Junge Frauen und Männer als Betroffene von sexueller Belästigung in Ausbildung und Beruf

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Bericht
Copyright: © Arbeitsmarktservice Wien und Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien 2016

Vorbemerkung

Bereits in den 1970er Jahren wurde der Begriff der sexuellen Belästigung in den USA wie auch in europäischen Ländern verwendet, aber erst die feministische amerikanische Juristin Catherine MacKinnon verdeutlichte in „Sexual harassment of the working women“ (1979)[1], dass es sich dabei um eine geschlechtsspezifische Diskriminierung und den Ausdruck von männlicher Dominanz handelt, und forderte gesetzliche Maßnahmen dagegen ein. Obwohl es auch empirische Untersuchungen zum Thema seit rund vierzig Jahren gibt, liegen kaum Studien zur Betroffenheit von Auszubildenden und jungen BerufsanfängerInnen vor. Die wenigen Erhebungen, die wir recherchieren konnten, wurden in den USA durchgeführt wie etwa die Untersuchung von Susan Fineran und James E. Gruber (2009)[2], die hervorhob, dass weibliche Teenager stärker von sexuellen Belästigungen bei der Arbeit betroffen sind als erwachsene Frauen (ebd., 556). Ausgangspunkt war die Frage nach den Auswirkungen von sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz auf die Arbeit, die Gesundheit und den Schulerfolg von High School-Studentinnen. 47 Prozent der von ihnen befragten Studentinnen, alle nur teilzeitbeschäftigt, hatten sexuelle Belästigungen erlebt – bei einer erwachsenen Vergleichsgruppe von Vollzeitbeschäftigten waren es 29 Prozent. Als relevante Einflussfaktoren erwiesen sich das Alter, die Tatsache, dass die Mädchen nicht in einer Beziehung lebten, und ihr geringer beruflicher Status (ebd., 556).

Die vorliegende Studie hatte nicht den Anspruch, Größenrelationen zu erheben oder Vergleiche anzustellen, sondern junge Frauen und Männer als (potentiell) von sexuellen Belästigungen Betroffene nach ihren Erfahrungen zu fragen, um Rückschlüsse auf effektive Präventions- und Schutzmaßnahmen zu ziehen. Es sollte insbesondere erhoben werden, was es auf der strukturellen und auf der persönlichen Ebene schwierig macht, sich gegen sexuelle Belästigungen zur Wehr zu setzen, wer als Vertrauensperson gesehen wird, welche Unterstützung notwendig wäre. Ein zentrales Thema war zudem das Gewaltverständnis der Jugendlichen – wann wird ein „komisches“ oder unangenehmes Verhalten zur sexuellen Belästigung?

Befragt wurden Mädchen und Burschen, die sich bereit erklärten, über ihre Erfahrungen mit Belästigungen zu sprechen, sowie andere, bei denen uns im Vorfeld nichts über entsprechende Erlebnisse bekannt war. In einer einzigen dieser sieben Diskussionen, in denen es allgemein um erste Berufserfahrungen und das Arbeitsklima gehen sollte, hat niemand sexuelle Belästigungen selbst oder miterlebt: Es handelte sich um drei männliche Lehrlinge. In einer der beiden anderen Burschengruppen berichteten Teilnehmer über erlebte Übergriffe, in der anderen wurde ein aktueller Vorfall in der Ausbildungsstelle angesprochen. In allen vier Mädchengruppen hatten eine oder mehrere Gesprächspartnerinnen selbst Belästigungen in unterschiedlichen Schweregraden erlebt.

Einige junge Frauen erzählten von schwerwiegenden Übergriffen, die offenkundig emotional nicht aufgearbeitet waren. Nur wenige reagierten unmittelbar auf eine Belästigung, fast alle vertrauten sich jemandem an, von den beiden, die Anzeige bei der Polizei erstatteten, zahlte eine letztlich einen hohen Preis dafür.

Um ein umfassenderes Bild über sexuelle Belästigungen von Jungen in der Ausbildung bzw. als BerufsanfängerInnen zu gewinnen, erfolgten ergänzend Befragungen von ExpertInnen aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen. Nur wenige konnten konkrete Aussagen zu jungen Betroffenen machen, darüber wüssten sie zu wenig, sie sprachen demzufolge vor allem über ihre Einschätzungen und über Einzelfälle. Einige waren darunter, die auf positive Präventionserfahrungen verwiesen, die in diesen Bericht aufgenommen wurden.

An die Zusammenfassung der Ergebnisse schließen Empfehlungen an.



[1] MacKinnon, Catherine (1979). Sexual harassment of the working women: A case of sex discrimination. New Haven: Yale University Press.

[2] Fineran, Susan/ Gruber, James E. (2009). Youth at work: Adolescent employment and sexual harassment, in: Child Abuse & Neglect 33, 550-559.

Methode

Auf der methodischen Ebene waren einerseits vier Fokusgruppen mit Mädchen/ jungen Frauen und eine mit Burschen/ jungen Männern vorgesehen, andererseits Interviews mit zehn ExpertInnen. Letztlich konnten zwischen Oktober 2015 und September 2016 Gespräche mit 13 ExpertInnen, die in unterschiedlichen Praxisbereichen tätig sind, geführt werden (siehe mehr dazu im Kapitel Interviews mit ExpertInnen).

Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Rekrutierung von TeilnehmerInnen für die Fokusgruppen. An den insgesamt fünf geplanten Gruppen sollten jeweils rund zehn Personen teilnehmen, was vor dem Hintergrund anderer Projekterfahrungen als realistisch einzuschätzen war, sich bei dieser Untersuchung aber nicht verwirklichen ließ. Trotz einer sehr breit angelegten Suche nach GesprächspartnerInnen unter Einbindung zahlreicher Einrichtungen, die als mögliche Unterstützerinnen in Frage kamen, und eines finanziellen Anreizes in Höhe von zwanzig Euro für die TeilnehmerInnen konnte das Forschungsdesign nicht in der geplanten Form umgesetzt werden, wenn es auch letztlich möglich war, wie beabsichtigt fünfzig Personen zu befragen.

Der Zugang zu den Befragten erfolgte über zwei unterschiedliche Wege. Zunächst wurde die Strategie verfolgt, bewusst nach Personen zu suchen, die sexuelle Belästigungen erlebt hatten. Die Suche wurde im Juli 2015, bald nach Projektstart, begonnen und war sehr breit angelegt. Das Studiendesign sah vor, dass unsere AnsprechpartnerInnen in den verschiedensten Einrichtungen ihnen bekannte betroffene Jugendliche über unsere Untersuchung informieren und ihnen vorschlagen sollten, Kontakt mit uns aufzunehmen. Dieses Vorgehen war nicht nur aus Gründen des Datenschutzes geboten, sondern auch, weil damit zu erwarten war, dass nur psychisch stabile Jugendliche angesprochen würden, bei denen keine Retraumatisierung zu befürchten war.

In Wien, teilweise auch in Niederösterreich wurde eine Vielzahl von Einrichtungen gebeten, uns bei der Suche nach GesprächspartnerInnen zu unterstützen, darunter waren Beratungsstellen für Mädchen und Frauen, Gewaltschutzeinrichtungen, die Kinder- und Jugendanwaltschaft, die Männerberatung Wien, Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit (von Juvivo über peppa und peppamint bis zum Verein Wiener Jugendzentren), die Leitung der Wiener Volkshochschulen, thematisch relevante Bereiche im ÖGB, berufliche Beratungseinrichtungen, Einrichtungen des AMS, Produktionsschulen und Anbieter von überbetrieblicher Lehre. In der ersten Projektphase, in der wir fast ein Jahr lang gezielt nach Betroffenen suchten, wurde von keiner dieser Einrichtungen ein Kontakt zu möglichen InterviewpartnerInnen vermittelt. Manche von ihnen hatten (zumindest im Untersuchungszeitraum) keine „passenden“ KlientInnen, manchen tat es leid, dass von ihnen betreute und betroffene Jugendliche nicht über ihre Erfahrungen sprechen wollten, manche gaben uns allerdings zu verstehen, dass sie schon unsere Suche nach InterviewpartnerInnen zum Thema sexuelle Belästigungen für übergriffig hielten. Die Mehrheit der Angesprochenen unterstrich aber, dass sie die Studie als sehr wichtig erachteten, weil ihrer Einschätzung nach sexuelle Belästigungen in der Ausbildung „nicht selten“ seien.

Die meisten Informationsgespräche wurden telefonisch geführt, teilweise auch persönlich, es wurden Plakate und Flugblätter für die Suche nach interessierten Jugendlichen gedruckt und in vielen dieser Einrichtungen aufgehängt und verteilt. Wegen der schwierigen Rekrutierung entschlossen wir uns, unsere Flugblätter auch in ausgewählten Lokalen und Kinos zu hinterlegen und stellten unsere Suche nach GesprächspartnerInnen auf Facebook, wo der Aufruf in mehreren Foren geteilt wurde.

Die GesprächspartnerInnen in dieser ersten Phase fanden wir letztlich insbesondere über persönliche Bekannte im privaten und beruflichen Umfeld: neun junge Frauen und zwei Burschen. Allerdings war es – anders als im Forschungskonzept vorgesehen – nicht möglich, Fokusgruppen durchzuführen, sondern es handelt sich um Einzelinterviews oder Gruppeninterviews mit zwei oder drei Personen. Die beiden Methoden unterscheiden sich dadurch, dass in Fokusgruppen sechs bis zehn TeilnehmerInnen unter Einfluss einer Gruppendynamik miteinander interagieren, während für Gruppendiskussionen keine Größenvorgaben bestehen und vornehmlich die/ der Forschende die aktive Rolle einnimmt, was bedeutet, dass die TeilnehmerInnen vor allem befragt werden und weniger miteinander ins Gespräch kommen.

Um das Forschungsziel zu erreichen, wurde in Absprache mit den Auftraggeberinnen des Projekts im Frühling 2016 beschlossen, nicht mehr nach DiskutantInnen zum Thema sexuelle Belästigung zu suchen, sondern allgemein das Themenfeld Erste Berufserfahrungen – Arbeitsklima in den Vordergrund zu stellen. In dieser Phase konnten wir v.a. über die Zusammenarbeit mit LehrerInnen in Berufsschulen und Höheren Technischen Lehranstalten sowie mit Einrichtungen der überbetrieblichen Lehrausbildung (ÜBA) bis August 2016 Fokusgruppendiskussionen und Gruppeninterviews unter Einbindung von 22 Mädchen und 17 Burschen abhalten, von denen einige sogar massive sexuelle Belästigungen erlebt hatten.

Die (rund einstündigen) Interviews und (bis zu zweieinhalbstündigen) Gruppendiskussionen wurden als Audio aufgenommen, in ihren Grundzügen protokolliert und vollständig transkribiert; ihre Analyse erfolgte mit Atlasti, einer Software für qualitative Datenanalyse.

Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe

Zunächst sollen die einbezogenen jungen Frauen und Männer sowie die jeweiligen Gruppenkonstellationen kurz vorgestellt werden, um einen Überblick über die Untersuchungsgruppe zu vermitteln.

Gesucht wurden Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren, und ihre Erfahrungen mit Belästigungen sollten nicht länger als drei Jahre zurückliegen.

In der ersten Erhebungsphase, in der das Thema sexuelle Belästigung direkt angesprochen wurde, erfolgten Einzelinterviews mit zwei jungen Frauen: beide 24 Jahre alt, beide Studentinnen, eine jobbt (P 10), die andere (P 21) wurde in einem Praktikum belästigt, und mit zwei Burschen: ein 19-jähriger Zivildiener (P 20) und ein 20-jähriger Handelslehrling (P 16).

An einem Gespräch zu zweit (P 14) nahmen eine 26-jährige Studentin, ebenfalls mit Übergriffserfahrungen in einem Praktikum, und eine 23-jährige Frühpensionistin, die eine Lehre abgeschlossen hat, teil.

Ebenfalls zu zweit diskutierten zwei 25-Jährige: eine in der Gastronomie beschäftigt, die andere Studentin mit Arbeitserfahrungen aus einem Praktikum und verschiedenen Jobs (P 15).

Von den drei jungen Frauen in einem Gruppeninterview (P 12) war eine 25 Jahre alt, zwei waren 26: eine studiert und jobbt nebenbei für eine Promotionfirma und in der Gastronomie; die beiden anderen arbeiten bei einer sehr kleinen Multimedia-Firma (Chef und zwei Mitarbeiterinnen) bzw. beim Bundesheer.

Ende Juni 2016 begannen die Gespräche zum Thema Erste Berufserfahrungen – Arbeitsklima. Die jungen Frauen diskutierten in vier Gruppen, die Burschen in drei. Während die Teilnehmerinnen an den Gruppeninterviews zu sexuellen Belästigungen einander nicht kannten, handelt es sich hier teilweise um SchülerInnen aus derselben Schulklasse. Bei fast allen Diskussionen waren sowohl ÖsterreicherInnen als auch MigrantInnen vertreten. Nicht in allen Gruppen gab es DiskutantInnen mit Belästigungserfahrungen.

Von vier Schülerinnen aus einer Handelsakademieklasse (P 9), zwischen 17 und 20 Jahre alt, haben zwei schon längere Berufserfahrungen, weil sie am Wochenende jobben, nämlich in einer großen Einzelhandelsfirma bzw. bei einer Personalfirma, die in erster Linie Caterings vermittelt. Die Arbeitserfahrungen der beiden anderen stammen ausschließlich aus berufspraktischen Tagen im Einzelhandel. Die junge Frau, die im Catering arbeitet, erzählt von der Weihnachtsfeier eines Hotels: Ein Arbeitskollege „glotzte dauernd auf [ihren] Hintern“, irgendwann sprach er sie auf ihren „geilen Hintern“ an. Drei der vier Mädchen erwähnen, sie würden immer wieder, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, von Männern „unauffällig“ berührt, das ärgert oder irritiert sie aber nicht, sie finden nur, dass „die Typen spinnen“. Eine hat keine diesbezüglichen Erfahrungen, sie ist die einzige, die ein Kopftuch trägt – auf Nachfrage meint sie, vielleicht hänge es damit zusammen.

Sechs HTL-Schülerinnen (P 11) besuchen ebenfalls dieselbe Klasse und sind zwischen 17 und zwanzig Jahre alt. Zwei haben bereits mehrjährige Berufserfahrungen, die anderen haben Ferialpraktika absolviert, eine jobbt außerdem seit kurzem in einer Tanzschule. Unter einer sexuellen Belästigung verstehen sie Anstarren, Grabschen, blöde Bemerkungen und Witze; keine kennt solche Erlebnisse. Eine fühlte sich beim Servieren im Kaffeehaus durch einen Kunden belästigt, der immer kam, wenn sie im Dienst war; sie sprach ihn darauf an, und er hörte damit auf.

Fünf Friseurlehrlinge zwischen 17 und 23 Jahre alt (P 8), die in unterschiedlichen Betrieben arbeiten, nahmen gemeinsam an einer Diskussion teil. Das zentrale Thema waren die teilweise miserablen Arbeitsbedingungen, gegen Ende wurden von zweien auch sexuelle Belästigungen thematisiert. In einem Fall war ein älterer Kunde übergriffig (er wollte wissen, ob sie während der Menstruation Sex habe, was sie ruppig verneinte), ihr Chef befand sich in Hörweite und „stellte sich taub“. Darauf erinnerte sich ein anderes Mädchen, dass ein junger Kunde ihre Wange gestreichelt habe, der Chef habe das gesehen und ihn hinausgeworfen. (Eine dritte hatte mitgehört, wie eine Kundin den Chef nach der Telefonnummer eines männlichen Lehrlings gefragt und er sie ihr gegeben habe.)

Die vierte Frauengruppe (P 7) war stärker durchmischt und die Teilnehmerinnen waren tendenziell älter: zwei Akademikerinnen, beide Mitte zwanzig, und fünf Lehrlinge zwischen 17 und 23, teilweise aus überbetrieblichen Lehrausbildungen. Ein Lehrling wurde von einem Vorgesetzten über einen längeren Zeitraum hinweg massiv verbal belästigt (z.B. gefragt, ob sie mit ihm schlafen wolle – er stehe auf junge Mädchen). Die anderen Teilnehmerinnen sind einerseits schockiert und fangen andererseits an, sie zu einer Anzeigeerstattung zu drängen, obwohl sie erklärt, dass sie das nicht möchte. (Mit diesem Mädchen wurde zusätzlich ein Einzelinterview geführt (P 13)). Auf Nachfrage, ob die männlichen Kollegen sexistische Witze erzählen oder auf andere Art unangenehm sind, bejahte ein Mädchen, das komme in ihrem Umfeld vor, aber das sei „halt wirklich nur Spaß“. Nur einmal, anlässlich einer Feier, habe sie ein Kollege genervt: Sie sei an einer weißen Wand gestreift, die auf die Hose abgefärbt habe, und der betrunkene Kollege wollte sie abputzen und „dann wirklich schon hergreifen“. Ihr Nein habe ihn sofort gestoppt. Sie habe auch schon früher im Gastgewerbe öfters Anmachen durch betrunkene Gäste erlebt, vor allem Italiener mit „Bella und Amore“, weswegen ihr Chef immer darauf geachtet habe, dass sie nicht alleine im Dienst war.

Bei den männlichen Jugendlichen diskutierte eine zehnköpfige Runde von HTL-Schülern (P 17) aus derselben Klasse; alle waren im Alter von 17 bis zwanzig. Drei haben ihre Arbeitserfahrungen ausschließlich in Praktika bzw. Ferialjobs (von maximal ein bis drei Monaten Dauer) erworben. Die sieben anderen verfügen über mehr Berufserfahrung, die meisten von ihnen arbeiten regelmäßig an Samstagen und/ oder Feiertagen z.B. im Lebensmittelhandel, in der Gastronomie, oder auch als Spendenwerber. Als sexuelle Belästigung sehen sie ausschließlich das Berühren von Geschlechtsteilen, den Griff auf den Oberschenkel oder längere Berührungen, z.B. durch ein über den Rücken Streichen, an. Nach dieser Definition war keiner mit einer sexuellen Belästigung konfrontiert, drei Burschen erwähnen aber trotzdem „Vorfälle“. Einer erlebt im Einzelhandel immer wieder, dass Kundinnen über seine Wange oder seinen Kopf streicheln und meinen: „du bist ja ein ganz ein Lieber“; auch bei einem Aushilfsjob in einer Werkstatt seien KundInnen mehrfach sehr nahe an ihn herangerückt. Ein anderer erwähnt, dass eine Lehrerin ihm immer wieder einmal „den Bart kraule“, und der dritte beschwert sich über fehlende körperliche Distanz vor allem von Männern.

Drei Burschen zwischen 17 und zwanzig (P19) absolvieren in einer ÜBA eine Lehre im zweiten Jahr, zwei gemeinsam, einer in einer anderen Sparte. Zwei von ihnen haben mehrere Berufspraktika gemacht. In dieser Gruppe hat niemand sexuelle Belästigungen erfahren.

In der zweiten Gruppe (P 18) von ÜBA-Lehrlingen (16-18 Jahre) hat keiner der vier ein Praktikum vorzuweisen, auch keine Wochenendjobs, aber alle haben – mit mehr oder weniger Begeisterung – „geschnuppert“. Übergriffe hat keiner erlebt; ein Bursche erzählt, dass vor kurzem ein „respektloser Typ“ einem Mädchen gegenüber sexistische Witze gemacht und in ihre Unterlagen Herzchen gemalt habe. Die Reaktion darauf sei nicht nur „ein irrer Zusammenschiss“ vom Trainer gewesen, auch Kollegen hätten ihn dafür kritisiert.

Sexuelle Belästigung aus Sicht der Betroffenen

Das passiert ja nicht nur am Arbeitsplatz, es passiert überall. (Inge, P 10: 241)

Sexuelle Belästigung gehört für die meisten der befragten jungen Frauen zum Alltag, sei es auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Fitnessstudio, in Lokalen. Man habe sich schon fast an das Nachpfeifen gewöhnt, an Bemerkungen über das Aussehen oder anzügliche Angebote, bis hin zu scheinbar zufälligem Körperkontakt in gedrängten Räumen und eindeutigen körperlichen Übergriffen wie Berührungen von Po oder Brust.

Ich finde, man stumpft ein bisschen ab, was das betrifft, weil man im Alltag oft damit konfrontiert ist und man sich nicht mehr wegen jeder Situation Gedanken macht. (…) Also [sexuelle Belästigung] ist im Prinzip schon relativ normal. Man kriegt echt eine dicke Haut. Wenn so etwas im Alltag viel passiert, dann wundert es einen im Arbeitsumfeld auch nicht mehr so. (Nina, P 12: 84 und 184)

Als Reaktion auf Erzählungen über häufige Belästigung im öffentlichen Raum suchen einige junge Frauen ohne derartige Erfahrungen die Ursache bei eigenen „Defiziten“:

Ich glaube, ich bin nicht hübsch genug. Ich werde nie angebaggert von irgendwelchen Leuten auf der Straße. (Barbara, P 7: 161)

Keiner der Burschen gibt an, jemals auf der Straße oder in Lokalen sexuell belästigt worden zu sein.

Erfahrungen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

In diesem Unterkapitel sollen die Erfahrungen junger Frauen und Männer im Mittelpunkt stehen. Dabei beleuchten wir zunächst, in welchen Arbeitszusammenhängen die Befragten sexuell belästigt wurden und welchen Formen von sexuellen Belästigungen sie ausgesetzt waren. Deutlich wird hier, dass es vielen InterviewpartnerInnen schwer fiel, das Verhalten der Kollegen, Vorgesetzten und KundInnen als sexuelle Belästigung zu definieren. Schließlich gehen wir in diesem Abschnitt noch auf die Häufigkeit und Dauer von sexueller Belästigung im betrieblichen Umfeld sowie die TäterInnen[3] ein. Zur besseren Illustration der Belästigungserfahrungen sollen zunächst einige Passagen aus den Gruppengesprächen zitiert werden.

Inge arbeitet in einem kleinen Kaffeehaus:

Ja einmal, da bin ich gerade ins Lokal gegangen und der hat mir vor der Tür zum Beispiel an den Hintern gegriffen und hat gesagt "Geile Sau". Und das war so ein Moment, wo ich mir gedacht habe, … ich war halt auch so perplex. (…) Und dann war einmal einer, der hat die ganze Zeit sehr anmachige Sprüche gemacht. Und dann hat er gemeint, er nimmt mich jetzt mit heim, damit er mich in den Ofen sperrt. Und der war dann so gruselig, dass ich mich in der Küche versteckt habe und ich habe mich nicht mehr raus getraut. (Inge, P 10: 31 und 35)

Nina erzählt von folgendem Vorfall während einer Veranstaltung der Promotionagentur, für die sie arbeitete:

Dann ist der Chef von der Marketingabteilung nicht von meiner Seite gewichen, hat mir eindeutige Angebote gemacht, „gehen wir aufs Klo“ und so. Und dann hat er mir noch seinen Freund, den DJ vorgestellt, da ist mir dann ein Dreier angeboten worden. (Nina, P 12: 11)

Ursula, die für einen staatsnahen Betrieb mit deutlichem Männerüberhang arbeitete, berichtet von zwei konkreten Vorfällen. Beide trugen sich im Rahmen von Betriebsfeiern zu:

Und es war so ein relativ enger Gang und ich gehe da halt durch und ein Kollege, den ich eigentlich ganz gut gekannt habe, kommt mir entgegen und haut mir mit einer Energie auf den Hintern, dass ich im ersten Moment aufgeschrien habe, weil ich mir zuerst gedacht habe, was ist mit dem los. (lacht leicht) Als ich mich dann entrüstet umgedreht habe, er nur so mit einem Grinser: „Was stellst dich so an, du willst es doch eh.“ Ich meine, die waren alle super besoffen, also ich bin dann einfach gegangen. (Ursula, P 12: 31)

Die zweite Geschichte war ein bisschen diffiziler. Es war eine firmeninterne Abendveranstaltung, wo ich auch hinter der Bar ausgeholfen habe. Und da ist dann einer vor mir gesessen, den habe ich bis dato nicht gekannt, der hat dann auch ziemlich gescheit getschechert und mich irgendwann mal gefragt, ob ich ihm nicht einen blasen will. Also er hat das auch so gesagt (lacht). Worauf ich dann eben gemeint habe, dass das jetzt nicht so die gute Idee ist. (…) Das hat ihm anscheinend nicht so getaugt, hat er sein Bier genommen und es mir drüber geschüttet. (Ursula, P 12: 36)

Natascha, Studentin der Betriebswirtschaft, nahm an einem Wochenendseminar teil, bei dem es zunächst hieß, die Auftraggeber des Professors würden ihre Kosten als Assistentin übernehmen.

Auf einmal hat es geheißen: „Sorry, xy zahlt doch nicht, du kannst ja bei mir im Zimmer schlafen, wir können ja die Betten auseinander stellen.“ Das war schon das erste, wo ich mir gedacht habe, „Oh mein Gott, ich muss meine Mama anrufen.“ (…) Und das zweite war dann: Ich sitze drinnen und mache mir meine Notizen, welche Aufgaben [die Seminarteilnehmer] bekommen haben. Auf einmal setzt er [der Professor] sich so kuschelig zu mir und sagt, ob ich nicht Lust hätte, an einer ganz besonderen neuen Studie teilzunehmen, die er gerade für das Bla-Bla-Bla-Institut macht. Es geht um – der genaue Wortlaut fällt mir nicht ein – „nicht-affektive sexuelle unausgesprochene Wünsche“. Jedenfalls irgend so etwas wie „Sex ohne sich zu berühren“, solche Geschichten. (…) Ich bin aber leider ein Mensch, der so schwer Nein sagen kann und habe zu ihm gesagt, er soll mir einmal den Fragebogen schicken und ich werde es mir ansehen. Daraufhin hat er gesagt: „Da gibt es keinen Fragebogen, das ist ein Interview, da müsste ich jetzt dann zur dir ins Zimmer kommen und da frage ich dich dann nach deinen sexuellen Wünschen und Vorlieben.“ Daraufhin habe ich gesagt: „Nein, eher nicht, das ist doch nicht so meines.“ Ab diesem Zeitpunkt war natürlich dieser Aufenthalt dort katastrophal. (Natascha, P 14: 11 und 23f.)

Kerstin wird während der gesamten Lehrzeit – sie lernt Köchin in der Großküche eines staatsnahen Betriebes – von ihrem Lehrlingsausbildner sexuell belästigt:

Am Anfang waren es nur so blöde Bemerkungen oder dass er mit dem Ellbogen an meine Brust angekommen ist, aber das war mir eigentlich egal, weil in dem Moment denkt man ja nicht gleich, dass das eine sexuelle Belästigung ist. Ja, nur so Kleinigkeiten – oder er hat mir mal auf den Oberschenkel geklopft, wenn ich gesessen bin. Was er noch gerne gemacht hat, war, dass er im Sommer, wenn es heiß war, meine Kochjacke vorgezogen und mir ins Leiberl hineingepustet hat. Das war alles für mich noch nicht so schlimm. Ich habe mir immer gesagt, das ist ein alter Trottel und der soll mich in Ruhe lassen. Dann ist das aber immer schlimmer geworden, weil dann bekamen wir einen zweiten Lehrling dazu und mit ihr hat er das dann auch angefangen. Ich habe ihr immer gesagt, sie soll das ignorieren, weil für mich war das eben ein alter Trottel, der sich schon irgendwann wieder einkriegen wird. Bis es dann soweit gekommen ist, dass er angefangen hat, mir richtig auf die Brust zu greifen, da habe ich ihm dann eine geknallt und ihm gesagt, er soll mich bitte nicht mehr angreifen, ich will das nicht. (…) Dann bekamen wir noch eine Hilfskraft dazu und da ging es so richtig los. Das ging auch irrsinnig schnell, weil bei mir hat das ca. ein Jahr gedauert, bis er angefangen hat, mir auf die Brust zu greifen. Sie war zwei Monate bei uns und er hat ihr auf den Arsch gegriffen, zwischen die Beine, zieht ihr die Hose runter und lauter solche Sachen. (Kerstin, P 14: 74ff.)

Bei Lilly beginnen die sexuellen Belästigungen bereits beim Vorstellungsgespräch für ein Praktikum bei einem sozialen Dienstleistungsunternehmen:

Ich habe mich dann beworben und der hat dann mit mir ein Vorstellungsgespräch gehabt und er hat mich die ganze Zeit gefragt, wann ich 18 werde, ob ich einen Freund habe, hat mich gefragt, ob ich Jungfrau bin. Und es ist mir dann ein bisschen zu viel geworden. Und ich wollte dann irgendwie dort nicht arbeiten, aber meine Chefin [von der überbetrieblichen Ausbildungsfirma] hat es mir die ganze Zeit eingeredet. Und dann habe ich dort angefangen (…). Und dann hat mein Chef mir gesagt, dass er keine Frau hat, dass er Single ist, ob ich einmal Interesse habe, mit ihm auszugehen. Er hat mir eine Freundschaftsanfrage [auf facebook] geschickt und gefragt, ob ich mit ihm schlafen will. Und dann, nach dem dritten Monat, ist er mir irgendwie nachgekommen und hat gesagt, dass ich eh bald 18 werde und er generell auf junge Mädchen steht … und keine Ahnung, ich wusste nicht wirklich, was ich machen soll. (Lilly, P 7: 20 und 154)

Uwe war Zivildiener bei der Rettung, als er mehrfach sexuell belästigt wurde:

Also man sitzt in der Rettung, man redet ganz normal und plötzlich legen sie einem zum Beispiel die Hand auf das Bein und die wandert dann irgendwie immer höher hinauf. (…) Die älteste Patientin war 104 Jahre und die wollte sich unbedingt von jedem mit Busserl, Busserl verabschieden, oder eine andere wollte immer in die Wange kneifen. (Uwe, P 20: 29)

Diese Passagen aus den Diskussionen und Einzelinterviews verdeutlichen bereits, dass die jungen Frauen und Männer in verschiedenen Arbeitsverhältnissen und -zusammenhängen, wie etwa während der Lehre, eines Praktikums oder einer (befristeten) Anstellung, sexueller Belästigung ausgesetzt waren. Meist geschahen die Übergriffe während der Dienstzeit, seltener bei Betriebsfeiern und informellen Afterwork-Parties. Die geschlechtsspezifische Zusammensetzung der Belegschaft scheint keine Rolle zu spielen in Hinblick auf die Gefährdung, belästigt zu werden. Die jungen Frauen, die von Kollegen und Vorgesetzten sexuell belästigt wurden, arbeiteten in Betrieben, in denen das Verhältnis von Frauen und Männern ausgewogen war oder in die eine oder andere Richtung tendierte.

Die Formen sexueller Belästigung reichen von verbalen bis zu körperlichen Übergriffen, wobei die jungen Männer – anders als die Frauen – ausschließlich von körperlichen Belästigungen erzählen.

Gemeinsam ist den meisten Interviewpartnerinnen, dass sie zunächst die Handlungen des Belästigers/ der Belästigerin nicht einordnen konnten. Sie waren unsicher über deren Absichten, glaubten an die Zufälligkeit von Berührungen und hatten oft lange Zeit keinen Namen für das, was geschah. Gerade in Firmen bzw. Abteilungen, in denen ein freundschaftlich-kollegiales Arbeitsklima herrscht, ist es besonders schwierig, das Verhalten von Kollegen und Vorgesetzten einzustufen. Der Grat zwischen dem Bemühen um eine freundschaftliche Beziehung und sexueller Belästigung ist ein schmaler – bedeutet eine Einladung zu gemeinsamen Unternehmungen die Aufnahme in das Team oder ist es Anmache? Hinzu kommt, dass die Frauen nicht als „zickig“ erscheinen möchten – ein Vorwurf, der den Teilnehmerinnen zufolge schnell bei der Hand ist – und daher so manches Verhalten, sexistische Äußerungen oder Witze nicht als sexuelle Belästigung definieren. Es würden zwar sexistische Witze gemacht, „aber das ist halt nur Spaß“ (Beate, P 7: 152). Sowohl in den Diskussionen mit Frauen zum Thema sexuelle Belästigung als auch in den Gruppen, in denen primär über erste Berufserfahrungen und das Arbeitsklima gesprochen wurde, war bei den Teilnehmerinnen eine Dynamik beim Erkennen von sexuellen Belästigungen zu bemerken: Durch die Erzählungen der anderen und das Nachfragen der Diskussionsleiterinnen tauchten zum einen Erinnerungen an (weitere) eigene Erfahrungen auf, zum anderen konnten bislang nur eigenartig anmutendes Verhalten oder diffuse Wahrnehmungen als sexuelle Belästigung benannt werden.

Die Schwierigkeit, sexuelle Belästigung zu definieren, ist auch bei vielen Burschen zu finden. Auf die Frage, ob sie im Arbeitsumfeld schon einmal sexuell belästigt wurden, werden zwar eine Reihe von Erfahrungen geschildert, wie etwa das über die Wange und Haare Streichen durch Kundinnen oder dass manche KundInnen keine körperliche Distanz wahren würden, gleichzeitig sehen sie dies aber eher als ein unangebrachtes Verhalten denn als sexuelle Belästigung. „Auch Übergriff ist ein zu hartes Wort.“ (Dino, P 17: 15) Sexuelle Belästigung sei – darin sind sich alle männlichen Fokusgruppenteilnehmer einig – das Berühren von Geschlechtsteilen, längere Berührungen des Rückens oder des Oberschenkels; kurzum, alles was über eine kumpelhafte Körpernähe hinausgeht. Entsprechend dieser Definition haben die Teilnehmer der Fokusgruppen zu ersten Berufserfahrungen/ Arbeitsklima keine sexuellen Belästigungen erlebt.

Diese Unsicherheit in der Einordnung des Geschehenen hat Auswirkungen auf die Reaktion der Betroffenen gegenüber den Übergriffigen; aber davon wird später noch ausführlicher die Rede sein.

Durch die teils schleichende Manifestierung sexueller Belästigung lässt sich die Häufigkeit und Dauer der Übergriffe oftmals nicht genau bestimmen. Nur wenige der befragten jungen Frauen mit Belästigungserfahrungen erzählen von einem einmaligen Vorfall. Frauen wie Männer beantworteten die Frage nach der Häufigkeit mit „immer wieder“, „einmal pro Monat“, „drei bis vier Mal pro Jahr“. Eine Teilnehmerin meinte, „Ich habe mir das über die ganze Lehrzeit gefallen lassen.“ (Kerstin, P 14: 74)

Auch die zwei Burschen mit sexueller Belästigungserfahrung und jene, die von „unangebrachtem Verhalten“ sprachen, erlebten diese häufig und über einen längeren Zeitraum hinweg.

In Hinblick auf die TäterInnen ist vorauszuschicken, dass die jungen Frauen ausschließlich von Männern sexuell belästigt wurden, während die Burschen Übergriffe von Frauen und Männern erlebten. Grundsätzlich sind zwei Gruppen von BelästigerInnen im Arbeitsumfeld auszumachen: die KundInnen und die Firmenangehörigen, wovon bei letzteren wiederum zwischen Vorgesetzten und gleichgestellten KollegInnen zu differenzieren ist. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, in denen junge Frauen von einem Staffmitglied belästigt wurden, war der Täter hierarchisch höher gestellt (z.B. der Lehrlingsausbildner, Abteilungs- oder Projektleiter, Professor). Bei den Burschen hingegen waren, mit einer Ausnahme, ausschließlich KundInnen des Unternehmens die TäterInnen.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen besteht in deren geschlechtsspezifischen Zusammensetzung. Während bei den KundInnen Männer und Frauen gleichermaßen als TäterInnen genannt werden, wird in Bezug auf die Betriebsangehörigen ausschließlich von sexuellen Belästigungen durch Männer gesprochen. Die explizit an die jungen Männer gerichtete Frage nach sexuellen Übergriffen durch Kolleginnen wurde durchgängig verneint.

Die InterviewpartnerInnen beschreiben die TäterInnen meist als älter (40 plus), wobei es im Falle des Zivildieners insbesondere betagte Personen waren. Die vorgesetzten Belästiger werden vielfach als mittelständige Familienväter charakterisiert; die übergriffigen Kollegen sind jünger und oft unverheiratet. Unter Alkoholeinfluss standen den Befragten zufolge nur wenige Täter, Alkohol wurde auch nur selten als ursächlich für die Übergriffe gesehen. Die jungen Frauen bringen das Verhalten der Täter in erster Linie mit deren Frauenbild und Verständnis der Geschlechterordnung in Zusammenhang. In einem konservativen Denken haben Frauen sich unterzuordnen und in der männlichen Arbeitswelt kommt ihnen höchstens dienende Funktion zu. „Das ist eine volle Machtgeschichte“, meint etwa Ursula (P 12: 99) Und weiter (P 12: 125): „(…) die haben doch einen sehr traditionellen Frauenbegriff. Die denken, dass Frauen in diesem Umfeld nichts verloren haben, (…) also maximal im Büro und maximal zum Kaffeeholen.“ Sexuelle Belästigung dient dazu, die Frauen in ihre Schranken zu verweisen und die eigene Dominanz zu demonstrieren. Einzelne Interviewte bringen die Übergriffe mit der Sexualität des Täters in Verbindung, wenn sie beispielsweise sagen: „Der war einfach notgeil“ (Nina, P 12: 117) oder wenn sie den Täter zitieren, dass er auf junge Frauen stehe (Lilly, P 7: 26).

Einige InterviewpartnerInnen weisen darauf hin, dass sie nicht die einzigen Opfer sexueller Belästigung im Betrieb gewesen seien. Junge Frauen, die in der Gastronomie oder als Friseurin arbeiten, erzählen, dass auch ihre weiblichen, nicht aber die männlichen, KollegInnen von den Kunden belästigt werden (P 10; P 7; P 8). Die oben zitierte Studentin erfuhr vom Hotelpersonal, an das sie sich um Hilfe wandte, dass der Professor schon wegen ähnlicher Vorfälle aufgefallen sei (P 14: 44). Zwei andere (Sabine, P 15; Lena, P 12) erzählen, manche Kollegen im Betrieb seien bekannt dafür, dass sie immer wieder Kolleginnen verbal sexuell belästigen. An Kerstins Arbeitsstelle verhielt sich der Vorgesetzte nicht nur gegen sie übergriffig, sondern auch gegenüber einem weiteren Lehrmädchen und einer jungen Hilfskraft (P 14).

Die Burschen, die im Arbeitsumfeld mit KundInnen oder PatientInnen konfrontiert sind, geben ebenfalls an, dass auch KollegInnen belästigt werden. Der Zivildiener schränkt dies auf andere Zivildiener ein, weil die hauptamtlichen Bediensteten weitaus weniger mit den PatientInnen in Kontakt kämen (P 20). Für Chen (P 16), einen Lehrling in einer Supermarktkette, enden die sexuellen Belästigungen durch seinen Vorgesetzten erst, als ein schwuler Lehrling in der Filiale zu arbeiten beginnt.

Handlungsspektren der Opfer

Die Reaktionen der Opfer auf Vorfälle sexueller Belästigung sind maßgeblich beeinflusst von der Art der Belästigung, dem TäterInnenkreis sowie weiteren Faktoren wie etwa der Häufigkeit und dem Kontext von Belästigungen (z.B. Betriebsfeier, informelles Treffen, Arbeitseinsatz, soziale Medien/ Facebook).

Reaktionen gegenüber dem Täter/ der Täterin

Im Folgenden gehen wir auf die Reaktionen der Opfer gegenüber dem Täter/ der Täterin und ihren Umgang mit den sexuellen Belästigungen im Detail ein; zunächst sollen sie aber selbst zu Wort kommen.

In den meisten Fällen ignoriere ich es [die sexuellen Belästigungen durch Kunden] einfach, weil ich eigentlich nicht weiß, wie ich damit umgehen sollte. Und meine Chefin sagt dann immer: "He, sag was." Aber irgendwie bringe ich das dann nicht zusammen, dass ich was sag. (Inge, P 10: 47)

Ich war halt abweisend, aber trotzdem noch freundlich. Ich meine, du arbeitest für die Firma, du bist halt irgendwie in einem Zwiespalt. Wenn das wer anderer macht, dann drehe ich mich um und geh. (…) Ich war halt höflich und habe mir gedacht, ich will ihn nicht bloßstellen als Chef, dass er irgendwie unfreundliche Mitarbeiter hat oder so. Wollte ihn nur im Prinzip gut dastehen lassen. (Nina, P 12: 13 und 105)

Bei dem Grabscher [ein Kollege] habe ich mir einfach nur gedacht „der ist fett wie ein Radierer", also das war für mich einfach. Beim zweiten [ein anderer Kollege] war ich sehr böse, aber wie gesagt, im ersten Moment eigentlich nicht wirklich wegen dem, was er mich gefragt hat, sondern dass der Trottel mich mit Bier anschüttet. Ich meine, was fällt dem ein? Mein Glück insofern war, dass es mein Handy auch erwischt hat und ich ihn dann angezeigt habe (lacht). (Ursula, P 12: 123)

Aber ich muss sagen, in meiner letzten Arbeitsstelle gab es einen Typen, der war im Unternehmen ein bisschen als der sexuelle Belästiger verschrien, tatsächlich. Ja, das ist eigentlich arg, oder? Alle reden darüber, aber es passiert halt nichts, weil er ein sehr guter Freund vom Chef ist. (…) Ich habe das halt relativ schnell bei dem unterbinden können, einfach weil der hat dann irgendwann einfach – ich würde nicht sagen, dass er Angst hatte vor mir, aber der wollte dann einfach nicht mehr bloßgestellt werden, deswegen ist er mir halt irgendwie aus dem Weg gegangen. (Lena, P 12: 143 und 145)

Jetzt kann ich mittlerweile drüber lachen. Aber man lässt sich das alles gefallen, man denkt sich nichts. Also wenn ich ehrlich bin, ich habe mir in dem Moment nichts dabei gedacht. Bis es dann soweit gekommen ist, dass er angefangen hat, mir richtig auf die Brust zu greifen, da habe ich ihm dann eine geknallt und ihm gesagt, er soll mich bitte nicht mehr angreifen, ich will das nicht. (…) Ich habe auch kein Schmerzensgeld verlangt, weil für mich nur wichtig war, dass man mir glaubt. Das habe ich auch dem Richter gesagt. Mein Lehrlingsausbildner hat in seiner Aussage gesagt – ich bin drinnen gesessen und habe mir das vom Anfang bis zum Schluss als einzige alles angehört – ich will ihm seinen Job streitig machen. Dann hat er noch gesagt „und wegen Geld, weil sie hat ja nie eines“. (Kerstin, P 14: 239 und 452)

Im ersten Moment denkt man dann schon, „Ich bringe den um", das ist einfach dieses, „Das kann nicht wahr sein". (Sabine, P 15: 21)

Ich habe ihn natürlich abgewehrt, aber z.B. verbal überhaupt nicht reagieren können. Das war mir in der Situation ein bisschen zu viel. Ich glaube, an diesem Abend habe ich dann einfach nur mehr gesagt, dass ich gehe. (…) ich habe ihn danach nicht darauf angesprochen. Ich hätte ihn auch, glaube ich, nicht darauf angesprochen. Ich weiß jetzt nicht, ob das eine gute oder schlechte Entscheidung gewesen wäre, aber (…) ich wäre nicht hingegangen und hätte ihm gezeigt, was es für mich bedeutet, weil ich eben nicht diese Opferrolle annehmen wollte. Das war mir ganz wichtig. (…) Eine Anzeige wäre für mich nicht in Frage gekommen. Ich finde es total berechtigt, dass Leute das auf eine andere Ebene bringen, aber für mich war es jetzt auch nicht gravierend genug, um noch sehr große Maßnahmen einzuleiten. Was mich eben auch gehemmt hat, ist die Tatsache, dass ich auch seine Familie und seine Frau kenne und das sind schon Umstände, die man automatisch mitdenkt. (Leonie, P 21: 36, 134 und 160)

Ich mache mir Gedanken um die Zukunft. Jeder in der Firma bekommt das mit. Dann kommt das eventuell in die Zeitung. Und dann hab ich die 'Arschkarte' gezogen, weil ihm [dem Vorgesetzten] würde sowieso nichts passieren. Er hat schon die Ausbildung und eine gute Stelle. Ich hab das noch alles vor mir. Deshalb lasse ich es lieber. (Lilly, P 13: 4)

Es ist halt dann eine blöde Situation. Da hat man nicht sehr viel Handlungsspielraum, wenn man den Job behalten will. (Leonie, P 21: 36)

Wenn dir die Kundin über den Kopf streicht oder dich in die Wange kneift, kann man aber auch nichts sagen. Das wäre geschäftsschädigend und möglicherweise beschwert sich die Kundin dann über dich. (Konrad, P 17: 15)

Natürlich versuche ich zuerst mal unauffällig, dezent das Bein wegzuziehen, weil manchmal denke ich mir, vielleicht interpretiere ich da ein bisschen zu viel hinein und so. Wenn es aber dann weitergeht, melde ich mich schon zu Wort. (Uwe, P 20: 36)

Die unmittelbare Reaktion der jungen Frauen auf leichte Übergriffe ist meist, sie nicht ganz ernst zu nehmen, damit werden sie auch als „nicht so schlimm“ erlebt. Eine gängige Strategie scheint zu sein, die verbalen Übergriffe zu überhören, sie auszublenden. Sexistische Witze werden als Spaß toleriert. Würde man auf alle derartigen Bemerkungen und Witze eingehen und die Täter damit konfrontieren, dass man dies als sexuelle Belästigung erachtet, wäre dies viel zu kräfteraubend. Manche meinen, mit der Zeit bekomme man „eine dicke Haut“ (Nina, P 12) und lasse nicht mehr alles an sich heran. Vor allem bei jenen, die in stark männerdominierten Betrieben arbeiteten, liegt die „Frustrationsreizschwelle“ (Ursula, P 12: 183) höher. Sie würden sich nicht so schnell belästigt fühlen, weil sie an dieses Gerede der Männer gewöhnt seien, und nehmen es als Äußerung eines „alten Deppen“, eines „Trottels“ (Kerstin, P 14) oder stellen den Belästiger mit schlagfertigen Antworten bloß, indem etwa auf den großen Altersunterschied hingewiesen wird, wie dies Lena tat.

Schwieriger ist es, körperliche Übergriffe zu ignorieren. Dennoch reagierten nur wenige junge Frauen spontan auf die Tat, indem sie dem Täter verbal oder physisch zu verstehen gaben, dass seine Handlung eine Verletzung darstellte. „Perplex“, „baff“, „geschockt“, „fassungslos“ sind die häufigsten Wörter, die in Zusammenhang mit der unmittelbaren Reaktion auf die körperliche sexuelle Belästigung verwendet werden. Der Übergriff brachte die Frauen so sehr aus der Fassung, dass sie zunächst gar nicht reagieren konnten. Nur wenige brachten mit einer Ohrfeige oder eine Beschimpfung ihre Empörung zum Ausdruck.

Bei den befragten Burschen ist diese Fassungslosigkeit weniger zu spüren, vermutlich auch deswegen, weil sie die Vorfälle mehrheitlich als weniger gravierend einstuften. Zudem ging mit einer Ausnahme der Übergriff von KundInnen und nicht von Vorgesetzten aus. Sie scheinen solche Vorfälle eher, wenn auch nicht vorbehaltlos, zu tolerieren. Wie bereits erwähnt, werden die Berührungen durch KundInnen vor allem als unangemessen, weniger als sexuelle Belästigung eingestuft. Diese Interpretation und die fehlende Wahrnehmung von sexuellen Belästigungen könnten zum einen wie bei den jungen Frauen mit einem Benennungsproblem in Verbindung stehen, aber auch damit, dass es Burschen/ Männern schwerer fällt, sich als Opfer zu identifizieren. Auffallend ist, dass viele der im Kontext „Erste Berufserfahrungen – Arbeitsklima“ befragten Burschen sexuelle Belästigung zunächst ausschließlich mit schwulen Männern assoziierten. Frauen als Täterinnen kamen – mit Ausnahme der im Handel tätigen jungen Männer – erst durch Nachfragen ins Blickfeld. Übergriffe durch Männer werden massiver eingestuft, weil sie als Angriff auf ihre heterosexuelle Identität verstanden werden.

Die mittelbaren Reaktionen der Opfer fielen in den meisten Fällen ebenfalls sehr „täterschonend“ aus. Kaum ein Opfer stellte den Täter/ die Täterin danach persönlich zur Rede oder verlangte eine Entschuldigung. Die Motive dafür waren unterschiedlich, wie die folgenden Absätze verdeutlichen. Nur wenige – davon wird ebenfalls später noch ausführlicher die Rede sein – wandten sich an Vorgesetzte, KollegInnen oder die Justiz.

Die Analyse der Gespräche ergibt, dass die (Nicht-)Reaktionen der Betroffenen von einer starken Ambivalenz geprägt sind, vor allem, aber nicht ausschließlich, wenn die Belästigung von KundInnen ausgeht. Die Ambivalenz besteht darin, es zum einen für das eigene Wohl als notwendig zu empfinden, den Täter/ die Täterin in die Schranken zu weisen, zum anderen aber zu befürchten, dem Unternehmen mit einer deutlichen Reaktion zu schaden. Einige der obigen Interviewpassagen verdeutlichen, dass die von KundInnen sexuell belästigten jungen Frauen und Männer keine Handlungen gegenüber den TäterInnen setzen, weil sie fürchten, die Zurechtweisung von KundInnen „wegen jeder Kleinigkeit“ sei geschäftsschädigend. Selbst auf das Ansinnen des Chefs, ihn gemeinsam mit dem DJ für „einen flotten Dreier“ auf die Toilette zu begleiten, reagiert Nina mit einer höflichen Abweisung, um den Chef vor den Gästen nicht bloßzustellen, „dass er irgendwie unfreundliche Mitarbeiter hat oder so“. Sie erwartete, dass sie selbst diskreditiert werde und nicht ihr übergriffiger Vorgesetzter. Lilly, die ebenfalls oben zitiert wurde, befürchtet, dass bei Bekanntwerden von sexuellen Belästigungen der Ruf der Firma gefährdet werden könnte.

Hinter der Entscheidung, den Täter nicht mit seinen Handlungen zu konfrontieren, steht in einigen Fällen auch die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Diese Befürchtung wird vor allem von jenen geäußert, die durch hierarchisch höhergestellte Kollegen oder Vorgesetzte sexuell belästigt wurden. Da es sich bei unseren InterviewpartnerInnen vielfach um ArbeitnehmerInnen in prekären Arbeitsverhältnissen bzw. beruflichen Situationen (Lehrlinge, Praktikantinnen, Berufsanfängerinnen) handelt, nehmen die Befragten einiges in Kauf, um die Stelle nicht zu verlieren. Insbesondere Lehrlinge (P 8) meinen, es sei nicht so leicht, eine neue Lehrstelle zu finden, aber auch andere fürchten um ihre berufliche Zukunft. Die Entscheidung, den Täter (in welcher Form auch immer) zur Verantwortung zu ziehen oder nicht, fällt also vor dem Hintergrund, ob man im Unternehmen bleiben will. Zudem wird manchmal gemutmaßt, der Täter könne über seine Netzwerke auch an einer neuen Arbeitsstelle mit negativen Konsequenzen intervenieren. Eine derartige Befürchtung äußerten Frauen, die in staatsnahen Betrieben arbeiteten, und Studentinnen.

Einige junge Frauen hatten Sorge, durch eine etwaige Konfrontation des Täters mit seiner Tat als Opfer stigmatisiert zu werden. Ursula (P 12: 87) beispielsweise meint:

Ich wehre mich da immer so dagegen, das Opfer zu sein. Das ist für mich dann immer so: das arme Mädchen, das dann hinrennt und sagt, „Oh, jemand hat mich angefasst“. [spricht mit verstellter Stimme] Ne, da bin ich mir dann auch zu schade dafür. Also man wird dann immer gleich als Opfer und armes Baby hingestellt, das da irgendwie von dem großen bösen Mann blöd angemacht wird, als hätte ich nicht die Kraft, als wäre ich zu schwach gewesen, um mich zu verteidigen.

Auch Leonie (siehe Zitat weiter oben) wollte dem Täter nicht zeigen, dass sie durch sein Verhalten verletzt wurde. Es war ihr besonders wichtig, „nicht die Opferrolle anzunehmen“. Es besteht also die Befürchtung, dass jede Form des Sich-Wehrens den jungen Frauen als Schwäche und Wehleidigkeit ausgelegt wird, die Stereotypen über weibliches Verhalten und die behauptete „Untauglichkeit“ von Frauen in Männerbetrieben erneut bekräftigen. Andere Fokusgruppenteilnehmerinnen können daher Ursulas Haltung nachvollziehen, weil es schließlich auch um die Behauptung als Frau in einem männerdominierten Arbeitsumfeld gehe (vgl. Nina, P 12: 97). Während für Ursula „Selbstverteidigung“, also eine direkte Reaktion gegenüber dem Täter, noch möglich scheint (aber nicht die Einschaltung von Vorgesetzten oder anderen) und sie darin keine Stigmatisierungsgefahr sieht, bedeutet für Leonie bereits die Thematisierung des Übergriffs gegenüber dem Täter, sich verletzlich zu machen. Dies wäre ihres Erachtens lediglich ein weiteres Zeichen ihres mangelnden Selbstbewusstseins (sie führt den Übergriff auch darauf zurück). Hingegen zeuge es von Stärke, sich nichts anmerken zu lassen. Hinter dem Wunsch, nicht als (hilfloses) Opfer definiert zu werden, steht bei beiden Frauen auch eine Portion Widerstandsgeist, man will sich nicht unterkriegen lassen und einen interessanten Job aufgeben.

Umgang mit sexueller Belästigung und Suche nach Unterstützung

Die vorherrschenden Verhaltensmuster der Opfer gegenüber den TäterInnen – Schweigen bzw. Ausblenden – beeinflussen auch, an wen sich die jungen Frauen und Männer wenden.

Auf innerbetrieblicher Ebene

Auf innerbetrieblicher Ebene scheinen drei Faktoren wesentlich dafür zu sein, ob Opfer den Übergriff publik machen und Hilfe suchen: die Schwere und Häufigkeit der sexuellen Belästigung, wer der Täter/ die Täterin ist und die Art des Beschäftigungsverhältnisses.

Keine einzige Interviewpartnerin wandte sich wegen leichter oder einmaliger Vorfälle an KollegInnen, Vorgesetzte, die Personalvertretung oder firmeninterne Gleichbehandlungsbeauftragte (und schon gar nicht an externe Stellen wie die Arbeiterkammer, die Gleichbehandlungskommission oder Polizei/ Justiz). Mit einer Ausnahme handelte es sich bei den einmaligen Belästigungen um verbale Übergriffe. Die Vorfälle schienen den Frauen (und auch den Männern) zu geringfügig, um sie auf eine quasi offizielle Ebene zu heben. Zum Teil scheint es ihnen gar nicht in den Sinn gekommen zu sein, diese publik zu machen. Judith, eine Studentin, die während ihres Jobs am Oktoberfest und als Praktikantin in einer Klinik sexuell belästigt wurde, meint:

Ich habe darüber gar nicht nachgedacht, das überhaupt jemandem zu sagen. Für mich war das einfach so, das ist jetzt passiert. Ich hab mir schon gedacht, warum macht er so etwas. Aber in dem Alter denkt man nicht so darüber nach, was man dagegen tun kann und so. (Judith, P 15: 285)

Auch Ursula, die einmal von einem Kollegen verbal sexuell belästigt wurde, hätte keine Schritte unternommen, wäre der Vorfall nicht einerseits von einer Kollegin, die sich als Zeugin anbot, beobachtet und andererseits dabei ihr Handy beschädigt worden. Allerdings wandten sich die InterviewpartnerInnen auch bei wiederholten verbalen Belästigungen nur in Ausnahmefällen an Dritte innerhalb des Betriebes (oder an externe Einrichtungen). Am ehesten besprachen sie die Vorkommnisse mit KollegInnen, ohne aber weitere Schritte zu beabsichtigen.

Wesentlichen Einfluss auf den Umgang mit der Tat, das Hilfesuchverhalten des Opfers hat die Position des Täters/ der Täterin. In vielen Fällen war der Täter hierarchisch höher gestellt als das Opfer – der Lehrlingsausbildner oder unmittelbar Vorgesetzte. Dies machte es den Opfern nicht nur – wie oben beschrieben – schwer, den Täter zur Rede zu stellen, die Abhängigkeit und das Machtgefälle verhinderten auch, sich an Dritte zu wenden. Der Machtunterschied als Ursache dafür, nichts zu unternehmen, wird in mehreren Fokusgruppen angesprochen. Hier ein Gesprächsausschnitt, der dies illustriert:

Lena: Weil wir vorher über diese alltäglichen sexuellen Belästigungen geredet haben. Also ich muss sagen, ich finde, das ist ein extremer Unterschied, ob mir das jetzt irgendwie auf der Straße passiert oder im Club oder am Arbeitsplatz. Weil ich finde, am Arbeitsplatz kann das halt subtiler geschehen und man ist dem halt auch viel mehr ausgeliefert.

Ursula: Und es ist voll die Machtgeschichte.

Lena: Ja, also ich muss sagen, das war es für mich. Für mich ist es viel einfacher, mich zu wehren, wenn das im Club oder auf der Straße passiert. (…) aber wie gesagt, in diesem Konstrukt mit meinem damaligen Chef, da habe ich mich wirklich nach meiner eigenen Schuld gefragt, was ich da hätte anders machen können. Und das war eigentlich wirklich das Zermürbende daran, fand ich. (P 12: 98-102)

Wie wir im folgenden Kapitel zu den Reaktionen der Vorgesetzten und Täter auf das Bekanntwerden ihrer Übergriffe zeigen werden, fußt diese Einschätzung der Folgen des Machtungleichgewichts durchaus auf leidvollen Erfahrungen.

Bei sexuellen Belästigungen durch KundInnen ist kein unmittelbares Abhängigkeitsverhältnis gegeben. Dennoch sehen die Betroffenen nur einen geringen Handlungsspielraum für das Beenden derartiger Übergriffe. Zum einen wegen der bereits erwähnten Befürchtung eines geschäftsschädigenden Verhaltens, zum anderen wissen insbesondere die bei großen Handelsketten Beschäftigten nicht, wer oder wie man Abhilfe schaffen könnte. Anders als bei Kollegen und Vorgesetzten ist man zum einen mit den übergriffigen KundInnen nur sporadisch konfrontiert, was die Belastung mindert und den Leidensdruck reduziert. Zum anderen kann es sein, dass es (mehrmals täglich) zu Belästigungen durch mehrere KundInnen kommt. Alle jungen Frauen und Männer meinten, dass es oft „Lappalien“ seien, man könne daher nicht immer zur/ zum Vorgesetzten laufen, die ihrerseits ebenfalls nur wenige Möglichkeiten hätten, vor weiteren Belästigungen zu schützen. Emotionale Erleichterung verschaffen sie sich dadurch, dass sie kurz aufs Klo flüchten und einen „Schrei loslassen“ oder den Vorfall in den Pausen den KollegInnen (seltener der Filialleitung) erzählen (P 17: 11). Auch wenn Vorgesetzte die MitarbeiterInnen auffordern, übergriffige Kunden in die Schranken zu weisen oder sie zu Hilfe zu holen – wie dies bei Inge, die in einem Kaffeehaus arbeitet, der Fall ist –, fehlt es an „Rüstzeug“ für eine adäquate Reaktion, die die KundInnen zurechtweist, aber nicht gleich vergrault.

Das Hilfesuchverhalten ist zudem wesentlich determiniert von der Art des Beschäftigungsverhältnisses des Opfers. In den Diskussionen wurde deutlich, dass jene InterviewpartnerInnen, die lediglich als Aushilfskräfte, für kurzfristige Projekte, als PraktikantInnen oder als freiberufliche MitarbeiterInnen in das Unternehmen eingebunden sind, nicht wissen, an wen sie sich innerhalb der Firma um Hilfe hätten wenden können. Den meisten war nicht bekannt, ob es einen Betriebsrat oder eine/n Gleichbehandlungsbeauftragte/n gab, und sie hatten keinen Einblick in die hierarchischen Strukturen. Durch diese marginale Einbindung seien die Strukturen „undurchsichtig“ gewesen – wie es etwa Nina (P 12: 117) ausdrückt, die für eine Promotionagentur arbeitete:

Nina: Ich kenne zwar einige Teamleiter, aber die sind im Prinzip auch nichts gewesen in der Firma. Denen kannst du es erzählen, ja schön, aber was sollen sie machen?

H: Betriebsrat gab es keinen?

Nina: Keinen. Mit so etwas habe ich mich gar nicht befasst. (P 12: 117-118)

Durch das geringe Beschäftigungsausmaß hatten manche InterviewpartnerInnen wenig Kontakt zu den Vollzeitangestellten und auch keine Person ihres Vertrauens an der Arbeitsstelle. Ein Teil hatte zudem keinen festen Arbeitsplatz; sie wurden entweder als SpringerInnen eingesetzt oder mussten alleine oder in wechselnden Teams arbeiten. Damit fehlt diesen Personen eine Ansprechperson, an die sie sich hätten wenden können und bei der sie Informationen hätten einholen können. Andere InterviewpartnerInnen, die sich trotz eingeschränkter Arbeitszeiten und einer befristeten Anstellung im Team gut aufgenommen fühlten, wandten sich dennoch nicht an KollegInnen um Unterstützung. Sie begründeten dies mit dem Zusammenhalt der langjährigen MitarbeiterInnen, so auch Leonie, die bei einem sehr großen Unternehmen ein Praktikum absolvierte:

Aber zumindest in dem Rahmen, wie ich dort gearbeitet habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass es groß etwas gebracht hätte [wenn sie sich an eine Gleichbehandlungsbeauftragte gewandt hätte]. Einfach weil da jemand ist, der in dieses Netzwerk fix eingebunden ist und ich nur eine auf Projektbasis angestellte Praktikantin bin. Und weil auch alle privat miteinander befreundet sind. Da könnte ich mir vorstellen, dass das einfach noch mehr unter den Tisch fällt, weil sich natürlich keiner hinstellt und sagt „einer von meinen besten Freunden hat die Praktikantin, die ich nicht kenne und die man eh mehr oder weniger von Abteilung zu Abteilung schieben kann, sexuell belästigt.“ (P 21: 154)

Lilly (P 13) nennt noch einen weiteren Grund, die sexuellen Belästigungen durch ihren Vorgesetzten nicht auf eine höhere Ebene gebracht zu haben, nämlich die Betriebsgröße. Sie glaubte, in dem kleinen Betrieb – es handelt sich um ein mittelständisches Unternehmen – werde sich eine Meldung des Vorfalls rasch unter allen MitarbeiterInnen herumsprechen und ihre Anonymität könne nicht gewahrt werden. Ihr sei ohnehin schon unterstellt worden, ein Verhältnis mit dem Abteilungsleiter zu haben. Außerdem befürchtete sie negative Konsequenzen für ihre Schwester, die im selben Betrieb eine feste Anstellung hat.

Die fest Angestellten unter den InterviewpartnerInnen hingegen kennen die betrieblichen Strukturen, Hierarchien und Personalvertretungen (sofern es welche gibt) recht gut. Es fehlt ihnen also nicht an Wissen, an wen sie sich firmenintern wenden könnten. Kerstin (P 14) beispielsweise achtete genau darauf, die Hierarchie einzuhalten. Sie schließt sich mit zwei Kolleginnen zusammen – die ebenfalls vom Lehrlingsausbildner sexuell belästigt werden – und sie besprechen das gemeinsame Vorgehen. Sie wenden sich an den Vorgesetzten, nachdem alle drei bereits über einen langen Zeitraum verbal und körperlich sexuell belästigt wurden. Der folgende Gesprächsausschnitt illustriert das Vorgehen der Frauen und die halbherzigen bzw. abwehrenden Reaktionen der Vorgesetzten.

Dann haben wir gemeint, wir machen das kasernenintern, wie man das ordentlich macht, man geht die ganzen Wege. Ich bin zu meinem Vorgesetzten gegangen und habe es ihm gesagt. Er hat auch mit ihm [den Lehrlingsausbildner] geredet, wir hatten ein Gespräch. Ich habe mir gedacht, okay, wenn es damit aufhört, dann ist es ja eigentlich getan und das Ganze hat sich erledigt. Es war eine Zeitlang auch okay, weil der Küchenchef bei der Diensteinteilung geschaut hat, dass wir nicht viel zusammen arbeiten müssen. Aber das ließ sich nicht durchhalten und bei der erstbesten Gelegenheit griff er mir zwischen die Beine. Ich habe ihm eine geklatscht und ihm gesagt, er soll mich nicht angreifen, weil ich sonst zur Polizei gehe. Dann ist er hergegangen und hat meiner Kollegin zwischen die Beine gegriffen. Dann haben wir gesagt, aus, wir gehen zum nächsten Vorgesetzten, das war der Kasernenkommandant. Mit dem haben wir nur zu zweit geredet, weil die dritte Kollegin in der Berufsschule war. Wir haben ihm das erklärt und er hat gemeint: „Scheißt euch nicht an, wärt ihr halt nicht in eine Männerdomäne gegangen.“ Da bin ich dann richtig verzweifelt. Ich habe es dann einem Berufsschulkollegen, der wenige Wochen später in meiner Kaserne zu arbeiten begann, erzählt. (…) Er hat habe ihr alles erzählt. Sie hat mich geschimpft, dass ich nicht gleich zu ihr gekommen bin. Ich habe gesagt, weil man das ja eigentlich in der Kaserne regeln können müsste. Es gibt ja nicht nur eine Kaserne in Österreich und man hätte mich oder ihn versetzen können. (Kerstin, P 14: 95ff.)

Später werden wir genauer auf die Reaktionen der Vorgesetzten eingehen; es gibt auch Vorgesetzte, die Meldungen von Übergriffen sehr ernst nahmen, das Opfer unterstützten und Schritte gegen den Täter setzten. Das obige Beispiel zeigt, dass trotz der Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber – die Opfer versuchten eine interne Lösung herbeizuführen – und trotz der Einhaltung der Hierarchie die Betroffenen nicht vor weiterer Gewalt geschützt und unterstützt wurden. Es lässt sich erahnen, welch enorme psychische Belastung damit einhergeht.

KollegInnen waren für jene Gesprächspartnerinnen, die bereits längere Zeit in einem Betrieb arbeiteten, eine weitere Adresse, um sich Rat und Unterstützung zu holen. Das Beispiel von Kerstin illustriert dies und verweist auf die Strategie der Solidarisierung und des gemeinsamen Vorgehens. Kerstin fand unterstützende KollegInnen, es gab aber auch viele, die einfach weggesehen haben (siehe dazu ausführlicher weiter unten).

Personalvertretung bzw. Betriebsrat als Anlaufstellen, um sich Rückendeckung und Unterstützung zu holen, wurden von den InterviewpartnerInnen nicht genutzt. Im Gegenteil, es herrscht überwiegend Skepsis gegenüber diesen Einrichtungen, weil die Funktionäre als männerbündisch wahrgenommen werden (vgl. P 7, P 12, P 15). Ursula unterbricht beispielsweise amüsiert die Diskussionsleiterin bei der Feststellung, dass es in ihrem staatsnahen Unternehmen sicher eine Personalvertretung gebe:

Ja, aber das sind alles Haberer, das kannst du vergessen (lacht). Also erstens kenn ich die, und das sind, das klingt jetzt gemein, so alt eingesessene Herrschaften, die da doch einen sehr traditionellen Frauenbegriff haben. Die denken, dass Frauen in diesem Umfeld nichts verloren haben und dass wir sowieso nur dort sind, weil halt irgendein Politiker gemeint hat, „jetzt müssen wir auch Frauen zulassen“. Und deswegen, eigentlich gehören wir eh nicht her, also maximal ins Büro und maximal zum Kaffeeholen, und dann bitte könnt ihr wieder gehen. Und deswegen braucht man dort nicht hinkommen, ich meine, es gibt natürlich immer so Genderbeauftragte, also natürlich gibt es auch Frauenbeauftragte. Aber die haben das deswegen, weil‘s halt irgendwer machen muss, das wird verlost, keine Ahnung. Das sind auch Männer. (Ursula, P 12: 126)

Man könne sich daher bei sexueller Belästigung keine Unterstützung von der Personalvertretung erwarten. Ebenso wenig sieht Ursula in den Genderbeauftragten eine Anlaufstelle. Unterstellt wird beiden Einrichtungen, dass ihnen Gleichberechtigung von Frauen und Männern kein Anliegen sei und man sich daher auch nicht mit Thematiken wie sexuelle Belästigung beschäftige. Sabine (P 15: 169) erwartet, dass die Betriebsrätin, die gleichzeitig Personalchefin ist, nichts unternehmen würde; sie hat sich daher bislang noch nicht an sie um Unterstützung gewandt. Beate (P 7), die ebenfalls in einem staatsnahen Betrieb arbeitete, betrachtet die Personalvertretung, die sie wegen arbeitsrechtlicher Belange kontaktierte, als eine „Pseudo“-Einrichtung, die ihr nicht geholfen hat. BetriebsrätInnen und Genderbeauftragten wird eine zu große Nähe zur Leitungsebene nachgesagt, weshalb die Interviewpartnerinnen sie nicht als Verbündete sehen.

Vertrauenspersonen außerhalb des Unternehmens

Die StudienteilnehmerInnen wandten sich deutlich häufiger an Vertrauenspersonen außerhalb des Betriebes. Nicht alle, aber viele erzählten den Eltern, Geschwistern und/ oder FreundInnen von der Belästigung, wobei die Eltern seltener ins Vertrauen gezogen werden, weil es sie belasten würde und sie ihnen ohnehin nicht helfen könnten (vgl. Inge, P 10: 225; Sabine, P 15: 313; Ilayda, P 8: 42) oder weil das Verhältnis zu ihnen nicht gut war. Primär dienten diese privaten Gespräche der psychischen Entlastung. Die jungen Frauen suchten vor allem die Bestätigung, dass sie kein Verschulden an den sexuellen Übergriffen trifft.

Ich habe viel mit meiner Freundin darüber gesprochen, die gemeint hat, auch wenn du nackt herumläufst, darf dich niemand sexuell belästigen. (Lilly, P 13: 20)

Außerdem berieten sie sich, wie sie sich gegenüber dem Täter verhalten sollten.

Diejenigen, die mit niemanden über die Belästigungserfahrung sprachen, begründen dies damit, dass sie sich davon keine Hilfe und Erleichterung erwarteten. Die Gespräche legen jedoch nahe, dass bei manchen Scham- und Schuldgefühle Ursache für das Schweigen sind:

Ja, zuerst dachte ich, das ist meine Schuld. (…) Ich dachte mir, ich habe mich zu viel geschminkt. Dann dachte ich, es ist doch meine Sache, wie ich mich schminke oder wie ich mich anziehe, das ist doch alles meine Sache. Und ich dachte mir so zuerst, dass ich vielleicht etwas falsch verstanden habe oder dass ich vielleicht zu nett oder zu höflich war. (Lilly, P 7: 130-133)

Aber, als es passiert ist, in dem Moment habe ich mich, wie du es gerade beschrieben hast, auch geniert, gleich danach also dieses Gefühl. (…) (Und später ergänzt sie:) Und das ist eigentlich gerade das falsche Gefühl, das man haben sollte. Weil eigentlich ist man ja nicht selber schuld. (Sabine, P 15: 305, 382)

Die jungen Frauen überlegten sich also, wie sie sich anders verhalten hätten sollen, um nicht belästigt zu werden, und verorten damit das Verschulden bei sich selbst und nicht beim Täter. Dies sind Hinweise darauf, dass es den Opfern an Selbstbewusstsein fehlte und alte Muster der Opfer-Täter-Umkehr noch immer internalisiert sind. Doch ein Teil der jungen Frauen sieht keinen Grund, sich für eine Handlung zu schämen, die sie weder begangen noch verursacht haben, und verstehen daher auch nicht, warum es manchen anderen schwer fällt, über sexuelle Belästigung zu reden.

Die jungen Männer weisen Scham- und Schuldgefühle von sich; zumindest im Falle von Chen (P 16), der vom Filialleiter lange Zeit sexuell belästigt wurde und immer wieder Geld zugesteckt bekam, dürften diese Gefühle dennoch eine Rolle gespielt haben. So konnte oder wollte er im Interview nicht sagen, warum er sich nicht gegen die Übergriffe gewehrt hat.

Hilfesuche extern

Nur eine Minderheit der DiskutantInnen hat Unterstützung bei außerbetrieblichen Einrichtungen/ Institutionen gesucht. Bei der Frage, an wen sie sich im Falle einer (gravierenden) sexuellen Belästigung wenden würden, nannten viele die Arbeiterkammer. Tatsächlich hatten bereits mehrere Frauen wegen arbeitsrechtlicher Belange die Arbeiterkammer kontaktiert, jedoch nur eine von ihnen, Kerstin, wegen sexueller Belästigung. Deutlich seltener als die Arbeiterkammer wird die Gewerkschaft als mögliche Anlaufstelle genannt (niemand hat sich sie gewandt) und die laut ExpertInnen „eigentliche“ Anlaufstelle für Betroffene sexueller Belästigung, die Gleichbehandlunganwaltschaft, scheint überhaupt nicht bekannt zu sein. Letztere sei auch – im Gegensatz zur Arbeiterkammer und Gewerkschaft – während der Ausbildung nie erwähnt worden.

Gefragt nach Beratungseinrichtungen, an die man sich gegebenenfalls wenden könne, nannten die Jugendlichen vor allem „Rat auf Draht“. Frauenberatungsstellen wie der 24-Stunden-Notruf für vergewaltigte Frauen sind einem Teil der Frauen bekannt, sie glauben aber, diese seien für ihre Fälle nicht die richtigen Stellen: Dorthin wende man sich mit „richtigen“ Problemen, bei „schwerer Gewalt“. Inge (P 10) meint zudem, sie wisse auch nicht, wie ihr eine solche Einrichtung bei sexueller Belästigung durch Kunden helfen könne. Dem Großteil der Burschen war nicht bekannt, dass es Beratungsstellen für Männer gibt.

Zwei Frauen, Ursula und Kerstin, entschlossen sich zu einer polizeilichen Anzeige, nachdem in einem Fall die zuvor gesetzten Schritte zu keinem Ende der sexuellen Belästigung geführt hatten und im anderen Fall auch eine Sachbeschädigung vorlag. Kerstin und ihre ebenfalls betroffene Kollegin sagten trotz erheblichen Drucks von Seiten der Belegschaft schließlich auch vor Gericht aus.

Reaktionen der TäterInnen und des Umfelds

Mit dem Schritt, über sexuelle Belästigung zu sprechen, sich an Dritte um Hilfe zu wenden, geht das Risiko einher, erneut verletzt zu werden. Die bislang zitierten Gesprächsausschnitte verdeutlichen bereits, dass die Reaktionen des Umfelds, insbesondere auf betrieblicher Ebene, häufig nicht den Erwartungen der Opfer/ Hilfesuchenden entsprachen. Aber ebenso gibt es Beispiele, wie die Hilfesuchenden durch das Umfeld gestärkt wurden.

TäterInnen

Die TäterInnen wurden – wie bereits ausgeführt – selten zur Rechenschaft gezogen. Nur eine Interviewpartnerin erzählt, dass sich der übergriffige Projektleiter am nächsten Tag bei ihr für sein „unangemessenes Verhalten“ ohne Aufforderung entschuldigt habe (Leonie, P 21: 60). Die Opfer erhoffen sich mit dem Ansprechen des Übergriffs in erster Linie, dass die sexuellen Belästigungen aufhören. Diese Hoffnung erfüllte sich vorwiegend bei jenen, die durch KundInnen belästigt wurden. Diese hätten auf die Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, nicht beleidigt reagiert, sondern eher so getan, als sei nichts gewesen (Uwe, P 20; Eda, P 11). Wenn Vorgesetzte oder Kollegen die Täter waren, verbesserte sich die Situation meist, wenn überhaupt, nur kurzfristig. Sexistische Bemerkungen und Belästigungen wurden dann nur im Beisein des Chefs und/ oder der Kollegen unterlassen (Sabine, P 15). Ein Lehrlingsausbildner belästigte zunächst erst einen und in der Folge einen anderen weiblichen Lehrling sexuell und schließlich wieder die Interviewpartnerin, wobei die Übergriffe häufiger und schwerer wurden (Kerstin, P 14). Zu einer Eskalation ist es auch im Falle von Ursula (P 12) gekommen, nachdem der übergriffige Kollege von anderen Kollegen und dem Vorgesetzten zur Rede gestellt wurde. Er hängte daraufhin in den folgenden Wochen im Aufenthaltsraum und in der Toilette immer wieder Zettel mit diffamierenden und obszönen Inhalten auf, gerichtet an das namentlich erwähnte Opfer.

Die Täter versuchen mitunter den Frauen die Schuld zuzuschieben oder lassen die sexuelle Belästigung quasi als Liebesdienst – „sie habe das eh gewollt“ – erscheinen.

Belästiger haben durchaus Angst, dass ihre Übergriffe publik werden, können aber lange Zeit darauf vertrauen, dass das Opfer diesen Schritt nicht wagt. Wenn diese Sicherheit schwindet, üben sie Druck auf das Opfer aus; bei Leonie (P 21) waren es lediglich angedeutete Bitten, seiner und ihrer Familie nichts zu erzählen. Kerstin wurden vom Lehrlingsausbildner 10.000 Euro für eine Aussageenthaltung vor Gericht angeboten.

Lena (P 12) und Leonie (P 21) waren schließlich damit konfrontiert, dass der übergriffige Chef sie kündigte bzw. in eine andere Abteilung versetzte. Hier ermöglichte das Machtungleichgewicht, dass sich der Täter der personifizierten Erinnerung an die Übergriffe oder auch an die Zurückweisung durch die Kündigung bzw. Versetzung des Opfers „entledigte“.

Vorgesetzte

Beim Vorgehen von Vorgesetzten bei sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen ist eine Bandbreite von Ignoranz, über victim blaming bis hin zu entschiedenen Schritten, das Opfer zu schützen und weiteren sexuellen Belästigungen vorzubeugen, festzustellen. Die Analyse der Reaktionen, differenziert nach TäterInnenkreis, zeigt Unterschiede auf: Wurde die sexuelle Belästigung von KundInnen begangen, scheint die Toleranzschwelle der Vorgesetzten deutlich niedriger zu sein als bei übergriffigen Kollegen – insbesondere, wenn sie ebenfalls eine Leitungsfunktion innehaben.

In einem Gruppengespräch (P 12) wird bei der Frage nach den Reaktionen der ChefInnen zunächst problematisiert, dass diese sexuelle Belästigungen von Kunden durch Kleidungsvorschriften provozieren würden. So verlangt etwa eine bekannte Brauereifirma, dass die Mitarbeiterinnen die von der Firma zur Verfügung gestellten tief ausgeschnittene Blusen tragen, und es sei verboten, den Ausschnitt durch ein Tuch oder T-Shirt zu bedecken (Nina, P 12: 155). Lena, die für die Promotionabteilung einer bekannten Tageszeitung arbeitet, erlebt aufgrund des Aufdrucks am Firmen-T-Shirt „Das habe ich vom X“, platziert auf Brusthöhe, immer wieder verbale sexuelle Übergriffe. Es ist eine spezifische Form der Gewalt, dann den Mitarbeiterinnen den Ratschlag mitzugeben, sie sollen sexuelle Belästigungen überhören und ignorieren.

Zu diesem Verhalten passt auch, dass einige Chefs auf mitangehörte oder beobachtete sexuelle Belästigungen durch Kunden nicht reagieren (Ilayda, P 8: 39) oder Vorfälle als belanglos und die belästigten jungen Frauen als „zu zimperlich und hysterisch“ einstufen (Lilly, P7: 20). Aber diese Gruppe zählt in unserem Sample zur Minderheit. Bei der Mehrheit der DienstgeberInnen im Gast- und Friseurgewerbe dürfte zumindest ein Bewusstsein für sexuelle Belästigungen ihrer Mitarbeiterinnen durch KundInnen bestehen, glaubt man den Interviewpartnerinnen. Sie setzten eine Reihe von Maßnahmen, um den sexuellen Belästigungen Einhalt zu gebieten. Die Friseurinnen und Kellnerinnen erzählten von Begebenheiten, bei denen der Chef/ die Chefin mit dem Rauswurf des Kunden reagierte (z.B. Inge, P 10; Ilayda, P 8: 9), oder dass vorsichtshalber immer zwei MitarbeiterInnen zum Dienst eingeteilt werden (Beate, P 7: 166). Letztere Sicherheitsmaßnahme lässt sich jedoch gerade in sehr kleinen Betrieben nicht umsetzen. Inges Chefin bestärkt daher ihre Mitarbeiterinnen nicht nur darin, sich gegen übergriffige Kunden zu wehren, sie organisierte auch einen Anti-Sexismus- und Anti-Rassismus-Workshop mit Selbstverteidigungselementen für die Belegschaft, um sie zu befähigen, sich gegen übergriffige KundInnen mündlich, gegebenenfalls auch körperlich, zur Wehr zu setzen. Inge gefällt diese Idee vor allem auch vor dem Hintergrund, dass man nicht jeden verbal übergriffigen Kunden des Lokals verweisen kann.

Ich finde es super, weil man einfach merkt, wie wichtig ihr das ist, dass unsere Sicherheit gegeben ist, und dass so etwas einfach nicht toleriert wird. Und nicht toleriert werden kann auf Dauer. Die Grenze ist halt da, es geht nicht anders. Weil irgendwie kommt ein blöder Spruch mal von jedem, und jetzt nicht nur auf Sexuelles bezogen. Du kannst halt nicht alle raushauen, die dir halt nicht passen. (...) Aber ich finde es auch echt super, dass sie das macht, das taugt mir echt. (Inge, P 10: 275)

Sie fühlt sich daher auch nicht mit dem Problem allein gelassen wie jene Kolleginnen, deren ChefInnen ihnen geraten haben, die Belästigungen zu ignorieren. Instruktionen durch die Vorgesetzten, die die Betroffenen „ermächtigen“ im Sinne der Befähigung, sich adäquat gegen Übergriffe wehren zu können, haben nur wenige erhalten. Lena (P 12: 160) erzählt von einer Bekannten, die für eine Promotionagentur arbeitet und die instruiert wurde, bei sexuellen Belästigungen laut zu sagen: „Mein Herr, Ihre Hände gehören da nicht hin.“ Es lässt sich über diese Formulierung zwar diskutieren, aber sie erlaubt der Betroffenen zumindest eine Reaktion und macht den Übergriff publik.

Bei sexuellen Belästigungen durch gleichrangige Kollegen reicht die Palette der gesetzten Schritte von tolerieren bis zur Normverdeutlichung. Ein für sein übergriffiges Verhalten bekannter Mitarbeiter eines kleineren Unternehmens war durch seine Freundschaft mit dem Chef geschützt; alle würden darüber reden, aber niemand tue etwas dagegen, so Lena (P 12: 143). Ganz anders verhielt sich Ursulas Vorgesetzter, der der Belegschaft deutlich machte, dass in seiner Abteilung jegliche Form sexueller Belästigung nicht toleriert werde. Jeder, der sich nicht daran halte, habe mit Konsequenzen zu rechnen. Wichtig ist, so Ursula, dass die Leitung dies auch öffentlich kundtut.

Ich war auch froh, dass das mal wirklich zur Sprache gekommen ist und dass es ein offizielles Statement von oben gegeben hat, dass das nicht unter den Tisch fällt. (Ursula, P 12: 170)

Ursula hob zudem besonders positiv hervor, dass – obwohl die Übergriffe gegen sie Anlass für die Thematisierung von sexueller Belästigung waren – ihr Vorgesetzter sie nicht namentlich erwähnte. Sie sei danach auch nicht mehr belästigt worden. In einer anderen Diskussion wird – wie in Bezug auf das Vorgehen gegen sexuelle Belästigung durch Kunden – auf die beschränkten Handlungsmöglichkeiten der ArbeitgeberInnen hingewiesen, insbesondere wenn die sexuelle Belästigung von Lehrlingen ausgehe, weil diese erhöhten Kündigungsschutz genießen (vgl. Sabine, P 15: 134).

Deutlich schwieriger scheint es für manche Vorgesetzte zu sein, wenn sie auf Belästigungen von Kollegen in Leitungspositionen oder auf ihrer eigenen Hierarchieebene reagieren müssten. Wie weiter oben dargestellt, wandten sich einige junge Frauen nicht an ihre Vorgesetzten, weil sie davon ausgingen, die männlichen Seilschaften ohnehin nicht aufbrechen zu können. Die Erfahrungen einiger Frauen in unserer Untersuchung legen nahe, dass diese Befürchtungen zu Recht bestehen. Kerstins Geschichte steht beispielhaft dafür, dass sich manche Männer auf der Führungsebene nach wie vor schwer tun, Partei für die schutzbedürftigen Opfer zu ergreifen und damit ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen nicht wahrnehmen. Der Küchenchef bemühte sich zwar, durch Gespräche mit dem übergriffigen Lehrlingsausbildner diesen zur Räson zu bringen und durch die Gestaltung der Dienstpläne ein zu häufiges Zusammentreffen von Opfer und Täter zu verhindern, aber auch er ignorierte lange Zeit die sexuellen Belästigungen, und seine Bemühungen um eine Beendigung blieben halbherzig:

Mein Küchenchef hat eigentlich über das alles hinweggeschaut, er hat oft genug etwas gesehen und oft genug etwas mitbekommen, er hat sich nicht wirklich eingemischt. (Kerstin, P 14: 119)

Ob aus Bequemlichkeit, männlicher Solidarität, ideologischen Gründen, weil er nicht wusste, was tun, oder weil er die sexuellen Belästigungen nicht ernst nahm, bleibt dahingestellt.

Der Kasernenkommandant hingegen zeigte gar keine Anstrengungen, den übergriffigen Ausbildner zu stoppen. Im Gegenteil, er bezichtigte Kerstin der Lüge und drohte ihr mit Kündigung. Damit schob er ihr nicht nur die Verantwortung zu, er entschuldigte das Verhalten des Lehrlingsausbildners quasi als ein natürliches, gegen das man nichts unternehmen könne. Nachdem Kerstin eine Versetzung in eine andere Kaserne durchgesetzt hat, wird sie am neuen Arbeitsplatz mit Schweigen begrüßt und – obwohl im dritten Lehrjahr – lediglich zu Hilfsarbeiten eingeteilt. Der Täter blieb organisationsintern unbehelligt.

Die Vorgesetzten von Lilly hatten nicht das Wohl der 17-jährigen Praktikantin im Blickfeld, sondern dasjenige des belästigenden Kollegen und das der Firma. Lilly wurde bedrängt, die Vorfälle auf sich beruhen zu lassen, ihr Praktikum sei ohnehin bald zu Ende, während ihr Chef riskiere, gekündigt zu werden. Außerdem gefährde sie das Fortbestehen des Unternehmens, wenn Finanziers und Medien davon erführen. Das heißt, im Falle eines Outings wäre sie verantwortlich für die beschädigte Karriere des Belästigers und den Ruin der Firma. Damit wurde nicht nur massiver Druck auf das Opfer ausgeübt, sondern gleichzeitig die psychischen Belastungen durch die sexuellen Belästigungen völlig ignoriert (vgl. Lilly, P 7 und P 13).

Abschließend soll hier noch auf einen Aspekt hingewiesen werden, den auch ExpertInnen ansprachen. Für Jugendliche, die eine überbetriebliche Lehre absolvieren, ist es vielfach nicht leicht, Praktikumsplätze zu finden. Als Lilly das Verhalten des Vorgesetzten schon beim Bewerbungsgespräch befremdlich fand – er fragte sie danach, ob sie einen Freund habe und ob sie noch Jungfrau sei –, wollte sie dort nicht zu arbeiten beginnen. Die Leiterin der überbetrieblichen Ausbildung überredete sie jedoch, die Stelle anzunehmen (Lilly, P 7: 20). Es scheint, dass dem Praktikumsplatz zuliebe von den Verantwortlichen Hinweise auf sexuelle Belästigung einfach ausgeblendet und in Kauf genommen werden. Als die Ausbildungsleiterin nach Ende des Praktikums vom Ausmaß der sexuellen Belästigung erfuhr, wollte sie dies zwar der Leitung der Praktikumsfirma melden, Fakt ist jedoch, dass sie die anfänglichen Bedenken Lillys in den Wind schlug.

KollegInnen

Die Opfer sexueller Belästigung erwarteten von KollegInnen ihres Vertrauens – ähnlich wie von Eltern, Geschwistern und FreundInnen – eine Bestätigung, dass es sich um einen nicht tolerierbaren Übergriff handelte und das Verschulden nicht bei ihnen lag. Diese Form der emotionalen Unterstützung erhielten sie auch. Einige wandten sich an KollegInnen in der Hoffnung, dass diese an ihrer statt oder gemeinsam mit ihnen beim Täter oder Vorgesetzten intervenieren. Lillys Hoffnung, dass ihre ältere Kollegin mit dem übergriffigen Vorgesetzen reden sollte, hat sich nicht erfüllt. Sie ist enttäuscht darüber, weil die Kollegin die Belästigungen sogar selbst wahrnahm. Ursula hingegen wurde von einem Kollegen und einer Kollegin davon überzeugt, dass sie eine polizeiliche Anzeige machen müsse, und die Kollegin, die den Vorfall gesehen hatte, bot sich als Zeugin an. Der Kollege begleitete Ursula schließlich am nächsten Tag zur Polizei.

Sexuelle Belästigungen geschahen häufig vor vielen Augen und Ohren, was aber nur bei Ursula dazu führte, dass sich die KollegInnen einmischten. Alle anderen schauten und hörten weg. Kerstin führt dies auf das Machtungleichgewicht und Abhängigkeitsverhältnisse zurück. Die Rekruten, die mit den wenigen Angestellten in der Küche arbeiteten, trauten sich nichts gegen die Vorgesetzten zu sagen. Sabine glaubt allerdings, dass Männer sexuelle Belästigungen oftmals gar nicht „registrieren“ und daher nicht reagieren würden (Sabine, P 15: 197).

Konkurrenz in der Kollegenschaft, Gerüchte und Unterstellungen erschweren Solidarisierung und Unterstützung belästigter Kolleginnen. Sexuelle Belästigungen werden in Anmache und Berechnung des Opfers verkehrt:

Unter den Kollegen wurde gemunkelt, dass ich mit dem Chef ‚beisammen‘ bin, andere wiederum sagten, ich mache mich an ihn ran wegen des Jobs. Dauernd musste ich gegen solche Unterstellungen ankämpfen, da bekommt man so einen Hass auf das Büro. (Lilly, P 13: 54)

Eltern, Geschwister und FreundInnen

Über die sexuelle Belästigung mit Eltern, Geschwistern und FreundInnen zu reden, basiert auf großem Vertrauen und der Erwartung, dass die Entrüstung über das Geschehene von jemanden geteilt wird, und in der erhofften Versicherung, die Situation nicht selbst verschuldet zu haben. Die Eltern, Geschwister und FreundInnen erfüllten in den meisten Fällen diese Erwartungen, wie die folgenden zwei Zitate belegen:

Meine Mama hat mir dann erzählt, dass sie in einer ähnlichen Situation war. (…) Sie hat mich gefragt, wie es mir dabei geht, ob ich jetzt aufhören will oder nicht. Sie hat mir eigentlich auch geholfen, dass ich für mich beschlossen habe, mich davon nicht unterkriegen zu lassen. Ich habe nichts falsch gemacht – das hat sie mir auch gesagt, dass es nicht meine Schuld ist. Das ist gut, wenn man schon dazu tendiert [immer bei sich selbst die Schuld zu suchen]. Also rational gesehen weiß man das eh, dass es nicht die eigene Schuld ist. Sie hat mir dann nochmal bestätigt, dass es überhaupt nichts mit mir zu tun hat und dass es seine Schuld ist. Das hat schon nochmal geholfen, dass man das von außen hört, obwohl es einem natürlich bewusst ist. (Leonie, P 21: 68)

Nina erzählte es ihrer Schwester und ein paar Freundinnen:

Sie haben mich halt im Prinzip auch nur bestärkt in meinem Denken, dass der einfach komisch und notgeil ist. (…) Ich habe ihnen echt alles erzählt, den ganzen Verlauf, und sie waren beide ziemlich schockiert, weil sie haben ihn auch beide gekannt und sie hätten ihn halt ganz anders eingeschätzt, aber geraten haben sie mir nichts. (Nina, P 12: 117)

Mit wenigen Ausnahmen werden den jungen Frauen von Eltern, Geschwistern und FreundInnen keine Ratschläge erteilt, sie hätten sich empört, seien schockiert gewesen und hätten den Täter in Abwesenheit beschimpft. Nur Lillys Schwester fordert sie auf, sich an die Arbeiterkammer zu wenden (P 13: 8), und Studienkolleginnen von Natascha meinen, sie soll den Vorfall dem Rektor melden (P 14: 319). Die beiden jungen Frauen fühlen sich durch diese Aufforderungen etwas unter Druck gesetzt, weil ihnen indirekt die Bürde aufgeladen wurde, durch ihre Meldung andere Frauen vor den sexuellen Belästigungen dieser Männer zu bewahren. Ähnliches passierte in der Gruppendiskussion, an der Lilly beteiligt war (P 7), als einige Teilnehmerinnen insistierten, sie müsse etwas unternehmen, um weitere Belästigungen zu verhindern.

Selten erhielten die Betroffenen Unterstützung von Angehörigen, die über den emotionalen Support hinausging: Die Schwester von Lilly (P 13: 8) – sie arbeitete in derselben Firma – hat den übergriffigen Chef vor den anderen Abteilungsleitern zur Rede gestellt. Kerstins Mutter begleitete sie zum Gespräch mit dem Kasernenkommandanten.

Von Eingeweihten nicht verstanden fühlten sich zwei InterviewpartnerInnen: Als Konrad (P 17: 19) seinem Vater von den Annäherungsversuchen einiger KundInnen erzählte, meinte dieser nur, er solle sie einfach ignorieren. „Von meinem Freund habe ich gar kein Verständnis für die Situation bekommen“, ärgert sich Lena (P 12: 79). Bei Lena war es zunächst so, dass sie die Annäherungen ihres Chefs – gemeinsame Mittagessen, via SMS kommunizieren – als nette freundschaftliche Geste einstufte, erst spät bemerkte sie, dass ihr Vorgesetzter mehr von ihr wollte. Ihre eindeutige Zurückweisung führte schließlich zur Kündigung. In der folgenden Interviewpassage wird deutlich, dass sie sich gerade wegen ihrer Zweifel und Selbstbeschuldigungen mehr Zuspruch von ihrem Freund erwartet hätte:

Also das Merkwürdige war, ich konnte das irgendwie zu dem damaligen Zeitpunkt gar nicht richtig erfassen, was es war. Ich habe auch viel die Schuld bei mir gesucht und das ist letztendlich das, was mich im Nachhinein sehr aufregt. Also wirklich, dass ich damals halt noch so – ich würde sagen – naiv war, also dass er es irgendwie geschafft hat, mir die Schuld daran zu geben, so von wegen, ich hätte das ja provoziert und ich habe es halt in die Richtung auch gezogen und das alles. Und dann ist es auch noch so, dass der Freund irgendwie nicht darauf reagiert und sagt: „Naja, pff, bist jetzt halt gekündigt, das ist eh wurscht.“ (Lena, P 12: 79)

Ein paar Frauen erzählten bewusst den Eltern, den Geschwistern bzw. dem Freund nichts von der sexuellen Belästigung, weil sie fürchteten, diese würden „ausrasten“, eifersüchtig werden oder sich große Sorgen machen (Ilayda, P 8: 42; Leonie, P 21: 106).

Reaktionen auf Institutionenebene

Nur zwei Frauen, Lisa (P 7) und Kerstin (P 14), kontaktierten die Arbeiterkammer. Lisa ließ sich beraten, was sie gegen die Abwertungen und Beleidigungen ihres Chefs unternehmen könne, und war mit dem Gespräch sehr zufrieden. Anders als Kerstin, die gemeinsam mit ihrer Kollegin, die ebenfalls sexuell belästigt worden war, bei der Arbeiterkammer Rat suchte, nach ihrem Empfinden aber rüde abgewiesen wurde.

Kerstin war eine der beiden Frauen, die eine polizeiliche Anzeige erstatteten. Da die andere, Ursula, sich im Gespräch nur noch erinnerte, dass ein Strafverfahren stattfand und ihr der Sachschaden am Handy ersetzt wurde, werden im Weiteren ausschließlich Kerstins Erfahrungen berichtet.

Kerstin erstattete gemeinsam mit einer ebenfalls sexuell belästigten Arbeitskollegin bei einer ihr bekannten Polizistin Anzeige gegen den Lehrlingsausbildner. Die Staatsanwaltschaft beabsichtigte nach der Einvernahme der beiden Opfer, den Fall mangels Beweisen einzustellen. Als der Rechtsanwalt, der sie zunächst im Verfahren vertreten sollte, nichts dagegen unternahm, stellte sich heraus, dass er überwiegend für das Bundesheer, also den Arbeitgeber der Opfer, tätig war. Erst der Wechsel zu einem engagierten Rechtsanwalt veränderte die Situation, er konnte die Einstellung des Verfahrens verhindern. Der zuständige Richter lud laut Kerstin an die hundert Personen als ZeugInnen vor. „Der Richter hat uns zum Glück geglaubt, das war auch nicht so einfach.“ (P 14: 183)

Dann war das ja nicht so einfach, weil so ein Gerichtsvorraum ist ja gar nicht so groß, und da sind dann noch sehr viele von unserer Kaserne gestanden. Viele haben versucht, „Geh' ,nehmt‘s die Anzeige zurück“. Also das war wirklich.... (Kerstin, P 14: 587)

Der Druck, dem die beiden Frauen ausgesetzt waren, ist bei Kerstin heute noch zu spüren. Das Urteil fiel nach ihrem Empfinden zu milde aus: Ihr ehemaliger Lehrlingsausbildner wurde zu einer bedingten Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Außerdem wurde ihm die Lizenz zur Lehrlingsausbildung für fünf Jahre entzogen und er musste die Kosten für die jahrelange Psychotherapie von Kerstin übernehmen. Das Verteidigungsministerium zog schließlich auch Konsequenzen und entließ den Mitarbeiter. Kerstins Anstellung wurde nach Beendigung der Lehrzeit und dem Auslaufen der Behaltefrist nicht verlängert.

Folgen sexueller Belästigung

Für die Täter zeitigten mit Ausnahme des soeben geschilderten Falles die sexuellen Belästigungen keine beruflichen Folgen. Weder kam es zu Versetzungen noch zu sonstigen Sanktionen, während bei manchen Opfern sowohl berufliche als auch gesundheitliche Auswirkungen konstatiert werden können.

Fünf Frauen erwähnen berufliche Konsequenzen in Zusammenhang mit der sexuellen Belästigung: Lena wurde gekündigt, Leonie in eine andere Abteilung versetzt (wo sie dann ihr Praktikum vorzeitig abbrach), und Kerstins Anstellung wurde nicht verlängert. Nina löste das Arbeitsverhältnis selbst: Sie habe ohnehin vorgehabt zu kündigen, der Vorfall habe dies lediglich beschleunigt. Lilly schließlich wurde zwar eine Lehrstelle angeboten, die sie aber aufgrund von bereits beim Vorstellungsgespräch erfolgten sexuellen Belästigungen eines Vorgesetzten nicht annehmen kann.

Die sexuellen Belästigungen sind für einige Frauen lediglich „nervig“ (Inge, P 10: 127) bzw. haben sie sich eine „dicke Haut“ (Nina, P 12: 184; Ursula, P 12: 187) zugelegt. Je länger und häufiger sie jedoch sexueller Belästigung im Arbeitsumfeld ausgesetzt waren, desto deutlicher traten die psychischen Belastungen in Erscheinung. Bei einigen jungen Frauen stellte sich nach der Kündigung „eine unglaubliche Erleichterung“ ein, erst da hätten sie bemerkt, wie „extrem belastend“ die Situation für sie gewesen sei (Lena, P 12: 80; siehe auch Leonie, P 21; Ursula, P 12). Lilly ist während ihres viermonatigen Praktikums drei Mal im Krankenstand:

Er hat mich so genervt. Ich konnte einfach nicht mehr. Bin oft in Krankenstand gegangen. Dreimal insgesamt. In der Früh war es so eine Qual, da hinzugehen. Ich habe mir vorgestellt, was heute wieder ablaufen wird. (Lilly, P 13: 52)

Durch die jahrelangen sexuellen Belästigungen des Lehrlingsausbildners erkrankte Kerstin an schweren Depressionen, die sie nur mit Medikation und einer langfristigen psychotherapeutischen Behandlung in den Griff bekam. Schließlich zog sie in einen anderen Bezirk, um den ehemaligen Kollegen nicht mehr so häufig über den Weg zu laufen.

Im Nachhinein und in Zukunft

Wir fragten die jungen Frauen und Männer mit Belästigungserfahrungen, wie sie heute, mit etwas zeitlichem Abstand, reagieren würden. Würden sie anders handeln und wenn ja, welche Schritte würden sie setzen? Was raten sie Opfern sexueller Belästigung? Jene, die keine entsprechenden Erfahrungen machen mussten, fragten wir danach, was sie im Fall von sexueller Belästigung tun und an wen sie sich wenden würden.

Gleich und doch anders

Der Großteil der befragten Opfer ist retrospektiv relativ zufrieden mit dem eigenen Verhalten. Die Zufriedenheit rührt aus der Reflexion der Möglichkeiten, die ihnen zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung standen, und den gegebenen Abhängigkeitsverhältnissen. Gleichzeitig erklären sie, dass sie heute – älter, reifer und selbstsicherer geworden, aber auch stärker sensibilisiert – unmittelbarer und direkter bzw. vehementer reagieren würden.

Ich würde, egal, ob das jetzt ein großer oder kleiner Betrieb ist, sofort was machen. Ich würde sofort zu ihm hingehen und ihm sagen, das ist sexuelle Belästigung, was du da machst, und ich könnte dich dafür anzeigen. Gleich stark zeigen, nicht schwach zeigen, weil dann geht es gleich Monate lang. (Lilly, P 13: 58)

Judith: Ich hätte eher, also jetzt im Nachhinein, wenn ich es jetzt noch einmal erleben würde, dann würde ich sehr schnell sagen, dass das nicht geht, dass das zu viel ist. (…)

B: Aber glaubst du, das hat damit zu tun, dass du jetzt älter bist und dich mehr traust?

Judith: Ähm, ich glaube, weil ich einfach viel sensibilisierter bin für diese Themen. Aber auch natürlich mit dem Alter, aber ich glaube, vor allen Dingen deswegen. (Judith, P 15: 360 ff.)

I: Gibt es im Rückblick heute, zwei bis drei Jahre später, irgendetwas, was Du anders machen würdest?

Leonie: Ja. Ich denke, dass ich es auf jeden Fall, nicht nur in der Situation, anders machen würde. Ich glaube, ich würde von Anfang an zeigen, dass ich selbstbewusst bin. Ich glaube schon, dass es einen Unterschied macht, welche Signale man sendet. Also ob man signalisiert: „ich versuche es jedem recht zu machen“ oder ob man selbstbewusst rüberkommt. Und ich glaube, dass ich in der Situation selber versuchen würde stärker zu reagieren. (…) Ich glaube, mittlerweile wäre ich schon so weit, mich zu wehren, auch wenn es nur verbal ist. (Leonie, P 21: 240ff.)

Andere, wie etwa Nina, würden sich vor allem aus Verantwortung gegenüber potentiellen weiteren Opfern des Belästigers anders verhalten:

Das einzige, was ich jetzt im Nachhinein vielleicht ändern würde, ist, dass ich dem Geschäftsführer, der mich nach Einreichung der Kündigung angerufen hat, vielleicht doch etwas sagen hätte sollen. (…) Darüber habe ich eigentlich mehr nachgedacht als über die Situation selbst. Weil ich mir dann gedacht habe, ich war vielleicht stark genug, dass ich das nicht so an mich herangelassen habe, aber eine andere macht es vielleicht wirklich fertig. Und sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. (…) also das ist das einzige, wo ich sage, das würde ich vielleicht jetzt im Nachhinein ändern und das würde ich auch raten, dass so etwas nicht ungesagt bleibt. Auch wenn man selbst vielleicht nichts mehr davon hat. Aber wenn der das einmal macht, dann macht er das vielleicht bei der nächsten, die ihm gefällt, wieder. (Nina, P 12: 206)

Die vielen „vielleicht“ in diesem Zitat deuten jedoch auch darauf, dass Nina und den anderen Belästigungsopfern bewusst ist, dass das tatsächliche Handeln situationsbedingt ist und von den sonstigen Rahmenbedingungen abhängt.

„Das würde ich auch raten, dass so etwas nicht ungesagt bleibt“

Auf die Frage, was sie Opfern von sexueller Belästigung raten würden, ist die durchgängige Antwort „reden“, „sich jemanden anvertrauen“; reden mit der besten Freundin, mit einer vertrauenswürdigen Arbeitskollegin, rät Sabine (P 15), der es lange schwer gefallen ist, das Erlebte zu thematisieren. Sich Verbündete suchen, ist eine weitere Strategie, die mehrfach empfohlen wird.

Sich immer Verbündete suchen, das ist wichtig. Auch wenn man vielleicht gar nicht so viel ausrichten kann, in einem gewissen Umfeld, dann hat man aber trotzdem ein gutes Gefühl, dass jemand hinter einem steht, und dass einem irgendwie bestätigt wird, dass er einen „Schaden“ hat. (…) Damit man das auch abschließen kann. Dass man die eigenen Zweifel irgendwie ausräumt, dass er den „Schaden“ hat und nicht ich. (Lena, P 12: 205)

Ursula ergänzt diese Überlegung um einen weiteren Aspekt. Sie meint, dass es eventuell hilfreich sein könne, sich einen männlichen Verbündeten zu suchen.

Ich kann mich dem mit den Verbündeten nur anschließen. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist. Das war ja auch bei mir dann der ausschlaggebende Grund, wirklich aktiv zu werden. Dass man da einfach jemanden hat, der einen unterstützt, der nicht nur sagt "ja, ist eh nichts", sondern der sich ein bisschen für einen stark macht und sich auch empört darüber. Ich hab manchmal das Gefühl, wenn der Verbündete ein Mann ist, dann gibt einem das noch mehr Sicherheit. Also wenn dann ein Mann sagt: „Ja, das war ein Schmarrn“ oder so, „ich schäme mich auch dafür und sowas geht nicht“. Das hat mir damals noch mehr Sicherheit gegeben, weil das ist jetzt nicht nur „deine weibische Ansicht“, deine Überreaktion und Empfindlichkeit. Sondern dass es für alle Seiten eindeutig war, dass das eine Übertretung war, die einfach nicht sein darf. Das hat mir dann auch geholfen. Das hat einen Unterschied gemacht, für mich. (Ursula, P 12: 208)

Natascha (P 14: 311) rät (potentiellen) Opfern, „so viel Hilfe wie möglich anzunehmen“. Im Wiederholungsfalle plädieren einige dafür, die Vorgesetzten einzuschalten und darüber hinaus juristische Schritte zu setzen (P 21; P 17).

Was tun im Falle, dass…

Gefragt nach dem hypothetischen Vorgehen im Falle einer sexuellen Belästigung meinen die Jugendlichen ohne Belästigungserfahrung, dass sie zunächst den Täter/ die Täterin auffordern würden, es zu unterlassen. Sollte dies keine Wirkung zeigen, würden sie sich an die Vorgesetzen werden. Die Frage der Gesprächsleiterin, ob ein solcher Übergriff für sie nicht schambesetzt und daher nicht so einfach zu thematisieren sei, wird von den männlichen Jugendlichen empört zurückgewiesen. Es gebe keinen Grund, warum sie sich für einen von jemand anderem begangenen Übergriff schämen sollten (P 17: 23).

Die Jugendlichen in der überbetrieblichen Lehrausbildung führen zudem die SozialpädagogInnen in der Einrichtung als Ansprechpersonen an, wobei manche die Trainer, die sie als Chefs titulieren, und andere die SozialpädagogInnen präferieren würden.

Ich würde mich an die Sozialpädagogin wenden, weil die erzählt das nicht gleich herum. Sie holt außerdem von dir die Zustimmung ein, ob sie etwas an den Ausbildner oder den Chef weiterleiten darf. (Pertev, P 19: 15)

Von diesen Jugendlichen werden nach längerem Nachdenken schließlich noch der Schülervertrauensrat bzw. der Jugendvertrauensmann im Betrieb als mögliche Ansprechpersonen bei sexueller Belästigung genannt (P 18; P 19).

Zwei junge Männer, die samstags bei großen Lebensmittelketten jobben, erachten die betriebsinterne Hotline für MitarbeiterInnen als eine Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen (Ramadan und Konrad, P 17).

Betriebsrat, Gewerkschaft, Arbeiterkammer wurden sporadisch als mögliche Anlaufstellen genannt, gleichzeitig wurde bezweifelt, dass diese bei sexuellen Belästigungen durch KundInnen tatsächlich helfen könnten (P 17).

Auf Nachfrage meinten die jungen Männer und Frauen, sie könnten sich auch vorstellen, Beratungseinrichtungen aufzusuchen, kannten aber keine einschlägigen.

Im folgenden Kapitel ergänzt die Außensicht von ExpertInnen die Erfahrungen unserer InterviewpartnerInnen. Dabei wird deutlich, dass es zwar viele Übereinstimmungen gibt, dass aber insbesondere Aspekte des Allein-Seins, des Alleingelassen-Werdens der Betroffenen von manchen ExpertInnen nicht in ihrer vollen Tragweite gesehen werden.



[3] Der Begriff Täter/ Täterin wird in dieser Studie nicht im strafrechtlichen Sinn verwendet – das würde eine strafrechtliche Verurteilung voraussetzen –, sondern ist der Alltagssprache entnommen.

Interviews mit ExpertInnen

Der Schwerpunkt der Interviews mit ExpertInnen lag zum einen auf ihren Wahrnehmungen betreffend sexuelle Belästigungen von Lehrlingen/ jungen DienstnehmerInnen (z.B. Bewusstsein für sexuelle Belästigung, Spezifika, Hilfesuchverhalten),

zum anderen auf ihren Einschätzungen zur Gleichbehandlungskommission bzw. zu Verfahren am Arbeits- und Sozialgericht.

Unter den dreizehn GesprächspartnerInnen befanden sich zwei Vertreterinnen der AK Wien bzw. Oberösterreich, eine Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt, zwei stellvertretende Gleichbehandlungsbeauftragte der Stadt Wien, ein Richter eines Arbeits- und Sozialgerichts, ein Vertreter des Klagsverbandes, eine leitende Mitarbeiterin von Wien Work, zwei Mitarbeiterinnen in Beratungsstellen, der Leiter des Projekts „Tatort Arbeitsplatz“ der Gewerkschaft vida, eine Vertreterin der Managementebene einer Hotelkette sowie ein psychosozialer Prozessbegleiter, der in seiner Arbeit vor allem mit Burschen zu tun hat.

Was will das Opfer?

Die ExpertInnen nehmen unterschiedliche Motive für ein Sich-Wehren von Betroffenen wahr. So wies eine Interviewpartnerin darauf hin, dass es meist um das Sichtbar-Machen des Übergriffs, um das story telling gehe, und sah darin auch den Grund, dass Frauen in erster Linie ein Feststellen des erlittenen Übergriffs durch die Gleichbehandlungskommission wollten – die Einforderung von Schadenersatz, die den Gerichtsweg voraussetze, sei den meisten deutlich weniger wichtig.

Andere hatten die Erfahrung gemacht, dass Opfer von sexuellen Übergriffen zu etwa gleichen Teilen „nur wollen, dass es aufhört“ bzw. eine Reaktion des Vorgesetzten oder Kollegen wie etwa eine Entschuldigung erwarteten, oder aber, dass sich Frauen dahingehend Gerechtigkeit wünschten, dass „der Täter den Job verlieren soll“ (was sich allerdings eher in das Gegenteil verkehre, weil meistens das Opfer „geht oder gegangen wird“). In den Unternehmen, die betriebsintern Vorkehrungen für die Untersuchung von Belästigungsvorwürfen und entsprechende Sanktionierungen treffen, wählen betroffene Arbeitnehmerinnen fast ausschließlich den ersten Weg; niemand erinnerte sich, dass sich eine Beschwerdeführerin nach der internen Entscheidung zusätzlich an die Gleichbehandlungskommission oder an das Gericht gewendet hätte. Bei schweren Übergriffen komme es durchaus zu Kündigungen oder sogar Entlassungen, bei weniger schweren seien viele Opfer mit einer „offiziellen“ Entschuldigung (z.B. im Beisein von KollegInnen oder des Betriebsrates) zufrieden; wenn der Täter etwa außerdem zur Teilnahme an einem Diversity-Seminar verpflichtet werde, werde dies immer sehr begrüßt.

Einigkeit bestand dahingehend, dass Opfer eher kein Interesse an Gerichtsverfahren hätten, weil ihnen das sehr viel Energie abverlange, und das für Schadenersatz „in der Höhe von nur 1000 Euro“. Nicht zuletzt seien sie vor Gericht sehr exponiert und wehrlos, wenn z.B. der Gegner behaupte, sie wolle sich an ihm für eine Zurückweisung rächen und damit das Opfer zur Täterin gemacht werde. Eine Interviewpartnerin hatte darüber hinaus beobachtet, dass zunehmend Gegenklagen wegen Rufschädigung oder Verleumdung erfolgen würden.

Warum werden Übergriffe nicht öffentlich gemacht?

Ein zentraler Grund für das Nicht-Ansprechen von sexuellen Belästigungen ist die gesellschaftliche Tabuisierung des Themas Sexualität – wenn sexuelle Grenzverletzungen und Übergriffe auch in erster Linie Machtausübung und Demütigung bedeuten und wenig mit Sexualität zu tun haben. Von fast allen ExpertInnen wurde dieses Tabu wahrgenommen und angesprochen: Es sei der Grund dafür, dass Jugendlichen das Bewusstsein für die Problematik fehle. Gleichzeitig meinte eine in der Beratung tätige Interviewpartnerin, dass sexuelle Belästigung mittlerweile bereits ein Schulthema geworden sei, und stellte fest, dass „sogar Zehnjährige, Zwölfjährige den Begriff verwenden“, wenn sie in dieser Altersgruppe auch vermute, dass er nicht verstanden werde. Aus ihrer und der Sicht des befragten Richters werde sexuelle Belästigung teilweise ebenso inflationär verwendet wie Mobbing oder Burnout, was dazu führe, dass der Begriff seine Aussagekraft verliere.

Einer Expertin zufolge wollten vor allem junge Frauen „kein großes Tamtam“ und sie ergänzte, das betreffe in besonders starkem Maß Migrantinnen, die Angst vor der Reaktion zu Hause bzw. der Community hätten, wenn sie einen Übergriff thematisierten. Das spiegelt sich in deren geringem Anteil bei den bekannt werdenden Fällen wider, was nicht mit einer geringeren Betroffenheit in Zusammenhang gebracht wurde, sondern mit einer noch stärkeren Tabuisierung des Themas in der Community.

Gerade für jüngere Mädchen spiele zudem eine Rolle, dass sie sich vor einer Konfrontation mit dem Täter fürchteten und dies vermeiden wollten. Es sei schwierig für sie, Grenzverletzungen eindeutig als solche zu erkennen, und sie seien daher verunsicherbar, wenn ihnen vorgehalten werde, sie hätten ja „freiwillig mitgemacht“.

Abgesehen von dieser allgemeinen Einschätzung wurde in den Interviews fast durchgängig auf die prekäre Situation von Lehrlingen Bezug genommen, die vom Chef oder einem Ausbildner sexuell belästigt werden: Wehren sie sich, müssen sie sich eine neue Lehrstelle suchen (was im Fall der Belästigung durch Kollegen nicht zwangsläufig der Fall ist). Eine abgebrochene Lehre mache „keinen guten Eindruck“ und es sei fast nicht möglich, für nur ein paar fehlende Monate eine Lehrstelle zu finden. Erschreckend sei, dass wegen dieser Probleme erst bei massiveren körperlichen Übergriffen ein Sich-Wehren erfolge. Ein Interviewpartner empfand es sogar als „echt gefährlich“, sexuelle Belästigungen anzusprechen, weil das sofort Rechtfertigungs- und Erklärungsdruck erzeuge.

Wer sind die Vertrauenspersonen?

Die ExpertInnen sind sich einig, dass bei den Jüngsten, also vor allem bei minderjährigen Lehrlingen, am ehesten die Eltern von Übergriffen erfahren, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven heraus: entweder, weil die Mädchen zu ihren Müttern/ den Eltern ein gutes Verhältnis haben, oder auch, weil sie sehr stark kontrolliert werden und sich nichts vor ihnen geheimhalten lässt. Häufig intervenieren die Eltern dann am Arbeitsplatz, kontaktieren den Vorgesetzten der Tochter und suchen Beratungseinrichtungen wie etwa die Arbeiterkammer auf.

Ältere Betroffene wenden sich eher an die beste Freundin, teilweise auch an den Freund.

Der Prozessbegleiter, der vor allem zur Situation von Burschen befragt wurde, betonte, diesen fehle meist das Selbstbewusstsein, um sich Fremden anzuvertrauen, Übergriffe würden eher bekannt, weil sich ein Opfer „verplappere“, zum Beispiel, wenn es zu viel getrunken habe, und so würden die Mutter oder die Freundin darauf aufmerksam.

Betriebsrat, Gewerkschaft und Personalvertretung haben keine Vertrauensstellung, das sind „ältere Leute“, die aus Sicht der Betroffenen möglicherweise mit dem Täter klüngeln und denen Parteilichkeit mit dem Chef/ Unternehmen zugeschrieben wird. Stärker angenommen werden anscheinend „Vertrauensfrauen“, die es in vielen großen Firmen gebe. Hilfe bei firmeninternen BeraterInnen zu suchen sei oft problematisch, weil diese nicht grundsätzlich Stillschweigen gegenüber der Firmenleitung zusagen könnten, die Betroffenen „aber nur reden und nichts machen“ wollten. Informationen über einen übergriffigen Ausbildner z.B. könnten aber nicht zurückgehalten werden.

Einen besseren Ruf hat in der Wahrnehmung der ExpertInnen die Arbeiterkammer, hier gebe es die Erwartung „die AK hilft mir“, wenn auch in erster Linie in Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Konflikten betreffend den Lohn oder Überstunden. Ein Pluspunkt der Arbeiterkammer liege wohl auch darin, dass es sich dabei um eine externe Einrichtung handelt.

BeraterInnen in der Arbeiterkammer machen immer wieder die Erfahrung, dass Betroffene selbst oder deren Eltern einmalige persönliche oder telefonische Beratungen wahrnehmen, sich danach aber nicht mehr melden, nichts weiter unternehmen und „das Ganze einschlafen lassen“. Für eine Expertin hat das auch damit zu tun, dass viele Mädchen große Angst vor einer Konfrontation mit dem Täter hätten – und ihrer Erfahrung nach würden sie eine solche tatsächlich nicht durchstehen.

Von der unterschwelligen zur manifesten Belästigung

Aus Sicht aller Befragten erfolgen sexuelle Belästigungen nicht völlig überraschend, sondern es werde zunächst ein Klima dafür geschaffen, Belästigungen würden unterschwellig beginnen und sich steigern. Ein zunächst willkommener Flirt, auf den sich das spätere Opfer einlasse, könne zu verbalen Belästigungen führen, zum Bombardiert-Werden mit Emails, zu unerwünschten Berührungen. Gleichsam unabsichtlichen Berührungen gingen im Regelfall verbale Grenzverletzungen voraus. Latente sexuelle Belästigungen, die in der Runde der KollegInnen fallen, nehme das spätere Opfer, das sich oft in einer abhängigen Position befinde, zunächst hin und könne sich dann gegen massiver werdende Aufdringlichkeiten nur schwer zur Wehr setzen. Einer der Experten nahm eine „logische Entwicklung“ wahr, die mit Belästigungen und Annäherungsversuchen beginne, gefolgt vom Herstellen „grenzwertiger Situationen“ – insbesondere für ein Opfer, das sich in Abhängigkeit vom Täter befinde, sei es in dieser Phase schon sehr schwierig, die Grenzüberschreitung zu benennen und deren Beendigung einzufordern.

Eine Gesprächspartnerin betonte mit Blick auf Mädchen in männlich dominierten bzw. „Männerberufen“, dass diese sexuelle Belästigungen, solange sie nicht massiv seien, „abspalten“ würden. So hingen in den Werkstätten häufig Plakate mit Pin-up-Girls, die ihr selbst sehr negativ auffallen würden, die Mädchen aber auch auf Nachfrage nicht störten: Das habe nichts mit ihnen zu tun.

Einmal wurde angemerkt, dass Belästiger meistens Wiederholungstäter seien und es sich bei Übergriffen selten um Einzelfälle handle. Gleichzeitig werde im Regelfall nur ein Opfer belästigt, manchmal zwei im selben Zeitraum.

Im Übrigen agierten Täterinnen genauso wie Täter, unabhängig davon, ob das Opfer männlich oder weiblich sei. Auch sie würden Flirts „zu weit ausdehnen“, lautstark über ihre Sexualpraktiken sprechen, ihr Opfer berühren, obwohl das sichtlich unerwünscht sei. Offenkundig sind im Pflegebereich Übergriffe besonders häufig – beispielhaft sei etwa das Vorstellen eines Zivildieners durch das Pflegepersonal bei Patientinnen mit Formulierungen wie: „Da hab ich euch einen besonderen Leckerbissen mitgebracht.“

Risikofaktoren

Die ExpertInnen sind sich einig, dass Lehrlinge besonders gefährdet sind, Übergriffe zu erleben: Sie sind die Jüngsten im Betrieb, sind unerfahren und befinden sich in der Hierarchie ganz unten. (Unterschiedliche Auffassungen gab es hinsichtlich der Vulnerabilität älterer Frauen: Während die einen sie für „wehrhafter“ hielten, meinten andere, die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes habe auch bei ihnen Verschweigen zur Folge.)

Als die anfälligsten Berufssparten – und zwar nicht nur in Hinblick auf Lehrlinge – wurden das Gastgewerbe, aber auch Friseurbetriebe, der Gesundheitsbereich und der Handel genannt. In erster Linie seien die TäterInnen KundInnen/ KlientInnen; aus Sicht eines Gesprächspartners erfolgten Übergriffe im Gastronomiebereich aber vor allem durch Vorgesetzte und KollegInnen, wahrscheinlich aufgrund des hohen Stresslevels. In einem Gespräch wurde die Vermutung geäußert, dass sich Frauen in Männerberufen „eine dickere Haut zulegen“ würden – was wohl bedeutet, dass es dort zwar zu Übergriffen kommt, diese Frauen aber weniger „wehleidig“ sind und nicht dauernd jammern.

Wenn auch bei den ExpertInnen weitgehend Einigkeit dahingehend besteht, dass es eher in kleineren Betrieben als in großen zu Belästigungen komme, ist zu vermuten, dass sich die Betriebsgröße weniger auf die Häufigkeit von Übergriffen, sondern insbesondere auf deren Sichtbarkeit auswirkt. Als Argument wurde die direkte Abhängigkeit der Beschäftigten vorgebracht, aber auch die Tatsache, dass sowohl unter MitarbeiterInnen als auch zwischen Beschäftigten und Chef die persönlichen Beziehungen enger seien und das „Freundschaftliche“ dann in eine Belästigung kippe. (Gleichzeitig wurde kleinen Betrieben zugutegehalten, dass sie „die Mädchen manchmal auch richtig in die Familie aufnehmen“ würden.) Ein zusätzlicher Nachteil in kleinen Betrieben sei, das sich dort keine „Lösungen“ finden ließen, im Regelfall müsse das Opfer gehen, wogegen in einem größeren manchmal eine Versetzung erfolge. Nur die beiden befragten Wiener Gleichbehandlungsbeauftragten konnten nicht bestätigen, dass kleinere Abteilungen für Übergriffe anfälliger seien.

Der Umschwung von einem freundschaftlich-kollegialen Umgang zu sexuellen Belästigungen erfolge häufig, wenn KollegInnen nach der Arbeit gemeinsam „etwas trinken gehen“, auf der betrieblichen Weihnachtsfeier oder dem Betriebsausflug. Das liege sicherlich am Alkoholkonsum, aber auch die Haltung „in der Freizeit kann ich tun, was ich will“ spiele eine Rolle.

Übergriffe erfolgten manchmal auch durch Vorgesetzte „vom Typ alter Patriarch“: „Der demütigt die Lehrlinge, die nicht parieren, und die besonders feschen werden sexuell belästigt.“ Dass in der Lehrlingsausbildung gerade ältere Mitarbeiter eingesetzt würden, ermögliche ihnen dann leichten Zugang zu ihren Opfern.

Schließlich hatte eine Expertin die Erfahrung gemacht, dass vor allem Mädchen, die schon Missbrauchserfahrungen hätten, Opfer von sexuellen Belästigungen würden.

Ein „Risiko“ auf einer ganz anderen Ebene besteht für junge Frauen mit Lernschwierigkeiten. Einer Gesprächspartnerin zufolge komme es in betreuten Werkstätten immer wieder zu sexuellen Belästigungen durch Kollegen, der Grund dafür liege darin, dass sowohl den Opfern als auch den Tätern ein offener Umgang mit Sexualität verwehrt werde. Sexualität werde in ihrem Umfeld verschwiegen, die jungen Erwachsenen hätten keine Informationen über Sexuelles und keine Möglichkeit, ihre Sexualität positiv zu erleben, weshalb sie diese dann manchmal sehr bedrängend ausleben würden. (Manchmal kämen auch Lehrpersonen in eine schwierige Situation, wenn die Auszubildenden sehr bedürftig seien und Körperkontakt benötigten, aber kein falsches Naheverhältnis entstehen solle, aus dem heraus sich dann möglicherweise Verliebtheit bei der/ dem Jugendlichen entwickle.)

Exkurs: Burschen als Opfer von Belästigungen

Unter männlichen Jugendlichen gebe es einen spezifischen „Opfertypus“: bedürftige Jugendliche, die aus sehr deprivierten Verhältnissen stammen und schon früh Gewalt erlebt haben. Ihre Multiproblemsituation ist auch dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht in einer Familie leben, die sich um sie kümmert, und über kein soziales Netz verfügen, weswegen Übergriffe lange nicht bekannt werden. Prekäre Arbeitsverhältnisse erhöhten die Vulnerabilität der Burschen.

Um mehr Einblick in die Situation von Burschen zu erhalten, erfolgte ein Gespräch mit einem Prozessbegleiter, der außerdem mit therapiebedürftigen Burschen arbeitet und der einen Gesprächskontakt zu einem Burschen vermitteln konnte, der sexuelle Belästigungen erfahren hatte (siehe P 16). Er erinnerte sich an einen Fall, der ca. im Jahr 2000 öffentlich bekannt wurde, bei dem zehn in einem Kinderheim lebende Burschen in arbeitsähnlichen Verhältnissen missbraucht wurden: Verschiedene Firmeninhaber, darunter z.B. eine Kleiderreinigung, boten dem Kinderheim an, Jugendliche stundenweise als Praktikanten zu beschäftigen, um Arbeitserfahrungen sammeln zu können. Tatsächlich mussten sie aber nicht nur bei ihren „Chefs“ zuhause putzen, sondern es kam auch zu sexuellen Übergriffen.

Der Interviewpartner betonte, dass es für Burschen generell schwieriger sei als für Mädchen, sich jemandem anzuvertrauen, weil sie immer noch „cool“ sein müssten, für Mädchen sei es leichter, „Hilfe zu brauchen und anzunehmen“. Dazu komme bei Burschen als ein wichtiger weiterer Unterschied das Tabu Homosexualität: Sie schämen sich und als eine Strategie des victim blaming vermitteln ihnen die Täter, sie seien selbst am Vorgefallenen schuld („Du hast ja eh eine Erektion gehabt.“).

Übergriffe gegen Burschen erfolgten allerdings weniger durch homosexuelle, sondern durch sexuell indifferente Täter: Männer mit einer unsicheren Sexualität und Selbstwertproblemen, die deshalb gleichgeschlechtliche Partner vorziehen, sich aber nicht als homosexuell empfinden würden. Seltener seien Täter pädosexuell, bei ihren Opfern handle es sich jüngere, noch kindlich-naive Burschen. Wie bei weiblichen Opfern gehe es bei den Übergriffen immer um Macht und Erniedrigung, sexuelle Befriedigung könne aber durchaus eine Rolle spielen.

Ein weiterer Grund für das Schweigen der Opfer ist das Bestehen einer Opfer-Täter-Allianz: Das Opfer hat selbst etwas Verbotenes getan, daher glaubt es – und wird vom Täter darin bestärkt –, keine Möglichkeit mehr zu haben, Hilfe zu holen. Im von diesem Experten vermittelten Interview (P 16) ist das Funktionieren dieser Falle gut nachvollziehbar.

Die anderen GesprächspartnerInnen hatten kaum oder zum Teil keine Erfahrungen mit männlichen Opfern von sexuellen Belästigungen. Einer erinnerte sich über einen längeren Zeitraum hinweg an zwei Vorfälle in einer „männerlastigen“ Sparte, bei denen jeweils ein homosexueller Arbeitnehmer einen Kollegen belästigte. In einem anderen Interview wurde darauf hingewiesen, dass männliche Täter Burschen gegenüber oft stärker gewalttätig seien und dem Opfer z.B. zwischen die Beine schlagen würden – dies mache den Aspekt der Erniedrigung noch viel deutlicher als bei Übergriffen gegenüber Mädchen und Frauen. Wenn Frauen Übergriffe setzten – in beiden berichteten Fällen eine Vorgesetzte – hatte eine Interviewpartnerin zwei völlig unterschiedliche Reaktionen erlebt: Der eine Mann war zunehmend verzweifelt und depressiv, der andere gab nach einiger Zeit bekannt: „Ich hab‘ sie flachgelegt, jetzt ist Ruhe.“

Rechtliche Möglichkeiten

Auf der rechtlichen Ebene bestehen keine Spezifika, die junge Opfer betreffen würden, es soll hier aber die generelle Einschätzung der InterviewpartnerInnen über Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission wie auch vor dem Arbeits- und Sozialgericht wiedergegeben werden, um ein umfassendes Bild von Möglichkeiten bzw. Behinderungen zu zeichnen.

Die Mehrzahl der InterviewpartnerInnen hält die Gleichbehandlungskommission (GBK) für wichtiger als das Arbeits- und Sozialgericht: Sie ist niederschwellig, den Betroffenen entstehen keine Kosten und – ein sehr schwerwiegendes Argument – die Mitglieder der Kommission sind ExpertInnen, die einerseits für das Thema sensibilisiert sind und andererseits aufgrund ihrer langjährigen Praxis gewisse Muster auf Seiten der ArbeitgeberInnen durchschauen. Deshalb sei auch die Atmosphäre „eine ganz andere als bei Gericht“.

Dass die GBK keine Entschädigung zusprechen kann, erachten manche als nur geringen Nachteil, weil die bei Gericht zugesprochenen Beträge ohnehin „eher symbolischen Charakter“ hätten. Das große Problem bei der GBK sei die durch mangelnde Ressourcen bedingte Verfahrensdauer: Sie betrage häufig mehr als zwei Jahre, ein Gerichtsverfahren dagegen üblicherweise nur wenige Monate (bis maximal ein Jahr). Außerdem sei für WienerInnen der Zugang zur in Wien eingerichteten GBK einfacher als für Personen aus den anderen Bundesländern – positiv angemerkt wurde in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, Einvernahmen über Skype durchzuführen, um Verfahren zu beschleunigen.

Ausschließlich der Klagsverband plädiert dafür, den Gerichtsweg direkt, ohne vorherige Befassung der GBK zu beschreiten: Nach dem lang dauernden Verfahren vor der GBK hätten Betroffene nicht mehr die Kraft, mit ihrer Schadenersatzforderung vor Gericht zu gehen.

Die Arbeiterkammer als Vertreterin von Betroffenen agiert nicht in allen Bundesländern dahingehend einheitlich, dass Opfer von sexuellen Belästigungen grundsätzlich zunächst zur GBK oder zu Gericht geschickt werden. Laut der Interviewpartnerin aus der AK Oberösterreich sei der erste Schritt bei allen Betroffenen, auch bei Lehrlingen, der Versuch, einen außergerichtlichen Vergleich zu erzielen, und nicht selten zahle ein Belästiger tatsächlich. Werde das Vergleichsangebot nicht wahrgenommen, müsse zum einen abgeklärt werden, ob das Opfer zu einem Gerichtsverfahren bereit sei, und zum anderen, ob der Fall über genügend Substanz für die Gewährleistung von Rechtsschutz verfüge, ob also ein Erfolg im Verfahren zu erwarten sei. Seltener bringe man einen Fall bei der GBK ein, nämlich bei Vorliegen einer rechtlicher Unsicherheit: Sei diese geklärt, könne man mit dem Ergebnis zu Gericht gehen. Wegen der extrem langen Verfahrensdauer bei der GBK wähle man diesen Weg derzeit allerdings nur selten. Dasselbe gilt für die AK Wien: Früher wurde der Rechtsweg nur dann von vorneherein beschritten, wenn die Chancen bei Gericht gut schienen, tendenziell seien Betroffene zunächst zur GBK geschickt worden – aktuell erfolge dies seltener.

Während mit Blick auf die GBK v.a. ein Manko, nämlich die extrem lange Verfahrensdauer von gelegentlich bis zu drei Jahren, immer wieder angesprochen wurde, gibt es gegenüber den Verfahren am Arbeits- und Sozialgericht mehrere Kritikpunkte. Vereinzelt werden auch diese Verfahren als zu lang empfunden, gewichtiger sind aber andere Vorwürfe:

  • Strafhöhe: Häufig werde dem Opfer nur der gesetzlich vorgesehene Mindestbetrag von 1000 Euro zugesprochen, für langfristige Übergriffe gebe es maximal 3000 Euro; die Festlegung der Höhe des Schmerzensgeldes erfolge „über den Daumen“.

  • Versetzungen: Häufiger als der Täter werde das Opfer versetzt.[4]

  • Erfahrungswerte: Wegen der geringen Zahl von anfallenden Verfahren fehlt den RichterInnen die Möglichkeit, typische, sich wiederholende Argumente und Strategien der Beschuldigten als Ausreden zu erkennen.

  • Opferschutz: Die zuständigen RichterInnen wüssten nicht über Gewaltdynamiken, Traumatisierungen u.ä. Bescheid, weshalb immer wieder Retraumatisierungen von Opfern mit früheren Missbrauchserfahrungen erfolgten. Retraumatisierte Opfer mit den typischen Reaktionen Ausrasten oder Dissoziation würden dann als „nicht glaubhaft“ wahrgenommen, psychologische Gutachten dazu würden nie eingeholt. Außerdem wisse kaum ein Richter/ eine Richterin, dass im ASG-Verfahren kontradiktorische Einvernahmen[5] möglich seien.

Der befragte ASG-Richter widerspricht dem nur teilweise. Er kritisiert ebenfalls die generell im Anti-Diskriminierungsrecht vorgesehenen geringen Strafhöhen und auch er empfindet die Verfahren als „unangenehm, sehr untergriffig“. Seiner Wahrnehmung nach ist aber in der Richterschaft das Anti-Diskriminierungsrecht mittlerweile gut verankert (bei seiner Einführung 2004 habe es dafür nur Unverständnis gegeben), die jungen RichterInnen sind kompetent, sie haben die Materie inzwischen im Studium und in der Ausbildung gelernt.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft sieht das kritischer. Das Gleichbehandlungsgesetz komme aus dem angloamerikanischen Schadenersatzrecht, entspreche also nicht unserem Rechtssystem und bedeute einen Bruch im juristischen Denken. So setzt etwa im österreichischen Zivilrecht immaterieller Schadenersatz ein persönliches Verschulden voraus, was im Gleichbehandlungsgesetz nicht erforderlich ist. Umso wichtiger sei die Einbeziehung von GleichbehandlungsexpertInnen in die Ausbildung von Richterinnen und Richtern, was im Oberlandesgerichtssprengel Graz durch die Einbindung der Gleichbehandlungsanwaltschaft bereits realisiert wurde. Darüber hinaus strebt die Gleichbehandlungsanwaltschaft Gesetzesänderungen[6] dahingehend an, dass sie im Namen von Betroffenen Klage führen kann, was einerseits ein Abgehen von Einzelfällen bedeuten und andererseits die Betroffenen entlasten würde.

Der ASG-Richter wies darauf hin, dass Verfahren immer wieder durch Vergleiche beendet würden, wenn nämlich die Beklagten das Gefühl bekämen, es könnte für sie „eng werden“ – das Opfer wolle ohnehin in den meisten Fällen die Angelegenheit abschließen. Zusätzliche Bereitschaft für einen Vergleich resultiere aus der schwierigen Beweislage, weil es im Regelfall keine ZeugInnen für die Übergriffe gebe. Größere Unternehmen seien besonders an Vergleichen interessiert und aus Angst vor einer negativen Medienkampagne bereit, Fehler einzugestehen.

Was die Rolle des Betriebsrates bei Verfahren wegen sexueller Belästigung angeht, betonte er dessen Wichtigkeit, sofern er gut funktioniere, also stark sei und als Autorität akzeptiert werde – dann komme es häufig gar nicht zu einem Gerichtsverfahren. In einer schwierigen Situation befinde sich ein Betriebsrat dann, wenn er ArbeitnehmerInnen gegen KollegInnen vertreten müsse, ein Auftreten gegen den „Chef“ sei kein Problem. Und er habe durchaus auch schon Betriebsräte erlebt, die gegen das Opfer aussagten und sie etwa als „hysterisch“ bezeichneten.

Seiner Wahrnehmung nach hätten Opfer, die sich auf ein Gerichtsverfahren einließen, keine Traumatisierung erlebt, weil sie dann nämlich für ein Verfahren keine Kraft mehr hätten. Neben den tatsächlich von Übergriffen Betroffenen habe er auch Opfer erlebt, denen es nicht um Schadenersatz gehe, sondern die „einen Präzedenzfall schaffen“ wollten und teilweise durchaus ein bisschen querulatorisch gewesen seien.

Die anderen ExpertInnen aus dem rechtlichen Bereich/ der Rechtsvertretung sind sich dagegen einig, noch nie Klientinnen „mit erfundenen Geschichten“ oder „Querulantinnen“ erlebt zu haben; eine Gesprächspartnerin erinnerte sich über einen langen Zeitraum hinweg einzig an zwei Frauen, die ihre Darstellungen übertrieben, weil sie in betriebsinternen Auseinandersetzungen instrumentalisiert wurden. Es gebe Opfer, die das Gerichtsverfahren abbrechen, weil es für sie unerträglich sei, aber auch wehrhafte Frauen, die das ganze Verfahren beinhart durchziehen würden. Wenn das Opfer in irgendeiner Form selbst eine aktive Rolle gespielt habe, übernehmen die Rechtsvertretungen den Fall nicht, weil er dann vor Gericht keine Chance habe.

Prävention und Opferunterstützung

Wie auch die Fokusgruppen und Interviews mit Betroffenen bestätigen, ist Voraussetzung für eine Befassung mit dem Thema sexuelle Belästigung, dass die (potentiellen) Opfer ihren Erfahrungen einen Namen geben können, erst dadurch werden sie real. Eine Expertin machte das am Beispiel Rassismus deutlich: „Wenn ich sage ‚hör auf mit deinen rassistischen Bemerkungen‘, dann erschrickt der Sprecher – der hat es vorher vielleicht selbst gar nicht so gesehen“.

Eine zentrale Maßnahme, die darauf aufsetzt, ist Bewusstseinsbildung in Hinblick auf sexuelle Belästigungen und deren Vermeidung bzw. der Umgang damit. Mehrere InterviewpartnerInnen sprachen die Notwendigkeit an, allen Beschäftigten in einem Betrieb zu verdeutlichen, dass Gleichbehandlung zu respektieren ist, und das etwa mit der Formulierung eines Verhaltenskodex‘ zu konkretisieren. Ebenso wichtig ist die Befassung mit dem Thema bereits in der schulischen Ausbildung ebenso wie im Rahmen von Förderangeboten.

Auf drei konkrete Beispiele, die sich in der Praxis bewährt haben, soll hier genauer eingegangen wer-den: den Ethikbeirat von Wien Work, die Anti-Gewalt-Initiativen der Gewerkschaft vida und die Tätigkeit des Büros der Gleichbehandlungsbeauftragten der Stadt Wien. Den Abschluss bildet im Sinne eines positiven Fallbeispiels ein „Erfahrungsbericht“ aus der Hotellerie.

Wien Work – integrative Betriebe und AusbildungsgmbH bildet derzeit rund 160 Lehrlinge, die alle Körper-, Sinnes- oder Lernbehinderungen oder eine chronische Erkrankung haben, in verschiedenen Sparten aus. Laut Schätzung der Geschäftsleitung Personal gab es bisher jährlich ein bis vier Fälle von sexueller Belästigung.[7] Opfer waren ausschließlich Mädchen, die Vorwürfe richteten sich in erster Linie gegen Kollegen, vereinzelt gegen Vorgesetzte bzw. Ausbildner (in den letzten Jahren erfolgten zweimal Beschuldigungen wegen unsittlicher Berührungen[8]).

Vor rund zehn Jahren wurde im Unternehmen ein mit MitarbeiterInnen aus unterschiedlichen Bereichen besetzter Ethikbeirat eingerichtet. Laut Satzung können sich nicht nur sexuell belästigte MitarbeiterInnen an den Beirat wenden, sondern auch Vorgesetzte und AusbildnerInnen, die sich in einer solchen Angelegenheit überfordert fühlen und Beratung einholen wollen. Für die Untersuchung von Vorwürfen hat der Ethikbeirat einen Leitfaden für das weitere Vorgehen entwickelt, der etwa darauf eingeht, wer aller zum Fall befragt werden und wie die Befragung erfolgen soll. (Wichtig ist, dass alle Befragungen durch dafür geschulte Personen wie zum Beispiel betriebsinterne SozialarbeiterInnen durchgeführt werden.) Abschließend gibt der Beirat Empfehlungen ab.

2015 wurden vier Belästigungsfälle an den Beirat herangetragen: Einer der Burschen wurde in eine andere Ausbildungssparte versetzt und bei einem wurde das Lehrverhältnis aufgelöst; in den beiden anderen Fällen waren die geäußerten Vorwürfe nicht nachvollziehbar, weswegen keine Sanktionen erfolgten. Die betriebsinterne Vorgangsweise wird offenkundig gut angenommen und die Lösungen als zufriedenstellend empfunden, da sich noch nie jemand in einem zweiten Schritt an die Gleichbehandlungskommission oder das Gericht gewendet hat.

Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida hat 2009 die Initiative „Tatort Arbeitsplatz. Gib der Gewalt im Job keine Chance!“ gestartet und engagiert sich seither in der Gewaltprävention.[9] Zu den angebotenen Unterstützungsmaßnahmen zählt etwa auf Unternehmensebene eine Muster-Betriebsvereinbarung zum Schutz vor Diskriminierung, Gewalt und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder ein Gutschein für alle Mitglieder, der bei Mobbing, Diskriminierung, sexueller Belästigung, aber auch bei privaten Problemen fünf Beratungen bei einem externen psychologischen Team abdeckt und der ohne Angabe von Gründen beim „Tatort“-Projektleiter, dem Betriebsrat und einzelnen anderen Stellen angefordert werden kann.

Vergleichbar mit dem Ethikbeirat von Wien Work sieht die Muster-Betriebsvereinbarung die Etablierung eines Gleichstellungsgremiums vor, das paritätisch mit mindestens je zwei VertreterInnen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite besetzt ist. Das Gremium empfiehlt in den Fällen, mit denen es befasst ist, der Geschäftsleitung auf Basis eines Mehrheitsbeschlusses erforderliche Maßnahmen.

Die Gemeinde Wien hat seit 1996 ein Gleichbehandlungsgesetz (W-GBG), das sie zu Gleichbehandlung und Frauenförderung verpflichtet und für alle DienstnehmerInnen, Personen, die sich um Aufnahme in ein solches Dienstverhältnis bewerben und für Lehrling gilt. Sexuelle Belästigungen sind nicht das zentrale Thema, mit dem das Büro der Gleichbehandlungsbeauftragten (GBB) befasst wird, häufiger sind Fragen zu Teilzeit, Karenz oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. bei männlichen Klienten eher Zulagen, Anrechnungen u.ä. Die GBB ist Anlaufstelle für mehr als 70.000 Personen; jährlich werden rund zwanzig Fälle von sexueller Belästigung an sie herangetragen (daneben wenden sich manche Betroffenen direkt an die Gleichbehandlungskommission).

Im Gespräch mit zwei stellvertretenden GBB nannten diese als wesentliche Gründe für ein erfolgreiches Hintanhalten von sexuellen Belästigungen eine starke Fokussierung auf Präventionsmaßnahmen und die Vortragstätigkeit der GBB. Zur Prävention zählen etwa die Etablierung eines dichten Netzes von Kontaktfrauen und die Bewusstseinsbildung durch von der GBB häufig durchgeführte Schulungen im Magistrat, im Krankenanstaltenverbund und in den Stadtwerken. Damit bleibe das Thema sexuelle Belästigung immer im Bewusstsein – was besonders auf der Führungsebene wichtig sei, zu deren Dienstpflichten es gehöre, auf entsprechende Vorwürfe umgehend zu reagieren.

In jeder Dienststelle gibt es eine oder mehrere ehrenamtlich tätige Kontaktfrauen, die auf Basis einer Ausschreibung nach einem persönlichen Gespräch von der GBB bestellt und betreut werden. Sie nehmen an einer Ausbildung teil, die sieben oder acht Tage über zwei Jahre hinweg dauert, und treffen sich mit der GBB einmal im Quartal, um gesetzliche Neuerungen, Fortbildungsangebote, aber auch Beschwerdefälle zu besprechen. Derzeit sind rund 130 Kontaktfrauen aktiv, ausgebildet wurden aber bereits circa dreimal so viele, die teilweise auch dann, wenn sie ihre Funktion aufgeben, weiter ihre früheren Aufgaben wahrnehmen. Die Kontaktfrauen sind Ansprechpersonen vor Ort, sie „halten die Augen offen“, geben Informationen weiter; zu ihren wichtigsten Aufgaben zählt darüber hinaus das Empowerment der Dienstnehmerinnen. Nicht zuletzt wegen des Engagements der Kontaktfrauen sei das Thema sexuelle Belästigung und der Umgang damit „omnipräsent“.

Große Bedeutung kommt zudem Vorträgen der GBB zu, nämlich nicht nur als generelle Präventivmaßnahme, sondern darüber hinaus als bewusst eingesetztes Instrument nach Beschwerden wegen sexueller Belästigungen. Wenn die Dienstnehmerin nach einem Gespräch mit der GBB zwar die Übergriffe beenden, aber keine weitergehende Publizität wolle, kündige die GBB in der entsprechenden Dienststelle einen „routinemäßigen“ Vortrag zur Problematik von sexuellen Belästigungen an. Die Interviewpartnerin erinnerte sich an zwei Fälle, in denen der Vortrag beim Belästiger einen Nachdenkprozess angestoßen habe, so dass er sich beim Opfer entschuldigte und sein Verhalten änderte.[10] Vorträge würden auch dann als Instrument eingesetzt, wenn eine Beschwerdeführerin ihre Vorwürfe nicht beweisen könne: Nach einem „routinemäßigen“ Vortrag in ihrer Dienststelle bestehe die Chance, dass sich Kolleginnen mit denselben Erfahrungen melden würden.

Der Vollständigkeit halber soll hier angemerkt werden, dass im Fall von Übergriffen Versetzungen konsequent und sofort erfolgen. Die Sanktion beschränke sich manchmal auf eine Ermahnung, die allerdings immer zu einem Eintrag im Personalakt führe. Bei Beamten seien Disziplinarverfahren möglich, mit Sanktionen in der Bandbreite von einem Verweis über Geldstrafen (in der Höhe von bis zu sieben Monatsgehältern) bis hin zur Entlassung (das sei nur bei körperlichen Übergriffen möglich und noch nie vorgekommen). Vertragsbedienstete dagegen könnten auch in Folge verbaler Belästigungen entlassen werden, was vor allem bei jungen Opfern aufgrund von deren erhöhter Schutzbedürftigkeit denkbar sei.

Ein Erfahrungsbericht

Die interviewte Hotelmanagerin berichtete von zwei Fällen, mit denen sie in den vergangenen Jahren konfrontiert war. Das erste Mädchen, ein Lehrling in der Küche, wurde von einem Mitarbeiter belästigt, mit dem sie sich zunächst bei der Arbeit gut verstanden hatte. Als er auch privaten Kontakt suchte, wies sie ihn zurück, aber er ließ nicht locker. Das Mädchen hatte Angst und vertraute sich den Eltern an, die die Hotelmanagerin kontaktierten. Zur Rede gestellt gab der Mitarbeiter die Nachstellungen zu, woraufhin seine fristlose Entlassung erfolgte (die schließlich nach der Intervention seines Rechtsbeistandes in eine einvernehmliche Kündigung umgewandelt wurde). Das Mädchen war sehr erleichtert und setzte die Ausbildung im Hotel fort. Der zweite Vorfall, wenige Monate später, betraf wieder einen Lehrling in der Küche. Während der stressigen Vorbereitungsarbeiten für eine Veranstaltung streichelte ein verantwortlicher Mitarbeiter – 40 Jahre alt, sehr sympathisch, sehr kompetent – dem Mädchen beruhigend über die Wange. Das Mädchen ging sofort zur Managerin und erzählte, sie habe Angst und fühle sich sexuell belästigt. Der Mitarbeiter wurde umgehend vom Dienst freigestellt, dann einvernehmlich gekündigt. Beide Kündigungen und deren Hintergründe wurden den MitarbeiterInnen im Unternehmen mit der klaren Ansage „Das geht nicht!“ kommuniziert.

Die Interviewpartnerin betonte, sie habe so rasch und konsequent reagiert, um unmissverständlich klarzumachen, dass Übergriffe nicht toleriert würden und Sanktionen zur Folge hätten. Wegen der erhöhten Vulnerabilität von Lehrlingen aufgrund des Alters und des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses, aber auch wegen der Verantwortung des Betriebes für die Lehrlinge seien klare Antworten nötig. (Wären erwachsene Frauen von solchen Übergriffen betroffen, sehe die Reaktion möglicherweise anders aus.) Eine Versetzung der beiden Männer sei nicht in Frage gekommen, weil sich die Mädchen dann trotzdem weiter gefürchtet hätten. Die einvernehmliche Lösung der Dienstverhältnisse bedauert sie nach wie vor, eine fristlose Entlassung wäre nicht nur adäquat gewesen, sondern auch wichtig als Signal an die gesamte Belegschaft.

Dass sich das zweite Mädchen sofort an die Managerin wandte, ist Ausdruck ihres Vertrauens in die Vorgesetzte und hängt vermutlich nicht nur mit deren Reaktion beim ersten Vorfall zusammen, sondern auch damit, dass sich die Interviewpartnerin sehr um die Lehrlinge bemüht. Neulinge haben gleich nach Antritt der Ausbildung einen Termin mit ihr, einmal im Quartal erfolgt ein Treffen mit allen Lehrlingen, sie bemüht sich, ihnen zu vermitteln, dass sie „für sie da ist“. Bei Lehrlingsangelegenheiten bindet sie grundsätzlich immer den Betriebsrat mit ein, damit der „auch am selben Strick zieht“ – mit dem Ergebnis, dass der Betriebsrat mit beiden Entlassungen einverstanden war.



[4] Eine Wahrnehmung, die der befragte Richter nicht teilte: Grundsätzlich werde der Täter versetzt, außer er habe eine Schlüsselposition inne, weil im Vordergrund der Opferschutz stehe und erst an zweiter Stelle das Funktionieren des Unternehmens.

[5] Dabei erfolgt die Vernehmung der Zeugin/ des Zeugen nicht im Verhandlungssaal, sondern in einem Nebenraum, und wird live mittels Video in den Saal übertragen. So trifft die einzuvernehmende Person nicht direkt mit dem/ der Beschuldigten zusammen und muss auch nicht in direktem Blickkontakt aussagen.

[6] Es handelt sich konkret um die Verankerung der Verbandsklage und der Prozessstandschaft im Gleichbehandlungsrecht.

[7] Da mittlerweile die vier Ausbildungsstandorte zusammengelegt wurden und somit alle Lehrlinge am selben Ort arbeiten, werden in Zukunft mehr Vorfälle erwartet.

[8] Ein Beschuldigter wurde von der Lehre in die Verwaltung versetzt; dem zweiten konnten keine Übergriffe nachgewiesen werden.

[10] Es komme durchaus vor, dass der Vorgesetzte verstehe, dass der Vortrag auf ihn zielte und seine Mitarbeiterin ihn beschuldigt hatte. Aber dann wisse er auch, dass sie ihn geschützt hatte, weil sie sich stattdessen direkt an seine Vorgesetzten hätte wenden können.

Resümee

Inhaltsverzeichnis

Hier erfolgt eine Zusammenschau der Diskussions- bzw. Befragungsergebnisse von jungen Frauen und Männern, die mit sexuellen Belästigungen konfrontiert waren, und ExpertInnen aus unterschiedlichen Berufsfeldern, die mit dieser Thematik befasst sind. Abschließend werden Empfehlungen, die sich aus der Untersuchung ergeben, präsentiert.

Die Aussagen der Betroffenen und der ExpertInnen ergänzen einander bzw. illustrieren die Aussagen der Jugendlichen die Wahrnehmungen und Einschätzungen der ExpertInnen. Wie einleitend bereits festgestellt war es nicht Ziel der Studie, repräsentative Daten zu erheben, sondern in erster Linie sollte Einblick in die Situation der Betroffenen gewonnen werden, vor allem dahingehend, welche Unterstützungen sie sich erwarten und was es schwierig macht, sich gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen.

Das erste Problem besteht darin, eine sexuelle Belästigung als solche zu erkennen und zu benennen, das ist aber Voraussetzung dafür, sie schon von vorneherein bzw. möglichst rasch zu unterbinden. Solange das Thema Sexualität und damit Verletzungen der sexuellen Sphäre nicht unmissverständlich angesprochen werden – in der Familie, in der Schule, in der Freizeitbetreuung –, ist es gerade bei geringfügigen Überschreitungen schwierig, sie als solche zu erkennen. Da sexuelle Belästigungen im Regelfall zunächst nicht offen und deutlich erfolgen, lassen sich die Opfer auf vermeintlich freundschaftlich-kollegiale Angebote oder einen Flirt ein (die interviewten Frauen wurden ausschließlich von Männern belästigt), lassen „unabsichtliche“ Berührungen zu, und haben dann das Gefühl, nicht mehr zurückzukönnen, um nicht als „zickig“ oder „Spaßverderberin“ dazustehen. Je länger Übergriffe andauern, umso schwieriger wird es, Stopp zu sagen. Erschwerend kommt bei jungen Opfern von Belästigungen hinzu, dass sie vieles als „normal“ hinnehmen, was Ältere eindeutig aufgrund von persönlicher Reife und Lebenserfahrung als Übergriff erleben.[11]

Bei den Burschen ist das Tabu möglicherweise noch stärker: Es gab im Rahmen der Untersuchung eine einzige Gesprächsrunde, in der niemand, und sei es auch nur über Dritte, von sexuellen Belästigungen gehört hatte, und das waren bezeichnenderweise Burschen. (Die jungen Männer hatten im Übrigen sowohl durch Frauen als auch durch Männer Übergriffe erlebt.)

Ein weiterer Grund, warum Übergriffe häufig geheim gehalten werden, liegt darin, dass die Jugendlichen – realistischer Weise – meist nicht damit rechnen, betriebsintern unterstützt zu werden. (Ausnahmen stellen Belästigungen durch KundInnen dar, die aber gleichzeitig weniger schwerwiegend sind.) Sie nehmen die männerbündischen Seilschaften in der Firma wahr und wissen oder glauben zu wissen, dass der Vorgesetzte nicht ihre Partei ergreifen wird; andere Wege werden daher nicht einmal angedacht. Es gab nur vereinzelt Beispiele, bei denen das anders verlief: Der Vorgesetzte von Ursula (P 12) stellte ihren übergriffigen Kollegen zur Rede und machte der Belegschaft klar, dass er ein solches Verhalten nicht dulde (was allerdings zunächst dazu führte, dass der Belästiger über mehrere Wochen hinweg Zettel mit an sie gerichteten obszönen Inhalten in Gemeinschaftsräumen aufhängte).

Manche Vorfälle wurden mit weiblichen Kolleginnen besprochen, die zwar zuhörten, gelegentlich Trost spendeten, sich aber sehr selten als Bündnispartnerinnen anboten. Einer der interviewten Experten erzählte von einem Vorfall, bei dem eine Berufsanfängerin, die unter Übergriffen der KlientInnen litt, in der Supervision von einer älteren und erfahreneren Kollegin mit dem Hinweis auf das „Berufsrisiko“, das halt dazugehöre, mundtot gemacht wurde.

Die betroffenen Jugendlichen wollen mehrheitlich nur, dass die Belästigungen aufhören, Rache (wie in einem ExpertInneninterview erwähnt) oder die Einforderung von Schmerzensgeld spielen offenkundig keine Rolle. Zwei junge Frauen gingen zur Polizei: Eine, weil der Belästiger ihr Handy zerstört hatte, das sie ersetzt bekommen wollte, und weil sie außerdem von KollegInnen bei diesem Schritt stark unterstützt wurde. Die andere war Kerstin (P 14). Sie ist eine Kämpferin, die sich auch für andere einsetzt. Sie brachte ihren Fall vor Gericht, nachdem sie betriebsintern auf mehreren Hierarchieebenen keine Unterstützung erhalten hatte, auch die ZeugInnen schauten und hörten weg. Ihr Ausbildner erhielt eine bedingte Haftstrafe und verlor die Ausbildungsbefugnis – Kerstin zahlte dafür aber einen sehr hohen Preis: Sie erkrankte an schweren Depressionen und befand sich jahrelang in Psychotherapie.

Die meisten Jugendlichen kennen keine Beratungseinrichtungen, bei denen sie sich Unterstützung holen könnten, am ehesten ist die Arbeiterkammer bekannt. Ob es in der Firma einen Betriebsrat gibt, wissen die meisten nicht, einzelne nennen Vertrauenspersonen im Ausbildungsumfeld. Gleichbehandlungsgesetze und die dadurch etablierten Einrichtungen sind den Jugendlichen offenkundig nicht bekannt.

Letztlich werden die Betroffenen fast ausschließlich durch ihr privates Umfeld unterstützt. Sie vertrauen sich insbesondere der Freundin oder dem Partner an, manchmal auch den Eltern, obwohl sie oft das Bedürfnis haben, diese zu schützen – und helfen können sie ohnehin nicht. Das Sich-Aussprechen bringt emotionale Entlastung und die Bestätigung, dass sie Unrecht erlebt haben – viele Mädchen haben nämlich mit der Überlegung zu kämpfen, ob sie nicht an den Übergriffen „mitschuldig“ sind. (Anders als die Burschen, die auf die entsprechende Frage mit Unverständnis reagieren.)

Vereinzelt hatten wir in Interviews den Eindruck, dass die von sexuellen Belästigungen betroffenen Mädchen in den Einrichtungen, von denen sie betreut werden, nicht mit ungebrochenem Rückhalt rechnen können. So reagierte etwa eine Gesprächspartnerin auf die Frage, wie sie sich ebenenfalls dem Dienstgeber eines belästigten Mädchens gegenüber verhalte, damit, dass sie die sehr geringe Zahl von zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätzen problematisierte. Ein zweites Beispiel, das in diese Richtung verweist, wurde bereits in der Analyse der Interviews mit Jugendlichen angesprochen. Lilly (P 7: 20) wurde von der Leiterin ihrer ÜBA dazu überredet, eine Praktikumsstelle anzunehmen, obwohl sie ihr von verbalen Übergriffen im Zuge des Bewerbungsgesprächs erzählt hatte (sie wurde gefragt, ob sie einen Freund habe und ob sie noch Jungfrau sei). Als sie nach Beendigung des Praktikums erfuhr, wie es Lilly dort ergangen war, wollte sie die Leitung der Praktikumsfirma informieren, was ihr das Mädchen aber nicht erlaubte. Für Lilly war das viermonatige Praktikum eine Qual, sie war dreimal im Krankenstand, um sich der Situation nicht aussetzen zu müssen. Sie wurde nicht nur massiv sexuell belästigt, sondern die gesamte Einrichtungsleitung, die über den Vorfall informiert war, setzte sie unter Druck, die Übergriffe nicht bekannt zu machen, weil sie sonst der Firma schade.

Diese beiden Beispiele vermitteln den Eindruck, dass die Schwierigkeit, Ausbildungs- oder Praktikumsplätze zu finden, gelegentlich dazu führt, dass sexuelle Belästigungen nicht wahrgenommen oder bagatellisiert oder auch in Kauf genommen werden.

Empfehlungen

Wie bereits erwähnt, ist auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene Voraussetzung für ein Verhindern von sexuellen Belästigungen eine Enttabuisierung des Themas. Ebenso wichtig ist „gelebte“ Gleichbehandlung und Antidiskriminierung in allen sozialen Instanzen. Die Häufung von betriebsinternen Übergriffen bei Ausflügen, Feiern und anderen halb-privaten Gelegenheiten ist ein Hinweis darauf, dass Gleichbehandlung im beruflichen Kontext zumindest teilweise als Regel akzeptiert ist, gleichzeitig aber auf diesen beschränkt bleibt.

Wenn es in Unternehmen ein Grundklima des Respekts gibt, bedeutet dies Prävention gegen sexuelle Belästigungen und andere Übergriffe. Damit sind in erster Linie Führungskräfte angesprochen, weil die Herstellung eines solchen Grundklimas nur von oben nach unten erfolgen kann. Führungskräften auf allen Hierarchieebenen muss auch stärker vermittelt werden, dass sie Verantwortung für ihre MitarbeiterInnen tragen und dass sexuelle Belästigungen zu nachhaltigen Gesundheitsschädigungen führen können.

Betriebsvereinbarungen oder interne Leitlinien zum Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz sind ein Signal, dass auch sexuelle Belästigungen ernst genommen werden, und erhöhen das Bewusstsein und das Commitment der MitarbeiterInnen. Damit solche Grundsatzerklärungen ernst genommen werden, müssen im Anlassfall sofortige Interventionen und gegebenenfalls Sanktionen gesetzt werden. Die vereinbarten Regelungen müssen MitarbeiterInnen, insbesondere auch Personalverantwortlichen und Betriebsräten, in Schulungen nahegebracht werden.

Es ist wichtig, MitarbeiterInnen in der Selbstermächtigung zu unterstützen, d.h. bei Einschulungen z.B. im Gastgewerbe und anderen besonders gefährdeten Branchen müssen ihnen Handlungsmöglichkeiten als Reaktion auf Übergriffe angeboten werden. Gedacht ist dabei etwa an den in einem Interview erwähnten Anti-Sexismus- und Anti-Rassismus-Workshop mit Selbstverteidigungselementen für Beschäftigte in einem Gastronomieunternehmen.

Die im ExpertInnen-Teil des Berichts erwähnten Seminare der Wiener Gleichbehandlungsbeauftragten sind unseres Erachtens ein best practice-Beispiel. Sie ermöglichen auch dann, wenn Betroffene kein Publik-Werden eines Übergriffs wünschen, ein Ansprechen des Themas, mit dem offenkundig sogar Einstellungsänderungen erzielt werden können.

Ärgerlich dagegen ist – vor allem in Hinblick auf jugendliche Opfer von Belästigungen – die in Ratgebern immer wieder formulierte Aufforderung, dem Belästiger gegenüber frühe und deutliche Grenzen zu setzen. Diesem Ratschlag stehen nicht nur gewichtige Hindernisse entgegen, sondern er geht in Richtung victim blaming, weil er die Verantwortung für Übergriffe an das Opfer delegiert.

Quelle

Birgitt Haller, Helga Amesberger: Junge Frauen und Männer als Betroffene von sexueller Belästigung in Ausbildung und Beruf. Hg.: Arbeitsmarktservice Wien und Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, Abteilung Frauen – Familie, 2016

bidok-Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 14.06.2017



[11] vgl. Blackstone, Amy/ Houle, Jason/ Uggen, Christopher (2014). “I Didn’t Recognize It as a Bad Experience Until I was Much Older”: Age, Experience, and Worker’s Perceptions of Sexual Harassment, in: Sociological Spectrum, 34, 314-337. http://users.soc.umn.edu/~uggen/Blackstone_Houle_Uggen_SS_14.pdf

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