Wege zur Beseitigung von Diskriminierungen behinderter Menschen

Autor:innen - Petra Flieger, Erwin Riess
Themenbereiche: Recht
Textsorte: Studie
Releaseinfo: Studie von Petra Flieger und Erwin Riess, gefördert von der österr. Bundesregierung
Copyright: © Petra Flieger, Erwin Riess

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

"All disabled people

share one common experience - discrimination."

(Patrisha Wright zit. in Shapiro, 1993, S. 24)

1981 fand das von der UNO ausgerufene Internationale Jahr der Behinderten statt. Weltweit wurde die Aufmerksamkeit auf eine Bevölkerungsgruppe gelenkt, die nach übereinstimmenden Schätzungen von Sozialwissenschaftlern in den Industriestaaten 10-15 % der Bevölkerung umfaßt (in den Drittweltstaaten sind es dementsprechend mehr) und bislang im Schatten staatlicher Politik existierte. Analog kann bei einer Wohnbevölkerung von acht Millionen Menschen davon ausgegangen werden, daß in Österreich rund eine Million Menschen im weitesten Sinne von einer Behinderung betroffen ist. Davon sind knapp 400.000 Personen in ihrer Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt, die behindertengerechte Gestaltung von Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden und Anlagen ist für diese Menschen eine alltägliche Notwendigkeit (alle Zahlen aus dem Bundesbehindertenkonzept der Österreichischen Bundesregierung, BMAS, 1993a, S. 52 f). Etwa 8.600 Menschen sind als vollkommen und 13.200 als praktisch blind zu bezeichnen; für sie ist es zentral, daß Information in nicht-visueller Form angeboten wird; 400.000 Menschen leiden unter Hörbeeinträchtigungen, davon sind 7.000 gehörlos Für diese Menschen ist die Gebärdensprache das wichtigste Mittel zur Kommunikation. Laut Schätzungen der Lebenshilfe leben in Österreich etwa 47.000 Personen mit sogenannter geistiger Behinderung, die im Alltag sehr unterschiedliche Formen der Unterstützung und Begleitung benötigen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen (Quelle: http://www2.vol.at/lebenshilfe).(Stand: 14.06.2010, Link aktualisiert durch bidok)

Während der internationalen Dekade behinderter Menschen von 1983 bis 1992 wurden in vielen Nationen Ist-Zustandserhebungen der Lage behinderter Menschen erarbeitet. Dachorganisationen traten an die Stelle zersplitterter und miteinander um staatliche Unterstützungsleistungen konkurrierender Behindertenverbände, die oft genug Verbandsinteressen vor jene der behinderten Menschen stellten. In Forderungskatalogen und Memoranden wurden die dringlichsten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation behinderter Menschen zusammengefaßt. Die Forderungen kreisten um zwei große Bereiche: zum einen wurde - ausgehend von den angelsächsischen und skandinavischen Staaten - die bürgerrechtliche Gleichstellung behinderter Menschen gefordert, also die Zugänglichmachung öffentlicher Bauten und Verkehrsmittel, die Abschaffung ausschließender Strukturen am Arbeitsmarkt, in Schule und Kultur und die Zulassung behinderter Menschen in politischen Parteien und Selbstvertretungskörperschaften, so daß die Anliegen behinderter Menschen zumindest teilweise von Betroffenen vorgetragen werden konnten. Zum anderen konzentrierten sich die Forderungen auf die Herstellung von Strukturen, die ein möglichst selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen mittels Direktzahlungen und persönlicher Assistenz gewährleisten sollten. Anonyme Großheimstrukturen wurden kritisiert und in unterschiedlichem Umfang durch (betreute) Wohngemeinschaften oder andere überschaubarere Wohneinrichtungen ersetzt. Behinderte Menschen wurden wenigstens tendenziell vom Objekt zum Subjekt staatlicher und internationaler Politik erhoben. In vielen Staaten kam es in der Folge zu bedeutenden Verbesserungen der Lage behinderter Menschen. Die Aufbruchsstimmung setzte sich - angefeuert vom Beispiel des amerikanischen Americans with Disabilities Act (US Department of Justice, 1990) bis Mitte der neunziger Jahre fort. Darauf folgte, ausgelöst von sich rasch verändernden globalen ökonomischen Rahmenbedingungen, eine Phase der Stagnation der internationalen Behindertenbewegung, die in den letzten beiden Jahren wieder von Bemühungen abgelöst wurden, im nationalen Bereich bürgerrechtliche Gleichstellungen zu erringen und Veränderungen der Sozialpolitiken der einzelnen Staaten nicht oder nicht vordringlich auf dem Rücken behinderter Menschen und ihrer Lebenschancen zuzulassen. Internationale Foren werden zwar weiterhin als Informationsbörse und zur Vertiefung bestimmter Politikfelder im Bereich der Behindertenpolitik genützt - so zum Beispiel für die Konzepte des independent living, des empowerments und der personal assistance.

Eine erste Euphorie bezüglich der EU und ihrer Chancen, im Behindertenbereich prägend und vereinheitlichend auf die Mitgliedsstaaten einzuwirken, ist einer illusionslosen, pragmatischen Lobbypolitik gewichen, die 1998 durchsetzte, daß in der Antidiskriminierungsklausel des Vertrags von Amsterdam Behinderung als Kriterium aufgenommen wurde. Im Zuge einer verstärkt geführten Wertediskussion innerhalb der EU werden die Bemühungen um eine verbesserte Integration behinderter Menschen jedoch wieder an Bedeutung gewinnen. So entschloss sich im Mai 2000 beispielweise die EU-Kommission zur einer Mitteilung, die die Nichtdiskriminierung von Personen mit Behinderung am Arbeitsplatz und darüber hinaus beinhaltet. Aufgrund der Querverbindungen in verschiedene Politikbereiche erachtet die Kommission ein koordiniertes Vorgehen in den Bereichen Arbeit, Bildung und Berufsbildung, Transport, innerer Markt, Information sowie neue Technologien und Konsumentenpolitik für erforderlich (Quelle: http://www.edf-feph.org )

Die in den vergangenen Jahren verstärkt öffentlich geführte Diskussion über Menschenrechte klammert die Situation von Menschen mit Behinderung im wesentlichen aus. Die Anliegen dieser Personengruppe werden häufig auch in einschlägigen NGO-Kreisen nicht als Menschenrechtsfragen verstanden; Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung sind kaum als Diskriminierung anerkannt, gegen die mit gesetzlichen Maßnahmen vorzugehen ist. Allzu gern wird gerade in Behindertenfragen immer noch auf Einstellungs- und Normenveränderung bei Einzelnen und im Kollektiv gebaut. Es ist nicht zuletzt Ziel der vorliegenden Studie, das Verständnis für Behindertenfragen als Menschenrechtsfragen zu erweitern. In diesem Zusammenhang sei auf zwei wesentliche Dokumente der Vereinten Nationen hingewiesen: Bereits im Dezember 1975 verabschiedete die 30. Generalversammlung der Vereinten Nationen die "Deklaration über die Rechte behinderter Menschen" (UNO, 1975). Das Kernstück dieses Dokuments ist die Verankerung der Grund- und Menschenrechte für behinderte Menschen dar. Es heißt: "Behinderte Menschen haben das unveräußerliche Recht auf Achtung ihrer Menschenwürde," sie "haben dieselben Grundrechte wie die anderen Mitbürger ihres Alters." Bereits dieses weltweit anerkannte Dokument enthält eine Nichtdiskriminierungsklausel. Knapp 20 Jahre später, 1993, nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein weiteres, zentrales Dokument an, die Standardregeln zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (UNO, 1993). Umfassend skizziert dieses Dokument in Form von 22 Regeln, wie die Mitgliedsstaaten sicherstellen sollen, daß Personen mit Behinderung ihre bürgerlichen, politischen, sozialen und kulturellen Rechte gleichberechtigt mit Personen ohne Behinderung ausüben können. Sowohl technische als auch persönliche Unterstützungen stellen nur die notwendigen Voraussetzungen für echte Beteiligung und Gleichheit gesellschaftlichen Lebens dar. Erst durch die Schaffung faktischer Gelegenheiten zur Beteiligung kann es zu wirklicher Gleichstellung kommen. Wie viele internationale Übereinkünfte stellen die Standardregeln allerdings kein bindendes Gesetz dar.

Die österreichische Situation ist, kurz gefaßt, von einer relativ hohen und seit der Einführung des Bundespflegegeldes 1993 teilweise vorbildhaften sozialstaatlichen Absicherung ebenso gekennzeichnet wie von einem Fortbestehen paternalistischer Strukturen in der Behindertenpolitik, die einen Mangel an gesellschaftlicher Integration und gleichberechtiger Teilhabe in allen Lebensbereichen nach sich zieht. Im Zuge dessen ist die Erörterung der Frage, ob und in welcher Form ein Antidiskriminierungs- oder Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen sinnvoll erscheint, von zentraler Bedeutung.

Das Ziel der vorliegenden Studie besteht darin, die Lage behinderter Menschen in Österreich überblickshaft zusammenzufassen, sie im Vergleich zu anderen Staaten - USA, Großbritannien, Schweden und Deutschland - zu diskutieren, Schwachstellen und Nachziehmöglichkeiten zu benennen und Vorschläge zur Verbesserung zu unterbreiten. Dabei muß der Grundsatz berücksichtigt werden, daß eine mechanistische Übertragung von Rezepten aus anderen Staaten wenig zielführend erscheint und es vielmehr darum geht, internationale Erfahrungen an österreichische Gegebenheiten anzupassen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Auswahl der Referenzstaaten in enger Absprache mit dem Auftraggeber erfolgte. Zur Erfassung der österreichischen Situation wurde ein halb standardisierter Fragebogen ausgearbeitet, der einem repräsentativen Sample der wichtigsten Experten in Österreich zur Beantwortung vorgelegt wurde. Die enge Kooperation mit den Experten und die Verankerung der beiden Projektverantwortlichen in der nationalen und internationalen Scientific Community im Behindertenbereich ermöglichten eine hohe Bereitschaft der Mitarbeit von Seiten der verschiedenen Experten und Verbände und die Etablierung eines steten Informationsflusses, dessen Ergebnisse in die vorliegende Arbeit einflossen.

Der vorliegende Studie ist im Sinne der Nachhaltigkeit und des Informationstransfers auf der Homepage von Integration:Österreich (http://bidok.uibk.ac.at/library/index.html) allen Verbänden und Interessierten zugänglich.

Abschließend möchten der Autor und die Autorin der Studie allen Beteiligten, vor allem aber dem Projektträger Integration:Österreich (I:Ö) und der Dachorganisation der österreichischen Behindertenverbände, der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) für stete Mitarbeit, Anregung und Kritik danken. Ebenso Dr. Marion Wisinger, die in der Einreichphase das Projekt als Menschenrechtskoordinatorin betreute und Mag. Katrin Wladasch, die diese Funktion von ihr übernahm.

Mag. Petra FliegerDr. Erwin Riess

Wien, im Mai 2000

2. Internationaler Teil

2.1. Die Behindertenpolitik der USA - Zivilgesellschaftliche Gleichberechtigung und sozialstaatliche Unterversorgung

Die Behindertenpolitik in den USA ist - im Gegensatz zu Österreich und Deutschland - wesentlich stärker gesetzlich verankert. Dies hängt sowohl mit der Spezifik des angelsächsischen Rechtssystems (Case Law) als auch mit der ungleich stärkeren Grundlegung rechtsstaatlicher Prinzipien (vor allem im zivilgesellschaftlichen Bereich) in den USA zusammen. Gerade in der Behindertenpolitik zeigt sich die Bedeutung der Bürgerrechtsbewegungen, die in den USA seit den sechziger Jahren zu einer Umwälzung paternalistischer Gesetzesstrukturen und zur formal-gesetzlichen Emanzipation breiter Minderheitenschichten geführt haben. Auf der politischen Ebene läßt sich die staatliche Politik der USA seither als Kampf der benachteiligten und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen um die Einlösung respektive Erfüllung der formalen Gleichheit in der sozialen Praxis begreifen. Das solcherart entstandene Bild der amerikanischen Gesellschaft ist widersprüchlich: Einer äußerst stark ausgeprägten Ungleichheit und Machtlosigkeit breiter Schichten der Bevölkerung in der ökonomischen Sphäre steht eine gegenläufige Entwicklung im Bereich der individuellen Bürgerrechte entgegen, die wesentlich weiter gediehen und ausgeprägter ist als in allen übrigen Industriestaaten. Der Bettler, der stolz darauf ist, Amerikaner zu sein und auf der Respektierung seiner Bürgerrechte besteht, ist keine Erfindung der Unterhaltungsindustrie.

Für die Behindertenbewegung in den USA bedeutet diese Ausgangsposition zweierlei: Zum einen den Ausbau und die Verbesserung der zivilgesellschaftlichen Gesetzeswerke und zum anderen die Hinwendung zu Fragen einer sozialpolitischen Absicherung, die nicht länger (ausschließlich) an den Verkauf von Arbeitskraft geknüpft sein darf (vgl. Russel, 1998).

Die europäische Behindertenbewegung nähert sich der Politik von einem diametral entgegengesetzten Ende. Mehr oder minder gut ausgeprägte sozialstaatliche Absicherungen für behinderte Menschen wie sie besonders in Schweden, Deutschland oder Österreich bestehen, lassen den Kampf um die zivilgesellschaftliche Gleichstellung behinderter Menschen auf der Ebene der Bürgerrechte vordringlich erscheinen. Zugespitzt formuliert, könnte man sagen, daß in den USA das Bürgerrecht alles und der Sozialstaat nichts ist, während die Dinge in Europa grade umgekehrt liegen. Die amerikanische Erfahrung zeigte aber, daß die formalrechtliche gesetzliche Absicherung von Bürgerrechten den Motor für alle weiterreichenden sozialstaatlichen Überlegungen und Forderungen von seiten der Behindertenbewegung abgab. Mittlerweile sind nach nahezu 10 Jahren positiver Erfahrung mit dem Americans with Disabilities Act (ADA) nahezu alle US-amerikanischen Behindertenaktivisten zu scharfen Gegner des als unzulänglich erkannten amerikanischen Sozialversicherungssystems geworden. Für die behinderten Experten waren die Erfahrungen aus den Kämpfen um das ADA unter anderem auch deshalb so bedeutungsvoll, weil die jahrzehntelangen Bürgerrechtskampagnen das politische Terrain veränderten, auf dem schließlich auch die sozialen Fragen ausgekämpft werden. (vgl. Russell, 1998). In den USA stehen den Behörden selbstbewußte, durch langwierige aber erfolgreiche Gesetzeskämpfe erfahrene Behindertenaktivisten gegenüber, es handelt sich also auf der politischen Ebene um eine Auseinandersetzung zwischen formal gleichen Teilnehmern. In Europa, besonders in Kontinentaleuropa, besteht diese formale Gleichheit nicht einmal auf dem Papier. Die in Deutschland und Österreich in den neunziger Jahren eingeführten Verfassungszusätze, die festschreiben, daß niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf, gewähren, da nicht in Gesetzen konkretisiert, weder für Organisationen noch für Individuen einklagbare Rechte. Auch das vielfach gebrauchte Argument, daß der Gesetzgeber hier zumindest eine Willenserklärung abgegeben habe, die ihn in Zukunft verpflichtet, auf dem Weg der Gleichstellung für behinderte Bürger weiterzuschreiten, vermag nicht zu überzeugen, da er diese Verpflichtung bereits in jahrzehntelang zurückliegenden völkerrechtlichen Verpflichtungen eingegangen ist und sowohl völkerrechtlich als auch innerstaatlich genug politische Korsettstangen hätte, an denen er seine Praxis abstützen könnte. Das Behindertenkonzept der österreichischen Bundesregierung zum Beispiel, das unter Mitarbeit der Behindertenverbände vom Sozialministerium 1995 vorgelegt wurde, böte für Jahrzehnte Umsetzungsstoff. Tatsächlich stellt sich für den Betrachter die Situation als seltsam dar: Der Gesetzgeber verpflichtet sich bei jeder Gelegenheit, Gutes zu tun, fast zwanghaft legt er Gelübde ab, barrierefrei zu bauen, die öffentlichen Verkehrsmittel zugänglich zu machen, und ebenso zwanghaft bricht er seine Versprechungen mit dem Hinweis, daß da und dort ja Verbesserungen erzielt würden. Daß die Summe der neuerrichteten nicht behindertengerechten Bausubstanz die - begrüßenswerten - Verbesserungen bei weitem übertrifft, daß allein die bauliche Situation nicht langsam besser sondern schlechter wird, bleibt dabei außer Betracht.

Auch die auf EU-Ebene eingegangenen Verpflichtungen würden, einmal in Angriff genommen, die Situation wesentlich verbessern, wenngleich einschränkend angemerkt werden muß, daß die EU und das bei ihr angesiedelte Europäische Behindertenforum bislang nur durch ausgedehnten Konferenztourismus, Beteuerungen fortgesetzter Unzuständigkeit und wolkige Erklärungen aufgefallen ist und weder auf zivilgesellschaftlicher noch auf sozialpolitischer Ebene adäquate Forderungen erhebt. Es ist sicherlich keine Fehlspekulation, wenn man davon ausgeht, daß Schwäche und Unreife der Behindertenbewegung auf europäischer Ebene wesentlich dadurch begründet sind, daß sich sowohl die Dachorganisation, das EBF, als auch die Mehrzahl der derzeit 71 nationalen und nichtstaatlichen Mitgliedsorganisationen nicht dem Kodex des Independent Living Movement mit den beiden wichtigsten Säulen Selbstvertretung betroffener Experten und einklagbare antidikrisminatorische Gesetze für das Individuum unterworfen haben und fernab den Praxisverhältnissen der behinderten Menschen agieren.

Obwohl es in den USA kein einheitliches Gesetzeswerk gibt, das alle Belange der Behindertenpolitik insgesamt regelt, existiert eine Gruppe von Gesetzen, die in ihrem Zusammenwirken alle wesentlichen Aspekte einer umfassenden bundesstaatlichen Behindertenpolitik ausdrücken. Dem Americans with Disabilities Act (ADA), der nach jahrzehntelanger intensivster Lobbyarbeit von behinderten Menschen und ihren Organisationen im Jahr 1990 verabschiedet wurde und 1991 in Kraft trat, kommt hier eine Leitrolle zu. (vgl. Shapiro, 1993) Allgemein wird der ADA als das bedeutendste Gesetzeswerk im Bürgerrechtsbereich seit dem "Civil Rights Act" von 1964, der erstmals wirksame Rechtsinstrumente gegen rassische Unterdrückung schuf, begriffen. Bedenkt man den konzentrierten landesweiten Eingriff in den baulichen Bestand, die hunderttausenden Rampen, Lifte, Behindertenparkplätze und Toilettumbauten, die zehntausenden Busse und Eisenbahnwaggons, die barrierefrei gebaut oder nachgerüstet wurden, oder die US-weit eingerichteten Relaystationen zur Telekommunikation für gehörlose Personen ist es nicht übertrieben, davon auszugehen, daß der ADA das weitreichendste Bürgerrechtsgesetz ist, das - weltweit - je beschlossen wurde.

Im Folgenden soll auf die Geschichte und die Struktur des ADA eingegangen werden. Daran schließt sich eine Darstellung der Funktionsweise des Gesetzes, seiner mittlerweile fast 10 Jahre dauernden Rechtspraxis und seiner weiteren Perspektiven. Abschließend folgt eine kritische Würdigung des Gesetzes und eine erste Abschätzung, welche Punkte für ein verwandtes Gesetzesvorhaben in Europa von Bedeutung sind.

2.1.2. Der "Americans with Disabilities Act (ADA)" - Geschichte und Umfeld

Das ADA ist ohne die Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der siebziger und achtziger Jahre undenkbar. Informelle Koalitionen verschiedener Bürgerrechtsgruppen, die den Staat durch phantasievolle Öffentlichkeitsarbeit, zivilen Ungehorsam und gewaltfreien Widerstand zwingen, auf ihre Vorstellungen einzugehen und schließlich sogar - unter Mitwirkung der Betroffenen - in Gesetze zu fassen, das war der Humus, auf dem die bis zu diesem Zeitpunkt isolierten und schlecht organisierten Behindertengruppen lernten, ihre Rolle und ihre Aufgaben radikal in Frage zu stellen. Das Vorbild anderer Minderheiten ermöglichte es den Behindertenaktivisten, zu denen in jenen Jahren auch hunderte und tausende "angry young cripples" aus dem Vietnam-Krieg stießen, begünstigt von einer ingesamt durchlässiger werdenden Gesellschaft, vor allem in Kalifornien aber auch in den Ostküsten-Metropolen, eine neuartige Form des Kampfes um gleiche Bürgerrechte aufzunehmen.

Das ADA baut in seiner Konstruktion auf ältere Gesetze und Bestimmungen auf, denen so eine wesentliche Vorreiterfunktion zukommt (vgl. Shapiro, 1993; Flieger, 1999a). Hier sind vor allem der "Rehabilitation Act" von 1973 und der "Education for all Handicapped Childrens Act" von 1975 zu nennen. Diese beiden Gesetze bestimmen, daß Institutionen, die staatliche Mittel erhalten, behinderte Menschen nicht diskrimieren dürfen und daß die schulische Ausbildung behinderter Kinder in der "jeweiligen meist integrierten Umgebung" stattzufinden hat, wodurch es zu einem sprunghaften Ansteigen der Zahl behinderter Kindern in Regelschulen kam. Weiters zählen der "Air Carrier Access Act" von 1986, der die Zugänglichkeit des Luftverkehrs für behinderte Passagiere garantiert, und der "Housing Amendment Act" von 1988, der die Diskriminierung behinderter Menschen in bezug auf die Anmietung oder den Verkauf von Wohnungen verbietet und bestimmte Vorschriften für die Zugänglichkeit von Mehrfamilienhäusern und die nachträgliche behindertengerechte Adaptierung von Wohnungen festscheibt.

Obwohl der "Rehabilitation Act" von 1973 eine bedeutende Verbesserung gegenüber der vorherigen Situation darstellte, konnten die behinderten Menschen sich damit nicht zufriedengeben, denn der "Rehabilitation Act" galt - und gilt - nur für Bereiche, die von der Bundesregierung finanziell unterstützt werden. Der gesamte "private Bereich" wurde von dem Gesetz nicht berührt. Folglich nahm die amerikanische Behindertenbewegung noch Mitte der siebziger Jahre den Kampf für ein umfassendes, die zentralen gesellschaftlichen Bereiche erfassendes Antidiskriminierungsgesetz auf, ein Kampf, der mehr als fünfzehn Jahre später, am 26. Juli 1990 mit der Unterzeichnung des "Americans with Disabilities Act" durch Präsident Bush (auch vom Kongreß kam überwältigende Zustimmung) gewonnen wurde.

2.1.3. Paradigmenwechsel in der amerikanischen Behindertenbewegung: die verschiedenen Voraussetzungen für erfolgreiches Agieren

Es ist nicht übertrieben, wenn man feststellt, daß die amerikanische Behindertenbewegung, so wie sie sich heute präsentiert - als kampfkräftig, unerschrocken, in Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit höchst professionell agierend, juristisch hervorragend unterstützt durch eigene und befreundete Experten - im Kampf um den "Americans with Disabilities Act" nicht nur das gesellschaftliche Bild der USA nachhaltig veränderte, sondern auch sich selber (vgl. Shapiro, 1993). Die zeitgenössische amerikanische Behindertenbewegung ist ein Produkt des von ihr angestrengten Bürgerrechtskampfes, der in manchem von den Erfahrungen anderen Minderheiten im Civil Rights Bereich inspiriert wurde, aber auch gänzlich neue Wege einschlug. Dabei ist zu beachten, daß es sich bei "der Behindertenbewegung" nicht um eine kaderartig geführte Eliteorganisation mit straffen Binnenregeln handelt - es gibt in den USA keine allumfassende Dachorganisation behinderter Menschen wie z.B. in Schweden und Österreich, sondern um ein Netzwerk tausender und abertausender behinderter Menschen, die in ihren Regionen und Behinderungszusammenhängen auch über heftigen Streit und tiefgreifende Auseinandersetzungen zu gemeinsamen Auffassungen fanden, die - ohne formelle Beschlüsse, höchstens durch sogenannte Appelle, die meist den Namen des Ortes tragen, an dem die Diskussionen stattfanden - die Grundlage der politischen Arbeit bilden. Angesichts der ungeheuren Schwierigkeiten, vor der die ersten "modernen" Behindertenaktivisten Anfang der sechziger Jahre standen, als sie zuerst für sich selber Studien- und damit Bildungs- und Machtzugänge in Berkeley erkämpften, mutet das in einer Generation Erreichte revolutionär an. Die US-amerikanische Behindertenbewegung erweiterte damit die Typologie soziologischer Aufstandsbewegungen um eine höchste erfolgreiche Variante: dezentral agierende, sich nur für einzelne Kampagnen bündelnde Kampfformen, die Lobby- und Public Relations-Arbeit unter Anwendung des Einsatzes neuer Technologien perfektionierten und damit höchst erfolgreich waren und sind.

Es gibt wahrscheinlich außerhalb der Welt der Konzerne und Finanzmärkte kein gesellschaftliches "Großvorhaben", das so früh und so vollständig die Bedeutung und die Chancen des Internet für die eigene Arbeit erkannte. Sollte die Computerindustrie einmal einen Preis für möglichst phantasievolle Anwendungen ihrer Produkte vergeben wollen, die "Disabled Rights Campaigners" hätten sich die Auszeichnung verdient.

Marilyn Golden, eine der bekanntesten Behindertenaktivistinnen und führend im Kampf um das ADA beteiligt, schreibt, daß die wesentliche Voraussetzung für alle späteren Erfolge darin bestand, das öffentliche Bild von behinderten Menschen dramatisch zu verändern: An die Stelle des Bilds vom behüteten, mitleiderweckenden Wohlfahrtsempfänger sollte das Bild des Bürgers mit speziellen Bedürfnissen treten, der von der Gesellschaft nicht länger das Geduldetsein in sozialen Nischen erbettelt, sondern gleiche Rechte verlangt (Golden, 1991 und 1996). Dieser "political turn" war deshalb so schwer zu bewerkstelligen, weil ja auch die Behinderten selbst mit dem ihnen von der Gesellschaft zugewiesenen Bild von ihresgleichen aufwuchsen. Die behinderten Bürgerrechtskämpfer- und kämpferinnen mußten sich also gleichsam am eigenen Schopf aus dem Wasser ziehen, und sie taten dies über den einzig zielführenden Weg - die gesellschaftliche Auseinandersetzung, den Konflikt, den zivilen Ungehorsam, die Anwendung passiver Gewalt mittels Rollstuhlblockaden und anderer Aktionen, kurz: die öffentliche, organisierte und gemeinsame Auflehnung gegen Unterdrückung. Diese Proteste veränderten nicht nur die Gesellschaft als Ganzes, sie veränderten ebenso die Protestierenden. (vgl. Groce, 1992)

Im Zuge der vielfältigen Aktionen der Behindertenbewegung zeigte sich eine zweite, unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg: die Einigkeit der Behindertengruppen. Schon seit den sechziger Jahren kämpfen die verschiedenen Gruppierungen von behinderten Menschen gemeinsam: Mobilitatsbehinderte, Blinde und Sehbehinderte, geistig und psychisch Behinderte, Sprachbehinderte, Menschen mit unsichtbaren Behinderungen (wie Diabetes, Krebs, AIDS etc.) und die neue Gruppe von Menschen mit umweltbedingten Behinderungen lernten, daß nur ein gemeinsames Vorgehen die Chance auf Erfolg birgt. Die Homogenität und Loyalität der amerikanischen Behindertenbewegung ist demgemäß auch Ausfluß der Erkenntnis, daß die Gegner alles unternehmen, um die einzelnen Gruppen der Behinderten gegeneinander auszuspielen, einzelne Repräsentanten von diversen Behindertengruppen in staatliche oder staatsnahe Insitutionen zu absorbieren und damit die Widerstandskraft der autonomen Organisationen zu schwächen. Diese Entwicklung, die auch in anderen Politikbereichen anzutreffen ist, z.b. beim Wechsel von Experten nichtstaatlicher Umweltschutzorganisationen in parlamentarische Organe, trifft besonders unentwickelte und zahlenmäßig schwache nationale Behindertenorganisationen. In bevölkerungsreicheren Staaten wie den USA ist dieses Problem weniger stark ausgeprägt, da auf Grund der größeren Anzahl von Aktivisten die gegenseitige Kontrolle größer ist und allfällige Ausfälle leichter durch nachrückende Kader ersetzt werden können. In kleinen, bürgerrechtlich zurückgebliebenen Staaten allerdings kann die staatliche Abschöpfung einiger weniger führender Köpfe einer kämpferischen Behindertenbewegung für Jahre wenn nicht Jahrzehnte das Rückgrat brechen.

Nur ein ausreichend gebildeter, erfahrener und zahlenmäßig stabiler Kader ermöglicht es der Behindertenbewegung vereint zu agieren. Autonome, aktionistisch orientierte Gruppen preschen mit phantasievollen Aktionen unter Zuhilfenahme von Teilen der Medien in der Öffentlichkeit vor, bereiten ein gesellschaftliches Klima auf, spitzen einen Konflikt zu, worauf dann die "seriösen" Behinderten, die in staatlichen und staatsnahen Institutionen arbeiten (aber mit den Aktionisten in ständiger Verbindung stehen) in Verhandlungen mit den Behörden gesetzliche, finanzielle oder anderweitige Verbesserungen aushandeln. Die Reife einer Behindertenbewegung ist wesentlich daran zu messen, ob diese beiden "politischen Zangen" personell und intellektuell stark genug und imstande sind, dieses abgestimmte Vorgehen über einen längeren Zeitraum zu praktizieren.

Marilyn Golden und andere Veteranen der Bürgerrrechtsbewegung für behinderte Menschen weisen immer wieder darauf hin, daß das elastisch agierende Geflecht von institutionalisierten Behinderten und Independent Living Aktivisten wesentlichen Anteil am Zustandekommen des ADA hatte (vgl. Golden, 1992; Shapiro, 1993). Soweit es sich die Situation in den USA derzeit abschätzen läßt, hat sich dies grundsätzlich nicht geändert; auch wenn einzelne "Veteranen" in die zweite Reihe zurücktreten, aus Krankheits- oder Todesgründen (Ed Robertson) ausfallen, ist doch die Behindertenbewegung in der Lage, die Ausfälle durch neue, motivierte und gut ausgebildete Aktivisten wettzumachen. Wieder zeigt sich in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines für behinderte Menschen offenstehenden Bildungssystems. Wenn ideologische, politische und bauliche Barrieren die Qualifizierung behinderter Menschen als Juristen, Ärzte, Architekten, Computerspezialisten, Medienarbeiter und Politikwissenschaftler verhindern, ist die intellektuelle Potenz der Behindertenbewegung von vornherein dem Herrschaftswissen der Behörden unterlegen, die je nach Bedarf auf verschiedene Experten zurückgreifen, die wortgewandte Erklärungen liefern, wieso Sonderschulen weiterhin notwendig sind, barrierefreie Schulen, Universitäten und Fahrgelegenheiten bei der Fülle an altem Bau- und Maschinenbestand zu teuer erscheinen und die Selbstvertretung behinderter Menschen in demokratischen Foren keine Notwendigkeit darstellt.

Ein weiterer Punkt, der von Golden immer wieder für das Gelingen behindertenspezifischer Vorhaben genannt wird, ist die aktive Solidarität von seiten anderer Minderheiten mit den Anliegen behinderter Menschen. Selbstverständlich hat dieser Prozeß eine zweite Seite, das aktive Engagement behinderter Menschen in Menschen- und Bürgerrrechtsfragen, die außerhalb klassischer "Behindertenthemen" stehen. Auch hier verändern die teilnehmenden Gruppen in ihrem gemeinsamen Kampf um Bürgerrechte nicht nur die Außenwelt, sondern auch sich selber und schaffen damit einen Nucleus einer zum herrschenden gesellschaftlichen Konkurrenz- und Ausschließungsmechanismus gegensätzlich strukturierten Gesellschaft, die ein von gegenseitigem Respekt getragenes angst- und repressionsfreies Nebeneinander verschiedenartiger Lebensmodelle ermöglicht. (vgl. Russell, 1998)

Schließlich, so Golden, war es ein weiter Weg, die traditionellen Behindertenorganisationen so weit wie möglich dahin zu bringen, daß sie ihre Arbeit als Bürgerrechtskampf und nicht als verlängerte Caritas-Tätigkeit, als professionelles Betteln für Wohlfahrtsleistungen, verstanden. In diesem Zusammenhang erwies es sich als äußerst wichtig, die Drohungen der Behindertenaktivisten im Falle eines Nichtnachgebens staatlicher Stellen realistisch abzusichern, so daß die Verhandlungspartner sicher sein konnten, daß bei einem Scheitern der Verhandlungen mit fortgesetzten Blockadeorganisationen und massiven PR-Kampagnen besonders in Wahlzeiten zu rechnen sein muß. Wenn man seine Versprechungen hält, so Golden, wird man von den Regierungsvertretern auch als ernstzunehmende Kraft respektiert.

2.1.4. Oft unterschätzt: die terminologische Dimension

In der Namensgebung "Amerikaner mit Behinderung - Akte" bekennt der Gesetzesgeber sich zu einem zentralen Wert im Bereich jeglicher Minderheitenpolitik - dem Grundsatz "angstfrei anders sein zu können". In der angesprochenen Namensgebung werden behinderte Menschen nicht auf ihre Behinderung reduziert - das Gesetz könnte ja auch Disabled Americans Act oder ähnlich heißen, sondern es ist die Rede von Amerikanern mit Behinderung, von Staatsbürgern also, die eine genau umrissene Zusatzeigenschaft aufweisen, die im gegenständlichen Gesetzeswerk umfassend, als Ausdruck sowohl gesellschaftlicher Verantwortung und Zuständigkeit als auch des Respekts vor andersartigen Lebensformen - und Praxen berücksichtigt wird. Durch die Nennung der behinderten Menschen als Staatsbürger der USA drückt der Gesetzgeber aus, daß er seine bundesgesetzliche Verantwortung für den beschriebenen Kreis von Staatsbürgern wahrzunehmen gewillt ist. Daraus folgern zwei für unsere Fragestellung wesentliche Erkenntnisse: Zum einen ist es wichtig, daß ein Antidiskriminierungs- oder Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen diese terminologisch nicht auf ihre Behinderung reduziert oder diese auch nur in den Vordergrund rückt. Behinderte Bürger sind zuallererst Staatsbürger, dann erst, in einer weiteren Bestimmung, sollte der Zusatz - Behinderung - definiert werden. Ebenso wichtig ist, zweitens, daß der Gesetzgeber seine Verantwortung für diese Gruppe von Staatsbürgern in der Wortwahl des Gesetzes deutlich erkennen läßt. Er nimmt sich damit gewissermaßen selbst in die Pflicht und erschwert sich selbst damit in wechselnden gesellschaftlichen Verhältnissen, unter anderen politischen Vorzeichen, die unter Umständen mit einer Abkehr vom Integrations- und Unterstützungsprinzip für gesellschaftliche Minderheiten einhergehen können, eine Verwässerung oder Abschaffung seiner schon im Gesetzesnamen eingegangenen Verpflichtung zuzulassen und er wappnet sich damit gegen das Eintreten von "worst case scenarios", deren zivilisatorische Sprengkraft nur zum geringeren Teil von Anleihen bei Epochenverbrechen stammt und großenteils von einem naiven Umgang mit neuartigen biologistischen und eugenischen Politikansätzen kündet.

2.1.5. ADA - Struktur und Zuständigkeit[1]

Das Gesetz gliedert sich in vier Hauptbereiche und verbietet Diskriminierungen bei der Einstellung und Beschäftigung und das sowohl im staatlichen wie auch im privaten Bereich, der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen, der Benützung des öffentlichen Personenverkehrs und der Inanspruchnahme von Telekommunikationseinrichtungen und Dienstleistungen.

Einstellung und Beschäftigung

Das Gesetz sieht vor, daß es staatlichen und nichtstaatlichen Arbeitgeber mit mehr als 15 Arbeitnehmern verboten ist, qualifizierte behinderte Menschen aufgrund ihrer Behinderung bei allen arbeitsrechtlichen Fragen zu von der Bewerbung, den Arbeitsbedingungen, den Schulungen bis zur Beförderung und allfälliger Entlassung zu benachteiligen.

Öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen

Hier werden alle Einrichtungen des täglichen Lebens wie Geschäfte, Hotels, Restaurants, Parks, Schulen, Ämter, Kulturstätten etc. erfaßt. Das Gesetz verbietet den Ausschluß von der Benützung dieser Stätten, was einem Ausschluß von einer Dienstleistung gleichkäme.

Alle neuerrichteten Gebäude, die von der Öffentlichkeit in Anspruch genommen werden, müssen barrierefrei und behindertengerecht (Zugang, Türbreite, Behindertentoiletten, Blindenleitsystem) ausgestattet sein. Bei leichter Verwirklichbarkeit müssen auch bereits bestehende Gebäude umgerüstet werden. Bereitzustellende Hilfen und Unterstützungen müssen in einem "angemessenen Verhältnis" zu den Gesamtkosten stehen. Diese bedeutet z.B., daß ein Restaurant nicht unbedingt eine Speisekarte in Braille für Blinde oder sehschwache Personen anbieten muß, wenn das Personal die Karte vorliest. Hier liegt ein Rechtsanspruch vor.

Öffentlicher Personenverkehr

Seit August 1990 dürfen Verkehrsbetriebe nur solche Busse in Dienst stellen, die auch für behinderte Menschen zugänglich sind. Dies gilt auch für Überlandbusse, Eisenbahnen und Bahnhöfe sowie für U-Bahnen (nur in schwierigen Fällen sind im letzteren Fall längere Umrüstzeiten erlaubt.)

Benützung der telekommunikativen Einrichtungen

Das ADA weist Telefongesellschaften an, durch Relaystationen sicherzustellen, dass hör- und sprachbehinderten Menschen telekommunikativen Einrichtungen ohne zusätzliche Kosten gleichberechtigt in Anspruch nehmen können.

Fazit:

In zwei Bereichen kam es zu den augenfälligsten Verbesserungen, die einer völligen Umwälzung des vorher gegebenen Zustandes gleichkommen: Öffentlicher Verkehr und öffentlich genützte Gebäude müssen barrierefrei benützbar sein. Damit erhöhte sich der Mobilitätsradius behinderter Menschen dramatisch und zog in der Folge eine wesentliche Normalisierung des Verhältnisses von nichtbehinderten zu behinderten Bürgern nach sich. Waren vorher nur wagemutige Behindertenpartisanen allein auf "freier Wildbahn" unterwegs, ist es jetzt die Regel, daß selbst schwerstbehinderte Menschen am gesellschaftlichen Leben aktiv teilnehmen. Sie lernen damit bislang vorenthaltene Dimensionen von Wirklichkeit kennen.

Allein die Verwirklichung dieser beiden Punkte, auf die ein einklagbarer und praktikabler Rechtsanspruch besteht, haben das Leben behinderter Menschen in den USA stärker zum Positiven verändert als jahrzehntelange Appelle an das Bewußtsein von Kommunen, Bauherren und Architekten.

2.1.6. Einklagbarkeit des Gesetzes

Die Einklagbarkeit des ADA ist den Bürgerrechtsbestimmungen des "Civil Right Act" von 1964 angepaßt, der für andere Minderheiten geschaffen wurde. Dies bedeutet, daß Prozesse gegen die Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen sowohl von Privatpersonen als auch von staatlicher Seite durch den Generalstaatsanwalt angestrengt werden können.

Bei Diskriminierungen, die von Privatpersonen vorgebracht werden, können diese die Veränderung der diskriminierenden Verhältnisse verlangen. Auf diese Weise werden die behinderten Menschen aktiv in den Rechtsschöpfungsprozeß einbezogen und wirken auf diese Weise bei der Schaffung einer für sie akzeptablen Umwelt mit. Diese Eigenheit des ADA ist zu Recht internationales Vorbild für alle wie auch immer national und kulturell abgewandelten Antidiskrimierungsgesetze bzw. den Bestrebungen, derartige Gesetze zu erreichen. Die Praxis des ADA zeigt, daß einschlägige Gesetze OHNE diese doppelte Bestimmung: private Klagbarkeit und Rechtsschöpfung von seiten der behinderten Menschen strikt abzulehnen sind. (vgl. Shapiro, 1998; Charlton, 1998).

In Fragen der Beschäftigung können behinderte Menschen die Einstellung und Rückerstattung des Verdienstausfalls geltend machen. Klagen auf Schmerzensgelder sind bei Prozessen, die von Privatpersonen angestrengt wurden, nicht möglich. Allerdings verfügt der Generalstaatsanwalt über die Möglichkeit, Prozesse einzuleiten, bei denen Privatpersonen finanzielle Entschädigungen (so auch Schmerzensgeld) zugesprochen werden kann. Darüber kann der Generalstaatsanwalt auch Geldstrafen beantragen, die erstmalige Diskriminierungen von behinderten Menschen mit Strafen bis zu $ 50 000 und Wiederholungsfälle mit bis zu $ 100 000 ahnden. Für Einrichtungen, die Bundesgelder erhalten, gelten zudem die Bestimmungen des "Rehabilitation Act" von 1973, wonach öffentlich geförderten Einrichtungen beim Vorliegen von Diskriminierungen die Zuschüsse entzogen werden können, was ein wichtiges Druckmittel darstellt. Darüber hinaus bestehen eine Vielzahl von staatlichen Beschwerdekommissionen, die verpflichtet sind, bekanntgemachten Fällen von Diskriminierungen nachzugehen. Als Bekanntmachung einer Diskriminierung genügt bereits ein formloses Schreiben eines behinderten Menschen, der sich einer tatsächlichen oder vermeintlichen Diskriminierung ausgesetzt sah.

2.1.7. ADA - und nun?

Der amerikanische Behindertenaktivist Justin Dart weist darauf hin, daß das ADA noch lange keine volle Gleichberechtigung der behinderten Menschen gebracht habe, der Kampf müsse noch für länger Zeit fortgeführt werden, bis eine Gesellschaft erreicht sei, die jedem Bürger nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis dieselben Rechte einräumt.

Dart verweist auf die Bedeutung des "empowerment" - Konzepts, das in Deutsch schwer zu übersetzen ist, da es viele Momente beinhaltet. Im Falle von behinderten Menschen heißt "Empowerment" soviel wie die umfassende Einmischung des Individuums in die eigenen Angelegenheiten. Erst wenn behinderte Menschen die ihnen zugeschriebene trügerisch bequeme Rolle des hilflosen Zuschauers, des von Familienmitgliedern und Institutionen Abhängigen ablegen und beginnen, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und sich schließlich auch für andere, unter ähnlichen Umständen um Mündigkeit und Selbstständigkeit ringende Menschen einsetzen, erst dann ist das klassische Rollenbild des duldenden Defektwesens zugunsten einer selbständig denkenden und agierenden Persönlichkeit überwunden, erst dann ist der Transformationsprozeß vom reinen Objekt des Sozialstaats zum politisch-gesellschaftlichen Subjekt vollzogen, und aus einem Kampf um das Allernotwendigste wird ein Kampf um gleiche staatsbürgerliche Rechte. Nur so vermag man die Gesellschaft dazu zu bringen, ihrerseits das Rollenverständnis von Behinderten zu verändern: von ausgegrenzten exotischen Wesen in abgelegenen Heimen, deren Versorgungsträger aus dem Geschäft mit Ekel und Mitleid ein profitables Business gemacht haben, über gerade noch geduldete sonderbare Existenzen, denen soziale Nischen zugewiesen werden, wo sie dann ihr Leben bis zum Ende ihrer Tage fristen müssen, bis hin zu respektierten Bürgern, deren spezielle Bedürfnisse erfüllt werden müssen, damit zumindest ein Minimum an staatsbürgerlicher und gesellschaftlicher Gleichheit gewährleistet werden kann, ist es ein weiter Weg.

In jedem Land müssen Gesetze erkämpft werden, die deutlich signalisieren, daß eine bislang "unsichtbare Minderheit" nun ans Licht gesellschaftlicher Verhältnisse drängt. Jeder Mensch, der eine geistige oder körperliche Behinderung aufweist, muß gegen Diskriminierung geschützt werden und dieser Schutz muß in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gegeben sein. (vgl. Golden, 1991).

Es ist richtig, daß die Verhältnisse sich nicht über Nacht ändern lassen. Jahrtausende alte Verhaltensmuster, religiöse Unterdrückungsmechanismen, Millionen und abermillionen Baulichkeiten und Verkehrsmittel, die Barrieren auftürmen, können nicht in einem Ansturm hinweggefegt werden. Nur in diesem Zusammenhang muß die Behindertenbewegung pragmatisch sein und den einen oder anderen Kompromiß eingehen.

"Kein Kompromiß ist aber in bezug auf das Prinzip vorstellbar, daß volle Gleichstellung geltendes Recht ist und alle Anstrengungen unternommen werden müssen, in allen Fällen volle Gleichstellung zu erreichen. Kein Kompromiß ist auch bei der Forderung vorstellbar, daß alle neuen Einrichtungen behindertengerecht sein müssen. Von wesentlicher Bedeutung ist auch, daß gesetzliche Maßnahmen Regelungen beinhalten müssen, die für eine Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften Sorge tragen." (Justin Dart. Vortrag vor dem Presidents Committee on Employment of People with Disabilities, USA, 1992 zit. bei BIZEPS, 1999, S. 5) Zu den Wegen, die hier beschritten werden müssen, gehören eine strenge, in der Öffentlichkeit deutlich sichtbare Anwendung und Durchsetzung der Gesetze, "ausgewogene Rechtsbehelfe, eine Beteiligung von behinderten Menschen am Gesetzgebungsprozeß, sowie an der Durchführung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften" (ebd.). Besonders wichtig sind ferner eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und "ein Name für das Gesetz, durch den sehr deutlich wird, welches Ziel hier verfolgt wird." (ebd.)

Die Tatsache, daß der amerikanische Staat wenig regelnd eingreift und die Sorge für Gesundheit und Sozialversicherung in einem für Europa ungewohnten Ausmaß dem Einzelnen überläßt, führt unter anderem dazu, daß behinderte Menschen, vor allem solche mit hohem Assistenzbedarf, medizinisch oft schlecht versorgt und mit mangelhaften Hilfsmitteln ausgestattet sind. Darüber hinaus sind auch in den USA behinderte Menschen in einem erschreckend hohen Ausmaß arbeitslos, drückende Finanzsorgen prägen für allzu viele Behinderte den Alltag. Diese "dunkle Seite" der amerikanischen Sozialpolitik wird zwar von den Behindertenorganisationen und deren Aktivisten mit Leidenschaft bekämpft, die Erfolge in diesem Bereich sind aber - sieht man einmal von dem im Dezember 1999 erlassenen "Disabled Workers Law", das behinderte Menschen nicht länger durch den Entzug von Sozial-und Medizinunterstützung bestraft, wenn sie Arbeit aufnehmen - ab, bescheiden (Gearan, 1999. )Aus diesem Grund entwickeln viele Behindertenaktivistinnen- und Aktivistinnen sich zu umfassenden sozial- und gesellschaftspolitischen Kritikern des amerikanischen Gesellschaftssystems (vgl. Charlton, 1998; Russell, 1998). Die politische Radikalisierung der "Szene" erscheint zwar in der Öffentlichkeit weniger aktionistisch als in den siebziger Jahren, bei näherem Hinsehen aber zeigt sich, daß die amerikanische Behindertenbewegung nunmehr in der Lage ist, vielfältige Kampfformen einzusetzen. Rollstuhlblockaden und Besetzungen von Amtsgebäuden bleiben weiterhin im Repertoire des Kampfes für umfassende Gleichberechtigung, sie sind aber eingebettet in eine gereifte politische Bewegung, die sich auf ein Gesetz, den ADA, stützen kann, der nicht nur einen enormen Zuwachs an Selbstbewußtsein für die behinderten Menschen brachte und - parallel dazu - die Haltung der Behörden und nichtbehinderten Bürger zu jeder Form von Behinderung weitgehend normalisierte, sondern auch - dies ist eine gern übersehene Folge des ADA - den Boden für ein gleichberechtigtes Agieren in der Politik erst aufbereitete. Mußten Behindertenaktivisten früher auf der Straße mit verunsicherten und ahnungslosen Politiken verhandeln, so werden sie heute als anerkannte Experten zu Verhandlungen geladen. Mit Hilfe des von ihnen erkämpften ADA haben die behinderten Bürger der USA sich gleichsam am eigenen Schopf aus dem Sumpf von Bevormundung, Ausgrenzung und Unterdrückung gezogen. Die Idee und Konzeption des "Empowerment" fand hier eine glänzende Bestätigung.

Die Stärke der amerikanischen Behindertenbewegung erscheint des weiteren in der Herausbildung eigenständiger Machtstrukturen, wie sie sich im Kodex der nahezu 300 über das ganze Land verteilten "Independent Living Centers" und der Existenz von zehntausenden Expertinnen und Experten in eigener Sache (nicht wenige davon mit Hochschulbildung) manifestieren. Aus einer Graswurzelbewegung ist längst eine institutionalisierte Bürgerrechtsbewegung geworden, und zwar eine, die es verstanden hat, ihre politischen Regeln (Selbstvertretung, Expertentum in eigener Sache) dem Staat aufzuzwingen. (vgl. Russell, 1998; Shapiro, 1998). Selbst die alten, traditionellen Behindertenverbände, die Spieler im "professionnellen Bettel-Business-Casino", sind gezwungen, ihre oft beträchtlichen Finanzmittel auch für Aktivitäten im Sinne des "Independent Living" einzusetzen, wollen sie nicht riskieren, daß ihre Klientel, die Behinderten, sich gänzlich von ihnen abwenden. Behinderte Menschen, die offen für die Belange des "Independent Living" eintreten, bekleiden Universitätslehrstühle, es gibt behindertenpolitische Studienlehrgänge, Organisationen behinderter Juristinnen und Juristen, die ein wachsames Auge auf neue Gesetzesvorhaben werfen, es gibt Ideologen der Bewegung wie Marta Russell und Judith Heumann, es gibt behinderte Journalisten, die für einflußreiche Zeitungen arbeiten wie John Hockenberry, und es gab und gibt eine Reihe von behinderten Künstlern und Exponenten der Unterhaltungsindustrie wie Curtis Mayfield, deren privilegierte soziale Stellung sie nicht davon abhält, den Kampf ihrer behinderten Kolleginnen und Kollegen nachhaltig zu unterstützen (vgl. Hockenberry, 1996).

Neben der erfolgten sozialphilosophischen Schulenbildung ("Independent Living Studies, Disability Policy Studies) und der medialen Repräsentanz einer Vielzahl von behinderten Expertinnen und Experten spricht ein weiteres Merkmal dafür, daß die Bewegung behinderter Menschen für gesellschaftliche Gleichberechtigung in den USA zu einem einflußreichen, mit weitreichender politischer Macht ausgestattetem politischem Sektor geworden ist: die weitverzweigte innere Differenzierung. Behinderte Frauen organisieren sich in eigenen Gruppen, um für ihre Anliegen zu kämpfen; die "People First Aktivisten" organisieren die Selbstvertretung geistig behinderter Menschen; Behinderte mit homosexueller Orientierung bilden ihrerseits eigene Foren; Vereine, die sich um illegal in den USA eingewanderte behinderte Immigranten kümmern finden sich im Spektrum der behindertenpolitischen Szene ebenso wie Selbsthilfegruppen, die sich einzelnen Behinderungsarten widmen und Konsumentenschutzorganisationen, die sich vom Hilfsmittelmarkt bis zum Versicherungswesen, vom öffentlichen Verkehr über das Bild behinderter Menschen in der Werbung bis zum Behindertenextremsport engagieren.

Wie groß der Unterschied in der gesellschaftspolitischen Stärke zwischen der amerikanischen und der europäischen, vor allem der österreichischen Behindertenbewegung, nach wie vor ist, wird an einem Faktum deutlich: Kein amerikanischer Politiker kann es sich heute leisten, die Forderungen der Behinderten und ihrer Organisationen zu negieren, das öffentliche Eintreten für die Rechte behinderter Menschen zählt in der amerikanischen Politik ebenso zum guten Ton wie das Eintreten für Menschen mit homosexueller geschlechtlicher Orientierung.

In Europa und besonders in Österreich regiert demgegenüber noch der alte Trott: Parteien ernennen nach wie vor nichtbehinderte Behindertensprecher; auf dem Rücken der Behinderten und ihrer Bürgerrechte werden Spendengeschäfte aufgezogen; deren Einnahmen Sozialdiensten und nicht der Förderung der Unabhängigkeit behinderter Menschen zugute kommen; die Behindertendachorganisationen sind, mit Ausnahme der Elternbewegung behinderter Kinder, auf vielfältige, vor allem finanzielle Weise mit jenen staatlichen Stellen verknüpft, die der Hauptgegner einer auf "Empowerment" ausgerichteten Behindertenpolitik sind und die wenigen Gruppen, die sich der "Selbstbestimmt Leben Bewegung" verpflichtet fühlen, stecken personell, finanziell und in ihrem politischen Einfluß in den Kinderschuhen.

2.2.1. Großbritannien - Der Kampf um den Disability Discrimination Act

Ausgehend von der Durchsetzung des US-amerikanischen ADA versuchte auch die englische Behinderten-Bewegung in den neunziger Jahren ihren zwei Jahrzehnte währenden Kampf für eine ähnliche gesetzliche Regelung zu einem positiven Abschluß zu bringen (vgl. v.a. Evans, 1996; Evans / Hasler, 1996). Eng damit verknüpft waren die Bemühungen um eine Überwindung paternalistischer Strukturen in der staatlichen Sozialpolitik aber auch innerhalb vieler traditioneller Behindertenverbände und die Verbreitung des des Independent Living, des Selbstbestimmt-Leben Konzepts, verkörpert durch Direktzahlungsmodalitäten und persönliche Assistenz. Als Ergebnis der Kampagnen im Umfeld dieser zwei Sachbereiche wurden 1995 zwei neue Gesetze im Vereinigten Königreich von Großbritannien eingeführt: das Gesetz über Direkt-Zahlungen an behinderte Menschen und der Disability Discriminiation Act, ein Gesetz, das die bürgerrechtliche Diskriminierung von behinderten Menschen unterbinden helfen sollte (Quelle: http://www.disability.gov.uk/dda/index.html).

Im Vereinigten Königreich, wie auch in vielen anderen Ländern, erlebten behinderte Menschen dieselben Formen von Diskriminierung wie sie ihre behinderten Kollegen und Kolleginnen in allen anderen Industriestaaten erfahren: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind nur zum geringen Teil zugänglich; es existieren ungleiche Lebenschancen im Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt; der Zugang zu Dienstleistungen gleicht oft einem Lotteriespiel; die meisten Wohnmöglichkeiten sind unzugänglich, wenn sie geschaffen werden, dann oft in Behindertenghettos, was die Separierung und Exotisierung behinderter Menschen noch verstärkt; behinderte Menschen zahlen höhere Versicherungsprämien für den PKW, Gesundheit und Reisen; diskriminierende Spendenaktionen im Namen von Behinderten perpetuieren das Bild des unselbständigen, von karitativer oder staatlicher Wohlfahrt abhängigen Menschen; nichtbehinderte Sozialexperten sprechen behinderten Menschen ihre Qualifikation als Experten in eigener Sache ab. Dazu kommt noch der Umstand, daß viele behinderte Menschen, die in aussondernden Heimstrukturen sozialisiert wurden, in ihrem Selbstbild die patenalsitischen, fremdbestimmenden Strukturen verinnerlicht haben. Die einzige Lösungsmöglichkeit für eine derart komplexe Situation verläuft über die Etablierung einer langfristig angelegten, umfassenden Gleichstellungspolitik mit tragenden juristischen Säulen.

Seit den frühen Achtzigerjahren verzeichnete die englische Behindertenbewegung 14 legistische Versuche, ein umfassendes Bürgerrechtsgesetz gegen die Diskriminierung behinderter Menschen zu schaffen. All diese Bemühungen blieben ohne Erfolg. Dennoch wird die Bilanz jener Jahren von Behindertenaktivisten nicht gänzlich negativ beurteilt; immerhin kam es zum Aufbau vernetzter Lobbystrukturen und zur weitgestreuten Wissensvermittlung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit unter behinderten Menschen. Auch wurden mit einzelnen Parteien langfristige Untestützungsstrukturen etabliert. Zur Regierung jedoch, die in jenen Jahren eine strikten Liberalisierungs- und Deregulierungskurs verfolgte, bestanden nur punktuelle und unzureichende Kontakte, die noch dazu behindert wurden, daß Regierungsvertreter jahrelang eine parlamentarische Verzögerungs- und Ausweichtaktik gegenüber den Anliegen der Behindertenbewegung anwandte. Auf diese Weise wurden immer wieder Verfahrensfristen versäumt, Entwürfe für ein Anti-Diskriminierungsgesetz mußten neuerlich in den parlamentarischen Prozeß eingebracht werden. Auch die überfallsartige Präsentation einer Vielzahl von Gesetzesänderungen von seiten der Regierung Tage und Stunden vor einer möglichen Beschlußfassung im Parlament zählten zum Arsenal der ADG-Gegner. Den Behindertenverbänden wurde in diesen Fällen die Möglichkeit genommen, angemessen auf die überhastet eingebrachten und oft schädlichen Vorschläge zu reagieren; sie sahen sich daher gezwungen, die Zustimmung zum Gesetz zurückzuziehen, worauf wieder Monate und Jahre verloren wurden.

Im Lauf der Jahre verbesserten behinderte Menschen und ihre Organisationen jedoch ihre Lobby-Taktik, ihre politischen Strategien und ihr Bewußtsein: sie lernten, wie sie die Situation beeinflussen konnten und so nahm die Wirkung der Kampagnen für die Einführung eines ADG beträchtlich zu. Eine wesentliche Stärkung erfuhren die Bemühungen der englischen Behindertenbewegung durch das Inkrafttreten des US-amerikanischen ADA (Americans with Disabilities Act) im Jahr 1991. Was in den Vereinigten Staaten, die ein dem englischen verwandtes Rechtssystem aufweisen, möglich war, schien mit einem Moment auch im Vereinigten Königreich durchsetzbar.

Im Jahr 1991 schließlich startete der BCODP (British Council of Disabled People, der Britische Rat der Menschen mit Behinderung) - die überregionale, repräsentative und demokratische Organisation behinderter Menschen im Vereinigten Königreich - seine Kampagne für die Durchsetzung eines Antidiskriminierungsgesetzes. Diesem Ziel wurden fortan alle anderen Anliegen der Behindertenbewegung untergeordnet. Daraufhin kam es zu einer vorher nie gesehenen Konzentration und Bündelung der vorher oft vereinzelten Bemühungen der diversen Behindertenorganisationen. Der Beginn der ADG-Kampagne fiel zeitlich zusammen mit der Veröffentlichung einer wichtigen Forschungsarbeit mit dem Titel "Diskriminierung und Menschen mit Behinderung in Großbritannien", die vom BCODP durchgeführt worden war. Diese umfassende Studie erbrachte den Nachweis, wie notwendig die Implementierung eines ADG war. Der Studie sollten dann in kurzer Reihe eine weitere Anzahl von Forschungsprojekten behinderter Menschen folgen (vgl Evans, 1998).

Bis zur Veröffentlichung des oben genannten Forschungsberichts war die Regierung auf dem Standpunkt gestanden, daß es keine systematische Benachteiligung behinderter Menschen in Großbritannien gab. Aber am 31. Jänner 1992 gestand sie dies im Unterhaus öffentlich zu. Während die Regierung also gezwungen war, Diskriminierung als ein Problem anzuerkennen, war sie keineswegs willens, einen von der Labour Party in Zusammenarbeit mit den Behindertenverbänden eingebrachten Gesetzesantrag zur Gleichstellung behinderter Menschen zu unterstützen. Das Hauptargument der Regierung bezog sich auf die angeblich durch die Gesetzeswerdung des Antrags verbundenen hohen wirtschaftlichen Kosten, die die Wettbewerbsfähigkeit der englischen Wirtschaft schwächen würde. Die Einschätzung bezüglich der finanziellen Aspekte eines Gleichstellungsgesetzes sollte sich Jahre später als falsch erweisen. Ferner wurde von seiten der Regierungsvertreter angeführt, daß die Diskriminierung langfristig nur durch eine verbesserte Bildungspolitik und eine damit verbundene und abgeleitete politische Überzeugungsarbeit beseitigt werden könne, gesetzliche Regulierungen würden nicht zum Ziel führen.

2.2.2. Direkte Aktionen

Am Beginn der 90er-Jahre änderte die Behindertenbewegung auf diese Argumente hin ihre Strategie und wandte sich öffentlichkeitswirksamen Aktionen zu. Diese sollten im Verlauf der Kampagne für ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz eine wichtige Rolle spielen. Der Anblick behinderter Menschen, die an Autobusse angekettet oder mit Handschellen an sie befestigt waren, verursachte ein Medien-Spektakel, ebenso wie Proteste vor öffentlichen Gebäuden oder von behinderten Demonstranten verursachte ausgedehnte Verkehrsstaus in der Stadtmitte Londons und anderen Großstädten. Historisch gesehen war es für die Behindertenbewegung immer ein Problem gewesen, die Aufmerksamkeit der Medien für ihre Anliegen zu erregen. Behinderung war ein wenig attraktives Exotenthema und dementsprechend gering war die Möglichkeit der Behindertenbewegung, ein größeres Publikum zu erreichen (vgl. auch Shapiro, 1993). Durch das Mittel der direkten Aktion hatte man nun aber die Garantie, einen guten Medien-Mix mit großer Breitenwirkung zu bekommen. Einige Telefonanrufe vor den Aktionen genügten, und die Medien pflegten herbeizueilen.

Die Aktionen verstärkten das politische Profil der Behindertenaktivisten und erhöhten die Dringlichkeit der Bürgerrechts-Gesetzgebung in den Augen der allgemeinen Öffentlichkeit; sie trugen auch viel dazu bei, manch selbstzufriedene Politiker aufzurütteln - dennoch reichte die öffentlichkeitswirksame Strategie allein nicht aus, dem Ziel eines Antidiskriminierungsgesetzes tatsächlich näher zu kommen. Ohne intensive Lobby-Tätigkeit im parlamentarischen Vorfeld sowie regelmäßiger Treffen mit Politikern, die dem Austausch konstruktiver Argumente dienten, die auf bereits vorhandenem Beweismaterial für stattfindende Diskriminierung basierten, wären die Anstrengungen der Behindertenbewegung trotz des großen Aufwandes gescheitert. In einer parlamentarischen Demokratie müssen letzlich alle gesellschaftlichen Änderungen Gesetzeskraft erlangen, und der Ort, dies zu erreichen, ist nun einmal das Parlament. Die Aufgabe bestand darin, parteiübergeifend verbündete Politiker zu gewinnen, die sich in ihrer Arbeit von behinderten Experten und Rechtssachverständigen beraten ließen. Diese Tätigkeit wurde durch eine Vereinigung mit dem Namen Rights Now Group koordiniert, die einen Zusammenschluß von etwa 50 Behindertenorganisationen und karitativen Gruppierungen darstellte, die sich zusammenfanden, um das ADG (das Anti-Diskriminierungs-Gesetz) durchzusetzen.

2.2.3. Rights Now Group

Die Vereinigung konstituierte sich 1992 im Zuge einer breit angelegten Medienkampagne für ein Gleichstellungsgesetz. Die Rights Now Group war eine Weiterentwicklung einer bereits früher bestehenden Gruppe, die Mitte der achtziger Jahre den Kampf für eine Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung aufgenommen hatte. Das Neue an der Rights Now Group bestand darin, daß sie eine Verbindung von Behindertenorganisationen und traditionellen karitativen Organisationen war, die sich mit dem alleinigen Ziel ADG zusammengetan hatten. Trotz aller Differenzen und Auffassungsunterschiede hinsichtlich Art und Umfang von politischen Aktionen arbeitete die Gruppe äußerst effizient, sie koordinierte und arrangierte Treffen und Seminare im ganzen Land, um unter anderem mehr lokale und regionale Aktivitäten auf dem Basisniveau der Kampagne anzuregen, wodurch die Kampagne ihrerseits enorm an Breite gewann. Darüber hinaus präsentierte die Gruppe einschlägige Forschungsergebnisse, die den Nachweise erbrachten, daß die von der Regierung behaupteten Kosten der Durchführung des Bürgerrechtsgesetzes bei weitem zu hoch veranschlagt waren. Hier machte die englische Behindertenbewegung eine Erfahrung, die ihre amerikanischen Kollegen schon zehn Jahre früher beschäftigt hatte: Finanzielle Argumente werden meist vorgeschützt, um sich des Themas "Gleichstellung behinderter Menschen" ingesamt zu erwehren. Die britische Regierung warf die horrende Zahl von 17 Milliarden britische Pfund in die Debatte. In dem von der Rights Now Group vorgelegten Forschungsbericht mit dem Titel "Welchen Preis haben Bürgerrechte?" konnte anhand englischen und US-amerikanischen Materials nachgewiesen werden, daß die von der Regierung genannte Horrorzahl keiner empirischen Überprüfung standhalten würde.

2.2.4. Der Disability Discrimination Act (DDA).

Das britische Antidiskriminierungsgesetz

Nach Jahren intensiver Lobbyarbeit und öffentlichkeitswirksamer Aktionen der Behindertenbewegung wurde der Disability Discrimination Act schließlich im November 1995 verabschiedet. Die Regierung unter John Major sah sich gezwungen, rasch auf den wachsenden öffentlichen Druck zu reagieren. Nach endlosen Jahren an Überzeugungsarbeit zählte das DDA zu den am schnellsten durchgebrachten sozialpolitischen Gesetzeswerke, welche englische Regierungen je eingebracht hatten. Die Schnelligkeit, ja Hastigkeit (manche Kommentatoren sprachen sogar von Überhastetheit) der Gesetzesvorlage war ein politischer Kompromiß, um einer radikaleren Bürgerrechts-Gesetzesvorlage entgegenzuwirken, die - gesponsort von der Right Now - Kampagne - zur gleichen Zeit auf dem Weg durchs Parlament war. Das von der Regierung eingebrachte DDA brauchte nur ein halbes Jahr, um Gesetzeskraft zu erlangen.

Die Art des Zustandekommens des DDA erklärt auch, daß das Gesetz von Anfang an mit einer Reihe von Mängeln behaftet war; von denen am schwersten wog, daß das Gesetz im Gegensatz zum amerikanischen AdA als von einzelnen behinderten Menschen nicht durchsetzbar eingeschätzt wurde, womit an den vielfältigen Formen von Diskriminierung wenig Änderung zu erwarten sei. Die Behinderten-Bewegung fühlte sich durch die Vorgangsweise der Regierung übertölpelt und sprach sich gegen das DDA aus.

Neben der fehlenden Durchsetzungsmöglichkeit stieß die Behindertenbewegung sich an zwei weiteren Punkten. Ein fundamentaler Fehler des DDA besteht in den Augen der Behindertenbewegung darin, daß das DDA eine höchst eingeschränkte Definition von Behinderung vornimmt, welche von vornherein viele Gruppen von behinderten Menschen ausschließt, so Menschen mit geistiger Behinderung und manche Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die Behinderungsdefinition des DDA beruht auf einer höchst problematischen medizinischen Modelldefinition, die davon ausgeht, daß der Hauptgrund für Behinderung ein Gebrechen und nicht die Art und Weise sei, in der die Gesellschaft organisiert ist. Das DDA unterscheidet sich darin grundlegend von den Standard Rules der UNO, die eine Sammlung von von Bestimmungen und Prinzipien darstellen, um Mitgliedsländer zu ermutigen, gleiche Rechte für behinderte Menschen in ihren Ländern herzustellen.

Der Disability Discrimination Act deckt drei Hauptbereiche ab, nämlich den Zugang zu Waren und Dienstleistungen; die Arbeitssituation behinderter Menschen, und den Kauf oder die Miete von Land oder Besitz. Abgesehen davon erlaubt das Gesetz der Regierung, minimale Standards festzulegen, so daß behinderte Menschen öffentliche Verkehrsmittel benützen können. Weiters verpflichtet das Gesetz Schulen, Colleges und Universitäten, Informationen für Behinderte bereitzustellen und es setzte National Disability Council (den Gesamtstaatlichen Rat für Behindertenfragen, seit Frühjahr 2000 heißt dieses Gremium Disability Rights Commission) ein, der die Regierung in der Frage der Diskriminierung von behinderten Menschen beraten soll.

Die vom DDA verbrieften Rechte sind keine allgemeingültigen, da es verschiedene Ausnahmen gibt. Zum Beispiel trifft der Abschnitt über Beschäftigung auf Firmen mit weniger als zwanzig Beschäftigten nicht zu. Das bedeutet, daß über 90% der Arbeitgeber Großbritanniens vom neuen Gesetz nicht berührt werden. Darüber hinaus ist Diskriminierung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt; wenn zum Beispiel "Angleichungen" von Arbeitsabläufen, um behinderte Arbeiter einstellen zu können, als "unzumutbar" eingestuft werden.

Hauptmangel des Gesetzes ist aber die Tatsache, daß es keinen Durchsetzungsmechanismus für Einzelpersonen vorsieht und auch darüber hinaus keinen Rechtsbeistand erlaubt. Der National Disability Council darf die Regierung nur bei der Einführung und Anwendung des Gesetzes beraten, nicht bei seiner Durchsetzung.

Paul Miller, ein Kommissionsmitglied der amerikanischen Gleichberechtigungskommission, der Schlüsselorganisation zur Durchsetzung des ADA (Americans with Disabilities Act) beschrieb die "Zahnlosigkeit" des DDA als "soziale Schande". Die Durchsetzung ist der kritische Punkt jeden Bürgerrechtsgesetzes, so Miller. Es muß eine Gleichstellung mit anderen Bürger- und Menschenrechtsfragen geben, sonst lautet die implizite Botschaft, daß eine Diskriminierung aufgrund von Behinderung nicht so ernst sei wie eine rassistische oder geschlechtsbezogene Diskriminierung. Auf diese Weise würde eine zweite Ebene von Ungleichbehandlung entstehen.

Derzeit ist die englische Behindertenbewegung bemüht, aus dem zahnlosen DDA ein wirksames Gesetz zur Vermeidung und Abstellung von diskriminierenden Vorgangsweise gegenüber behinderten Menschen zu formen. Die Widerstände von Politik und Sozialbürokratie erweisen sich aber als äußerst stark.

2.3. Die rechtliche Situation behinderter Menschen in Schweden

Schweden ist in gewisser Hinsicht die Antithese zur amerikanischen und, in abgeschwächter Form, auch zur britischen Situation. Dies hängt mit den sozialpolitischen Paradigmen zusammen, die in diesen Staaten bestimmend für staatliches Handeln sind. Während in den USA und in England der Gedanke der Eigenverantwortlichkeit, damit aber auch die dem Individuum zukommenden Bürgerrechte stark ausgeprägt ist, ist Schweden jenes Land, in dem die sozialen Rechte der Staatsbürger besonderer Wertschätzung unterliegen. Die schwedische Behindertenbewegung stand daher - ähnlich wie die österreichische - vor einer komplexen Situation: Einerseits wollte sie eine Beibehaltung und einen Ausbau der sozialstaatlichen Absicherung für behinderte Menschen erreichen, was ihr durch ein Pflegegesetz auch gelungen ist (auch hier eine Parallele zu Österreich), andererseits mußte sie gegen ausgeprägte paternalistische Strukturen einer Sozialbürokratie ankämpfen, die glaubte, besser zu wissen, was für ihre Klienten gut genug ist.

2.3.1. Das Stockholmer Institut für Selbsbestimmtes Leben (STIL)

Es war das Stockholmer Institut für Independent Living (STIL), das in den achtziger Jahren von dem schwerstbehinderten Sozialwissenschaftler Adolf Ratzka, gegründet, das die Grundideen des Selbstbestimmt-Leben-Konzepts von Kalifornien, wo Ratzka studiert hatte, nach Schweden und Europa transformiert hatte. Für europäische Verhältnisse war Ratzkas Sprache eine unerhörte Provokation (vgl. Ratzka, 1996). Ratzkas Credo läßt sich wie folgt zusammenfassen: Behinderte sind Experten in eigener Sache, dies muß von der Sozialbürokratie, der Politik, den Medien - und nicht zuletzt von den Behinderten selber - anerkannt werden. Sie haben sich daher in ihre eigenen Angelegenheiten einzumischen, professionell und beharrlich. Die Zeit des Jammerns und Zauderns seien vorbei. Mit dem Selbstvertretungsanspruch der behinderten Menschen korrespondiert der Anspruch auf gesellschaftliche Macht. Ratzka erkannte, daß in europäischen Breiten und insbesondere in sozialstaatliche hochbürokratisierten Ländern die geballte Macht der Sozialinstitutionen, wie sich in Großheimstrukturen und monopolisierten Anbietern von Pflege- und Assistenzleistungen äußert, gebrochen werden muß, soll der einzelnen behinderte Mensche vom Objekt der sozialen Verwaltung zum aktiv handelnden Subjekt werden. Schließlich erkannte Ratzka, daß die Ausübung einer gesellschaftliche Machtposition von behinderten Menschen in einer kapitalistischen Gesellschaft an die eigenverantwortliche Verfügbarkeit von Geld gekoppelt ist. Es mußte also eine Lösung gefunden werden, für eine benachteiligte Bevölkerungsgruppe, deren Benachteiligung nicht zuletzt darin liegt, daß sie es wesentlich schwerer hat (wenn es nicht aus Gründen der Schwere einer Behinderung überhaupt unmöglich ist, eine klassische Lohnarbeit auszufüllen), aus dem Verkauf ihrer Arbeitskraft soviel Einkommen zu gerieren, daß sie ihre wichtigsten Bedürfnisse daraus bestreiten kann. Besonders in sozialdemokratisch verfaßten Gesellschaften, in der das Ethos der klassischen Lohnarbeit besonders stark ausgeprägt ist, war und ist es besonders schwierig, Verständnis für die Tatsache zu finden, daß einer Bevölkerungsgruppe, die bislang abgeschirmt in Versorgungseinrichtungen verblieb, nicht nur Teilhabe am öffentlichen Leben, sondern auch die notwendigen Mittel dafür gewährt werden müssen. In vielen Fällen entwickelte sich aus diesem Widerspruch erbittert geführte Konflikte zwischen einer traditionellen Sozialbürokratie, die zumindest tendenziell Verfügungsmacht über eine Klientelgruppe verlor und damit auch öffentliche Mittel, Arbeitsplätze und gesellschaftliche Macht einzubüßen drohte.

2.3.2. Das schwedische Pflegegeldgesetz

Die schwedische Behindertenbewegung versuchte aus diesem Grund, die Erringung ihrer Bürgerrechte so zu gestalten, daß sie der sozialstaatlichen Unterstützung nicht vollkommen verlustig ging, sozusagen auf kaltem Weg privatisiert wurde (was jeweils die Gefahr einer erhöhten Selbstständigkeit behinderter Menschen darstellt), sondern innerhalb des bestehenden sozialstaatlichen Paradigmas der Vollversorgung aller Menschen mit sozialstaatlichen Leistungen die wichtigsten Elemente des Independent Living Konzepts einzubauen. Sie kann dabei auf drei wesentliche Erfolge verweisen: ein funktionstüchtiges Pflegegesetz, das die Geld- und Assistenzleistung an Schwerstbehinderte in einer nicht entmündigenden Art und Weise gewährleistet (vgl. Swedish Code of Statutes SFS 1993:387. Act concerning Support and Service for Persons with Certain Functional Impairments); eine Hilfsmittelversorgung, die nicht, wie in allen anderen Staaten, den Kontakt zwischen behindertem Anwender und Produzenten durch Kostenträger aus der Sozialversicherung und Exklusivanbieter unterbricht, wodurch einerseits laufende Verbesserungen der Hilfsmittel aus der Praxis der Anwendung an den Produzenten gemeldet werden, was unter anderem auch durch jährlich erscheindende Loseblattkataloge der Hilfsmittel gewährleistet ist, und andererseits im Laufe der Jahre eine hochspezialisierte und weltmarktfähige schwedische Hilfsmittelindustrie entstand. (Ähnliche Versuche, die das Wiener Institut für soziales Design (ISD) Ende der achtziger Jahre mit der österreichischen Verstaatlichten Industrie unternahm, verliefen im Sand. Es gibt heute - im Gegensatz zu Schweden - keine nennenswerte österreichische Hilfsmittelindustrie. Die Marktverhältnisse in diesem Bereich sind in Österreich höchst intransparent, ein auf Tests gestütztes Auswählen moderner Hilfsmittel ist in Österreich unmöglich.)

2.3.4. Mai 1999 - ein erstes Antidiskriminierungsgesetz in Schweden

Schließlich gelang es der schwedischen Behindertenbewegung ein Antidiskriminierungsgesetz durchzusetzen - es trat am 1. Mai 1999 in Kraft -, das aber nicht so umfassend zivilgesellschaftlich ausgerichtet ist wie das amerikanische, sondern nur den Bereich "Arbeit" umfasst (Quelle: persönliche Kommunikation mit Frau Susanne Berg). Das Gesetz geht auf Studien zurück, die belegten, daß behinderte Arbeitnehmer auf dem schwedischen Arbeitsmarkt in einem hohem Ausmaß benachteiligt werden. Ihre Arbeitslosigkeit ist signifikant höher, ihre Ausbildungs- und Karrierechancen sind deutlich geringer, auch finden sich überproportional viele behinderte Arbeitnehmer in Teilzeitarbeitsverhältnissen und in geringfügiger Beschäftigung. Dieser Befund, der gleichbedeutend war mit allen einschlägigen Studien in anderen westlichen Industriestaaten - so auch in Österreich - belegte daß das schwedische Sozialstaatsmodell des "folkhem" (Volksheim) im Bereich der behinderten Arbeitnehmer versagt hatte. Es bedurfte also einer spezifischen gesetzgeberischen Maßnahme zur Sanierung dieses Zustandes.

Das Antidiskriminierungsgesetz für behinderte Arbeitnehmer trat zeitgleich mit ähnlichen Gesetzen für ethnische Diskriminierung und Diskriminierung aus dem Titel der sexuellen Orientierung in Kraft. Eine Antidiskriminierungsgesetzgebung bezüglich des Geschlechts existiert in Schweden schon länger.

Das Antidiskriminierungsgesetz für behinderte Arbeitnehmer verbietet die Benachteiligung behinderter Menschen, sofern die Benachteiligung ursächlich mit der Behinderung in Zusammenhang steht. Sowohl direkte als auch indirekte Diskriminierung ist verboten, wobei die indirekte Diskriminierung den Festlegungen im EU-Gesetz bezüglich der gender-Diskriminierung folgt. Die Definition der Behinderung folgt dem amerikanischen Beispiel und umfaßt Personen mit andauernden physischen, mentalen oder Lerneinschränkungen, und es tut dabei nichts zur Sache, ob die Einschränkung der Funktion von Geburt an existiert oder erst im Lauf des Lebens erworben wurde. Auch Krebskranke und HIV-Infizierte sind in der Definition eingeschlossen.

Bei vermeintlichen Gesetzesverletzungen wird entweder die Behindertengewerkschaft tätig oder, falls diese säumig ist, der Behindertenombudsmann, der die Sache dann auch vor Gericht vertreten kann. Als Sanktionen für Gesetzesverletzungen sind Geldstrafen in unterschiedlicher Höhe vorgesehen. Die Erfahrungen mit dem Antidiskriminierungsgesetz für behinderte Arbeitnehmer sind allerdings noch so kurz - es gibt derzeit noch keine juristische Spruchpraxis, - daß es zu früh ist, Aussagen über die Qualität des Gesetzes und dessen soziale Wirksamkeit zu treffen.

2. 4. Deutschland: Vom Grundgesetz zum Gleichstellungsgesetz

In der Bundesrepublik Deutschland leben - legt man die Definition des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) zugrunde - rund 6,6 Millionen Menschen mit einer amtlich festgestellten schweren Behinderung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es weit mehr (statistisch nicht erfasste) behinderte Menschen gibt: Nach Angaben des "Welt-Behinderten-Berichts 1999" der UNO sind etwa zehn Prozent aller Menschen in einer Gesellschaft "behindert", das bedeutet für die BRD, dass eine Zahl von (mindestens) acht Millionen Menschen zugrunde zu legen ist. Zwar gibt es in der Bundesrepublik Deutschland - im internationalen Vergleich gesehen - ein relativ dicht geknüpftes System von Nachteilsausgleichen für behinderte Menschen, Fakt ist jedoch, dass die Gleichstellung behinderter Menschen auf Ebene der Bürgerrechte in Deutschland bislang kaum vorangekommen ist.

Im Herbst 1991 hat der INITIATIVKREIS GLEICHSTELLUNG BEHINDERTER auf der REHA - Hilfsmittelmesse in Düsseldorf den "Düsseldorfer Appell" erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. (vgl. Heiden, 1996) Dieser Appell wandte sich gegen die alltägliche Benachteiligung behinderter Frauen und Männer in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Abhilfe wurde in diesem Appell ein umfassendes Gleichstellungs- beziehungsweise Antidiskriminierungsgesetz gefordert, das als Rahmengesetz die Gleichstellungsansprüche auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen regelt. Als Vorbild für eine solche Regelung nannte der INITIATIVKREIS den "Americans with Disabilities Act - ADA". Ausgangspunkt für eine vergleichbare Gesetzgebung in Deutschland, so hieß es im Appell damals weiter, müsse eine eindeutige Interpretation oder sogar eine Erweiterung des Grundgesetzes in Artikel 3 sein.

Bis Ende 1992 hatten sich über 120 Organisationen und über 10.000 Einzelpersonen dem "Düsseldorfer Appell" angeschlossen (vgl. Hermes, 1994). Durch den Einsatz und die Überzeugungskraft von vielen Tausenden behinderten und nichtbehinderten Menschen gelang es dann 1994, die deutsche Verfassung in Artikel 3 um ein Benachteiligungsverbot zu ergänzen. "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" heißt es seitdem in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz. Eine faktische Gleichstellung und eine Ausfüllung des Verfassungsanspruchs durch ein konkretes nachfolgendes Gesetz blieb jedoch aus, weil die damalige Bundesregierung keinen Handlungsbedarf sah. In anderen Ländern, etwa in Australien (1992) und in Großbritannien (1995) wurden bereits umfangreiche Gesetze nach dem US-Vorbild geschaffen. In Deutschland haben 1997/98 über 100 Organisationen der Behindertenhilfe und Selbsthilfe im Rahmen der AKTION GRUNDGESETZ ein umfassendes Gleichstellungsgesetz gefordert.

Anfang 1998 wurden im Deutschen Bundestag erstmals Gesetzesinitiativen für Gleichstellungsgesetze gestartet. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen legte am 20. Januar 1998 ihren "Entwurf eines Gesetzes zur Schutz vor Diskriminierungen und zur Stärkung von Minderheitenrechten (Antidiskriminierungs- und Minderheitenrechtsgesetz)" vor (BT-Drucksache 13/9706), am 9. März 1998 folgte der Entwurf der SPD-Fraktion eines "Gesetzes zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes des Artikel 3 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgesetz)" (BT-Drucksache 13/10081). Beide Gesetzentwürfe enthielten Gleichstellungsvorschriften zugunsten verschiedener benachteiligter Bevölkerungsgruppen, unter anderem auch für Menschen mit Behinderung.

Nach dem Regierungswechsel in der Bundesrepublik Deutschland im Herbst 1998 wurde im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN unter anderem folgendes vereinbart: "Die neue Bundesregierung will Minderheiten schützen und ihre Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe erreichen. Niemand darf wegen seiner Behinderung, Herkunft, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder sexueller Orientierung als Schwuler oder Lesbe diskriminiert werden. Dazu werden wir ein Gesetz gegen Diskriminierung und zur Förderung der Gleichbehandlung ... auf den Weg bringen." Inzwischen hat sich eine Koalitionsarbeitsgruppe von SPD und Bündnis90/DIE GRÜNEN unter Leitung des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Behinderten gebildet, die nun das überfällige Gleichstellungsgesetz voranbringen will. (vgl. Heiden, 1998)

Auf Ebene der Bundesländer gibt es seit Mai 1999 ein erstes Landesgesetz zur Gleichberechtigung behinderter Menschen im CDU/SPD-regierten Berlin, andere Bundesländer arbeiten an eigenen Entwürfen. In der behindertenpolitischen Debatte des Deutschen Bundestages am 2. Dezember 1999 hat auch die CDU/CSU die schnelle Verwirklichung der Gleichstellung nach Maßgabe von Artikel 3 des Grundgesetzes angemahnt. Die Parteien scheinen sich also im Grundsatz einig zu sein.

Auf Ebene der Europäischen Union sind die Vorarbeiten für eine Anti-Diskriminie-rungsrichtlinie in Vorbereitung, die den neuen Artikel 13 der Amsterdamer Verträge, der unter anderem die Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verbietet, mit Leben erfüllen soll. Nach den Plänen der Europäischen Behindertenbewegung und in Übereinstimmung mit der zuständigen EU-Kommissarin soll im Jahr 2000 mit den Vorarbeiten begonnen werden. Bis spätestens 2003 soll eine solche Richtlinie existieren, die dann von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgewandelt werden muß.

2.4.1 Der Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz des Forums behinderter Juristinnen und Juristen

Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen legte bereits Anfang 1995 erste Vorschläge für ein Gleichstellungsgesetz vor. In den folgenden Jahren wurden in vielen Organisationen und Gruppen behinderter Menschen Vorschläge für Gleichstellungsregelungen erarbeitet, die teilweise nur allgemein formuliert waren, teilweise bereits konkrete Vorschläge für die Formulierung von Paragraphen enthielten. Um diese Bemühungen für ein Gleichstellungsgesetz zu bündeln, legte das Forum behinderter Juristinnen und Juristen im Jänner 2000 den neuen Entwurf eines solchen Gesetzes vor.

Der Entwurf des Gleichstellungsgesetzes ist in Form eines Artikelgesetzes aufgebaut. Ein Artikelgesetz greift mit seinen Ausführungen in bereits bestehende Gesetze ein, ändert und ergänzt sie und enthält darüber hinaus auch neue Regelungen. Diese Form erscheint den Betreibern sinnvoll, um nicht in einem mühsamen Prozess jedes Gesetz in einem eigenen Verfahren zu ändern.

Das Gesetz ist in sechs Artikel gegliedert. Der erste Artikel enthält - als Kern des gesamten Gesetzes - das "Anti-Diskriminierungsgesetz (ADG)" als Neuregelung. Hier wird das Ziel des Gesetzes beschrieben, es werden wichtige und neue Definitionen vorgeschlagen, auf die besondere Benachteiligung behinderter Frauen wird eingegangen, ein Verbandsklagerecht und Beweiserleichterungen werden eingeführt, die Anerkennung der Gebärdensprache wird geregelt und eine Berichtspflicht der Bundesregierung wird festgelegt.

Der zweite Artikel enthält einzelne Änderungen im Bundesrecht zur Bekämpfung von Diskriminierungen im Privatrecht, zum Beispiel im Mietrecht, Arbeitsrecht und Haftungsrecht. Der dritte Artikel schlägt Änderungen von Bundesgesetzen zur Herstellung von Barrierefreiheit für den Nah- und Fernverkehr, für Bauten mit Besucherverkehr und für Wahlräume vor. Der vierte Artikel beinhaltet weitere Einzelheiten zur Anerkennung der Gebärdensprache. Der fünfte Artikel befasst sich mit weiteren Änderungen im Bundesrecht und betrifft vor allem das Ausbildungsrecht, Telekommunikationsdienstleistungen und das Strafrecht. In einem sechsten und letzten Artikel können notwendige Übergangs- und Schlussvorschriften geregelt werden, wofür noch keine konkreten Vorschläge unterbreitet werden.

Die einzelnen Paragraphen in den jeweiligen Artikeln des Gesetzes werden in einer möglichst verständlichen Form dargestellt. Vorangestellt ist jeweils eine Problemstellung, die die gegenwärtige Situation beschreibt, die als Benachteiligung/Diskriminierung verstanden wird. Es folgt ein Lösungsansatz, in dem - ohne auf einzelne Vorschriften oder konkrete Formulierungen mehr als notwendig einzugehen - knapp und allgemein verständlich geschildert wird, wie eine Lösung des Problems mit den Mitteln der Gesetzgebung vorstellbar ist. Danach kommt der eigentliche Formulierungsvorschlag mit Begründung, der in der Form eines möglichen Gesetzestextes gehalten ist einschließlich der notwendigen rechtlichen Begründung. Dabei wird häufig zur besseren Verständlichkeit die gesamte Vorschrift dargestellt, auch wenn nur einzelne Sätze eingefügt oder geändert werden. Die Begründung orientiert sich an der Form, in der normalerweise in Gesetzentwürfen Begründungen abgefasst werden.

Danach folgen im Abschnitt Ergänzende Regelungen Angaben zu notwendigen oder möglichen Folgeänderung in anderen Vorschriften, die - ohne dass hierfür ein konkreter Vorschlag formuliert wird - ergänzend zu dem Formulierungsvorschlag geregelt werden müssten. Hierher gehören zum Beispiel auch Übergangsregelungen, Konkretisierungen oder Umsetzungen in Rechtsverordnungen etc. Die abschließenden Hinweise schließlich enthalten Querverweisungen zu anderen Einzelvorschlägen des Entwurfs, um die Orientierung innerhalb des Gesamtkonzepts zu erleichtern.

Zur besseren Übersichtlichkeit wurde dem Papier eine Inhaltsübersicht über die einzelnen Paragraphen und den reinen Gesetzestext vorangestellt, daran schließt sich dann die ausführliche Gesamtdarstellung.

Der Gesetzentwurf enthält Vorschläge für viele, aber durchaus nicht für alle Bereiche, in denen neue Regelungen zugunsten behinderter Menschen als erforderlich erachtet werden. Auch läßt der Entwurf das gesamte Sozialrecht unberücksichtigt und konzentriert sich auf die bürgerrechtliche Dimension. Die Bundesregierung will neben einem Gleichstellungsgesetz auch ein neues Sozialgesetzbuch IX schaffen, in dem das Rehabilitationsrecht reformiert werden soll. In diesem Zusammenhang sollten sinnvollerweise auch Benachteiligungen behinderter Menschen im Leistungsrecht diskutiert werden. (vgl. Jürgens, 1999)

Insgesamt ist die Situation der Behindertenbewegung in Deutschland - ähnlich jener in Österreich - durch sozialstaatliche Absicherungen gekennzeichnet, die international durchaus vorbildlich genannt werden müssen. Die paternalistische Ausrichtung dieser Regelungen einerseits und die durch öffentliche Sparpolitik erfolgenden Aushöhlungen dieser Regelungen gefährden jedoch tendenziell den erreichten Standard und perpetuieren die gesellschaftliche Ausgrenzung. Das erreichte politisch-zivilgesellschaftliche Niveau im Bereich der Behindertenpolitik hinkt jedoch jenem in den USA und in anderen Staaten, welche praktikable Antidiskriminierungsgesetze einsetzen, deutlich nach. Ähnlich wie in Österreich versucht auch die deutsche Behindertenbewegung die Politikkonzepte des Independent Living (Selbstbestimmt Leben) und des Empowerment (Selbstermächtigung) zur Verbesserung ihrer Lage zu nutzen. In diesem Zusammenhang sei auf einen Gesetzesentwurf für ein deutsches Antidiskriminierungsgesetz verwiesen, der im Jänner 2000 vom "Forum behinderter Juristen und Juristinnen" dem Bundestag vorgelegt wurde.



[1] Umfassende Informationen über das ADA sind auf einer Vielzahl von Hompages abrufbar. Eine Auswahl davon findet sich im Anschluß an das Literaturverzeichnis.

3. Gleichstellung behinderter Menschen in Österreich

"Die staatlichen Rechtsvorschriften, in denen die Rechte und Pflichten der Bürger verankert sind, sollen auch die Rechte und Pflichten Behinderter enthalten. Die Staaten sind verpflichtet, es Behinderten zu ermöglichen, ihre Rechte, einschließlich ihrer Menschenrechte und bürgerlichen und politischen Rechte, gleichberechtigt mit anderen Mitbürgern wahrzunehmen. Die Staaten müssen sicherstellen, daß Behindertenorganisationen bei der Ausarbeitung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften über die Rechte Behinderter sowie bei der laufenden Evaluierung dieser Rechtsvorschriften hinzugezogen werden."

(aus der Standardregel Nr. 15, UNO, 1993)

Im Folgenden wird nach einer kurzen Einführung zur Struktur und zur jüngeren Geschichte der Behindertenpolitik in Österreich anhand einer Befragung von Experten und Expertinnen ein kritischer Blick auf die aktuelle Lage behinderter Menschen, ihres Alltags und damit verbundener Diskriminierungen sowie der Behindertenpolitik in Österreich geworfen. Schließlich werden die Möglichkeiten eines Antidiskriminierungsgesetzes für Personen mit Behinderung sowie dessen Durchsetzungmöglichkeiten diskutiert.

3.1. Zur Behindertenpolitik

Behindertenpolitik zählt, juristisch gesehen, in Österreich zu den sogenannten "Querschnittsmaterien", d.h. es existiert kein Bundesbehindertengesetz, das als Kompilation der einschlägigen Materie fungiert. An dessen Stelle besteht eine auch für Experten unüberschaubare Zahl von behindertenspezifischen Bezugnahmen in den verschiedensten Bundes- und Landesgesetzen. Da die Sozial- und Baupolitik nach wie vor weitgehend föderalistisch strukturiert ist, wird die ohnehin zersplitterte Gesetzesmaterie auf Bundesebene noch einmal durch neun Landesgesetze und teilweise durch Stadtverordungen verwässert. Einzig das Bundespflegegeldgesetz 1993 durchbrach die Zersplitterung.

Die Belange der Behindertenpolitik werden in Österreich von den jeweiligen Ministerien im Rahmen deren Gesetzesauftrags wahrgenommen. Es existiert keine übergeordnete Koordinierung der einzelnen Maßnahmen. Da sich bedeutende Belange der Schul-, Bau- und Sozialpolitik in der Kompetenz der Bundesländer befinden, bestehen in den einzelnen Bereichen unterschiedliche Standards und Zugänge.

Von Seiten der großen staatsnahen Verbände und Organisationen wird Behindertenpolitik als Klientelpolitik betrieben. Die Kirche kümmert sich vorwiegend um den seelsorglichen und caritativen Bereich, während die Sozialpartner Behinderung überwiegend als Kostenfaktor behandeln. Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer beschäftigen sich hauptsächlich mit der - prekären - Situation behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt, wobei angemerkt werden muß, daß der Einsatz des ÖGB nur auf niederem Niveau erfolgt. Bemerkenswerterweise sind beide Arbeitnehmerorganisationen prinzipielle Gegner der mit dem Pflegegeldgesetz vergrößerten Autonomie behinderter Menschen. Paternalistische Denkmodelle gegenüber Behinderung sind hier, aber auch bei den Organisationen der Wirtschaftsseite nach wie vor vorherrschend. Es finden sich auch in verantwortungsvollen Positionen in diesen Organisation keine behinderten Menschen oder wenn, dann solche, die ihre Behinderung nicht politisch thematisieren.

Dasselbe gilt für die staatstragenden Parteien. SPÖ und ÖVP, FPÖ und bis vor kurzem das Liberale Forum finden seit Jahren mit nichtbehinderten Behindertensprechern ihr Auslangen. Die Geschichte der "Wiener Gemeinderätlichen Behindertenkommission", die auf dem Flughafen von Los Angeles von ihrem Pendant, dem "Council of Disabled Persons of the City of Los Angeles", der überwiegend aus behinderte Politikern besteht, gefragt wird, wo denn die behinderten Mitglieder der "Wiener Behindertenkommission seien", worauf die Wiener Politiker die Existenz von behinderten Mitgliedern bestreiten mußten, ist mehr als eine Schnurre.

Einzig die Grünen verfügen über eine selber betroffene Behindertensprecherin. Die Möglichkeiten, die diese Position bietet, werden und wurden von den Grünen aber nur in geringem Ausmaß genützt. Zu wenig fungieren und fungierten die grünen Behindertensprecher als Anlauf- und Konzentrationspunkte der nichtstaatlichen Behindertenpolitik. Weder gelang es, ein funktionierendes politisches Netzwerk aufzubauen, noch konnten systematische Medienkontakte hergestellt werden. Die Zersplitterung und Isoliertheit der einzelnen autonomen Behinderteninitiativen konnte von den Grünen nicht überwunden werden.

Anfang der siebziger Jahre kam es in Österreich zur Gründung der ersten Dachorganisation der Behindertenverbände. "Die österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR)" geht auf eine Anregung des damaligen Bundeskanzlers Kreisky zurück, der die Zersplitterung der Behindertenverbände durch eine zentrale Vermittlungs- und Clearingstelle behoben sehen wollte. Die ÖAR repräsentiert rund 86 Behindertenverbände und Institutionen, die rund 390.000 behinderte Menschen vertreten. Die ÖAR ist in die Gesetzesentwicklung, das Monitoring einschlägiger Gesetze und Maßnahmen, die Erstellung von Normen und in diverse Charity-Unternehmen eingebunden ("Licht ins Dunkel"). Darüber hinaus beschickt die ÖAR die wichtigsten behindertenspezifischen Einrichtungen auf europäischer und internationaler Ebene mit ihren Experten. Das Organ der ÖAR, die sozialpolitische Zeitschrift MONAT, erscheint zwölfmal jährlich in einer Auflage von 30.000 Stück und informiert die einschlägige Fachszene und direkt Betroffene in ganz Österreich.

Die Finanzierung der ÖAR erfolgt weitgehend über staatliche Subventionen. Dies bedingte in der einen oder anderen Frage eine Form von Befangenheit der ÖAR gegenüber dem Geldgeber. Alternative Finanzierungsstrategien, zum Beispiel über das Glücksspiel, befinden sich in Erprobung. Es ist aber jetzt schon abzusehen, daß sie nicht in der Lage sein werden, eine unabhängig finanzierende ÖAR in mittlerer Frist zu erreichen.

Politisch spielt die ÖAR eine Mediatisierungs- und Moderationsfunktion innerhalb der Behindertenpolitik. Viele Themen und Vorschläge, die von autonomen Gruppen ausgearbeitet und erhoben wurden, werden von ihr gebündelt und an die Politik herangetragen. Im Vergleich zur Situation in manchen anderen Staaten, die von einer starken Zersplitterung innerhalb der Behindertenverbände geprägt ist, erweist sich die ÖAR als politikfähige Organisation, deren Effizienz allerdings unter personellen Engpässen und finanzieller Abhängigkeit von staatlichen Stellen leidet.

Einen der größten Erfolge erzielt die ÖAR bei den Verhandlungen zum Pflegegeld. Ihrem beharrlichen Wirken war es wesentlich mitzuverdanken, daß das Gesetz realisiert werden konnte. Im baulichen, schulischen und politischen Bereich konnte die ÖAR ihre Zielsetzungen hingegen nur teilweise verwirklichen.

Ende der achtziger Jahre kam es in Österreich zur Bildung der ersten autonomen Behindertengruppen, die sich dem Konzept und dem Gedankengut des "Independent Living Movement", wie sie seit Ende der sechziger Jahre in den USA, England, Australien und Schweden entwickelt wurde, verbunden fühlten. Grundlegend für die Arbeit aller "Selbstbestimmt Leben-Initiativen" ist die Erkenntnis, daß behinderte Menschen Experten in eigener Sache sind und vom Objekt zum Subjekt der Politik und der Gesellschaft werden müssen.

Mittlerweile existieren in fast allen österreichischen Landeshauptstädten einschlägige Gruppen, die im unterschiedlichem Ausmaß die Ideen des "Independent Living" verfolgen. Auch an den Universitäten bildeten sich um Behindertenbeauftragten (es handelt sich dabei ausschließlich um behinderte Studenten und Studentinnen) Zellen und Kleingruppen der "Selbstbestimmt-Leben-Bewegung". Die räumliche Zersplitterung, die Unerfahrenheit und schließlich die dünne Personaldecke der einschlägigen autonomen Gruppen brachten es mit sich, daß kaum eine kohärente theoretische und praktische Politik entwickelt wurde, so daß politische Einflußmöglichkeiten, wie sie seit dem Einzug der Grünen Ende der achtziger Jahre ins Parlament - die Grünen stellen seither ein Mandat für einen Repräsentanten der autonomen Behindertenbewegung zur Verfügung, nur in einem geringem Ausmaß genützt werden konnten.

Die autonome Behindertenbewegung ist durch einen hohen Grad an Engagement und Spontaneität aber auch durch eine sprunghafte Politikauffassung sowie wenig professionelles öffentliches Agieren gekennzeichnet.

Eine bedeutsame Rolle in der Integrations- und Gleichstellungspolitik spielte in den vergangenen Jahren der Verein Integration:Österreich, ein österreichweiter Dachverband jener Elterninitiativen, die sich für die schulische und gesellschaftliche Integration von Kindern mit Behinderung engagieren. Die konsequente Verfolgung des Ziels, Schulintegration gesetzlich zu verankern, hat diesem Verband innerhalb sehr kurzer Zeit einen bemerkenswerten Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit verschafft. Doch auch die Initiativen von Integration:Österreich stagnieren in Zeiten einer ministeriellen Schulpolitik, die Integration nicht als gesamtgesellschaftlichen Auftrag sondern, in den Worten der zuständigen Ministerin, als eine bloße Erweiterung pädagogischen Handelns abtut.

Neben der Durchsetzung der Pflegegeldregelung Anfang der 90er Jahr erwirkte die Behindertenbewegung eine Änderung der österreichischen Verfassung: nach einer bundesweiten Unterschriftenaktion wurden dem Präsidenten des Nationalrats im April 1995 knapp 50.000 Unterstützungserklärungen für ein Benachteiligungsverbot in der österreichischen Verfassung übergeben. Noch zwei weitere Jahre der Bemühungen seitens der Behindertenbewegung waren notwendig, bis im Juli 1997 einem Verfassungszusatz in Artikel 7 B-VG vom Nationalrat zugestimmt wurde (vgl. vor allem Bizeps, 1999). "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten" heißt es dort nun. Dieser Zusatz, der zwar eine Staatszielbestimmung enthält, ist im österreichischen Rechtssystem allerdings nur als rechtlich unverbindliche Willenserklärung des Gesetzgebers zu klassifizieren. Daher setzt sich die Behindertenbewegung weiter für ein bundeseinheitliches "Antidiskriminierungsgesetz" ein, das materielles Recht schaffen und mit dem Gleichberechtigung, Einklagbarkeit und Transparenz rechtlicher Bestimmungen durchgesetzt werden können.

Im Anschluß an die Verfassungsänderung setzte das Bundeskanzleramt im Dezember 1997 eine Arbeitsgruppe ein, deren Ziel es war, die österreichische Gesetzgebung nach behindertendiskriminierenden Bestimmungen zu durchforsten. In dieser Arbeitsgruppe waren sowohl die Bundesministerien und Parlamentsklubs als auch Betroffenenorganisationen vertreten. Im März 1999 erfolgte die detaillierte Berichtlegung, die neben einer Vielzahl diskriminierender Gesetzespassagen auch deutlich macht, daß in vielen Bereichen zwischen den Bundesministerien und den Behindertenorganisationen deutliche Auffassungsunterschiede zu Tage treten. So heißt es in der Einleitung des Gesamtberichts, daß "erhebliche Divergenzen zwischen den Standpunkten des jeweiligen Bundesministeriums und jenen der Behindertenverbände ersichtlich" sind (BKA, 1999).

3.2. Die Befragung der Experten und Expertinnen

Um für die konkrete Fragestellung den Ist-Zustand der Behindertenpolitik in Österreich zu erfassen, erstellten die Projektbeauftragten einen umfassenden Fragebogen mit teils standardisierten, teils offenen Fragen. Inhaltlich orientierten sich die Fragen einerseits an jenen Lebensbereichen, die für die Benachteiligung von Personen mit Behinderung zentral sind: Bildung, Arbeit, Zugänglichkeit, persönliche Pflege und persönliche Assistenz sowie Darstellung in den Medien. Andererseits interessierten konkrete Aspekte in Bezug auf ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung, etwa die Frage nach inhaltlichen Details, von welcher Seite Unterstützung bzw. Ablehnung erwartet wird, welche Empfehlungen aufgrund bereits gesammelter Erfahrungen gegeben werden können. Abschließend wurde die Zufriedenheit mit der (eigenen) Behindertenpolitik erfragt (eine Kopie des Fragebogens befindet sich im Anhang).

Ein erster Entwurf des Fragebogens wurde im Sinne einer Pilotbefragung fünf Expertinnen und Experten zur kritischen Beurteilung vorgelegt. Ihre Korrekturvorschläge, etwa die verbesserte Formulierung von Fragen, flossen in die Endfassung ein. Kritisiert wurde auch die Länge des Fragebogens, doch entschlossen sich die Projektbeauftragten aus Gründen des inhaltlichen Detailreichtums dazu, den Umfang von 10 Seiten beizubehalten.

Die Auswahl der Experten und Expertinnen aus ganz Österreich orientierte sich einerseits an deren inhaltlicher Auseinandersetzung und Kompetenz im Bereich der Behindertenpolitik, andererseits vor allem auch an deren persönlicher Betroffenheit. Im Sinne des Selbstbestimmt Leben Paradigmas, daß zuallererst von Behinderung selbst betroffene Personen Experten und Expertinnen in eigener Sache sind, wurden gezielt Aktivisten und Aktivistinnen der österreichischen Behindertenbewegung zur Beteiligung eingeladen. Solch ein partizipativer sozialwissenschaftlicher Ansatz ist im deutschen Sprachraum vor allem im Bereich der wissenschaftlichen Forschung über Personen mit Behinderung kaum verbreitet. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt allerdings das Wissenschaftliche Gutachten zur Lebenssituation von behinderten Menschen und zur Behindertenpolitik in Nordrhein-Westfalen (vgl. MfAGS, 1993) dar, das sich sowohl inhaltlich als auch methodisch an den Grundsätzen innovativer Behindertenpolitik und Selbstbestimmten Lebens orientiert. Dort heißt es: "Vorrangig und bestimmend für unsere Forschungsarbeit ist daher die Orientierung an den Sichtweisen, Vorstellungen und Interessen der behinderten Menschen selbst, wie sie ihr Leben, ihre konkrete Lebenssituation und die erfahrenen Barrieren und Hindernisse für ihre Lebensentfaltung sehen und interpretieren. Die Betroffenen werden von uns als die eigentlichen und einzigen ExpertInnen ihrer Lebenssituation betrachtet." (MfAGS, 1993, S. 9 Langfassung)

Neben den Experten und Expertinnen in eigener Sache wurden außerdem jene österreichweiten Verbände einbezogen, die Personen mit unterschiedlichen Formen von Behinderung repräsentieren: Körperbehinderung, Sinnesbehinderung, geistige sowie psychische Behinderung. Sozial- und Politikwissenschafter, die Behindertensprecher- und sprecherinnen der im Nationalrat vertretenen Parteien (Stand: September 1999), österreichweite Wohlfahrtsorganisationen sowie sozialpolitisch engagierte Journalisten und Journalistinnen sollten das Bild abrunden. Insgesamt wurde der Fragebogen mit einem erläuternden Begleitbrief via E-Mail an 75 Personen bzw., wenn keine direkte Kontaktperson bekannt war, Institutionen in ganz Österreich verschickt. 19 Personen beantworteten den Fragebogen, dies entspricht einer Rücklaufrate von 25,3%. Darüber hinaus reagierten einige eingeladene Experten bzw. Expertinnen mit persönlichen Stellungnahmen.

Insgesamt repräsentieren die rückgesendeten Fragebogen zwar eine kleine aber durchaus der ursprünglichen Zusammensetzung entsprechende Stichprobe: mehrere einzelne, in unterschiedlicher Weise betroffene Aktivisten und Aktivistinnen aus der Behindertenbewegung, einzelne von ihnen waren oder sind in politischen Funktionen tätig, Vertreter und Vertreterinnen von Behindertenorganisationen und Interessensvertretungen behinderter Menschen, eine Vertreterin eines Wohlfahrtsverbands, ein Behindertensprecher einer Partei, ein Sozialwissenschafter von einer österreichischen Universität sowie schließlich ein Journalist.

Daß diese Personen Experten und Expertinnen auf dem Gebiet der Behindertenpolitik in Österreich sind, wurde nicht zuletzt durch die Qualität ihrer Antworten deutlich. Beispielweise gaben 72% an, den Gesamtbericht der Arbeitsgruppe zur Durchforstung der österreichischen Bundesgesetzordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen (BKA, 1999) zu kennen. Knapp 79% haben Informationen über Antidiskriminierungsgesetzgebungen in anderen Ländern, die sie vor allem aus persönlichen Kontakten und einschlägiger Literatur beziehen.

Die Auswertung der Fragebögen erfolgte in zwei Schritten:

Die standardisierten Fragen wurden kodiert und mit dem Statistikprogramm SPSS 7.5 weiterbearbeitet. Entsprechend der Herkunft und der Qualität der Daten standen zwei Verfahren zur Auswahl: einerseits wurden Antworthäufigkeiten in Form von Tortendiagrammen erstellt, die überraschend klare und eindeutige Antworttendenzen deutlich machten. Andererseits wurden bei entsprechenden Fragestellungen Binomialtests durchgeführt, um abzuklären, ob Antworthäufigkeiten zufällig oder mit statistischer Signifikanz eindeutig sind.

Die offenen Fragen wurden qualitativ inhaltlich interpretiert und gruppiert. Im folgenden Text dienen sie vor allem der näheren Erläuterung von Entscheidungen bzw. der konkreten Veranschaulichung von Sachverhalten. Die Vielfalt und Komplexität des Themas Diskriminierungen gegenüber Personen mit Behinderung wird gerade dadurch außerordentlich deutlich. Auffallend ist, daß viele Expertinnen und Experten vor allem zu ihrem jeweiligen Schwerpunktgebiet sehr detailliert Auskunft gegeben haben. Teilweise werden daher wörtliche Passagen in den Text übernommen. Dies dient der konkreten und persönlichen Veranschaulichung der Inhalte und entspricht nicht zuletzt dem Grundsatz, den Worten der Experten und Expertinnen in eigener Sache Öffentlichkeit zu verschaffen.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Untersuchung im jeweiligen Sachkontext detailliert dargestellt und interpretiert. Am Ende erfolgen eine interpretative Zusammenschau sowie Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die konkrete Arbeit der NGOs.

3.2.1. Ergebnisse: Bildung

"Die Staaten sollen das Prinzip der Chancengleichheit für behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene in den Grundschulen, weiterführenden Schulen und im Hochschulbereich in einem integrativen Umfeld anerkennen. Die Einbeziehung behinderter Kinder in allgemeine Schulen setzt die Bereitstellung von Dolmetscher- und sonstigen angemessenen Unterstützungsdiensten voraus. Ein behindertengerechtes schulisches Umfeld und Hilfsdienste für Schüler mit unterschiedlichen Behinderungen sollen gewährleistet werden. Elterngruppen und Behindertenorganisationen sollen auf allen Ebenen des Bildungsprozesses einbezogen werden. In Staaten, in denen Schulpflicht besteht, sollen allen behinderten Mädchen und Jungen unabhängig von Art und Schwere ihrer Behinderung, einschließlich einer Schwerstbehinderung, Bildungsmöglichkeiten angeboten werden."

(aus der Standardregel Nr. 6, UNO, 1993)

Das österreichische Bildungssystem zeichnet sich durch einen hohen Grad an Differenzierung und damit einhergehend einer starken Tendenz zur Aussonderung aus. So besteht bereits neben der Volksschule für die 6- bis 10-jährigen eine Vielzahl unterschiedlicher Sonderschulen, und bis vor wenigen Jahren war es üblich, daß Kinder mit Behinderung von vornherein einer dieser Spezialschulen zugewiesen wurden. Seit Mitte der 80er Jahre erkämpfte eine Gruppe betroffener Eltern schrittweise die Integration ihrer Kinder mit Behinderung erst im Bereich der Grundschule, dann auch für die Sekundarstufe I, also der Schule der 10- bis 14-jährigen. Die damit verbundenen Novellierungen des Schulorganisationsgesetzes, die den Eltern ein Wahlrecht auf Integration zuerkennen, stellen vor allem insofern eine Besonderheit dar, als sie die ersten und bislang einzigen SchOG-Novellen waren, die von außerhalb der Schule und Schulbehörde angeregt und schließlich durchgesetzt wurden.

In der Praxis bietet die Situation im schulischen Bereich ein widersprüchliches Bild: Einerseits besteht seit einigen Jahren eine gesetzliche Regelung, derzufolge Integration bis einschließlich zur ersten Sekundarstufe (10-14jährige) gesetzlich verankert ist. Damit liegt Österreich international unter den in diesem Bereich fortgeschrittensten Staaten. Trotz der fortschrittlichen gesetzlichen Regelung weist die konkrete Umsetzung allerdings eine Reihe von Fußangeln für funktionierende Integration bzw. gleichberechtigte Teilhabe auf. Die wichtigsten einschränkenden Faktoren sind:

  • die Unterstützung jener Lehrer, die Kinder mit erhöhtem Förderaufwand betreuen, ist zu gering. Dies betrifft sowohl die Ausbildung der Lehrer an den Universitäten und Pädagogischen Akademien als auch den verwaltungstechnischen und baulichen Bereich. Nach wie vor sind zum Beispiel die überwiegende Mehrzahl der Schulen nicht behindertengerecht ausgestaltet, ja selbst bei Neubauten sowie Generalsanierungen werden die normierten Anforderungen des barrierefreien Bauens nicht eingehalten. Fehlende Straf- und Sanktionsbestimmungen sowie die Aufsplitterung der Bauordnung in neun unterschiedlich gestaltete Landesbauordnungen tragen hier Mitschuld

  • das Recht der Eltern, behinderte Kinder in der nächstgelegenen Schule unterzubringen, wird immer wieder vom zuständigen Landesschulinspektor beziehungsweise von integrationsfeindlichen Schulverwaltungen unterlaufen. Es besteht de facto kein individuelles Durchsetzungsrecht der Eltern auf schulische Integration ihrer Kinder

  • das Fortbestehen der alten segregierenden Sonderschulen (jetzt immer häufiger "Sonderpädagogische Zentren" genannt) übt einen gewichtigen institutionellen Druck gegen die Integration im Regelschulwesen aus. Vor einem klaren Schnitt, der Abschaffung der Sonderformen zugunsten einer generellen integrativen Beschulung, wie sie in Italien seit 1977 mit Erfolg praktiziert wird, scheute man in Österreich zurück

Zusammenfassend kann die Situation wie folgt beschrieben werden: Es bestehen fortschrittliche gesetzliche Regelungen, die allerdings in der Praxis nur teilweise zur Umsetzung kommen. Dieses Muster zeigt sich auch in anderen Bereichen des Umgangs mit Behinderung (Pflegegeld, bauliche Situation, öffentliche Verkehrsmittel)

Die Befragung der Experten bezüglich ihrer Einschätzung der Teilnahmemöglichkeiten für Personen mit Behinderung im Bildungswesen ergibt dementsprechend ein sehr negatives Bild. Die überwiegende Mehrheit, nämlich knapp 79% beurteilen die Bildungsmöglichkeiten für Personen mit Behinderung insgesamt als nicht zufriedenstellend. Bloße 15,8% zeigen sich damit zufrieden, gar 5,3% bezeichnen sie als katastrophal.

Die Beurteilung nach Schularten ergibt im Detail ein differenzierteres, insgesamt aber keineswegs optimistischeres Bild. Einzig in der Volksschule wird die Teilnahmemöglichkeit für Kinder mit Behinderung tendenzieller günstiger eingeschätzt als in anderen Schulformen, immerhin wird sie von 36,8% der Befragten als zufriedenstellend bezeichnet, rund 60% , also deutlich mehr als die Hälfte, erachten sie dennoch als nicht zufriedenstellend.

Hier zeigt sich, daß die Gesetze zur schulischen Integration von Kindern mit Behinderung langsam zu greifen beginnen, von einer für Experten und Expertinnen zufriedenstellenden Situation kann aber auch im Grundschulbereich noch lange nicht die Rede sein. Der Blick auf die Ergebnisse über die Teilnahmemöglichkeiten in der Sekundarstufe I macht deutlich, daß die Situation hier wesentlich schlechter als in der Volksschule beurteilt wird: knapp drei Viertel der Befragten erachten die Teilnahmemöglichkeiten für Kinder mit Behinderung in Hauptschule und AHS-Unterschule als nicht zufriedenstellend, 5,3% bewerten sie als katastrophal und nur 21,1% meinen, sie wären zufriedenstellend.

Ein ernüchterndes Bild für das Bildungswesen, das die Pflichschulzeit abdeckt, hat doch das BMfUK bereits 1986 im Grundsatzerlaß "Körperbehinderte oder sinnesbehinderte Kinder im Schulwesen Österreichs" festgehalten, daß eine Sinnes- oder Körperbehinderung nicht per se Sonderschulbedürftigkeit bedeutet, sondern daß Maßnahmen und Vorkehrungen getroffen werden müssen, um besonders Kindern mit diesen Formen von Behinderung den Besuch der Regelschule zu ermöglichen. In der Praxis findet dies vor allem aus zwei Gründen nicht statt:

  • einerseits behindert mangelnde bauliche Zugänglichkeit Kinder und Jugendliche mit Mobilitätsbeeinträchtigung am Besuch einer Regelschule

  • andererseits sind Lehrpersonen, die typischerweise mit unzureichender Ausbildung argumentieren, nicht bereit, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.

Den Projektbeauftragten sind mehrere Fälle bekannt, in denen SchülerInnnen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, jahrelang von ihren SchulkollegInnen über Treppen in die Klasse getragen worden sind. Abgesehen davon, daß dies sowohl aus Sicherheitsgründen (- was, wenn beim Tragen ein Unfall passiert? -) als auch aus gesundheitlichen Gründen (- denkt jemand an die Wirbelsäulen der tragenden Jugendlichen-) eine bedenkliche Variante ist, stellt sich schließlich die Frage nach dem "versteckten" Lehrplan. Was lernen die Jugendlichen, jene mit und jene ohne Behinderung? Sie lernen, daß Personen mit Behinderung ständig auf die Hilfe anderer angewiesen sind, daß dies ihr quasi "natürlicher" Zustand ist. Besonders problematisch ist, daß dies vor allem auch den Jugendlichen mit Behinderung vermittelt wird. So werden sie in ihrem Selbstbild als abhängige, vom good will anderer abhängiger Personen verstärkt, die dankbar sind für das, was ihnen zuteil wird, ohne über die Situation selbst hinausblicken und diese kritisieren zu können.

Die Beurteilung der Teilnahmemöglichkeit nach Schulart zeichnet, je höher die Schulform, ein immer negativeres Bild: bezüglich AHS-Oberstufe und Berufsbildende Höhere Schule sind knapp 50% der Befragten der Meinung, daß sie katastrophal sei, 42% beurteilen sie als nicht zufriedenstellend, bloße 10,5% sind mit der aktuellen Situation zufrieden.

Der Blick auf die Universität ist demgegenüber zwar eine Spur positiver, insgesamt aber dennoch äußerst negativ: 58% beurteilen die Teilnahmemöglichkeiten von Personen mit Behinderung an der Universität als nicht zufriedenstellend, immerhin 26% beurteilen sie als katastrophal, nur knapp 16% meinen, sie sei zufriedenstellend.

Eine zentrale Hürde für das Studium an einer Universität stellt für Jugendliche mit Behinderung immer noch die Tatsache dar, daß viele Höhere Schulen, die für den Universitätszugang qualifizieren, aufgrund baulicher Barrieren nicht zugänglich sind. In Bezug auf die Matura versagt auch das Sonderschulwesen gänzlich: es gibt in Österreich keine Sonderschule, auch keine Sonderschule für sinnes- oder körperbehinderte Jugendliche, die ihnen die Matura ermöglicht. Bildungschancen sind für Schüler und Schülerinnen mit Behinderung von vornherein ungleich verteilt, Kinder und Jugendliche mit Behinderung werden im österreichischen Bildungswesen systematisch diskriminiert. Es überrascht daher nicht, daß die befragten Experten und Expertinnen in dieser Frage fast 100%ig einer Meinung sind: sie sind davon überzeugt, daß Personen mit Behinderung im Bildungswesen benachteiligt werden. Der Binomialtest weist diesbezüglich eine hochsignifikante Übereinstimmung nach.

In der Begründung ihrer Antwort führen die Experten und Expertinnen eine Vielzahl von Argumenten an:

  • Unverständnis der Verantwortlichen darüber, warum Personen mit Behinderung ein Recht auf Bildung und Ausbildung haben sollten

  • vielfältige bauliche Barrieren

  • mangelnde Berücksichtigung spezifischer Bedürfnisse, z.B. unzureichende technische Hilfsmittel und persönliche Unterstützung für sinnesbehinderte Schüler und Schülerinnen, weshalb immer wieder der Besuch von Sonderschulen, die technisch oft hervorragend ausgerüstet sind, bevorzugt wird

  • Stigmatisierung durch Sonderschulbesuch

  • schlechte Rahmenbedingungen für die Durchführung der gesetzlich verankerten Integration (mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Bundesländern)

  • mangelnde Ausbildung und Vorbereitung der Lehrpersonen auf die Arbeit mit Schüler und Schülerinnen mit Behinderung; Landeslehrerdienstrechte ermöglichen es den Lehrpersonen, mit diesem Argument das Unterrichten von Kindern mit Behinderung abzulehnen

  • noch immer kann die Schulbehörde Kinder mit Behinderung als schulunfähig etikettieren und ihnen damit das Recht auf Bildung absprechen

  • in Niederösterreich ist gesetzlich geregelt, daß das Schulforum der Sekundarstufe I über die Aufnahme von Schülern und Schülerinnen mit Behinderung entscheidet, wenn weniger als fünf Kinder mit Behinderung zusammen kommen

  • Kindern mit Behinderungen wird das Recht auf Integration mit der Aufnahmeregelung in die AHS erschwert. In Integrationsklassen ist eine Reduzierung der Klassenschülerzahl eine Rahmenbedingung. Da bei der Einrichtung von Integrationsklassen die Parallelklasse nicht aufgestockt werden darf, was ansonsten durchaus üblich ist, werden Kinder mit Behinderung schon an der Tür abgewiesen

  • abschließend ein konkretes Beispiel: "Ein AHS-Lehrer verweigert einer Schülerin im Rollstuhl die Teilnahme an einer Wienwoche, weil es ihm zu kompliziert erscheint, wenngleich die Schülerin kein Problem in ihrer Mitreise sieht."

Wie die folgenden wörtlichen Antwortbeispiele zeigen, herrscht Einigkeit darüber, daß die derzeit bestehenden Gesetze als unzureichend für Integration und gleichberechtigte Teilhabe einzuschätzen sind: "Es sind weder die Schulgesetze ausreichend, um eine Gleichstellung von behinderten und nichtbehinderten Schülern sicherzustellen noch fördern die Lehrer, die Beamten und die derzeitige Ministerin Verbesserungen," meint ein Jurist und ein zweiter ergänzt, "daß die bestehenden Gesetze zu viele Möglichkeiten, Kinder mit Behinderung vom gemeinsamen Unterricht auszuschließen," bieten. Ein anderer Experte stellt klar: "Es gibt kein Recht auf Integration, bestenfalls ein Antragsrecht." Daß die Umsetzung der Gesetze von Personen behindert wird, die vom Inhalt der Gesetze nicht notwendigerweise überzeugt sind, bringt die Aussagen einer Studentin mit Behinderung klar zum Ausdruck: "Viele Lehrpersonen oder Direktoren sperren sich nach wie vor gegen die Integration, da es ihnen schlichtweg zu umständlich ist oder sie sich nicht mit Behinderung konfrontieren wollen." (vgl. auch Flieger, 1998)

Der pessimistische Gesamteindruck setzt sich im Bereich der beruflichen Bildung fort: die Möglichkeiten beruflicher Bildung für Jugendliche mit Behinderung in Österreich werden außerordentlich negativ beurteilt: knapp 74% der Befragten halten sie für nicht zufriedenstellend, etwas mehr als 26% gar als katastrophal.

Für die Experten und Expertinnen liegt es daher auf der Hand, daß Jugendliche mit Behinderung bei der Berufsbildung gegenüber Jugendlichen ohne Behinderung diskriminiert werden. Dieser Frage stimmen sie 100%ig zu, der Binomialtest ergibt daher ein hochsignifikantes Ergebnis:

Eine Vielfalt konkreter Beispiele wird angeführt, die hier zur Veranschaulichung der Lebensrealität von Jugendlichen mit Behinderung in Österreich dienen:

  • wenig bis gar keine Möglichkeiten der Berufsorientierung für Jugendliche mit Behinderung auf der 7. und 8. Schulstufe

  • Berufsberatung orientiert sich nur an der Behinderung und nicht an den konkreten Wünschen und Fähigkeiten einer Person; daher erfolgt sie meistens sehr einseitig (z.B.: Jugendliche mit Körperbehinderung erhalten eine kaufmännische Ausbildung, weil es hier weiterführende Schulen gibt; blinde oder gehörlose Jugendliche werden nur in traditionellen "Blinden-" bzw. "Gehörlosenberufen" ausgebildet)

  • durch gesetzliche und außergesetzliche Vorgaben werden Jugendlichen mit Behinderung Berufszugänge verwehrt, obwohl sie Fähigkeiten und Neigungen mitbrächten, z.B. dürfen Jugendliche mit Behinderung nicht die Pädagogische Akademie besuchen, um Pflichtschullehrer oder -lehrerin zu werden

  • für viele Jugendliche mit Behinderung gibt es nur die Möglichkeit, eine Einrichtung der Beschäftigungstherapie zu besuchen; hier haben sie für den Rest ihres Lebens nicht den Status als Arbeitnehmer und -nehmerinnen, sonders als Besucher und Besucherinnen einer Therapieeinrichtung, wiewohl in sehr vielen Fällen in diesen Einrichtungen industrielle Fertigungsarbeiten geleistet werden

  • für Jugendliche mit geistiger Behinderung gibt es de facto keine Möglichkeit der beruflichen Bildung, sie werden routinemäßig von Sonderschulen, immer häufiger auch von Integrationsklassen, zu Einrichtungen der Beschäftigungs-therapie verwiesen; speziell für diese Personengruppe gibt es nur vereinzelt integrative Arbeitsprojekte (vgl. z.B. auch Schabmann u. Klicpera, 1999)

  • die Schülerin einer berufsbildenden Schule darf nach einem Unfall, durch den sie durch eine Querschnittlähmung auf einen Rollstuhl angewiesen ist, die Schule nicht mehr weiter besuchen, weil es der Direktor nicht für möglich hält

  • Ende Juni 1999 suchten 90 Jugendliche mit Behinderung in Oberösterreich eine Lehrstelle; ihre Chancen, eine Lehrstelle zu finden, wurden als äußerst gering eingestuft

  • gehörlose Jugendliche erhalten weder in der Berufsschule noch auf der Lehrstelle eine Unterstützung durch Gebärdendolmetscher und Gebärdendolmetscherinnen

  • Arbeitsassistenz, die individuelle Unterstützung während der Berufsfindung und -bildung sicherstellen könnte, ist unzureichend ausgebaut

  • eine persönliche Geschichte aus einem Fragebogen: "erst sonderschule wr.neustadt. dann besuch der hak in eisenstadt. dies gegen den vehementen widerstand des direktors, der erst durch ein machtwort des zuständigen landesrates bereit war, mich in diese schule aufzunehmen. mein besuch war dann nur dadurch möglich, daß mein bruder die gleiche schule besuchte und mich mit dem rollstuhl in die schule gebracht hat. in die klassen, die alle nur über stufen erreichbar waren, haben mich dann mein bruder und mitschuler rauf- und runtergetragen."

  • die Berufsschule wird außer in seltenen einzelnen Projekten nicht integrativ geführt

  • Universitätsprofessoren eines Instituts für Chemie wollen einen blinden Studenten nicht zu Prüfungen z.B. im Laborbereich zulassen, weil er dazu einen Assistenten benötigen würde. Das Argument: "Dann müßte ja derAssistent beurteilt werden!"..

Die Tatsache, daß in Österreich bislang Sonderschule und integrative nebeneinander bestehen, wird vom überwiegenden Großteil der Befragten negativ beurteilt, 21% betrachten diese Situation als positiv, allerdings argumentieren sie damit, daß auf spezielle Bedürfnisse mancher Schüler und Schülerinnen (z.B. die Bedürfnisse von Kindern mit schweren geistigen Behinderungen oder die technischen Bedürfnisse von blinden bzw. sehbehinderten Kindern) manchmal nur in der Sonderschule ausreichend eingegangen wird. Ein entsprechender Ressourcentransfer von den Sonderinstitutionen in das Regelschulwesen findet trotz integrativer Gesetzgebung nur zögernd und unzureichend statt.

Mit hoher Signifikanz sind sich die Experten und Expertinnen darin einig, daß der Besuch einer Sonderschule eine Benachteiligung bzw. Diskriminierung darstellt.

Als Begründung dafür führen sie an, daß der Besuch einer Sonderschule zur frühzeitigen Trennung der Kinder mit Behinderung von ihren nichtbehinderten Alterskollegen und -kolleginnen führt, die im weiteren gegenseitige Entfremdung und Angst sowie Vorurteile voreinander mit sich bringt. Chancengleiche Teilhabe am Bildungswesen wird vornherein unmöglich. Sonderschule isoliert, sie wird als Getto erlebt und bezeichnet, das auf "normale", eben nicht ausgesonderte gesellschaftliche Bedingungen nicht vorbereitet. "Die Lehrperson ist der einzige Bezugspunkt zur Normalität", erläutert dies eine Expertin. Aussonderung und Isolierung bewirken, daß gesellschaftlich die Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung verdrängt werden kann. Den Kindern mit Behinderung signalisiert die Aussonderung, daß sie in der Gesellschaft nicht erwünscht sind. Besonders betont wird der negative Effekt der Stigmatisierung, denn der Besuch einer Sonderschule bedeutet einen Makel, der kaum überwunden werden kann. Eine Expertin meint wörtlich: "Schon der Begriff Sonderschule stellt eine Diskriminierung per se dar."

Ein Experte erläutert, daß Sonderschule dann nicht diskriminierend sei, wenn sich Eltern freiwillig entscheiden, daß ihr Kind diese Schulform besucht. Allerdings stehen ihnen in der Praxis häufig keine wirklich Alternativen zur Wahl, sie müssen zwischen schlechter Integration, etwa ohne ausreichende technische Hilfsmittel, und ausgezeichnet ausgerüsteter Sonderschule entscheiden.

Mit hochsignifikanter Übereinstimmung sind sich die befragten Experten und Expertinnen darin einig, daß ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung Diskriminierungen im Bildungswesen entgegenwirken soll und kann.

Konkret erwarten die Experten und Expertinnen von einem Antidiskriminierungsgesetz die gesetzliche Regelung folgender Inhalte:

  • Grundrecht auf gleiche Bildungschancen für alle, d.h., daß auch Schüler und Schülerinnen mit Behinderung aus derselben Vielfalt an Bildungsmöglichkeiten wählen können müssen wie jene ohne Behinderung

  • Rechtsanspruch auf Integration im Bildungswesen

  • Änderung jener bestehenden Gesetze, die Aussonderung immer noch möglich machen

  • die bauliche Zugänglichkeit (Rampen, Lifte, WC-Anlagen, Blindenleitsysteme) von Bildungseinrichtungen als Grundvoraussetzung

  • die Bereitstellung technischer Hilfsmittel auch außerhalb von Sonderschulen (z.B. Computer, Mobilar, spezielle Lehrmittel, Braillezeile für PC, Hörhilfen)

  • Rechtsanspruch auf persönlich erforderliche Unterstützung, etwa auch für Schüler oder Schülerinnen mit Körper- oder Sinnesbehinderung, die dem regulären Lehrplan folgen können (z.B. auch Vorleser für blinde Schüler und Schülerinnen). Dies ist derzeit keineswegs sichergestellt: in Wien ist dem Autor und der Autorin ein Fall bekannt, wo im Schuljahr 1999/2000 einem 10-jährigen Mädchen mit schwerer Mobilitätsbeeinträchtigung, das die AHS-Reife hat, für diese Schulart keine Hilfsperson zugestanden wurde; in der Sonderschule für körperbehinderte Kinder wäre dies sehr wohl der Fall gewesen. Abgesehen davon, daß sich die Eltern des Kindes von Anfang an für schulische Integration entschieden hatten, was gegenüber der Schulbehörde auch in der Volksschule nicht leicht durchzusetzen war, könnte das Mädchen in der Schule für körperbehinderte Kinder maximal den Hauptschulabschluss erlangen. In der Volksschule war das Mädchen im übrigen bestens integriert - trotz ihrer schweren Körperbehinderung, aufgrund derer die Schulbehörde von Anfang an für Sonderschule plädierte.

  • Verankerung des Rechts gehörloser Kinder auf bilingualen Unterricht (Laut- und Gebärdensprache)

  • Ausbildung und Unterstützung der Lehrpersonen

  • strafrechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung

3.2.2. Ergebnisse: Arbeit

"Die Staaten sollen den Grundsatz anerkennen, wonach Behinderte dazu befähigt werden müssen, ihre Menschenrechte wahrzunehmen, insbesondere im Bereich der Beschäftigung. Sowohl im ländlichen als auch im städtischen Bereich müssen Behinderte Chancengleichheit im Hinblick auf eine produktive Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt genießen."

(aus der Standardregel Nr. 7, UNO, 1993)

Personen mit Behinderung werden am österreichischen Arbeitsmarkt diskriminiert. Im Bericht über die soziale Lage stellt das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales 1998 fest: "Die Integration von behinderten Menschen in das Erwerbsleben gestaltet sich weiterhin schwierig. Die Zahl der als arbeitsuchend vorgemerkten Behinderten ist nach wie vor sehr hoch." (BMAGS, 1998, S. 17). Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik der letzten Jahr verdeutlicht dies: im Durchschnitt ist die Arbeitslosenrate unter Personen mit Behinderung mindestens doppelt so hoch wie jene von Personen ohne Behinderung (Quelle: http://www.bizeps.or.at).

Demgegenüber fällt auf, daß Betriebe ihrer gesetzlichen Pflicht, ArbeitnehmerInnen mit Behinderung einzustellen, nicht nachkommen: 1997 wurde die durch das Behinderteneinstellungsgesetz geregelte Beschäftigungspflicht von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mit Behinderung nur zu 61% erfüllt (BMAGS, 1998). Anstatt eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter mit Behinderung einzustellen, zogen es also 39% der Unternehmen vor, eine Ausgleichstaxe zu entrichten, die 1999 knapp öS 2.000.- pro Monat beträgt. Der aus diesen Mitteln entstandene Ausgleichstaxfonds speist zu einem wesentlichen Teil Projekte zur beruflichen Integration, die jenen Unternehmen, die keine Personen mit Behinderung beschäftigen, welche zu vermitteln versuchen. Ein Umweg, der sich lohnt und Erfolg verspricht? Mitnichten, stellt doch das BMAGS bereits 1996 ernüchternd fest: "Trotz des hohen Einsatzes von Förderungsmitteln gestaltet sich die Integration von behinderten Menschen ins Erwerbsleben nach wie vor als schwierig." (BMAGS, 1996, S. 44).

Die Befragung der Experten ergibt dementsprechend eine 100%ige Übereinstimmung darin, daß Personen mit Behinderung am österreichischen Arbeitsmarkt Benachteiligungen ausgesetzt sind.

Folgende Beispiele veranschaulichen die Bandbreite der Diskriminierungen:

  • die Leistung von Personen mit Behinderung wird von vornherein als geringer eingeschätzt

  • bauliche Gegebenheiten verhindern den Zugang zu Arbeitsplätzen vor allem für Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigung

  • Personen mit geistiger Behinderung sind durch die Regelung der Restarbeitsfähigkeit im Behinderteneinstellungsgesetz nicht einmal auf geschützte Arbeitsplätze zu vermitteln

  • Personen mit Behinderung erhalten für dieselbe Leistung weniger Lohn als Personen ohne Behinderung

  • im öffentlichen Dienst sind Dienstnehmer- und nehmerinnen mit Behinderung schlechter gestellt als ihre Kollegen und Kolleginnen; sie haben kaum Karrierechancen und Weiterbildungsmöglichkeiten (vgl. z.B. Sonderaktion in Wien)

  • Fähigkeiten von Personen mit Behinderung werden durch Arbeitgeber mangels Information fehleingeschätzt

  • mangelnde berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten für Personen mit Behinderung

  • ein konkretes Beispiel: " ein Computerfachmann mit genetisch bedingter Muskelschwäche, der trotz ausgezeichneter Fachkenntnisse nicht einmal als Programmierer Arbeit findet, obwohl er überqualifiziert und in diesem Arbeitsprozeß durch seine Behinderung nicht beeinträchtigt ist."

  • AMS-Berater sind von Arbeitssuchenden mit Behinderung überfordert

  • der Behindertenfeststellungsbescheid als Diskriminierung per se

Allerdings sind sich die Befragten nicht darin einig, ob ein Antidiskriminierungsgesetz die bestehenden Benachteiligungen von Personen mit Behinderung am Arbeitsmarkt beseitigen könnten. Bezüglich der entsprechenden Frage ergibt der Binomialtest ein nicht signifikantes Ergebnis:

Ein Jurist meint überhaupt, daß der Bereich Arbeit durch eine Novellierung des Behinderteneinstellungsgesetzes besser abgedeckt werden könnte als durch ein Antidiskriminierungsgesetz. Dennoch führen viele der Befragten Aspekte an, die ein Antidiskriminierungsgesetz bezüglich Arbeit berücksichtigen könnte:

  • Verankerung des Rechts auf freie Berufswahl für alle Menschen; Arbeitsbereiche dürfen nicht von vornherein für Personen mit Behinderung verschlossen sein

  • das Kriterium "Behinderung" darf kein Ablehnungsgrund bei der Arbeitsplatzbesetzung sein - Arbeitgeber hat die Beweislast

  • bauliche Zugänglichkeit und Benutzbarkeit von Arbeitsstätten

  • Bewußtseinsbildung bei Arbeitgebern und -geberinnen

  • Recht auf Assistenz am Arbeitsplatz bzw. Job Coaching, z.B. auch für Personen mit Körperbehinderung

  • Chancengleichheit

  • längere Probezeiten

  • positive Diskriminierung, um bestehende Benachteiligungen auszugleichen

3.2.3. Ergebnisse: Zugänglichkeit

"Die Staaten sollen Maßnahmen zum Abbau bestehender Hindernisse ergreifen, die sich dem Zugang zur baulichen Umwelt in den Weg stellen. Sie sollen Normen und Richtlinien ausarbeiten und den Erlaß von Rechtsvorschriften erwägen, um die behindertengerechte Gestaltung verschiedener Bereiche - Wohnungen, Gebäude, öffentliche und sonstige Verkehrseinrichtungen, Straßen, Plätze usw. - zu gewährleisten."

"Die Staaten sollen Strategien entwickeln, um Informationsdienste und Dokumentation unterschiedlichen Behindertengruppen zugänglich zu machen. Blindenschrift, besprochene Kassetten, Großdruck und sonstige geeignete Verfahren sollen verwendet werden, um Sehgeschädigten den Zugang zu schriftlicher Information und Dokumentation zu ermöglichen. Ebenso sollen geeignete Verfahren verwendet werden, um Hörgeschädigten beziehungsweise Schwerhörigen den Zugang zu mündlicher Information zu ermöglichen."

(aus der Standardregel Nr. 5, UNO, 1993)

Unter dem Begriff Zugänglichkeit wird hier die barrierefreie Gestaltung und Ausstattung von Gebäuden sowie die Benützbarkeit von Verkehrsmitteln und Einrichtungen zur Telekommunikation für Personen mit Behinderung verstanden.

In diesem Zusammenhang ist besonders zu beachten, daß die Frage der Zugänglichkeit je nach Form der Behinderung unterschiedliche Bereiche und Aspekte des Lebens betrifft: für Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigung Stufen, fehlende Rampen und Lifte, zu enge Türen und Gänge, kleine Räume und vor allem auch zu kleine Toilette ein zentrales Hindernis, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Für sie ist auch die mangelnde Zugänglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel ein Hauptfaktor für ihre behinderte Mobilität. Demgegenüber steht z.B. für sehbehinderte oder blinde Personen im Vordergrund, daß einerseits Leitsysteme, mit Hilfe derer sie sich orientieren können, fehlen und daß andererseits Information, seien dies Ausschreibungen, Türschilder oder Menükarten in Restaurants, nicht in alternativen Formaten, d.h. etwa in Brailleschrift oder auf Audiokassette, verfügbar sind. Für hörbehinderte oder gehörlose Personen drückt sich das Problem der Zugänglichkeit im Mangel an technischen Hilfsmitteln wie Induktionsschleifen etwa in Kinos oder bei öffentlichen Veranstaltungen bzw. in der absoluten Unterversorgung mit Gebärdendolmetschern und -dolmetscherinnen aus. Auch für Personen mit geistiger Behinderung ist die Frage nach Information, die ihnen in leicht verständlicher Sprache verständlich gemacht wird, ein zentrales Kriterium, um an allen Aspekten gesellschaftlichen Lebens teilzunehmen. Fragen der Zugänglichkeit, das wurde bereits bei den Bereichen Bildung und Arbeit deutlich, spielen eine Schlüsselrolle für den Auschluss und die Diskriminierung von Personen mit Behinderung im sozialen Alltag.

Im Vergleich zu anderen Ländern wurden in Österreich erst relativ spät Maßnahmen zur Vermeidung und Beseitigung baulicher Barrieren getroffen. Die maßgebende Norm für die behindertengerechte Gestaltung von öffentlich zugänglichen Bauten und Verkehrsanlagen ist die ÖNORM B 1600 "Bauliche Maßnahmen für Körperbehinderte und alte Menschen", die zuerst 1977 und in überarbeiteter Form 1983 publiziert wurde. Diese Gedanken fanden - allerdings sehr unzulänglich und in voneinander stark abweichender Form - in die Bauordnungen der einzelnen Bundesländer Eingang. Grundsätzlich bestehen die Darlegungen der Norm als Empfehlung; es gibt keine Verpflichtung öffentlicher und privater Bauträger, diese Bestimmungen über die Festlegungen in den Landesbauordnungen hinaus einzuhalten. Im Bundeshochbau wurden 1977 bzw. 1984 die wesentlichen Bestimmungen der ÖNORM B 1600 übernommen; dennoch weist Österreich im Vergleich zu anderen Ländern auch auf diesem Gebiet noch einen beträchtlichen Nachholbedarf auf . Die Einschätzung der befragten Experten und Expertinnen fällt dementsprechend negativ aus. Die überwiegende Mehrheit, nämlich 84,2 %, beurteilen insgesamt das erreichte Niveau der Zugänglichkeit für behinderte Menschen in Österreich als eher schlecht, 5,3 % halten es für sehr schlecht und nochmals 5,3% erachten es als eher gut.

Obwohl bereits die Zugänglichkeit öffentlicher Gebäude von knapp 68% der Befragten als eher schlecht eingeschätzt wird, fällt die Beurteilung privater Gebäude noch deutlich schlechter aus: 84% der Experten und Expertinnen wählen die negativste Antwortkategorie "sehr schlecht".

Besonders durch "Anpaßbaren Wohnungsbau" könnte eine wesentliche Verbesserung dieser extrem negativen Gesamtsituation für die Erreichbarkeit auch privater Wohngebäude erreicht werden. Dies bedeutet, daß alle Wohnhäuser bestimmten baulichen Erfordernissen Genüge tun sollten, nämlich:

  • einen niveaugleichen Zugang zu allen Wohnungen,

  • Türbreiten von mindestens 80cm, sowie

  • ausreichenden Platz in den Nassräumen aufzuweisen.

Werden diese drei grundlegenden Anforderungen des "anpaßbaren Wohnungsbaus" schon bei der Bauausführung berücksichtigt, können - im Falle einer eintretenden Behinderung - mit geringem Aufwand behindertengerechte Wohnungen entstehen, wodurch nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch die sozialen und ökonomischen Folgekosten für die Gesellschaft gemildert werden. Darüber hinaus wird es Personen mit Behinderung erleichtert, Freunde und Freundinnen in deren Wohnung zu besuchen. Durch zahlreiche Studien im Rahmen der Wohnbauforschung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten ist belegt, daß diese Bauweise kaum Mehrkosten verursacht, sofern in der Planungsphase bereits darauf Rücksicht genommen wird.

Die Einlösung dieser umfassenden Zielsetzung des Bundesbehindertenkonzepts hinkt allerdings der Realität weit hinterher. Tatsächlich haben die einzelnen Bundesländer in ihren Landesbauordnungen nur sehr ungenügend die drei zentralen Anforderungen des "anpaßbaren Wohnbaus" übernommen und selbst dort, wo die gesetzliche Regelung an sich relativ weitgehend ist, wie in Wien oder in Salzburg, bestehen keinerlei individuellen Durchsetzungsrechte für Betroffene. Durch die fehlende Sanktionierbarkeit und Einklagbarkeit der bereits beschlossenen gesetzlichen Regelungen entsteht darüber hinaus kein Druck auf die Bauwirtschaft, die bauliche Situation nachhaltig zugunsten behinderter Menschen zu ändern.

Im Bundesbehindertenkonzept ist die Übernahme der Empfehlungen der ÖNORM B 1600 in die Bauvorschriften, die verstärkte Aus- und Weiterbildung im Bereich des behindertengerechten Bauens für Architekten und Bauingenieure, die flächendeckende Einrichtung von regionalen Beratungsstellen und die Schaffung einer zentralen Fachstelle für behindertengerechtes Bauen mit der Zielsetzung bundesweite Fortbildung, Forschung, Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit sowie Koordinierung und Unterstützung der regionalen Beratungsstellen festgeschrieben. Von diesen Punkten ist derzeit noch kein einziger erfüllt. Die Übernahme der Empfehlungen der ÖNORM B 1600 in die Landesbauordnungen scheitert an der föderalistischen Struktur des Staates; nach wie vor ist barrierefreies Bauen bzw. anpaßbarer Wohnungsbau kein Pflichtgegenstand in der Ausbildung von Architekten und Bauingenieuren; regionale Beratungsstellen für Behindertengerechtes Bauen existieren zwar, da aber eine zentrale Fachstelle, die als unterstützende Anlaufstelle für die regionalen Beratungsstellen dienen sollte, nicht existiert, können auch diese ihren Aufgaben nur unvollkommen entsprechen. Teilweise kommt es zu Doppelgeleisigkeiten und Rückfällen hinter den bereits erreichten Stand.

Die Situation in Bezug auf die Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, die individuelle und spontane Mobilität gewährleisten, ist ähnlich negativ. International geht die Entwicklung in Richtung behindertengerechter öffentlicher Verkehrsmittel. In zahlreichen europäischen Städten sind bereits Niederflurbusse und Straßenbahnen unterwegs, auch Hebeplattformen kommen zum Einsatz. Zugängliche öffentliche Verkehrmittel bieten außerdem Information immer auf mehreren Kanälen an, etwa werden Stationen nicht nur akustisch sondern auch visuell durch Laufbuchstaben angekündigt. Taktile Orientierungshilfen für blinde Personen sind eine Selbstverständlichkeit.

Von den Österreichischen Bundesbahnen wurden in den letzten Jahren zwar einige Verbesserungen vorgenommen, dennoch ist die Situation im Vergleich zu anderen Staaten als unbefriedigend einzustufen: Zwar gibt es in den größeren Bahnhöfen stationäre Hebelifte, die in der Lage sind, Rollstühle in die Waggons zu befördern, auch sind in wenigen Hauptstrecken Waggons im Einsatz, die behindertengerechte Sitzplätze bzw. rollstuhlgängige Toiletten aufweisen. Dennoch haben im Zuge der Privatisierungsbestrebungen der Österreichischen Bundesbahnen die Maßnahmen für behinderte Menschen einen deutlichen Rückschlag erlitten. Die Österreichischen Bundesbahnen argumentieren damit, daß sie den Einnahmenausfall durch die besondere Rücksichtnahme auf behinderte Menschen vom Gesetzgeber nicht vergütet bekommen. So wurde die Anzahl der eingesetzten rollstuhlgängigen Waggons (mit Rollstuhlstellplätzen und geeigneten Toiletten) in den letzten Jahren drastisch reduziert. Auch ist die bauliche Situation auf den meisten Bahnhöfen nach wie vor durch Barrieren gekennzeichnet. Einige Großbahnhöfe allerdings (Wiener Westbahnhof, Grazer Hauptbahnhof) sind nach den Grundsätzen des barrierefreien Bauens umgestaltet worden.

In den letzten Jahren sind in einigen Städten Experimente mit Niederflurstraßenbahnen bzw. Niederflurbussen vorgenommen worden, die zwar zaghaft, aber doch eine Umrüstung in Richtung barrierefreier öffentlicher Verkehrsmittel in mittlerer Frist (10 bis 15 Jahren ) wahrscheinlich machen. Obwohl es in vielen europäischen Großstädten eine Selbstverständlichkeit ist, daß U-Bahnlinien behindertengerecht errichtet werden, wurden die Bedürfnisse behinderter Menschen beim U-Bahn-Bau in Wien bis zum Ende der 80-iger Jahre ignoriert, erst seither beginnen die Grundsätze des barrierefreien Bauens sich durchzusetzen.

Die negative Einschätzungstendenz der Experten und Expertinnen setzt sich im Bereich der Benützbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln dementsprechend fort und zeichnet ein ernüchterndes Bild: 52,6% der Befragten bezeichnen die Benützbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln für Personen mit Behinderung in Österreich als "eher schlecht", 47,4% gar als sehr schlecht:

Mangelnde Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden und Plätzen sowie die damit im Zusammenhang stehende äußerst unzureichende Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel stellen für Personen mit Behinderung tagtäglich zermürbende Diskriminierungen dar, obwohl sie in der Öffentlichkeit häufig nicht als solche verstanden werden. Stufen und fehlende Rampen werden eher als Hirnlosigkeit denn als strukturelle Diskriminierung mit System verstanden. Da die Umwelt an der Norm nichtbehinderter Menschen ausgerichtet wird, wird es als individuelles Problem behinderter Menschen betrachtet, wenn diese mit der Umwelt Schwierigkeiten haben. Dies wird jedoch vielmehr als bedauerliche Folge einer Behinderung denn als Diskriminierung durch die Umwelt verstanden. Noch weniger Verständnis besteht dafür, daß Personen mit Behinderung Orte unabhängig von der Hilfe anderer erreichen wollen. Sie wollen nicht über Stufen getragen und durch versteckte Hintereingänge geschoben werden, denn das Angewiesensein auf Hilfe zur Überwindung baulicher Hindernisse wird von ihnen als diskriminierend und demütigend empfunden (vgl. MfAGS, S. 210). Andreas Jürgens, ein Jurist mit Behinderung aus Deutschland, beschreibt dies so: "Die Wahrnehmung dessen, was wir als Diskriminierung empfinden und was uns von offizieller Seite sozusagen als solche zugestanden wird, geht teilweise extrem weit auseinander." (Jürgens, 1999). Er veranschaulicht die unterschiedlichen Sichtweisen an einem Beispiel aus den USA: "In den USA gab es schon unter der Geltung der ersten Anti-Diskriminierungsvorschrift im Rehabilitationsrecht, lange Zeit vor dem ADA, einen grundlegenden Rechtsstreit, der die unterschiedliche Sichtweise sehr deutlich macht. Nach dieser Vorschrift durften Stellen, die Förderung durch den Staat erhielten, behinderte Menschen nicht benachteiligen. Ein Rollstuhlfahrer klagte gegen seinen örtlichen Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs, der zwar staatliche Förderung bezog, aber keine behindertengerechten Fahrzeuge einsetzte. Das Unternehmen verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, eine Diskriminierung könne hierin nicht gesehen werden. Vielmehr würden auch Behinderte mit den eingesetzten Fahrzeugen befördert wie alle anderen auch, wenn sie in das Fahrzeug hinein kämen. Auch Rollstuhlfahrer, die mit Hilfe in den Bus kämen, würden wie alle anderen befördert. Sie würden also nicht ausgeschlossen, sondern erhielten genau die gleiche Leistung, wie Nichtbehinderte auch. Das könne doch keine Diskriminierung sein. Der Oberste Gerichtshof der USA entschied gegen das Busunternehmen. Eine Diskriminierung liege auch dann vor, wenn ein Angebot für alle eröffnet werde, das aber aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung von einigen nicht wahrgenommen werden könne. Unter der Geltung des Diskriminierungsverbots sei das Unternehmen daher verpflichtet, behindertengerechte Fahrzeuge einzusetzen." (ebd.)

Für Betroffene bedeutet die unzureichende Zugänglichkeit der Umwelt tagtäglich konkret, daß ihre Entscheidungen Aktivitäten nicht von persönlichen Interessen und aktuellen Vorlieben sondern von der Frage nach Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und Ausstattung eines Ortes abhängt. Ein Kinobesuch orientiert sich dann z.B. nicht am bevorzugten Film sondern an der Frage, welches Kino barrierefrei benutzbar ist. Daß dies eine massive Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit und Lebensqualität bedeutet liegt auf der Hand.

Bezüglich der Frage, ob Sonderfahrtendienste anstatt der Benützbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln eine Diskriminierung darstellen, sind die Experten und Expertinnen nicht einer Meinung: zwar beantworten 74% diese Frage mit "ja", aber der Binomialtest ergibt statistisch kein signifikantes Ergebnis:

Die genauere Analyse der Fragebögen ergibt in diesem Zusammenhang, daß sich für "nein" nur jene Experten und Expertinnen entschieden haben, die mit Sonderfahrtendiensten nicht direkt befaßt sind, z.B. Seh- und Hörbehindertenvertreter und -vertreterinnen, bzw. als Dienstleistungsanbieter agieren. Häufig macht erst die direkte Betroffenheit bzw. die Auseinandersetzung mit konkreten Situationen deutlich, worin Diskriminierungen im Alltag bestehen. Wenigen Leuten ist beispielweise bekannt, daß es nicht möglich ist, spontan einen Transport mit Sonderfahrtendiensten zu bestellen, denn aus organisatorischen Gründen muß dies mindestens 24 Stunden vorher geschehen. Ist es Personen ohne Behinderung vorstellbar, daß sie nicht jederzeit spontan mit der Straßen- oder U-Bahn oder dem öffentlichen Bus eine Fahrt unternehmen können? Vor allem für Personen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, gehört dies zum Lebensalltag.

Auch Einrichtungen zur Telekommunikation werden für Personen mit Behinderung als nicht ausreichend benützbar eingeschätzt: 60% der Befragten meinen, deren Benützbarkeit wäre eher schlecht, 21% beurteilen sie als eher gut, 5,3% als sehr schlecht.

Außerordentlich unzureichend ist in Österreich die Telekommunikation für hörbeeinträchtigte bzw. gehörlose Personen ausgebaut. Neben der Möglichkeit, per Fax zu kommunizieren, ist die Verbreitung von Schreibtelefonen, wie sie z.B. in den USA sehr verbreitet sind, gering. Ein zentraler Punkt ist das Telefonieren von einer hörenden Person, die kein Schreibtelefon besitzt, mit einer gehörlosen Telefon. In den USA regelte das ADA, daß die Telefongesellschaften jedes Bundesstaates sogenannte Relaystationen einrichten mußte, die diese Lücke überbrücken: in der Relaystation sitzen Vermittler bzw. Vermittlerinnen, die hören und über ein Schreibtelefon verfügen. Sie übersetzen zwischen den gehörlosen Anrufern und Anruferinnen und jenen, die hören. In Österreich ist dieses Modell bis auf einzelne Ausnahmen nicht einmal unter den gehörlosen Personen bekannt.

Zwar haben in Österreich in den vergangenen 10 bis 15 Jahren einige Verbesserungen in bezug auf Zugänglichkeit für Personen mit Behinderung stattgefunden, doch sie können maximal als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnet werden, und die Einschätzung der Experten und Expertinnen fällt dementsprechend negativ aus: 60% meinen, sie seien eher unbefriedigend, 21,1% bewerten sie als ungenügend, ebenso viele halten sie für eher befriedigend.

Von einem Antidiskriminierungsgesetz erwarten sich die Befragten, daß es den Bereich der Zugänglichkeit beinhaltet und abdeckt, konkret füllen sie ihn mit folgenden inhaltlichen Vorstellungen:

  • bundesweite Verbindlichkeit der ÖNORM B 1600

  • verbindliche Zugänglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel

  • zwingende Zugänglichkeit von Veranstaltungsorten, Ämtern, Geschäftslokalen, überhaupt des gesamten öffentlichen Raums

  • zwingende Zugänglichkeit von Wohnungsneubauten

  • Stufenplan für Adaptierung bestehender Gebäude

  • für blinde Personen: bessere Leitliniensysteme, bessere taktile Hinweisschilder, Finanzierung von taktilen Stadtplänen und Ortsbeschreibungen, mehr Information auf Tonträger oder in Braille, allgemeiner Zugang auch für Blindenführhunde, bessere Serviceleistungen an Bahnhöfen und Flughäfen

  • klare Festschreibung der Maßnahmen und verbindliche Fristen für die Umsetzung

  • für hörbehinderte und gehörlose Personen: Bereitstellung technischer Hilfsmittel wie etwa Induktionsanlagen, akkustische Ansagen, z.B. auf Bahnhöfen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, müssen in visueller Form zugänglich gemacht werden; Anspruch auf Übersetzung in Gebärdensprache bei Bedarf

  • leichte Durchsetzbarkeit bzw. Klagemöglichkeit

  • Sanktionsmöglichkeit, z.B. Entzug der Gewerbeberechtigung

  • Abschließend ein Beantwortung im vollen Wortlaut: "Alle öffentlichen Gebäude müssen für Behinderte zugänglich sein, auch im Innenraum des Gebäudes müssen alle Bereiche erreichbar sein - und zwar ohne fremde Hilfe. Auch bei Neubauten ist zu beachten, daß sie rollstuhlgerecht bzw. behindertengerecht gebaut werden und zwar unter Rücksprache mit Betroffenen, denn das, was Architekten unter behindertengerecht anpreisen, entspricht sehr häufig nicht der Realität. Jeder Architekt sollte sich zumindest einmal in einen Rollstuhl setzen, um die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Zudem sollten bei älteren Gebäuden Überlegungen gemacht werden, was man verändern könnte, um diese behindertengerecht zu machen."

3.2.4 Ergebnisse: Persönliche Pflege und Persönliche Assistenz

"Die Staaten sollen die Ausarbeitung und Bereitstellung von individuellen Hilfsprogrammen und Dolmetscherdiensten, insbesondere für Schwer- und/oder Mehrfachbehinderte, unterstützen. Derartige Programme würden den Grad der Teilnahme Behinderter am täglichen Leben zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Schule und bei Freizeitaktivitäten erhöhen. Die individuellen Hilfsprogramme sollen so gestaltet sein, daß Behinderte, die von diesen Programmen Gebrauch machen, entscheidenden Einfluß auf die Durchführung der Programme haben."

(aus der Standardregel Nr. 4, UNO, 1993)

Persönliche Pflege bzw. persönliche Assistenz stellen für Personen mit Behinderung sicher, daß alltägliche körperliche Bedürfnisse wie beispielsweise Ernährung und Reinigung als Grundlage für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gewährleistet, ihre soziale Selbständigkeit sichergestellt sind. Dem traditionellen Konzept der Pflege hat die internationale Selbstbestimmt Leben Bewegung Betroffener das Konzept der persönlichen Assistenz gegenübergestellt. Persönliche Assistenz ist gekennzeichnet durch die Entscheidungskompetenz jener Person, die Assistenz erhält. In der traditionellen Pflege muß sie sich demgegenüber mit jenen Bedingungen und Strukturen abfinden, die ihr von nichtbehindertem Pflegepersonal und den damit verbundenen, paternalistisch agierenden Institutionen vorgesetzt werden. Dementsprechend sind sich die befragten Experten und Expertinnen einig, daß zwischen persönlicher Pflege und persönlicher Assistenz ein Unterschied besteht, der Binomialtest ergibt hier ein hochsignifikantes Ergebnis:

In ihren Erklärungen geben einige Experten und Expertinnen sehr detailliert Auskunft über ihre persönliche Differenzierung zwischen persönlicher Pflege und persönlicher Assistenz:

  • "Pflege im Zusammenhang mit Behinderung ist ein medizinischer Begriff bzw. wird er im Bundespflegegeldgesetz definiert als alle Unterstützung am Körper (baden, WC, anziehen...). Von persönlicher Assistenz spricht man, wenn Personal-, Raum-, Organisations-, Anleitungs- und Finanzkompetenz bei den AssistenznützerInnen liegen, d.h. behinderte Personen mit Assistenzbedarf bestimmen wer, wo, wann, wie Assistenz leistet. Außerdem meint persönliche Assistenz, daß sie eben persönlich ist, d.h. persönliche AssistentInnen ausschließlich von ihren ArbeitgeberInnen, den AssistenznützerInnen, ausgebildet werden und von sonst keinem. Persönliche Pflege umfaßt also nur einen kleinen Teil der persönlichen Assistenz und hat darüber hinaus einen medizinischen Beigeschmack.

Ungeschriebenes Gesetzt ist: wer mehr als 6 Stunden täglich Hilfe und Unterstützung braucht, kommt ins Heim. Sogenannte Wohnheime oder institutionelle WGs sind dann eben Kleinheime. Die Bewohner können ihre Mitbewohner nicht aussuchen. Es besteht immer eine Zwangswohngemeinschaft mit einer Heimordung, vergleichbar mit den Strukturen von Gefängnissen. Symptomatisch dafür ist z.B. das erhöhte Gewaltpotential, insbesondere sexuelle Gewalt, welchem behinderte BewohnerInnen ausgesetzt sind. (vgl. Zemp/Pircher, 1998) Als eine der dringend notwendige Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt und Ausbeutung behinderter Personen wurde in dieser Studie unter anderem persönliche Assistenz gefordert. In Institutionen stehen die Interessen der Institution und im besten Falle "Förderziele der KlientInnen" vor den Interessen der behinderten Personen. Institutionen fördern Unmündigkeit und Abhängigkeit der dort lebenden Insaßen. Der Personenkreis, dem institutionelle Unterbringung erspart bleibt, begibt sich dafür oft in Abhängigkeit der Familie und PartnerInnen. Diese Abhängigkeit ist eine gegenseitige, d.h. die Familienmitglieder, zumeist Frauen, die die Assistenzarbeit leisten, stehen deswegen oft nicht im Erwerbsleben, haben keine eigene Altersvorsorge und werden oft durch die körperliche Schwerarbeit gesundheitlich so schwer geschädigt, daß sie oft selbst Assistenz brauchen. Partnerschaften in denen die nichtbehinderten PartnerInnen die Assistenzarbeit voll übernehmen, sind meist zum Scheitern verurteilt, weil partnerschaftliche Beziehungsarbeit aufgrund physischer Überforderung und emotionalem Ungleichgewicht nicht mehr geleistet werden kann.

Wegen nicht vorhandener Rahmenbedingungen für persönliche Assistenz werden behinderte Menschen an der gesellschaftlichen Teilhabe am öffentlichen und privaten Leben gehindert und in ihrer Menschenwürde verletzt. Die Lebensbereiche Arbeit, Kultur, Liebe, Partnerschaft, Sexualität, Familie werden ihnen vorenthalten. Grundbedürfnisse, wie z.B. Essen und Klo-gehen werden negiert und in Heimen in menschenrechtswidriger Weise befriedigt (Windeln und Katheter statt Assistenz zum Klo-gehen, Magensonden statt Assistenz beim Essen...)"

  • "Pflegeleistungen sind notwendige Verrichtungen zur Erhaltung von Hygiene und Gesundheit, die eine Person nicht mehr selbständig erledigen kann. Persönliche Assistenz entspricht den subjektiven Bedürfnissen zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensqualität, die Begleitung und Unterstützung von Selbständigkeit und Selbstbewußtsein, was über Hygiene und Gesundheit hinausgeht." Persönliche Assistenz bedeutet z.B. für Personen mit Sehbehinderung auch Begleithilfe auf Wegen in der Öffentlichkeit oder Vorlesehilfe. Aspekte der Unterstützung im Alltag, die vom Konzept Pflege inhaltlich keinesfalls abgedeckt sind.

  • "Persönliche Pflege hat für mich den schalen Beigeschmack von Abhängigkeit und Verpflichtung zu Dankbarkeit. Persönliche Pflege wird von Familienangehörigen unentgeltlich ausgeübt und belastet die Beziehung zwischen Behindertem und seinen Angehörigen, da sie auf einseitiger Abhängigkeit beruht."

Beispiel: "Ich kann nicht einmal mit meiner Mutter streiten, denn im nächsten Moment brauche ich sie ja schon wieder..."

Persönliche Assistenz hingegen ist ein wesentlicher Faktor für selbstbestimmtes Leben, denn der Assistent vollbringt damit eine Dienstleistung für die er bezahlt wird, und es besteht dadurch kein innerfamiliäres Abhängigkeitsverhältnis. Der Behinderte kann sich seine Assistenten selbst aussuchen, bestimmt selber wann und wofür er deren Hilfe braucht und hat so die Möglichkeit sein Leben in selbstbestimmter Weise zu führen."

Am 1.7.1993 wurde in Österreich das bundesweit einheitliche Pflegegeld in sieben Stufen eingeführt. Die Zahl der Bezieher ist seit Sommer 1993 leicht steigend und pendelte sich Mitte 1996 auf einem Normalniveau von rund 300.000 Menschen ein. Damit entspricht die Zahl der Leistungsbezieher etwa den vor Einführung des Pflegegeldes angestellten Prognosen.

In Österreich wurden 1994 rund 19,5 Mrd. Schilling für Pflegegeld aufgewendet, davon 16,5 Mrd. vom Bund und knapp 3 Mrd. Schilling von den Ländern. Die Mittel des Bundespflegegeldes werden aus den bisher für die Pflege gewidmeten Mitteln und einer Erhöhung des KV-Beitrages von 0,8 Prozentpunkten aufgebracht. Die Ausgaben für das Bundespflegegeld liegen deutlich unter den Aufwandsberechnungen, die der Gesetzgeber bei Einführung der Pflegesicherung angestellt hat.

Die Pflegegeldregelung hat mehrfache Verteilungswirkung: Zwischen Generationen, da das auf Grund der demografischen und medizinischen Entwicklung absehbare hohe Pflegerisiko am Ende der Lebensbiografie durch Beitrags- und Steuerleistungen während der aktiven Laufbahn finanziert wird. Es erhöht die Verteilung von Chancengerechtigkeit, da es sowohl Armutsgefährdung von Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen vermindert oder beseitigt, als auch die materielle Belastung der betroffenen Familien durch den Pflegeaufwand gegenüber sozial vergleichbaren Familien (bzw. Haushalten) ohne Pflegeproblem absenkt. Es wirkt positiv auf die Verteilung zwischen den Geschlechtern, da Frauen in Familien, die nach wie vor die überwiegende Pflegearbeit erbringen, durch zusätzliche Einkommen und einen verbesserten sozialrechtlichen Schutz in ihrer persönlichen ökonomischen Lage entlastet und stabilisiert werden können.

Die neue Pflegegeldregelung beeinflußt aber auch die Verteilung zwischen den Gebietskörperschaften, da einerseits bei den Ländern und Gemeinden neue Ausgaben durch Pflegegeld und den Ausbau sozialer Dienste entstanden sind, die nicht durch zweckgebundene höhere Einnahmen abgedeckt worden sind, aber andererseits die Anbieter von Diensten und familienentlastenden Leistungen mit Einführung des Pflegegeldes ihre Tarife in der Regel deutlich erhöht haben.

Die zwei wichtigsten Evaluierungsstudien zum Pflegegeld (vgl. Badelt et.al., 1997; Hovorka, 1996) schätzen den Zielerreichungsgrad des Bundespfleggeldgesetzes als sehr hoch ein. Die in den Medien oft behaupteten Missbrauchsvorwürfe werden als vernachlässigenswert eingeschätzt. Mit dem Gesetz konnte die Lage sowohl der betreuungsbedürftigen Menschen als auch der informellen Betreuungspersonen deutlich verbessert werden. Darüber hinaus schafft das Pflegegeld mittel- und langfristig Bedingungen und Anreize, die in Kombination mit anderen Maßnahmen ausgabendämpfende Wirkung haben, damit zur Effizienzsteigerung beitragen und eine langfristige Sicherung des Betreuungsbedarfes ermöglichen.

Die neue Pflegegeldregelung läßt jedoch auch Wünsche offen. Es ist eine Pflegegeldregelung, die für mehr als die Hälfte der Anspruchsberechtigten nicht mehr Geld gebracht hat, als sie bereits zuvor unter anderem Namen (vor allem als Hilflosenzuschuß) für die Abgeltung der Pflegebedürftigkeit erhalten haben. Trotzdem haben zahlreiche Anbieter sozialer Dienste unter Berufung auf das neue Pflegegeld ihre Tarife spürbar angehoben. Auch das Einstufungsverfahren, insbesondere die ärztlichen Gutachten, haben anfangs zu zahlreicher Irritation unter Betroffenen und Angehörigen geführt. Kritik wird auch geäußert, wenn soziale Dienste nicht in dem Ausmaß oder zu der Uhrzeit zur Verfügung stehen, wo sie gebraucht werden, oder deren Leistungen als zu teuer empfunden werden. Trotz allen sozialen Fortschrittes bleibt Pflegebedürftigkeit für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine schwere Belastung, die nie ganz ausgeglichen werden kann.

Dementsprechend wird sowohl das Angebot an persönlicher Pflege als auch jenes an persönlicher Assistenz in Österreich als unzureichend eingeschätzt. So meinen 68,4% der Befragten, das Angebot an persönlicher Pflege sei nicht zufriedenstellend, 31,6% erachten es als zufriedenstellend.

Hingegen wird das Angebot an persönlicher Assistenz nur mehr von 15,8% als zufriedenstellend, von 63,2% als nicht zufriedenstellend und von 21,1% sogar als katastrophal beurteilt.

Die Befragten stimmen darin überein, daß ein Antidiskriminierungsgesetz Aspekte der persönlichen Pflege bzw. der persönlichen Assistenz beinhalten sollte.

Folgende Inhalte sollten darin berücksichtigt sein:

  • Bekenntnis zum selbstbestimmten Leben von Personen mit Behinderung; Pflegegeld und entsprechende Dienstleistungsstrukturen müssen dies sicherstellen

  • Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz

  • Finanzielle Absicherung von Insitutionen, die persönliche Assistenz anbieten

  • bedarfsorientierte Leistungen, die nicht bevormunden sondern unterstützen

  • bedarfsorientiertes Pflegegeld

  • Faktische Wahlfreiheit in Bezug Lebensort und Form der Unterstützung muß gewährleistet sein

  • Rechtsbeziehungen müssen klar definiert und Sanktionen müssen möglich sein

3.2.5. Ergebnisse: Antidiskriminierungsgesetz und (eigene) Behindertenpolitk

"Die Staaten sollen die Gründung und Stärkung von Organisationen Behinderter, ihrer Familienmitglieder und/oder ihrer Interessenvertreter finanziell und auf sonstige Weise fördern und unterstützen. Die Staaten sollen anerkennen, daß diese Organisationen bei der Gestaltung einer Behindertenpolitik eine Rolle zu spielen haben. Die Staaten sollen ständige Verbindung zu Behindertenorganisationen unterhalten und gewährleisten, daß sie an der Ausarbeitung staatlicher Politiken beteiligt werden. Die Behindertenorganisationen sollen ihre beratende Funktion ständig ausüben, um den Gedanken- und Informationsaustausch zwischen dem Staat und den Organisationen auszuweiten und zu vertiefen."

(aus der Standardregel Nr. 18, UN0 1993)

Die bisher dargestellten Inhalte zeigen, daß sich die Experten und Expertinnen in der Beurteilung der Ist-Situation zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderung in Österreich sehr einig sind. Sie skizzieren ein deutlich negatives Bild des Alltags behinderter Menschen, der geprägt ist von mangelnden Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilhabe und vielfältigen Formen von Diskriminierungen. Dementsprechend einhellig sind die befragten Experten und Expertinnen in ihrer Überzeugung, daß in Österreich ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung notwendig ist, der Binomialtest liefert ein hochsignifikantes Ergebnis.

Auch in sehr spezifischen inhaltlichen Details sind die Befragten deutlich einer Meinung. Beispielsweise halten sie explizite Strafbestimmungen, die unter Umständen auch harte Strafen vorsehen können, in einem Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung für notwendig. Der Binomialtest liefert in dieser Frage ein hochsignifikantes Ergebnis:

Auch daß ein solches Gesetz die individuelle Klagsmöglichkeit vorsieht, halten die Befragten für notwendig:

Die Chancen für die Durchsetzung eines Antidiskriminierungsgesetzes für Personen mit Behinderung in Österreich werden eher negativ, aber nicht völlig hoffnungslos eingeschätzt. 47% meinen, die Chancen wären eher schlecht, knapp 32% halten sie für eher gut, wohingegen knapp 16% meinen, sie wären sehr schlecht.

Etwas mehr als die Hälfte der Befragten meint, daß es realistisch wäre, ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung in einem Zeitraum von 10 Jahren durchzusetzen. Immerhin knapp 32% meinen, dies wäre innerhalb von 5 Jahren möglich, während knapp 11% mit einer längeren Dauer rechnen:

Als Haupthindernisse für die Durchsetzung eines Antidiskriminierungsgesetzes für Personen mit Behinderung werden folgende Argumente angeführt:

  • gesellschaftliche Gegenkräfte, Einstellung der Bevölkerung

  • mangelndes öffentliches Bewußtsein

  • Angst der Gebietskörperschaften vor finanziellen Konsequenzen

  • Unwilligkeit der Behörden verbunden mit mangelnder Kenntnis der Problematik

  • in den Sozialpartnern und den bestehenden Trägerschaften der Sozialversicherungen

  • Widerstand der Wirtschaft

  • Desinteresse der Politiker, mangelnder politischer Wille der Parteien

  • mangelnde Information der Betroffenen

  • mangelnde politische Aktivität der Betroffenen

  • mangelnde Einigkeit in der Behindertenszene

  • mangelnde Einstellung der Betroffenen selbst

Keine statistisch signifikante Einigkeit besteht unter den Befragten darin, ob dem Begriff Gleichstellungsgesetz oder dem Begriff Antidiskriminierungsgesetz der Vorzug gegeben werden soll. In dieser Frage ist der Binomialtest nicht signifikant.

Ebenso unklar ist den befragten Experten und Expertinnen insgesamt, ob es sich dabei um ein eigenständiges Gesetz handeln soll oder ob für sie ein gemeinschaftliches Vorgehen mit anderen Minderheiten bzw. Randgruppen in Frage käme. In beiden Fragen ist das Ergebnis des Binomialtests nicht signifikant.

Im Zusammenhang mit dem vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte vorgestellten Entwurf für ein Allgemeines Antidiskriminierungsgesetz in Österreich kam es diesbezüglich zu heftigen Auseinandersetzungen. Vor allem von Teilen der Selbstbestimmt Leben Bewegung wurde der Entwurf als für Personen mit Behinderung keinesfalls ausreichend kritisiert und abgelehnt. Ein österreichweites Treffen der Selbstbestimmt Leben Initiativen Österreich verfasste dazu eine Resolution (vgl. Resolution zum Entwurf eines österreichischen Antidiskriminierungsgesetzes. Quelle: http://www.bizeps.or.at/slioe/index.html; vgl. auch Schindlauer, 2000).

Mit hochsignifikanter Eindeutigkeit sind sich die Befragten demgegenüber einig, daß sie ein Allgemeines Antidiskriminierungsgesetz unterstützen würden, wenn gleichzeitig ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung beabsichtigt wäre:

Ebenso einhellig sind jene Experten, die den Gesamtbericht der Arbeitsgruppe zur Durchforstung der österreichischen Bundesgesetzordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen kennen, der Auffassung, daß dieser ein erster richtiger Schritt hin zu einem Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung ist:

Diese widersprüchlichen Einzelergebnisse lassen insgesamt darauf schließen, daß zwar einerseits innerhalb der Behindertenbewegung Antidiskriminierung und die entsprechende Gesetzgebung dafür ein Thema waren und sind, daß aber andererseits die interne Auseinandersetzung bislang nicht ausreichend intensiv geführt worden ist, um nach außen hin eine klare Meinung und politische Linie kommunizieren zu können.

Zu diesem Bild passen die Beurteilungen über die Arbeit und die Politik der Behindertenorganisationen, die insgesamt differenziert ausfallen. Zwei Experten betonen, daß es ihnen nicht möglich ist, die Arbeit der Behindertenverbände pauschal zu beurteilen. Für sie gebe es wesentliche Unterschiede in der Arbeit der traditionellen Behindertenorganisationen und jener der Selbstbestimmt Leben Initiativen. Wobei erstere negativ, letztere positiv eingeschätzt werden. Insgesamt liegt die Einschätzung der Arbeit der Behindertenorganisationen zwischen nicht zufrieden stellend (42%) und zufriedenstellend (37%):

Auch einzelne Teilbereiche der Aktivitäten erhalten eine differenzierte Beurteilung: die Informationstätigkeit wird von 39% der Befragten als zufriedenstellend, von 37% als nicht zufriedenstellend und demgegenüber von 5 % als sehr zufriedenstellend eingeschätzt.

Selbständiges Agieren der Behindertenorganisationen bewerten 47% als zufriedenstellend, 32 % als nicht zufriedenstellend:

Schlecht schneidet die Medienarbeit der Behindertenorganisationen ab: 63% der Experten und Expertinnen beurteilen sie als nicht zufrieden stellend, 5,3% gar als katastrophal. Ebenso 5,3% meinen, sie sei ausgezeichnet, und 10,5% erachten sie als zufriedenstellend.

Auch die politische Unabhängigkeit der Behindertenorganisationen wird sehr unterschiedlich bewertet: Knapp 32% schätzen sie als zufriedenstellend ein, 26% gar als ausgezeichnet, 21% meinen, die Behindertenorganisationen wären nicht zufriedenstellend politisch unabhängig.

Die deutliche Mehrheit der Experten und Expertinnen, nämlich 69%, erachtet die Vernetzungsfähigkeit der Behindertenorganisationen als nicht zufriedenstellend, nur knapp 16% meinen, sie sei zufriedenstellend:

Insgesamt sind die Experten und Expertinnen mit der Situation der österreichischen Behindertenpolitik nicht zufrieden: die überwiegende Mehrheit, nämlich 84,2%, erachtet sie als nicht zufriedenstellend, nur knapp 16% meinen, sie sei zufriedenstellend.

3.3 Schlußfolgerungen

Zusammenfassend stellt sich die Lage behinderter Menschen in Österreich wie folgt dar: Einer im internationalen Rahmen durchaus fortschrittlichen Gesetzgebung in den Bereichen Schulische Integration und Pflegesicherung steht ein deutliches Nachhinken im Bereich zivilgesellschaftlicher Teilhabe und das Fortbestehen hartnäckiger paternalistischer Politikmuster gegenüber. Das weitgehende Fehlen einer konsequenten Behindertenpolitik sowohl von seiten der öffentlichen Hand als auch von seiten der Behindertenverbände bedeutet ein zentrales Hemmnis für die Erlangung vermehrter sozialer Selbständigkeit und Unabhängigkeit behinderter Menschen. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, daß bereits vorhandene gesetzliche Regelungen inhaltlich ausgehöhlt werden - wie es im Falle der Schulischen Integration aber auch bei den zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterungen im Pflegegeldbereich zu verzeichnen ist. Einigkeit besteht unter den einschlägigen Experten und Expertinnen dahingehend, daß ein Antidiskriminierungsgesetz die Situation behinderter Menschen nachhaltig verbessern würde. Ein erster Entwurf für ein derartiges Behindertengleichstellungsgesetz, der vom Verfassungsjuristen Prof. Dr. Heinz Barazon, welcher selber der Gruppe der Betroffenen angehört, wird im Anhang der Studie dokumentiert. Inwieweit es gelingen wird, diesen Gesetzesentwurf in den politischen Entscheidungsprozeß einzubringen, werden die nächsten Jahre zeigen.

Als erwiesen kann jedenfalls gelten, daß ein derartiges Gesetz "Wege zur Beseitigung von Diskriminierungen behinderter Menschen" eröffnen und damit die Voraussetzungen für die gleichberechtigte Teilhabe einer bislang weitgehend ausgegrenzten gesellschaftlichen Gruppe schaffen würde. Im Gleichklang mit internationalen Entwicklungen in der Behindertenpolitik könnten somit Transparenz, Rechtssicherheit und schließlich eine erhöhte Selbständigkeit behinderter Menschen realisiert werden. Es wird nicht zuletzt an den Behindertenverbänden selber liegen, durch verstärkte Informationsarbeit sowohl untereinander als auch gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik das allgemeine Bewußtsein für die Anliegen behinderter Menschen zu schärfen. Die Erfahrungen, die in den USA, England, Deutschland und Schweden mit dem Kampf um die Durchsetzung von Antidiskriminierungsgesetzen gemacht wurden, zeigen, daß dieses gemeinsame Ziel zur Entstehung einer neuartigen Bürgerrechtsbewegung führte, die es behinderten Menschen ermöglicht, sich von Objekten einer klassischen Fürsorgepolitik zu Subjekten politischen Handelns zu ermächtigen. Erst dieses Empowerment ermöglicht es behinderten Menschen, in einen gleichberechtigten (Aus)tauschprozeß mit der Gesellschaft zu treten.

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http://www.adata.org

Americans with Disabilities Act Site

http://www.istal.com/smoke/

Internetvolltextdatenbank zur Integration von Personen mit Behinderung

BIDOK

http://bidok.uibk.ac.at

5. Fragebogen

Zur Bearbeitung des Fragebogens:

Fragen mit Antwortauswahl: bitte markieren Sie eine Antwort deutlich mit (x)

Auf die Möglichkeit von Mehrfachantworten wird im jeweiligen Fall hingewiesen.

Fragen mit offenen Antworten: bitte stellen Sie Ihre Meinung kurz in Stichworten dar.

1.0. Bildung

1.1. Wie beurteilen Sie insgesamt die Bildungsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung in Österreich?

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

1.2. Bitte beurteilen Sie die Teilnahmemöglichkeiten von Personen mit Behinderung je nach Schulart:

Volksschule ( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Hauptschule und ( ) ausgezeichnet

AHS-Unterstufe ( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Berufsbildende Schulen ( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

AHS-Oberstufe u. Berufs- ( ) ausgezeichnet

bildende Höhere Schulen ( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Universität ( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Erwachsenenbildung ( ) ausgezeichnet

(z.B. Volkshochschulen) ( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

1.3. Werden Ihrer Meinung nach behinderte Personen im österreichischen Bildungswesen benachteiligt?

( ) ja

( ) nein

Bitte begründen Sie ihre Entscheidung!

1.4. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß in Österreich Sonderschule und integrative Schulformen nebeneinander bestehen?

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

1.5. Stellt Ihrer Einschätzung nach der Besuch einer Sonderschule eine Benachteiligung dar?

( ) ja

( ) nein

Bitte begründen Sie ihre Entscheidung!

1.6. Erwarten Sie sich von einem Antidiskriminierungsgesetz daß es Benachteiligungen im Bildungsbereich entgegenwirkt?

( ) ja

( ) nein

1.7. Wenn ja, auf welche Aspekte sollte das Antidiskriminierungsgesetz im Bereich Bildung besonderen Bezug nehmen?

1.8. Wie beurteilen Sie insgesamt die Möglichkeiten beruflicher Bildung für Jugendliche mit Behinderung in Österreich?

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

1.9. Haben Sie den Eindruck, daß Jugendliche mit Behinderung bei der Berufsbildung gegenüber Jugendlichen ohne Behinderung benachteiligt sind?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja, bitte führen Sie ein oder zwei konkrete Beispiele an!

1.10. Welche Aspekte bezüglich beruflicher Bildung sollte ein Antidiskriminierungsgesetz Ihrer Ansicht nach beinhalten?

2.0. Berufliche Situation

2.1. Werden Ihrer Meinung nach Personen mit Behinderung am Arbeitsmarkt diskriminiert?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja, worin äußert sich Ihrer Ansicht nach die Diskriminierung?

2.2. Kann Ihrer Einschätzung nach ein Antidiskriminierungsgesetz die bestehenden Beachteiligungen von Personen mit Behinderung am Arbeitsmarkt bekämpfen?

( ) ja

( ) nein

2.3. Welche Aspekte sollte ein Antidiskriminierungsgesetz in Bezug auf den Arbeitsmarkt berücksichtigen?

2.4. Angenommen, es gäbe ein Antidiskriminierungsgesetz in Österreich: sollten bestehende Schutzmaßnahmen, etwa die Regelungen zum Kündigungsschutz, trotzdem bestehen bleiben?

( ) ja

( ) nein

2.5. Halten Sie das Instrument der Ausgleichstaxe für sinnvoll?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja: welche Höhe halten Sie für angemessen?

2.6 Halten Sie das Betreiben von geschützten Werkstätten für zielführend im Sinne der Integration?

( ) ja

( ) nein

2.7 Halten Sie es für realistisch, ArbeitnehmerInnen mit Behinderung ausschließlich im ersten Arbeitsmarkt unterzubringen?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja, bitte begründen Sie Ihre Antwort!

Wenn nein, halten Sie den Ausbau eines zweiten bzw. dritten Arbeitsmarkts für zielführend?

3.0. Zugänglichkeit [2]

3.1. Wie beurteilen Sie das erreichte Niveau der Zugänglichkeit für behinderte Menschen in Österreich?

( ) ausgezeichnet

( ) eher gut

( ) eher schlecht

( ) sehr schlecht

3.2. Wie beurteilen Sie die Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden?

( ) ausgezeichnet

( ) eher gut

( ) eher schlecht

( ) sehr schlecht

3.3. Wie beurteilen Sie die Zugänglichkeit von privaten Gebäuden?

( ) ausgezeichnet

( ) eher gut

( ) eher schlecht

( ) sehr schlecht

3.3. Wie beurteilen Sie die Benützbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln für Personen mit Behinderung?

( ) ausgezeichnet

( ) eher gut

( ) eher schlecht

( ) sehr schlecht

3.4. Stellt Ihrer Meinung nach die Bereitstellung von Sonderfahrtendiensten anstelle der Benützbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln eine Diskriminierung dar?

( ) ja

( ) nein

3.5. Wie beurteilen Sie die Benützbarkeit von Einrichtungen zur Telekommunikation für Personen mit Behinderung?

( ) ausgezeichnet

( ) eher gut

( ) eher schlecht

( ) sehr schlecht

3.6. Wie beurteilen Sie die Verbesserungen der Zugänglichkeit in den letzten zehn Jahren?

( ) ausreichend

( ) eher befriedigend

( ) eher unbefriedigend

( ) ungenügend?

3.8. Welche Aspekte im Zusammenhang mit Zugänglichkeit sollte ein Antidiskriminierungsgesetz Ihrer Meinung nach berücksichtigen?

4.0. Persönliche Pflege, Persönliche Assistenz, Selbstbestimmt Leben

4.1. Besteht für sie ein Unterschied zwischen persönlicher Pflege und persönlicher Assistenz?

( ) ja

( ) nein

Bitte erklären Sie Ihre Antwort!

4.2. Wie beurteilen Sie insgesamt das Angebot für persönliche Pflege (Heimhilfe etc.) in Österreich?

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

4.3. Wie beurteilen Sie insgesamt das Angebot für persönliche Assistenz in Österreich?

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

4.4. Halten Sie selbstbestimmtes Leben in Heimstrukturen für möglich?

( ) ja

( ) nein

Bitte erklären Sie dies in Stichworten.

4.5. Wie sollte im Pflegebereich das Verhältnis von Sachleistungen zu Geldleistungen gestaltet sein?

( ) ja

( ) nein

4.6. Sollte ein Antidiskriminierungsgesetz Fragen der Pflege bzw. persönlichen Assistenz berücksichtigen?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja, welche?

5.0 Gesellschaftlicher Status

5.1. Sind Sie der Meinung, daß in Österreich ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung notwendig ist?

( ) ja

( ) nein

5.2. Besteht für Sie ein Unterschied zwischen Antiskriminierungsgesetz und Gleichstellungsgesetz?

( ) ja

( ) nein

5.3. Welche Bezeichnung ziehen Sie vor?

( ) Antidiskriminierungsgesetz

( ) Gleichstellungsgesetz

Bitte begründen Sie Ihre Antwort!

5.4. Sollte es sich um ein eigenständiges Gesetz für behinderte Menschen handeln?

( ) ja

( ) nein

Oder käme für Sie auch ein gemeinschaftliches Vorgehen mit anderen Minderheiten bzw. Randgruppen in Frage?

( ) ja

( ) nein

5.5. Würden Sie, wenn ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung beabsichtigt ist, auch ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz unterstützen?

( ) ja

( ) nein

5.6. Welche Bereiche sollten Ihrer Meinung nach ein derartiges Gesetz abdecken?

Führen Sie Präferenzen aus Ihrer persönlichen Perspektive an! (Mehrfachantworten möglich!)

( ) Bildung

( ) Arbeit

( ) Zugänglichkeit

( ) Pflege und Persönliche Assistenz

( ) Darstellung in den Medien

5.7. Angenommen, ein Antidiskriminierungsgesetz soll durchgesetzt werden. Von wem erwarten Sie Unterstützung? (Mehrfachnennungen möglich!)

( ) SPÖ

( ) ÖVP

( ) FPÖ

( ) Die Grünen

( ) Liberales Forum

( ) Arbeitnehmerverbände

( ) Arbeitgeberverbände

( ) Wirtschaftskammer

( ) Arbeiterkammer

( ) Vereine

( ) Kirchen

( ) NGOs

Von wem erwarten Sie Widerstand? (Mehrfachnennungen möglich!)

( ) SPÖ

( ) ÖVP

( ) FPÖ

( ) Die Grünen

( ) Liberales Forum

( ) Arbeitnehmerverbände

( ) Arbeitgeberverbände

( ) Wirtschaftskammer

( ) Arbeiterkammer

( ) Vereine

( ) Kirche

( ) NGOs

Mit wem würden Sie sich auf keinen Fall verbünden wollen? (Mehrfachnennungen möglich!)

( ) SPÖ

( ) ÖVP

( ) FPÖ

( ) Die Grünen

( ) Liberales Forum

( ) Arbeitnehmerverbände

( ) Arbeitgeberverbände

( ) Wirtschaftskammer

( ) Arbeiterkammer

( ) Vereine

( ) Kirche

( ) NGOs

5.8. Halten Sie explizite Strafbestimmungen, die u. U. auch harte Strafen vorsehen können, in einem Antidiskriminierungsgesetz für notwendig?

( ) ja

( ) nein

5.9. Wie beurteilen Sie die Chancen zur Durchsetzung eines Antidiskriminierungsgesetzes für

Personen mit Behinderung?

( ) sehr gut

( ) eher gut

( ) eher schlecht

( ) sehr schlecht

Bitte führen Sie Gründe für Ihre Einschätzung an!

5.10. Haben Sie konkrete Erfahrungen mit Aktivitäten für ein Antidiskriminierungsgesetz?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja, beschreiben Sie diese bitte kurz!

Welche Empfehlungen ergeben sich daraus für die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes?

5.11. In welchem Zeitraum erachten Sie es für realistisch, daß ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung durchgesetzt wird?

( ) 5 Jahre

( ) 10 Jahre

( ) 100 Jahre

5.12. Halten Sie die individuelle Klagsmöglichkeit für notwendig?

( ) ja

( ) nein

5.13. Kennen Sie den "Gesamtbericht der Arbeitsgruppe zur Durchforstung der österreichischen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen"?

( ) ja

( ) nein

5.14. Im Zusammenhang mit der Forderung nach einem Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung: welche Rolle spielt dieser Bericht Ihrer Meinung nach?

( ) ein erster Schritt in die richtige Richtung

( ) ein Ablenkungsmanöver

6.0. Darstellung in den Medien

6.1. Wie wichtig sind die Medien insgesamt für die Behindertenpolitik?

( ) sehr wichtig

( ) eher wichtig

( ) eher unwichtig

( ) sehr unwichtig

6.2. Angenommen, ein Antidiskriminierungsgesetz für Personen mit Behinderung soll durchgesetzt werden. Wie schätzen Sie in diesem Fall die Rolle der Medien ein?

( ) sehr wichtig

( ) eher wichtig

( ) eher unwichtig

( ) sehr unwichtig

6.3. Wie ist Ihre persönliche Erfahrung mit den Medien?

( ) überwiegend positiv

( ) eher positiv

( ) eher negativ

( ) überwiegend negativ

6.4. Wie beurteilen Sie die Öffentlichkeitsarbeit der Behindertenverbände?

( ) überwiegend positiv

( ) eher positiv

( ) eher negativ

( ) überwiegend negativ

7.0. Zufriedenheit mit der (eigenen) Behindertenpolitik

7.1. Haben Sie von Antidiskriminierungsgesetzen in anderen Ländern Kenntnis?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja, um welche Staaten handelt es sich?

Wie beurteilen Sie Ihren Wissensstand über diese Gesetze?

( ) sehr gut

( ) eher gut

( ) eher schlecht

( ) sehr schlecht

Woher beziehen Sie Ihr Wissen? (Mehrfachnennungen möglich)

( ) aus der Literatur

( ) aus Informationen der österreichischen Behindertenverbände

( ) durch persönliche Kontakte

( ) durch Recherchen vor Ort

7.2. Hat sich Ihr Wissen über die internationale Entwicklung durch den EU-Beitritt deutlich verbessert?

( ) ja

( ) nein

Wenn ja, worin äußert sich die Verbesserung?

7.3. Wo sehen Sie die Haupthindernisse bei der Einführung eines Antidiskriminierungsgesetz es für Personen mit Behinderung?

7.4. Wie beurteilen Sie insgesamt die Arbeit der Behindertenorganisationen?

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Bitte beurteilen Sie die folgenden Arbeitsbereiche der Behindertenorganisationen:

Information

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

selbständiges Agieren

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Medienarbeit

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Politische Unabhängigkeit

( ) sehr unabhängig

( ) wenig unabhängig

( ) abhängig

( ) sehr abhängig

Korruptionsanfälligkeit

( ) sehr anfällig

( ) weniger anfällig

( ) kaum anfällig

( ) nicht anfällig

Vernetzungsfähigkeit

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Abschließend:

Wie beurteilen Sie insgesamt die Situation der österreichischen Behindertenpolitik?

( ) ausgezeichnet

( ) zufriedenstellend

( ) nicht zufriedenstellend

( ) katastrophal

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!



[2] unter Zugänglichkeit verstehen wir die barrierefreie Gestaltung und Ausstattung von Gebäuden sowie die Benützbarkeit von Verkehrsmitteln und Einrichtungen zur Telekommunikation für Personen mit Behinderung

Allgemeines Gesetz für die Gleichstellung behinderter Menschen

Behinderten-Gleichstellungsgesetz - Beh-GStG

Gesetzesentwurf von Prof. Dr. Heinz Barazon

1. Abschnitt

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

§ 1 (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften, die in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sowie deren Vollziehung sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 etwas anderes vorsieht.

§ 2 (1) Dieses Gesetz stellt allgemeine Regeln für die Umsetzung des Grundsatzes des Verbots der Benachteiligung von behinderten Menschen gemäß Art.7 Abs. 1 3.Satz B-VG, BGBl. I/87/1997, auf.

(2) Dem gleichen Zweck dienende Bestimmungen in einzelnen Gesetzen bleiben unberührt.

§ 3 (1) Behinderte Menschen sind Personen jeglichen Alters, die in einem lebenswichtigen sozialen Beziehungsfeld körperlich, geistig, sensorisch oder seelisch dauernd wesentlich beeinträchtigt sind. Ihnen stehen jene Personen gleich, denen eine solche Beeinträchtigung in absehbarer Zeit droht. Lebenswichtige soziale Beziehungsfelder sind insbesondere die Bereiche Erziehung, Schulbildung, Erwerbstätigkeit, Beschäftigung, Kommunikation, Wohnen und Freizeitgestaltung.

(2) Eine Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen wegen ihrer Behinderung in der gleichen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft oder in ihrer selbstbestimmten Lebensführung behindert werden.

(3) Unter einer Diskriminierung ist die Veranlassung, Fortsetzung oder Aufrechterhaltung von Maßnahmen, Strukturen, Verhaltensweisen oder Feststellungen zu verstehen, die geeignet sind, Menschen mit Behinderungen zu benachteiligen.

2. Abschnitt

GESETZLICH GEREGELTE VERFAHREN

§ 4 In allen Verfahrensgesetzen ist vorzusehen, daß behinderten Menschen der gleiche Zugang zu den Verfahren sowie die gleichberechtigte Teilhabe an den Verfahren gewährleistet ist, wie nicht behinderten Menschen.

§ 5 Es sind Vorkehrungen zu treffen, daß in ihrer Mobilität beeinträchtigte Menschen jederzeit ungehinderten Zugang zu den Örtlichkeiten haben, an denen gesetzlich geregelte Verfahren stattfinden.

§ 6 In Verfahren, an denen gehörlose Personen teilnehmen, sind Gebärdensprachdolmetscher, beziehungsweise andere adäquate Instrumente zur Herstellung einer gleichberechtigten Teilhabe am Verfahren einzuschalten.

§ 7 Nehmen blinde oder hochgradig sehbehinderte Personen an Verfahren teil, ist Vorsorge dafür zu treffen, daß schriftliche Verfahrensteile in einer Form gestaltet werden, daß sie von diesen Personen wahrgenommen und behandelt werden können.

3. Abschnitt

BILDUNGSEINRICHTUNGEN

§ 8 (1) Bildungseinrichtungen sind so zu gestalten, daß der Zugang für behinderte Menschen möglich ist.

(2) Die Erhalter und Betreiber von Bildungseinrichtungen haben die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, daß die genannten Einrichtungen von behinderten Menschen ohne Schwierigkeiten erreicht werden können.

§ 9 Bildungsinhalte sind so zu vermitteln, daß sie von allen Menschen, unabhängig von ihrer Behinderung, aufgenommen werden können.

§ 10 Bildungsbeschränkungen für behinderte Menschen dürfen gesetzlich nicht festgelegt und auch durch die Vollziehung der Schul- und Hochschulgesetze nicht herbeigeführt werden.

4. Abschnitt:

VERKEHR

§ 11 Öffentlich benützbare Verkehrseinrichtungen sind so zu gestalten, daß ihre Benützung behinderten Menschen in gleicher Weise wie Nichtbehinderten möglich ist.

§ 12 (1) Die Betreiber von öffentlichen Verkehrseinrichtungen haben ihr rollendes Material und ihre öffentlich zugänglichen Einrichtungen den Erfordernissen von bewegungsbehinderten und sinnesbeeinträchtigten Personen anzupassen.

(2) Betreiber von Eisenbahn- und Straßenbahnunternehmen haben zumindest einen Waggon eines jeden Zuges behindertengerecht zu gestalten.

(3) Die jeweils ressortzuständigen Mitglieder der Bundesregierung haben nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirats durch Verordnung festzulegen, in welcher zeitlichen Frist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Adaptierung bestehender Einrichtungen zu erfolgen hat, wobei unter Einrichtungen sämtliche Gebäude sowie für den zivilen Personenverkehr bestimmte Fahrzeuge zu verstehen sind. Diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats.

§ 13 Gehsteige sind insbesondere für Rollstuhlbenützer innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abzuschrägen, wobei gleichzeitig auf die speziellen Erfordernisse von blinden und sehbehinderten Personen Rücksicht zu nehmen ist. Grundsätzlich sind im Hinblick auf Bestimmungen dieses, aber auch des 5. Abschnittes, Lösungen, die dem Stand der Technik entsprechen, anzustreben.

5. Abschnitt

GEBÄUDE

§ 14 (1) Bauwerke, die zur öffentlichen Benützung bestimmt sind sowie Gebäude, in denen eine Beschäftigung ausgeübt wird, sind so zu gestalten, daß sie für behinderte Menschen zugänglich sind.

(2) Bestehende Bauwerke sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes entsprechend umzugestalten, wobei bei historischen und denkmalgeschützten Bauten bewegliche Adaptierungen zulässig sind. § 12 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 15 (1) Jedes neu errichtete Gebäude, unabhängig von seinem Zweck, ist so zu gestalten, daß es von behinderten Menschen ohne Schwierigkeiten benützt werden kann.

(2) Im Falle der Nichtbeachtung des Abs.1 ist der Baubeginn zu untersagen.

§ 16 Diese Bestimmungen gelten sinngemäß bei Renovierungen und Umgestaltungen bestehender Bauwerke.

6. Abschnitt

BERUF

§ 17 (1) Berufszulassungsbestimmungen haben vorzusehen, daß behinderten der gleiche Berufszugang offen steht, wie nicht behinderten Menschen.

(2) Berufszulassungsbestimmungen dürfen nicht in einer Weise definiert und ausgelegt werden, daß sich hierdurch Benachteiligungen behinderter Menschen ergeben.

§ 18 (1) Feststellungen, auf Grund derer Prozentsätze der Erwerbsfähigkeit von behinderten Menschen ermittelt werden, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes unzulässig.

(2) Es ist in jedem einzelnen Fall die Fähigkeit des Bewerbers individuell festzustellen.

(3) Entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben.

7. Abschnitt

DISKRIMINIERUNGEN

§ 19 Behinderten Menschen darf der Zugang zu und die Benützung von Veranstaltungen, Theatern, Kinos, Vergnügungslokalen, Gaststätten, Hotels und öffentlichen Bädern wegen ihrer Behinderung nicht erschwert werden.

§ 20 Bestimmungen in normierten Verträgen, Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Versicherungsbedingungen und dergleichen, die behinderte Menschen benachteiligen, sind nichtig.

8. Abschnitt

RECHTSDURCHSETZUNG

§ 21 Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 stellt, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit Geldstrafe von 5.000 bis zu 30.000 S zu ahnden.

§ 22 (1) In Verwaltungsverfahren, die im Zusammenhang mit Bestimmungen dieses Gesetzes stehen, haben betroffene behinderte Menschen Parteistellung.

(2) Ob und welchen Organisationen der Behinderten Parteistellung gewährt wird, bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung, wobei nur solchen Organisationen Parteistellung zuerkannt werden darf, die eine repräsentative Gruppe von behinderten Menschen vertreten.

§ 23 (1) Jede behinderte Person ist berechtigt, für den Fall der Beeinträchtigung ihrer Lebensgestaltung durch Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes Klage vor den ordentlichen Gerichten zu erheben.

(2) Die in dieser Klage geltend gemachten Ansprüche beinhalten sowohl

Erfüllung wie auch Schadenersatz, hinsichtlich dessen § 87 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz anzuwenden ist.

(3) Diese Klage richtet sich sowohl gegen die zuständige Gebietskörperschaft

wie auch gegen einzelne Personen, die Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt haben.

Im Zuge dieser Verfahren können Einstweilige Verfügungen gemäß § 24 UWG erlassen werden.

§ 24 (1) Die ersterhobene Klage wegen einer bestimmten Verletzung dieses Gesetzes schließt alle weiteren Klagen wegen derselben Verletzung aus.

(2) Allfällige weitere Betroffene können sich jedoch diesem Verfahren als Nebenintervenienten anschließen.

(3) Auf Verfahren auf Grund dieses Gesetzes sind die Verfahrensbestimmungen des Amtshaftungsgesetzes (BGBl. 20/1949 i.d.g.F.) nicht anzuwenden, doch ist die Klage längstens binnen einem Jahr ab Kenntnis der Beeinträchtigung bei Gericht einzubringen.

9. Abschnitt

SCHLUSSBESTIMMUNGEN.

§ 25 Bestimmungen in Gesetzen und Verordnungen, die mit Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Widerspruch stehen, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr anzuwenden.

§ 26 Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Bundesregierung betraut.

§ 27 Dieses Bundesgesetz tritt am .................. in Kraft.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Mit Verfassungsgesetz vom 13.August 1997, BGBl I/87/1997 sind Menschen mit Behinderungen bekanntlich in den Art.7 Abs.1 B-VG aufgenommen worden.

Der Bundeskanzler hat im Dezember 1997 angeordnet, daß im Verfassungsdienst des BKA eine Arbeitsgruppe gebildet werde, die die Bundesgesetze nach Bestimmungen durchforsten sollte, die Benachteiligungen für Behinderte enthalten. Diese Arbeitsgruppe hat sich am 8.Jänner 1998 konstituiert und hielt seit Feber 1998 zahlreiche Sitzungen ab. Sie wurde aus Beamten des BKA und einiger Ministerien, Vertretern von Behindertenorganisationen und Vertretern der im Parlament vertretenen Parteien gebildet. Neben der Arbeitsgruppe im BKA gab es noch Arbeitsgruppen im BMAGS, im BMUK und im BMWV, die ebenfalls jeweils zu mehreren Sitzungen zusammenkamen.

Das BKA hat am 2. November 1998 einen "Vorläufigen Gesamtbericht" versendet, der allerdings verschiedentlich kritisiert wurde. Nach einigen ergänzenden Sitzungen erschien anfangs Feber 1999 ein "Gesamtbericht", der in einer Sitzung im BKA am 17.Feber 1999 mit geringfügigen Änderungen von allen Teilnehmern an den Arbeitsgruppen akzeptiert wurde und in einer Endfassung vor Kurzem erschienen ist.

Im Zuge der Durchforstung der Bundesgesetze wurden 60 bis 70 Gesetze besprochen, in denen Bestimmungen geortet wurden, die als behindertendiskriminierend angesehen werden können. Eine genaue Feststellung der Zahl der Gesetze bzw. der diskriminierenden Bestimmungen ist deshalb nicht möglich, weil innerhalb der Arbeitsgruppe keineswegs Einhelligkeit darüber bestand, ob eine Bestimmung diskriminierend ist oder nicht. Außerdem ergaben sich zahlreiche Fälle, in denen eine an sich neutrale Bestimmung im Vollzug diskriminierend wurde. Es ergab sich daher, daß gesetzliche Regelungen in manchen Fällen gar nicht abgeändert werden müßten, daß aber ihre Auslegung und der darauf basierende Vollzug zu Diskriminierungen führt.

Es wurde daher bereits bei den Beratungen der Arbeitsgruppen der Gedanke geäußert, daß in Ergänzung zu der Verfassungsbestimmung nicht nur Korrekturen der einzelnen Gesetze zu erfolgen haben, sondern ein Allgemeines Behindertengleichstellungsgesetz nötig wäre. Weiters muß berücksichtigt werden, daß trotz intensiver Arbeit bei der Durchforstung wahrscheinlich Bestimmungen übersehen wurden, sodaß auch in diesem Zusammenhang ein allgemeines Gesetz erforderlich ist.

Besonderer Teil

Die Einteilung in Abschnitte soll der besseren Übersicht dienen und entspricht auch der von den Arbeitsgruppen eingehaltenen Vorgangsweise.

Zum 1. Abschnitt:

Zu § 1: Dieses Gesetz muß eine Verfassungsbestimmung enthalten, da anderenfalls infolge der Zersplitterung der Kompetenzbestimmungen der Bundesverfassung eine Vollziehung des Gesetzes nicht gewährleistet ist.

Zu § 2: Diese Bestimmung stellt die Verbindung mit der Ergänzung des Art 7 B-VG aus dem Jahre 1997 her. Da in zahlreichen Gesetzen jedoch auf Grund der Ergebnisse der oben dargestellten Arbeitsgruppen Änderungen werden vorgenommen werden müssen, soll im Abs 2 zum Ausdruck gebracht werden, daß die in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen als allgemeine Richtlinien gedacht sind.

Zu § 3: Diese allgemeine Begriffsbestimmung der Behinderung ist dem "Behindertenkonzept der Bundesregierung" entnommen und hat auch als Grundlage für andere Gesetze zu dienen. Um einen Schutz vor Benachteiligung zu gewährleisten und eine umfassende rechtliche Gleichstellung durch die verschiedenen legislativen Maßnahmen sowie die Rechtsinterpretation zu ermöglichen, ist es notwendig, den Begriff der Diskriminierung zu definieren.

Zum 2. Abschnitt:

Bei der Behandlung der diversen Verfahrensgesetze hat sich herausgestellt, daß in allen die gleichen Probleme auftreten, sodaß eine allgemeine Regelung geboten erscheint. Unbeschadet dessen wurde das Problem "Gebärdensprache" bereits in Novellen zur StPO und ZPO gesetzlich geregelt. (BGBl. I Nr.20 und 21/1999)

Zum 3. Abschnitt:

In §§ 9 und 10 wird das Problem der Ausbildung Behinderter in Form allgemeiner Bestimmungen berührt. Die Regelung edukatorischer Probleme muß der Schulgesetzgebung und die Probleme der Wissenschaftsvermittlung der Hochschulgesetzgebung überlassen bleiben.

Im § 8 wird die bauliche Gestaltung von Bildungseinrichtungen geregelt, da die mangelnde Zugangsmöglichkeit oftmals dazu führt, daß Behinderte in ihrer Bildung benachteiligt sind.

Zum 4. Abschnitt:

Mit diesen Bestimmungen sollen die oftmals geradezu lächerlichen Hindernisse beseitigt werden, die den Behinderten die Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben erschweren. Ihre generelle Regelung in diesem Gesetz erspart zahlreiche Bestimmungen in einschlägigen Gesetzen und Verordnungen. Die Zeitvorgaben für die Adaptierung bestehender Einrichtungen sind durch die jeweils zuständigen Bundesminister per Verordnung zu regeln, wobei die vorausgehende Anhörung des Bundesbehindertenbeirats garantieren soll, daß die zeitlichen Fristen zur Umsetzung im Sinne der Zielvorgaben dieses Gesetzes maximal beschränkt sind. Es hätte wenig Sinn gehabt, in dieses Gesetz allgemeine Zeitvorgaben für die Adaptierung aller Einrichtungen festzuschreiben, da in einigen Fällen die Maßnahmen in kurzer Zeit verwirklicht werden können, in anderen Fällen jedoch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten mehrere Jahre veranschlagt werden müssen. Eine Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats zu den Verordnungen wird im Sinne einer raschestmöglichen Umsetzung aller Adaptierungsmaßnahmen für notwendig erachtet.

Mithilfe einer Art "Stand der Technik"-Klausel soll in der Frage der konkreten Verwirklichung der Bestimmungen der §§ 11 bis 16, was die Anwendung bestehender Standards und Normen (ÖNORM, ISO etc.) betrifft, ein Spielraum geschaffen werden. Durch die Determinierung "Stand der Technik" ist garantiert, daß die optimalen Normvorgaben zum Einsatz kommen (beispielsweise Abschrägung der Gehsteigkanten bei gleichzeitiger Kennzeichnung derselben durch taktile Aufmerksamkeitsfelder). Die Erwähnung einer bestimmten Norm in diesem Gesetz hätte dies unter Umständen verhindert.

Zum 5. Abschnitt:

Diese Bestimmungen bezwecken das gleiche für den Bereich Bauwesen, wie die Bestimmungen für den Bereich Verkehr. Die an sich unsinnige Aufsplitterung der Bauordnungen auf die einzelnen Länder macht diese Bestimmungen besonders bedeutsam. Die Zeitvorgaben entsprechen dem 4. Abschnitt.

Zum 6. Abschnitt:

Hier muß darauf verwiesen werden, daß das Behinderteneinstellungsgesetz eine umfassende Regelung für Unselbständige darstellt. Das BEinstG ist zwar in vielen Belangen unvollkommen und entspricht nicht den Bedürfnissen der behinderten Arbeitnehmer, doch ist es, wie alle Arbeits- und Sozialgesetze einer dauernden Novellierung unterworfen, sodaß die Hoffnung besteht, daß einmal ein besseres Gesetz zustande kommt.

Aus diesem Grund beschränkt sich dieser Entwurf auf die Regelung von Berufszulassungen, ein Bereich, der im BEinstG überhaupt nicht behandelt wird.

Zu § 18: Diese Regelung wirkt darüber hinaus auch auf sozialrechtliche Materien (zB Behinderteneinstellungsgesetz; nicht jedoch Bundespflegegeldgesetz, wo der Pflegebedarf nach gänzlich anderen Kriterien ermittelt wird). Der Grund, warum die prozentuelle Bestimmung der Erwerbsfähigkeit abgelehnt wird, liegt darin, daß sowohl eine Prozentgrenze an sich als auch die anzuwendenden Feststellungsverfahren willkürlich erscheinen.

Es gibt nämlich zahlreiche Fälle , in denen Personen, die als 90% erwerbsunfähig eingestuft wurden, hervorragende Arbeit leisten, die der eines 100%ig Arbeitsfähigen um nichts nachsteht und es gibt auch sehr viele Fälle, die nach ärztlicher und berufskundlicher Begutachtung als mehr als 50%ig arbeitsfähig eingestuft werden, nichts leisten können. Es mag für die Bürokratie sehr bequem sein, Menschen schematisch abzustempeln, doch entspricht dieses System nicht der Wirklichkeit, schadet den Betroffenen und mißachtet ihre Menschenwürde. Aber auch der Wirtschaft ist nicht damit gedient, daß man Personal falsch klassifiziert.

Die zu erwartenden Einwände werden sicher vor allem Kostenprobleme anführen. Nun mag es tatsächlich billiger sein, Menschen nach einem Schablonensystem zu klassifizieren, als sie richtig zu beurteilen, doch verursacht die Fehlbegutachtung wirtschaftlich viel größere Schäden, als die zusätzlichen Kosten einer individuellen Beurteilung.

Zum 7. Abschnitt:

Hier werden zwei weitverbreitete Benachteiligungen der Behinderten verboten, wobei der § 20 dem Art.IX EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen) entnommen ist und der § 21 eine unbedingt erforderliche Regelung darstellt, da die ausschließliche Regelung mittels "genereller Normen" erfahrungsgemäß zu Fehlinterpretationen oder mißbräuchlicher Handhabung führt.

Absichtlich wurde die hart umstrittene Frage des Notariatszwangs für Verträge von Blinden hier nicht aufgenommen, weil dieses Problem noch gar nicht gelöst ist und durch einfache Weglassung im Notariatszwangsgesetz geregelt werden müßte.

Zum 8. Abschnitt:

Zu § 21: Dieser ist ebenso wie der § 20 dem EGVG nachgebildet.

Zu § 22: Dieser führt die Parteistellung behinderter Menschen ein, was ebenso gerechtfertigt ist, wie die zahlreichen Nachbarschafts- und Anrainerrechte, die in letzter Zeit immer häufiger in Verwaltungsverfahren zur Geltung kommen. Ob es auch eine sogenannte Verbandsintervention geben soll, bleibe dahingestellt. Keinesfalls dürfen die Sozialpartner hier Rechte erhalten, da diese Behinderteninteressen niemals vertreten, wenn sie dies auch gelegentlich behaupten.

Zu § 23: Hier ist eine Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit für betroffene Personen vorgesehen, die in Österreich ungewöhnlich ist. Allerdings gibt es bekanntlich im Sozialversicherungsrecht ein Vorbild, da ablehnende Bescheide der Sozialversicherungträger in Leistungssachen vor dem Arbeits- und Sozialgericht, also einem Zivilgericht mit Klage angefochten werden können.

Gegen die Form der Rechtsdurchsetzung im Wege einer Zivilklage wird oftmals angeführt, daß sie umständlich, langwierig und kostspielig ist, wahrend die Durchsetzung im Verwaltungswege rascher und billiger sei. Diese Argumente können leicht entkräftet werden. Erstens wird das Verwaltungsverfahren im § 23 ausdrücklich zugelassen, sodaß beide Wege gewählt werden können. Zudem muß leider festgestellt werden, daß in vielen Verwaltungsverfahren das Wort RASCH ein Fremdwort ist. Dagegen gibt es im Zivilverfahren das Institut der EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG, die tatsächlich rasch erlassen wird. Aus Gründen der größeren Wirksamkeit wurde auf die Regelung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verwiesen.

Ergänzend wäre noch zu bemerken, daß die Einreichung einer im § 23 konzipierten Klage gegen eine Behörde die Problematik des Art. 94 B-VG (Gewaltentrennung) nicht berührt, das es sich hier nicht um eine Zivilklage gegen einen Bescheid handelt, sondern um eine Klage auf Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands und auf Schadenersatz.

Zu § 24 Abs.2: Diese Bestimmung mußte eingefügt werden, um die Blockade der Gerichtsbarkeit durch Tausende von Klagen zu verhindern. Eine interne Aufteilung der Kosten zwischen allen Betroffenen hängt aber von ihrer prozessualen Stellung als Kläger oder Nebenintervenient nicht ab. Bewußt wurde in diesem Antrag auf die Einführung einer sogenannten Verbandsklage verzichtet, weil eine solche eine Entmündigung des einzelnen Betroffenen darstellt und Verbandsklagen oftmals nicht im Interesse der Betroffenen sondern im Interesse des jeweiligen Verbandes geführt werden.

Kosten:

Die Feststellung, welche Kosten die Vollziehung dieses Gesetzes verursachen wird, ist schwer abschätzbar.

Die Kosten der behördlichen Vollziehung des Gesetzes werden geringfügig sein, da keine ausufernden Verwaltungsverfahren zu erwarten sind und die Kosten allfälliger gerichtlicher Verfahren die Gerichte nicht mehr belasten als andere Zivilverfahren auch.

Zum Teil hohe Kosten sind für die Betreiber von Einrichtungen zu erwarten, welche sohin behindertengerecht ausgestattet werden müssen. Dies wird die öffentliche Hand ebenso treffen wie Private. Ein Blick in die Vereinigten Staaten beispielsweise zeigt jedoch, daß öffentliche wie private Einrichtungen und Betriebe es mittlerweile als selbstverständlich betrachten, daß die Herstellung des verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes gelegentlich Anstrengungen und Kosten verursacht, denen man sich schlichtweg nicht verweigern darf, will man die Grundfesten des demokratischen Staates nicht in Frage stellen. Dieses Bewußtsein gilt es - als Aufgabe aller gesellschaftlich maßgeblichen Gruppen - in jeder Hinsicht zu stärken.

Als dritte Gruppe von Kostenbetroffenen sind schließlich die behinderten Menschen selbst zu erwähnen. Wie schon in den Erläuterungen zu § 23 ausgeführt, können die Kosten von Zivilprozessen durch die Verfahrenshilfe und den in der ZPO vorgesehenen Kostenersatz wesentlich reduziert werden.

Abschließend weisen die unterfertigten Abgeordneten des Liberalen Forum darauf hin, daß das im Art.7 B-VG normierte Staatsziel der Gleichbehandlung der behinderten Menschen im täglichen Leben durch das vorgeschlagene Gesetz entscheidend gefördert würde. Wie die Beispiele Vereinigte Staaten, Kanada, Australien oder auch die Ansätze im Vereinigten Königreich zeigen, führen Anti-Diskriminierungsgesetze zu einem Quantensprung in der Durchsetzung eines selbstbestimmten Lebens für alle BürgerInnen in einer freien und solidarischen Gesellschaft.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuß beantragt.

Quelle:

Petra Flieger/Erwin Riess: Wege zur Beseitigung von Diskriminierungen behinderter Menschen. Studie, gefördert von der österr. Bundesregierung

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 14.06.2010

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