Die Methoden der Betriebswirtschaftslehre

- alles andere als eine Chance für die Soziale Arbeit

Autor:in - Jutta Hagen
Themenbereiche: Psychosoziale Arbeit
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: Gemeinsam leben - Zeitschrift für integrative Erziehung Nr. 1-99 Gemeinsam leben (1/1999)
Copyright: © Luchterhand 1999

Die Methoden der Betriebswirtschaftslehre

Die öffentlichen Haushalte sind zu einschneidenden Sparmaßnahmen im Bereich des Sozialen entschlossen. Diese werden in der Jugend-, Behinderten- und Altenhilfe durch Deckelung der Kostensätze durchgesetzt. Es gibt keine Möglichkeit für die Einrichtungen, in Nachverhandlungen Mehrbedarfe geltend zu machen. Mittels Budjetierung wird von Seiten der Staatskasse der Kostenrahmen festgelegt, mit dem die jeweiligen Einrichtungen ihre spezifischen Leistungen erbringen sollen. Damit entledigt sich die öffentliche Hand zum einen der Verantwortung für die Sicherung des Zustandekommens bestimmter Leitungen für die Klientel. Zum anderen wird es damit völlig in die Hand der Einrichtungen gelegt, auch ohne die dafür notwendigen Geldmittel, die erforderlichen Leistungen für ihr Klientel zu erbringen.

Die öffentlichen Haushalte verfolgen aber nicht einfach den Zweck, Einsparungen vorzunehmen, sondern koppeln an ihre Mittelkürzungen die anspruchsvolle Forderung an die Träger Sozialer Arbeit, ihre Hilfe trotz Mittelkürzungen zu verbessern. Damit geraten die Einrichtungen in den Fokus der kritischen Begutachtung ihrer bisherigen Leistungen. Die Verpflichtung auf Qualitätsentwicklung stellen diese als reformbedürftige Problemfälle dar. So erscheint die Novellierung der Hilfemaßnahmen durch die Übernahme von Methoden der Betriebswirtschaftslehre als Qualitätsverbesserungsmaßnahme, die sich nicht etwa aus dem Sparzwang sondern aus innerer Reformnotwendigkeit ergebe.

Der öffentliche Sparzweck als Grund der Ökonomisierung Sozialer Arbeit ist damit kunstvoll aus der fachlichen Diskussion eliminiert. Fortan wird diese Ökonomisierung als große Chance zur Leistungsoptimierung betrachtet.

"Den verordneten Sparzwang übersetzt die Fachdiskussion in das Postulat "Aus weniger mehr machen!" - und BWL/Controlling wird positiv unterstellt, sie wären die originären Sachwalter dieses Postulats." (Schmidt-Grunert: Die "BWL-isierung" als Hoffnungsträger der Sozialen Arbeit, in: Sozialmagazin, 21. Jg. 1996, 11.4., S. 38)

Betriebswirtschaftliche Methoden als Mittel zur Kostenreduzierung in der Sozialen Arbeit

Würde es tatsächlich, wie das Vokabular "Qualitätssicherung, Qualitätsmangement, etc." glauben machen will, um eine möglichst optimale Versorgung unterschiedlicher Klientel gehen, würden Vereinbarungen zwischen Kostenträgern und Einrichtungen geschlossen, in denen sich die zu verausgabenden Geldmittel nach den Bedarfen des jeweiligen Klientels und den aus diesen folgenden Betreuungsnotwendigkeiten ergeben.

Budgetierung hingegen ist ein betriebswirtschaftliches Mittel zur Kostensenkung. Übertragen auf den Bereich Sozialer Arbeit bedeutet dies die Festlegung der Geldmittel unabhängig vom Bedarf des Klientels. So werden zukünftig die Träger Sozialer Arbeit an dem "Qualitätsgesichtpunkt" Kostengünstigkeit gemessen.

Angesichts knapper Kassen werden für die Soziale Arbeit Systeme der Qualitätsbemessung entwickelt, die die Praxis zu einer Dokumentation der eigenen Arbeit nach betriebswirtschaftlichen Kriterien veranlaßt. Von Kostenträgern pflegesatzfinanzierter Einrichtungen wird der Standpunkt vertreten, durch einen "Wettbewerb" der Anbieter Sozialer Arbeit in Konkurrenz zueinander "Anreizsysteme" für die Qualitätsverbesserung zu schaffen. (Allemeyer, J., Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Die freie Wohlfahrtspflege und der Markt - vom kostenerstattungsorientierten Versorgungs- und Betreuungsauftrag zum preisorientierten Angebot sozialer Dienstleistung; Vortrag beim 1. Symposium "Diakonie und Markt" veranstaltet vom Diakonischen Werk, Hamburg am 16. September 1994, S. 7)

In Zeiten knapper öffentlicher Kassen problematisiert der Kostenträger, wie Qualität als meßbarer Vereinbarungsgegenstand in der Sozialen Arbeit etabliert werden kann, um so eine Vergleichbarkeit von Leistungen zu erreichen, die es dem Kostenträger erlaubt, die jeweils billigste zu wählen. Die Zertifizierung von Leistungen nach ISO EN 9001 ermöglicht letztendlich sogar eine internationale Vergleichbarkeit von Leistungen, was der öffentlichen Hand ermöglicht, mit dem Hinweis auf anderweitig bessere Leistungen für weniger Geld weitereKostensenkungen durchzusetzen (und die Träger damit auf Maßnahmen wie Lohndumping, Verringerung der Fachkraftquote u.ä.m. zu verpflichten).

Darüber hinaus werden die Einrichtungen entgegen der angeblich angestrebten Entbürokratisierung mit einem Mehr an Bürokratie belastet. Dem staatlichen Interesse der Leistungs- und Kostenkontrolle müssen die Träger und ihr Personal mit einer aufwendigen Dokumentation jeder einzelnen Hilfeleistung nachkommen. Dies bedeutet eine direkte Verschlechterung der Hilfeleistungen für das Klientel, da zunehmend weniger Zeit für die Betreuung selbst bleibt.

Die Betrachtung des Klientels Sozialer Arbeit als Kunde

Kinder, Jugendliche, behinderte und alte Menschen als Kunden Sozialer Arbeit zu bezeichnen unterstellt, sie wären zahlungsfähige Nachfrager einer Dienstleistung. Tatsächlich wird ein Vertrag über zu erbringende Leistungen und deren Finanzierung jedoch zwischen der öffentlichen Hand und den Trägern Sozialer Arbeit geschlossen.

Der entscheidende Gesichtspunkt bei der Betrachtung des Klientels Sozialer Arbeit als Kunde ist die damit auf Seiten des Klientels eingeforderte Nachfragefähigkeit im Sinne eigener Einsicht in den Hilfebedarf zur Voraussetzung von Leistungsgewährungen. So erlaubt der Titel der Kundenorientierung zukünftig die Streichung sozialarbeiterisch-kompensatorischer Dienstleistungen, die bislang für das Klientel unabhängig von seiner Bedarfsanmeldung erbracht wurden. (Weber, J.: Lean Management im Sozialbereich, in: Krölls, A.(Hrsg.): Neue Steuerungsmodelle, Hamburg 1996, S. 70-79).

Erfolgsbemessung nach der Input-Output-Methode

Soziale Arbeit an einem sichtbaren Output zu messen, hieße beispielsweise, der Input: Gespräch zwischen Erzieher und Jugendlichem muß den Output sichtbarer Verhaltensänderung auf Seiten des Jugendlichen bewirken, oder die Förderung eines behinderten Kindes muß zur nachweislichen Integration im Kindergarten oder in der Schule führen, da sonst die Frage aufkommt, ob sich Kosten für solche Leistungen noch lohnen, die keine sichtbaren/meßbaren Erfolge vorzuweisen haben.

Hier wird besonders offenbar, daß betriebswirtschaftliche Betrachtungsweisen die Vielschichtigkeit und Problematik Sozialer Arbeit nicht zu erfassen vermögen. Und wieder wird deutlich, daß hier ein angeblich zur Qualitätsbemessung eingesetztes Intrumentarium keinen anderen als den Kostensenkungszweck verfolgt.

Fazit

Wie dargestellt sind betriebswirtschaftliche Methoden ein höchst problematisches Instrument zur Erfassung der Vielschichtigkeit und Komplexität Sozialer Arbeit. Die "BWL-isierung" der Sozialen Arbeit wird daher als angeblicher Hoffnungsträger zu Recht in Frage gestellt (Schmidt-Grunert: Die "BWL-isierung" als Hoffnungsträger der Sozialen Arbeit, in: Sozialmagazin, 21. Jg. 1996, 11.4., S. 30). Sich vom Standpunkt der Sozialen Arbeit aus offensiv Wirtschaftlichkeitskriterien zum übergeordneten Erfolgsmaßstab zu machen, halte ich für falsch. Um für unser Klientel Verbesserungen zu erreichen oder weitere Verschlechterungen abzuwenden wird man nicht umhin kommen, Einspruch gegen staatliche Sparmaßnahmen einzulegen. Nicht selbstkritische Rezeption betriebswirtschaftlicher Qualitätsbemessungsinstrumente, sondern die Verteidigung Sozialer Arbeit gegen die Übernahme derartiger Modelle und ihre Entlarvung als Mittel der Kostensenkung scheint mir der aktuell angemessene Bezug auf diese zu sein.

Literatur

SCHMIDT-GRUNERT: Die "BWL-isierung" als Hoffnungsträger der Sozialen Arbeit, in: Sozialmagazin, 21. Jg. 1996, 11.4., S. 30-43.

WEBER, J.: Lean Management im Sozialbereich. In: KRöLLS, A.(Hrsg.): Neue Steuerungsmodelle, Hamburg 1996, S. 70-79.

KRöLLS, A.(Hrsg.): Neue Steuerungsmodelle, Hamburg 1996.

ALLEMEYER, J., Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Die freie Wohlfahrtspflege und der Markt - vom kostenerstattungsorientierten Versorgungs- und Betreuungsauftrag zum preisorientierten Angebot sozialer Dienstleistung; Vortrag beim 1. Symposium "Diakonie und Markt" veranstaltet vom Diakonischen Werk, Hamburg am 16. September 1994.

Autorin

Jutta Hagen,

Öjendorfer Steinkamp 13

22117 Hamburg

Quelle:

Jutta Hagen: Die Methoden der Betriebswirtschaftslehre - alles andere als eine Chance für die Soziale Arbeit

Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 07.06.2005

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