Lebensgeschichte von Franz Huber

Autor:in - Franz Huber
Schlagwörter: Familie, Aussonderung, Heim, Werkstatt für Behinderte (WfB), Gewalt, Missbrauch
Textsorte: Bericht
Copyright: © Franz Huber

Lebensgeschichte von Franz Huber

Mein Name ist Franz Huber.

Ich möchte meine Lebensgeschichte erzählen.

Mir sind viele Dinge passiert,

die nicht sehr schön waren.

Deshalb verwende ich andere Namen

und andere Orte.

Ich wurde am 4. Mai 1978

in einem Dorf in Oberösterreich geboren.

Ich verbrachte die meiste Zeit

in einer großen Einrichtung am Land.

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich da war.

Dort ging ich in die Allgemeine Sonderschule.

Die Einrichtung wurde von Klosterschwestern geleitet.

Ich wohnte auch dort

und durfte nur in den Sommerferien nach Hause fahren.

Damals wusste ich noch nicht,

warum ich in der Einrichtung war.

Das erfuhr ich erst später,

weil das Jugendamt beschlossen hat,

dass ein Teil meiner Geschwister und ich

nicht zuhause bleiben können.

In der Einrichtung gab es Häuser,

wo nur Burschen waren

und ein Haus für die Mädchen.

Wir mussten jeden Abend beten

und am Sonntag in die Kirche gehen.

Ein Teil meiner Geschwister

kam auch in die Einrichtung.

Meine Stiefgeschwister

kamen nicht in die Einrichtung.

Ich und meine Schwester

gingen in die gleiche Schulklasse.

Meine anderen Geschwister

gingen in eine andere Schulklasse,

weil sie älter sind.

Einige meiner Stiefgeschwister

durften bei den Eltern bleiben,

andere kamen zur Oma.

Ich habe das nie verstanden,

warum das so war.

Da meine Familie evangelisch war,

hatten wir für den Religionsunterricht

eine eigene Religionslehrerin.

Sie wurde auch unsere Taufpatin,

weil mir erst getauft wurden,

als ich circa 6 Jahre alt war.

Ich habe die Zeit,

die ich in der Einrichtung verbrachte,

in guter Erinnerung.

Ich konnte in dieser Zeit im Bach schwimmen gehen

und einen Stausee bauen

und alles machen, was ein Kind machen darf.

Für meine Geschwister bleibt die Zeit

in schlechter Erinnerung.

Sie wurden von den Klosterschwestern auch geschlagen.

Das habe ich erst erfahren,

als ich erwachsen wurde.

Ich war auch Ministrant,

als ich 12 Jahre alt war,

denn dem Pfarrer war es egal,

dass ich evangelisch war.

Ich war 8 Jahre lang in der Einrichtung

und dann durfte ich wieder bei meinen Eltern sein.

Meine Geschwister waren mit der Schule früher fertig als ich

und waren dann bei unseren Eltern.

Ich machte ein Jahr Polytechnische Schule

in einer Stadt in Oberösterreich

gemeinsam mit meiner Schwester

und danach drei Jahre Tischler.

Danach suchte ich einen Beruf

und ging zur Arbeitassistenz.

Eines Tages wollte die Arbeitassistenz

meine Eltern kennenlernen

und da war die Rede,

dass ich zur Geschützen Werkstätte komme.

Mein Vater regte sich ziemlich auf

und sagte:

Mein Sohn geht sicher nicht zur Geschützen Werkstätte.

Ich ging trotzdem zur Geschützten Werkstätte.

Das machte nachher meinem Vater auch nichts mehr aus,

weil am Monatsanfang fragte er mich gleich:

Hast du schon deinen Lohn bekommen?

Ich zahlte 400 Schilling,

und zwar dafür, dass ich in der Küche ein Bett

und eine Kommode,

wo der Fernseher drauf stand, benutzen durfte.

Ich habe nie gesehen,

dass mein Bruder jemals was zahlen musste.

Auch ging ich öfter nach der Arbeit noch einkaufen –

entweder von meinem Geld

oder von dem der Mutter.

Mein Vater war schon in der Frührente

und ging am liebsten angeln.

Ich musste auch vor Gericht aussagen,

weil mein Vater sich an meiner Schwester vergangen hat.

Ich erfuhr auch,

dass er es bei meiner Halbschwester gemacht hat.

In der Arbeit sagte mir eine Sozialarbeiterin,

dass es eine freie Wohnung gibt

und fragte mich, ob ich die Wohnung haben möchte.

Ich zog von zu Hause aus.

Ich arbeitete in der Geschützten Werkstätte

insgesamt 10 Jahre.

8 Jahre lang machte ich die Arbeit sehr gerne.

In den letzten beiden Jahren

wurde die Arbeitsleistung immer höher

und eine Vorarbeiterin sagte:

Du kannst ja nicht mal richtig die T-Shirts zusammenlegen

zum Verschicken.

Der schlimmste Tag war an Weihnachten.

Zuerst war ich bei meiner Schwester

und ihrem Freund zum Essen.

Es war schon spät

und ich fuhr am nächsten Tag

gemeinsam mit ihrem Freund in die Therme baden.

Also rief ich meine Schwester an und fragte,

ob ich kommen kann.

Sie sagte ja.

Ich fuhr also zu meiner Schwester

und ich übernachte auch dort.

Sie ging dann schlafen.

Nur ihr Freund und ich waren noch wach

und schauten fern.

Ich ging ins Bad und machte mich fertig fürs schlafen.

Ich schlief auf dem Sofa.

In der Nacht vergewaltigte mich der Freund meiner Schwester.

Ich wollte es nicht,

aber ich sagte auch nichts

und tat so als würde ich schlafen.

Am nächsten Morgen fuhren wir in die Therme baden.

Ich sagte meiner Schwester nichts.

Ich ging eines Tages zur Polizei

und zeigte den Freund an.

Zwei Polizisten befragten mich,

sie glaubten mir kein einziges Wort

sie sagten nur:

Das bildest du dir ein,

und das ist alles gar nicht wahr.

Eines Tages läutet es bei mir zur Hause.

Ich fragte wer da ist:

es war der Freund meiner Schwester.

Ich machte die Tür auf

und der Freund kam herein.

Nach ein paar Minuten wurde ich von dem Freund vergewaltigt.

Nachher ging er.

Ich habe auch nicht gesagt,

dass er damit aufhören sollte,

obwohl ich es nicht wollte.

Es kamen finanzielle Schwierigkeiten,

weil ich nicht mehr die Miete zahlte

und ich einiges aus dem Internet gekauft habe

und es nicht bezahlt habe.

Die Wohnung wurde langsam zur Messiwohnung.

In der Arbeit suchte ich ein Stanleymesser

und ging damit ins WC

und schnitt mir dir Pulsadern auf.

Man bemerkte es

und ich wurde in die Nervenklinik

in die Geschlossene Abteilung eingewiesen.

Von da an ging es immer so:

Einweisung, Geschlossene Abteilung dann wieder arbeiten.

In dieser Zeit wurde ich auch in das Unfallkrankenhaus gebracht.

Ich ging während der Untersuchung nach Hause,

wo die Polizei auf mich wartete.

Ich lernte in der Zeit eine Filmemacherin kennen.

Sie machte einen Film von 4 Menschen,

die in Einrichtungen leben.

Eine der Personen war meine Schwester.

Die Filmemacherin drehte beim Moped fahren.

Bei mir fuhr der Kameramann mit.

Sie drehte auch,

als ich mit meiner Schwester

nach Wien zu einen Konzert

von meinem Lieblingssänger gingen

und auch ein Treffen mit ihm hatten.

Wir durften drei Songs lang neben der Bühne stehen.

Eines Tages musste ich in der Geschützten Werkstätte

zu einem Gespräch

und dort wurde entschieden,

dass ich nicht mehr länger dort arbeiten kann

wegen meiner andauernden Selbstverletzungen.

Ich bekam die Invaliditätspension.

Ich war ein ganzes Jahr lang arbeitslos

und ich kam in eine Einrichtung

für Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Dort arbeitete ich zuerst in einer Außengruppe,

bei der ich den Rasen mähte,

Laub zusammenrächte

und im Winter den Gehsteig räumte.

Wir machten in der Außengruppe eine Wahl zum Gruppensprecher

und ich wurde Gruppensprecher.

Quelle

Franz Huber: Lebensgeschichte von Franz Huber

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 08.03.2017

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