Es ist Bewegung in der Landschaft

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 37, Jänner 2006, Seite 16 - 23. impulse (37/2006)
Copyright: © Klaus-Peter Böhringer 2006

Es ist Bewegung in der Landschaft

Die Menschen in Baden- Württemberg sind Schwaben und Badener. Die Schwaben gelten als "Schaffer" und die Badener als "Genießer".

Die Schwaben kommen oftmals vor lauter "schaffe" nicht zum Reden und zum Erzählen, was sie eigentlich "schaffe"- sie "tüfteln" im Kämmerlein und lassen niemand zuschauen, schon gar nicht erzählen sie Anderen von dem, was sie so treiben. Die Badener sind etwas gelassener, sie verstehen eher das Leben zu genießen und nehmen das "schaffen" nicht gar so ernst. So ist diese Mischung aus den beiden Volksstämmen eigentlich das Rezept für ein gutes Miteinander trotz der Unterschiede.

Wir sollten uns angewöhnen, etwas mehr darüber zu erzählen, was wir tun. Das würde auch dazu beitragen, dass Baden-Württemberg, was z.B. die Integrationsdebatte betrifft, sich mit seinen Projekten durchaus nicht zu verstecken braucht und ruhig etwas selbstbewusster in die Diskussion eingreifen könnte.

In der letzten Ausgabe der Impulse (Nr. 36) waren zwei Berichte über Modelle zur beruflichen Integration von Menschen, hier besonders von Abgängern der Sonderschulen, erläutert. (BVE und PIC) Wie vielgestaltig die Bemühungen um die Integration von Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg sind, sei in diesem Überblick noch einmal verdeutlicht.

Die Bildungslandschaft ist derzeit in einem Wandel begriffen, der durch die gesellschaftlichen Veränderungen zwangsläufig herbeigeführt wurde. Immer mehr Menschen, die wir als "normal entwickelt" bezeichnen, haben Schwierigkeiten, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden oder zu behaupten. Die steigende Zahl der Menschen, die eine psychische Erkrankung oder eine Suchtproblematik entwickeln, beweist dies eindrücklich.

Auf der anderen Seite wird uns eingeredet, dass es immer weniger Arbeitsplätze gäbe, die geringere Anforderungen stellen, und deshalb sei eine möglichst hoch qualifizierende Ausbildung das Allheilmittel für unsere gesamtgesellschaftlichen Probleme schlechthin.

Dass dem durchaus nicht so ist, beweisen andere hoch entwickelte Industrienationen. Es ist vielmehr so, dass wir uns es immer noch leisten, diese Arbeiten nicht von den Menschen ausführen zu lassen, die dazu in der Lage wären, sondern wir alimentieren solche Menschen, um sie nicht "zwingen" zu müssen, zu arbeiten.

Hier liegt einer der Gründe, warum die Arbeitsverhältnisse von "lernschwachen" Menschen oftmals scheitern- sie entwickeln keine Motivation eine zwar einfache, aber durchaus einträgliche Arbeit aufzunehmen bzw. zu behalten. In der Literatur ist belegt, dass die meisten Arbeitsverhältnisse "Lernschwacher" nicht an fehlenden fachpraktischen Kompetenzen scheitern, sondern an Fehlverhalten infolge ungenügender Motivation.

Wer in unserem Gesellschaftssystem keine Ausbildung, zumeist im dualen System, absolviert, ist ein Versager. Da dieses System immer höhere Anforderungen stellt, nimmt die Zahl dieser Versager drastisch zu.

Ein Teufelskreis, den es endlich zu durchbrechen gilt. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine andere Einstellung unserer Gesellschaft, was die "Wertigkeit" von Menschen und deren Akzeptanz betrifft. Hier ein Versuch, dies zu veranschaulichen:

Begabungen

Kompetenzen

Fähigkeiten

Fertigkeiten

Abb.: Delphin und Kuh springen nebeneinander über das Wasser

Beides sind Tiere, doch niemand würde auf die Idee kommen, von ihnen dasselbe zu verlangen!!! Bei den beiden "Kandidaten" fällt es uns leicht, verschiedene naturgegebene Kompetenzen und Fähigkeiten zu diagnostizieren!

Wie ist dies aber bei Menschen, die unter gleichen Bedingungen in ähnlichen sozialen Umfeldern aufwachsen?

Ist man nicht geneigt, bei den Menschen mit besonderen Bedürfnissen immer nur das zu sehen, was sie nicht können?

Prägen nicht die Defizite das Bild dieser Menschen?

Warum ist der Blick auf deren Fähigkeiten so verstellt?

Gibt es keine Möglichkeiten, ihre besonderen Kompetenzen zu erkennen?

Diese Fragen und die Beispiele zahlreicher beruflich und sozial erfolgreich und nachhaltig eingegliederter Schüler waren für uns Anlass, diese jungen Menschen anders zu sehen und ihnen Möglichkeiten zu bieten, ihre Fähigkeiten entwickeln und beweisen zu können. Dies erforderte jedoch ein radikales Umdenken und bereitete uns einige Probleme.

Der IQ ist nicht das Maß aller Dinge

Wir messen der Erfassung und Klassifizierung von Variablen der menschlichen Intelligenz in der Regel eine unangemessen große Bedeutung zu:

Abb: Intelligenzquotienten

Die Ermittlung des "Intelligenzquotienten" (IQ) ist rechnerisch einfach, sofern man das "Entwicklungsalter" (EA) einzuschätzen vermag. Die Ermittlung des Lebensalters (LA) ist in der Regel wesentlich leichter. Menschen entwickeln sich jedoch, wie man inzwischen weiß, ganz unterschiedlich; es gibt keine Norm des Entwicklungsverlaufes.

Es ist der falsche Ansatz, das Kompetenzprofil eines Menschen mit Behinderung (grün) dem eines sog. nicht behinderten Menschen (blau) angleichen zu wollen. Therapien, die dies versprechen, sind nicht zielführend. Denn unbeachtet bleibt dabei, dass das Entwicklungstempo bei Menschen mit Behinderung langsamer ist als bei Menschen ohne Behinderung. Die Menschen sind gemäß ihrer "Entwicklungsprofile" eigenständige, vollwertige Persönlichkeiten, sie sind - so wie sie sind - gleichwertige und gleichberechtigte Mitmenschen.

Und es gibt Menschen mit Behinderung, die in einzelnen Kompetenzbereichen Menschen ohne Behinderung überlegen sind (z.B. soziale Kompetenz- rot)

Um das Entwicklungsprofil der einzelnen Menschen positiv zu beeinflussen, bedarf es vor allem des Aufbaus von Motivation - dies betrifft nicht allein Menschen mit Behinderung, ist bei diesen jedoch besonders bedeutsam, weil es oftmals daran mangelt.

Die Ermittlung des IQ spielt in unserer Einrichtung inzwischen eine untergeordnete Rolle!

Mehrere Veröffentlichungen belegen, dass die nachfolgend vorgestellte Angebotsstruktur Ergebnis langjähriger Bemühungen sind. Ein Projekt baut auf dem anderen auf. (Grafik S.5)

Die Verselbständigung frühzeitig unterstützen

Weitere Gründe für das Scheitern dieser Menschen sind die mangelnden oder fehlenden Unterstützungs -und Begleitstrukturen. Auch der Zeitpunkt der zielorientierten Planung einer weitgehend selbstständigen Lebensführung dieser Menschen liegt oftmals viel zu spät.

Eindrücklich dokumentiert wurde dies beim Schweizer- Heilpädagogik- Kongress 2005 in Bern. Dort wurde über die Evaluation der Bemühungen um die Umsetzung des "Lehrstellenbeschlusses" II (modulares System zur beruflichen Qualifizierung lernschwacher Jugendlicher) berichtet. (Die Schweiz hat eine beträchtliche Summe in die modulare Ausbildung von Menschen mit wesentlichen Lernbeeinträchtigungen investiert) Demzufolge ist die Umsetzung dieses Beschlusses deshalb nicht erwartungsgemäß erfolgreich verlaufen, weil:

  • der Übergang in die berufliche Bildung zu spät und abrupt, ohne Vorbereitung erfolgte,

  • der Übergang in ein weiteres "geschlossenes" System ohne Netzwerk erfolgte,

  • es keine Unterstützungs- und Begleitstrukturen gab.

Diese Erkenntnisse decken sich mit unseren Erfahrungen. Baden- Württemberg hat daraus die entsprechenden Schlüsse gezogen und Projekte zur Verselbstständigung unterstützt.

Seit der Verwaltungsreform (Januar 2005) liegt die Verantwortung für die Eingliederungshilfe bei den regionalen Kostenträgern (Landkreise und Städte). Die jeweiligen Regionen sind nunmehr viel "näher" an den Entscheidungsprozessen beteiligt. In dieser relativ kurzen Zeit haben sich die Bemühungen um Vernetzung und Kooperation deutlich gesteigert. Der Nachfolgeverband der beiden Landeswohlfahrtsverbände, der KVJS (Kommunaler Verband für Jugend und Soziales) hat seine Bemühungen um die Verselbstständigung von Menschen mit Behinderungen wesentlich gesteigert und gebündelt. Er hat die Bedeutung einer möglichst frühen Unterstützung (Prävention) erkannt und die Schulen als wichtige Kooperationspartner in die Weiterentwicklung einbezogen.

Schon immer waren die Integrationsfachdienste in Baden-Württemberg ausdrücklich angehalten, mit Schulen zu kooperieren, und Schüler von Sonderschulen gehörten von Beginn an zu der Zielgruppe der Fachdienste. Immer mehr Schulen lassen sich auf diese Kooperation ein und entwickeln regionale Verselbstständigungskonzepte.

Inzwischen gibt es in Baden-Württemberg mehr als 50 Projekte, die entsprechende Netzwerke aufbauen und pflegen. Es haben sich auch gemeinsame Strategien etabliert, die dem "Normalisierungskonzept" verpflichtet sind:

  • Präventiv statt kurativ

  • regional statt überregional

  • betrieblich vor institutionell

  • ambulant vor stationär

  • individuell vor pauschal

Diese Prinzipien liegen der Kampagne "IFD Plus 1000" zugrunde, die der KVJS gestartet 2005 hat.

Diese Kampagne sieht vor, dass durch die Vernetzung von Schulen, Fachdiensten und weiteren Partnern in den nächsten 5 Jahren die Zahl von 1000 Jugendlichen mit einer wesentlichen Lernbeeinträchtigung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden sollen, vor dem Hintergrund der bisherigen Vermittlungszahlen in BW eine durchaus realistische Annnahme. Hierbei kommt dem Übergang Schule-Beruf eine zentrale Bedeutung zu.

Bausteine der beruflichen und sozialen Eingliederung von Schülern und Schülerinnen mit Behinderung an der Gustav-Heinemann-Schule (Chronologische Entwicklung)

Abb: Bausteine der beruflichen und sozialen Eingliederung von Schülern und Schülerinnen mit Behinderung an der Gustav-Heinemann-Schule (Chronologische Entwicklung)

Siehe Abbildung: Bausteine der beruflichen und sozialen Eingliederung von Schülern und Schülerinnen mit Behinderung an der Gustav-Heinemann-Schule (Chronologische Entwicklung)

Immer einen Schritt voraus denken

Die von Herrn Deusch vom KVJS entwickelte Schnittstellenkonzeption hat sich zur "Netzwerk- und Berufswegekonferenz" weiter entwickelt und ist heute Standard in den Bemühungen um die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderungen geworden.

Sie ist ein "Grundbaustein" der Kampagne und Voraussetzung einer erfolgreichen Eingliederung.

Die Zielvorgabe, wonach in den nächsten 3 Jahren (Dauer der Modellphase der beiden Projekte PIC und KoBV insgesamt 1000 Menschen mit Behinderungen beruflich eingegliedert werden sollen, erscheint auf den ersten Blick utopisch. Gemessen an den bisherigen Eingliederungszahlen und unter Einsatz der neuen Strukturen ist dies allerdings aus unserer Sicht ein durchaus erreichbarer Wert.

Die verstärkten Bemühungen von Schulen, die nach dem Projekt "BVE" arbeiten, werden ebenfalls einen erheblichen Beitrag zur Erreichung dieser Quote leisten. Wenn man diese Zahl auf die einzelnen Schulen und die Laufzeit umrechnet, so sollte jede Schule ca. 3 Schüler im Jahr eingliedern -das ist leistbar.

Inzwischen hat man auch erkannt, dass nicht nur anerkannte Schwerbehinderte Unterstützung benötigen, sondern auch so genannte "Grenzgänger" die nicht eindeutig einer der 10 Sonderschultypen in Baden- Württemberg zugeordnet werden können. Immer mehr Absolventen der Hauptschule benötigen Unterstützung bei der beruflichen Orientierung, von den Abgängern der "Förderschule" (Schule für Lernhilfe) ganz zu schweigen. Beide Schulen verfolgen das Bildungsziel "Ausbildungsreife" während wir von der SfG (Schule für Geistigbehinderte) das Ziel "Arbeitsreife" erreichen wollen.

Der KVJS hat sich dieser Problematik ebenfalls gestellt und die IFD ermächtigt, sich auch um Absolventen der Förderschule zu bemühen. Dies ist eine wichtige präventive Maßnahme, die schon bald Früchte tragen wird.

Im Enzkreis haben wir eine "Ausbildungsinitiative" gestartet. Dabei werden ausbildungsfähige Schulabgänger bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz aktiv unterstützt und bei Aufnahme der Ausbildung vor Ort durch "job-coaches" begleitet. Dies ist nichts anderes, als ein für eine andere Personengruppe entwickeltes Unterstützungsverfahren bedürfnis- und bedarfsgerecht transponiert. Die Akquise von Praktikumsplätzen geschieht gemeinsam mit dem Träger dieser Initiative (Verein Miteinander leben) und der BVE - so werden hier Synergieeffekte genutzt und vermieden, dass sich mehrere Akquisiteure bei den gleichen Firmen melden, was des Öfteren zu Unstimmigkeiten geführt hat.

Ein weiteres synergetisches Projekt denken wir mit dem Träger der WfbM an: die Vernetzung des Berufsbildungsbereiches der WfbM mit der Werkstufe (Abschlussstufe) der SfG.

Unterstützung durch die Politik

Es ist Bewegung in der Landschaft- auch die Politik ist auf unsere Bemühungen aufmerksam geworden.

In seiner Regierungserklärung vom 09.Nov. 2005 stellte Ministerpräsident Öttinger insgesamt 5,26 Mio. für die "Individuelle Lernbegleitung für benachteiligte Jugendliche beim Übergang Schule-Beruf" in Aussicht.

Öttinger spricht auch vom Einsatz von "Jugendbegleitern", die eine Chance bieten zur besseren "Vernetzung von Schul- und Arbeitswelt".

Die Landesstiftung Baden- Württemberg schreibt einen Wettbewerb zur "Förderung der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung von Menschen mit Behinderung" aus.

Die Ausschreibung verfolgt das Ziel, "die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderung durch finanzielle Förderung von innovativen Projekten in den Bereichen Selbstständiges Wohnen, Ausbildung und Eingliederung ins Arbeitsleben" zu unterstützen.

Ressourcen optimal ausnutzen

Es bewegt sich etwas in unserem Land! Schulen, Werkstätten, Kostenträger, Landkreise, Städte und andere Partner sehen sich vor das Problem gestellt, dass die Zahl der Menschen, die der Unterstützung bedürfen, stark zunimmt und dass sich die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht in gleichem Masse steigern lassen. Die naheliegende Lösung wäre die Reduzierung der Unterstützungsleistungen oder die Ausschöpfung "verdeckter" Ressourcen oder gar die Erschließung von Ressourcen anderer Kostenträger, die sich bisher wenig um diese Problematik gekümmert haben, weil sie nicht gefordert waren.

Ein Weg ist sicher auch, Überlegungen anzustellen, wie (noch) vorhandene Ressourcen intelligenter als bisher genutzt werden können, und wie sich Synergieeffekte erzielen lassen.

Das Beispiel der gemeinsamen Akquise sei hier als Beispiel angeführt.

Es gibt zahlreiche andere Beispiele, wie sich vorhandene finanzielle Ressourcen, fachliche Kompetenzen und Erfahrungen vernetzen ließen.

Wir sind derzeit dabei, das reichlich vorhandene Fachwissen und die jahrzehntelange Erfahrung von Menschen aus der Arbeitswelt zu nutzen, indem wir sie als "job-coaches" beschäftigen.

Solches, überwiegend ehrenamtliches Engagement, wird zunehmend auch von der Politik gefordert und es nimmt keiner anderen Person einen Arbeitsplatz weg.

Ein weiterer Schritt zur Vernetzung und Kooperation unternahm der KVJS mit der Konzeption eines landesweiten "Teilhabeausschusses" der sich in 3 Unterausschüsse gliedert:

  • Arbeitsausschuss Schule

  • Arbeitsausschuss KVJS

  • Arbeitsausschuss WfbM

Vernetzung der Bemühungen um die berufliche und soziale Eingliederung:

Abb.: Vernetzung der Bemühungen um die berufliche und soziale Eingliederung:

In diesen Ausschüssen sind Mitglieder aus allen 4 Regierungsbezirken des Landes vertreten, so dass eine landesweite "horizontale Information und Kooperation" gewährleistet ist. In diesen Ausschüssen sind alle Projekte mit ihren jeweiligen Schwerpunkten repräsentiert.

Der Teilhabeausschuss sammelt die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den regionalen Projekten und erarbeitet Vorschläge für die Politik. Die enge Vernetzung ist Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit.

Begleitend und übergreifend, sozusagen als "Klammer", haben wir die BAG UB und Projekte aus dem EQUAL-Programm der EU einbezogen, die thematisch genau das widerspiegeln, was in den Ausschüssen erarbeitet wird (siehe Grafik).

Wichtig erscheint uns der gleichberechtigte Ansatz von rein berufsorientierten Projekten und solchen, die einen "ganzheitlichen" oder "integralen" Ansatz verfolgen. Insbesondere die Projekte, die aus den Schulen heraus entwickelt wurden, sind dem integralen Ansatz verpflichtet, wonach Wohnen - Arbeiten - Partnerschaft - Freizeit - Öffentlichkeit als wesentliche Lernfelder im Übergang Schule-Beruf gleichberechtigt nebeneinander stehen. Oftmals erwächst die Motivation für die Aufnahme einer Beschäftigung aus den Erfahrungen im Trainingswohnen.

Auch in diesem Feld konnte die Entwicklung der Verselbstständigungsbemühungen voran gebracht werden - seit mehr als einem Jahr verfügen die beiden G-Schulen des Enzkreises (Schule am Winterrain in Ispringen und die Gustav- Heinemann- Schule in Pforzheim) über die Möglichkeit, Schüler, die aus sozialen Gründen aus der Familie genommen werden (müssen oder selbst gehen wollen) nach dem Trainingswohnen in das "Betreute Wohnen für Schüler" aufzunehmen (derzeit wohnen insgesamt 6 Schüler in zwei Häusern).

Siehe Abbildung: Vernetzung der Bemühungen um die berufliche und soziale Eingliederung:

Mit Unterstützung des Integrationsamtes haben wir inzwischen ein Projekt zur Unterstützung von Schülern mit autistischem Syndrom entwickelt, evaluiert und eingerichtet, das den Förderbedürfnissen dieser Menschen mehr als bisher gerecht wird.

Auch in diesem Bereich stehen wir erst am Anfang neuer Erkenntnisse und Entwicklungen, die Anlass geben, über eine lebenswertere Zukunft dieser Menschen ernsthaft nachzudenken.

Qualifizierung oder Arbeitsplatzanpassung?

Zu Beginn des neuen Schuljahres 2005/2006 sind wir in die Verantwortung für die berufliche und soziale Eingliederung von Menschen mit einer Körperbehinderung einbezogen. Dies zwingt uns zum Nachdenken, ob der Weg der Qualifizierung dieser Menschen als Voraussetzung für die berufliche Eingliederung der richtige Weg ist, oder ob wir in diesem Bereich nicht gefordert sind, die bisherigen Konzepte zu überdenken und in der Richtung weiter zu entwickeln, dass wir die Arbeitsplätze den Bedürfnissen dieser Menschen anpassen. Dies würde bedeuten, dass wir zu überlegen hätten, welche (einfachen) Arbeiten diese Menschen in einem Betrieb ausführen können, in dem wir zuvor die Bedingungen vor Ort geschaffen haben. Dies ist nichts anderes als die regionale Schaffung von (zusätzlichen) Arbeitsplätzen, in die durchaus Unterstützungsleistungen einfließen können. Hier kommt dem Prinzip "ambulant vor stationär" besondere Bedeutung zu.

Ohne Vernetzung geht es nicht!

Solche Strategien sind nur mit Partnern in der Region umzusetzen. Sie bedürfen eines gut ausgebauten und funktionierenden Netzwerkes.

Die drei Projekte KoBV-PIC und BVE sind sowohl über den Teilhabeausschuss vernetzt als auch über die Projekte mit der BAG UB im Bereich EQUAL, wobei dem Prinzip der "horizontalen Transparenz" wesentliche Bedeutung zukommt.

Kreierung von Arbeitsplätzen:

Abb.: Kreierung von Arbeitsplätzen

Berufliche und soziale Eingliederung von Menschen mit wesentlichen Lernbeeinträchtigungen

(Abgänger von Schulen die nicht zur Ausbildungsreife wohl aber zur Arbeitsreife geführt werden können)

Abb.: Berufliche und soziale Eingliederung von Menschen mit wesentlichen Lernbeeinträchtigungen

Die Erfahrungen und Erkenntnisse bieten wir über die geschaffenen Gremien und Projekte gerne an. Insbesondere das Forum "Übergang Schule- Beruf" bietet eine geeignete Plattform zum Austausch von Ideen und Erfahrungen. Diese über die Landesgrenzen hinaus reichende Vernetzung ist eine Aufgabe, der wir uns verstärkt stellen wollen.

Siehe Abbildung: Berufliche und soziale Eingliederung von Menschen mit wesentlichen Lernbeeinträchtigungen (Abgänger von Schulen die nicht zur Ausbildungsreife wohl aber zur Arbeitsreife geführt werden können)

Umbenennung als Ausdruck der eigentlichen Aufgabe

Für einige der Partner im Netzwerk ist die Bezeichnung "Schule für Geistigbehinderte" eher hinderlich. Nicht dass wir selbst grundsätzliche Einwände hätten, aber wir haben lange nachgedacht über eine treffendere Bezeichnung, die den Auftrag der Schule in den Mittelpunkt stellt und nicht die Besonderheiten der Schüler. Die Schule hat eine andere Bedeutung und Stellung im Netzwerk bekommen; sie liefert nicht mehr einer nachfolgenden Einrichtung zu, sondern die allgemein akzeptierte Aufgabe ist die Verselbstständigung der Schüler und die Hinführung zu einer weitgehenden selbstständigen Lebensführung. Im Kontext der Partner hat die Schule einen besonderen Platz, hat sie als Institution doch die längste Zeit der Entwicklung zu begleiten und trägt somit eine besondere Verantwortung hinsichtlich der beruflichen und sozialen Eingliederung ihrer Schüler. Sie ist mit den Partnern verantwortlich für eine möglichst weitgehende Teilhabe- dies war für uns der Grund, unsere Schule anders zu benennen:

Schule zur Förderung der Teilhabe

Gerne stehen wir mit Informationen zur Verfügung.

Klaus-Peter Böhringer Mitglied des Arbeitsausschusses Schule

Quelle:

Klaus-Peter Böhringer: Es ist Bewegung in der Landschaft

erschienen in: impulse Nr. 37, Jänner 2006, Seite 16 - 23.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 14.11.2007

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation