Ausprägung psychischer Erkrankung wesentlich abhängig von der Wechselwirkung persönlicher und sozialer Bedingungen. Werden psychische Erkrankungen jedoch nicht (frühzeitig) erkannt, dann können entsprechende Hilfen nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden (vgl. BAR 2003, S. 12 f.). Hinderlich hierbei kann auch die mangelnde Einsicht der Betroffenen in eine Erkrankung sein.

"Am Anfang war ich richtig sauer geworden, wenn mir alle Welt etwas von kleinen Schritten erzählt hat. ‚Das ist passiert, jetzt ist es vorbei und weiter geht's.' So habe ich damals gedacht. Nach der ersten Psychose habe ich mich nach zwei Wochen selber entlassen und bin wieder arbeiten gegangen. (...) Nach einem Jahr war ich wieder krank und da fiel ich aus dem System, aus dem normalen Alltag heraus. (...) Ich habe lange versucht die Krankheit zu ignorieren, aber das funktioniert nicht." [7]

Um mit einer psychischen Erkrankung arbeitsfähig zu sein "muss sie weitgehend kompensiert, therapiert, sozialverträglich beherrscht sein. Jemand der Stimmen hört, darf, um in der Arbeitswelt existieren zu können, darauf nicht mehr panisch (...) reagieren" (HALL¬WACHS 2004, S. 86). Bei längerer Auszeit ist der "individuell richtige Zeitpunkt des Beginns beruflicher Rehabilitation (...) personenbezogen zu suchen" (ebd., S. 87).

"Es müsste mehr Betriebe für einen langsamen Widereinstieg gefunden werden; mit einer Stunde, mit zwei Stunden usw. Und es bräuchte mehr Akzeptanz für einen solchen langsamen Einstieg. Dass also niemand blöde Sprüche macht." [8]

Insgesamt können grundsätzliche Prinzipien im Umgang mit einer psychischen Erkrankung abgeleitet werden (vgl. BAR 2003, S. 14f.). So ist für Menschen mit psychischer Erkrankung im besonderen Maße eine Umgebung förderlich, die geprägt ist von

  • Klarheit und Eindeutigkeit;

  • Transparenz und Übersichtlichkeit der räumlichen, personellen und finanziellen Verhältnisse;

  • Verlässlichkeit und Kontinuität;

  • Ruhe, Gelassenheit und Entspannung sowie der Vermeidung von Unter- und Überforderung.

Daneben ist es vor allem bei schwerem und längerfristigem Verlauf der Erkrankung wichtig

  • dem psychisch kranken Menschen und seinen Angehörigen Hilfe zum Verständnis und zur Akzeptanz der Krankheit zu geben;

  • sich auf die vorhandenen Fähigkeiten zu konzentrieren und an deren Weiterentwicklung sowie der Entwicklung kompensatorischer Fähigkeiten zu arbeiten;

  • ein angemessenes Maß an Tätigsein sicherzustellen mit dem Ziel der (Wieder-) Erlangung der Teil- bzw. Vollerwerbsfähigkeit;

  • Möglichkeiten der sozialen Integration zu fördern.

Diese Grundsätze sind auch bei Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung zu berücksichtigen.

"Mich belastet es immer, wenn ich das Gefühl habe, da ist etwa Unausgesprochenes. Wenn der Chef mich anmotzt, kann ich damit umgehen.

Aber das Gefühl, es läuft etwas hintenrum, davor habe ich große Angst. Also mir ist es auch sehr wichtig, wenn Konflikte direkt angesprochen und möglichst direkt geklärt werden." [9]

Nicht zuletzt die Krankenkassen haben aufgrund ihrer Untersuchungen zu Ausmaß, Ursachen und Auswirkungen von Fehlzeiten zunehmend Aktivitäten hinsichtlich Prävention und Gesunderhaltung bzw. -förderung unternommen (vgl. DAK 2005; BUSCH/AOK BER¬LIN 2004; BADURA/SCHELLSCHMIDT/ VETTER 2004).

Den Ergebnissen entsprechender Projekte ist zu entnehmen, dass betriebliche Gesundheitsförderung besonders dann erfolgreich ist, wenn

  • im Betrieb psychische Belastungen wie Stress und hoher Zeitdruck abgebaut werden (z.B. persönliche Leistungskurve beachten, regelmäßige Pausen);

  • die Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Beschäftigten erhöht werden;

  • die Arbeitsabläufe, -organisation und -umgebung optimiert werden (z.B. klare Arbeitsanweisungen, Vermeidung von fachfremden Tätigkeiten, Abwechslung von Phase hoher Konzentration und Routinetätigkeiten, Lärmdämmung, gutes Raumklima);

  • die betriebliche Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und MitarbeiterInnen sowie unter den MitarbeiterInnen verbessert werden;

  • das Verständnis aller Beteiligten für den Umgang mit psychischer Erkrankung gefördert wird.

Der Wirkungsgrad verschiedener eingesetzter Maßnahmen kann anhand folgender Tabelle abgelesen werden (nach PRIEMUTH 2004, S. 7)[10]:

Abb.: zur Untersuchung des Wirkungsgrades

Die Ergebnisse zur Untersuchung des Wirkungsgrades zeigen zudem, dass die Potentiale einzelner Faktoren noch zu wenig genutzt werden. Diese Potentiale werden vor allem bei den in der Tabelle unterstrichenen Maßnahmen gesehen. Entscheidend für die Wirkung ist jedoch, dass die einzelnen Elemente fachlich kompetent, sensibel und aufeinander abgestimmt eingesetzt werden. D.h. betriebliche Gesundheitsförderung sollte dauerhafter Bestandteil der Personal- und Organisationsentwicklung eines Unternehmens sein (vgl. WALTER/ MÜNCH/BADURA 2004, S. 93ff.)[11]. Insbesondere dann können Fehlzeiten und damit verbundene Kosten gesenkt werden. Vielen Unternehmen fällt es jedoch schwer, diese eher präventiven Maßnahmen umzusetzen, da die genauen Wirkungen nicht immer eindeutig zugeordnet werden können. Zu Anfang steht somit eine Grundsatzentscheidung der Betriebsleitung (in Abstimmung mit dem Betriebs- und Personalrat), Gesundheitsförderung (zuerst vielleicht im Rahmen eines Pilotprojektes) zu betreiben[12]. Anlass hierzu sind oftmals überdurchschnittliche Fehlzeiten. Dann ist es wichtig,

  • zuerst eine kontinuierliche Analyse der Fehlzeiten vorzunehmen,

  • danach zielgerichtete Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung zu entwickeln und kontinuierlich umzusetzen,

  • sowie schließlich regelmäßige, auch zwischenzeitliche Erfolgskontrollen durchzuführen.

Dazu werden unter anderem von den Krankenkassen (und ihren medizinischen Diensten) sowie den Berufsgenossenschaften verschiedene Instrumente eingesetzt, wie z.B. das Erstellen von Branchenprofilen und -vergleichen anhand der Arbeitsunfähigkeitsdaten (z.B. durch Fehlzeitenanalyse und Mitarbeiterbefragung), oder die systematische Erhebung von Anforderungs- und Fähigkeitsprofilen[13],[14]. Zwischen einigen Krankenkassen und Unternehmen wurden zudem Bonussysteme vereinbart (z.B. Fraport).

Aber nicht nur manche Betriebe tun sich schwer. Bei der Auswertung von Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung wird z.B. die oftmals unzureichende oder fehlende Zusammenarbeit zwischen den Krankenkassen und anderen Leistungsträgern, z.B. den Berufsgenossenschaften, kritisiert (vgl. KUHN 2004, S. 53). Zudem sind Projekte zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu wenig kontinuierlich angelegt, eine Erfolgskontrolle findet oftmals nicht statt und nicht immer werden alle betrieblichen Akteure (wie Betriebs- und Personalrat, MitarbeiterInnen) einbezogen. Auch außerbetriebliche Kooperationspartner werden zu wenig berücksichtigt (vgl. LENHARDT 2004). Insgesamt gibt es somit noch erhebliche Potenziale zur Verbesserung der betrieblichen Gesundheitsförderung[15].

Wichtige Rahmenbedingungen zur Erhaltung und Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit setzt auch das SGB IX in § 83 (Integrationsvereinbarung) und § 84 (Prävention), Absatz 2 (betriebliches Eingliederungsmanagement). Während sich die Integrationsvereinbarung auf anerkannt schwerbehinderte ArbeitnehmerInnen bezieht, umfasst das betriebliche Eingliederungsmanagement alle Beschäftigten[16].

Durch eine unternehmensspezifische Integrationsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung (und/oder anderen Arbeitnehmervertretungen) soll grundsätzlich der Zugang zu Beschäftigung und der Erhalt von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen gesichert werden[17]. Noch längst nicht alle Unternehmen haben eine entsprechende Vereinbarung getroffen[18].

Das Eingliederungsmanagement bezieht sich ausdrücklich auf jene Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Zudem besteht eine enge Verbindung zum Konzept der "stufenweisen Wiedereingliederung" (vgl. § 74 SGB V und § 28 SGB IX), mit deren Hilfe Beschäftigte nach längerer Erkrankung wieder schrittweise an die Anforderungen im Betrieb herangeführt werden sollen (vgl. GLOMM 2005, S. 25ff.).

Abb.: Akteure des betrieblichen Eingliederungsmanagements

Die Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements sind letztlich vergleichbar mit jenen, die unter dem Begriff betriebliche Gesundheitsförderung aufgezeigt wurden[19]. An dieser Stelle sollen jedoch die Akteure und deren optimale Abstimmung besonders hervorgehoben werden. Dabei verweist der § 84, Absatz 2 SGB IX auch auf außerbetriebliche Dienstleister, die ggf. einzubeziehen sind: siehe Abbildung 7

"Ich weiß nicht, ob man sich das als Außenstehender vorstellen kann, aber nach einer solchen Krankengeschichte geht das Selbstwertgefühl völlig in den Keller. Lesen, schreiben, planen, organisieren - ich traute mir überhaupt nichts mehr zu. Ich brauchte jemand, der mir den Rücken stärkt. Der mir sagt: Sie schaffen das, Sie können das, Sie haben Fähigkeiten." [20]

Entscheidend wird sein, wie effektiv die Beteiligten als "Integrationsteam" zusammenarbeiten, denn der Erfolg ist wesentlich abhängig von einem nahtlosen Ineinandergreifen der erforderlichen Maßnahmen, vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen[21]. Dies setzt unter anderem eine zuverlässige, vertrauensvolle und verbindliche Absprache zwischen den Akteuren voraus[22]. Diese Anforderung erhöht sich mit dem Hinzuziehen externer Stellen und Dienste[23]. Dabei können die Integrationsfachdienste (IFD) aufgrund ihrer Ziel- und Aufgabenstellung nach § 109 ff. SGB IX (Vermittlung und Begleitung im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben)[24] und ihres vernetzten sowie betriebsnahen Ansatzes, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, eine besondere Funktion übernehmen[25]

Die Bedeutung der IFD als externe Partner wird auch in der Studie zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement beim BMW-Werk in Regensburg hervorgehoben: "Die Integrationsfachdienste sind sowohl von ihrem gesetzlichen Auftrag (§ 110 SGB IX) als auch prinzipiell von ihrer Fachlichkeit her geeignet, Betriebe beim Aufbau eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu unterstützen und die betriebliche Eingliederungsarbeit fortlaufend zu begleiten. Sie müssen ihre Arbeit nicht ausschließlich auf den Personenkreis der Schwerbehinderten beschränken (§ 109, 4 SGB IX) und können auch für leistungsgewandelte Mitarbeiter im Sinne der Prävention tätig werden" (MAGIN 2004, S. 62).

Voraussetzung für eine optimale Zusammenarbeit der IFD mit dem betrieblichen Integrationsteam wäre "eine enge Anbindung an das Integrationsamt zur Sicherung der Beratungsqualität, die konkrete Beauftragung im jeweiligen Einzelfall durch das Integrations amt, die Entwicklung eines Handlungskonzepts ‚Beratung bei Aufbau und Begleitung betrieblicher Integrationsarbeit' für den Integrationsfachdienst und eine entsprechende vertiefte Qualifizierung der Integrationsfachdienstmitarbeiter" (a.a.O.).



[7] Auszug aus Interviews mit psychisch erkrankten Menschen ( WL 1997, S. 20)

[8] Auszug aus Interviews mit psychisch erkrankten Menschen ( WL 1997, S. 23)

[9] Auszug aus Interviews mit psychisch erkrankten Menschen ( WL 1997, S. 23)

[10] An der Studie 2003 durchgeführten Studie nahmen 159 Unternehmen (unterschiedliche Branchen und Betriebsgrößen) aus Österreich, Deutschland und der Schweiz teil.

[11] Die Autoren betonen, dass entsprechende Konzepte auf der Basis einer "salutogenetischen Sichtweise" zu erstellen sind. Das bedeutet, das nach den Ursachen guter Gesundheit und den Potenzialen sowohl einzelner Personen als auch sozialer Systeme (hier Betrieb) gefragt wird (ebd., S. 97, Fußnote).

[12] Dies kann in Form einer "Betriebsvereinbarung" geschehen.

[13] Üblicherweise werden solche Maßnahmen eher von größeren Betrieben aufgegriffen und umgesetzt (z.B. Ford und Fraport). Interessanterweise gibt es jedoch auch erste Projekte und Ergebnisse im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe, wie in der Kfz-Branche in Schleswig-Holstein (vgl. STEINFELD/ ECK 2004, S. 199ff.).

[14] Die medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) greifen zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit auf die "Anleitung zur sozialmedizinischen Beratung und Begutachtung bei Arbeitsunfähigkeit" (ABBA) zurück (vgl. MDS 2004). Weitere Instrumente der betrieblichen Datenerfassung sind z.B. der "Arbeitsbewältigungsindex" (work ability index), SIGMA und BASA (zur Gefährdungsbeurteilung) sowie IMBA und MELBA (Profilvergleichs verfahren). Eine kurze Beschreibung mit weiterführenden Hinweisen findet sich in VER.DI 2005, S. 46ff. Verwiesen sei auch auf das "Informations-Beratungs-System", Modul 4: Psychische Beeinträchtigungen. Es enthält Fragen, Informationen und Hinweise zur Vorbereitung, Durchführung und Sicherung von Maßnahmen der beruflichen Eingliederung psychisch beeinträchtigter Menschen (WAHLER 1999)

[15] Zur Entwicklung der betrieblichen Gesundheitsförderung und zum Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz vgl. KUHN 2004 und URBAN 2004.

[16] Als Leistungsträger haben in Deutschland insbesondere die Berufsgenossenschaften die darin enthaltenen Möglichkeiten aufgegriffen. Vielfach wird in diesem Zusammenhang auch von "Disability Management" gesprochen. Der Begriff soll ausdrücken, dass z.B. nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung ein Management einsetzt, welches den Betroffenen ermöglichen soll, ihre Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen. Ursprünglich wurde dieser Ansatz von privaten Versicherungen in Australien, Kanada und den USA entwickelt. Der Begriff wurde später von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgenommen und entsprechende Maßnahmen zu dem "Leitfaden zum Management von Behinderung am Arbeitsplatz" (code of practice on managing disability in the workplace) zusammengefasst (vgl. MEHRHOFF 2004).

[17] Nach § 83 Absatz 2 SGB IX enthält die Integrationsvereinbarung u.a. Regelungen zur Personalplanung, Gestaltung von Arbeitsplatz und - umgebung, Arbeitsorganisation.

[18] In Kooperation der Schwerbehin dertenvertretung der Fraport AG und der BAG UB wurde zwischen Herbst 2001 und Frühjahr 2002 ein Projekt zur Weiterentwicklung der Integrationsvereinbarung durchgeführt. Die Ergebnisse wurden später in das Qua litätsmanagementsystem der Fraport AG eingebunden und unterliegen damit dem Prozess der kontinuierlichen Prüfung und Verbesserung (vgl. BERTAND/BUNGART 2003, S. 44ff.).

[19] Einen anschaulichen, zusammengefassten Überblick über Hintergrund, Inhalte, Akteure, Formen, Instrumente und Beispiele "guter Praxis" des betrieblichen Eingliederungsmanagements bietet VER.DI 2005. Zudem führt das Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation verschiedene Projekte zum betrieblichen Eingliederungsmanagem ent, u.a. mit FORD, durch (vgl. IQPR 2004).

[20] Auszug aus Interviews mit psychisch erkrankten Menschen ( WL 1997, S. 21)

[21] In einem Projekt zum betrieblichen Eingliederungsmanagement bei BMW in Regensburg wurden anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse auch monetäre Einspareffekte verdeutlicht (vgl. MAGIN 2004, S. 63ff.).

[22] Hierzu sei verwiesen auf das Prinzip der Freiwilligkeit der Maßnahmen, die Bestimmungen des Datenschutzes die ggf. erforderliche Schweigepflichtentbindung.

[23] Nach § 84, Absatz 3 SGB IX können die Reha-Träger und Integrationsämter Arbeitgebern, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.

[24] Dazu gehören u.a.: (Schwer-) behinderte Menschen und Arbeitgeber informieren, beraten und unterstützen; Erhebung von Fähigkeits-, Interessen und Leistungsprofil; geeignete Arbeitsplätze erschließen (z.B. bei Wiedereingliederung); die (schwer-) behinderten Menschen darauf vorzubereiten und so lange erforderlich

am Arbeitsplatz zu begleiten; Nachbetreuung, Krisenintervention und psychosoziale Betreuung; erforderliche Leistungen zu klären; Zusammenarbeit mit relevanten Partnern innerhalb des Reha-Systems.

[25] In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf die Ergebnisse zweier Forschungsberichte, die die Arbeit der Integrationsfachdienste für Menschen mit psychischen Erkrankungen evaluiert haben: BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALORDNUNG 1996 und TROST 1997.

Schlusswort

Nach der Darstellung von Hintergrund und Auswirkungen psychischer Erkrankung am Arbeitsplatz sowie der Darlegung möglicher Unterstützungsformen zur Sicherung und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, bleibt folgendes festzuhalten:

  • Unter Beachtung der Wünsche, Vorstellungen und Ressourcen der von psychischer Erkrankung betroffenen Menschen sowie mittels Einbindung ihrer Angehörigen,

  • durch eine effektive Koordination der Bestimmung und Bereitstellung adäquater, d.h. die Person stärkende Hilfen und Unterstützungsmaßnahmen, sowohl auf Seiten der Leistungsträger als auch auf Seiten der Leistungserbringer,

  • durch Optimierung betrieblicher Rahmenbedingungen und der Abstimmung aller inner- und außerbetrieblich Beteiligten, können Teilhabe gesichert und effiziente Kosten-Nutzen-Relationen erzielt werden. Davon profitieren ArbeitnehmerInnen, Betriebe und die sozialen Sicherungssysteme.

"Ich glaube, dass viele Menschen, die an einer Psychose leiden, oft sehr einsam sind. Sie haben Erfahrungen gemacht, die kaum weiterzugeben sind, weil sie den anderen fremd sind und Angst machen können. Hinzu kommt, dass Psychotiker ihre Umgebung oft sehr sensibel wahrnehmen, manchmal quälend genau. (...) Häufig ergibt sich ein Teufelskreis: Die Krankheit führt in die Isolation und die Isolation erneut in die Krankheit."

"Ich bin sehr froh, dass mein Arbeitgeber auch dann zu mir gehalten hat, wenn es mir einmal nicht so gut ging. Die Arbeit hält einen Menschen im normalen Leben. Und ich bin froh, dass ich im Betrieb nicht als ‚Psychotiker' abgestempelt bin. (...)

Wenn die anderen auch den ganz normalen Menschen sehen, dann kann man auch der ganz normale Mensch sein."

"Ich war lange Zeit mehr oder weniger gesund. Dann habe ich einen Rückfall erlitten, den ich überhaupt nicht wahrhaben wollte. Zurzeit bin ich dabei gesund zu werden.

Bald fange ich wieder mit meiner normalen Arbeit an. Lieber heute als morgen. (...)

Ich werde alles dafür tun, gesund zu bleiben. Also, ich will es mal so sagen:

Ich habe noch eine Menge Zukunft vor mir!" [26]



[26] Auszug aus Interviews mit psychisch erkrankten Menschen (LWL 1997, S. 11)

Literatur:

Aktion Psychisch Kranke (Hg.): Projekt "Bestandsaufnahme zur Rehabilitation psychisch Kranker". Zwischenbericht. Bonn 2002

Aktion Psychisch Kranke (Hg.): Der Personenzentrierte Ansatz in der psychiatrischen Versorgung. Bonn 2005

Badura, B.; Schellschmidt, H.; Vetter, C.: Fehlzeiten-Report 2004

BAR -Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (Hg.): Arbeitshilfe für die Rehabilitation und Teilhabe psychisch kranker und behinderter Menschen. Frankfurt am Main 2003

Baumann, U.; Perrez, M. (Hg.): Klinische Psychologie-Psychotherapie (1998) Berger, M.: Psychische Erkrankungen. 2. Auflage 2004

Bertrand, L.; Bungart, J.: Agenda der Fraport AG für eine neue Unternehmenspolitik für behinderte Kunden und Mitarbeiter. In: impulse, Fachzeitschrift der BAG UB, Heft 26, Juni 2003, S. 44ff.

Brill, K.-E.; Gredig, C.; Jäger, B.: Bestandsaufnahme zur Rehabilitation psychisch Kranker. In: impulse, Fachzeitschrift der BAG UB, Heft 24, November 2002, S. 4ff.

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.): Begleitende Hilfen im Arbeitsleben für psychisch Kranke und Behinderte. Forschungsbericht 257. Bonn 1996

Busch, R; AOK Berlin (Hg.): Unternehmensziel Gesundheit - Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Praxis - Bilanz und Perspektiven. Mering 2004

DAK Versorgungsmanagement (Hg.): Gesundheitsreport 2002/2005. Hamburg 2002/2005

Eikelmann, B.; Zacharias-Eikelmann, B.; Richter, D.; Reker, T.: Integration psychisch Kranker - Ziel ist die Teilnahme am "wirklichen" Leben. In: Deutsches Ärzteblatt. Heft 16,2005

Glomm, D.: Frühzeitige Bedarfserkennung von Teilhabeleistungen als betriebsärztliche Aufgabe. In: impulse, Fachzeitschrift der BAG UB, Heft 33, März 2005, S. 25ff.

Göbel, E.: Bilanz und Perspektiven. Eine Standortbestimmung der betrieblichen Gesundheitsförderung. In: Busch, R; AOK Berlin (Hg.): Unternehmensziel Gesundheit - Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Praxis - Bilanz und Perspektiven. Mering 2004, S. 34ff.

Hallwachs, H.: Teilhabe so genannter psychisch behinderter Menschen am Arbeitsleben - ein besonderer Auftrag der Gesellschaft?. In: Seyd, W.; Thrun, M.; Wicher, K. (Hg.): Die Berufsförderungswerke - Netzwerk der Zukunft. Hamburg 2004, S. 82ff.

Hasselhorn, H.-M.; Nübling, M.: Arbeitsbedingte psychische Erschöpfung bei Erwerbstätigen in Deutschland. In: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin 39 (2004)

Hautrop, W.; Scheibner, U.: Die Werkstätten für Menschen mit psychischen Behinderungen. Frankfurt am Main 2002

IQPR - Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation (Hg.): Prävention und Rehabilitation zur Verhinderung von Erwerbsminderung. Projektbericht 2. Entwurf. Köln, Januar 2004

Kuhn, J.: Die betriebliche Gesundheitsförderung zwischen konzeptioneller Erneuerung und praktischer Stagnation. In: Busch, R; AOK Berlin (Hg.): Unternehmensziel Gesundheit - Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Praxis - Bilanz und Perspektiven. Mering 2004, S. 51ff.

LWL - Landschaftsverband Westfalen-Lippe / Hauptfürsorgestelle: Ich hab' noch eine Menge Zukunft vor mir! Psychisch und geistig Behinderte im Arbeitsleben. Schriftenreihe, Heft Nr. 27. Münster 1997

Lenhardt, U.: Präventionsbericht zeigt Stärken und Schwächen der betrieblichen Gesundheitsförderung auf. In: Busch, R; AOK Berlin (Hg.): Unternehmensziel Gesundheit - Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Praxis - Bilanz und Perspektiven. Mering 2004, S. 44ff.

Magin, J.: Betriebliches Eingliederungsmanagement nach dem SGB IX. Projekt Integrationsteam LGW des BMW-Werkes Regensburg. Abschlussbericht. Hg.: Integrationsamt der Regierung der Oberpfalz. Regensburg 2004

MDS - Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (Hg.): Anleitung zur sozialmedizinischen Beratung und Begutachtung bei Arbeitsunfähigkeit (ABBA 2004). Essen 2004

Mehrhoff, F. (Hg.): Disability Management. Strategien zur Integration von behinderten Menschen in das Arbeitsleben. Stuttgart 2004

Priemuth, K.: Fehlzeiten effektiv reduzieren. In: Personalmanager 5, 2003 Rentsch H. P.; Bucher, P. O.: IFC in der Rehabilitation. Idstein 2005

Rüst, T.; Debrunner, A.: "Supported Employment" - Modelle unterstützter Beschäftigung bei psychischer Beeinträchtigung. Zürich/Chur 2005

Steinfeld, A.; Stein, B.; Beck, D.: Arbeits-und Gesundheitsschutz in Klein- und Mittelbetrieben. In: Busch, R; AOK Berlin (Hg.): Unternehmensziel Gesundheit - Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Praxis - Bilanz und Perspektiven. Mering 2004, S. 199ff.

Stuber, M.: Diversity. Das Potential von Vielfalt nutzen - Den Erfolg durch Offenheit steigern. Verlag Luchterhand 2004

Trost, R.: Integrationsfachdienste für Menschen mit psychischer Behinderung in Baden-Württemberg. Tübingen 1997

Urban, H.-J.: Perspektiven einer innovativen betrieblichen Gesundheitspolitik - aus gewerkschaftlicher Sicht. In: Busch, R; AOK Berlin (Hg.): Unternehmensziel Gesundheit - Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Praxis - Bilanz und Perspektiven. Mering 2004, S. 59ff.

VER.DI (Hg.): Prävention und Eingliederu ngsmanagement. Arbeitshilfe für Schwer behindertenvertretungen, Betriebs- und Personalräte. Frankfurt am Main 2005

Vetter, C.; Redmann, A.: Arbeit und Gesundheit - Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen in mehr als 150 Betrieben. WIdO-Materialie Bd. 52, Bonn 2005

Wahler, R.: Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen in Arbeit und Beruf - Informations-Beratungs-System

Walter, U.; Münch, E.; Badura, B.: Betriebliches Gesundheitsmanagement - eine Investition in das Sozial-und Humankapital. In: Seyd, W.; Thrun, M.; Wicher, K. (Hg.): Die Berufsförderungswerke - Netzwerk der Zukunft. Hamburg 2004, S. 93ff.

Wendt, W.R.: Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen - Eine Einführung. Freiburg 1997

Wittchen, H.U.; Jacobi, F.: Die Versorgungssituation psychischer Störungen in Deutschland. Eine klinischepidemiologische Abschätzung anhand des Bundes-Gesundheitssurveys 1998. In: Psychotherapeutenjournal 0/2002

Quelle:

Jörg Bungart, BAG UB: "Es gibt eine Menge Gründe, warum in unserer Gesellschaft immer mehr Leute verrückt werden." Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz - Teil 2

erschienen in: impulse Nr. 37, Jänner 2006, Seite 28 - 34.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 18.09.2007

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation