Das Interventionskonzept

- in der kommunikationspädagogisch-kinderpsycho-therapeutischen Arbeit mit Kindern mit Problemverhalten

Textsorte: Bericht
Copyright: © Stefan Royer, Manfred Hofferer 2000

Einleitung und theoretische Grundlagenskizze

In der kinderpsychotherapeutischen Arbeit stellt sich, wie in allen Bereichen der Therapiearbeit, immer die Frage, wie bzw. wodurch die Therapieziele erreicht werden, d.h., mit welchen theoretischen Konzepten und mittels welcher Methoden und Techniken bzw. Interventionen kommt das Team der Therapeuten[1] zum Ziel. Diese Frage ist nicht einfach (vielleicht sogar einfach nicht) zu beantworten bzw. zu beschreiben, da mit großer Wahrscheinlichkeit ein nicht unbeträchtlicher Teil der tatsächlichen Wirkfaktoren - ob der Komplexität des Geschehens - in einer Therapie nicht nachgewiesen und belegt werden kann. D.h., dass es nicht wirklich möglich ist befriedigend zu beschreiben, warum Therapie in einem Fall wirksam ist und im anderen Fall scheitert. Die Bedingungen sind derart vielschichtig und individuell, so dass aus der Sicht der kommunikationspädagogischen Therapie[2] zunächst nur eine sehr allgemeine Aussage getroffen werden kann, in dem Sinn, als das Therapie einen gemeinsamen Suchprozess von Klienten und Therapeuten darstellt, der mit der Zeit zu mehr oder weniger positiven Ergebnissen führt. Jeder therapeutisch-pädagogische Umgang bzw. jede Intervention impliziert einen unüberschaubaren Komplex von Variablen und möglichen Wirkfaktoren, wobei die Person des ausführenden Therapeuten eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielt, wie der Rahmen und die jeweiligen Behandlungstechniken selbst. Verändern sich Auffassens- und Verstehensweisen, Beziehungssysteme, Verhaltens- und Reaktionsweisen etc., ist dies nicht eine linear-kausale Antwort auf eine Reihe bestimmter Bedingungen oder Interventionen, sondern mit höchster Wahrscheinlichkeit vielmehr der Ausdruck der zunehmend gesundenden autonomen Selbstorganisationsprozesse, die durch das Miteinanderumgehen in der Therapie angeregt und gefördert wurden. Aber gerade diese Aussage macht es so schwierig, denn eine »gute Selbstorganisation« ist nur unter entsprechenden Systembedingungen möglich. Die KPTH ist immer bemüht, ihre Klienten nicht in ein Prokrustesbett zu pressen und alle nach dem gleichen Schema zu behandeln sondern versucht eine breitgefächerte, aber zum Individuum passende Palette von Bedingungen und wirksamen Techniken zusammenzustellen, um damit auf das Individuum - im Sinne der Förderung der Selbstorganisationsfähigkeit - Einfluss zu nehmen. Das Schmetterlingsphänomen[3] bietet sich dabei als gutes Vorstellungsbild an, um zu verstehen, wie in der KPTH Veränderungen zustande kommen können, ohne dass ideale Rahmenbedingungen gegeben sein müssen. Das Schmetterlingsphänomen bedeutet, dass unter Umständen aus der Vielfalt des Angebots heraus minimalste Einflüsse ausreichen können, um in der Folge Entwicklungen und Veränderungen anzuregen und einzuleiten, die zu fundamentalen Änderungen führen können. Genau diesen Umstand nutzt die KPTH in der Weise, dass sie dem Kind eine therapeutische Umwelt zur Verfügung stellt, in der durch gezielte Interventionen und mittels winziger und winzigster Impulse das Kind angeregt wird, sich mit den Situationen auseinander zu setzen. Man könnte diesen Zustand auch damit beschreiben, dass das System in Unruhe gebracht wird, so dass es sich immer wieder neu orientieren, konfigurieren und stabilisieren muss.

Damit der Zugang der KPTH und die Interventionen leichter zu verstehen sind muss klar sein, dass die KPTH vor einem systemtheoretisch[4]- tiefenpsychologischen Hintergrund arbeitet. Dabei spielen vor allem zwei Komponenten eine gewichtige Rolle: Zum einen ist aus der systemtheoretischen Perspektive Entwicklung und Veränderung eine spezielle Systemrelation zwischen einem autopoietischen System und seiner Umwelten zu verstehen. Dabei werden durch Erfahrung und Lernen diejenigen Beziehungen zu sich selbst sowie zu den Umwelten konstruktiv geschaffen, die nicht genetisch programmiert sind, d.h., dass die aus der konkreten Erfahrung - in der KPTH vor allem über das Spielen und Experimentieren - resultierende lernende Tätigkeit dabei sowohl die Umwelt, als auch das autopoietische System selber[5] formt (bildet, konstruiert). Da: Wissen ist Tun[6], gilt auch: Lernen ist Leben[7]. Jeder Entwicklungs- und Lernvorgang auf der Stufe des Spielens und Experimentierens[8] bedeutet somit immer eine reale Veränderung des ganzen autopoietischen Systems und seiner Umwelt. Die daraus resultierenden Veränderungen und Entwicklungen zeigen sich zwar hie und da unmittelbar, aber in der Regel nicht sofort, sondern treten mit (zum Teil erheblichen) zeitlichen Verzögerungen auf. In dieser Sichtweise ist Lernen und damit verbundene Entwicklung immer ein ganzheitlicher, nicht bloß kognitiver Prozess, unter Einschluss der Gefühle des Lernenden[9]. Zum anderen ist vor dem tiefenpsychologischen Hintergrund der wichtigste didaktische Grundsatz in der KPTH die so genannte "nicht-instruktive Interaktion"[10], da Lernen letztlich eine konstruktive Leistung des autopoietischen Systems selber und nicht einfach das Ergebnis einer Informationsübertragung ist. Jede Information steht systemlogisch und daher auch didaktisch unter der Frage ihrer "Anschlussfähigkeit"[11] im selbstreferenziellen System des sich Entwickelnden. Der Begriff Selbstreferenz bringt zum Ausdruck, dass ein autopoietisches System jede eingehende Information, auch z.B. jede pädagogisch-therapeutische Instruktion oder therapeutisch intendierte Interaktion, operational zunächst auf sich selbst beziehen muss, auf seinen internen Zustand. Es steuert sich selbst, indem es die »Anschlussfähigkeit« jedes Eingangswertes intern beurteilt, es arbeitet »selektiv« (d.h. durch Auswahl) und schafft damit sowohl Anschlüsse für neue Optionen als auch Ablehnungen[12]. - Diese Operationsweisen machen deutlich, dass das System faktisch nicht auf äußere Reize reagiert, sondern zunächst immer auf sich selbst, also auf Grund seiner intern gegebenen Struktur. D.h. auch, dass ein autopoietisches System seine Systemumwelt nur nach Maßgabe seiner internen Struktur wahrnehmen kann, also nicht »an sich oder objektiv«, sondern nur (re-) konstruktiv. Es gibt keinen direkten Kontakt eines Systems mit seiner Umwelt, keine Telefondrahtverbindung, wie es Maturana/Varela[13] im "Baum der Erkenntnis" ausdrücken. In diesem Sinne versteht die KPTH Interventionen immer als gezielte Informationsarbeit mit feinsten Steuerungs- und Interventionsimpulsen in der nächsten Umgebung des Kindes, damit solche Situationen entstehen, in der das Kind wieder aktiv anschließen, sich entfalten und zunehmend eigenständig konstruktive Prozesse entwickeln und aufbauen kann.



[1] im Folgenden wird die männliche Form für beide Geschlechter verwendet.

[2] wird im nachfolgenden Text mit KPTH abgekürzt

[3] siehe dazu: LORENZ, E.: 1963, S. 130-141

[4] und dabei vor allem mit dem chaostheoretischen Hintergrund

[5] siehe dazu: HUSCHKE-RHEIN, R.: 1992a, Kapitel 1

[6] siehe dazu: MATURANA, H./VARELA, F.: 1987

[7] siehe dazu: PORTELE, G.: 1992

[8] siehe dazu: HOFFERER, M.: 1999b, S 31 f.

[9] siehe dazu: BUDDRUS, V.: 1992

[10] siehe dazu: MATURANA, H./ VARELA, F.: a.a.O.

[11] siehe dazu: LUHMANN, N.: 1984

[12] vgl. LUHMANN, N./SCHORR, K., E.: 1982

[13] o.a.a. 1987

Intervention

Der Begriff »Intervention« kann vor den oben angestellten Überlegungen grundsätzlich nur in dieser Weise verstanden und verwendet werden, als dass klar ist, dass ein autopoietisches System nicht zu Veränderungen überredet, verführt oder gezwungen, sondern nur »angeregt bzw. stimuliert« werden kann[14]. Interventionen, die der Therapeut setzt, betreffen in der KPTH darum immer gleichzeitig die Kontextbedingungen, in der die Therapie stattfindet bzw. in denen das Kind lebt und das Kind selbst. D.h., dass die KPTH davon ausgeht, dass hauptsächlich durch die Gleichzeitigkeit des Suchens, Gestaltens und dem gezielten Variieren bzw. Ergänzen oder Erweitern der Elemente der Kontextbedingungen - der Situation - (siehe dazu: Allgemeine Regulatoren S., 6), und der gezielten Intervention in der Situation bezogen auf das Kind, dem Kind die Möglichkeit eröffnet wird, sich im und durch das Spiel zu befreien, sich (weiter) zu entwickeln, Konflikte auszudrücken, zu bearbeiten und sie zunehmend selbstständig und selbstverantwortlich zu lösen. Die pädagogische und die therapeutische Führung dabei bleibt zwar immer eine Technik, wird aber dann zu einer »Kunst« (griech.: TEXNI? = Kunst!), wenn mittels möglichst vorsichtiger, kleiner und kleinster Steuer- und Interventionsimpulse in den Angebots-, Erlebnis- und Interaktionssituationen das Kind als selbstreferenzielles System - und zwar unter Beachtung ihrer Selbststeuerungsfähigkeit - stimuliert wird, die eigenen Potenziale bzw. Selbstorganisationskräfte zu aktivieren und wieder aktiv, bezogen auf seine Entwicklung, zu benützen. Welchen Weg der Therapeut auch immer einschlägt, er muss stets im Auge behalten, dass er nicht nur herausfindet, was dem Kind fehlt. Sein Interesse muss in gleicher Weise dem gelten, was dem Kind in seiner Welt bereits zu Gebote steht und zur Erreichung von Therapiezielen nutzbar gemacht werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass die Behandlung nicht unter der Annahme steht, dass das Kind nicht über die notwendigen - inneren und/oder äußeren - Potentiale und Ressourcen verfügt, die es zur Lösung seiner Probleme benötigt.

Das Ziel der Therapie ist das Ziel der Interventionen

Sehr eng mit dem Interventionskonzept verbunden ist die Frage nach den Zielen der Therapie. Um die Frage des Interventionskonzepts und der Interventionsformen[15] in der KPTH bearbeiten zu können, muss zunächst klar gestellt sein, welches Ziel mit der Therapie verfolgt wird[16]. Das Wort Psychotherapie hat seine Wurzeln im Griechischen und vereint die Begriffe Psyche (Hauch, Seele) und Therapie (Dienst, Pflege, Heilung, das Zeitwort bedeutet »warten«). Die Bedeutung, welche die KPTH für sich daraus ableitet ist: Pflege und Dienst an der Seele durch Bereitstellen, Unterstützen und partnerschaftliches Begleiten von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen ohne dabei zu manipulieren. Die zentralen Begriffe dabei sind zum einen das Begleiten und Unterstützen und zum anderen das initiieren selbstorganisierter gesamtorganismischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse. Und das bedeutet: Wenn der Therapeut das Kind Begleiten und Unterstützen will, dann muss er es verstehen und das heißt, er muss mit dem Kind in Kontakt sein, er muss es nicht nur beobachten und ihm zuhören, sondern tatsächlich mit ihm in seiner Sprache, dem Spiel, kommunizieren. Je tiefer er das Kind verstehen will, je mehr er die verborgenen Motive seines Auffassens, Verstehens und Handelns erfassen will, desto gründlicher muss er ihm Raum geben, sich spielend darstellen zu können, so dass grundlegende Bedürfnisse befriedigt sind und sich jene Bedingungen einstellen, mit denen sich vom Kind ausgehende wachstumsfördernde und problemlösende Prozesse entfalten können, entsprechende Symptomreduktionen möglich werden, die Autonomie und das Selbstvertrauen durch die Entwicklung personaler Kompetenzen[17] zunimmt und sich eine Generalisierung und Persistenz der erreichten Veränderungen tatsächlich dauerhaft etablieren können[18]. Der Therapeut muss sich innerhalb der Sprache des Kindes - dem Spiel - bewegen können. Nur dadurch gelingt es ihm, an der Erfahrungen, dem Entwicklungsstand und dem Wissen des Kindes anzuknüpfen. Durch diese Ausrichtung an der Sprache des Kindes aber, und das ist noch wichtiger, steigen bei jeder positiven Veränderung die Chancen, dass die Ergebnisse auf die Welt außerhalb der Therapie und des Therapiesettings ausgeweitet werden. In dem oben angesprochenen, für die Entwicklungs- und Veränderungsarbeit notwendigen Raum geben begründet sich in der KPTH die Arbeit mit den Systemfeldern und Basishilfen[19]. Dabei wird von der Überlegung ausgegangen, dass gleichzeitig - mittels jeweils spezieller potenzialaktivierender Ziele - allgemeine und (sonder-) pädagogische Überlegungen, begleitende Fördermaßnahmen und spezielle therapeutische Überlegungen so aufeinander abgestimmt und zusammengefügt werden, dass für das entsprechende Kind und seine Problemstellungen möglichst optimale therapeutische Rahmenbedingungen, Aktivitäten und entsprechende Inhalte (siehe dazu S. 6) abgeleitet werden können.

Die therapeutische Umgebung

In der KPTH ist der »Raum« und der »Ort«, in der die Therapie stattfindet, ein absolut unentbehrliches Interventionswerkzeug. In jedem vom Kind oder dem Therapeuten ausgewählten, gestalteten und mit Inhalten angereicherten Räume und Orten verbergen sich nicht nur die Grundhaltungen, sondern auch die Absichten, Möglichkeiten und Ziele. Zu einem ganz großen Teil ist es der Raum - dem das Kind in der Therapie begegnet und den es sich spielend erarbeitet und aneignet - der ihm die Möglichkeit zur Entfaltung gibt, der es entweder einschränkt oder anregt sich zu öffnen. Dem Kind in der Therapie Raum geben, damit es sich auf seine ihm eigentümliche Weise zum Ausdruck bringen kann, wird in der KPTH in der Weise realisiert, dass dem Kind eine größt mögliche natürliche, freie und offene Umwelt zur Verfügung steht, in der das Kind sich selbst in den anthropologischen Grundaspekten[20] spielend zum Ausdruck bringen kann. Wählt man aus der Vielfalt möglicher therapeutischer Ziele die Selbstständigkeit aus, dann wird klar, dass sich diese sinnvoll nur dort zeigen und entfalten können wird, wo Selbstständigkeit auch real für das Kind möglich ist, d.h., das Kind Situationen vorfindet, die es explizit dazu einladen, selbstständig zu sein.

Das Institut für Kommunikationspädagogik stellt den Kindern für die Therapie im Indoor-Bereich folgende Räume zur Verfügung: einen Bewegungsraum (50 m²), ein Spielzimmer (20 m²) und einen kleinen Rückzugs- und Ruheraum (12 m²), eine Terrasse (70 m²) mit angeschlossener Grünzone und alle notwendigen Nebenräume (Küche, Dusche, WC, Abstell- und Lagerräume. Im Outdoor-Bereich stehen den Kindern 50.000 m² natürliche Spielfläche mit unterschiedlichen Bereichen (Wasser, Sportfläche, Radweg, Kletterzone, 2 Spielplätze und ein Tunnel) zur Verfügung. Außerdem wird der Outdoor-Bereich - entsprechend der Anforderungen - durch Ausflüge (Skaterbahn, Klettergarten, Schwimmbad, Naturpark etc.) mit dem Institutsbus immer wieder erweitert, so dass für die kindlichen Interessen tatsächlich vielfältigste Möglichkeiten gegeben sind.

Das Konzept nach dem diese Räume gestaltet sind geht davon aus, das die einzelnen »Funktionsräume« ausreichend Platz bieten und so schlicht gestaltet sind, dass das Kind und der Therapeut jeweils selbst die Inhalte entdecken (er-) finden, entwickeln und aufbauen können. Darum werden auch nur Materialien verwendet, die eine entsprechende Selbsttätigkeit zulassen (Bälle, Schaukel, Seile, Schnüre und Bänder, Tücher, Stäbe, etc.). Dadurch, dass die Innen- und Außenräume und Materialien wenig vorstrukturiert sind, wird sichergestellt, dass dem Kind immer eine adäquate Entwicklungs- und Spielumwelt zur Verfügung steht, in der es dort ansetzen kann, wo es im Augenblick steht. So sind die Situationen immer so beschaffen und gestaltet, dass das Kind mit »seinen Interessen und Neigungen, seinen bestehenden Kapazitäten und Routinen etc.« anschließen kann und gleichzeitig solche Bereiche vorfindet, die von ihm neu entdeckt, entfaltet oder aber auch gestaltet werden können. In diesem Sinne liegt es auch im Interesse der KPTH aus allen (manchmal auch geplanten) »ungewöhnlichen Vorkommnissen«, die gewöhnlich übersehen, unterdrückt oder sogar bewusst beseitigt werden, gemeinsam mit dem Kind einen Nutzen zu ziehen.

Der Therapeut als Beobachter und begleitender Spielpartner

Diese Beobachtung ist ein therapiepermanenter Prozess, der in der Prozessstruktur[21] der KPTH mit dem Dreischritt: »Bezugnehmen-Aufmerken-Zuwenden« bezeichnet ist. Das Hauptaugenmerk in der Beobachtung bei den therapeutischen Aktivitäten liegt darin, zu erkennen:

  1. In jeweils welcher allgemeinen Verfassung ist das Kind (Bewusstsein, Ich-Bewusstsein, Icherleben und Leibgefühl, Erfahrungsbewusstsein, Realitätskontrolle, etc[22]) und in welcher Weise sowie in welche Richtung verändert sich die Verfassung wodurch während der Aktivität?

  2. Welche Bedürfnisse[23], Interessen, Strebungen und Ziele versucht das Kind durch sein Tun zu realisieren, bzw. was wird genau wie sichtbar?

  3. Welche Potenziale werden angesprochen bzw. welche Ressourcen und damit verbunden welche personalen Kompetenzen sind wie ausgebildet und werden in welcher Art und Weise (nicht) zum Einsatz gebracht?

  4. Welche Auffassens-, Verstehens- und Handlungsstrategien setzt das Kind ein bzw. welche Schutz- und Abwehrmechanismen werden aktiviert und wie und wodurch verändern sich diese während der Aktivität?

Der Therapeut bietet sich, wie schon oben angedeutet, in den Spielsituationen als »direkter Spielpartner« an, nimmt sich aber gleichzeitig immer wieder aus der Situation heraus und beobachtet, was das Kind zum Ausdruck bringt bzw. womit es sich beschäftigt und wie es sich dabei verhält. Das Kind informiert den Therapeuten durch das Spiel in der therapeutischen Umgebung und den damit verbundenen Kommunikationen - in dem es ganz bestimmte Herangehens- und Umgehensweisen sowie Handlungsstrategien zur Problemlösung einsetzt bzw. diese auch beschreibt und kommentiert - direkt oder/und indirekt darüber, welche Umstände, Ereignisse oder Begebenheiten es beschäftigen, was seine Wünsche und Anliegen sind, welche Befindlichkeit vorliegt, in welche Richtung seine Interessen gehen, welche Vorbehalte und Ängste, welche Verstehens- und Auffassensweisen es hat, wo seine Stärken und Schwächen liegen etc., oder/und es formuliert ganz bestimmte Anliegen bzw. konkrete Wünsche. Das Kind zeigt damit auch an, welche bewussten und unbewussten Bedürfnisse, Strebungen, Motive und Ziele sich hinter seinem Auffassen, Verstehen und Handeln verbergen, welche Handlungsschemata es anwendet und welche Schutz- und Abwehrmechanismen aktiviert sind. Nur mit Hilfe der gezielten Beobachtung und dem daran anschließenden Ordnen, Klären und wiederholten Diagnostizieren[24] im Team kann das Auf- und Wahrgenommene, das Gefühlte und Mitgefühlte, das Verstandene und unverständlich Gebliebene verdeutlicht und in einem weiteren Arbeitskonzept gefasst werden, so dass einerseits eine möglichst klare Vorstellung darüber besteht, in welcher Art und Weise die o.a. anthropologischen Aspekte vom Kind entfaltet, entwickelt und umgesetzt werden konnten und andererseits mit der weiteren gezielten Gestaltungen der Therapiesituationen und therapeutischen Angebote ein produktiver Prozess in Bewegung gehalten werden kann.

Die therapeutischen Aktivitäten

"Therapeutische Aktivitäten"[25] - als gestaltete Situationen - dienen den Therapeuten einerseits als Basis, damit gezielte Spiel-, Experimentier- und Symbolisierungsprozesse bezogen auf das Problem des Kindes möglich werden und andererseits beschreiben sie den Bereich, in dem Entwicklung und Veränderung - bezogen auf das jeweilige Problem und die gesamtorganismische Entwicklung - vom Kind möglichst selbst organisiert realisiert werden kann. Therapeutischen Aktivitäten sind solche Spiel-, Experimentier- und Erlebnisangebote, die dem tatsächlichen Entwicklungsstand des Kindes entsprechen. Das kann ein einfaches Fußballspiel genauso sein wie eine Wanderung oder eine Klettertour. Das worauf es dabei ankommt ist, dass es möglichst solche Aktivitäten sind, die den ganzen Menschen anregen und auffordern, sich ein- und zum Ausdruck zu bringen. Die Bewegung und der Umgang in und mit der Natur bietet den Kindern dafür ideale Bedingungen, um neben den therapeutischen Angeboten einer ungeahnten Fülle von Farben, Formen, wechselnden Situationen und Gegebenheiten zu begegnen und dabei ihre Wahrnehmung und Empfindsamkeit zu verfeinern. Das tut dem Menschen ganz allgemein gut, da es entspannt und beruhigt. Die Sinne werden angeregt und gleichzeitig harmonisiert. Die Kinder können in solchen Lebensräumen alle ihre Fähigkeiten anwenden und sich ganz zum Ausdruck bringen. Die Natur begrenzt und ist gleichzeitig grenzenlos! Besonders die Neugierde und mit ihr viele andere intensive Gefühle (Freude, Ausgelassenheit, Selbstvertrauen, Überraschung, Bestätigung etc. aber auch Ärger, Wut, Enttäuschung, Scham, Resignation, etc.) werden am intensivsten in solchen natürlichen Spiel-, Problem- und Konfliktsituationen angesprochen. Aus diesem Grund muss der Therapeut darauf achten, dass der Raum ausreichend und unterschiedlichste Begegnungsmöglichkeiten zulässt, so dass sich ein entsprechendes Begegnungs- und Problemlösungsverhalten zeigen und entfalten kann. Dabei muss jedoch immer die Belastungsfähigkeit des Kindes berücksichtigt werden, damit es nicht zu Überforderungen kommt und das Kind in seinem Tun tatsächlich alle emotionalen und kognitiven Potenziale aktivieren und zur Anwendung bringen kann. In den therapeutischen Aktivitäten erfährt sich das Kind nicht nur selbst, sondern es wird auch durch das Tun und die Impulse des Therapeuten angeregt, etwas Neues hervorzubringen oder Vorhandenes weiterzuentwickeln. Es lernt das Angebot der Situation und des Therapeuten aufzunehmen, zu modifizieren, zu beantworten oder zu verwerfen und ist somit kreativ. Die Erfahrung, durch Spielen und Experimentieren zu unterschiedlichsten Ergebnissen kommen zu können, bereitet das Kind darauf vor, immer weiter das Spiel mit den Variationen voranzutreiben. Das Kind erschafft so externalisierte oder externe Versionen seiner inneren Zustände und lernt diese sukzessive zu regulieren.

In der KPTH werden therapeutische Aktivitäten und die darin enthaltenen Inhalte und Angebote zu folgenden Zwecken genutzt[26]:

"Therapieorganisierende Kernthematik": Begründung

Abbildung 1:Zwecke der therapeutischen Aktivitäten, © by Manfred Hofferer - Institut für Kommunikationspädagogik

1.

Diagnostik und situative Orientierung

Wie reagiert das Kind z.B. nonverbal und verbal auf das Angebot bzw. die Aktivität? (siehe dazu: Diagnoseschema bzw. Beobachtungsbereiche)

2.

Beziehung

Welches Angebot und welche Aktivität verändert bzw. verbessert wie die Beziehung zwischen dem Kind und dem/den Therapeuten?

3.

Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens

Welches Angebot und welche Aktivität unterstützt das Kind dabei, zu einem verbesserten subjektiven Wohlbefinden zu kommen?

4.

Abbau von Widerstand

Welches Angebot und welche Aktivität kann das Kind anregen, Widerstände abzubauen bzw. aufzugeben?

5.

Verbesserung der Fertigkeiten

Welches Angebot und welche Aktivität kann wie das Kind anregen, seine Fertigkeiten zu verbessern?

6.

Verbesserung der Selbsterkenntnis

Welches Angebot und welche Aktivität kann das Kind anregen, etwas von/über sich selbst zu erkennen?

7.

Verbesserung des Fremderlebens

Welches Angebot und welche Aktivität kann wie dazu beitragen, dass sich das Fremderleben des Kindes verbessert?

8.

Entwicklung von Lösungsvorschlägen

Welches Angebot und welche Aktivität können dem Kind helfen, eine Lösung für "ein/sein Problem" zu finden?

9.

Veränderung der Beziehungsmuster

Welches Angebot und welche Aktivität kann wie dazu beitragen, dass sich die bestehenden Beziehungsmuster des Kindes verändern können?

10.

Direktiven

Welche (notwendigen) Direktiven und Suggestionen können (müssen) in ein Angebot oder eine Aktivität. eingebaut werden? (Warum?)

11.

Umdeuten und Neudefinition

Welches Angebot und welche Aktivität unterstützt die Umdeutung oder Neudefinition "eines/des Problems"

12.

Stabilisieren

Welches Angebot und welche Aktivität kann wie zur Stabilisierung bereits gemachter Erfahrungen und Veränderungen beitragen? (Generalisierung und Persistenz)

Die Interventionstechnik

Innerhalb der therapeutischen Aktivitäten kommt die Interventionstechnik zum Tragen. Dabei wird zwischen zwei eng miteinander verwobenen Interventionsbereichen unterschieden: Einerseits wird, aufbauend auf den vorangestellten Überlegungen und bezogen auf die Problemstellung des Kindes durch die Gestaltung und das entsprechende Zur-Verfügung-Stellen der Elemente Person, Raum/Ort, Inhalt, Material, Zeit, Methodik und Didaktik[27] ein Rahmen und Erlebnisraum[28] entworfen, innerhalb dessen das Kind die Möglichkeit hat, entsprechend seiner eigenen Potenziale und Ressourcen agieren zu können. Dafür benutzt der Therapeut folgende »allgemeine Regulatoren«:

  1. Regulation durch den Inhalt des Angebotes (Was wird zentral zum Inhalt der Aktivität gemacht, d.h., wohin richten und zentrieren wir unsere Aufmerksamkeit?)[29]

  2. Regulation durch die Situierung des Angebots (An welchem/n Ort/en findet die Begegnung, Auseinandersetzung, Bearbeitung etc. statt?)

  3. Regulation durch den Materialeinsatz (Welches/e Material/ien kommt/en zum Einsatz und werden wie benutzt?)

  4. Regulation durch die Wahl und den Einsatz der Methode und der Technik (Dilemmageschichten, Gezeichnete Geschichten, Outdoor-Aktivitäten etc., bzw. unterschiedliche Kombinationen davon.)

  5. Regulation durch den Aufbau und die Struktur des Angebots (Welchem Aufbau bzw. welchem Ablauf folgt die Aktivität?)

Der Therapeut hat aber zusätzlich die Möglichkeit, innerhalb des oben angesprochenen Rahmens explizit[30] mittels so genannter »spezieller dynamischer Regulatoren« auf das Kind durch

  1. die Regulation durch die Komplexität des Angebots (damit ist der jeweilige Schwierigkeitsgrad bzw. die Anforderung und der Wechsel der Anforderungen gemeint),

  2. die Art des Feed-backs[31] (Bestätigung, Anerkennung, Lob, Zuspruch, Trost, aktive Ermutigung, Widerspruch, Zentrierung auf die Gefühls- und Erlebnisanteile im Verhalten, direkte Aufforderung, Wissensvermittlung etc.) und

  3. das Ausmaß an direkten und indirekten Hilfestellungen und Unterstützungen

einzugehen bzw. bezogen auf das Problem und die Entwicklung des Kindes zu intervenieren.

Der Therapeut ermittelt die jeweilige Beziehungs- und Interventionsform dadurch, dass er das Kind in den Angebotssituationen genau beobachtet, wie es auf die verschiedenen bzw. wechselnden Situationen und Angebote, Äußerungen, Fragen, Taktiken oder Strategien etc. reagiert. Der Therapeut beginnt immer mit einem »neutralen Stil«, indem er die üblichen förderlichen Bedingungen anbietet - also sich vorsichtig zuwendet, aufmerksam zuhört, Anteilnahme und Interesse zum Ausdruck bringt, einfühlsam ist und die Reaktionen des Kindes registriert. Erst wenn es klare Anzeichen eines Fortschritts gibt - und das heißt, dass das Kind sich auf den Therapeuten bezieht -, kann der Therapeut vorsichtig damit beginnen, innerhalb der Systemfelder sowie der therapeutischen Aktivitäten aktivere Haltungen (konfrontativ, aufdeckend, spiegelnd, unterstützend etc.) einzunehmen und dabei verschiedene Stile, bezogen auf die jeweilige therapeutische Situation zu variieren.

Abbildung 2: Interventionsbereiche - Übersicht

Zusammenfassung

Fasst man die vorangestellten Überlegungen zur Interventionstechnik zusammen, dann kann folgendermaßen dargestellt werden, wie in der KPTH der Prozess der Entwicklung und Problemlösung, ausgehend vom jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes, organisiert ist.

Das in Abbildung 3 dargestellte Interventionsphasenmodell der KPTH geht davon aus, dass aufbauend auf den vorangegangenen Erfahrungen in der Lebensgeschichte und den jeweils aktuellen Ereignissen des Kindes sich ein ganz spezielles Auffassens-, Verstehens- und Bewältigungsverhalten konfiguriert hat, dass jede weitere Begegnung, Auseinandersetzung und jedes weitere Bewältigungsverhalten mitmoderiert. Durch das Anbieten und zur Verfügung stellen einer entsprechend vorbereiteten und gestalteten Umgebung sowie vermittels der therapeutische Aktivitäten und der damit verbundenen Interventionen und durch das gemeinsame Gestalten der jeweils situativen Bedingungen in den therapeutischen Aktivitäten - die notwendig sind, damit es zu entwicklungs- und problemlösenden Spiel- und Experimentier- sowie Symbolisierungs- und Systematisierungsprozessen kommt - wird sichergestellt, dass die therapeutische Arbeit innerhalb der Weltsicht des Kindes liegt, die Eigenkompetenz des Kindes als Basiselement entfaltet werden kann und dadurch seine inneren Stärken (Potentiale) genützt werden können.

Dabei wird aufbauend auf gezielten Beobachtungen (siehe dazu S. 5) und mittels fünf ineinandergreifendenden Phasen, mit feinsten Steuerungs- und Interventionsimpulsen ein Rekonstruktions-, Entfaltungs-, und Entwicklungsprozess angeregt und mittels der »speziellen dynamischen Regulatoren« unterstützt und begleitet. Die Ziele, die dabei verfolgt werden, sind, dass das Kind über die o.a. therapeutische Gestaltung von Situationen und Interventionen wieder an seinen Potenzialen (siehe dazu Fußnote 20, S. 5) anschließt, seine Potentiale und Ressourcen nutzt und dabei möglichst selbstständig neue Formen des Erlebens, Auffassens, Verstehens sowie des Agierens und Handelns sowie des Reflektierens entwickelt und damit an der Wiederherstellung und Entfaltung der »Offenheit für Erfahrung« arbeitet.

Abbildung 3: Interventionsphasenmodell der KPTH, (Anm. der bidok Redaktion: Tabelle wurde geändert für brail-board)

Grundlagen

Genetische Ausstattung, biologische Entwicklungseinflüsse, psycho-soziale Entwicklungseinflüsse

Annahmen[a]

  1. Das Kind hat mehr oder weniger bewusste bzw. unbewusste Bedürfnisse, Strebungen, Motive und Ziele, die es auf seine ganz bestimmte Art und Weise zum Ausdruck bringt und realisiert.

  2. Das Kind informiert im Spiel direkt und indirekt über: Ereignisse, Tatsachen, seine Wünsche, seine Bedürfnisse, seine Befindlichkeiten, seine Interessen, seine Ideen, seine Probleme, seine Verstehensweisen etc. [b] bzw. es formuliert ganz konkrete Wünsche und Anliegen.

  3. Das Kind hat mehr oder weniger bewusste oder / und unbewusste Erwartungshaltungen bzw. Vorstellungen davon, was geschieht, wenn es sein Anliegen veröffentlicht und informiert

  4. Das Kind setzt im Prozess der Information und der Problemlösung ganz bestimmte Auffassens-, Verstehens- und Handlungsstrategien ein und aktiviert jeweils bestimmte Schutz- und Abwehrmechanismen

 

Interaktion und Kommunikation im "Basissetting" (Phase 1-5)

1. Phase

In der ersten Phase geht es zunächst einmal darum, über entsprechende innere und äußere Rahmenbedingungen und eine dementsprechende Bezugnahme den Kontakt zum Kind, seinen Anliegen und Problemen herzustellen und so einen möglichst genauen Überblick über die Lage und den Zustand zu gewinnen, damit eine zunehmend problembezogenere Unterstützung möglich wird (siehe dazu S. 5).

2. Phase

In der zweiten Phase ist es wichtig, die vom Kind indirekt oder direkt formulierten Anliegen (siehe dazu Spalte b) über einen ersten Organisationsprozess zu fassen. D.h., dass radikal jedes Anliegen vom Therapeuten aufgenommen und z.B. durch Rückfragen (Wer, Wo, Was, Wann und Wie) ein Prozess initiiert wird, so dass die o.a. allgemeinen Regulatoren (1 bis 5) gemeinsam erarbeitet und wirksam werden. D.h., (1) Was ist genau der Inhalt. (2) Wo findet das Spiel/Experiment/die Arbeit etc. statt. (3) Welche Materialien/Mittel/Gegenstände werden benötigt und eingesetzt. (4) Welche Methode bzw. Technik oder Stil wird herangezogen und verwendet. (5) Welchem Aufbau folgt die Therapiestunde/Aktivität. Erst wenn diese Vorarbeit explizit geleistet wurde, kann in die nächste Phase gewechselt werden. (Die erste Phase ist in der zweiten Phase enthalten.)

3. Phase

Auf den Ebenen des Spielens und Experimentierens sowie des Symbolisierens geht es dann vor allem darum, dass das Kind neue Möglichkeiten und Varianten für sein u.a. Empfinden, Auffassen, Verstehen und Handeln entdeckt. Innerhalb dieser Phase sind es vor allem das (1) "Feed-back und die (2) indirekten und direkten Hilfestellungen" sowie (3) die "Komplexität des Angebots" die als Interventionsformen zum Einsatz kommen. In der Regel wird sehr häufig zwischen der ersten, der zweiten und dritten Phase hin und her gewechselt. (Die erste und die zweite Phase sind in der dritten Phase enthalten.)

4. Phase

Die Ergebnisse des Spielens und Experimentierens sowie des Symbolisierens werden in der 4. Phase systematisiert und in unterschiedlichsten Formen (Zeichnen und Malen, Rollenspiel, Gesprächen etc.) dargestellt und reflektiert. In weiterer Folge werden dabei jene Möglichkeiten, Varianten und Hilfen herausgearbeitet, die für die Ebene der ideellen Konkretisierung vom Kind selbstständig genutzt werden können.

5. Phase

Hilfen zur ideellen Konkretisierung. D.h., dass mit dem Kind - bei Bedarf und je nach Therapiestand - zusätzlich Inhalte erarbeitet werden können, die es dabei unterstützen, die Ergebnisse aus der Therapiearbeit in seinen Alltag umzusetzen.

[a] Die einzelnen Aspekte wirken jeweils in einer ganz speziellen Weise in jede Arbeitsphase hinein und dienen dem Therapeuten quasi als Sensor für den Entwicklungsprozess des Kindes.

[b] aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.

D.h., werden von den Therapeuten - vor dem Hintergrund der oben angesprochenen Beobachtungen (1-4) und in Verbindungen mit den allgemeinen und speziellen Diagnoseinformationen (siehe dazu den Anhang) - die »allgemeinen dynamischen Regulatoren« (1-5) und die »speziellen dynamischen Regulatoren« (1-3) entsprechend zueinander konfiguriert und eingesetzt - und das ist dann gegeben, wenn das Kind von sich aus das Angebot annehmen und direkt in den Prozess des Spielens und Experimentierens[32] übergehen kann -, dann werden auf ganz natürlichem Wege Gegenüberstellungen, Klarifizierungen, Umdeutungen, Neudefinitionen bzw. Durcharbeitungsprozesse möglich, ohne dass dabei vom Kind prozess- und entwicklungsverhindernde Widerstände aktiviert werden müssen. Das Kind wird im Spiel frei sich selbst zu entfalten und weiterzuentwickeln.



[14] vgl. dazu WILLKE, H.: 1984; 1990

[15] z.B.: Explizieren, Gegenüberstellen, Umdeuten, Neudefinieren, Umlenken, Bestätigen, Stärken der Abwehr, Anteilnehmen, Einfach dabei sein, Lenken, Grenzen-Setzen, Aktives Beschützen etc.

[16] DATLER, W. (1984): "Wer nicht weiß, wohin er will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er ganz woanders ankommt ..." S. 29

[17] d.h., hohes Selbstwertgefühl, aktive Problemlösefähigkeit, hohe Selbstwirksamkeit, verbessertes Kohärenzgefühl und Vertrauen in die eigene Belastbarkeit

[18] zum Themenbereich Therapieziele siehe: RUTTER, M.: 1985; PERREZ, M.: 1982

[19] siehe dazu: HOFFERER, M.; FANNINGER R.; ROYER, St.(1999): Die Arbeit mit Systemfeldern und Basis-hilfen.

[20] vgl. dazu: HOFFERER, M.: 2000 a - Die Herangehensweise an den Menschen wird in der KPTH von sechs »anthropologischen Bezugspunkten« geleitet. Diese Bezugspunkte gehören zu den am Tiefsten liegenden Schichten der Persönlichkeit, sie bilden die Basis, die »verletzt oder verwundet« sein können. Vor diesem Hintergrund bildet sich das Verstehen der Therapeuten ab und es können begründete Zielvorstellungen und zielgerichtete Handlungsstrategien und Inhalte entwickelt und in der Therapie eingebracht und umgesetzt werden. Die bewusste Einbindung dieser anthroplogischen Aspekte in den Prozess der Begegnung und der Auffaltung (Diagnose) der Problemlage durch Beobachtung bildet die Grundlage für das theoriegeleitete Verstehen und Handeln in der KPTH. Die Bezugspunkte sind: (1) wesenhafte Bezogenheit, (2) Leiblichkeit, (3) Kreativität, (4) Beziehungs- und (5) Erkenntnisfähigkeit sowie (6)natürliche Verantwortlichkeit.

[21] siehe dazu: HOFFERER, M.: 1999 d, S. 34

[22] siehe dazu u.a.: BERGER, E., et al. 1985, S. 32-50

[23] zu Pkt. 3 und 4 siehe: HOFFERER, M.; ROYER, St.: 2000 b, S. 12-16

[24] siehe dazu: Prozessstruktur der Kommunikationspädagogik, HOFFERER, M.: 1999d, S. 34

[25] vgl. dazu: Outdoor-Aktivitäten, Die Arbeit mit der Schaukel, Klettern mit Kindern mit Problemverhalten, oder aber auch einfache therapeutische Aktivitäten wie: Fußballspielen, Skaten oder Tunnelgänge etc.

[26] In einer Therapiestunde können immer mehrere der vorgeschlagenen Nutzungsbereiche gleichzeitig verfolgt werden!

[27] siehe dazu: HOFFERER, M.; FANNINGER R.; ROYER, St.(1999): Die Arbeit mit Systemfeldern und Basishilfen.

[28] Siehe dazu als Beispiel: HOFFERER M.: 2000 c.

[29] Die Inhalte wechseln sehr häufig in den Aktivitäten und verändern sich automatisch mit der Zeit

[30] Genau genommen sind die dynamischen Regulatoren schon in der ersten Phase zum Einsatz gekommen. Jedoch ist es durch die veränderten Ausgangsbedingungen nun möglich, tatsächlich mit z.B. Konfrontationen, Umdeutungen oder Neudefinitionen etc. zu arbeiten.

[31] vgl. dazu: DÜHRSEN, A.: 1980, und REINELT, T., et al.: 1997, u.a. S. 196 f.

[32] Das Spielen und Experimentieren bildet die erste Stufe des Dynamischen Zirkulationskonzepts. Siehe dazu: HOFFERER, M.: 1999d, S. 31f.

Anhang

Übersicht über allgemeine und spezielle Diagnoseinformationen:

Erstgespräch:

- Entwicklungsanamnese

- Sozialanamnese

- Aktuelle Familiensituation

- Problemanamnese

- Vorbefunde (Gutachten)

- Zuweisungsgutachten

Fragebögen:

- Grund der Vorstellung

- Eigenschaftsfragebogen

- Fragebogen zum Problemverhalten des Kindes

- Fragebogen zum Problemverhalten des Kindes - Institution

- Fragebogen zur Therapie des Kindes

- Fragebogen zur Lebensgeschichte des Kindes

- Fragebogen zur Medikamentation des Kindes

- Fragebogen zur Wohnsituation des Kindes

- Fragebogen zu gemeinsamen Aktivitäten

- Fragebogen zur Ernährung des Kindes

- Fragebögen zur Befindlichkeit der Eltern (Mutter und Vater)

- Kontakte zum/r Kindergarten oder Schule

- Kontakte zu Schulpsychologe, Beratungslehrer, Therapeut, Sonstige

Diagnostik Medizin: (an Klinik oder Facharzt per Überweisung)

- klinische Untersuchung

- Wahrnehmungsdiagnostik: Sehtest, Hörtest

- EEG

- Neurostatus

- Motologische Diagnostik

Diagnostik Kommunikationspädagogik: (abhängig von den Vorgutachten und der Fragestellung)

Das Team besteht aus: Psychologen, Psychotherapeuten unterschiedlicher Schulen sowie Sonder- und Heilpädagogen - alle mit der Zusatzausbildung Kommunikationspädagogik

- Kennen lernen des Kindes und Kontaktaufbau

- BZT (Baum-Zeichen-Test) , MZT (Mann-Zeichen-Test), VZF (Verzauberte Familie) , SET (Satzergänzungstest), (FT Familie in Tieren), Gezeichnete Geschichten, Dilemmageschichten, großer Beobachtungs- und Diagnosebogen.

- In besonderen Fällen:

WZT (Wartegg-Zeichen-Test), AID (Adaptives-Intelligenz-Diagnostikum) und PFK (Persönlichketsfragebögen für Kinder) und

- Elterngespräch zur vertiefenden biografischen Anamnese und zur Problemeinschätzung.

ICD-Diagnosen

Erarbeitung der Diagnosen im Team (siehe dazu Beilage Prozessstruktur der Kommunikationspädagogik) unter Einbeziehung aller diagnostischen Befunde.

Literatur

BERGER, E.; FRIEDRICH, M., H. und SCHUCH, B. (1985): Verhaltensbeurteilung bei Kindern und Jugendlichen: allg. u. spezielle Psychopathologie - Stuttgart, New York: Thieme.

BUDDRUS, V. (Hg.) (1992): Die "verborgenen" Gefühle in der Pädagogik. Impulse und Beispiele aus der Humanistischen Pädagogik zur Wiederbelebung der Gefühle. - Baltmannsweiler: Schneider.

DATLER, W. (1984): Psychotherapie als Hilfe für das Kind. - München, Ernst Reinhardt, GmbH & Co.

DÜHRSEN, A. (1980): Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen. - Göttingen: Vandenhoek und Ruprecht

HOFFERER, M. (1999 d): Eine kleine Einführung: Kommunikationspädagogik - Was ist das? In: Der Sprachheilpädagoge, Fachzeitschrift für Sprachgeschädigten- und Schwerhörigenpädagogik, Nr. 2.

HOFFERER, M. (2000 a): Therapierelevante anthropologische Aspekte der KPTH - Online im Internet: URL: http://www.augustin.at/Texte%20und%20Skripten.html [Stand: 02. Feb. 2000]

HOFFERER, M., ROYER, St. (2000 c): Outdoor-Aktivitäten. Einsatz in der kommunikationspädagogisch-kinderpsychotherapeutischen Arbeit mit Kindern mit Problemverhalten. - Wien, Eigenverlag: Institut für Kommunikationspädagogik, Wien, Erlaaer Straße 3-9/1, A-1230 Wien

HOFFERER, M.; FANNINGER R.; ROYER, St.(1999): Die Arbeit mit Systemfeldern und Basishilfen. - Ausbildungsskript, Eigenverlag: Institut für Kommunikationspädagogik, Wien, Erlaaer Straße 3-9/1, A-1230 Wien

HOFFERER, M.; ROYER, St.: (2000 b): Klettern mit Kindern mit Problemverhalten: Praktische Anwendung in der kommunikationspädagogisch-kinderpsychotherapeutischen Behandlung. - Online im Internet: URL: http://bidok.uibk.ac.at/library/hofferer-klettern.html

HUSCHKE-RHEIN, R. (Hg.) (1992a): Systemisch-ökologische Pädagogik, Bd.1: Systemisch-ökologische Wissenschaftslehre als Bildungslehre im Atomzeitalter; Bd.2: Qualitative Forschungsmethoden, Hermeneutik, Handlungsforschung; Bd.3: Systemtheorien für die Pädagogik. Umrisse einer neuen Pädagogik; Bd.4: Zur Praxisrelevanz der Systemtheorien; Bd.5: Systemisch-ökologische Praxis. -Köln: Rhein, 1993a, 3. Auflage; 1993b, 3. Auflage; 1992a, 2. Auflage; 1994, 2. Auflage; 1992b.

LORENZ. E. (1963): Deterministic Nonperiod Flow. J. Atomspheric Sci. 20, 130-141

LUHMANN, N. (1984): Soziale Systeme. - Frankfurt/M.: Suhrkamp.

LUHMANN, N.; SCHORR, K., E. (1982): Zwischen Technologie und Selbstreferenz. Fragen an die Pädagogik. - Frankfurt/M: Suhrkamp.

MATURANA, H.; VARELA, F. (1987): Der Baum der Erkenntnis. - Bern: Scherz.

PERREZ, M. (1982): Ziele der Psychotherapie. In Bastine, R., Ried

PORTELE, G. (1992): Lernen=Leben, Leben=Lernen? Lernprozesse und persönliches Wachstum im Konstruktivismus, bei Bateson und in der Gestalttherapie. In: Huschke-Rhein R. (Hg.) Bd. 5, 1992, S. 55-68.

REINELT, T., et al.(1997): Lehrbuch der Kinderpsychotherapie: Grundlagen und Methoden. - München/Basel: E. Reinhardt

ROTTHAUS, W. (1999): Wozu erziehen? Entwurf einer systemischen Erziehung - Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag

RUTTER, M. (1985): Psychological Therapies in Child Psychiatry: Issues ans Prospects. In: Rutter, M., Hersov, L.: Child and Adolescent Psychiatry. Modern Approaches. Blackwell, Oxford

SCHMIDTCHEN, St. (1989a): Kinderpsychotherapie. Stuttgart: Kohlhammer

WILLKE, H. (1984): Zum Problem der Intervention in selbstreferentielle Systeme. In: Zeitschrift für Systemische Therapie. - Jg. 2, 1984, S. 191-200

WILLKE, H. (1990): Das Problem der Steuerung. In: WILKE, H.: Systemtheorie. Eine Einführung in die Grundprobleme. - Stuttgart: Fischer.

Kontakt:

Mag. Dr. Manfred Hofferer und Mag. Stefan Royer

Institut für Kommunikationspädagogik

mailto:mailto:manfred.hofferer@outdoorpaedagogik.at

http://www.outdoorpaedagogik.at/de/organisation.asp

Quelle:

Stefan Royer, Manfred Hofferer: Das Interventionskonzept in der kommunikationspädagogisch-kinderpsycho-therapeutischen Arbeit mit Kindern mit Problemverhalten

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 06.11.2006

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation