Rheinische Erkenntnisse
erschienen in: impulse Nr. 34, Juli 2005, Seite 14 - 15. impulse (34/2005)
Inhaltsverzeichnis
Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) ist der überörtliche, kommunale Träger, unter dessen Dach verschiedene Aufgaben gebündelt sind. Unter anderem ist der LVR Träger des Integrationsamtes und des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe.
Der Übergang von der Werkstatt für behinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist für das Integrationsamt des Landschaftsverbandes Rheinland schon seit Jahren ein wichtiges Arbeitsfeld. Bereits von 1995 bis zum Jahr 2000 ist ein Forschungs- und Modellprojekt durchgeführt worden, in dem der Übergang von Werkstattmitarbeitern in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit Unterstützung durch einen Integrationsfachdienst erprobt wurde.[1]
Ausgehend von diesen positiven Erfahrungen hat der Landschaftsausschuss Ende 2001 ein weiteres zweijähriges Modell zum Übergang von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der rheinischen Werkstätten für Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt beschlossen. Das Modell wurde sowohl personell als auch finanziell als Ämter übergreifendes Projekt (Integrationsamt und Überörtlicher Träger der Sozialhilfe) von einer Projektgruppe unter Leitung von Klaus-Peter Rohde durchgeführt.
[1] Landschaftsverband Rheinland (Hg.) (2000): Übergänge von der Sonderschule/ WfB in das Erwerbsleben; Köln: Druckerei des Landschaftsverbandes (Kostenloser Bezug über die Autoren)
Ziel des so genannten unterstützenden Modells war es, im Modellzeitraum (01.01.2002-31.12.2003) ca. 0,5 % (ca. 110 Personen) der in rheinischen Werkstätten für Menschen mit Behinderung beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Integrationsfachdienst mit dem Auftrag der Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzuweisen.[2] Diese Unterstützungsleistung wurde vom Integrationsamt finanziert.
Um für die Werkstätten einen finanziellen Anreiz zur Beteiligung am Modell zu schaffen und um Nachteile, die durch die Vermittlung eines leistungsstarken Mitarbeiters auf den allgemeinen Arbeitsmarkt entstehen, auszugleichen, erhielt die Werkstatt bei erfolgreicher und dauerhafter Vermittlung eines Mitarbeiters die Werkstatt-Pauschale für einen sechsmonatigen Zeitraum in 50%iger Höhe nach dem Ausscheiden fortgezahlt. Diese Prämie sollte auch sicherstellen, dass - bei Scheitern des Arbeitsversuchs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt während der Probezeit - die Rückkehr in die Werkstatt nahtlos erfolgen konnte. Die durch diese Prämie entstehenden Kosten wurden aus Mitteln des Rheinischen Sozialamtes finanziert.
Insgesamt sind in den Modelljahren 2002 und 2003 135 Personen aus den WfbM den IFD zugewiesen worden.[3]
Von diesen 135 Personen sind 32,6% weiblich (44) und 67,4% männlich (91). Die durchschnittliche Beschäftigungszeit der im Modell beteiligten Personen in der jeweiligen Werkstatt beträgt 5,8 Jahre; das Durchschnittsalter liegt bei 34,9 Jahren (siehe Tabelle 1).
Bei 68 (50,3%) der im Modell beteiligten Personen liegt eine seelische Behinderung vor, 55 Personen (40,7%) haben eine geistige Behinderung oder eine Lernbehinderung, bei sechs Personen (5,5%) liegt eine geistige und eine körperliche Behinderung vor, vier Personen (3,0%) weisen eine körperliche Behinderung auf und zwei Personen (1,5%) haben eine geistige und eine seelische Behinderung.
Im Rahmen der Vermittlungstätigkeit der Integrationsfachdienste wurden insgesamt 176 Praktika in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes durchgeführt, begleitet und gemeinsam mit den Werkstätten ausgewertet - in einigen Fällen wurden mehrere Praktika durchgeführt.
Bis einschließlich April 2004 wurden 32 Personen (23,7%) auf unbefristete sozialversicherungspflichtige Arbeits- oder Ausbildungsplätze des allgemeinen Arbeitsmarktes vermittelt.[4] Davon sind 29 Arbeitsplätze Vollzeit-Arbeitsverhältnisse und drei Teilzeit-Beschäftigungen. Eine dieser vermittelten Personen konnte in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis in einer Bäckerei vermittelt werden.
Darüber hinaus nahmen zwei Personen eine geringfügige Beschäftigung ("Mini-Job") auf.
Die vermittelten Beschäftigungsverhältnisse sind überwiegend Helfer-Tätigkeiten im Einzelhandel, der Industrie, im Handwerk oder im hauswirtschaftlichen Bereich.
Fünf Vermittlungen erfolgten in Integrationsunternehmen, die durch das Integrationsamt gem. §§ 132 ff. SGB IX gefördert werden.
Die 34 Personen, die in eine sozialversicherungspflichtige oder sonstige Beschäftigung vermittelt werden konnten, verteilen sich hinsichtlich der Kriterien Behinderungsart, Alter und Beschäftigungszeit in der Werkstatt entsprechend der o.g. Gesamtverteilung.
Tabelle 1: Beschäftigungsdauer in der WfbM und Altersstruktur
Beschäftigungsdauer in der WfbM |
Personen |
Alter |
Personen |
|
unter 2,5 Jahre |
44 |
unter 25 Jahre |
13 |
|
2,5 bis 6 Jahre |
35 |
25 bis 35 Jahre |
65 |
|
6 bis 10 Jahre |
35 |
36 bis 45 Jahre |
48 |
|
über 10 Jahre |
21 |
über 45 Jahre |
9 |
52 Personen konnten vom Integrationsfachdienst nicht im Zuweisungszeitraum von zwölf Monaten vermittelt werden oder beendeten in Absprache mit dem Integrationsfachdienst und der Werkstatt die Betreuungen durch den Integrationsfachdienst vorzeitig und verbleiben in der Werkstatt. Die Gründe hierfür sind zum Beispiel:
-
längerfristige Erkrankung
-
Wunsch nach Verbleib in der Werkstatt
-
private / familiäre Probleme
-
Scheitern eines Praktikums
-
Schwangerschaft.
49 Personen befinden sich im Rahmen des unterstützenden Modells derzeit noch in Betreuung durch die Integrationsfachdienste.
Im Rahmen des unterstützenden Modells haben sich insgesamt 35 Werkstätten für Menschen mit Behinderung durch Benennung einzelner Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter beteiligt. Eine Werkstatt hat mit dem regionalen Integrationsfachdienst eine Vereinbarung über ein festes Kontingent von zehn Personen geschlossen, welche die Werkstatt dauerhaft dem Integrationsfachdienst mit dem Ziel der Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt benennt.
Über die Aufnahme einzelner Werkstatt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in das unterstützende Modell wurde in den Fachausschüssen der WfbM entschieden. Neben den 135 in das Modell aufgenommen Personen wurden in den jeweiligen Fachausschüssen der Werkstätten weitere ca. 320 Werkstatt-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Frage einer Beteiligung am unterstützenden Modell vorgestellt. Bei diesen Personen wurde eine Zuweisung zum Integrationsfachdienst über das unterstützende Modell vorläufig zurückgestellt. Zur Vorbereitung dieser WfbM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter auf eine spätere Aufnahme in das unterstützende Modell wurden über 75 betriebliche Praktika von den Werkstätten organisiert - zu einem großen Teil wurden diese Praktika von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Integrationsfachdienstes begleitet.
Legt man die o.g. 34 Abgänge in Beschäftigung (32 in sozialversicherungspflichtige und zwei in sonstige Beschäftigung) zu Grunde, so ergibt dies Einsparungen im Bereich der Sozialhilfe in den ersten sechs Monaten nach Arbeitsaufnahme in einer Gesamthöhe von 236.300, und jährliche Einsparungen in einer Gesamthöhe von 472.600,-
Die Kosten für die Beauftragung des IFD belaufen sich in den zwei Modelljahren auf insgesamt 203.463,86, also jährlich etwa 100.000.
Durch eine enge Vernetzung der Angebote des Integrationsfachdienstes und der Werkstätten lässt sich die Zahl der Übergänge von der Werkstatt für Menschen mit einer Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich steigern. Dies wird auch dadurch belegt, dass die ursprünglich angenommene Zahl von ca. 110 Modellteilnehmerinnen und -teilnehmern deutlich übertroffen wurde und die Vermittlungsquote der Integrationsfachdienste mit 23,7% der durchschnittlichen Vermittlungsquote der IFD entspricht.
Durch die Steigerung der Übergänge von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt lassen sich die Kosten im Bereich der Sozialhilfe positiv beeinflussen.
Nach Einschätzung der Projektgruppe zum unterstützenden Modell ist ein wesentlicher Faktor der zunehmenden Beteiligung der Werkstätten darin zu sehen, dass das Rheinische Sozialamt und das Integrationsamt das Ziel der Verbesserung der Übergänge von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in einem gemeinsamen Modell aufgegriffen und aktiv beworben haben. Ferner wurde in dem Modell erreicht, dass neben der Vernetzung auf der Ämterebene auch eine regionale Vernetzung zwischen den Werkstätten, den Fachausschüssen und den Integrationsfachdiensten angeregt und begonnen wurde.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Rheinischem Sozialamt und Integrationsamt ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Verbesserung des Überganges von Beschäftigten der rheinischen Werkstätten für Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt.
Der Übergang von der WfbM in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist nicht nur sozialpolitisch notwendig und ökonomisch sinnvoll, sondern auch bei einer entsprechenden Unterstützung Erfolg versprechend möglich.
Dr. Dieter Schartmann, Klaus-Peter Rohde
Landschaftsverband Rheinland -Integrationsamt Köln
eMail: dieter.schartmann@lvr.de
eMail: klaus-peter.rohde@lvr.de
Quelle:
Dieter Schartmann, Klaus-Peter Rohde: Der Übergang von der WfbM in den allgemeinen Arbeitsmarkt, Rheinische Erkenntnisse
erschienen in: impulse Nr. 34, Juli 2005, Seite 14 - 15.
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Stand: 27.08.2007