Neues Gesetz mit Fallen

Autor:in - Monika Haider
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: erziehung heute, Sonderheft: Weissbuch Integration, Heft 3, 1998 / betrift:integration, Sondernr. 3a 1998, S. 20 Hrsg: Tiroler Bildungspolitische Arbeitsgemeinschaft, Studien Verlag Innsbruck 1998
Copyright: © Monika Haider 1998

Punkt 1: Drei Jahre Grundstufe I für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Der Besuch einer Vorschulstufe wird mit der Novellierung zur Pflicht für nicht schulreife Kinder. Indem Vorschulklasse, erste und zweite Klasse in die Grundstufe I zusammengefaßt werden, durchlaufen nun schulunreife Kinder die ersten zwei Volksschulklassen in drei Jahren. Da in der Definition Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf nicht ausgenommen werden, müssen auch sie die Grundstufe I drei Jahre besuchen. Bisher konnten Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind in die Vorschulstufe einschulen oder in die 1. Klassen der Regelschule. Nun wird das Wahlrecht zur Pflicht.

Punkt 2: Frühere Beendigung der Schullaufbahn

Für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat die Neuregelung überdies zur Folge, daß sie durch die Verlängerung der Grundstufe I ihre 9-jährige Schulpflicht bereits mit der 4. Klasse HS beenden. Damit beschließen sie ihre Schullaufbahn ein Jahr früher und werden von der gerade für behinderte SchülerInnen besonders wichtigen Berufsvorbereitung, z.B. dem Besuch einer Polytechnischen Schule, abgeschnitten!

Punkt 3: Zurück in die Sonderschule

Ein weiterer zentraler Punkt der Novellierung sieht vor, daß die Sonderschule in einer 9ten Schulstufe in Form eines Berufsvorbereitungsjahres geführt werden kann. Integrative Modelle für das 9te Schuljahr sind in diesem Gesetz nicht enthalten, was für SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bedeutet, nach acht Jahren integrativen Schulbesuches zum Zweck der Berufsorientierung zurück an die Sonderschule zu müssen.

Zusätzlich erschwerender Faktor: Die wenigen Schulversuche zur weiteren Integration werden ausschließlich an Polytechnischen Schulen durchgeführt, - und auch das in sehr geringer Zahl! Kinder mit Behinderung, die derzeit das achte Schuljahr beenden, können nur wenn sie Glück haben eine Polytechnische Schule besuchen. Rein zahlenmäßig schaffen es Polytechnische Schulen nicht, alle SchülerInnen aus Integrationsklassen aufzunehmen. In ganz Wien z.B. stehen nur sechs Schulstandorte zur Verfügung. Ansonsten gibt es derzeit keine integrativen Möglichkeiten.

Ohne sich mit den betroffenen Initiativen und deren VertreterInnen auseinanderzusetzen, wurden Änderungen vorgenommen, welche den gemeinsamen Unterricht betreffen. Mit diesen Änderungen wird jedoch die Integrationsgesetzgebung ad absurdum geführt und die Position der Sonderschule einseitig und unsinnig gestärkt! Jeglicher Hinweis und Protest von seiten der Elterninitiativen gegen die diskriminierenden Passagen wurde negiert, nicht einmal diskutiert.

Für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf muß, wie für alle anderen auch, der Übertritt von der Schule in die Arbeitswelt verbessert werden. Berufsvorbereitungsklassen müssen daher zunächst an allen in Betracht kommenden Schulen, insbesondere auch Handelsschulen und Fachschulen erprobt werden. Kann man Berufsorientierungklassen ausschließlich an Sonderschulen besuchen, entsteht der faktische Zwang, in der 9. Schulstufe in die Sonderschule zu gehen - ganz besonders dann, wenn die zulässige Höchstdauer an Regelschulen bereits ausgeschöpft ist und die Polytechnische Schule gar nicht mehr besucht werden darf!

Quelle:

Monika Haider: Neues Gesetz mit Fallen

Erschienen in: erziehung heute, Sonderheft: Weissbuch Integration, Heft 3, 1998 / betrift:integration, Sondernr. 3a 1998, S. 20

Hrsg: Tiroler Bildungspolitische Arbeitsgemeinschaft, Studien Verlag Innsbruck 1998

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 04.03.2005

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation