"Karriere mit Lehre - für behinderte Jugendliche eine unüberwindbare Barriere?"

Situation behinderter Jugendlicher in Tirol. Gedanken -und Vorschläge zur Förderung der Chancengleichheit im dualen Ausbildungsmodell

Autor:in - Petra Hillebrand
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Diplomarbeit
Releaseinfo: Diplomarbeit, eingereicht an der Akademie für Sozialarbeit der Caritas der Diözese Innsbruck, Erstbegutachter: Univ. Prof. Dr. Volker Schönwiese, Zweitbegutachterin: DSA Inge Daxböck-Waldbauer, Abgabedatum: 3. März 1997
Copyright: © Petra Hillebrand 1997

Vorwort

Für mich stand bereits am Anfang meiner Ausbildung zur Sozialarbeiterin fest, daß ich für meine Diplomarbeit ein behindertenpolitisches Thema wählen würde. Ich war auch darauf bedacht, über etwas Neues zu schreiben, meine Zeit und Energie einer aktuellen Fragestellung zu widmen, welche in der Fachliteratur - meinen Nachforschungen zufolge - bisher kaum Beachtung gefunden hat. Da ich ausgebildete Blumenbinderin und - händlerin bin (also selbst auf die Erfahrungen einer dreijährigen Lehre zurückgreifen kann), war es für michnaheliegend, die Thematik "Lehrlingsausbildung" mit meinem behindertenpolitischen Interesse zu verknüpfen und der Frage nachzugehen, warum es in Tirol so wenige Lehrlinge mit Behinderung gibt; bzw. was geändert werden müßte, damit sich die Chancengleichheit behinderter Jugendlicher im dualen Ausbildungssystem der Lehre erhöht.

In Tirol findet die Thematik "Lehrlingsausbildung für behinderte Jugendliche" (wenn man von einigen wenigen Ausnahmen absieht) bislang noch keine Beachtung. Aufgrund des mittlerweile gesetzlich verankerten Rechtes auf schulische Integration im Sekundarbereich wird dieses Thema und die Forderung nach entsprechenden Rahmenbedingungen von den betroffenen Pflichtschulabgängerlnnen und deren Eltern vermutlich jedoch schon bald an die Öffentlichkeit herangetragen werden.

Um eine möglichst breite Diskussionsgrundlage zu schaffen, habe ich mich entschlossen, mich nicht nur auf eine Behinderungsart zu spezialisieren und die anderen auszugrenzen, sondern ich habe versucht, eine allgemeine Untersuchung über die derzeitigen Rahmenbedingungen im Bereich der Lehre zu machen, um der Frage nachzugehen, inwieweit derzeit auf individuelle Bedürfnisse von behinderten Jugendlichen eingegangen werden kann. Mangels vorhandener Literatur war ich gefordert, Fragebögen zu entwerfen, um Expertlnnen in eigener Sache zu befragen und mich zudem mit einem Aufnahmegerät auf die Suche nach Interviewpartnerlnnen zu begeben. Trotzdem ich unzählige Stunden meiner Freizeit für diese Forschungstätigkeit investieren mußte, hat mir die Erhebungsarbeit großen Spaß bereitet.

Wer in meiner Arbeit nach einer allgemein gültigen Behindertendefinition sucht, wird diese nicht finden. Es gibt in Österreich noch keinen einheitlichen Behindertenbegriff, und es wäre sicher eine eigene Diplomarbeit wert, sich mit den verschiedenen Behindertendefinitionen, die meiner Meinung nach oft sehr diskriminierend sind, auseinanderzusetzen. Anstatt eines einheitlichen Behindertenbegriffes bildet deshalb ein Gedicht von Erich Fried die Brücke zum Normalisierungsprinzip und allen nachfolgenden Kapiteln.

"Dich

dich sein lassen

ganz dich

Sehen

daß du nur du bist

wenn du alles bist

was du bist

das Zarte

und das Wilde

das was sich losreißen

und was sich anschmiegen will

Wer nur die Hälfte liebt

der liebt dich nicht halb

sondern gar nicht

der will dich zurechtschneiden

amputieren

verstümmeln

Dich dich sein lassen

ob das schwer oder leicht ist?

Es kommt nicht darauf an mit wieviel

Vorbedacht und Verstand

sondern mit wieviel Liebe und mit wieviel

offener Sehnsucht nach allem -

nach allem

was DU ist

Nach der Wärme

und nach der Kälte

nach der Güte

und nach dem Starrsinn

nach deinem Willen und Unwillen

nach jeder deiner Gebärden

nach deiner Ungebärdigkeit

Unstetigkeit

Stetigkeit

Dann

ist dieses

dich dich sein lassen

vielleicht

gar nicht so schwer"

(Erich Fried 1994, 34f)

I. Gedanken zum Normalisierungsprinzip

Laut einer Diplomarbeit von Rudolf Buttazoni geht der Ursprung des Normalisierungsprinzips auf das Jahr 1943 zurück, in dem ein schwedischer Regierungsausschuß damit beauftragt wurde, mittels einer Untersuchung herauszufinden, in welcher Weise behinderten Menschen Arbeitsmöglichkeiten erschlossen werden könnten. "Der sozialpolitische Gedanke, der für die Arbeit dieses Ausschusses richtungsweisend war, wurde Normalisierungsprinzip genannt". (Buttazoni 1994, 9) Der schwedische Regierungsausschuß setzte sich für die Schaffung eines Sozial- und Gesundheitswesens ein, das Bürgerlnnen, die sonst zu den Bedürftigen gezählt wurden, die Möglichkeit bieten sollte, ein Leben so normal wie möglich führen zu können. Unter anderem arbeitete dieser Ausschuß folgende drei Vorschläge aus:

* Menschen mit Behinderung sollen am System der sozialen Dienste teilhaben können und dürfen von der sozialen Planung nicht ausgeschlossen werden.

* Der behinderte Mensch muß das Recht haben, Dienstleistungen, die nichtbehinderten Bürgerlnnen angeboten werden, auch für sich beanspruchen zu können.

* Maßnahmen müssen gesetzt werden, die es Menschen mit Behinderung erleichtern, Arbeit und dadurch Einkommen zu erhalten, mit welchem sie für sich selbst sorgen können.

Laut Buttazoni wollte der Ausschuß grundsätzlich erreichen, daß behinderte Menschen nicht weiterhin abgesondert in Anstalten untergebracht werden, sondern die Möglichkeit bekommen sollten, am Leben der Gesellschaft teilnehmen zu können. Somit wurden die oben genannten Vorschläge zum Ausgangspunkt und zur Orientierung für die in den skandinavischen Ländern in den 50iger Jahren beginnende Entwicklung von Hilfen zur Eingliederung behinderter Menschen in die Gesellschaft.

Diese schwedischen Normalisierungsvorschläge erscheinen mir für die Zeit, in der sie entstanden sind, ziemlich revolutionär und machen mich gleichzeitig sehr betroffen, weil ich weiß, daß zur selben Zeit in Österreich unzählige Menschen mit Behinderung unter der Naziherrschaft aufgrund ihres "unwerten Lebens" ghettoisiert, sterilisiert, gefoltert und getötet worden sind. Auch heute noch - mehr als ein halbes Jahrhundert später - ist es noch immer nicht selbstverständlich, daß behinderte Menschen an allen gesellschaftlichen Teilbereichen, die für die nichtbehinderten Menschen Österreichs offen stehen, teilhaben dürfen.

Lange Zeit habe ich nach einer Theorie gesucht, die meine innere Haltung bezüglich einer gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft unterstreicht. Irgendwann bin ich auf das Normalisierungsprinzip gestoßen, das meine Gedanken, Träume und Visionen, die oft so schwer in Worte zu fassen sind, wohl am besten zu beschreiben vermag.

Die verschiedensten AutorInnen haben sich mit der Thematik "Normalisierung" auseinandergesetzt und versucht, dieses Prinzip weiterzuentwickeln, wobei es teilweise recht unterschiedliche Ansichten darüber gibt wie das Normalisierungsprinzip zu verstehen wäre und wie man es am besten verwirklichen könnte. Auch Bank-Mikkelsen und Berg haben bei einem Kongreß zum Thema "Behindernde Hilfe oder Selbstbestimmung der Behinderten?" auf die Problematik aufmerksam gemacht, daß es aufgrund der verschiedenen Auffassungen bezüglich des Normalisierungsprinzips immer wieder zu irreführenden Mißverständnissen kommen kann. Aus diesem Grund heben sie das skandinavische Verständnis vom Normalisierungsprinzip hervor und distanzieren sich beispielsweise ganz klar von den Schriften des amerikanischen Soziologen Wolf Wolfensberger.

Auch ich vertrete die skandinavischen Inhalte des Normalisierungsprinzips und bin mir bewußt, daß Normalisierung nicht bedeuten kann, einen behinderten Menschen an herrschende Normen anzupassen, sondern daß dieses Prinzip die Andersartigkeit jedes einzelnen Menschen anerkennt. Das Normalisierungsprinzip kann und möchte eine behinderte Person somit nicht zu einer "der Norm entsprechenden Person" umformen, sondern fordert, daß Menschen trotz ihrer Behinderung Lebensumstände vorfinden bzw. erlangen sollten, welche denen der Allgemeinheit weitgehend entsprechen.

"Das Grundprinzip der Normalisierungstheorie ist es, daß alle Menschen, seien sie behindert oder nicht, die gleichen Rechte haben ... Trotzdem darf man nicht vergessen, daß alle Menschen verschiedenartig sind, daß sie verschiedene Bedürfnisse haben, sodaß Gleichheit lediglich bedeutet, jedem einzelnen Menschen Hilfen und Unterstützungen anzubieten, die seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen sind. Der Behinderte ist in gesetzlicher und humaner Hinsicht als gleichgestellter Bürger zu betrachten, auch wenn die verschiedenen Formen von Therapiebehandlungen die Behinderung nicht zu beseitigen vermögen. " (Bank- Nikkelsen/Berg 1982, 109)

Somit gesteht das Normalisierungsprizip behinderten Personen in allen Lebensbereichen (Wohnverhältnisse, Unterrichts- und Arbeitsverhältnisse, Freizeit) die gleichen Lebensbedingungen und Rechte zu, die auch nichtbehinderten Personen offen stehen. Zur Verwirklichung dieses Grundrechtes auf gleichberechtigte, gesellschaftliche Partizipation müßten meiner Meinung nach vielerlei Barieren beseitigt werden, die der Integration behinderter Menschen im Moment im Wege stehen. "Wir müssen uns immer vor Augen halten, daß das Leben für Behinderte erst dann normal sein kann, wenn Wege und Straßen, private und öffentliche Gebäude behindertengerecht eingerichtet werden. Hier hat man eine enorme Aufgabe, die weitgehend noch zu lösen ist, obwohl zu befürchten ist, daß sie nie zur vollen Zufriedenheit gelöst werden wird. Bei Behinderungen jeder Art muß man bedenken, daß es in der Bevölkerung etwa zehn bis zwölf Prozent Behinderte gibt, eine ansehnliche Minorität, die mit Recht verlangen kann, berücksichtigt zu werden, wenn wir uns das Endziel - die Normalisierung - vor Augen halten. " (Bank-Nikkelsen/Berg 1982, 112)

Meiner Ansicht nach stehen in Tirol den Zielen des Normalisierungsprinzips nicht nur unzählige bauliche, sondern auch viele gesetzliche und zwischenmenschliche Barrieren entgegen und machen deren Umsetzung so schwer. Beispielsweise ist es bei uns eher normal, behinderte und nichtbehinderte Kinder getrennt voneinander im Kindergarten oder in der Schule zu wissen, sind Integrationskindergärten und Integrationsklassen nach wie vor eine Seltenheit. Obwohl es für behinderte Kinder mittlerweile das verankernde Recht gibt, die ersten acht Schulstufen in einer normalen Regelschule absolvieren zu dürfen, müssen immer noch viele Eltern um dieses Recht kämpfen. Trotzdem es bei uns eine sogenannte Beschäftigungspflicht für begünstigte Behinderte gibt, sind dennoch viele Menschen mit Behinderung langzeitarbeitslos. Im Herbst 1996 gab es in Innsbruck Probleme, weil eine Gruppe von geistig behinderten Menschen eine Disco besuchen wollte. Als ich mit meiner Freundin, die im Rollstuhl sitzt, einen Einkaufsbummel machte, begegnete uns ein Lehrer der Sozialakademie, der mich fragte, ob ich gerade einen "sozialen Einsatz" machen würde. Aus diesen Beispielen, denen noch viele folgen könnten, leite ich die Annahme ab, daß es bei uns nach wie vor nicht selbstverständlich ist, daß behinderte und nichtbehinderte Menschen einander im alltäglichen Leben begegnen, daß viele Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Randgruppendasein führen, ausgegrenzt werden und gegen viele Vorurteile und Schwellenängste anzukämpfen haben.

Das Normalisierungsprinzip ist somit "keine neue Ideologie, sondern an und für sich ein Antidogma, das sich gegen die Diskriminierung behinderter Personen wehrt. " (Bank-Mikkelsen/Berg 1982, 109). Abschließen möchte ich dieses Kapitel mit einem Zitat, dessen Inhalt viel von meiner Grundhaltung widerspiegelt, mit der ich an die Ausarbeitung dieses Diplomarbeitsthemas herangegangen bin:

"Das Motto des Jahres der Behinderten war: GLEICHSTELLUNG UND VOLLE BETEILIGUNG. Bei uns heißt es: GLEICHES ANRECHT - GLEICHE MÖGLICHKEITEN. Das Normalisierungsprinzip bedeutet genau das selbe. Es ist ein einfaches Prinzip, das man als Arbeitsgrundlage verwenden kann. Es handelt sich lediglich darum, behinderte Personen als gleichberechtigte Bürger anzusehen - Bürger mit verschiedenartigen Bedürfnissen, für die die ganze Bevölkerung solidarisch verantwortlich sein muß. Das Verwaltungssystem ist in allen Ländern verschieden, alle Systeme enthalten aber eine Möglichkeit der Realisierung des Normalisierungsprinzips. Und hier ist die Einstellung der Bevölkerung des Landes von ausschlaggebender Bedeutung. " (Bank-Mikkelsen/Berg 1982, 113)

II. Lehrlingsausbildung in Tirol

2.1 Allgemeine Richtlinien zur Lehrlingsausbildung

Im folgenden Kapitel versuche ich die wichtigsten Bestimmungen, die die Lehrlingsausbildung betreffen, kurz zusammenzufassen. Als Informationsquelle diente mir die Servicebroschüre der Kammer für Arbeiter und Angestellte mit dem Titel "Lehrlings- und Jugendschutz" (vgl. AK 1996, 13 bis 61)

Lehrberufe sind Tätigkeiten, die der Gewerbeordnung unterliegen, deren Erlernung mindestens zwei Jahre erfordert und welche geeignet sind, im Wirtschaftsleben den Gegenstand eines Berufes zu bilden. In Österreich gibt es derzeit 232 gesetzlich anerkannte Lehrberufe, die in der Lehrberufsliste, welche vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung erlassen wird, zusammengefaßt sind. Nur ein in der Lehrberufsliste enthaltener Lehrberuf kann im Rahmen eines Lehrverhältnisses nach den Vorschriften des Berufsausbildungsgesetzes erlernt werden.

"Ein Lehrling ist eine physische Person, die aufgrund eines Lehrvertrages, zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufes, bei einem Lehrberechtigten fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung auch verwendet wird. Lehrlinge im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes sind Arbeitnehmerlnnen." (AK1996, 20)

"Lehrberechtigter ist eine physische oder juristische Person, die aufgrund eines Lehrvertrages einen Lehrling ausbildet und im Rahmen der Ausbildung auch verwendet. " (AK 1996, 20) Der/die Lehrberechtigte hat f'ür die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen und ihn unter Bedachtnahme auf die einschlägigen Rechtsvorschriften selbst zu unterweisen oder eine geeignete andere Person (Ausbilder/in) mit der Lehrlingsausbildung zu betrauen. Ist der/die Lehrberechtigte keine physische Person (sondern beispielsweise eine Personengesellschaft des Handelsrechtes), besteht die Verpflichtung, eine/n betriebliche/n Ausbilder/in zu bestellen. Für die Bestellung zum/zur Ausbilder/in sind die Ablegung der Ausbilderprüfung, die Beherrschung der erforderlichen Fachkenntnisse und auch die entsprechende Betätigung im Betrieb Voraussetzung.

Betriebliche Voraussetzungen für die Lehrlingsausbildung:

Der Lehrbetrieb muß so eingerichtet sein, daß den Lehrlingen die für den betreffenden Lehrberuf nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden können. Der/die Lehrberechtigte muß die erforderlichen Fachkenntnisse im betreffenden Lehrberuf besitzen und die pädagogische Eignung nachweisen. Außerdem darf dem/r Lehrberechtigten (bestellten Ausbilder/in) die Lehrlingsausbildung nicht von der Bezirksverwaltungsbehörde verboten worden sein. Können in einem Lehrbetrieb die nach dem Berufsbild festgelegten Fertigkeiten und Kenntnisse nicht in vollem Umfang vermittelt werden, ist die Ausbildung von Lehrlingen dann zulässig, wenn durch Maßnahmen einer ergänzenden Ausbildung in

einer sonstigen geeigneten Einrichtung die vollständige Ausbildung der Lehrlinge sichergestellt wird (= Ausbildungsverbund). Der Partnerbetrieb, der die ergänzende Ausbildung durchführt, muß eine schriftliche Zustimmungserklärung abgeben, die dem Lehrvertrag anzuschließen ist. "Bevor in einem Betrieb erstmalig mit der Ausbildung von Lehrlingen begonnen werden kann, hat der Betrieb bei der Lehrlingsstelle der örtlich zuständigen Wirtschaftskammer schriftlich einen Antrag auf Feststellung der Berechtigung zur Lehrlingsausbildung zu stellen. " (AK 1996, 22)

Zur Sicherung einer sachgemäßen Ausbildung sind für die einzelnen Lehrberufe Ausbildungsvorschriften festgelegt, die insbesondere folgendes beinhalten:

* das Berufsbild (Es gibt die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse an, die dem Lehrling in den einzelnen Lehrjahren vermittelt werden müssen.)

* die Verhältniszahlen (Sie geben an, wieviel Lehrlinge im Betrieb höchstens ausgebildet werden dürfen, im Verhältnis zu den im Betrieb beschäftigten Personen; im Verhältnis zu den im Betrieb beschäftigten Ausbilderlnnen.)

Das Lehrverhältnis beginnt mit dem Zeitpunkt des Eintritts des Lehrlings in die fachliche Ausbildung und der Verwendung des/r Auszubildenden in einem Lehrbetrieb. Trotz seines besonderen Ausbildungszwecks ist das Lehrverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Die Ausbildung im Rahmen eines Lehrverhältnisses bezeichnet man als "duales System", weil Lehrbetrieb und Berufsschule bei dieser Berufsausbildung zusammenwirken. Der Lehrvertrag bildet die rechtliche Grundlage f'ür das Lehrverhältnis. Er ist ein befristeter Arbeitsvertrag, der besondere Vereinbarungen über die Ausbildung enthält und schriftlich abgeschlossen werden muß. Bei minderjährigen Lehrlingen bedarf der Abschluß des Lehrvertrags außerdem noch der Zustimmung des/r gesetzlichen Vertreters/in. Der/die Lehrberechtigte ist verpflichtet, binnen drei Wochen nach Beginn des Lehrverhältnisses den Lehrvertrag in vierfacher Ausfertigung der örtlich zuständigen Lehrlingsstelle zur Eintragung zu übermitteln. In begründeten, im Gesetz erschöpfend aufgezählten Fällen, kann die Lehrlingsstelle die Eintragung bescheidsmäßig verweigern, welches zur Folge hat, daß das Lehrverhältnis kraft Gesetzes als beendet gilt. Gegen den Bescheid über die Verweigerung der Eintragung kann sowohl vom/von der Lehrberechtigten als auch vom Lehrling Berufung beim Landeshauptmann erhoben werden. Wurden jedoch alle Voraussetzungen erfüllt, trägt die Lehrlingsstelle der jeweils zuständigen Wirtschaftskammer den Lehrvertrag ein und übermittelt der örtlich zuständigen Kammer für Arbeiter und Angestellte eine Kopie des Lehrvertrages.

Um eine ordnungsgemäße Lehrlingsausbildung zu sichern, sind im Berufsausbildungsgesetz die wichtigsten Pflichten der Parteien des Lehrvertrages festgelegt.

a) Auszug aus den wichtigsten Pflichten des/der Lehrberechtigten:

* Übernahme der Kosten und der Verantwortung für die ordnungsgemäße Lehrlingsausbildung

* Unterweisung des Lehrlings unter Bedachtnahme auf die Ausbildungsvorschriften, wobei bei der Beschäftigung im Betrieb auf die Kräfte des Lehrlings Rücksicht zu nehmen ist.

* Unterrichtung der Erziehungsberechtigten des Lehrlings über wichtige Vorkommnisse und Verständigung der Lehrlingsstelle über alle Änderungen, die das Lehrverhältnis betreffen.

* Pflicht, den Lehrling zum regelmäßigen Berufsschulbesuch anzuhalten, ihm die dafür erforderliche Zeit freizugeben und auf den Stand in der Berufsschule zu achten

* Zahlung der Lehrlingsentschädigung (Höhe ist kollektivvertraglich geregelt und nach Lehrjahren gestaffelt), im Falle eines lehrgangsmäßigen Berufsschulbesuches des Unterschiedsbetrages zwischen Lehrlingsentschädigung und Internatskosten sowie der Prüfungstaxe beim erstmaligen Antritt zur Lehrabschlußprüfung

b) Auszug aus den wichtigsten Pflichten des Lehrlings:

* Berufsschulpflicht, wobei Zeugnsse und sonstige Berufsschulunterlagen dem/r Lehrberechtigten vorzulegen sind

* Pflicht, sich zu bemühen, die für den Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben sowie die im Zuge der Ausbildung übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen

* Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

* bei Arbeitsverhinderung unverzügliche Verständigung des/r Lehrberechtigten oder des/r Ausbilders/in

c) Pflichten der Erziehungsberechtigten (beim minderjährigen Lehrling):

* Verpflichtung, zusammen mit dem/r Lehrberechtigten den Lehrling zur Erhaltung seiner Pflichten nach dem Berufsausbildungsgesetz und dem Lehrvertrag anzuhalten.

Mit Abschluß des Lehrvertrages wird auch die Berufsschulpflicht des Lehrlings begründet. Diese beginnt mit dem Eintritt in ein Lehrverhältnis und dauert bis zu dessen Ende, längstens jedoch bis zum erfolgreichen Abschluß der letzten lehrplanmäßig vorgesehenen Schulstufe. "Die schulrechtlichen Vorschriften sehen für besondere Ausnahmefälle Möglichkeiten vor, auf Antrag zur Gänze oder teilweise vom Berufsschulbesuch befreit zu werden." (AK 1996, 13) Die Berufsschule möchte grundlegende theoretische Kenntnisse in einem berufsbegleitenden, fachlich einschlägigen Unterricht vermitteln, die betriebliche Ausbildung fördern und ergänzen sowie die Allgemeinbildung des Lehrlings erweitern. Je nach Einteilung der Berufsschulzeit unterscheidet man zwischen ganzjährigen Berufsschulen (mindestens ein voller Schultag bzw. zwei halbe Schultage pro Woche), lehrgangsmäßigen Berufsschulen (in jeder Schulstufe ein zusammenhängender Unterricht, der mindestens acht Wochen dauert), saisonmäßigen Berufsschulen (zusammengezogener Unterricht in einer bestimmten Jahreszeit) und Berufsschulunterricht in Blockform (Sonderform des ganzjährigen Unterrichts).

Die ersten zwei Monate des Lehrverhältnisses gelten kraft Gesetzes als Probezeit, in welcher der Lehrvertrag sowohl vom Lehrling (bei Minderjährigkeit mit Zustimmung des/r gesetzlichen Vertreters/in) als auch vom/von der Lehrberechtigten ohne Angabe von Gründen oder Einhaltung einer Frist jederzeit aufgelöst werden kann; wofür jedoch die Schriftform notwendig ist. Ansonsten kann dieser befristete Arbeitsvertrag nicht einseitig gekündigt werden. Die vorzeitige Auflösung des Lehrvertrages (Entlassung - Austritt) bedarf, um rechtswirksam zu werden, einer schriftlichen rechtsgeschäftlichen Erklärung eines/r Vertragspartners/in mit der Angabe eines gesetzlich vorgesehenen Grundes zur vorzeitigen Auflösung (bei Minderjährigen ist zusätzlich die Zustimmung des/r gesetzlichen Vertreters/in erforderlich). Entlassungsgründe, die den/die Lehrberechtigte/n zur vorzeitigen Lösung des Lehrvertrages berechtigen, sowie Austrittsgründe, die den Lehrling zum vorzeitigen Austritt aus dem Lehrverhältnis berechtigen, sind im Berufsausbildungsgesetz erschöpfend aufgezählt, weshalb ich jetzt nicht alle Punkte anführe, sondern zur Veranschaulichung zwei Beispiele nennen werde. Begeht ein Lehrling eine Veruntreuung und macht sich damit gegenüber dem/r Lehrberechtigten vertrauensunwürdig, liefert er einen Entlassungsgrund. Andererseits kann ein Lehrling vorzeitig den Lehrvertrag auflösen sowie Schadenersatz für die entgangene Lehrzeit fordern, wenn sein/e Lehrberechtige/r ihn züchtigt oder erheblich wörtlich beleidigt. Bei Willensübereinstimmung beider Parteien (= einvernehmliche Auflösung) kann der Lehrvertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen oder Einhaltung einer Frist einvernehmlich gelöst werden. Der Lehrvertrag kann auch kraft Gesetzes beim objektiv erkennbaren Eintritt eines bestimmten, im Berufsausbildungsgesetz angeführten Ereignisses automatisch enden (= ex lege Endigung des Lehrverhältnissen). Solche Ereignisse sind beispielsweise der Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Lehrzeitdauer, Tod des Lehrlings, rechtskräftige Verweigerung der Eintragung des Lehrvertrages, erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlußprüfung vor dem Lehrzeitende.

Nach der Beendigung oder vorzeigen Auflösung des Lehrverhältnisses hat der/die Lehrberechtigte auf seine/ihre Kosten dem Lehrling ein Zeugnis auszustellen, welches sowohl Angaben über den Lehrberuf als auch die Dauer des Lehrverhältnisses enthalten sollte. "Formulierungen, die dem Lehrling das Fortkommen erschweren, sind unzulässig." (AK 1996, 34)

Durch die Lehrabschlußprüfung soll festgestellt werden, ob sich der Lehrling die Fähigkeiten und Kenntnisse des Lehrberufes angeeignet hat und somit die Tätigkeiten des Lehrberufes fachgerecht ausführen kann. Für die einzelnen Lehrberufe gibt es Prüfungsordnungen, die Bestimmungen über die Gegenstände der praktischen und theoretischen Prüfung enthalten und festlegen, welche Gegenstände im Rahmen einer Zusatzprüfung zu prüfen sind. "Die Lehrabschlußprüfung ist vor einer, von der Lehrlingsstelle errichteten Prüfungskommission abzulegen." (AK 1996, 34) Sofern ein/e Prüfungswerber/in während seiner/ihrer Lehr- bzw. Weiterverwendungszeit erstmals zur Lehrabschlußprüfung antritt, sind ihm/ihr die notwendigen Prüfungsmaterialien kostenlos zur Verfügung zu stellen. Ferner muß in diesem Fall der/die Lehrberechtigte dem Prüfling die Kosten für die Prüfungstaxe ersetzen. Die Lehrlingsstelle hat dafür zu sorgen, daß alle Lehrlinge am Ende ihrer Lehrzeit die Lehrabschlußprüfung ablegen können.

Zu dieser Prüfung sind neben Lehrlingen, die frühestens acht Wochen vor Lehrzeitende antreten dürfen, noch Personen, die die festgesetzte Lehrzeit allenfalls unter Anrechnung einer schulmäßigen Ausbildung beendet haben, sowie Personen, die auf Grund einer schulmäßigen Ausbildung keine Lehrzeit zurücklegen müssen, zuzulassen. Ferner können folgende Personen bei der Bezirksverwaltungsbehörde eine ausnahmsweise Zulassung zur Lehrabschlußprüfung beantragen:

* Lehrlinge, bei denen das Lehrverhältnis gelöst wurde und keine Möglichkeit besteht, für die restliche Lehrzeitdauer ein Lehrverhältnis abzuschließen, sofern mindestens die Hälfte der für den Lehrberuf festgelegten Lehrzeit (allenfalls unter Berücksichtigung eines Lehrzeitersatzes) zurückgelegt wurde und die fiktive Lehrzeit bereits abgelaufen wäre.

* Personen, die den Erwerb der für den Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse glaubhaft machen können, sofern sie das 21. (in Härtefällen das 20.) Lebensjahr vollendet haben.

* behinderte Personen, die im Wege der Rehabilitation in einem Beruf ausgebildet wurden, sind ohne Rücksicht auf das genannte Mindestalter zur Prüfung zuzulassen.

Die Zulassung zur Lehrabschlußprüfung erfolgt mit Bescheid nach Anhörung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft sowie der Kammer für Arbeiter und Angestellte. "Im Falle des Nichtbestehens der Prüfung hat die Prüfungskommission auf Grund der festgestellten Mängel den Termin der Wiederholungsprüfung festzusetzen, der frühestens drei, spätestens sechs Monate nach der nicht bestandenen Prüfung zu liegen hat." (AK 1996, 36) Nach erfolgreicher Ablegung der Lehrabschlußprüfung wird von derLehrlingsstelle ein Prüfungszeugnis und auf Antrag des Prüflings ein entsprechend gestalteter Lehrbrief ausgestellt.

Nach dem Ende der Lehrzeit ist der/die Lehrberechtigte verpflichtet, den Lehrling im Betrieb im erlernten Beruf vier Monate lang weiterzubeschäftigen; unabhängig davon, ob die Lehrabschlußprüfung bereits abgelegt wurde oder nicht. Der Lehrling hat am Ende seiner Lehrzeit die Möglichkeit zu entscheiden, ob er von der Weiterverwendungspflicht Gebrauch macht oder nicht. Wenn der/die Lehrberechtigte diese Verpflichtung aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllen kann, kann er/sie vor Beginn der Weiterverwendungspflicht einen Antrag auf Entfall derselben stellen, sodaß ihm/ihr die örtlich zuständige Wirtschaftskammer im Einvernehmen mit der örtlich zuständigen Arbeiterkammer die Verpflichtung zur Weiterverwendung erläßt.

Neben den arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften (z.B. Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz, Arbeitsplatzsicherungsgesetz, Urlaubsgesetz, Arbeitszeitgesetz, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, Arbeitnehmerschutzgesetz....) gelten hinsichtlich der Lehrlingsausbildung das Berufsausbildungsgesetz und kommen bezüglich der Berufsschulpflicht die einschlägigen Schulgesetze zur Anwendung.

2.2 Tiroler Lehrlingsstatistik (Zeitraum 1990 bis 1995)

Im Herbst 1996 versuchte ich in Erfahrung zu bringen, wieviele Jugendliche mit Behinderung in Tirol in den letzten fünf Jahren in einem Lehrverhältnis gestanden sind. Zudem wollte ich diese Anzahl mit der Gesamtzahl der Tiroler Lehrlinge vergleichen. Bei meiner Erhebung bezüglich der Anzahl der behinderten Lehrlinge in Tirol stieß ich auf mehrere Probleme:

* Bisher scheint esin Tirol noch keine derartige Erhebung gegeben zu haben.

* Aus einem Lehrvertrag ist nicht ersichtlich, ob ein Lehrling behindert oder nichtbehindert ist.

* Von allen Stellen, die ich kontaktierte, konnte mir einzig dasBundessozialamt einen Teilbereich meiner Fragestellung beantworten.

* In Österreich gibt es keinen einheitlichen Behindertenbegriff, weshalb ich mich schließlich auf die Anzahl der begünstigten Lehrlinge beschränken mußte.

Das Zahlenmaterial bezüglich der Gesamtzahl der Tiroler Lehrlinge erhielt ich dankenswerter Weise am 4. September 1996 von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol (Kontaktperson Herr Dr. Steger). Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Hammer vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, der mir am 1. Oktober 1996 Auskünfte bezüglich der Anzahl jener Lehrlinge, die zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gehören und in Tirol im Zeitraum zwischen 1990 und 1995 in einem Lehrverhältnis gestanden sind, erteilte.

Gesamtzahl aller Lehrlinge in Tirol:

* 1995 - 11 512 Lehrlinge (Abnahme gegenüber dem Vorjahr: -1,98%)

* 1994 - 11 744 Lehrlinge (Abnahme gegenüber dem Vorjahr: -1,34%)

* 1993 - 11 904 Lehrlinge (Abnahme gegenüber dem Vorjahr: -2,43%)

* 1992 - 12 200 Lehrlinge (Abnahme gegenüber dem Vorjahr: -2,30%)

* 1991 - 12 487 Lehrlinge (Abnahme gegenüber dem Vorjahr- -4,80%)

* 1990 - 13 116 Lehrlinge

Resümierend kann ich folgendes zusammenfassen: Wenn man im Jahr 1996 verstärkt von einer Lehrlingskrise spricht, muß man sich gleichzeitig vor Augen führen, daß bereits viel früher ein Rückgang der Lehrlinge zu bemerken war. Seit dem Lehrlingsrekordjahr 1980 (17 093 Lehrlinge in Tirol) hat die Anzahl der Lehrlinge stetig abgenommen. Dies bedeutet, daß es in Tirol von 1980 bis 1995 einen Lehrlingsrückgang von 5 581 gegeben hat, welches einem Rückgang von 32,7% entspricht.

Gesamtzahl der registrierten Lehrlinge in Tirol, die zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gehören (Anm.- Begriffserklärung "begünstigte/r Behinderte/r" siehe Kapitel Behinderteneinstellungsgesetz)

* 1995 - 13 Lehrlinge (0, 11% der Gesamtlehrlingszahl Tirols)

* 1994 - 11 Lehrlinge (0,09% der Gesamtlehrlingszahl Tirols)

* 1993 - 17 Lehrlinge (0, 14% der Gesamtlehrlingszahl Tirols)

* 1992 - 18 Lehrlinge (0, 15% der Gesamtlehrlingszahl Tirols)

* 1991 - 16 Lehrlinge (0, 13% der Gesamtlehrlingszahl Tirols)

* 1990 - 20 Lehrlinge (0, 15% der Gesamtlehrlingszahl Tirols)

Vergleicht man die Anzahl der begünstigten Behinderten, die im Zeitraum 1990 bis 1995 in einem Lehrverhältnis standen, mit der Gesamtzahl der Tiroler Lehrlinge, so kommt man auf ein Verhältnis von weniger als 0,2%. Diese Zahlen decken sich großteils mit meinen Eindrücken, die ich aus Gesprächen mit Mitarbeiterlnnen der verschiedensten Beratungsstellen im Behindertenbereich und den Aussagen Betroffener gewann. Es gibt nur ganz wenige behinderte Jugendliche, die derzeit die Möglichkeit haben, sich in Tirol im dualen System der Lehre beruflich zu qualifizieren. Behinderte Jugendliche mit einer abgeschlossenen Lehrlingsausbildung zählen eher zu den glücklichen Ausnahmen.

Weshalb gibt es so wenige behinderte Jugendliche, die eine Lehrlingsausbildung machen? Diese Frage möchte ich vorläufig offen lassen. Vielleicht regen einige Kapitel meiner Diplomarbeit den oder die Leser/in an, darüber nachzudenken, was geändert werden müßte, damit diese Form der dualen Ausbildung für behinderte Jugendliche eben keine unüberwindbare Barriere mehr darstellt.

2.3 Lehrlingsausbildung in der Krise

Nachdem ich mich entschlossen hatte, in meiner Diplomarbeit das Thema "Karriere mit Lehre für behinderte Jugendliche eine unüberwindbare Barriere?" zu behandeln, nahm ich verstärkt wahr, daß im Spätsommer 1996 in den Medien laufend über eine Krise der Lehrlingsausbildung berichtet wurde. Aus aktuellem Anlaß holte ich mir deshalb zu dieser medial behandelten Problematik zwei Expertenmeinungen ein. Am 4. September 1996 interviewte ich Herrn Dr. Steger, den Leiter der Bildungsabteilung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, um eine Woche später Herrn Dr. Schumacher, welcher Abteilungsleiter der Jugendabteilung der Tiroler Arbeiterkammer ist, zur selben Thematik zu befragen. Für die Diplomarbeit entnehme ich nur einige wenige Interviewausschnitte, weshalb ich auf die Materialmappe hinweisen möchte, wo die Interviews, die von mir zuerst auf Tonband aufgenommen und anschließend transpiriert wurden, in voller Länge nachgelesen werden können.

* Zwei Meinungen zum Thema "Lehrlingsausbildung in der Krise" -

Dr. Steger:

'...Die grundsätzliche Krise der Lehrlingsausbildung besteht darin, daß die Betriebe in der jetzigen Zeit (wo es den meisten wirtschaftlich nicht so gut geht) immer mehr zu der Erkenntnis kommen, daß ein Lehrling auf der einen Seite ein immenser Kostenfaktor ist. Auf der anderen Seite haben sich in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für die Lehrlingsausbildung immer mehr verschlechtert, sodaß viele Betriebe sagen, daß sie unter diesen Voraussetzungen keine Lehrlinge mehr aufnehmen wollen.

Ganz konkret geht es um die Frage der extrem schweren Lösbarkeit eines Lehrverhältnisses. Die Lehrlinge wissen sehr genau, bis zu welchem schmalen Grad sie ihr Verhalten treiben können, damit es gerade nicht zu einer Lösung des Lehrverhältnisses reicht. Auch die Rechtssprechung geht eher in die arbeitnehmerfreundliche Richtung, sodaß sich der Lehrling schon extrem viel erlauben kann und der Betrieb ihn immer noch behalten muß. Dazu kommt noch, daß die Jugendlichen, die über ein entsprechendes intellektuelles Potential verfügen (und auch viel zu viele, die es nicht tun), in weiterführende Schulen gehen und daß im Prinzip für die Lehre eine Klientel übrigbleibt (nicht alle, aber ein großes Potential), die von der Qualität her den Anforderungen der Betriebe einfach nicht mehr genügt. Dies sind also Hauptgründe.

Dazu kommen noch einige kleinere Geschichten, die eher tertiell sind. Da gibt es zum Beispiel die Regelung, daß ein Lehrling bis zum 19. Lebensjahr unter den Schutzbestimmungen des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes steht, während für andere Jugendliche das 18. Lebensjahr gilt. Eine andere Sache ist die abendliche Arbeitszeit bis 22.00 Uhr für Sechzehnjährige.Die dürfen nicht bis 23.00 Uhr irgend etwas tun, denn um fünf nach zehn (Anm. 22.05 Uhr) steht möglicherweise schon der Arbeitsinspektor ums Hauseck und scharrt mit den Hufen, um dann den bösen, ausbeuterischen Lehrbetrieb zu erwischen. Zudem hat sich auch die Technologie weiterentwickelt, sodaß die Berufe, wie wir sie jetzt haben, in der Form oder mit den Inhalten, wie sie festgeschrieben stehen, in vielen Bereichen schlicht und einfach überholt sind...'.

Dr. Schumacher:

'...Zum einen gibt es tatsächlich eine Krise in der Lehrlingsausbildung, die vor allem dadurch gekennzeichnet ist, daß die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe rückläufig ist. Zum anderen ist sie dadurch gekennzeichnet, daß es auch für Lehrabsolventen weniger gute, angemessene, qualifizierte Arbeitsbereiche gibt, weil ein Verdrängungswettbewerb stattfindet. Der Betriebswirtschaftsstudent macht jetzt das, was früher ein HAK-Absolvent gemacht hat. Der HAK-Abgänger sitzt jetzt im Büro, wo früher die Bürokaufleute gearbeitet haben, sodaß letztere keine Stelle mehr finden und sich auf einem enger werdenden Arbeitsmarkt behaupten müssen ...

Ich wollte jedoch auch noch ansprechen, daß diese Krise nicht ganz so groß ist, wie sie derzeit in den Medien behandelt wird. Wenn die Daten des Arbeitsmarktservices (wo x Lehrlinge y offenen Lehrstellen gegenübergestellt werden) gelesen werden und daraus eine Enge des Marktes zu erkennen ist, so ist dies eigentlich nur ein Teil der Wahrheit. Außerdem glaube ich, daß die Krise von den Unternehmern auch ein bißchen herbeigeredet wird (mit einem ganz klaren politischen Kalkül). Im Zuge dieser Krise (die aber meiner Meinung nach nicht so groß ist wie sie überall besprochen wird, kommen Forderungen daher, die von den Unternehmern bereits seit Jahren erhoben worden sind..'.

* Ist es für behinderte Jugendliche schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, als für nicht behinderte Jugendliche? Könnte es sein, daß es für Behinderte aufgrund der immer weniger werdenden Lehrstellen nun beinahe unmöglich ist, eine Lehrstelle zu finden?

Dr. Steger:

'... Wenn man sich die Situation anschaut, sieht man, daß 8 000 Lehrstellensuchenden 3 000 gemeldete Lehrstellen gegenüberstehen (Anm. österreichweit gab es im August 1996 8 753 Lehrstellensuchende, denen 3 867 Lehrstellen zur Verfügung standen). Somit kann sich ein Betrieb also statistisch gesehen von zweieinhalb Lehrstellensuchenden einen Bewerber aussuchen. Daß dieser Betrieb sich den bestqualifizierten Bewerber aussuchen wird, ist diesem nicht zu verübeln. Das heißt, daß für einen, der eine soziale, psychische, physische, geistige Fehlanpassung hatschon eine massive Unterstützung bekommen muß, damit ein Betrieb bereit ist, einen solchen zu nehmen. An sich ist die heutige Situation so, daß die Lage dieser Personengruppen sicher drastisch erschwert wird. Ich bin davon überzeugt. Da fällt es einem als Interessenvertreter (Amn. der UnternehmerInnen) natürlich schwer, zu sagen: "Lieber Betrieb! Zeige dein soziales Gewissen und gib auch solchen Menschen eine Chance". Vor allem dann, wenn der Betrieb gleichzeitig sagt: "Wie soll ich das schaffen?" Ich muß ja sonst auch noch leben" Und ein Lehrling kostet dem Betrieb (von der Gewerkschaft erhoben) eben S 20 000. - im Monat. Wenn dann auch noch kein Output kommt, ist das ein reines Negativgeschäft. Das ist im Moment eben nicht gut verkaufbar...'.

Dr. Schumacher:

'... Ich glaube auf jeden Fall, daß dies so ist, daß eben die Schwächsten am Arbeitsmarkt jetzt sicher jene sind, die als erstes daran glauben müssen. Ich weiß auch, daß es immer dieselben Betriebe sind, die eine gewisse Offenheit haben. Es sind alles einfach Betriebe, wo der Chef oder die Chefin eben ganz bewußt einen sozialen Anspruch verfolgen. Ich kenne einige solcher Betriebe, die ganz bewußt den Anspruch haben, auch schwierigere Leute zu nehmen. Sie verstehen dies eben als einen ganz persönlichen Beitrag zur Gesellschaft. Allerdings sind solche Betriebe eher Ausnahmen, weil sich dies ein Betrieb natürlich auch leisten können muß. Aber um die Frage noch einmal zu beantworten: Ich glaube auf jeden Fall, daß es für behinderte Jugendliche mit Abstand am schwersten ist..'.

Diese Aussagen haben mich sehr betroffen gemacht. Deshalb ist es mir auch ein Bedürfnis, am Ende dieses Kapitels meine eigenen Gedanken bezüglich der Krise in der Lehrlingsausbildung und deren mögliche Auswirkungen auf Lehrstellensuchende mit einer Behinderung zu Papier zu bringen.

Die Botschaft verschiedener Zeitungsmeldungen bezüglich der "Lehrlingskrise" war vor allem jene, daß sich die Zahl der angebotenen offenen Lehrstellen in letzter Zeit dramatisch reduziert hat. Aus diesem Grund gibt es laut AMS-Meldungen mehr Lehrstellensuchende als Lehrstellen zur Verfügung stehen.

Dadurch ergibt sich ein Konkurrenzkampf zwischen den Lehrstellensuchenden. Dies hat meiner Meinung nach wiederum die Auswirkung, daß es in Zeiten einer Lehrlingskrise, in denen es vielen Betrieben auch wirtschaftlich nicht so gut geht, für Lehrstellensuchende mit einer Behinderung schwieriger wird, einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich würde zwar lieber eine optimistischere Prognose stellen, aber aufgrund der Erfahrungsberichte behinderter Arbeitssuchender sowie der Aussagen verschiedener Betriebsführerlnnen vermute ich, daß Unternehmerlnnen, die die Möglichkeit haben, sich aus mehreren Lehrstellenbewerberlnnen eine/n auszusuchen, sich sicher für den/die nichtbehinderte/n Bewerber/in entscheiden werden.

Selbst wenn ich erstens berücksichtige, daß die AMS-Statistiken nicht dem tatsächlichen Angebot an offenen Lehrstellen entsprechen, weil viele Betriebe freie Ausbildungsplätze gar nicht an das AMS melden, sondern unabhängig von dieser Institution ihre Lehrlinge auswählen, und ich mir zweitens vor Augen führe, daß Tirol im österreichweiten Vergleich ein relativ ausgewogenes Verhältnis zwischen Lehrstellensuchenden und Lehrstellen aufweist, glaube ich dennoch, daß sich die Reduktion der Lehrplätze vor allem auf behinderte Lehrstellensuchende belastend auswirkt. Wahrscheinlich wendet sich ein Großteil der behinderten Lehrstellensuchenden an das AMS, um mit dessen Hilfe einen Lehrplatz zu finden. Somit trifft es diese Jugendlichen vermutlich besonders hart, wenn beim Arbeitsmarktservice mehr Lehrstellensuchende vermerkt sind als offene Stellen zur Verfügung stehen.

III. Ein Gespräch mit dem Landesschulinspektor der Tiroler Berufsschulen, Mag. Dr. Lettenbichler

Der nachfolgende Text beinhaltet nur Teilausschnitte eines Gespräches mit dem Landesschulinspektor, das in etwa eine Stunde dauerte und aufgrund seines enormen Umfanges nicht in seiner Gesamtlänge wiedergegeben worden kann. Um ein möglichst flüssiges und verständliches Lesen zu gewährleisten, änderte ich die Reihenfolge einzelner Fragen ab. Zudem zitiere ich einige Teilausschnitte des Interviews erst im nächsten Kapitel. Ich möchte auf die Besonderheit dieses Gespräches hinweisen, denn für mich ist es keine Selbstverständlichkeit, daß ich den Leserlnnen meiner Diplomarbeit dieses Interview zugänglich machen kann. Aufgrund eines technischen Fehlers war nämlich keine einzige Silbe des am 10. Dezember 1996 geführten Interviews auf die Tonbandkassette aufgezeichnet worden. Dankenswerter Weise erklärte sich Herr Dr. Lettenbichler am 17. Dezember 1996 noch einmal bereit, mir meine Fragen zu beantworten, sodaß ich dieses Interview wiederholen und beim zweiten Anlauf ordnungsgemäß aufzeichnen sowie vollständig transkribieren konnte. Wer Interesse daran hat, die ungekürzte Fassung dieses Gespräches mit dem Landesschulinspektor der Tiroler Berufsschulen zu lesen, kann bei mir eine Kopie der Originalunterlagen aus meiner Materialmappe anfordern.

Dürfen behinderte Lehrlinge grundsätzlich die Berufsschule besuchen?

'... Ja. Es gibt bei uns bezüglich der Behinderung keine Ausschließungsgründe. Wenn wir nach den rechtlichen Grundlagen vorgehen, sind die einzigen Ausschließungsgründe im Bereich des Berufes gegeben, weil durch Maschinenarbeit oder durch besondere Anforderungen aufgrund des Lehrplanes den Jugendlichen auch Grenzen gesetzt sind...'.

Im weiteren Gespräch weist Herr Dr. Lettenbichler auch auf die Möglichkeit des außerordentlichen Schulbesuches hin: '... Wenn zu uns jemand kommt und sagt, daß er die Berufsschule besuchen möchte, um sich auf den Beruf vorzubereiten, dann nehmen wir ihn, sofern die entsprechenden Plätze in den Klassen vorhanden sind, als außerordentlichen Schüler auf. Ein außerordentlicher Schüler wird bei uns dahingehend klassifiziert, daß er kein Lehrverhältnis hat.. Ein außerordentlicher Schüler bekommt normalerweise nur eine Schulbesuchsbestätigung. Er kann zwar sagen, daß er beurteilt werden möchte; dann bekommt er auch Noten. Ansonsten bekommt er nur einen Teilnahmevermerk. Bis jetzt haben wir noch keinen Schüler, der sich auf den Beruf vorbereiten wollte, abgewiesen, sodaß man sagen kann: Würde ein Behinderter zu uns kommen, könnte dieser selbstverständlich bei uns unter den gegebenen Möglichkeiten einen Berufsschulbesuch absolvieren...'.

Allerdings gibt es hier bestimmte Einschränkungen, die der Landesschulinspektor folgendermaßen erläutert: '.Dann müssen wir die gleichen Bedingungen setzen, wie bei anderen Jugendlichen auch (z.B. Ist dieser Anwärter tauglich für den Beruf? Besitzt er die entsprechenden Voraussetzungen? Ist eine Gefährdung durch die Maschine gegeben?) Da müßten wir wahrscheinlich manchmal auch sagen, daß wir diesen Jugendlichen aufgrund des Sicherheitsrisikos nicht ausbilden können.Letztlich entscheidet hier die Schule mit den Lehrern'. Als fiktives Beispiel dafür nennt er einen Jugendlichen, der Absenzen und kleinere epileptische Anfälle hat und Tischler werden möchte: ' Von der Behinderung her wäre dies sicher eine Krankheit, die man heutzutage sehr gut medikamentös einstellen und behandeln könnte.

Trotzdem würde ich es als großes Risiko betrachten, wenn dieser Jugendliche in der Werkstatt bei laufenden Maschinen arbeiten würde, wenn es hier nicht entsprechende Erklärungen und einen von den Eltern unterschriebenen Revers gäbe, daß sie selbst das Risiko übernehmen. Weniger Bedenken hätte ich bei einer kaufmännischen Ausbildung oder bei einer Schulung zum Bürokaufmann. Wenn man hier an bestimmte Behinderungen denkt, wären dies sicher Berufe, wo es möglich wäre. Somit könnte man sagen: "Aha! Der kann Maschinschreiben, und der bekommt diese oder jene Teilleistungsfähigkeit." Hier kann man vieles ausprobieren und auswählen. Dies ist eben der Vorteil des außerordentlichen Schülers. Dieser könnte genau sagen: "Ich will nur Maschinschreibunterricht oder nur Computerunterricht oder nur Verkaufskunde oder nur Verkaufstechnik haben, denn dies traue ich mir zu. " Die anderen Fächer müßte dieser außerordentliche Schüler dann gar nicht besuchen...'.

Ist es den Berufsschullehrern möglich, auf individuelle Bedürfnisse, die sich aus der Behinderung ergeben einzugehen? (z.B. Stiitzunterricht; individueller Lehrplan für beispielsweise geistig behinderte Berufsschüler; verbale Beurteilung; keine Anforderung, jeden Gegenstand abschließen zu müssen ...)

'...Dies gibt es bei uns nicht. Auch deshalb, weil die Anzahl der Schüler, die zu uns kommen und eine Behinderung haben, sehr gering ist. Das Stützlehrersystem kennen wir nicht, weil bei uns die Problematik der Integration noch nicht so sehr gegeben ist. Verbale Beurteilung wäre möglich, wenn jemand als außerordentlicher Schüler die Berufsschule besucht...'. (Anm.: Sobald Lehrlinge den Lehrvertrag unterschrieben haben, besteht für sie Berufsschulpflicht. Nach dem Gesetz ist für diese Pflichtschülerlnnen keine verbale Beurteilung vorgesehen; Pflichtschülerlnnnen müssen den Lehrplan der Norm erfüllen; müssen den jeweiligen Berufsschullehrgang positiv abschließen, um in die nächste Klasse aufsteigen zu können usw. ).

Dadurch, daß jetzt auch im Sekundarbereich Integration passiert, wird die Frage der Integration meiner Meinung nach auch bald an das Berufsschulwesen herangetragen werden. Meinen Sie, daß diese Thematik in den Berufsschulen in absehbarer Zeit ein Thema sein wird?

'...Dadurch, daß die Lehrlingsausbildung zwischen Berufsschule und Lehrbetrieb aufgeteilt ist und vor allem der Lehrbetrieb entscheidet, ob es einen behinderten Lehrling gibt oder nicht, wird bereits seitens der Lehrbetriebe eine erste Selektion erfolgen ich glaube nicht, daß man dieses Problem so lösen kann, wie es im Bereich der öffentlichen Pflichtschulen oder des öffentlichen Primär- und Sekundarbereiches gelöst worden ist. Ich glaube dies deshalb, weil man einen Betrieb der Marktwirtschaft eben nicht zwingen kann, einen Behinderten aufzunehmen. Ich könnte mir eher vorstellen, daß man für diese Jugendlichen die Möglichkeit des außerordentlichen Schülers weiter öffnet, damit behinderte Jugendliche eher sagen können: "Bin ich für diesen Beruf überhaupt geeignet? Kann ich diesen Beruf überhaupt lernen?". Man müßte dann eben im Bereich der Berufsschulen (wenn es also gefordert wird) solche Integrationsklassen führen, wo man den Jugendlichen eine Berufsvorbereitung in bestimmten Teilbereichen ermöglicht, damit man dann dem Betrieb sagen kann: "Diese oder jene Stärken hat der Jugendliche". Ich weiß nicht, ob man dies nun über ein Anlehregesetz machen soll oder nicht.

Derzeit ist meiner Meinung nach einfach dann ein Handlungsbedarf gegeben, wenn sich jemand bei uns meldet. Dem soll man dann auch helfen; unkompliziert. Und da sollte man dann auch nicht dauernd irgendwelche Hindernisse entgegensetzen (beispielsweise, daß man dieses oder jenes nicht darf), sondern man sollte die Lehrer jetzt einfach einmal versuchen lassen, Erfahrungen zu gewinnen, wie man solche Schüler problemlos integrieren kann. Denn dies ist auf der anderen Seite auch nicht so einfach. Aber ich sehe hier nicht ein Problem, das man nicht bewältigen könnte. Ich glaube, wenn dies an die Schulen herangetragen wird, werden sich die Lehrer und auch die Direktion sehr wohl Gedanken darüber machen, wie sie hier helfen können. Aber seitens der Betriebe glaube ich, daß es sehr schwer sein wird. Man sollte Betriebe in diesem Bereich nicht zwingen, einen behinderten Lehrling zu nehmen, sondern man sollte eher einmal schauen, ob die Schulen hier nicht etwas vorbereiten könnten. Wenn Integration auf uns zukommt, bedarf es sicher anderer Ausbildungen, Vorbereitungkurse, usw., damit wir hier auch in einem größeren Umfang richtig darauf reagieren können. Möglicherweise müssen wir hier den bestehenden Lehrplan anpassen und nach den Kriterien, was möglich und was nicht möglich ist, aufteilen. Leicht ist es sicherlich nicht, aber bewältigbar ist alles. Ich glaube, daß man hier helfen kann, helfen muß und auch helfen soll, und daß dies für manche Lehrer eine tolle Herausforderung ist.

Wenn die Integration im Sekundarbereich verwirklicht worden ist, dann werden diese integrierten Schüler im Alter von 14 oder 15 Jahren auch mit einem ganz anderen Selbstbewußtsein dastehen und hier sicherlich die Frage stellen: "Wie soll es jetzt weitergehen?" Dann wird sicherlich die Forderung gestellt werden, daß die Integration fortgesetzt werden muß. Deshalb glaube ich, daß dieses Problem in zwei bis drei Jahren sicherlich ganz akut an uns herangetragen werden wird. Denn die Eltern werden sagen: "Nun geht mein Kind in die zweite, dritte Klasse Sekundarstufe. Was passiert jetzt weiter? Müssen wir geschützte Werkstätten haben oder fordern wir jetzt auch die Integration in die Berufswelt?"...' .

Haben Sie schon einmal etwas von der individualisierten Lehrlingsausbildung gehört? Wenn ja, was halten Sie von diesem Modell?

'...Ja. Die individualisierte Lehrlingsausbildung ist ein EU-Projekt, das über einen längeren Zeitraum geht. Ich glaube, daß auch für unseren Bereich entscheidende Erfahrungen gewonnen werden können, wenn dies weiterentwickelt wird...' .

Viele Berufsschulen sind nicht rollstuhlgerecht gebaut. Würde der Schulerhalter Ihrer Meinung nach eine bauliche Adaptierung bezahlen, wenn der behinderte Berufsschüler ansonsten nicht in die Berufsschule hinein könnte?

'...Jetzt kann ich nur sagen: "Wir haben starke Lehrlinge und bisher haben wir uns immer mit den starken Lehrlingen geholfen, die den jungen Menschen in die notwendigen Klassenräumlichkeiten hinaufgetragen haben " Die neuen Schulen werden behindertengerecht gebaut. Wie verhält es sich bei Schulen, die noch nicht behindertengerecht ausgebaut sind? Bei der heutigen Einstellung glaube ich schon, daß Investitionskosten von den zuständigen Verantwortlichen im Land sicherlich getätigt werden, wenn alles Sinn macht und wenn man sieht, daß dann ja nicht nur einer in diese Schule hineinkommen kann, sondern vielleicht auch mehrere nachkommen können...'.

Wenn man nun seitens der Schule auf individuelle Bedürfnisse eingehen könnte, dann kommt immer noch das große Ziel Lehrabschlußprüfung. Glauben Sie, daß es auch hier möglich wäre, auf individuelle Bedürfnisse behinderter Lehrlinge einzugehen? (z.B. mehr Zeit für die praktische Arbeit, nicht nur die Beurteilung "bestanden" oder "nicht bestanden", sondern anstatt dessen eine Bestätigung der Teilqualifikationen, die sich beispielsweise ein Lehrling mit einer geistigen Behinderung erworben hat usw.)

'...Dies ist eine Sache, die die Lehrlingsstelle, die bei der Wirtschaftskammer eingerichtet ist, beantworten muß Es gibt hier beispielsweise genaue Zeitvorgaben für die Lehrabschlußprüfung Ich weiß nicht, wie die Zuständigen für die Lehrabschlußprüfung dieses Anliegen für mehr Zeit behandeln würden, wenn sie sehen, daß sich dieser Lehrling ein wenig schwerer tut als die anderen. Normalerweise ist bei der Lehrabschlußprüfung der Zeitbeginn und das Zeitende ein ganz klares Kriterium für die Beurteilung.

Nachdem die Fortentwicklung des Berufsausbildungsgesetzes in der Verordnung nun als Novelle vorliegt, mußte man sich fragen, inwieweit man gerade im Bereich der Lehrabschlußprüfung, wenn hier Schwächen vorliegen, auch für Teilleistungen einen Abschluß machen kann. Derzeit ist das Berufsausbildungsgesetz sehr leistungsorientiert für den "normalen Lehrling" ausgerichtet. Man hat in diesen Entwurf keine Ideen hineingebracht, wie man zum Beispiel solche Gedanken, wie jene der Anlehre, die in anderen Nachbarstaaten bereits verwirklicht worden sind, auch in Österreich angehen könnte. Ich weiß nicht so genau, ob man jetzt ein eigenes Anlehregesetz machen sollte oder ob man eher zu dem Berufsausbildungsgesetz Ergänzungen hinzufügen sollte. Aber wenn man dies alles berücksichtigen könnte; wenn dies im Berufsausbildungsgesetz drinnen stehen würde, dann wären auch die Betriebe daran gebunden, dies zu berücksichtigen, wenn sie einen Lehrling einstellen. Dann wäre auch die Berufsschule als Pflichtschule verpflichtet, diese Dinge in ihren Organisationsbereich und in ihren inhaltlichen Bereich aufzunehmen. Aber das gibt es bisher eben noch nicht...'.

Nehmen wir an, Elterninitiativen würden Integrationsvorschläge für den Bereich Lehre ausarbeiten. Glauben Sie, daß diese Vorschläge im neuen Berufsausbildungsgesetz berücksichtigt werden würden?

'...Ich glaube, daß die Bevölkerungsgruppe, die sich für die Integration Behinderter einsetzt, sich zuerst auch einmal bewußt werden muß, ob Eltern, die ihre Kinder im Moment in Pflichtschulen integriert haben, schon den Zeitrahmen überblicken können, was ab dem 14. Lebensjahr mit diesen Kindern geschehen sollte. Es muß also die Frage gestellt werden, ob die Integration dann in die Richtung schulische Oberstufe weitergehen soll, oder ob eine Integration hinaus in das Wirtschaftsleben geplant ist und wie das zu funktionieren hat. Ich glaube, der Zeithorizont und das Engagement war hier anders, weil es sehr viele Energien gekostet hat, die Integration für die Sekundarstufe zu erreichen, weshalb auch die Bemühungen bislang auf die Altersklasse der Zehn- bis Vierzehnjährigen beschränkt geblieben sind. Ich glaube, daß erst jetzt die Überlegungen anfangen können, wie es hier weitergehen kann, und daß diesen Leuten die Problematik erst langsam bewußt werden muß, wie schwierig es ist, jemanden, der im Wirtschaftsbereich tätig ist und der vom Markt gezwungen wird, gewinnorientiert und damit letztlich arbeitsplatzorientiert zu arbeiten, für die Integration zu gewinnen. Wie kann dies funktionieren? Denn bisherige Maßnahmen diese Bevölkerungsgruppen zu integrieren waren ja auch nicht gerade erfolgreich. Man denke hier beispielsweise an das Invalideneinstellungsgesetz. Man hat hier eben seine Ausgleichstaxe bezahlt und ist von dieser Einstellungspflicht befreit worden.

Aber der Betroffene hat davon wieder nichts gehabt, weil er einfach nicht das Gefühl bekommen hat, gebraucht zu werden. Daher wird dies erst dann, wenn dies breiteren Bevölkerungskreisen bewußt geworden ist, sehr breit und sicher auch wieder sehr engagiert und intensiv diskutiert werden müssen. Die Aktion der Steirer wird wahrscheinlich erst in dieser Phase eine Breitenwirkung bekommen...'.

Mit der Aktion der Steirer meinen Sie das Modell der Anlehre?

'...Ja. Dies wird dann einmal auf einer ganz anderen Ebene diskutiert werden. Denn: Was macht man mit bestimmten Sinnesbehinderten? Was macht man mit bestimmten Körperbehinderten? Welche Berufe sind für diese überhaupt möglich? Man sieht sowieso, daß dies nur fünf bis sechs Berufe wären...'.

Es sind mehr Berufe möglich. Ich habe unlängst eine Fragebogenaktion mit verschiedenen Betroffenen gemacht (Anm.: mehr darüber im Kapitel V.) und habe dabei festgestellt, daß oft mehr möglich ist, als man ursprünglich glauben würde. Aber nur dann (wenn ich jetzt beispielsweise von verschiedenen Sinnesbehinderungen spreche), wenn man hier bestimmte Lehrinhalte wegläßt oder wenn man zum Beispiel das Modell der unterstützten Beschäftigung dazunimmt...

'... Hm, ja ...'.

Möchten Sie zu diesem Thema sonst noch etwas sagen?

'... Wenn solche Fälle für uns zu lösen sind, ist es derzeit einfach notwendig, daß wir sie individuell lösen und uns hier mit einer entsprechenden inneren Einstellung überlegen, wie man die Betroffenen am besten fördern kann. Wie bereits erwähnt, müssen dann alle zusammenarbeiten (Lehrbetrieb, psychologische Hilfen und Einrichtungen in Tirol, damit auch eine gute psychologische Beratung bezüglich der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Berufsschule gegeben ist; Lehrer der Berufsschulen, die sicher alles dafür tun werden, damit man hier Erfahrungen gewinnen kann, wie man schulmäßig am besten mit diesen Leuten umgeht)... Aber wie bereits gesagt. Derzeit ist Integration für uns eher noch kein Thema. Wir werden uns jedoch später sicher noch ausgiebig mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Spätestens dann, wenn die Integrationsschüler in die Abschlußklassen kommen, wird man sich sicher fragen müssen, wie es nun weitergehen soll. Es kann in dieser Phase ja nicht zu Ende sein.

Möglicherweise wird man sich auch sagen müssen daß man, gerade im beruflichen Bereich, doch andere Klassen bilden muß, weil aufgrund der Sicherheitsvorschriften und Sicherheitsvorkehrungen eben andere Bedingungen gegeben sind. Ich glaube, daß wir hier auch gefordert sind, Ideen einzubringen, wie dies eben am besten gelöst werden könnte. Derzeit denken wir eher daran, wo wir neue Berufe finden können. Und ich glaube, wenn wir schon in diesem Bereich sind, dann sollten wir uns auch fragen, wie wir neue Verwendungsmöglichkeiten für die Leistungsfähigkeiten dieser Leute entdecken können. Vielleicht kann man diese Entwicklung der Integration im beruflichen Bereich sogar in "einem Aufwaschen" machen, wenn man das neue Berufsausbildungsgesetz entwickelt. Oder man braucht ein eigenes Anlehregesetz in diesem Bereich, obwohl ich nicht für diese Zweiteilung bin...'.

Danke für das Interview!

Mein persönliches Resümee zu diesem Thema:

Meiner Meinung nach vergrößern sich die Chancen behinderter Arbeitsuchender auf dem freien Arbeitsmarkt, wenn sie eine Berufsausbildung vorweisen können. Die duale Ausbildungsform der Lehre ist eine Möglichkeit, sich beruflich zu qualifizieren. Ich glaube jedoch, daß für viele Menschen mit Behinderung nur dann eine Lehrlingsausbildung realisierbar wird, wenn der Lehrbetrieb, die Berufsschule sowie die Prüfungskommission für die Lehrabschlußprüfung auf individuelle Fähigkeiten und Bedürfnisse behinderter Lehrlinge einzugehen vermögen. Gibt es nun, wie derzeit bei uns, nur eine Einheitsnorm, der alle Lehrlinge - egal ob behindert oder nichtbehindert - gerecht werden müssen, werden nur ganz wenige behinderte Lehrlinge das Endziel "Lehrabschlußprüfung" erreichen können, denn der Großteil kann diesen normativen Anforderungen aufgrund der Einschränkungen, die sich aus der Behinderung ergeben, nicht gerecht werden. Meiner Ansicht nach mißachtet man die Lernfähigkeit und viele Talente von Jugendlichen mit Behinderung, wenn man auf der Grundlage des Berufsausbildungsgesetzes verlangt: "Entweder ihr seid fähig, alle Lehrinhalte des jeweiligen Berufes zu erlernen, oder ihr könnt diesen Beruf eben nicht ausüben." Dabei übersieht man nämlich, daß einige berufliche Teilqualifikationen sehr wohl erlernt und ausgeübt werden könnten; daß mit entsprechender Hilfestellung vielleicht weit mehr möglich wäre, als man vorerst annehmen würde.

Ich bin nicht dafür, behinderte Berufsschülerlnnen in Sonderklassen zu unterrichten, denn dann würden für diese Personengruppe wahrscheinlich wieder nur einige wenige Berufe zur Auswahl stehen, wodurch sich für behinderte Jugendliche beispielsweise die Chancengleichheit auf einen Beruf, der den eigenen Eignungen und Neigungen entspricht, verringern würde. Außerdem finde ich es wichtig, daß sich behinderte und nichtbehinderte Menschen möglichst in allen Lebensbereichen begegnen können, damit die leider noch vielfach bestehenden Vorurteile und Schwellenängste, die es gegenüber Menschen mit Behinderung gibt, schrittweise abgebaut werden können. Noch ist die Vorstellung der schulischen Integration von Menschen mit Behinderung für viele Österreicherlnnen eine neue und deshalb auch befremdende Thematik, sodaß die Umsetzung derselben für einige wohl undurchführbar scheint; vor allem dann, wenn man nun eine berufliche und damit auch eine berufsschulmäßige Weiterentwicklung der Integration behinderter Jugendlicher anregt und dafür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen möchte. Ich würde sagen, daß uns in Österreich zum Teil die positiven Erfahrungen in diesem Bereich fehlen. Deshalb vertrete ich die Ansicht, daß wir uns nicht scheuen sollten, über die Grenzen Österreichs hinauszuschauen, beispielsweise nach Südtirol, wo das Modell der individualisierten Lehrlingsausbildung bereits praktiziert wird.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Berufsschule lassen meiner Meinung nach derzeit zu wenig Spielraum, um auf die individuellen Fähigkeiten behinderter Jugendlicher eingehen zu können. Gerade deshalb war dieses Interview mit dem Landesschulinspektor für mich fast so etwas wie eine kleine Sensation. Ich gewann im Laufe des Gespräches den Eindruck, daß Herr Dr. Lettenbichler dem Thema Integration grundsätzlich offen gegenübersteht und sogar bereit wäre, sich mit der Frage der Realisierung neuer, innovativer Ideen (z.B. verbale Beurteilung; individueller Lehrplan; Anerkennung der Teilqualifikationen usw.) auseinanderzusetzen. Ich fände es wichtig, diese vorhandene Gesprächsbasis zu nutzen und sich bereits jetzt (nicht erst in vier Jahren) Gedanken darüber zu machen, welche Rahmenbedingungen beispielsweise, in der Berufsschule gegeben sein sollten, damit die Lehrlingsausbildung für mehr behinderte Jugendliche zugänglich gemacht werden kann. Ich hoffe, daß es hier wirklich Änderungen geben wird und daß sich das im nächsten Kapitel geschilderte Beispiel des Scheiterns einer Lehrlingsausbildung aufgrund der normativen schulischen Anforderungen nicht wiederholen wird.

IV. Ein Beispiel aus der Praxis

Ich entschloß mich, eine Betroffene des Personenkreises mit einer Lern- bis zu einer geistigen Behinderung zu interviewen, weil ich der Meinung bin, daß es für Menschen mit diesem Handicap extrem schwierig ist, auf dem freien Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle zu bekommen und es mir beinahe unmöglich erscheint, daß Menschen mit einer Lern- bis zu einer geistigen Behinderung bei der derzeitigen Lehrstellensituation eine Lehrstelle bekommen. Zudem gibt es für Betroffene dieser Behinderungsart meines Wissens derzeit in Tirol keine Möglichkeit, sich beruflich zu qualifizieren, da aufgrund der Behinderung ein Studium oder eine Fachhochschule sowieso nicht in Frage kommen, bei der dualen Ausbildungsform der Lehre die Anforderungen in der Berufsschule jedoch auch zu hoch sind.

Die Interviewte (Anm.: Ich nenne sie in meiner Diplomarbeit Sabine) war zur Zeit des Interviews 19 Jahre alt, fand trotz ihrer Behinderung eine Lehrstelle im Lehrberuf "Blumenbinder und -händler" und ließ sich in einem Innsbrucker Betrieb mit ca. zehn Mitarbeiterlnnen ausbilden. Nach einem halben Jahr Lehrzeit wurde das Lehrverhältnis aufgelöst. Gründe des Scheiterns waren vor allem die im schulischen Bereich bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Anhand dieser Interviews, die ich mit der Betroffenen, deren Eltern, deren Lehrberechtigten und einer Berufsschullehrerin führte, möchte ich auf Schwierigkeiten aufmerksam machen, die sich meiner Ansicht nach dann ergeben, wenn man auf die spezifischen Bedürfnisse, die aufgrund der Behinderung entstehen, schulisch überhaupt nicht eingehen kann.

Aus zeitlichen Gründen führte ich die Interviews nicht alle zur selben Zeit, sondern innerhalb von drei Monaten. Dadurch ist es mir auch gelungen, den Prozeß des Scheiterns ein wenig mitzuerleben. Während die Berufsschullehrerin sowie die Lehrberechtigte noch auf eine Beseitigung der Schwierigkeiten und auf die Fortdauer des Lehrverhältnisses hofften, interviewte ich Sabine und deren Eltern erst, nachdem der Versuch der dualen Ausbildung bereits gescheitert war. Die Gespräche wurden auf Tonband aufgenommen, dauerten zwischen 20 Minuten und eineinhalb Stunden und wurden von mir vollständig transkribiert. Die kleinen, von mir vorgenommenen Änderungen, betreffen grammatikalische Fehler, verändern jedoch nicht den Inhalt der Aussagen. Zum besseren Verständnis habe ich zudem Mundartausdrücke ins Hochdeutsche übersetzt. Da die Interviews sehr umfangreich wurden, versuchte ich, die für mich relevantesten Gesprächsinhalte für die Diplomarbeit zusammenzufassen und zu den einzelnen Themen jeweils alle an den Interviews Beteiligten zu Wort kommen zu lassen. In Gesprächsausschnitten, die für mich besonders wichtig waren, lasse ich die Interviewten für sich selbst sprechen (Anm.: Kennzeichnung wortwörtlich übernommener Teile der Interviews durch: '... kursive Schrift...'). Um den Rahmen meiner Arbeit nicht zu sprengen, konnte ich nur einen Teil der Fragen und Antworten berücksichtigen, weshalb ich auf die Materialmappe verweisen möchte, wo alle vier Interviews in voller Länge abgedruckt sind, sodaß sich jede/r ein vollständiges Bild des Gesagten machen kann.

Zunächst stelle ich meine Gesprächspartnerlnnen ein wenig vor und schildere deren Ausgangslage, die sie mir in den Gesprächen beschrieben:

Sabine ist 19 Jahre alt, lebt noch zuhause bei ihren Eltern, hat sechs Geschwister, besuchte vor ihrem Einstieg ins Arbeitsleben zuerst in der Nähe ihres Wohnortes eine Sonderschule, anschließend eine Schule für lern- bis geistig behinderte Jugendliche (Anm.: für die Diplomarbeit in "Steinhof umbenannt), um sich dort auf das Berufsleben vorzubereiten. In dieser Schule legte man großen Wert darauf, herauszufinden, in welchem Bereich Sabine gerne arbeiten würde. Sabine, die sich '... eigentlich schon immer gerne mit Blumen...' beschäftigt hatte und davon beeindruckt war, welch '... tolle Sachen die Floristen machen...', entschloß sich, Blumenbinderin und -händlerin zu werden. Von der Schule aus wurde ein Betrieb gesucht, wo Sabine erst einmal ein Schnupperpraktikum absolvierte, dann über die Aktion 8 000 eine Hilfsarbeiterstelle bekam und schließlich ein Lehrverhältnis im Beruf "Blumenbinder und -händler" begann.

Die Eltern fügten sich den Vorschlägen der berufsvorbereitenden Schule sowie den Wünschen ihrer Tochter und unterstützten Sabine bei ihrem Vorhaben, einen Lehrberuf zu ergreifen. Vor allem der Vater unternahm viele Behördengänge, um den Arbeitsplatz seiner Tochter zu sichern und um finanzielle Unterstützungen zu beschaffen. Er war auch während des Berufsschullehrganges laufend mit dem dort unterrichtenden Lehrkörper in Kontakt und hoffte bis zuletzt, daß seine Tochter die Hürde der Berufsschule irgendwie schaffen würde. Beide Elternteile beschrieben die Zusammenarbeit mit Lehrbetrieb und Schule als positiv.

Die Berufsschullehrerin (Anm.: Ich nenne sie in der Diplomarbeit Frau Huber) unterrichtete Sabine während des etwas mehr als neun Wochen dauernden Berufsschullehrganges der 1. Fachklasse in den Fächern "Fachzeichnen", "Spezielle Fachkunde" und "Praktische Arbeit". Frau Huber hatte, ebenso wie ihre KollegInnen, im Bereich der schulischen Integration von Behinderten keine Vorerfahrungen. Der gesamte Lehrkörper vermutete, daß Sabine eine Schülerin sein würde, '...die sich im Unterricht eben ein wenig schwer tut...'. Eine fachliche oder sonstige Vorbereitung auf diesen schulischen Integrationsversuch fand nicht statt, sodaß die Lehrpersonen recht überfordert waren, als sich herausstellte, daß Sabine aufgrund ihrer Behinderung dem Unterricht nicht so, wie die anderen SchülerInnen es taten, folgen konnte.

Die Lehrberechtigte (Anm.: Ich nenne sie in meiner Diplomarbeit Frau Rotter) ist die Besitzerin des Betriebes (Anm.: für die Diplomarbeit in "Firma Blumenparadies" umbenannt), in welchem Sabine zuerst über die Aktion 8 000 als Hilfsarbeiterin tätig war und nach ca. einem halben Jahr die Lehrlingsausbildung begann. Frau Rotter spricht sich dagegen aus, daß ein Betrieb gezwungen werden soll, behinderte Arbeitnehmerlnnen einzustellen ('...denn unter Zwang geht es den Leuten dort sicher nicht gut ...'), gehört jedoch zu den Unternehmerlnnen, die ganz bewußt Menschen einstellen, die es am Arbeitsmarkt schwerer haben und durch diesen Arbeitsplatz eine Chance bekommen sollen, am freien Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Frau Rotter ist bereit, mit Sabine einen Lehrvertrag abzuschließen, auch deshalb, weil sie selbst Mutter einer Tochter ist, die (Anm.: ebenso wie Sabine) bei der Geburt Fruchtwasser eingeatmet hatte, jedoch im Gegensatz zu Sabine keine Folgeschäden davontrug. Die Lehrberechtigte bereitete die übrigen Mitarbeiterlnnen auf diesen Integrationsversuch vor und war für Sabine auch die Hauptbezugsperson und Hauptansprechpartnerin im Betrieb.

a) ein Lehrplatz für Sabine

Sabine hatte Lehrpersonen, die ihr bei der Arbeitsplatzsuche behilflich waren. Sie mußte sich auch nicht bei mehreren Lehrstellen vorstellen, sondern laut ihren Aussagen '...hat es gleich bei der ersten Stelle geklappt...'. Bevor sie die Lehrstelle bekam, mußte Sabine sich in einer Art Probezeit, die sie "Praktikum" nannte, bewähren. Sabine erinnert sich daran: ' Dann haben sie gesagt: "Ja, das könnte etwas werden"...'.

Laut eigenen Angaben waren die Eltern in die Arbeitsstellensuche nicht involviert, betonen, daß sich die ' ... Lehrerlnnen...' der berufsvorbereitenden Schule sowie die '...Angestellten des AMS stark eingesetzt haben...' damit es mit der Arbeitsstelle klappt. Allerdings gibt der Vater zu bedenken, daß es ihm lieber gewesen wäre, wenn sie als Eltern mehr in die Lehrstellensuche eingebunden worden wären. Er hat das Ganze folgendermaßen erlebt: '...Die Lehrerin ist so spät gekommen, daß wir nur mehr "ja" sagen konnten...'. Er hätte es lieber gehabt, mehr in die Berufsplanung seiner Tochter einbezogen zu werden ('...denn die Sabine ist trotz allem unser Kind...'). Auch die Eltern erwähnen die Probezeit, die schließlich entscheidend war, das Lehrverhältnis zu beginnen. '...Dann hat man gemeint, daß es eigentlich funktionieren müßte und ist das Lehrverhältnis eingegangen ...'.

Die Berufsschullehrerin meint dazu: '...Bei dem momentanen System gibt es das Problem, daß man den Eltern von Sabine vielleicht falsche Hoffnungen machte, indem man sagte: "Es könnte sein, daß wir für Ihre Tochter einen Arbeitsplatz finden. Stellen Sie sich vor! Es könnte sogar sein, daß die Sabine einen Lehrplatz bekommt".Das gefällt mir in diesem Zusammenhang aber nicht, weil man ja wissen müßte, daß man, um diesen Weg machen zu können politische Entscheidungen braucht, die fehlen; die noch nicht getroffen wurden. Wir wissen ja zu gut: Behinderte können noch nicht einmal in die Hauptschule (Anm.: zum Zeitpunkt des Interviews war das Recht auf schulische Integration im Sekundarbereich noch nicht gesetzlich verankert) ; geschweige denn in die Berufsschule. Und da krankt es...'.

Die Lehrberechtigte erzählt, daß Sabine vorerst ein halbes Jahr als Hilfsarbeiterin in der Firma Blumenparadies beschäftigt war, wobei das AMS über die "Aktion 8 000" einen Betrag in der Höhe von 20% des Lohnes beisteuerte. Frau Rotter berichtet davon, daß man schauen wollte, '...ob die Sabine die Gärtnerei, das Wachstum von Blumen usw. geistig überhaupt aufnehmen kann...', daß dann jedoch die finanziellen Förderungen erschöpft waren. Sie erinnert sich: '...Die Eltern sind dagestanden und haben mir gesagt, daß sie überhaupt keine Förderungen mehr bekommenund haben uns natürlich leid getan...'. Nun mußte geklärt werden, wie es mit Sabine weitergehen sollte. Frau Rotter erwähnt die Aussage der Eltern: '... "Die Sabine ist ja nicht so behindert. Wir könnten es eigentlich mit einem Lehrvertrag probieren"...'. Die Lehrberechtigte beschloß, sich auf diesen Versuch einzulassen, schildert auch ihren Wunsch, Sabine unbedingt in einer normalen Berufsschule unterzubringen. '...Woraufhin ich gesagt habe, daß wir das erste Schuljahr probieren sollten, daß es vielleicht funktioniert. Ich habe mir auch gedacht: "Wenn ich jetzt zum Direktor der Berufsschule gehe und unten einen mordsmäßigen Wirbel mache, dann sagt der zu mir, daß er die Sabine in der Schule nicht haben kann "... Ich habe schon in der Berufsschule gesagt, daß sie ein wenig langsam, daß sie ein wenig behindert ist...Aber ich wollte die Sabine nicht in eine Behindertenschule geben. Ich wollte sie zu ganz normalen Leuten in die Klasse stecken...'.

b) bei der Arbeit

Sabine beschreibt einige Inhalte ihrer Arbeit: '...Zu Weihnachten hat es mir recht gut gefallen ... Dann haben wir Gestecke gemacht... Zapfen haben wir mit Silberdraht eingewickelt... Das war echt super... Ich war (Anm.: vor allem in der wärmeren Jahreszeit) im Freiland draußen; in der Gärtnerei. Da haben sie Pflanzen gehabt, die ich nach draußen habe tragen müssen...'. Sabine erzählt auch, daß sie draußen nicht so gern gearbeitet hat, weil es erstens oft heiß war und zweitens: '.. Mit dem schweren Tragen; das war wirklich anstrengend...' Auf meine Frage, wie sie von den MitarbeiterInnen aufgenommen worden ist, antwortet Sabine: '...Ja, freundlich...'.

Die Lehrberechtigte schildert zuerst einige Anfangsschwierigkeiten: '... DieSabine hat ihre Behinderung manchmal ausgenützt, wenn sie etwas nicht tun wollte. Wenn ich gesagt habe: "Sabine, geh jetzt die Blumen gießen!" (das ist nicht ihre Leidenschaft), dann gab sie vor, dieses nicht zu hören... Wenn ich aber zum Beispiel gesagt habe: "Sabine, jetzt müssen wir ein schönes Gesteck in den Farben blau/weiß machen...", dann rannte sie, richtete alle Sachen her und hätte das Gesteck am liebsten gleich selbst gemacht...'. Aufgrund einer Rücksprache mit der Kontaktperson der berufsvorbereitenden Schule reagierte die Lehrberechtigte bewußter auf dieses Verhalten ('... "Sabine,... du brauchst dich gar nicht zu verstellen. Du willst das jetzt einfach nicht machen."...'), woraufhin Sabine dieses Verhalten änderte. Da Sabine sich weigerte, die Arbeitsanweisungen der MitarbeiterInnen auszuführen und nur die Arbeitsforderungen der Chefin akzeptierte, kam es in der Zusammenarbeit mit den MitarbeiterInnen anfänglich zu Schwierigkeiten. Aber auch dieses Verhalten änderte Sabine nach Rücksprache mit ihrer Lehrberechtigten. Weiters erzählt Frau Rotter: '...Es hat sich in unserer Firma bald alles gut eingefügt. Man hat gewußt, daß man der Sabine alles zwei- bis dreimal sagen muß, daß man ihr nur eine kleine Arbeit ansagen darf... Für mich war es auch klar, daß es etwas anderes ist, wenn ich die Sabine mit einer Baumschere oder mit Strom arbeiten lasse; anders als bei einem anderen Menschen... Aber sie kann durchaus ein künstlerischer Typ in der Floristik werden... Ich habe sie zu Weihnachten Adventkränze machen lassen, und ich muß sagen, daß sie ein "Feeling" dafür hat...' .

c) Was bedeutet es für Sabine, arbeiten zu gehen?

Sabine: '...Ich finde es gut, daß man eine Arbeitsstelle hat, wo man selbst etwas verdient...'.

Vater: '... Ichglaube, daß sie mit der Arbeit ausgelastet ist, Erfüllung hat, daß sie auch weiß, daß sie damit Geld verdienen kann. Ich glaube, daß ihr die Arbeit wichtig ist ...'.

Berufsschullehrerin: '...Da habe ich einfach zu wenig Einblick...'.

Lehrberechtigte: '...Für sie geht sicher eine Welt unter, wenn sie nicht mehr kommen darf... Sabine will arbeiten gehen... Siewill diesen Beruf...'.

d) Sind Sabines Chancen auf einen Arbeitsplatz am freien Arbeitsmarkt mit einer Lehrlingsausbildung größer als ohne Ausbildung?

Einzig Sabine glaubt, '...daß es (Anm.: mit Lehre) schwerer gewesen wäre...' einen Jobzu bekommen.

Die Eltern glauben, daß sich Sabines Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Lehre erhöht hätten.

Mutter : '...Ja, das glaube ich schon...'. Vater: '...Ja, eindeutig...'.

Die Berufsschullehrerin, die selbst aus der Wirtschaft kommt und früher Filialleiterin eines Blumengeschäftes war, kann sich '...nur schwer vorstellen...', daß Sabine '... in diesem Bereich einen Arbeitsplatz bekommen wird...' und begründet ihre Meinung zum Teil folgendermaßen: '...Die Sabine ist nicht sehr belastbar, d h., wenn ich ihr in der Früh eine Arbeit ansage,... kann sie diese nur eine bestimmte Zeit ausüben, dann gibt es Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme im Durchhaltevermögen. Sie braucht vielleicht öfter eine Pause wie alle anderen im Betrieb... Du kannst es dir (Anm.: als Betrieb) unter Umständen gar nicht leisten, einen solchen Menschen zu behalten...'.

Allerdings bekundet Frau Huber auch ihre Meinung, daß sich für Menschen mit einer geistigen Behinderung die Chancen auf einen Arbeitsplatz durch eine Lehre vergrößern könnten. '... Sie werden nie Spitzenfacharbeiter werden, aber sie sind in jedem Fall weiter, als jemand, der nichts getan hat (egal, ob theoretisch oder praktisch) und dadurch vergrößert sich ihre Chance auf einen Arbeitsplatz schon...'.

Die Lehrberechtigte vertritt die Ansicht: '...Ja sicher...' (Anm. sind ihre Chancen mit Lehrlingsausbildung größer als ohne). '...Wenn sie die praktische Arbeit zu 50-60% beherrscht .. Sie kann 50% der Arbeit bringen und die 50%, die vom Kollektivvertrag her vorgesehen sind, muß eben der Staat als Zuschuß geben...'.

e) die Berufsschulzeit

Sabine besuchte die erste Fachklasse der Landesberufsschule Thurnfeld in Hall und wohnte während dieser Zeit auch im hausinternen Internat. Sabines Erinnerungen an die Schulzeit: '...Es war recht nett. Die Schulklasse, die Schulkollegen waren recht nett und haben mir beim Lernen usw. geholfen. Ja, und bei den Tests ist es mir nicht so gut gegangen, weil ich mir mit den lateinischen Wörtern recht schwer getan habe...'.

Die Eltern erzählen, daß Sabine selbst '...dieBerufsschule gut erlebt...' hat. Der Vater berichtet zuerst über die Zeit vor der Berufsschule: '...Damals habe ich bereits mit der Landesregierung Vorgespräche geführt. Von der Landesregierung ist uns zugesagt worden, daß sie (Anm.: Sabine) Lehrerlnnen bekommen würde, die vom Land bezahlt werden würden; die sie bereits vor der Schule unterstützen würden. Man hat dann herausgefunden, daß dies nicht zielführend wäre und hat sie die Berufsschule einfach ohne Vorbereitung beginnen lassen...'. Über die damalige Einschätzung der Eltern, ob Sabine das Klassenziel der Berufsschule erreichen würde können oder nicht, gibt der Vater an: '... Wir haben einfach geglaubt (das heißt, ich im speziellen... meine Frau weniger), daß die Sabine die Berufsschule schaffen kann. Ich muß ganz ehrlich sagen, daß ich daran nie meine Zweifel gehabt habe. Ich habe mir gedacht. "So recht und schlecht und mit allen Hund'sschanden wird sie es schon schaffen...'. Der Vater berichtet auch von der Zusammenarbeit mit dem Lehrkörper. '...In den Gesprächen kam heraus, daß der ganze Lehrkörper bemüht war, unsere Tochter im Unterricht mitzunehmen. Sie haben für die Sabine sogar einmal eine leichtere Schularbeit gemacht, um ein Niveau festzulegen... Nach den ersten vier Wochen, als die Noten festgestanden sind, hat man gesehen, daß sich die Sabine einfach schwer tut, vor allem in den Lernfächern ...'.

Daraufhin kontaktierte der Vater nach eigenen Angaben den Landesschulrat (Anm.: eher war es der Landesschulinspektor), um mit diesem eventuell eine Lösung zu finden. '...Der hat gesagt: "Es gibt nichts, entweder man kann das, was vorgegeben ist ... Oder man könnte zwei "Nicht Genügend' von zwei Lernfächern wegbringen, weil man die Sabine von diesen Fächern eventuell befreien könnte" (aber nur, wenn man sie psychisch testen lassen würde...)...'.

Die Berufsschullehrerin, die ja ursprünglich davon ausgegangen war, daß Sabine eine ehemalige '...Sonderschülerin...' wäre, '...die sich vielleicht ein wenig schwer tut...', berichtet: '...Ichbin spätestens nach zwei Wochen zu der Überzeugung gekommen, daß es gar nicht anders möglich ist, als für Sabine einen individuell zugeschnittenen Weg zu finden... Mit Minimierung vom Lehrstoff, mit eigenen Lernzielen und dann in weiterer Folge natürlich mit einer ganz eigenen Beurteilung. Und zwar hätte ich mir vorgestellt, dies in verbaler Form zu machen, so in der Art und Weise, daß man ihr irgendwie bestätigt, daß sie dieses oder jenes bei uns dazugelernt hat...' .

Frau Huber beschreibt auch, wie sie glaubt, daß Sabine die Berufsschule erlebt hat. '...Sie hat sich eigentlich von sich aus recht wohl gefühlt. Wobei ich jetzt einmal betonen muß, daß mm sicher zwischen dem menschlichen und dem schulischen Bereich unterscheiden muß. Im schulischen Bereich kann sie sich nicht sonderlich wohl gefühlt haben, weil sie total überfordert war... Ich habe auch festgestellt (weil ich mir einfach das Recht genommen... und ihr eine auf sie zugeschnittene Schularbeit vorbereitet habe), daß sie da ganz anders war und gemerkt hat: "Ah, da kann ich noch mithalten. Das würde ich noch schaffen. Das bin ich in der Lage zu leisten. "... Ich habe mit der Sabine in bezug auf ihr Wohlergehen nicht nur Positives erlebt, sondern auch sehr Negatives... Ich war leider Gottes diejenige, die ihr immer wieder vermitteln hat müssen: "Sabine, es tut mir leid; es gibt für dich keinen eigenen Weg. Es gibt für dich nur den gleichen Weg wie für die ganze Klasse, und der schaut in der Beurteilung leider so aus, daß du es einfach nicht geschafft hast.

Die Lehrberechtigte vermutet: '...Ich glaube, daß die Sabine gerne in die Berufsschule gegangen ist...'. Ferner berichtet Frau Rotter: '...Sie war fleißig... Sie hatte Ehrgeiz und Eifer... Aber es ist einfach nicht gegangen...'.

f) Lösungsvorschläge der Befragten (Was müßte passieren, damit Sabine die Lehrlingsausbildung / die Berufsschule schaffen könnte?)

Sabine schlägt vor: '...Ich finde, daß sie die Tests bei mir viel leichter hätten machen können...'.

Der Vater meint zu diesem Thema: '...Es ist einfach so, daß die Sabine mit dem Schriftlichen zur Umsetzung in die Praxis wenig anfangen kann. Da spürt man einfach, daß die Sabine nicht so schnell "schaltet". Gut wären vielleicht Schwerpunktsetzungen. Wenn ihr die ganze Theorie in der Praxis gezeigt werden könnte, wäre sicher viel mehr möglich...'.

Die Berufsschullehrerin vertritt die Ansicht: '...Die Sabine kann eine Lehre im üblichen Sinn, wo eine Gesellenprüfung am Ende steht, nie schaffen... Für die Sabine gibt es nur einen eigenen, individuellen Weg...'. Die Lehrerin regt auch an, für Sabine am Ende der Lehrzeit eine Gesellenprüfung zusammenzustellen, die auf ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten abgestimmt ist, gibt jedoch zu bedenken, daß dies dann '...keine abgeschlossene Lehre im üblichen Sinn...' wäre. Die Lehrerin schlägt weiters '...Lehrstoffverkürzungen...' vor (Anm.: weitere Anregungen der Lehrerin siehe unter Punkt d / in der Berufsschule)

Die Lehrberechtigte fordert in '...erster Linie...', daß '... sich das Gesetz ändern müßte...'. Weiters regt Frau Rotter an, '...neben der Berufsschule...' nochzusätzliche '...Kurse...' anzubieten, '...die speziell auf diese Leute zugeschnitten sind, damit sie dann doch die Berufsschule mit den "normalen Leuten" machen können. Es sollte viel mehr Augenmerk auf die Praxis gelegt werden... In so einem Fall würde ich von Noten überhaupt Abstand nehmen...'.

g) Der Zeitpunkt des Scheiterns

Sabine gibt an, '...schon irgendwie enttäuscht...' gewesenzu sein, als sie bemerkte, daß sie das Klassenziel nicht erreicht hatte und fügt hinzu: '...Auch die Chefin war enttäuscht von mir...'.

Ansonsten spricht Sabine wenig über das Scheitern der Lehrlingsausbildung ('...und dann habe ich eben viele "Fünfer" geschrieben .. und das habe ich dann nicht mehr so geschafft ... einfach abgebrochen...') und beantwortet mir auch die Frage, ob sie aufgrund der schulischen Erfahrungen die Lehre abgebrochen hat, nicht.

Der Vater erlebte den Zeitpunkt des Scheiterns folgendermaßen: '...Als dann das Zeugnis kam und überhaupt kein "Genügend" darauf zu finden war, war das natürlich ein Schock ... Der Lehrkörper hat gemeint, daß die Sabine das Maximale gelernt hat, daß mehr einfach nicht geht, weil sie nicht mehr verstehen kann... Es wäre dann vereinbart worden, daß man sich im September zusammentelefonieren und treffen sollte. Dies ist jedoch bis jetzt noch nicht zustande gekommen und in der Zwischenzeit sind wir eben aktiv geworden und haben einfach mit der Suche danach begonnen, was es sonst noch geben könnte...'..

Die Berufsschullehrerin erzählt: '...Den großen Mißerfolg, der zum Schluß gekommen ist (weil es geheißen hat: "... SchülerInnen, die in einer Berufsschulklasse sind, haben alle dieselben Lernziele, haben alle die gleichen Anforderungen..."), hätten wir ihr ersparen können... Das war eigentlich die schlimmste Erfahrung, die ich gemacht habe; weil ich, trotz aller Befürchtungen, immer noch Hoffnungen gehabt habe, daß die Verantwortlichen, wenn sie das schon alles so fördern und wenn sie die Integration von Behinderten wirklich wollen, uns einen Weg gehen lassen, der von der Norm abweicht... In dem Moment, in dem wir von oben das endgültige Nein für einen eigenen Weg bekommen haben, war für mich der frustrierendste Punkt erreicht...'.

Die Lehrberechtigte berichtet: '..Der Direktor der Berufsschule hat gesagt, daß er mir die Möglichkeit einräumt, daß die Sabine wiederholen kann. Aber er hat auch gesagt, daß er darin keinen Sinn sieht... Das Gesetz sagt: "Wenn der Lehrling die Berufsschule nicht schafft, aber auch keine Voraussetzungen hat, daß er es schafft, dann kann er nicht in die Berufsschule gehen." Wenn die Sabine jedoch nicht in die Berufsschule gehen kann, dann ist aufgrund des dualen Lehrsystems das Lehrverhältnis hinfällig... Sie kann die Lehrzeit vielleicht irgendwie beenden, aber sie wird sicher nie einen Gesellenbrief bekommen....

Sabine hat die Lehre zwei Monate nach dem Nichtbestehen der Berufsschule abgebrochen und arbeitet jetzt als Hilfsarbeiterin in einer anderen Gärtnerei.

Drei Monate später (am 17. Dezember 1996) habe ich dem Landesschulinspektor der Tiroler Berufsschulen unter anderem folgende Fragen gestellt:

Ich kenne eine Schülerin, die eine Lehre zur Floristin begonnen hat. Hier gab es meiner Meinung nach das Bedürfnis nach einem individuellen Lehrplan, nach einer verbalen Beurteilung, weil es für dieses Mädchen anders wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen wäre, die Berufsschule zu schaffen. Hier war es jedoch nicht möglich, von der Norm abzuweichen. Würden Sie über diesen Fall gerne ein wenig mehr erzählen? Auch möchte ich als Frage hinzufügen, ob man, wenn sich wieder einmal ein ähnlicher Fall ergeben würde, hier nicht eine Ausnahmeregelung, die von der Norm abweicht, finden könnte?

'... Hier waren alle sehr optimistisch (die Lehrer, die Eltern, die Direktion usw.). Es hat sich dann erst bei der ersten Gesamtbeurteilung gezeigt, daß man die Möglichkeiten des Mädchens einfach überschätzt hat, daß es hier mit reinem Entgegenkommen nicht getan ist... Erst als man gesehen hat, daß man beim besten Willen nicht ehrlich mit diesem Mädchen umgehen kann, daß man ihr die Noten schenken müßte...

Erst zu diesem Zeitpunkt ist man seitens der Schule an mich herangetreten und hat diese Situation geschildert. Dies war bereits ein bißchen zu spät, sodaß man sich nicht noch einmal überlegt hat, wie man dieses Mädchen tatsächlich hätte fördern können. Dies war jedoch für uns der Anlaß, daß wir uns einmal die Frage gestellt haben, wie wir mit solchen Leuten tatsächlich umgehen müssen... Es gibt ja jetzt einen neuen Entwurf zum Berufsausbildungsgesetz. In diesem Berufsausbildungsgesetz sind Möglichkeiten der Integration (oder der Behandlung von Integrierten) überhaupt nicht berücksichtigt...'.

Wenn dieser Fall noch einmal auftreten würde, würden Sie dann ganz anders damit umgehen? (z.B. eher gleich mit verbaler Beurteilung, mit eigenem Lehrplan usw.

'...Ja. Aber hier müssen auch die Lehrbetriebe sofort sagen: "Wir möchten diesem Lehrling eine Chance geben. Wie machen wir das am besten? Wie sollen wir vorgehen?" Dann können wir das gut absprechen. Aber nicht einfach so "dahinwursteln" und dann von der Schule erwarten, daß diese ein Wunder vollbringen kann. Das Wunder funktioniert meiner Meinung nach nur dann, wenn man das Ganze systematischer angeht... Dann kann man dem jungen Menschen auch ein richtiges Leistungsprofil geben, das er erfüllen kann und wo er gleichzeitig auch gefordert wird; wo es dann nicht einzig nur mit Nachsicht geht. Denn dieser Mensch will sicher auch gefordert werden. Und wenn wir richtig vorbereitet sind, dann können wir das auch richtig fördern. Hier haben wir es uns einfach zu leicht genommen...'.

Heißt das, daß es für Sie auf jeden Fall hilfreich wäre, wenn man Ihnen frühzeitig ankündigt, daß ein Lehrling mit besonderem Förderbedarf in die Berufsschule kommen wird?

'...Ja. Einerseits, damit sich die Schule vorbereiten kann. Andererseits, damit sich auch Schüler und Lehrbetrieb vorbereiten können, damit sich beispielsweise der Lehrbetrieb keine falschen Erwartungshaltungen macht usw. Hier müssen alle zusammenhelfen...'.

Vier bzw. fünf Interviewte teilten mir ihre Sicht und ihre Wahrnehmung dieser mit Motivation begonnenen und mit großer Enttäuschung abgebrochenen Lehrlingsausbildung mit. Nun ist es für mich alles andere als einfach, ein Statement zum"Fall Sabine" abzugeben.

Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, ob dieser unglückliche Ausgang verhindert hätte werden können. Für mich blieb die Antwort offen, ob sich an der Situation etwas geändert hätte, wenn sich beispielsweise der Berufsschuldirektor früher an den Landesschulinspektor gewendet hätte; oder wenn der Lehrbetrieb von Anfang an klarer den sonderpädagogischen Förderbedarf Sabines angemeldet hätte; oder wenn das geplante Gespräch im Herbst doch noch stattgefunden hätte. Wahrscheinlich haben viele verschiedene Faktoren sowie unglückliche gesetzliche Rahmenbedingungen das Scheitern verursacht bzw. letztendlich zum Abbruch des Lehrverhältnisses geführt.

Die interviewte Berufsschullehrerin wollte für Sabine im Unterricht einen - wie sie es nannte - "individuellen Weg" finden. Da es keine rechtliche Legitimation für einen individuellen Lehrplan, für eine verbale Beurteilung gab, konnte die Lehrerin ihre Ideen im Unterricht nur vereinzelt umsetzen. Frau Huber erlebte diese Versuche jedoch als positive Auswirkungen auf Sabines Lernfortschritte. Schließlich mußten jedoch alle BerufsschullehrerInnen Sabines Leistungen nach den normativen Beurteilungskriterien benoten, ihr somit für fast alle Pflichtgegenstände ein "Nicht Genügend" ausstellen.

 

* "Nicht Genügend"

* Wirtschaftskunde mit Schriftverkehr

* "Nicht Genügend"

* Berufsbezogene Fremdsprache

* "Nicht Genügend"

* Rechnungswesen

* "Nicht Genügend"

* Pflanzenkunde

* "Nicht Genügend"

Ich vertrete die Meinung, daß diese Art der Beurteilung gänzlich Sabines Talente, ihre Fähigkeiten und Fortschritte ignoriert. Meiner Ansicht nach hätte man Sabines Lernfähigkeit mit einem individuellen Lehrplan, der ihrem Leistungsniveau angepaßt ist, mit Stützunterricht sowie mit verbaler Beurteilung weitaus besser fördern können. Ich zweifle nicht daran, daß Sabine bemüht war, die Erwartungshaltungen, die an sie gestellt wurden, zu erfüllen; daß sie in der Berufsschule ihr Bestes gab. Doch trotz aller Anstrengungen, trotz allen Fleißes hatte sie am Ende des Berufsschullehrganges wahrscheinlich das Gefühl, total versagt zu haben. Dabei versagte sie meiner Meinung nach gar nicht, sondern sie konnte es einfach nicht besser. Eher würde ich behaupten, daß von ihr etwas verlangt wurde, was sie aufgrund ihrer Behinderung ganz einfach nicht bewältigen konnte.

Für mich gibt es keinen Zweifel daran, daß Sabine die normativen schulischen und betrieblichen Anforderungen, die laut Berufsausbildungsgesetz für die jeweiligen Lehrjahre vorgeschrieben sind, aufgrund ihrer Behinderung nicht erfüllen kann. Dies heißt für mich jedoch nicht, daß für einen Menschen mit dieser Behinderung eine Lehrlingsausbildung unmöglich oder gar sinnlos ist. Sabine lernte in dieser kurzen Lehrzeit nämlich viel dazu, was ihr sicherlich im weiteren Berufsleben hilfreich sein wird. Sie kann beispielsweise die Schnittblumen sowie die Topfpflanzen namentlich benennen; sie lernte Adventkränze zu binden; ihre soziale Kompetenz vergrößerte sich (z.B.Verhaltensänderung gegenüber den MitarbeiterInnen).

Ich denke, daß diese Ausbildung für Menschen mit einer solchen Behinderung nur dann unmöglich ist, wenn keine entsprechenden Rahmenbedingungen für mehr Chancengleichheit geschaffen werden. Deshalb finde ich es sehr bedenklich, daß im neuen Berufsausbildungsgesetz das Thema "Integration von Lehrlingen mit Behinderungen" voraussichtlich keine Berücksichtigung finden wird. Ich denke, daß man sowohl Schülerlnnen als auch den Lehrkörper der Berufsschulen als auch die Lehrbetriebe überfordert, wenn man keine Rahmenbedingungen schafft, um Integration im dualen System der Lehre durchführbar zu machen. Ich finde es eine Überforderung, wenn sich Personen, die sich vermutlich noch nie mit schulischer Integration beschäftigt haben, selbst Lösungsmöglichkeiten suchen müssen, um einen behinderten Lehrling bestmöglich fördern zu können. Ich glaube, daß gar keine neuen Ideen erfunden werden müßten, da es in anderen Ländern bereits erprobte Modelle gibt (z.B. individualisierte Lehrlingsausbildung, unterstützte Beschäftigung, Anlehre ... ), auf deren Erfahrungswerte man hierzulande zurückgreifen könnte; vor allem dann, wenn man in Österreich sowieso eher dazu neigt zu behaupten, daß dieses Vorhaben undurchführbar sei, daß "solche Leute" in der Arbeitswelt eben nicht integriert werden könnten.

Ich hoffe und vertraue darauf, daß die Zugeständnisse des Landesschulinspektors nicht nur Lippenbekenntnisse für meine Diplomarbeit waren und daß eine Lehrlingsausbildung in Zukunft nicht zwangsläufig an den normativen Anforderungen des Berufsausbildungsgesetzes scheitern muß.

V. Eine Befragung dreier ExpertInnen in eigener Sache

Nachdem ich mich entschlossen hatte, der Fragestellung "Karriere mit Lehre - für behinderte Jugendliche eine unüberwindbare Barriere?" nachzugehen, wollte ich die "Vorschläge zur Förderung der Chancengleichheit behinderter Jugendlicher im dualen Ausbildungsmodell der Lehre" nicht alleine, sondern in Zusammenarbeit mit den davon Betroffenen erarbeiten. Bald mußte ich jedoch feststellen, daß ich mangels vorhandener Zeit nicht in der Lage sein würde, die Meinung von Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen in dem Maße einzuholen und in meine Arbeit einfließen zu lassen, wie ich dies ursprünglich geplant hatte.

Dennoch möchte ich betonen, daß ich nicht nur für Menschen mit verschiedenen Behinderungen etwas erreichen möchte, sondern es als Ziel betrachte, dies zusammen mit den Betroffenen zu tun. Deshalb glaube ich, daß es gar nicht so wichtig ist, welche Visionen ich als Nichtbehinderte habe, sondern daß es letztlich sicherlich darum geht, daß die betreffenden Menschen mit Behinderung die Möglichkeit bekommen, das einzufordern, was sie aufgrund ihrer Behinderung benötigen, um überhaupt eine Lehrlingsausbildung machen zu können. Wenn man wirklich darum bemüht ist, die Hilfeleistungen den tatsächlichen, individuellen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung anzupassen, dann kann man meiner Meinung nach auf keinen Fall darauf verzichten, sämtliche Lösungswege zusammen mit den Betroffenen zu erarbeiten.

Stellvertretend für viele andere lasse ich nun drei ExpertInnen in eigener Sache zu Wort kommen. An dieser Stelle möchte ich Ulrike Pfeifenberger, Harald Steil und Maria Perfler noch einmal ganz herzlich für ihre Bereitschaft danken, mir meinen umfangreichen Fragebogen zu beantworten. Aufgrund ihrer Mithilfe habe ich viel dazugelernt, bin auf individuelle Notwendigkeiten hingewiesen worden, die ich selbst zum Teil wahrscheinlich nicht wahrgenommen hätte.

Welche individuellen Bedürfnisse, die aufgrund deiner Behinderung entstehen, sollten bei der dualen Ausbildungsform der Lehre berücksichtigt werden? Welche Hilfsmittel werden benötigt?

* Ulrike Pfeifenberger

(20 Jahre alt, Studentin der Sozialakademie im fünften Semester)

Art der Behinderung: Querschnittlähmung (Paraplegie -Th 3/6)

Die Befragte fordert eine rollstuhlgerechte Adaptierung des Arbeitsplatzes und der Berufsschule (Rampen, Aufzüge, rollstuhlgerechtes WC). Als Rollstuhlfahrerin betrachtet sie diese Adaptierungen als erforderliche Grundvoraussetzungen für eine solche Ausbildung. Da die meisten Verkehrsmittel für RollstuhlfahrerInnen nicht zugänglich sind, weist sie zudem darauf hin, daß es wahrscheinlich nötig sein wird, einen Fahrtendienst zu organisieren, wofür vermutlich eine Fahrtkostenunterstützung zu beantragen ist.

* Harald Steil

(22 Jahre alt, Konditor)

Art der Behinderung: 30% Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr

Harald Steil fordert die Anerkennung der Gebärdensprache im Unterricht und eine/n Gebärdendolmetscher/in für die Berufsschule. Zudem vertritt er die Ansicht, daß jemand, der gehörlos sei, zur Erlernung eines Lehrberufes eine/n Gebärdendolmetscher/in und eine Betreuungsperson benötige, um die im Betrieb, in der Berufsschule und ev. im Internat notwendige Unterstützung zu bekommen.

* Maria Perfler

(19 Jahre alt, Studentin der Sozialakademie im ersten Semester)

Art der Behinderung: blind

Maria Perfler schilderte sehr ausführlich, was ein blinder Lehrling ihrer Meinung nach benötigt und welche Hilfsmittel ihr bereits bekannt sind. Ich versuche, das Gesagte in gekürzter Form wiederzugeben und gliedere den Text hierfür in die Punkte a) bis d).

a) die Berufsschule

* Mobilitätstraining (Durch dieses Training lernen Blinde, andere Sinne zu sensibilisieren und dadurch den Sehsinn zu ersetzen, um sich möglichst selbständig in Straßen, Gebäuden usw. zurechtzufinden). Vorteilhaft wäre es, wenn blinde BerufsschülerInnen das Schulgebäude mittels Mobilitätstraining bereits vor Schulbeginn kennenlernen könnten und wenn die Einrichtung im Klassenzimmer möglichst gleich bleiben würde (z.B. die Schulbänke nicht andauernd verrücken), damit sich die blinde Person besser zurechtfinden kann.

* Bezüglich der Hilfsmittel für den Berufsschulunterricht gibt es verschiedene Möglichkeiten (z.B. Aufnahmegerät; Computer; Brailleschreibmaschine; Gummiunterlage mit Folie zum Einritzen der Skizzen; Scanner zum Lesbarmachen der Kopien ...)

* Seitens der Lehrpersonen wäre es angenehm, wenn diese auf die Bedürfnisse des/der blinden Schülers/in eingehen könnten. (z.B. beim Tafelschreiben gleichzeitig den Text laut sprechen; z.B. Absprache mit dem/der Blinden, wenn Kopien ausgegeben werden, weil das Scannersystem beispielsweise Graphiken für Blinde nicht nutzbar machen kann ...)

  • Schulbücher (Wenn der Lehrkörper der Schule früh genug weiß, welche Bücher benötigt werden, kann der/die blinde Berufsschüler/in versuchen, die nötigen Unterlagen in Blindenschrift oder aufgenommen auf Kassette zu beschaffen)

b) das Internat

* Mobilitätstraining

* Der/die Blinde braucht genügend Platz, um alle Hilfsmittel unterzubringen und wiederzufinden. Manchmal sind die Internatszimmer zu klein, bzw. gibt es für mehrere Personen oft nur einen Schreibtisch, was zu Problemen führen kann. Vorteilhaft wäre es, dies bereits vorher abzuklären.

* Absprache mit ZimmerkollegInnen, um Problemen vorzubeugen. (Beispielsweise sollten Sachen des/der blinden Zimmerkollegen/in nicht kommentarlos umgeräumt werden, weil der/die Blinde diese Dinge sonst vielleicht nicht wiederfindet).

e) der Betrieb

* Mobilitätstraining (Wenn der blinde Lehrling die Räumlichkeiten gut kennt, kann er sich besser auf die Ausbildungsinhalte konzentrieren und ist nicht so stark von den ArbeitskollegInnen abhängig. Je selbständiger ein blinder Lehrling ist, desto weniger belastend ist er für andere. Das richtige Maß an Hilfe und Selbständigkeit zu finden ist wahrscheinlich ein Lernprozeß, den sowohl der blinde Lehrling als auch dessen ArbeitskollegInnen finden müssen.)

* Zur Vermeidung der Verletzungsgefahr wäre es wichtig, dem blinden Lehrling genau zu zeigen, wie die Werkzeuge gehandhabt werden müssen sowie keine Sachen herumliegen zu lassen, worüber jemand, der blind ist, leicht stolpern könnte.

* Auch die Atmosphäre im Betrieb ist wichtig. Es wäre vorteilhaft, wenn es bereits vor Arbeitsantritt ein Gespräch geben würde, bei dem der blinde Lehrling erklären kann, was er braucht und was aufgrund seiner Behinderung berücksichtigt werden sollte.

Durch gezielte Aufklärung kann man vielleicht viele Schwierigkeiten vermeiden, die sonst ev. aufgrund von Unwissenheit oder Vorurteilen entstanden wären. Dies würde wahrscheinlich zu einer besseren Zusammenarbeit beitragen und hätte auch den Vorteil, daß der blinde Lehrling sich besser auf seine Arbeit konzentrieren könnte.

* Eine allgemeine Aussage bezüglich der im Betrieb benötigten Hilfsmittel zu treffen ist deshalb schwierig, weil für die verschiedenen Berufe ganz verschiedene Hilfsmittel benötigt werden.

d) der Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Internat

Welche/wieviele Lehrberufe können unter Berücksichtigung der derzeitigen Bestimmungen von jemandem, der eine ähnliche Behinderung wie du hat, ohne Probleme ausgeübt werden; bzw. ausgeübt werden, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden sind; bzw. wahrscheinlich nicht ausgeübt werden?

(Anm.: Alle Befragten benutzten zur Beantwortung dieser Frage das Berufslexikon der Lehrberufe, worin sowohl die Tätigkeitsmerkmale der einzelnen Berufe als auch die Berufsanforderungen genau beschrieben sind.)

Ulrike Pfeifenberger glaubt, von den 232 Lehrberufen de Lehrberufsliste...

* 40 ohne Probleme ausüben zu können.

(Bautechnische Zeichnerin, Blechblasinstrumentenerzeugerin, Bürokauffrau, Bürsten- und Pinselmacherin, Chemielaborantin, Dessinateurin für Stoffdruck, Drogistin, Edelsteinschleiferin, Fotogravurzeichnerin, Fotokauffrau, Glasmalerin, Gold-, Silber- und Metallschlägerin, Gold- und Silberschmiedin und Juwelierin, Gold-, Silber- und Perlenstickerin, Großhandelskauffrau, Handschuhmacherin, Harmonieerzeugerin und Erzeugerin von Musikinstrumenten, Hohlglasschleiferin, Hotel- und Gastgewerbeassistentin, Industriekauffrau, Kartografin, Kerammalerin, Kerammodelleurin, Kupferdruckerin, Ledergalanteriewarenerzeugerin und Taschnerin, Notenstecherin, Optikerin, Porzellanmalerin, Reisebüroassistentin, Speditionskauffrau, Stempelerzeugerin und Flexografin, Stickereizeichnerin, Technische Zeichnerin, Textilzeichnerin, Typografikerin, Uhrmacherin, Versicherungskauffrau, Zahntechnikerin, Zinngießerin, Ziseleurin)

* 60 erlernen zu können, wenn auf bestimmte Rahmenbedingungen eingegangen werden würde (Anm.: der Einfachheit halber habe ich hier nur die 60 Berufe angeführt. Die Beschreibung der entsprechenden Rahmenbedingungen bewahre ich in der Materialmappe auf. Eine Kopie davon kann angefordert werden).

(Bäckerin, Floristin, Bonbon- und Konfektmacherin, Brauerin und Mälzerin, Buchbinderin, Buchhändlerin, Büchsenmacherin, Chirurgieinstrumentenerzeugerin, Diamantschleiferin, Druckerin, Druckformtechnikerin, Druckvorstufentechnikerin, Einzelhandelskauffrau; Emailleurin, Etui- und Kassettenerzeugerin, Feinmechanikerin, Feinoptikerin, Formenbauerin, Fotograveurin, Glasgraveurin, Graveurin, Gürtlerin, Harmonikamacherin, Holzblasinstrumentenerzeugerin, Hutmacherin, Kappenmacherin, Kartonagewarenerzeugerin, Keramikerin, Köchin, Konditorin, Korb- und Möbelflechterin, Kunststoffverarbeiterin, Lebzelterin und Wachszieherin, Leder- und Lederwarenfärberin, Maschinstickerin, Messerschmiedin, Modistin, Oberteilherrichterin, Pharmazeutisch kaufmännische Assistentin, Porzellanformerin, Posamentiererin, Präparatorin, Reproduktionstechnikerin, Sattlerin und Riemerin, Schriftgießerin und Stereotypeurin, Schuhmacherin, Siebdruckerin, Stereotypeurin und Galvanoplastikerin, Streich- und Saiteninstrumentenerzeugerin, Strickwarenerzeugerin, Textilreinigerin, Tiefdruckformenherstellerin, Wäschenäherin, Wäschewarenerzeugerin, Waffen- und Munitionshändlerin, Waffenmechanikerin, Weberin, Werkzeugmechanikerin, Werkzeugmaschineurin)

* 132 Berufe wahrscheinlich nicht ausüben zu können.

Harald Steil denkt, daß jemand, der gehörlos ist, von den 232 Lehrberufen der Lehrberufsliste ...

* keinen einzigen Beruf ohne entsprechende Hilfeleistungen erlernen könnte.

* 216 mit Unterstützung eines/r Gebärdendolmetschers/in und einer Betreuungsperson erlernen könnte.

(Anlagenelektriker/in, Anlagenmonteur/in, Bäcker/in, Bandagist/in, Bauschlosser/in, Bautechnische/r Zeichner/in, Bergwerksschlosser/in, Maschinen -Maschinenhäuer/in, Berufskraftfahrer/in, Betonwarenerzeuger/in, Betriebselektriker/in, Betriebsschlosser/in, Binder/in, Binnenschiffer/in, Blechschlosser/in, Florist/in, Bodenleger/in, Bonbon- und Konfektmacher/in, Bootbauer/in, Brauer/in und Mälzer/in,Brunnenmacher/in, Buchbinder/in, Büchsenmacher/in, Büromaschinenmechanikerin, Bürsten- und Pinselmacher/in, Chemielaborant/in, Chemiewerker/in, Chierurgieinstrumentenerzeuger/in, Dachdecker/in, Damenkleidermacher/in, Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger/in, Dessinateur/in für Stoffdruck, Destillateur/in, Diamantschleifer/in, Drechsler/in, Dreher/in, Drogist/in, Drucker/in, Druckformtechniker/in, Druckvorstufentechniker/in, Edelsteinschleifer/in, Elektroinstallateur/in, Elektromechaniker/in für Schwachstrom, Elektromechaniker/in für Starkstrom, Elektromechaniker/in und -maschinenbauer/in, Emailleur/in, Etui- und Kassettenerzeuger/in, Fahrzeugfertiger/in, Fahrzeugtapezierer/in, Feinmechaniker/in, Feinoptiker/in, Flachdrucker/in, Fleischer/in, Formenbauer/in, Former/in und Gießer/in, Fotograf/in, Fotograveur/in, Fotogravurzeichner/in, Friedhofs- und Ziergärtner/in, Friseur/in und Perückenmacher/in, Fußpfleger/in, Gasinstallateur/in, Gas- und Wasserleitungsinstallateur/in, Gelbgießer/in, Getreidemühler/in, Gießereimechaniker/in, Glasbläser/in und Glasinstrumentenerzeuger/in, Glaser/in, Glasgraveur/in, Glasmaler/in, Glasschleifer/in und Glasbeleger/in, Gold-, Silber- und Metallschläger/in, Gold- und Silberschmied/in und Juwelier/in, Gold-, Silber- und Perlensticker/in; Graveur/in, Großmaschensticker/in, Gürtler/in, Hafner/in, Handschuhmacher/in, Harmonikamacher/in, Harmonieerzeuger/in und Erzeuger/in von ähnlichen Instrumenten, Herrenkleidermacher/in, Hohlglasschleifer/in, Holz- und Sägetechniker/in, Holz- und Steinbildhauer/in, Hotel- und Gastgewerbeassistent/in, Hüttenwerkschlosser/in, Hutmacher/in, Isoliermoneur/in, Kälteanlagenmonteur/in, Kappenmacher/in, Karosseur/in, Kartograf/in, Kartonagewarenerzeuger/in, Keramiker/in, Kerammaler/in, Kerammodelleur/in, Koch/Köchin, Konditor/in-, Korb- und Möbelflechter/in, Kraftfahrzeugelektriker/in, Kraftfahrzeugmechaniker/in, Kürschner/in, Kunststeinerzeuger/in, Kunststoffverarbeiter/in, Kupferdrucker/in, Kupferschmied/in, Lackierer/in, Landmaschinenmechaniker/in, Landschaftsgärtner/in, Lebzelter/in und Wachszieher/in, Ledergalanteriewarenerzeuger/in und Taschner/in, Leder- und Lederwarenfärber/in, Leichtflugzeugbauer/in, Luftfahrzeugmechaniker/in, Maler/in und Anstreicher/in, Maschinenmechaniker/in, Maschinenschlosser/in, Maschinsticker/in, Masseur/in, Mechaniker/in, Messerschmied/in, Metalldrücker/in, Metallschleifer/in und Galvaniseur/in, Miedererzeuger/in, Modellschlosser/in, Modelltischler/in, Modist/in, Molkereifachmann/frau, Nachrichtenelektroniker/in, Notenstecher/in, Oberteilherrichter/in, Obst- und Gemüsekonservierer/in, Optiker/in, Orgelbauer/in, Orthopädiemechaniker/in, Orthopädieschuhmacher/in, Papiertechniker/in, Pflasterer/in, Pharmazeutisch-kaufmännische/r Assistent/in, Physiklaborant/in, Platten- und Fliesenleger/in, Polterer/in, Porzellanformer/in, Porzellanmaler/in, Posamentierer/in, Präparator/in, Prozeßleittechniker/in, Rauchfangkehrer/in, Rauhwarenzurichter/in Recycling- und Entsorgungstechniker/in, Reproduktionstechniker/in Restaurantfachmann/frau, Rohrleitungsmonteur/in, Rotgerber/in, Säckler/in, Säger/in, Satt1er/in und Riemer/in, Schädlingsbekämpfer/in, Schalungsbauer/in, Schiffbauer/in, Schilderhersteller/in, Schlosser/in, Schmied/in, Kosmetiker/in, Schriftgießer/in und Steriotypeur/in, Schuhmacher/in, Siebdrucker/in, Skierzeuger/in, Spengler/in, Stahlbauschlosser/in, Starkstrommonteur/in, Steinmetz/in, Stempelerzeuger/in und Flexograf/in, Stereotypeur/in und Galvanoplastiker/in, Stickereizeichner/in, Stoffdrucker/in, Streich- und Saiteninstrumentenerzeuger/in, Strickwarenerzeuger/in, Stukkateur/in und Trockenausbauer/in, Tapezierer/in und Bettwarenerzeuger/in, Technische/r Zeichner/in, Terrazzomacher/in, Textilmechaniker/in, Textilzeichner/in, Textilreiniger/in, Textilveredler/in, Tiefdruckformenhersteller/in, Tierpfleger/in, Tischler/in, Typografiker/in, Uhrmacher/in, Universalhärter/in, Universalschweißer/in, Vergolder/in und Staffierer/in, Verpackungsmittelmechaniker/in, Vulkaniseur/in, Wagenhersteller/in, Wäschenäher/in, Wäschewarenerzeuger/in, Waffen- und Munitionshändler/in, Waffenmechaniker/in, Wagner/in, Wasserleitungsinstallateur/in, Weber/in, Weiß- und Sämischgerber/in, Werkstoffprüfer/in, Werkzeugmacher/in, Werkzeugmaschineur/in, Werkzeugmechaniker/in, Wirkwarenerzeuger/in, Zahntechniker/in, Zentralheizungsbauer/in, Zimmerer/in, Zinngießer/in, Ziseleur/in)

* 17 Berufe wahrscheinlich nicht ausüben könnte.

Maria Perfler vermutet, daß jemand der blind ist, von den 231 Lehrberufen der Lehrberufsliste (Anm.: einer war ihr nicht bekannt)...

* 3 ohne Probleme ausüben könnte. (Bürsten- und Pinselmacher/in, Masseur/in, Reisebüroassistent/in,)

* 15 erlernen könnte, wenn entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden wären.

(Bäcker/in, Buchbinder/in,Bürokaufmann/frau, Großhandelskaufmann/frau, Hotel- und Gastgewerbeassistent/in, Indurstriekaufmann/frau, Korb- und Möbelflechter/in, Musikalienhändler/in, Säckler/in, Sattler/in und Riemer/in, Speditionskaufmann/frau, Tierpfleger/in, Versicherungskaufmann/frau, Waffen- und Munitionshändler/in, Weber/in)

Maria Perfler war es zudem noch wichtig zu betonen: '...Ich selbst habe nie eine Lehre gemacht und habe mir vorher eigentlich auch noch nie überlegt, welche Lehrberufe von Blinden ausgeübt werden können und welche nicht. Mir ist es deshalb schwer gefallen, zu bestimmen "dieser Beruf ist möglich; dieser nicht, dieser nur, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen vorhanden sind"... Man sollte vielleicht auch nicht immer davon ausgehen, daß man eine/n Blinde/n an eine Arbeitsstelle anpassen muß, sondern vielleicht sollte man sich einmal überlegen, wie man die Arbeitsstelle an den blinden Menschen anpassen könnte. Wenn man von diesem Ansatz ausgehen würde wären für Blinde vielleicht viel mehr Berufe möglich..

Wenn ich etwas wirklich machen möchte, dann kann ich auch viele Schwierigkeiten lösen .. Wenn mir jemand einredet, daß ich einen bestimmten Beruf nicht machen kann, werde ich diese Tätigkeit wahrscheinlich gar nicht ausprobieren. Wenn jedoch jemand sagt: "Du kannst das!" und ich auch motiviert bin, dies zu machen, dann ist wahrscheinlich viel mehr möglich...'.

Diesem Schlußwort Marias kann ich mich nur voll und ganz anschließen. Vielleicht sollte ich auch noch erklären, daß es nie mein Ziel war, eine hundertprozentig richtige Liste jener Berufe zusammenzustellen, die für einen Menschen mit dieser oder jener Behinderung tatsächlich ausgeübt bzw. nicht ausgeübt werden können. Damit würde ich die Individalität des/r Einzelnen ja völlig ignorieren. Natürlich ist mir bewußt, daß es auch darauf ankommt, welche Eignungen, Neigungen, Talente jemand für diesen oder jenen Beruf mitbringt ...

Mir ging es vor allem darum, aufzuzeigen, daß mit entsprechender Kreativität, Flexibilität und individuell abgestimmter Hilfeleistung (z.B. unterstützter Beschäftigung) viel mehr möglich zu sein scheint, als "der/die österreichische Durchschnittsbürger/in" wahrscheinlich annehmen würde.

VI. Das Behinderteneinstellungsgesetz (BeinstG)

Im folgenden Text verwende ich nur jene Inhalte des Behinderteneinstellungsgesetzes, die meiner Meinung nach für die Lehrlingsausbildung am freien Arbeitsmarkt relevant sind. Um diesen Teil möglichst anschaulich zu gestalten, versuche ich, einige Paragraphen dieses Bundesgesetzes näher zu erläutern. Als Informationsquellen dienten mir das Buch "Behinderteneinstellungsgesetz - Gesetze und Kommentare" von Ernst und Haller 1995 sowie die 1993 vom Arbeitsmarktservice erschienene Broschüre "Behinderte und Arbeitsmarkt - Teil 2".

Das Behinderteneinstellungsgesetz soll helfen, die Nachteile, die Behinderte im Erwerbsleben haben, durch klar festgesetzte Rechte und Vergünstigungen auszugleichen, was zu mehr Chancengleichheit am Arbeitsmarkt führen soll.

* Begünstigte Behinderte nach dem Behinderteneinstellungsgesetz sind Personen, die aufgrund der Auswirkung einer mehr als voraussichtlich sechs Monate dauernden Funktionsbeeinträchtigung , die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand beruht, einen sogenannten "Grad der Behinderung" von mindestens 50% aufweisen. Das Behinderteneinstellungsgesetz gilt vorrangig für österreichische StaatsbürgerInnen; wobei aber auch behinderte Flüchtlinge, soweit sie zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, sowie behinderte EWR- BürgerInnen zum begünstigten Personenkreis gehören können. (vgl. BEinstG §2, Abs 1 und §3, Abs 1)

Personen mit einer Behinderung sind nicht automatisch dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zugehörig (ausgenommen sind Behinderte, die bereits einen rechtskräftigen Bescheid im Sinne des BEinstG §14, Abs 1 besitzen). Es bleibt der Entscheidung jedes/r einzelnen Behinderten überlassen, ob er/sie sich beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen als begünstigte/r Behinderte/r einschätzen läßt oder nicht. Die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung. (Wird dieser Antrag nicht gestellt, ist es theoretisch möglich, daß ein behinderter Lehrling jene Vergünstigungen und Förderungen nicht bekommt, die ihm laut Behinderteneinstellungsgesetz zustehen würden. Eine andere Folgewirkung könnte sein, daß ein/e Dienstgeber/in weiterhin die Ausgleichstaxe bezahlt, obwohl ihm/ihr aufgrund der Beschäftigung eines Lehrlings, der alle Voraussetzungen für eine/n begünstigte/n Behinderte/n erfüllt, eigentlich eine monatliche Prämie zustehen würde.)

Der Grad der Behinderung wird durch den amtsärztlichen Dienst beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen anhand von Attesten und ärztlichen Gutachten nach medizinischen Gesichtspunkten, bezogen auf das allgemeine Erwerbsleben (also unabhängig vom angestrebten Beruf oder vom konkreten Beschäftigungsverhältnis) eingeschätzt und darf nicht mit dem Ausmaß der Mindestleistungsfähigkeit, die sich nach der Produktivität der Arbeitsleistung des/r Behinderten an seinem/ihren Arbeitsplatz richtet, verwechselt werden. In einem Verwaltungsverfahren wird der Behinderungsgrad festgelegt und festgestellt, ob die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten erfüllt sind oder nicht. Der/die Antragsteller/in erhält schließlich einen Bescheid, in welchem die Entscheidung, die im Vewaltungsverfahren getroffen wurde, mitgeteilt und begründet wird. Gleichzeitig findet eine Rechtsmittelbelehrung statt, woraus hervorgeht, daß der/die Antragsteller/in gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen binnen 14 Tagen beim Landeshauptmann Berufung erheben kann.

* "Alle DienstgeberInnen, die im Bundesgebiet 25 oder mehr DienstnehmerInnen beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 DienstnehmerInnen mindestens eine/n begünstigte/n Behinderte/n einzustellen." (BEinstG § 1, Abs 1)

In der Praxis wird es so gehandhabt, daß die bei den Krankenversicherungsträgern gemeldete Zahl der Dienstnehmerlnnen die Grundlage zur Berechnung der Pflichtzahl bildet. Von dieser Gesamtzahl werden die beschäftigten begünstigten Behinderten abgerechnet, sodaß aufgrund der verbleibenden Restzahl beurteilt werden kann, wie viele begünstigte Behinderte diese/r Dienstgeber/in zu beschäftigen hat (= Pflichtzahl). Bildet ein Betrieb einen begünstigten Lehrling aus, so wird diese/r in Ausbildung stehende begünstigte Behinderte auf die Pflichtzahl doppelt angerechnet. Diese Doppelanrechnung auf die Pflichtzahl verfolgt das Ziel, den DienstgeberInnen neben den sonstigen Förderungsmaßnahmen weitere Anreize zur Beschäftigung begünstigter Lehrlinge zu geben.

(Um Mißverständnissen hinsichtlich der Doppelanrechnung auf die Pflichtzahl vorzubeugen folgende Beispiele:

° Hat ein/e Dienstgeber/in die Pflicht, zwei begünstigte Behinderte zu beschäftigen, kann sie/er stattdessen auch einen begünstigten Lehrling einstellen und hat seine/ihre Beschäftigungspflicht somit erfüllt.

° Umgekehrt hat diese Doppelanrechnung bei jemanden, der nur eine/n begünstigten Behinderte/n einstellen müßte, nicht die Folge, daß dieser sagen könnte: "Jetzt habe ich eine/n Behinderte/n mehr eingestellt, als ich eigentlich müßte."

° Ebenso ist eine Vierfachanrechnung, weil ein/e Arbeitnehmer/in beispielsweise sowohl Lehrling als auch blind ist, unzulässig.)

Kommen DienstgeberInnen ihrer Beschäftigungspflicht nicht nach, erhalten sie nach Ablauf des Kalenderjahres vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen mittels Bescheid vorgeschrieben, wieviel Ausgleichstaxe sie zu bezahlen haben (1996 betrug die Ausgleichstaxe pro nicht beschäftigtem Behinderte/n monatlich S 1960.-) Dieses Geld wandert in den Ausgleichstaxfonds, welcher vom Bundesminister für Arbeit und Soziales unter Anhörung eines Beirates verwaltet wird. DienstgeberInnen, die mehr begünstigte Behinderte beschäftigen, als es ihrer Einstellungspflicht entspricht (dies ist zum Beispiel auch dann der Fall, wenn ein Betrieb gar nicht einstellungspflichtig wäre und dennoch eine/n begünstigte/n Behinderte/n beschäftigt), erhalten aus den Mitteln des Ausgleichstaxfonds für jede/n über die Pflichtzahl hinaus beschäftigte/n Behinderte/n eine Prämie (1996 in der Höhe von monatlich S 920.-). Die besondere Förderungswürdigkeit von DienstgeberInnen, die begünstigte Lehrlinge ausbilden, findet auch im BEinstG §9a, Abs 2 ihren Ausdruck, wo bestimmt wird, daß DienstgeberInnen pro begünstigten Lehrling eine Prämie in der Höhe der vollen Ausgleichstaxe bekommen.

(Um diese Regelung besser zu veranschaulichen folgendes Beispiel:

° Wird ein begünstigter Lehrling über die Pflichtzahl hinaus beschäftigt, dann gebührt dem/r Dienstgeber/in sowohl eine Prämie für die Mehreinstellung als auch eine Prämie für die Lehrlingsausbildung; also 1996 eine monatliche Gesamtprämie von S 2880.-).

Die Bezahlung der Ausgleichstaxe soll laut Verwaltungsgerichtshof weder alsSteuer noch als Strafe angesehen werden, sondern sie soll, wie schon ihr Name sagt, die Belastung ausgleichen, die ein/e Dienstgeber/in durch die Beschäftigung Schwerbehinderter im allgemeinen haben kann. Zudem kann die Ausgleichstaxe auch als Solidaritätsbeitrag jener DienstgeberInnen gewertet werden, die (aus welchen Gründen auch immer) keine begünstigten Behinderten beschäftigen. Aufgrund dieses Systems kommt es zu einer finanziellen Umverteilung zugunsten jener DienstgeberInnen, die Behinderte ausbilden bzw. beschäftigen.

* "DienstgeberInnen haben bei der Beschäftigung von begünstigten Behinderten auf deren Gesundheitszustand jede nach Beschaffenheit der Betriebsgattung und nach Art der Betriebsstätte und der Arbeitsbedingungen mögliche Rücksicht zu nehmen." (BEinstG §6, Abs 1, Teil 1)

Diese besondere Fürsorgepflicht dient dazu, behinderte ArbeitnehmerInnen vor Gefährdungen ihrer Gesundheit zu bewahren und tritt als Ergänzung zum allgemeinen Arbeitnehmerlnnenschutz in Kraft. So sollen den Behinderten vor allem Beschäftigungen zugewiesen werden, die für sie keine Gefährdung der Gesundheit oder eine Verschlechterung ihres Zustandes mit sich bringen. Wesentliche Bedeutung kommt hierbei dem ärztlichen Sachverständigengutachten sowie dem Gutachten der Arbeitsinspektion zu.

* "Die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen haben einvernehmlich mit den Dienststellen des Arbeitsmarktservice und mit den übrigen Rehabilitationsträgern dahingehend zu wirken und zu beraten, daß die Behinderten in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, entsprechend ihren Fähigkeiten und Kenntnissen eingesetzt und durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der DienstgeberInnen soweit gefordert werden, daß sie sich im Wettbewerb mit Nichtbehinderten zu behaupten vermögen." (BeinstG §6, Abs 1, Teil 2)

Im Sinne einer umfassenden, zielgerichteten beruflichen Rehabilitation hat es sich als notwendig erwiesen, daß alle beruflichen Rehabilitationsträger zusammenarbeiten. Deshalb treffen sich die VertreterInnen der Pensions- und Krankenversicherungsträger, des Landes, des Arbeitsmarktservice sowie des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in regelmäßigen Abständen zu Teamsitzungen, wo alle eingelangten Ansuchen gemeinsam besprochen werden. Eine wichtige Aufgabe dieses Teams ist es nämlich, intern die Hilfeleistungen entsprechend der jeweiligen Gesetze und Zuständigkeiten zu koordinieren ohne Behinderte oder DienstgeberInnen mit einer Vielzahl von Anträgen bei den einzelnen Rehabilitationsträgern zu belasten. Aus diesem Grund können der Einfachheit halber beispielsweise alle Anträge beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eingereicht werden, da diese Anträge aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Rehabilitationsträgern mit gleicher Wirkung auch bei den anderen Trägern als eingebracht gelten. Um Mehrgleisigkeiten zu vermeiden, ist es eine weitere Aufgabe des Rehabilitationsteams, die nachgehende Betreuung auf dem Arbeitsplatz zwischen den einzelnen Rehabilitationsträgern abzustimmen.

Die Palette der Förderungsmöglichkeiten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist breit gestreut und sehr vom Einzelfall abhängig. Die Finanzierung wird, wie bereits erwähnt, oft gemeinsam mit anderen Kostenträgern durchgeführt, wobei bei der Vergabe der Fördermittel die Zweckmäßigkeit des Einsatzes gewährleistet sein muß. Der/die Bundesminister/in für Arbeit und Soziales giltals Vertreter/in des Ausgleichstaxfonds und erläßt nach Anhörung des Beirates Richtlinien, die als Grundlage für die Gewährung von Zuschüssen oder Darlehen dienen. Um Arbeits- oder Ausbildungsplätze für Behinderte zu schaffen bzw. zu erhalten, können sowohl für DienstgeberInnen als auch für begünstigte Behinderte Geldleistungen gewährt werden. Anstelle von Zuschüssen oder Darlehen ist es ferner auch möglich, Sachleistungen (z.B. Schreibtelefone für Gehörlose) bewilligt zu bekommen. Behinderte mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50%gehören zwar nicht zum begünstigten Personenkreis, können aber unter bestimmten Voraussetzungen dennoch Förderungen aus dem Ausgleichstaxfonds erhalten. Im §10a, Abs 2 wird darauf hingewiesen, daß österreichische StaatsbürgerInnen sowie StaatsbürgerInnen von Vertragspartnern des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Flüchtlinge, deren Grad der Behinderung mindestens 30% beträgt, dann gefördert werden können, wenn sie ohne solche Hilfsmaßnahmen einen Arbeitsplatz nicht erlangen oder beibehalten könnten.

Für behinderte Lehrlinge können alle nach dem Behinderteneinstellungsgesetz vorgesehenen Fürsorge- und Förderungsmaßnahmen bereits während der Lehrzeit gewährt werden. Hierzu zählen laut BEinstG §6, Abs 2 beispielsweise Zuschüsse oder Darlehen

a)... für technische Arbeitshilfen

Diese Geräte oder Behelfe sollen die bestehende Behinderung ausgleichen und müssen, damit man sie gewährt bekommt, unmittelbar mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Je nach Art der Behinderung und der Tätigkeit muß die spezifische Ausstattung mit technischen Arbeitshilfen individuell festgelegt werden.

b)... zur Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, die sich für begünstigte Behinderte besonders eignen.

Hierzu zählt die behindertengerechte Umgestaltung (Adaptierung) des Arbeitsplatzes durch z.B. Auffahrtsrampen, Treppenlift, rollstuhlgerechtes WC,... für RollstuhlfahrerInnen.

c)... zur Lehrlingsentschädigung

Aufgrund des Behinderteneinstellungsgesetzes sind begünstigte ArbeitnehmerInnen vor willkürlichen Kürzungen ihres ihnen kollektivvertraglich zustehenden Entgeltes (wozu auch die Lehrlingsentschädigung zählt) geschützt. Die Lehrlingsentschädigung darf laut BEinstG §7 aus Gründen der Behinderung nicht gemindert werden. Wenn der begünstigte Lehrling trotz technischer Adaptierungen nicht in die Lage versetzt werden kann, dieselbe durchschnittliche Arbeitsleistung wie ein nicht behinderter Lehrling in gleicher Verwendung zu erbringen, können dem/r Dienstgeber/in Zuschüsse bis zu 50% der Lehrlingsentschädigung gewährt werden.

d)... für Ein-, Um- oder Nachschulung, zur beruflichen Weiterbildung sowie zur Arbeitserprobung

Diese Zuschüsse aus Mitteln des Ausgleichstaxfonds haben nur subsidiären Charakter. Die zuständigen Rehabilitationsträger teilen sich die entsprechenden Kosten zumeist auf. Beispielsweise kann das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die Kosten für begleitende Maßnahmen einer Schulung dann übernehmen, wenn der/die begünstigte Behinderte zur Absolvierung der Schulung einer Begleitperson oder eines/r Dolmetschers/in bedarf.

e)... zu den Kosten, die nachweislich mit dem Antritt oder der Ausübung einer Beschäftigung verbunden sind.

Beispielsweise kann das Mobilitätstraining für Blinde aus Mitteln des Ausgleichstaxfonds finanziert werden. Ein anderes Beispiel wäre die psychosoziale Betreuung Behinderter im Rahmen der Arbeitsassistenz. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen kann für begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben sowohl finanzielle Förderungen gewähren als auch psychosoziale Dienste gemeinnütziger Einrichtungen mit dieser Aufgabe betrauen.

Ansuchen auf irgendwelche Förderungen des Ausgleichstaxfonds sind grundsätzlich vor der Durchführung eines Vorhabens zu stellen! Die Anträge unterliegen keiner Formvorschrift und sind gebührenfrei.

* Auf die Gewährung von Sach- oder Geldleistungen aus den Mitteln des Ausgleichstaxfonds (ausgenommen sind die Prämien für die DienstgeberInnen) besteht laut BeinstG §10a, Abs 4 kein Rechtsanspruch .

Dieser Paragraph hat zur Folge, daß der/die Antragsteller/in auf kein zulässiges Rechtsmittel zurückgreifen kann, um eine Förderung, die im Behinderteneinstellungsgesetz erwähnt wird, jedoch vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen nicht bewilligt wurde, einzuklagen. Wird ein Begehren abgewiesen, hat der/die Behinderte trotzdem die Möglichkeit, sich im Wege einer Aufsichtsbeschwerde an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Verwalter des Ausgleichstaxfonds zu wenden. Zudem sollte der/die Antragsteller/in bei Ablehnung einesAntrages zur Gewährung einer Förderung aus Mitteln des Ausgleichstaxfonds darüber informiert werden, daß eventuell die Möglichkeit bestünde, finanzielle Hilfen aus dem Nationalfonds oder aus Mitteln des Familienhärteausgleiches zu erhalten.

* Zum Schluß möchte ich noch darauf hinweisen, daß der besondere Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte bei behinderten Lehrlingen keine Anwendung findet. Dies ist darin begründet, daß es sich bei einem Lehrverhältnis immer um ein befristetes Arbeitsverhältnis handelt, weshalb eine Kündigung nach Beendigung der Lehrzeit nicht nötig ist. Aus diesem Grund gehe ich auch nicht näher auf die Kündigungsbestimmungen des BEinstG §8 ein. Für behinderte Lehrlinge gelten dieselben Bestimmungen bezüglich der Beendigung des Lehrverhältnisses wie für nichtbehinderte Lehrlinge.

VII. Eine kleine Ressourcenerhebung

Als angehende Sozialarbeiterin erschien es mir wichtig, Nachforschungen darüber anzustellen, auf welche Ressourcen behinderte Tiroler Lehrlinge im Moment zurückgreifen könnten. Aus diesem Grund nahm ich Kontakt zu sechs verschiedenen Servicestellen auf und befragte dort einzelne MitarbeiterInnen darüber, welche Unterstützungen sie Jugendlichen mit einer Behinderung, die eine Lehre machen möchten, anbieten könnten. Alle Interviews wurden von mir auf Tonband aufgenommen und vollständig transkribiert. Wieder einmal folgt deshalb ein Hinweis auf meine Materialmappe, woraus Kopien der ungekürzten Interviews angefordert werden können. Für meine Diplomarbeit mußte ich die Gespräche auf ein Minimum kürzen. Um das Ganze lebendiger zu gestalten und einen Eindruck von den Gesprächen zu vermitteln, gebe ich aus jedem Interview einen Gesprächsausschnitt, der mich besonders angesprochen hat, wieder.

* Erste Interviewte: Frau Marina Descovich; Mitarbeiterin des Vereines "Tiroler Arbeitsassistenz"

° Zielgruppe:

Männer, Frauen und junge Erwachsene mit Behinderung, sozialer Fehlanpassung oder Langzeitarbeitslosigkeit (die KlientInnen werden vom Arbeitsmarktservice, vom Land Tirol oder vom Bundessozialamt zugewiesen).

° Angebote in bezug auf die Lehrlingsausbildung:

- Mithilfe bei der Arbeits- bzw. Lehrstellensuche

- Unterstützung des Lehrlings und des Lehrbetriebes

- Wenn unterstützte Beschäftigung benötigt wird, ist die Bereitschaft da, diese zu organisieren.

° Zeitangebot:

hängt von der Übereinkunft mit den Förderungsgebern ab (ca. ein Jahr für die Arbeitsplatzsuche; Begleitung in der Anfangsphase und beim Integrationsprozeß im Betrieb; Bereitschaft, auch später - falls im weiteren Arbeitsverlauf Krisen auftreten sollten - helfend zur Seite zu stehen).

° Wo werden Grenzen wahrgenommen?

- in der Frage der politischen Tendenz: Willman junge Menschen, die derzeit in geschützten Werkstätten arbeiten oder in geschützten Lebensverhältnissen leben, überhaupt ermuntern, in die Privatwirtschaft hinauszugehen?

- in den Zeitressourcen (und zwar dann, wenn jemand eine intensive pädagogische Begleitung am Arbeitsplatz benötigen würde)

- beim immer knapper werdenden Arbeitsmarkt

° Zitat von Frau Descovich vom 26. November 1996

'... Ich denke, daß es hier noch nicht so viele Stellen gibt, die dies bisher gemacht haben (Anm.: z.B. Unterstützungsangebote für die Berufsschule, für das Internat oder zur Überwindung des Weges zum Lehrbetrieb / zur Berufsschule)... Grundsätzlich finde ich dies eine wichtige Sache. Sinnvoll würde ich es finden, die Frage zu klären, was wir anbieten können und welche Stellen sonst auch noch etwas anbieten können Ich kann mir gut vorstellen, daß wir in Zusammenarbeit mit der Sozialberatung (Anm.: des Landes) oder mit Stellen, die genau mit diesen Jugendlichen zusammenarbeiten, "Beratungsangebote " bieten. Ich weiß eigentlich selbst nicht, wie ich dies jetzt nennen soll, und ich habe in diesem Bereich auch noch nicht suchen müssen. Deshalb fehlen mir hier auch die Worte. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, daß man einfach mit den Stellen, die in dieser Richtung etwas anbieten, eine Kooperation zustande zu bringen versucht, und daß eben jeder von seinen Ressourcen etwas anbietet... Ich glaube, daß dieses Vorhaben nur dann funktionieren kann, wenn alle von dieser Idee überzeugt sind. Aber ich kann in dieser Hinsicht wirklich noch nichts Konkretes anbieten, denn hier sind wir erst am Anfang...

Ich finde, daß Qualifizierung am Arbeitsplatz, daß Ausbildungsmöglichkeiten für Männer und Frauen mit Behinderung am Arbeitsplatz grundsätzlich wichtig sind. Meiner Meinung nach sollte dies auch gefordert werden. Ich bin mir bewußt, daß wir hier sicher noch am Anfang stehen und daß es schon ein Umdenken benötigt Man muß sich auch überlegen, wie man Qualifizierung am Arbeitsplatz verbunden mit Jobcoaching machen kann... Ich denke, daß gerade im Bereich der Berufsschule alle Erfahrungen, die man bisher mit der Integrationsbewegung in Schulsystemen bereits gemacht hat, daß man dieses Know-how hier einfach übertragen müßte... Man muß also nichts Neues erfinden, sondern man muß die Leute finden, die diese Idee mittragen und umsetzen Ich stehe dahinter und ich finde diesen Bereich wichtig...'.

* Zweiter Interviewter: Herr Hammer; Mitarbeiter des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen

° Zielgruppe:

begünstigte Behinderte

° Angebote in bezug auf die Lehrlingsausbildung:

- finanzielle Förderungen für den Betrieb (z.B. monatliche Prämien von S 1 960; z.B. Bezahlung von monatlich S 4 000.- für das zweite und dritte Lehrjahr)

- Kostenübernahme für Hilfsmittel und für die Adaptierung des Arbeitsplatzes

- ev. Kostenteilung mit dem Land Tirol, falls Stützunterricht benötigt wird

- weitere Unterstützungen: siehe BEinstG (Kapitel VI.)

° Zeitangebot:

- ist verschieden (so lange dies eben erforderlich ist)

° Wo werden Grenzen wahrgenommen?

- Es gibt nicht genug Lehrstellen.

° Zitat von Herrn Hammer vom 29. November 1996

' ... Ich würde mir wünschen, daß mehr begünstigte Lehrlinge zu uns kommen würden, um beispielsweise irgend etwas zu beantragen. Aber leider gibt es das Problem, daß es immer weniger Lehrbetriebe gibt, die bereit sind, Lehrlinge auszubilden. Es scheitert sicher nicht an den finanziellen Mitteln. Diese wären (Anm.: seitens des Bundessozialamtes) sicherlich da. Es scheitert auch nicht an ausbildungsbereiten behinderten Menschen, sondern es scheitert am Angebot (Anm.: der Lehrstellen). Von unserer Seite gibt es bezüglich der finanziellen Grenzen eigentlich keine Befürchtungen... Wir haben zwar in letzter Zeit die Förderungen erhöht, aber das Angebot der Lehrstellen geht dennoch ständig zurück. Am Finanziellen scheint es jedenfalls nicht zu scheitern, sondern hier wird es schon andere Gründe geben...'.

* Dritter Interviewter: Herr Berndorfer; Mitarbeiter des Tiroler Blindenverbandes

° Zielgruppe:

Sehbehinderte und Blinde

° Angebote in bezug auf die Lehrlingsausbildung

- Hilfsmittelberatung

- Rehabilitationsberatung

- Organisation eines Orientierungs- und Mobilitätstrainings

- günstige Übergangswohnmöglichkeit für blinde oder stark sehbehinderte Lehrlinge (und dort ev. Begleitdienste oder Unterstützung bei den Schulaufgaben)

- Beratung der Berufsschullehrerlnnen

° Zeitangebot

- Erstberatung, die ein bis zwei Stunden dauert, danach ist das Zeitangebot davon abhängig, wieviele Betreuungsstunden von den jeweiligen Kostenträgern benötigt werden.

° Wo werden Grenzen wahrgenommen?

- bezüglich der Zeit

- Engpaß bei Schulungen im EDV-Bereich für stark Sehbehinderte oder Blinde

- fachliche Grenzen bei beispielsweise Mehrfachbehinderten; teilweise auch im EDV- Bereich

- Schwierigkeiten Blinder oder stark Sehbehinderter im EDV-Unterricht, weil die Unterrichtenden zunehmend mit der Maus arbeiten, Computerbefehle nicht mehr anders erklären können.

° Zitat von Herrn Berndorfer vom 2. Dezember 1996

'... Ich richte ein offenes Wort an jene, die für Berufsschulen, für Berufsschulunterricht, für Berufsbilder zuständig sind. Ich bitte darum, mehr Flexibilität zu zeigen. Ich weiß nicht, ob eine verbale Beurteilung die Lösung ist. Darüber müßte ich mir noch genauere Gedanken machen. Man sollte jene Fähigkeiten und Qualifikationen hervorheben, die jemand hat oder erlernen kann. All das, was ein Blinder bzw. ein Sehbehinderter sich in der beruflichen Praxis, in der Berufsschule usw. aneignen kann, sollte nicht übersehen werden. Wenn man alles nur mit dem "digitalen Schema' beurteilt (entweder der Lehrling beherrscht alle Lehrinhalte oder er kann den Beruf eben nicht ausüben), dann können die meisten Lehrberufe von blinden oder stark sehbehinderten Menschen unmöglich erlernt werden. Genau dies ist im Moment unter den derzeitigen Rahmenbedingungen leider der Fall, zumindest ist mir nichts Gegenteiliges bekannt. Aber wenn es in Tirol bereits etwas gibt, dann würde ich dies gerne erfahren. ..'.

* Vierte Interviewte: Frau Nemeth; Mitarbeiterin der Sozialberatung für Menschen mit Behinderung des Landes Tirol

° Zielgruppe:

Menschen mit Behinderung (alle Behinderungsarten mit Ausnahme psychisch kranker Menschen)

° Angebote in bezug auf die Lehrlingsausbildung:

- Mithilfe bei der Lehrstellensuche

- Verhandlung mit dem Land wegen Lohnkostenzuschüssen nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz

- Kontakt zum Betrieb; Vermittlung, falls Probleme auftauchen sollten.

° Zeitangebot:

- je nach Bedarf verschieden (solange das Arbeitsverhältnis besteht; Kontakt zum Betrieb mindestens ein Mal pro Jahr)

° Wo werden Grenzen wahrgenommen?

- Es gibt zu wenige Betriebe, die bereit sind, Lehrlinge mit beispielsweise einer Minderbegabung auszubilden.

° Zitat von Frau Nemeth vom 9. Dezember 1996

'...Ich betreue zurzeit zwei Lehrlinge. Der eine Lehrling hat sicher einen Musterbetrieb, und dies ist auch für mich selbst ein persönliches Erfolgserlebnis Die Tischlerei hat um einen Lohnkostenzuschuß gebeten, weil der Lehrling minderbegabt ist. Aber der ganze Betrieb ist dem Jugendlichen behilflich, damit dieser Lehrling die Berufsschule schafft (vom Chef angefangen, über die Gesellen, bis hin zu den anderen Lehrlingen bemüht sich jeder). Es besteht ein intensiver Kontakt zwischen Betrieb und Berufsschule Obwohl dieser Jugendliche in der Berufsschule eher schwach ist, leistet er im Betrieb gute Arbeit. Im Gegensatz zu den meisten Menschen mit einer Minderbegabung hat dieser Jugendliche aufgrund der Lehre die Chance, später nicht nur für Hilfstätigkeiten, sondern für qualifiziertere Arbeiten herangezogen zu werden... Das Mädchen, das ich betreue, arbeitet in einem Betrieb, der ihr keinerlei Unterstützung bietet. Im Lehrbetrieb sagen sie: "Die ist so dumm. Die schafft das sowieso nicht." Interessanter Weise hat das Mädchen die Berufsschule dennoch geschafft und besucht nun bereits die zweite Klasse Berufsschule. Ich denke mir, daß dieser Erfolg für das Mädchen persönlich sehr wichtig ist... Ich denke mir, daß es geistig behinderte, minderbegabte oder verhaltensauffällige Lehrlinge viel schwieriger haben. Zudem hat diese Gruppe überhaupt keine Lobby hinter sich... Deshalb haben wir uns auch einen Schwerpunkt unserer Arbeit für diesen Personenkreis gesetzt...'.

* Fünfte Interviewte: Frau Frick; Mitarbeiterin der Reha-Abteilung des AMS

° Zielgruppe:

Personen mit Vemittlungsproblemen am Arbeitsmarkt (nicht nur Behinderte laut Rehab-Gesetz; nicht nur begünstigte Behinderte; sondern auch andere Personen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind).

° Angebote in bezug auf die Lehrlingsausbildung:

- Lehrstellenförderung für die Betriebe (abhängig vom Einzelfall; von der persönlichen Einschränkung in bezug auf die Arbeitsstelle; auch Vermittlungseinschränkung; S 4 000.- monatlich im ersten Lehrjahr; je S 2 000.- im Monat für die folgenden Lehrjahre)

- Hilfe bei der Lehrstellensuche

- Berufsberatung (allgemeine Informationen und Unterlagen über die Berufsinformationszentren; speziellere Informationen bei Einzelgesprächen mit BerufsberaterInnen)

- psychologischer Dienst (psychologische Eignungs- und Neigungsuntersuchungen)

- Berufsorientierungskurs für Jugendliche

° Zeitangebot:

Erstkontakt, Zeit der Arbeitsvermittlung; Kontakt mit dem Betrieb für die formelle Abwicklung; danach ca. ein Mal jährlich Kontakt zum Betrieb (kein sozialarbeiterischer Dienst, deshalb beispielsweise keine Begleitung in den Betrieb während der Einstiegsphase).

° Wo werden Grenzen wahrgenommen?

- in der Wirtschaftslage

- in der Vermittelbarkeit von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen

° Zitat von Frau Frick vom 13. Dezember 1996

'... Generell haben wir momentan das Problem, daß wir viele Arbeitslose haben (nicht nur im Behindertensektor / sowohl Jugendliche als auch Erwachsene) und gleichzeitig weniger Stellenangebote da sind. Weiters haben viele Jugendliche das Problem, daß sie davon ausgeschlossen sind, eine Lehre machen zu können, weil sie von ihren Eignungen und Fähigkeiten her die Berufsschule nicht schaffen. Diese Jugendlichen werden derzeit im Hilfsarbeiterbereich angesiedelt. Wobei aufgrund der Industriealisierung und der Technisierung auch die Hilfsarbeiterstellen weniger geworden sind.

Vom Vermittlungshindernis her sind zum Teil nach wie vor Fehlinformationen der Dienstgeber da... Wenn man heute eine Veranstaltung macht, wo Personalchefs, Firmeninhaber usw. hinzukommen, sieht man immer wieder, daß viele von Behinderten ganz bestimmte Bilder haben (z.B. werden zumeist Rollstuhlfahrer, Blinde, Mongoloide gesehen) und diese können sich die meisten Arbeitgeber allesamt für ihren Betrieb nicht vorstellen. Wie wenig Auswirkungen diese Behinderung am konkreten Arbeitsplatz haben kann oder welche technischen Adaptierungsmöglichkeiten man mittlerweile beispielsweise bei Blinden hat, auf solche Diskussionen lassen sich viele Arbeitgeber oft gar nicht ein. Deshalb ist auch die Arbeit der Arbeitsassistenz sehr wichtig, weil diese dort die Möglichkeit haben, zu jedem einzelnen Betrieb zu gehen und aufzuklären. Unter vier Augen kann man dann vieles ganz anders ausdiskutieren...' .

* Sechste Interviewte: Frau Gabi Gunda; Mitarbeiterin der Landessonderschule für gehörlose, schwerhörige und sprachgestörte Kinder in Mils

° Zielgruppe:

- Jugendliche mit einer Hörbehinderung (vorrangig AbgängerInnen der Landessonderschule Mils, jedoch auch Schülerlnnen von Integrationsklassen)

- Wahrnehmungsgestörte Jugendliche, die im Lehrlingsheim der Landessonderschule Mils wohnen.

° Angebote in bezug auf die Lehrlingsausbildung:

- Begleitung bei der Berufsorientierung (zumindest die Vergabe von schriftlichen Unterlagen)

- Mithilfe bei der Lehrstellensuche

- Beratung des/der Lehrberechtigten über finanzielle Förderungen

- Betreuung am Arbeitsplatz (ca. eine Woche Arbeitsassistenz, danach regelmäßige Besuche im Betrieb)

- Wohnmöglichkeit während der Berufsschulzeit im Lehrlingsheim der Landessonderschule Mils

- Organisation eines/r Nachhilfelehrers/in

- Aufklärung der Berufsschullehrerlnnen über die spezielle Problematik des jeweiligen hörbehinderten Lehrlings

- Gebärdendolmetscher/in für die Berufsschule, wenn der Berufsschulunterricht ein Mal pro Woche stattfindet)

- Absprache mit der Prüfungskommission der Lehrabschlußprüfung wegen des hörbehinderten Prüflings (ev. dolmetschen in Gebärdensprache während der Lehrabschlußprüfung).

° Zeitangebot:

Die Betreuung dauert von der Zeit der Lehrstellensuche bis zum Lehrzeitende. Der Zeitaufwand ist verschieden (am Anfang einmal wöchentlich; später alle zwei Wochen ein Besuch im Betrieb; schließlich nur mehr dann, wenn der Lehrling sich meldet).

° Wo werden Grenzen wahrgenommen?

- in der tirolweiten Zuständigkeit (Grenzen aufgrund der Entfernung)

- bezüglich der Zeit (tirolweite Zuständigkeit für hörbehinderte Lehrlinge einer 40- Stunden-Kraft)

- Es gibt zuwenig Personen, die für den Hörbehindertenbereich ausgebildet sind, die beispielsweise in Gebärdensprache dolmetschen können usw.

- in der Arbeitsplatzvermittlung

° Zitat von Frau Gunda vom 17. Dezember 1996

'...Seit Jahren ist es schon ein Anliegen von mir, unsere Berufsschulen irgendwie hörgeschädigtengerecht zu machen. Ich würde mir für Tirol wünschen, daß einfach ein Stützlehrer für Hörgeschädigte zur Verfügung gestellt wird, der den jeweiligen hörgeschädigten Lehrling in der Berufsschule betreuen kann, der in manchen Fächern zusammen mit den Berufsschullehrern überlegt, wie der Stoff aufgearbeitet werden könnte, damit der Hörbehinderte ihn verstehen kann. Ein Stützlehrer wäre meiner Meinung nach eine Möglichkeit, möglichst alle Berufe Hörbehinderten zugänglich zu machen. Denn wenn man wieder besondere Schulen für Hörbehinderte einrichtet, ist dies erstens mit hohen Kosten verbunden und zweitens gäbe es dann wieder spezielle Hörgeschädigtenberufe. Ich denke, wenn wir hier einen Stützlehrer anbieten würden, wäre dies sicher eine große Hilfe für die Hörbehinderten. Im Augenblick ist es nämlich so, daß ein Hörbehinderter in der Berufsschule fast gar nichts versteht; den ganzen Tag nur dasitzt. Dann schaut er, daß er irgendwie seine Unterlagen zusammenbekommt, um dann anschließend mit dem Nachhilfelehrer den Stoff von acht Stunden aufzuarbeiten. Anschließend muß er diesen Stoff dann auch noch lernen. Dies ist also eine Wahnsinnsanstrengung für den Hörbehinderten...'.

Die Vorbereitungsphase auf das Berufsleben ist ein weiteres Anliegen von mir. Behinderte sind manchmal aufgrund ihres behüteten Daseins einfach noch ein paar Jahre in ihrer Reife zurück, es fehlen ihnen Informationen. Hier gibt es im Moment überhaupt keine Überleitung. Es gibt keinen Förderlehrgang, der auf das Arbeitsleben vorbereitet. Viele Hörbehinderte könnten leicht eine Lehre schaffen, wenn sie nach dem Polytechnischen Lehrgang noch einige Jahre dazwischenschieben könnten, wo sie gefördert werden, bevor sie sich einen Arbeitsplatz suchen...' .

Wie bereits in der Überschrift erwähnt, ist dies nur eine "kleine Ressourcenerhebung", habe ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Recherchen wären mir in dieser knappen Zeit gar nicht möglich gewesen. Ausdrücklich betonen möchte ich folgendes: Wenn ich die eine oder andere Serviceeinrichtung nicht befragt habe, hat dies auf keinen Fall damit etwas zu tun, welche Meinung ich über einen Verein oder eine Beratungsstelle habe. Wie gesagt: Ich hätte lieber mehr Stellen aufgesucht, hatte jedoch nicht die nötige Zeit dafür. Zudem würde ich es wichtig finden, wenn die Stellen untereinander und mit Betroffenen (behinderte Jugendliche; FacharbeiterInnen, die behindert sind; Eltern, Betriebe, Berufsschulen) in Dialog treten würden, um sich bezüglich der nötigen Hilfestellungen in diesem Bereich abzusprechen.

Mir fiel bei den Nachforschungen auf, daß einige MitarbeiterInnen von den verschiedenen Servicestellen anfänglich überfordert waren, als ich sie telefonisch um einen Termin für ein Interview zur Thematik "Hilfsangebote für behinderte Lehrlinge" bat. Meist war die erste abwehrende Antwort: "Aber wir betreuen ja gar keine behinderten Lehrlinge." Trotzdem waren schließlich alle bereit, mir ein Interview zu geben. Durch diese Gespräche hörte ich viel Neues und hatte trotz der vielen Grenzen, die geschildert wurden, ein positives Gefühl, weil ich eine große Bereitschaft wahrnahm, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und hier auch Hilfen anzubieten.

VIII. Vorstellung anderer Modelle

Immer wieder habe ich die Begriffe "Unterstützte Beschäftigung", "Individualisierte Lehrlingsausbildung" und "Anlehre" in meiner Diplomarbeit verwendet. Deshalb ist es jetzt wahrscheinlich höchste Zeit dafür, diese Modelle ein wenig vorzustellen.

8.1 Unterstützte Beschäftigung

Zur Ausarbeitung dieses Kapitels verwendete ich das Handbuch der Horizon- Arbeitsgruppe von 1995 mit dem Titel "Unterstützte Beschäftigung" sowie eine schriftliche Überarbeitung der Rede von Stefan Doose, die er im Juni 1996 auf dem 11. Österreichischen Symposium für die Integration behinderter Menschen ("Es ist normal verschieden zu sein") hielt.

In den 80iger Jahren wurde das Konzept der "Unterstützten Beschäftigung" in den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Begriff "Supported Employment" entwickelt. Ausschlaggebend dafür waren auch die Bemühungen der Behindertenrechtsbewegung in den USA, die sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung versteht, gegen die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Behinderung ankämpft und im Jahre 1990 erreichte, daß in Amerika das "Antidiskriminierungsgesetz" in Kraft trat, das eine Benachteiligung behinderter Menschen im öffentlichen Leben, im Bereich der Telekommunikation, im öffentlichen Dienst sowie in der Arbeit verbietet. Dieser Grundgedanke des Antidiskriminierungsgesetzes - das Recht auf umfassende gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - wurde auch in das amerikanische Rehabilitationgesetz aufgenommen. Hier heißt es unter anderem:

"Behinderung ist ein natürlicher Teil der menschlichen Erfahrung und schränkt in keiner Weise das Recht jedes einzelnen ein

- unabhängig zu leben

- selbst zu bestimmen

- Wahlmöglichkeiten zu haben

- zur Gesellschaft beizutragen

- berufliche Karrieren zu verfolgen

- und volle Integration in das wirtschaftliche, politische, soziale, kulturelle und schulische Leben der amerikanischen Gesellschaft zu genießen. " (Doose 1996, 4)

Unterstützte Beschäftigung ist somit als ein Teilbeitrag für eine gleichberechtigte Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt zu verstehen und beinhaltet die Grundforderung nach einer Integration von behinderten Menschen in allen Lebensbereichen. "Es geht insgesamt um eine Art Wiedereinwanderungsprozeß in die eigene Gesellschaft, aus deren alltäglichen Lebensräumen Menschen mit Behinderungen ausgebürgert worden sind " (Doose 1996, 4). Stefan Doose vertritt zudem die Ansicht, daß "Unterstützte Beschäftigung" nicht einfach als eine Technik der beruflichen Integration zu verstehen ist, sondern ein neues Grundverständnis der Unterstützung für Menschen mit Behinderungen bedingt. Somit muß diese Unterstützung im Dialog mit den zu Unterstützenden entwickelt werden, damit diese Dienste von den Menschen, die sie benötigen, auch als wirklich hilfreich erlebt werden können. "Unterstützte Beschäftigung soll nicht eine neue Form von beschützenden Diensten sein, sondern geeignete Unterstützungsstrukturen bieten, die von Menschen mit Behinderungen gemäß ihren persönlichen Bedürfnissen genutzt werden. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, daß der Mensch mit Behinderung als Kunde Kontrolle über die Eingliederungshilfen hat und an den zu treffenden Entscheidungen partizipieren kann." (Doose 1996, 9),

Zudem sollte sich der Blick des/der Betrachters/in wandeln: Während man sich in traditionellen Hilfssystemen vor allem daran orientiert hat, was ein Mensch mit Behinderung nicht kann, welche Defizite er hat (was in der Folge oft zu einer Reduzierung der Erfahrungsmöglichkeiten und Entwicklungschancen geführt hat), geht mannun endlich dazu über, die besonderen Fähigkeiten, Talente und Interessen des/der jeweiligen Arbeitssuchenden mit Behinderung wahrzunehmen und für diese Person individuelle Arbeitsmöglichkeiten zu finden.

Folgende Kriterien sind im Konzept der "Unterstützten Beschäftigung" enthalten:

* unterstützte Beschäftigung ist bezahlte Arbeit; also nicht eine sinnlose Beschäftigung sondern eine Tätigkeit, die wirklich gebraucht und auch entlohnt wird.

* Diese bezahlte Arbeit findet in integrierter Arbeitsumgebung, also zusammen mit behinderten und nichtbehinderten ArbeitnehmerInnen statt.

* Unterstützte Beschäftigung ist vor allem auch für Menschen mit schweren Behinderungen gedacht; auch für solche, die bisher als nicht vermittlungsfähig galten.

* Unterstützte Beschäftigung soll jenen angeboten werden, die langfristige Unterstützung benötigen, um erfolgreich arbeiten zu können.

Das Konzept der "Unterstützten Beschäftigung" bietet die Möglichkeit, Menschen mit Behinderung durch individuelle Unterstützung und Begleitung in die Arbeitswelt zu integrieren. In den USA gibt es mittlerweile die verschiedensten Organisationsformen von "Supported Employment" (unterstützte Einzelarbeitsplätze, mobile Dienstleistungsgruppen, Gruppenarbeitsplätze usw.). Ich möchte vor allem das Modell des unterstützten Einzelarbeitsplatzes hervorheben, weil ich der Meinung bin, daß diese Art der "Unterstützten Beschäftigung" für den Bereich der Lehrlingsausbildung am erfolgversprechendsten ist. Hierbei wird eine Person mit Behinderung in einem regulären Betrieb durch einen Arbeitsassistenten/in und durch die KollegInnen ja nach Bedarf unterstützt. 80%der Arbeitsplätze in "Supported Employment" sind solche unterstützte Einzelarbeitsplätze; wahrscheinlich auch deshalb, weil sie in bezug auf die Integration im Betrieb und bezüglich der Lohnhöhe jene Form der "Unterstützten Beschäftigung" darstellen, die die besten Ergebnisse erzielen konnte.

Mir erscheint es ferner wichtig, hervorzuheben, daß der Ausgangspunkt von "Supported Employment" besonders die Förderung von Menschen mit schweren Behinderungen war. Einer der Gründer von "Supported Employment", der amerikanische Professor Wehmann, vertritt folgende Auffassung: "Wir müssen mit den Menschen mit schweren Behinderungen anfangen und zwar eigentlich mit denen mit den schwersten Behinderungen. Wenn wir gezeigt haben, daß "Unterstützte Beschäftigung" mit diesen Menschen möglich ist, daß wir diese Menschen in integrativen Arbeitsverhältnissen unterstützen können, dann wird die Integration von Menschen mit leichteren Behinderungen folgen." (Doose 1996, 9).

Zehn Jahre nach Einführung von "Supported Employment" gibt es in den USA mittlerweile ca. 120 000 Menschen in "Unterstützter Beschäftigung". Zudem hat sich die Idee von "Supported Employment" auch in vielen anderen Ländern ausgebreitet (Kanada, Neuseeland, Australien, Japan, Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Norwegen, Deutschland, Spanien, Portugal, Italien, Finnland, Schweden ua.). Seit kurzem gibt es auch in Österreich erste Projekte von "Unterstützter Beschäftigung".

Als Vernetzungsorganisation auf europäischer Ebene fungiert die EUROPEAN UNION OF SUPPORTED EMPLOYMENT, die ihren Sitz in Rotterdam hat und sich "sehr freuen würde, wenn bald auch eine entsprechende Bundesarbeitsgemeinschaft in Österreich" entstehen würde (Doose 1996, 11).

"Unterstützte Beschäftigung" kann auch als Prozeß gesehen werden, der aus verschiedenen Teilschritten besteht. Im folgenden Text versuche ich die einzelnen Phasen näher zu beschreiben, was jedoch nur in überblicksmäßiger Weise geschehen kann. (Anm.: Wer sich auf diesem Gebiet weiter vertiefen möchte, sei auf das Handbuch der Horizon-Arbeitsgruppe mit dem Titel "Unterstützte Beschäftigung" verwiesen.)

° Erste Phase: Individuelle Berufsplanung und Erstellung eines Fähigkeitsprofils:

In dieser ersten Phase geht es vor allem darum, herauszufinden, was eine Person kann, welche Interessen sie hat, was sie gerne ausprobieren möchte und worin ihre Motivation zu arbeiten besteht. "Eine zentrale Aufgabe des Fachdienstes besteht in der Vermittlung von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung auf für sie geeignete Arbeitsplätze und in der Vorbereitung der ArbeitnehmerInnen auf eine Arbeitsaufnahme. Um einen solchen Arbeitsplatz auf dem regulären Arbeitsmarkt zu finden, bzw. zu schaffen, bedarf es gründlicher Vorinformationen über die arbeitsbezogenen Interessen, Kenntnisse, Fertigkeiten, Erfahrungen und behinderungsbedingte Einschränkungen sowie der sozialen Kompetenz der zu vermittelnden Person - das sogenannte Fähigkeitsprofil. " (Horizon-Arbeitsgruppe 1995, 17). Das Fähigkeitsprofil wird in Gesprächen mit den BewerberInnen, deren sozialen Umfeld und durch Praxiserkundungen ermittelt, wobei der/die jeweilige Bewerber/in in diesem Prozeß verantwortliches Subjekt der eigenen Entscheidungen bleibt. Zudem wird dieses Fähigkeitsprofil nicht als starres Endergebnis betrachtet, sondern in dem Bewußtsein erstellt, daß das Wissen über eine Person immer nur annähernd sein kann und beispielsweise durch neue Anforderungen bisher verdeckte Fähigkeitspotentiale zutage kommen können.

Laut Stefan Doose sollte die persönliche Zukunftsplanung möglichst fünf Jahre, spätestens aber zwei Jahre vor dem Schulabschluß beginnen, damit ein möglichst reibungsloser Übergang in das Arbeitsleben erfolgen kann. In diesen Planungsprozeß kann der/die Betroffene alle Menschen einbeziehen, mit denen er/sie über seine/ihre persönliche Zukunft nachdenken möchte (z.B. Eltern, Freunde, Lehrerlnnen, BetreuerInnen, BeraterInnen vom Integrationsdienst ... ). Wenn sich dann alle treffen, um beispielsweise gemeinsam einen Aktionsplan zu entwerfen, ist es laut Doose wichtig, daß die Fähigkeiten, Möglichkeiten und die Zukunft der Person im Vordergrund stehen; nicht nur die Defizite, Unmöglichkeiten oder die Abrechnung mit der Vergangenheit.

° Zweite Phase: Arbeitsplatz(er)findung:

Bei diesem nächsten Schritt, der auch "Arbeitsplatzakquisition" genannt wird, geht es um die individuelle Suche nach einem Arbeitsplatz durch den Integrationsfachdienst. Hierbei ist es wichtig, zu wissen, daß viele ArbeitgeberInnen (Anm.: auch ArbeitskollegInnen) keinerlei Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Behinderung haben und deshalb oft aufgrund von Vorurteilen oder Schwellenängsten nicht bereit sind, Arbeitsuchende mit Behinderung einzustellen. Durch gezielte Aufklärung und Hilfestellung kann ein Bewußtseinswandel erfolgen; sich die Bereitschaft einzelner ArbeitgeberInnen erhöhen, dem/der Arbeitssuchenden im eigenen Betrieb die Chance zu geben, einen Arbeitsversuch zu wagen. Akquisition bedeutet ins Deutsche übersetzt soviel wie: Kundenwerbung durch VertreterInnen.

Diese VertreterInnen sind in diesem Fall die MitarbeiterInnen von Integrationsfachdiensten (in Tirol beispielsweise die MitarbeiterInnen vom Verein Arbeitsassistenz), die versuchen, mit ArbeitgeberInnen ins Gespräch zu kommen sowie die Möglichkeiten in einem Betrieb zu erkunden, um beispielsweise neue Nischenarbeitsplätze zu schaffen. Um einen möglichst guten Einblick zu gewinnen, arbeiten die MitarbeiterInnen des Integrationsfachdienstes oft auch einige Tage im Betrieb mit. Dies hat zudem den Vorteil, daß sich die MitarbeiterInnen des Integrationsfachdienstes an Ort und Stelle ein besseres Bild darüber machen können, was geändert werden sollte, um behinderungsbedingte Schwierigkeiten ausgleichen zu können (z.B. Anbringung von Orientierungshilfen, Einsatz von technischen Hilfsmitteln usw.). "Unterstützte Beschäftigung fordert Dienste permanent heraus, ihre Vermittlungsfähigkeit für Menschen mit Behinderungen zu verbessern und ausgehend von deren Fähigkeiten passende Arbeitsplatze zu finden. Dabei hilft eine gezielte Arbeitsplatzanalyse, mit der sich Tätigkeitsfelder in kooperationsbereiten Betrieben erschließen lassen, die dann gegebenenfalls an die unterstützte Person und ihre Behinderung angepaßt werden. " (Doose 1996, 16).

° Dritte Phase: Qualifizierung am Arbeitsplatz:

Im US-amerikanischen Rehabilitationsprogramm "Supported Employment" kommt der Qualifizierung am Arbeitsplatz ein zentraler Stellenwert zu. Es wird gefordert: "Erst am Arbeitsplatz plazieren, dann qualifizieren." (Möchte jemand eine Lehre machen, würde genau dies passieren. Jemand, der bei uns eine Lehrstelle sucht, benötigt keinerlei Vorkenntnisse, denn der Lehrling erwirbt sich die erforderlichen Arbeitsvorgänge und Techniken für den jeweiligen Lehrberuf im Laufe seiner Lehrzeit direkt im Betrieb und bekommt theoretische Ergänzungen durch den parallel verlaufenden Berufsschulunterricht. Kombiniert mit dem Modell "Unterstützte Beschäftigung" könnte dies dann so aussehen, daß mit dem behinderten Lehrling ein außerbetrieblicher Job-Coach mitkommt und ihn bei den jeweiligen Aufgaben unterstützt.) Der Job-Coach wird sich sicher die Frage stellen, wie der Betrieb normalerweise neue MitarbeiterInnen einarbeitet und wie er diesen Prozeß am besten unterstützen bzw. gegebenenfalls modifizieren kann. (Bei einer Lehrlingsausbildung ist es zum Beispiel üblich, daß der/die Lehrberechtigte oder Ausbilder/in dem Lehrling die einzelnen Fertigkeiten beibringt, neue Arbeitsschritte erklärt usw. Die Arbeit des Job-Coaches könnte beispielsweise bei einem Lehrling mit einer geistigen Behinderung so aussehen, daß er gemeinsam mit dem Lehrling die jeweilige Grundschulung mitmacht, um anschließend diesen Arbeitsvorgang in vereinfachter Weise dem Lehrling noch einmal zu erklären und so oft als nötig zu wiederholen.)

In den Vereinigten Staaten von Amerika wird für den Teilschritt Qualifizierung am Arbeitsplatz der Ausdruck "training-on-the-job" verwendet. "Mit diesem Baustein der Unterstützung beruflicher Integration sind gemeint:

* Einarbeitung Vermittlung arbeitstechnischer Kompetenzen und berufsbezogener Kenntnisse,

* Organisation von Unterstützungsmöglichkeiten im Betrieb und im sozialen Umfeld,

* Entwicklung bzw. Bereitstellung geeigneter Hilfsmittel und Strukturierung individueller Qualifizierungs- und Arbeitspläne." ( Horizen-Arbeitsgruppe 1995, 68)

Erfahrungsgemäß ist diese Unterstützung am Arbeitsplatz am Anfang eines Arbeitsverhältnisses intensiver und reduziert sich mit der Zeit, wobei "Unterstützte Beschäftigung" auch als dauerhafte Hilfe angeboten wird, wenn der/die jeweilige Arbeitnehmer/in mit Behinderung diese benötigt.

"Supperted Employment" geht nämlich davon aus, daß jemand auch außerhalb einer geschützten Werkstätte das Anrecht auf eine notwendige langfristige oder dauerhafte Unterstützung hat. "Es ist nicht einzusehen, wieso jemand, der nachweislich eine intensive, dauerhafte Unterstützung benötigt, um im Arbeitsleben erfolgreich zu sein, diese nur in einem Haus bekommen soll, das Werkstatt heißt, und nicht denselben Betrag für eine ambulante Unterstützung in regulären Betrieben in der Gesellschaft erhalten kann. " (Doose 1996, 17). Doose fordert deshalb ein Umdenken im System der Rehabilitation, gibt auch zu bedenken, daß traditionelle Rehabilitationsmaßnahmen zumeist darauf abzielen, Menschen mit Behinderungen in überbetrieblichen Kursen auf das Arbeitsleben vorzubereiten; daß diese Vorbereitung im geschützten Rahmen jedoch nicht gerade realitätsnahe ist. "Supported Employment" beschreitet einen anderen Weg - "Erst plazieren, dann qualifizieren oder in Realsituation lernen' (Doose 1996, 17) - und hat Erfolge aufzuweisen.

° Vierte Phase: Nachsorge und längerfristige Betreuung:

Laut vorliegenden Untersuchungen über Unterstützte Beschäftigung konnte nachgewiesen werden, daß die meisten Arbeitsplätze nach einer intensiveren Einarbeitungszeit später nicht mehr so zeitintensiv betreut werden müssen. Je nach Unterstützungsbedarf der jeweiligen Arbeitskraft reicht die Nachsorge von gelegentlichen Kriseninterventionen bis hin zu dauerhafter Unterstützung am Arbeitsplatz. Die MitarbeiterInnen des Integrationsfachdienstes versuchen größeren Schwierigkeiten vorzubeugen, indem sie regelmäßigen Kontakt sowohl zu den unterstützten ArbeitnehmerInnen als auch zu den jeweiligen ArbeitgeberInnen halten.

"Langzeitstudien über Unterstützte Beschäftigung in den USA weisen eine bemerkenswerte Stabilität von Arbeitsverhältnissen nach und zeigen, daß Menschen mit Behinderungen nicht nur weit mehr verdienen als in Werkstätten, sondern auch umfangreichere soziale Netzwerke haben, größeres Selbstvertrauen besitzen und zufriedener sind Dies hat die Einstellung zu dem, was für Menschen mit Behinderungen erreichbar und wünschenswert ist, sowohl bei den Betroffenen, als auch bei ihren Familien und nicht zuletzt bei den Fachleuten verändert " (Doose 1996, 22).

8.2 Individualisierte Lehrlingsausbildung

Da sich dieses Modell noch in der Experimentierphase befindet, konnte ich zur Beschreibung der "Individualisierten Lehrlingsausbildung", die in Südtirol praktiziert wird, nur sehr begrenzt auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen. Als Informationsquellen dienten mir erstens ein Brief an den Landesschulinspektor Dr. Johann Lettenbichler (verfaßt von Frau Dr. Erna Gamper von der Abteilung 20, für deutsche und ladinische Berufsausbildung der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, vom 2. November 1995), zweitens eine schriftliche Übersicht zum Thema "Berufsausbildung mit Behinderung, Ansätze und Erfahrungen in Südtirol (Italien)" von Frau Dr. Martha Stecher und drittens eine problem- und aktionsorientierte Untersuchung bezüglich der beruflichen Eingliederung von Frauen mit Behinderung in Südtirol ("De Behinderung kannt i afn Mond schiaßn") von Frau Dr. Erika Pircher.

Die Konzeption der individualisierten Lehrlingsausbildung, die von ExpertInnen der Inspektorate für die Berufsausbildung (Anm.: PädagogInnen der Inspektorate für deutsche, ladinische und italienische Sprache) ausgearbeitet wurde, wird mittlerweile im Rahmen eines EU-Projektes an einigen Südtiroler Berufsschulen in die Praxis umgesetzt. Dieses Modell verfolgt das Ziel, Jugendliche nicht nach Behinderungen zu kategorisieren, sondern besondere Erziehungsbedürfnisse der Jugendlichen sowohl in den Lehrplänen als auch im praktischen Ausbildungsbereich zu berücksichtigen und bietet die Möglichkeit der individuellen Förderung für Jugendliche mit verschiedenen Behinderungen. Ein Hintergrund für die Erstellung dieses Konzeptes war die Einsicht, daß Sondersysteme der Berufsausbildung für Betroffene Nachteile mit sich bringen, da dabei das Prinzip der Normalisierung und Integration kaum berücksichtigt wird. Nach Aussage von Frau Dr. Gamper führte die Tatsache, daß beispielsweise sozialdeviante bzw. gefährdete Jugendliche oder Personen mit Teilleistungsstörungen oder einer Lernbehinderung in bisherigen Ausbildungsmaßnahmen Südtirols unberücksichtigt geblieben waren zum grundsätzlichen Hinterfragen der bestehenden Möglichkeiten der Berufsausbildung für Menschen mit Behinderungen und in einem weiteren Schritt zur Konzeption der individualisierten Lehrlingsausbildung.

Frau Dr. Stecher berichtet, daß dieser innovative Schritt viel stärker von der Arbeitswelt ausging, "die die Schülerlnnen (auch mit geistiger Behinderung) der Berufs- und Sonderkurse aufgrund ihrer Leistungen als Lehrlinge aufnahm und damit die Berufsschule mit der Integration in die Lehrlingsklasse konfrontierte." (Stecher 1996, 13)

Frau Dr. Pircher schildert ein Problem, dem ich auch hierzulande im Rahmen meiner Nachforschungen recht oft begegnet bin: "Zur Zeit nehmen viele Schülerlnnen mit leichten Lernbehinderungen an Lehrlingsausbildungen teil. Möglicherweise sind sie zwar den Anforderungen der Ausbildung im praktischen Bereich gewachsen, aber oft nicht in der Lage, auch nach mehrmaligen Wiederholen von Lehrlingsklassen, dem Niveau der theoretischen Lehrabschlußprüfung zu entsprechen. Häufig brechen sie ihre Ausbildung ohne entsprechenden Abschluß ab und werden von Betrieben als HilfsarbeiterInnen angestellt. " (Pircher 1993, 71). Um solchen Jugendlichen die Möglichkeit zu geben ihre Ausbildung abzuschließen und dadurch auch eine bessere Ausgangsposition am Arbeitsmarkt zu erreichen, wurden in Südtirol für die theoretische Ausbildung konstruktive Modelle von Unterstützungsmaßnahmen entwickelt.

Folgende begleitenden Maßnahmen wurden durch das Konzept der individualisierten Lehrlingsausbildung geschaffen:

* Ergänzungsunterricht (je nach Bedarf einzeln oder in Kleingruppen)

* Stützunterricht in der jeweiligen Lehrlingsklasse

* Beratungsangebote für die Betriebe seitens der Berufsschullehrerlnnen

* finanzieller Beitrag für den Lehrbetrieb

Frau Dr. Stecher zieht ein Zwischenresümee über den Erfolg dieser angebotenen Hilfen. "Einige Lehrlinge erreichten durch diese Unterstützungen das Klassenziel und konnten zur Lehrabschlußprüfung antreten. Lehrlinge, die das Klassenziel nicht erreichten, wurden verbal beurteilt. Sie konnten trotzdem die weiterführende Klasse besuchen und bekamen eine Besuchsbestätigung. Vor allem für die betroffenen Jugendlichen war dies durchwegs eine positive Erfahrung, da sie mit ihren KollegInnen den Ausbildungsweg gemeinsam gehen konnten und der Notendruck nicht auf ihnen lastete. Diese Erfahrungen regten die Diskussion um die Teilqualifikation auch in Südtirol an. Zwar wird die individualisierte Lehrlingsausbildung an einigen Berufsschulen angeboten, die Teilqualifikation ist bislang jedoch noch nicht gesetzlich geregelt." (Stecher 1996, 13).

Einige Erläuterungen zum genaueren Ablauf

Ein Lehrvertrag sowie ein psychologisches Gutachten werden benötigt, damit ein Lehrling in Südtirol die Unterstützungen der individualisierten Lehrlingsausbildung in Anspruch nehmen kann. Als wichtigste Voraussetzung für die Durchführung der Fördermaßnahmen gilt jedoch die Freiwilligkeit der/des jeweiligen Schülers/in, wobei die Eltern den Wunsch nach Aufnahme in dieses Programm vorbringen müssen.

"Es wird angestrebt, daß 'schwache' Schülerlnnen möglichst von Beginn der Ausbildung an in den Genuß von Förderungen kommen, um von vornherein einen schwer aufholbaren Leistungsrückstand sowie damit verbundene oder motivierende Negativerfahrungen zu vermeiden. " (Gamper 1995, 3). In allen Unterrichtsfächern, in welchen aufgrund der individuellen Behinderungen große Lernschwierigkeiten auftreten bzw. zu erwarten sind, werden individuelle Fördermaßnahmen durchgeführt. Der Förderung ist das Prinzip der Reduzierung des Lernstoffes auf das Wesentliche sowie Individualunterricht grundgelegt. Um noch nicht gefestigte Lerninhalte zu vertiefen, kann neben dem "normalen Schulbesuch" auch noch Ergänzungsunterricht angeboten werden; "in diesem Fall wird die betriebliche Lehre verkürzt". (Gamper 1995, 3). Müssen Leistungen beurteilt werden, finden die individuellen Lernprobleme durch die Senkung der Maßstäbe ihre Berücksichtigung. (Anm.: Wie bereits vorher kurz erwähnt, gibt es in Südtirol bislang leider keine rechtliche Absicherung der Teilqualifikationen).

Bezüglich des Ausmaßes der LehrerInnenstunden für die erforderlichen Unterstützungen gibt es zwar keine Beschränkungen, aber die DirektorInnen der jeweiligen Berufsschule müssen die notwendigen zusätzlichen Fördermaßnahmen begründen und veranlassen. Somit könnte man behaupten, daß nicht nur die individuelle Behinderung des/der jeweiligen Berufsschülers/in der Maßstab solcher Förderungen ist, sondern auch vom Engagement des/der Direktors/in und des jeweiligen Lehrkörpers abhängt.

Das Thema "Integration" wird in Südtirol auch in der Ausbildung der BerufsschullehrerInnen berücksichtigt. Zusätzlich zu ihrer berufsbezogenen Ausbildung (Meisterprüfung bei praktischen Fächern oder Hochschulstudium für die theoretischen Fächer) absolvieren sie einen 250 Stunden umfassenden Spezialisierungskurs, in welchem ihnen Seminare zu spezifischen Themen (z.B. Arbeitspsychologie, Arbeits- und Betriebssoziologie, Methoden zur Individualisierung im Unterricht, Methoden der Arbeitsplatzanalyse, Methoden zur Abklärung der individuellen Fähigkeiten der Auszubildenden, Arbeitsmedizin usw.) angeboten werden. Als weitere Unterstützung werden den Unterrichtenden jährlich fachspezifische Seminare in der LehrerInnenfortbildung angeboten. Treten besondere methodische und didaktische Fragen auf, besteht für die sogenannten "StützlehrerInnen" zudem die Möglichkeit, sich zur Beratung an die Dienststelle für berufliche Ausbildung und Integration zu wenden. Laut Frau Dr. Gamper, die diese Beratungen anbietet, ist für die erfolgreiche Durchführung der individualisierten Lehrlingsausbildung an den Berufsschulen eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen "RegellehrerInnen" und "StützlehrerInnen" von zentraler Bedeutung.

Am Ende der Berufsschulzeit wird in Südtirol eine Zusammenarbeit mit dem Stellenberatungsdienst, dessen MitarbeiterInnen das Bindeglied zwischen Betrieb, Berufsschule und Sozialen Diensten darstellen, angestrebt. Hierbei ist vielleicht auch noch wichtig zu erwähnen, daß Frau Dr. Stecher aufgrund ihrer Erfahrungen davon berichten kann, daß in Südtirol das Selbstverständnis des Rechtes auf Arbeit für Personen mit Behinderung zusehends mehr anerkannt wird.

Beenden möchte ich dieses Unterkapitel mit einem Zitat von Frau Dr. Stecher, das meiner Meinung nach auch in Tirol zu einer Grundforderung werden sollte: "Es darf daher nicht das Ziel sein, eine besondere Berufsausbildung für Menschen mit Behinderung zu fixieren und zu normieren Das heißt weg von Maßnahmen für Kategorien und hin zu Antworten für die individuellen Bedürfnisse von Personen. Eine Anlernung bzw. Ausbildung, die auf die Bedürfnisse des Individuums antwortet, muß natürlich den Anspruch haben: Weg von der abstrakten und hin zur individuellen Qualifikation. Es darf nicht nur ungelernte HilfsarbeiterInnen oder qualifizierte FacharbeiterInnen, sondern es muß die Palette von der/dem angelernten, eben im Rahmen ihrer/seiner Fähigkeiten qualifizierten ArbeiterIn bis hin zur/zum FacharbeiterIn geben. Ausbildung nicht auf Kategorien bezogen, sondern dem Individuum angepaßt, setzt auch eine andere Sichtweise der Gesellschaft diesen Personen gegenüber voraus. Menschen mit Behinderung dürfen nicht als passive, unproduktive und unberechenbare Wesen verstanden werden, sondern als Individuen mit individuellen Fähigkeiten. " (Stecher 1996, 4).

8.3 Anlehre

Um einen Einblick in den Bereich Anlehre geben zu können, verwendete ich die Neufassung der Fachlehrpläne für den beruflichen Unterricht in der Anlehre (ausgearbeitet von der "Deutschschweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz" im September 1996); das Buch "Berufliche Bildung in der Schweiz" von Emil Wettstein; einen steirischen Vorschlag für das Anlehregesetz in Österreich vom Arbeitskreis Berufseingliederung und einen Aktenvermerk - bezogen auf diesen Gesetzesentwurf - von Herrn Dr. Schumacher.

Im Jahr 1980 wurde in der Schweiz das Modell der Anlehre eingeführt. Diese gesonderte Form der dualen Ausbildung soll auch heute noch jenen SchulabgängerInnen, welche den Anforderungen einer regulären Berufslehre höchstwahrscheinlich nicht entsprechen würden (bzw. bereits daran gescheitert sind), die Möglichkeit geben, eine staatlich anerkannte berufliche Grundausbildung zu machen.

Anlehrlinge werden wie Lehrlinge in Betrieben ausgebildet und besuchen einen Tag pro Woche die Berufsschule. Die Ziele der Anlehre entsprechen grundsätzlich jenen einer Berufslehre, wobei die schulische Ausbildung nicht integrativ ist, sondern in speziellen Klassen durchgeführt und den Leistungsvoraussetzungen der jeweiligen Anlehrlinge angepaßt wird. Laut Fachlehrplan für den beruflichen Unterricht in der Anlehre, der eigens für jedes Berufsfeld erstellt wird, richten sich die Unterrichtsinhalte nach dem Ziel, momentane oder künftige Berufssituationen erfolgreich bewältigen zu können und berücksichtigen gleichzeitig die Persönlichkeit, die Interessen und die individuellen Fähigkeiten der Anlehrlinge.

Um den Unterricht fächerübergreifend planen und gestalten zu können, dient den Lehrpersonen eine didaktische Matrix als Hilfsmittel, anhand welcher sie den Unterricht auch rückwirkend beurteilen können.

Der berufliche Unterricht soll die Anlehrlinge sowohl in ihrem Interesse an der beruflichen Tätigkeit unterstützen als auch deren Freude am Lernen und an der Weiterentwicklung der persönlichen Fähigkeiten fördern. Die berufsbezogene, eher sachorientierte Seite der Ausbildung soll die Anlehrlinge befähigen, möglichst selbständig, effizient, qualitätsbewußt und sicher zu arbeiten. Der Berufsschulunterricht verfolgt jedoch auch das Ziel, durch die Förderung der personenorientierten Fähigkeiten (z.B. Selbstvertrauen, Belastbarkeit, Teamfähigkeit...) die Persönlichkeit des jeweiligen Anlehrlings zu stärken.

Die einzelnen Informationsziele werden von dem/der Lehrer/in bei der Unterrichtsplanung festgelegt. Sie sind von den jeweils ausgewählten Handlungsfeldern und -fähigkeiten abhängig und bis zu einem gewissen Grad überprüfbar, wenngleich eidgenössisch weder Zeugnisse noch Semesterberichte vorgeschrieben sind. Allerdings werden die individuell abgestimmten Ausbildungsziele nach der festgelegten Ausbildungszeit abgeprüft und in einer Beilage zum amtlichen Ausweis beschrieben.

In der Schweiz ist die Berufsausbildung in den Grundzügen bundesrechtlich geregelt. Der Vollzug der Bundesgesetze, beispielsweise die Organisation, sowie die Durchführung des Berufsschulunterrichtes fällt jedoch in den Kompetenzbereich der Kantone. Somit werden die Richtlinien für den Berufsschulunterricht vom Bundesamt erlassen, während die einzelnen Kantone die Lehrpläne bestimmen, die den Anforderungen der Anlehrklassen entsprechen sollten.

Auszüge aus dem Gesetzestext:

° Schweizer Bundesgesez über die Berufsausbildung (BBG vom 19. April 1978)

" * Die Anlehre im Sinne dieses Gesetzes vermittelt Jugendlichen, die vornehmlich praktisch begabt sind, die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse zur Beherrschung einfacher Fabrikations- oder Arbeitsprozesse. Sie dauert mindestens ein Jahr und soll zum Übertritt in einen anderen Betrieb gleicher Art befähigen.

* Die Parteien haben einen Anlehrvertrag abzuschließen.

* Jugendliche in einer Anlehre müssen den beruflichen Unterricht besuchen, der berufliche und allgemeinbildende Fächer umfaßt. Die Kantone führen für sie besondere Klassen ..

* Wer die Anlehre beendet hat, erhält einen amtlichen Ausweis. Dieser enthält Angaben über die Dauer der Anlehre, die Berufsbezeichnung und das Berufsfeld und bestätigt den Besuch des beruflichen Unterrichts. Der Ausweis wird vom Arbeitgeber und von der kantonalen Behörde unterzeichnet " (BBG Art. 49)

° Verordnung über die Berufsausbildung (BBV vom 7. November 1979)

" * Die Ausbildungsdauer ist dem Inhalt des Ausbildungsprogramms und den Fähigkeiten des Anlehrlings anzupassen. Die Dauer der Anlehre beträgt 1 Jahr, 1 1/2 Jahre oder 2 Jahre.

* Im Anlehrvertrag sind die Dauer und die auf das Berufsfeld ausgerichtete Berufsbezeichnung festzulegen. Sie darf nicht mit einer Berufsbezeichnung identisch sein, die in einem Ausbildungsreglement nach Artikel 12 des Gesetzes festgelegt ist.

* Der Betrieb reicht der kantonalen Behörde mit dem Anlehrvertrag ein Ausbildungsprogramm zur Genehmigung ein. Die Behörde prüft in jedem einzelnen Fall, ob der Anlehrling voraussichtlich auch den Anforderungen einer Lehre gewachsen ist. Ist dies der Fall, so verweigert sie die Genehmigung des Anlehrverhältnisses, sofern nicht wichtige Gründe entgegenstehen. " (BBV Art. 40)

" * Für den Ausweis ist das vom Bundesamt zur Verfügung gestellte Formular zu verwenden. Die kantonale Behörde vergewissert sich durch einen Augenschein am Arbeitsplatz und durch Rücksprache mit der Berufsschule, ob das Ausbildungsziel erreicht wurde. Ist dies nicht der Fall, so können die Vertragsparteien zur Erreichung des Ausbildungszieles das Anlehrverhältnis angemessen verlängern." (BBV Art. 42)

Laut Emil Wettstein wird in der Schweiz das Modell der Anlehre nur von rund einem Prozent aller Lehrlinge in Anspruch genommen. Diese kommen häufig aus Sonderklassen, Berufsvorbereitungsklassen, Integrationsklassen oder haben bereits eine Berufslehre abgebrochen.

Im allgemeinen Teil des Fachlehrplanes für Anlehrlinge ist vermerkt, daß beim Anlehrling eine "Berufslernbehinderung" vorliegt, die aufgrund der Vorbildung, des Lernverhaltens, der Intelligenz, der sprachlichen Fähigkeiten, der persönlichen Reife oder des Sozialverhaltens bedingt sein kann. Interessanterweise wird diese Lernbehinderung nicht als Eigenschaft, sondern als Zustand bezeichnet, der sich beispielsweise durch ein konstantes Anforderungsniveau allmählich aufheben kann. "Im Einerlei der beruflichen Tätigkeit gelingt es vielen Sonderschülern und Anlehrlingen, sich normal ins Berufsleben zu integrieren. Der Sonderstatus Anlehrling wird damit aufgehoben; nicht weil der Defekt geheilt wurde, sondern weil sich das Beziehungsverhältnis, welches den Defekt hatte entstehen lassen normalisierte." (Fachlehrplan für den beruflichen Unterricht, allgemeiner Teil, 9)

Auch in Österreich gibt es Bestrebungen, das Modell der Anlehre einzuführen. Der Arbeitskreis Berufseingliederung (Mitglieder sind die Wirtschaftskammer Steiermark und der Verein Jugend am Werk Steiermark) hat im April 1996 einen Vorschlag für ein österreichisches Anlehregesetz ausgearbeitet. Der Abteilungsleiter der Jugendabteilung der Tiroler Arbeiterkammer, Herr Dr. Peter Schumacher, hat dazu unter anderem folgende Kritik geschrieben:

"Ganz generell halte ich fest, daß ein niederschwelliges Ausbildungssystem zu begrüßen ist. Dies zum einen, um die bestehende Lehre im dualen System hinsichtlich ihrer Qualität und ihres Ansehens abzusichern und zum zweiten, um jener Vielzahl an lernschwachen und entwicklungsverzögerten Jugendlichen die Chance einer Integration in den Arbeitsmarkt zu geben. Allerdings besteht die Gefahr, daß allfällige höhere Attraktivität von Anlehrlingen für einen Betrieb diesen dazu verleiten könnte, keine Lehrlinge mehr auszubilden, und so seiner Ausbildungspflicht nach dem Berufsausbildungsgesetz nicht mehr nachkommen zu müssen. Anlehrlinge mit reduziertem Ausbildungsprogramm könnten in bestimmten Branchen willkommene billige Arbeitskräfte für einfachere Tätigkeiten (z.B. Regalbetreuer im Einzelhandel etc) sein und so der bereits überall beobachtbaren Dequalifizierung in der Berufsausbildung Vorschub leisten.

Diese Gefahr kann nur gebannt werden, wenn es gelingt, die Zulassungsvoraussetzungen und Einstiegsberechtigungen in dieses Anlehrsystem an klare und objektivierbare Meßverfahren zu koppeln. Es muß ganz deutlich werden, daß nur die Zielgruppe der tatsächlich Lernschwachen und Entwicklungsbeeinträchtigten den geplanten Berufsvorbereitungslehrgang absolvieren können. Insbesondere kommt der Festlegung des Berufsvorbereitungslehrganges und seiner inhaltlichen wie formellenDurchgestaltung besondere Bedeutung zu. Insgesamt kann also gesagt werden, daß ein Anlehrsystem eine berufliche Qualifizierung für Benachteiligte ermöglichen soll und keine "Lehre light" zur billigen Hilskräfterekrutierung werden darf." (Aktenvermerk vom 1. Juli 1996)

Somit ist in Österreich noch vieles offen. Ich hoffe jedoch, daß vor allem auch das Modell der individualisierten Lehrlingsausbildung Berücksichtigung finden wird, wenn es darum geht, im Bereich der dualen Ausbildung Möglichkeiten zur Erhöhung der Chancengleichheit für Jugendliche mit verschiedenen Behinderungen zu schaffen.

Ich persönlich bin eher gegen eine gesonderte Ausbildungsform, da sich für behinderte Jugendliche durch die Einführung von Spezialklassen die Palette der beruflichen Wahlmöglichkeiten reduzieren würde, wodurch meiner Meinung nach individuelle Interessen und Fähigkeiten nur begrenzt berücksichtigt werden könnten. Außerdem glaube ich, daß ein gemeinsamer Schulbesuch von behinderten und nichtbehinderten Lehrlingen für das soziale Lernen, für den Abbau von Vorurteilen und Schwellenängsten und für den Aufbau einer gegenseitigem Akzeptanz sehr förderlich wäre.

IX. Gedanken und Vorschläge zur Förderung der Chancengleichheit behinderter Lehrlinge

Da wir in Tirol meiner Ansicht nach noch weit entfernt von einer Verwirklichung des Normalisierungsprinzips sind, bedarf es sicherlich einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit (zusammen mit Betroffenen), die keinen Zweifel daran läßt, daß Menschen mit Behinderung dieselben Rechte auf gesellschaftliche Teilhabe in allen Lebensbereichen zustehen, wie sie nichtbehinderte MitbürgerInnen selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen können.

Das Thema "Integration von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt" und die Vorbehalte und Schwellenängste vieler ArbeitgeberInnen, die diese Integration verhindern, sind eine komplexe Problematik. Ich bin der Meinung, daß betriebliche Aufklärungsarbeit zwar wichtig, jedoch nicht ausreichend ist, wenn es darum geht, Vorurteile und Ängste gegenüber behinderten Arbeitssuchenden nachhaltig abzubauen. Leider wirken alljährliche österreichweite Spendenkampagnen um die Weihnachtszeit manifestierend auf das stereotype Bild, das sich der/die Durchschnittsösterreicher/in vom "hilflosen, unselbständigen, mitleidsbedürftigen behinderten Menschen, der ohne Sondereinrichtung nicht leben kann", macht (und welche/r Unternehmer/in möchte schon eine solche Arbeitskraft einstellen?!). Aus diesem Grund bin ich der Meinung, daß ein wirksamer Abbau von Vorurteilen nur dann passieren kann, wenn gleichzeitig stigmatisierende, vorurteilsbegünstigende Spendenaufrufe, wie beispielsweise "Licht ins Dunkel" (der Name spricht für sich) schrittweise und baldmöglichst abgeschafft werden. (Anm.: Wer sich mehr mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte, sei auf das Buch von Franz-Joseph Huainigg "Schicksal täglich - Zur Darstellung behinderter Menschen im ORF" verwiesen.)

Zudem sollte auch bei uns (nicht nur in den USA) die Forderung und Umsetzung eines barrierefreien Zuganges zu öffentlichen Gebäuden (z.B. Berufsschulen), öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht als Anmaßung, sondern als Grundrecht, das vor Diskriminierung schützt und die Unabhängigkeit behinderter Menschen fördert, gesehen werden. Natürlich bedarf es auch einer anderen Sichtweise des behinderten Menschen, die nicht einzig defizitorientiert ist, sondern ihr Augenmerk vor allem auf die individuellen Fähigkeiten, Talente und Interessen der behinderten Arbeitssuchenden richtet. Diese Sichtweise könnte zu einer Bewußtseinsänderung führen, die sich dahingehend auswirkt, daß behinderte Lehrstellensuchende - trotzdem sie aufgrund ihrer Behinderung vielleicht nicht alle Tätigkeiten, die laut Berufsausbildungsgesetz für den einzelnen Lehrberuf gefordert sind, ausführen können - die Möglichkeit bekommen, eineLehre zu machen, um sich alle jene Fertigkeiten anzueignen, die sie zu lernen imstande sind.

Erfreulicherweise gibt es in Tirol den Verein Arbeitsassistenz, die Sozialberatung des Landes für Menschen mit Behinderung sowie andere Einrichtungen, die behinderte Jugendliche bei der Lehrstellensuche unterstützen, Hilfe für die Beschaffung von notwendigen technischen Hilfsmitteln oder für die Arbeitsplatzadaptierung anbieten und auch über mögliche Lohnkostenzuschüsse beraten. Sehr positiv für die Chancengleichheit behinderter Jugendlicher bewerte ich sowohl die seit Herbst 1996 vom AMS ins Leben gerufene Aktion zur Förderung der Ausbildung von benachteiligten Lehrstellensuchenden, welche mit monatlichen Beihilfen bis zu S 4000.- verbunden ist, als auch die breite Palette von finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten aus Mitteln des Ausgleichstaxfonds, die das Bundessozialamt gewähren kann. Allerdings finde ich es schade, daß Menschen mit Behinderung auf diese Unterstützungen keinen Rechtsanspruch haben. Ich glaube nämlich, daß man bei der Lehrstellensuche schlagkräftiger argumentiert, wenn man dem/r Unternehmer/in versichern kann, daß der/die behinderte Lehrstellensuchende Rechtsanspruch auf alle nötigen finanziellen Unterstützungen (z.B. Lohnausgleich bei Minderleistung, technische Hilfsmittel für Betrieb und Berufsschule, Gebärdendolmetscher/in, usw.) hat.

Im Sinne einer Emanzipation behinderter Menschen und deren Angehörigen fände ich es gut, wenn es am Ende der Pflichtschulzeit Informationsveranstaltungen bzw. Informationsfalter für den Bereich Lehre für behinderte Jugendliche gäbe, wo verständlich kundgemacht wird, welche Gesetze zur Anwendung kommen, welche besonderen Rechte damit verbunden sind und welche Servicestellen mit Rat und Tat zur Seite stehen würden. Wünschenswert wäre zudem eine Kontaktperson, die Unterstützung zur Bewältigung des Arbeits- bzw. Schulweges, zur Beschaffung einer geeigneten Unterkunft im Falle einer lehrgangsmäßigen Berufsschule, zur Organisation ev. notwendiger Pflegedienste, anbietet, abklärt, ob die Berufsschule für den behinderten Lehrling zugänglich ist und, falls nötig, den Kontakt zwischen Berufsschule, Lehrbetrieb, Eltern und Lehrling herstellt sowie aufrecht erhält.

Ich denke, daß es nicht erstrebenswert ist, gerade im Behindertenbereich, wo es bereits so viele verschiedene Stellen gibt, schon wieder eine gänzlich neue Servicestelle einzurichten. Zielführender würde ich es finden, wenn man beispielsweise beim Verein Arbeitsassistenz eine zusätzliche Arbeitskraft beschäftigen würde, die nur für den Bereich Lehre zuständig wäre. (Anm.: Daß zusätzlich auf vorhandene Ressourcen zurückgegriffen und eine Vernetzung der Serviceeinrichtungen angestrebt worden sollte, versteht sich von selbst.)

Alle diese äußeren Hilfen nützen vielen behinderten Lehrlingen wahrscheinlich wenig bis gar nichts, wenn die Förderung der Chancengleichheit behinderter Jugendlicher im Berufsausbildungsgesetz keine Berücksichtigung findet. Die schulischen Rahmenbedingungen müßten meiner Meinung nach geändert werden, damit auf individuelle Bedürfnisse, die sich aus der Behinderung ergeben und auf sonderpädagogischen Förderbedarf eingegangen werden kann. Nach dem Vorbild des Modellversuches "individualisierte Lehrlingsausbildung" wäre in den Berufsschulen integrativer Unterricht mit StützlehrerInnen, Ergänzungsunterricht, individueller Lehrplan, teilweise verbale Beurteilung und die Möglichkeit, in die nächste Berufsschulklasse aufsteigen zu können, obwohl nicht alle Fächer abgeschlossen wurden, empfehlenswert.

Dies kann meiner Ansicht nach wiederum nur dann funktionieren, wenn Integration Berücksichtigung in der BerufsschullehrerInnenaus- und -fortbildung findet und wenn der Lehrkörper nicht allein auf sich gestellt ist, sondern es eine Anlaufstelle gibt, wohin sich die ratsuchenden Unterrichtenden wenden können.

Ist die Hürde Berufsschule geschafft, müssen auch entsprechende Rahmenbedingungen für die Lehrabschlußprüfung geschaffen werden. Auch diese sollte - wenn nicht anders möglich - auf die individuellen Fähigkeiten der behinderten Lehrlinge abgestimmt sein oder beispielsweise flexiblere Zeitrahmen zulassen. Wünschenswert wäre zudem, daß nicht nur nach den Kategorien "bestanden" oder "nicht bestanden" beurteilt wird, sondern daß ein behinderter Lehrling auch Teilleistungen anerkannt bekommt. Mit einem Begleitschreiben, in welchem genau aufgelistet wird, welche Tätigkeiten der/die Lehrabsolvent/in im Betrieb und in der Berufsschule erlernt hat, vergrößert sich dessen/deren Chance, in einem anderen Betrieb für ähnliche Arbeiten herangezogen zu werden.

Ich bin davon überzeugt, daß sich für behinderte Arbeits- bzw. Lehrstellensuchende die Chance, einen Arbeits- bzw. Lehrplatz zu bekommen und dort qualifiziert zu arbeiten, noch einmal um ein Vielfaches erhöhen würde, wenn in Tirol das Modell "Unterstützte Beschäftigung" verwirklicht werden würde.

All diese Gedanken zur Förderung der Chancengleichheit behinderter Lehrlinge verstehen sich als Vorschläge - als Diskussionsgrundlage - an welche sich die Forderung knüpft, daß in die Planung und Umsetzung dieses Projektes auf jeden Fall ExpertInnen in eigener Sache einbezogen werden sollten, da all diese Unterstützungen auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt werden müssen, um wirklich hilfreich sein zu können.

Schlußwort

Dieser Schluß soll eigentlich gar kein Ende darstellen. Vielmehr hoffe ich, daß sich daran ein neuer Anfang knüpft, daß meine Diplomarbeit nicht in irgend einer Schublade verstaubt, sondern daß dieses Thema weiterdiskutiert wird.

Ich würde mir, aber vor allem allen behinderten Lehrlingen, die an den bisherigen Rahmenbedingungen gescheitert sind, wünschen, daß nicht nur über die Forderung der Chancengleichheit behinderter Lehrlinge geredet wird, sondern daß endlich Taten gesetzt werden, um entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen damit eine Lehre für behinderte Jugendliche nicht zwangsläufig eine unüberwindbare Barriere darstellen muß.

Mit einem Fried-Gedicht habe ich meine Diplomarbeit begonnen und mit einem Teilausschnitt des Gedichtes "Was bleibt?" vom selben Autor werde ich enden:

" ... Worte bleiben

Gefühle

Gedanken

Wissen und Angst

Zorn bleibt und Widerstand

und keine Ruhe

Und Wünsche bleiben

auch einfache Wünsche für Menschen

(für sehr nahe und unbekannte)

und Hoffnungen auf eine Zukunft...

Oder bleibt nichts?"

(Erich Fried 1996, 72f)

Literaturverzeichnis

Arbeitskreis Berufseingliederung (1996), Vorschlag für ein Anlehregesetz, verfaßt vom Verein Jugend am Werk Steiermark und der Wirtschaftskammer Steiermark am 2. April 1996

Arbeitsmarktservice (1995), Berufslexikon 1, Lehrberufe

Autonome Provinz Bozen (1995), Brief an den Landesschulinspektor Mag. Dr. Lettenbichler, verfaßt von Frau Dr. Erna Gamper von der Abteilung 20 für deutsche und ladinische Sprache, Bozen am 2.11. 1995

Bank-Mikkelsen, N.E./Berg, E. (1982), Das dänische Verständnis von Normalisierung und seine Umsetzung in ein System von Hilfs- und Pflegediensten zur Integration, in: Behindernde Hilfe oder Selbstbestimmung der Behinderten, Neue Wege gemeindenaher Hilfen zum selbständigen Leben, Kongreßbericht der internationalen Tagung "Leben, Lernen, Arbeiten in der Gemeinschaft", München 24.-26.3.1982

Buttazoni, Rudolf (1994), Die Grundzüge der Normalisierung und der Versuch der Realisierung in einer alternativen Wohneinrichtung für geistig behinderte Menschen (unveröffentlichte Diplomarbeit)

DBK-Arbeitsgruppe (1996), Fachlehrplan für den beruflichen Unterricht in der Anlehre (Allgemeiner Teil, Berufsfeld Verkauf, Berufsfeld Floristik), Luzern

Doose, Stefan (1996), Unterstützte Beschäftigung, Ein neuer Weg der Integration im Arbeitsleben im internationalen Vergleich, (überarbeitete Fassung eines Referates; gehalten beim 11. österreichischen Symposium für die Integration behinderter Menschen) "Es ist normal verschieden zu sein", Innsbruck 6.-8. Juni 1996

Ernst, Karl / Haller, Alfred (1995), Behinderteneinstellungsgesetz, Gesetze und Kommentare Nr. 149

Fried, Erich (1994), Es ist was es ist, Berlin

Fried, Erich (1996), Am Rand unserer Lebenszeit, Berlin

Horizon-Arbeitsgruppe (Götz, Dagmar u.a.) (1995), Unterstützte Beschäftigung, Handbuch zur Arbeitsweise von Integrationsfachdiensten für Menschen mit geistiger Behinderung, Hamburg, Berlin, Reutlingen, Gelsenkirchen

Huainigg, Franz-Joseph (1996), Schicksal täglich, Zur Darstellung behinderter Menschen im ORF, Innsbruck

Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol (1996), Lehrlings- und Jugendschutz

Pircher, Erika (1993), De Behinderung kannt i afn Mond schiaßn, Zur beruflichen Eingliederung von Frauen mit Behinderung in Südtirol, Bozen

Schumacher, Peter (1996), Aktenvermerk zum Vorschlag für ein Anlehregesetz vom 1. Juli 1996, Innsbruck

Stecher, Martha (1996), Berufsausbildung mit Behinderung, Ansätze und Erfahrungen in Südtirol, Schlanders

Tiroler Arbeitsmarktverwaltung (1993), Behinderte und Arbeitsmarkt, Teil 2, Informationen für Betroffene

Wettstein, Emil (1994), Berufliche Bildung in der Schweiz /Luzern

Quelle:

Petra Hillebrand: "Karriere mit Lehre - für behinderte Jugendliche eine unüberwindbare Barriere?" Situation behinderter Jugendlicher in Tirol. Gedanken -und Vorschläge zur Förderung der Chancengleichheit im dualen Ausbildungsmodell

Diplomarbeit, eingereicht an der Akademie für Sozialarbeit der Caritas der Diözese Innsbruck; Erstbegutachter: Univ. Prof. Dr. Volker Schönwiese; Zweitbegutachterin: DSA Inge Daxböck-Waldbauer; Abgabedatum: 3. März 1997

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 21.02.2005

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