Gemeinsamer Unterricht in der Sekundarstufe 1

Anregungen für eine integrative Praxis

Themenbereiche: Schule
Textsorte: Buch
Releaseinfo: Manuskript vom 12.9.2002, copyright der Bilder bei Margit Feyerer-Fleischanderl (www.fey-flei.at)
Copyright: © Ewald Feyerer, Wilfried Prammer 2002

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

mit der vorliegenden Veröffentlichung von Ewald FEYERER und Wilfried PRAMMER wird die Buchreihe fortgesetzt, die den Anspruch hat, Theorie und Praxis zu verknüpfen sowie die gemeinsame, keinen Menschen aussondernde, Erziehung zu unterstützen. Diese Buchreihe trägt den Titel:

Gemeinsames Leben und Lernen:

Integration von Menschen mit Behinderungen

Nachdem im vorigen Band dieser Reihe von Rita FRITZSCHE und Alrun SCHASTOK beschrieben wurde, wie das gemeinsame Lernen aller Kinder im Kindergarten gestaltet werden kann, gibt dieser jetzt vorliegende Band Antworten auf die vielen Fragen, wie es nach der gemeinsamen Grundschule für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Sekundarstufe I weitergehen kann. (Der Band über Gemeinsames Lernen in der Grundschule wird vorbereitet.)

Der Erwerb von Autonomie und die schrittweise Emanzipation aus der Abhängigkeit von anderen Menschen wird als flexibler Prozess verstanden, der am ehesten mit einer offenen Spirale verglichen werden kann. Diese Entwicklung beginnt für die Eltern eines Kindes mit einer Schädigung oder einer Leistungsminderung mit der Entscheidung, auch dieses Kind gemeinsam mit allen anderen Kindern seiner Umwelt aufwachsen zu lassen und besondere Angebote nur so weit zu nutzen, wie sie eine zeitlich begrenzte Alternative darstellen, ähnlich den besonderen Angeboten spezieller Selbsthilfegruppen. Für Kinder mit Behinderung ist der gemeinsame Besuch eines Kindergartens mit den Nachbarskindern an sehr vielen Orten in den deutschsprachigen Ländern bereit~ eine Selbstverständlichkeit. Auch die gemeinsame Grundschulzeit kann oft angeschlossen werden. In Deutschland, in Österreich und in der Schweiz beginnt sehr häufig das Absondern von Kindern, die anders lernen als die Mehrheit aller Kinder mit der 5. oder der 7. Jahrgangsstufe, nämlich dann, wenn das jeweilige Schulsystem für alle »normalen« Kinder das gegliederte Schulsystem vorsieht. Sicherlich ist es auch deshalb so schwierig, neue Konzepte zu entwickeln, weil von der Mehrheit der Eltern das Sortieren der Kinder in Haupt-, Realschulen und Gymnasien voll akzeptiert und mitgetragen wird.

Die jetzige Elterngeneration hat Schule noch so erlebt, dass Lehrerinnen und Lehrer nahezu ausschließlich frontal unterrichtet haben; es haben sich Bilder in den Köpfen festgesetzt, die das Lernen in einer Klasse mit einem Eisenbahnzug vergleichen, der gebremst wird, wenn nur ein einziger Wagon langsamer ist als die anderen. Mit dem Buch von Ewald FEYERER und Wilfried PRAMMER wird ein anderes Bild des Lernens gezeichnet: Ich vergleiche ihre Unterrichtsvorschläge mit dem reichlich gedeckten Tisch, an dem sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrem »Lernfutter« selbst bedienen; die Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler zu beraten, den Lerntisch vorzubereiten - sowohl die Kost für die schnellen Lerner als auch die gut verdaubare Kost für diejenigen anzubieten, die aus den verschiedensten Gründen langsamer oder anders lernen als die anderen. Bei einer weiteren Entwicklung dieser Art des gemeinsamen Lernens in Projekten, im Gruppenunterricht sind es nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer, welche den »Lerntisch decken«. Auch die Schülerinnen und Schüler bringen ihre Vorschläge mit in die Schule. Lehrerinnen und Lehrer haben nicht mehr das Informationsmonopol, das sie vielleicht vor 40 Jahren noch hatten.

Bei so verstandenem Unterricht wird sehr schnell die Frage nach der Leistungsbewertung gestellt. Die herkömmliche Form der Ziffernzensierung kann den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern nicht in angemessener Form Rückmeldungen geben über die Lernentwicklung und das Verhalten der Jugendlichen. Ich gehe davon aus, dass das Kapitel dieses Buch für Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe I eine große Fundgrube wird für ganz konkrete Beispiele für die Alternativen zur Ziffernzensur. Die Vorteile von Lernzielorientierung werden differenziert diskutiert und ganz konkrete Beispiele für Lernzielkataloge vorgestellt. Wenn auch in den allermeisten Klassen der Sekundarstufe I, in denen gemeinsamer Unterricht praktiziert wird, der Verzicht auf Ziffernzensuren bisher schulrechtlich nicht gestattet ist, so können die Formulierungsvorschläge, welche in diesem Buch vorgestellt werden und die sich die Lehrerinnen und Lehrer mit der angebotenen CD-Rom als hilfreiches Arbeitsmaterial auf ihren eigenen Computer holen können, zumindest als Ergänzung zu den Zeugnissen den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern angeboten werden. Langfristig verbinde ich damit die Hoffnung, dass die jetzigen Schülerinnen und Schüler, welche die Eltern der nächsten Generation sein werden, vom größeren Sinn dieser Form der Leistungsbewertung überzeugt werden.

In den vergangenen 25 Jahren ist die Schulreform, die ein gemeinsames Lernen für alle Kinder bis zum Ende der Schulpflichtzeit vorsieht, auch in den deutschsprachigen Ländern vielfältig theoretisch diskutiert worden. Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen, die auf die Erfahrungen in anderen Ländern verweisen (siehe HANS/GINNOLD) und auch die Theoriebildung ist weit entwickelt (siehe hierzu das Handbuch von EBERWEIN/KNAUER). Es mangelt bisher an Veröffentlichungen, die für die Hand der Lehrerinnen und Lehrer praktische Erfahrungen so dokumentieren, dass sie für die eigenen Planungen nützlich und anregend sind.

Die beiden Autoren Ewald FEYERER und Wilfried PRAMMER haben ihre Erfahrungen in Österreich gesammelt; diese sind gut auf Deutschland und die Schweiz übertragbar. Auf die schulrechtlichen Besonderheiten in den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland sowie in den Kantonen der Schweiz wird hier nicht eingegangen; wer sich hierzu informieren möchte, wird auf die Veröffentlichungen von Manfred ROSENBERGER und Maren HANS und Antje GINNOLD verwiesen (siehe Literaturverzeichnis).

Das Buch ist vor allem für Lehrerinnen und Lehrer geschrieben, die mit dem gemeinsamen Unterricht in der Sekundarstufe I beginnen wollen. Aber auch für die weiteren Schuljahre der Sekundarstufe I werden Lehrerinnen und Lehrer vielfältige Anregungen für ihren Unterricht finden. Interessant sind die Ausführungen sicherlich auch für Eltern von Kindern mit und ohne Behinderungen, die sich besser vorstellen wollen, wie der Unterricht gestaltet werden kann, damit alle Kinder zu ihrem Recht kommen und damit sie mit der Vielfältigkeit ihrer Fähigkeiten gegenseitig anregend und fördernd und nicht angst auslösend und hemmend wirken. Gerade auch die Kinder, die sich im herkömmlichen Unterricht oft langweilen, können in einer Schule, die so gestaltet wird, wie dies hier konkret beschrieben wird, erfolgreicher und mit mehr Freude lernen.

In der bisherigen sonderpädagogisch orientierten Pädagogik wird immer noch davon ausgegangen, dass es möglich sei, die Kinder und Jugendlichen außerhalb der Realitäten eines vielfältigen, oft auch lauten und vielleicht irritierenden Alltags in Haupt-, Gesamt-, Realschulen oder Gymnasien auf die späteren Anforderungen zur möglichst autonomen Bewältigung der Freizeit und auf angemessene Tätigkeiten an Arbeitsplätzen vorzubereiten. Es gibt in den deutschsprachigen Ländern bisher wenige Erfahrungen, wie notwendige Unterstützungen in der Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen organisiert werden können. Es ist etwas anderes, ob Heranwachsende lernen, Gleichaltrige um Hilfe und Unterstützung in angemessener Form zu bitten, dabei auch zu lernen, wann sie selbst - trotz eigener Lernschwierigkeiten oder einer Bewegungseinschränkung - für einen anderen Menschen Unterstützung bieten können oder ob ein Kind lernt, wegen seiner Behinderung ständig (oder überwiegend) auf Erwachsene angewiesen zu sein, sich damit auch oft auf diese Hilfe der (hierfür bezahlten) Erwachsenen zu verlassen.

Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Lernbeeinträchtigungen verlangt auch von den Lehrerinnen und Lehrern eine andere Grundeinstellung, die im Wesentlichen gekennzeichnet ist durch die Tatsache, dass die Lehrerin/der Lehrer nicht mehr alleine vor der Klasse für alle Entscheidungen verantwortlich ist und den Unterricht an engen Fächergrenzen orientiert für jeweils 45 Minuten plant. Integrativer Unterricht erfordert kooperationsfähige Erwachsene, eine überschaubare Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern, ein FachlehrerInnenteam von 4-6 LehrerInnen, die auch über die Grenzen des eigenen Fachunterrichts hinaus problem- und projektorientierten Unterricht planen und sich gemeinsam für die fachliche und die soziale Entwicklung einer Gruppe von SchülerInnen verantwortlich fühlen. Diese Anforderung löst zunächst bei vielen Lehrerinnen und Lehrern Ängste aus. Die Fähigkeiten zur Kooperation im Klassenzimmer waren in der bisherigen Ausbildung nicht gefördert worden (vgl. hierzu SCHÖLER 1997).

Die Erwachsenen und die Jugendlichen können im gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten SchülerInnen in der Sekundarstufe für viele Menschen neue soziale Erfahrungen machen: Mit zunehmender Kooperationserfahrung kann jeder Mensch nicht nur seine eigenen Fähigkeiten besser kennen lernen, sondern vor allem die Mittel und Hilfen, die in einem kooperativen Prozess von Mitmenschen geboten werden können. Erst das Wissen um die eigenen Fähigkeiten und die Sicherheit der Nähe zu anderen Menschen erlauben eine autonome Lebensführung und die Gestaltung der eigenen Vorstellungen von einem erfüllten und sinnvollen Leben. Hilfsbedürftigkeit zeigen führt nicht zu der Gefahr, aus dem vertrauten Klassenverband ausgesondert zu werden, Hilfe benötigen ist nicht mehr ein Zeichen von Schwäche und Unfähigkeit, Hilfe geben darf nicht dazu führen, dass »Versorgungsmacht« ausgeübt wird.

Mit diesem Buch wird der Versuch gemacht, dass Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern der von Behinderung betroffenen Kinder die notwendige innere Sicherheit gewinnen, um Phasen von Angst und Pessimismus zu überwinden. Zugleich sollen praktische Beispiele Mut machen. Es werden Anregungen gegeben, wie Lernprozesse gestaltet werden können, damit alle Kinder und Jugendlichen in der Verschiedenheit ihrer Aneignungsformen respektiert werden und erfolgreich lernen können.

Mit dieser Buchreihe möchte ich auch Mut machen, damit die Menschen, die gegenwärtig noch die Sonderinstitutionen als notwendige (Zwischen-) Station für Menschen mit Behinderungen ansehen, diese gesellschaftlichen Nischen verlassen. Lange genug ist bewiesen worden, dass die Sondereinrichtungen Menschen mit Behinderungen nicht auf ein Leben in dieser Gesellschaft vorbereiten können. Die Gesellschaft kann sich nicht entwickeln, um Menschen zu akzeptieren, welche anders, langsamer oder in ungewohnten Formen leben und lernen, wenn diese Menschen in abgesonderten Räumen (zumeist am Rande der Städte) leben und arbeiten. Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen verweisen oft darauf, dass im Zusammenhang mit integrativer Förderung die speziellen Lernbedürfnisse der Kinder nicht genügend berücksichtigt werden könnten, als wenn sie ohne Integration eine Sonderschule besuchen würden. Diese Kritik kann nur dann berechtigt sein, wenn die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen selbst in den Regelschulen nicht mitarbeiten können. In vielen anderen Ländern gibt es inzwischen jahrelange Erfahrungen, wie gut alle Kinder gemeinsam lernen können (vgl. HANS/GINNOLD) und inzwischen ist auch bewiesen, dass sowohl die Breitenförderung als auch die Förderung der besonders leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler in den Ländern besser gelingt, die eine lange gemeinsame Schulzeit für alle Kinder und Jugendlichen anbieten (siehe hierzu z.B. die Ergebnisse für die skandinavischen Länder und Kanada im PISA -Leistungsvergleichstest - DEUTSCHES PISA- KONSORTIUM).

Wenn über das gemeinsame Lernen in der Sekundarstufe I diskutiert wird, besteht oft die Unsicherheit, ob mit dem Ende der Schulzeit diese Lebensform weitergeführt werden kann. Sowohl im Arbeitsbereich als auch in der Freizeit von Erwachsenen gibt es erste Erfahrungen, die Alternativen zu Behindertenwerkstätten oder Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen darstellen (siehe hierzu die Bücher von GINNOLD und LINDMEIER u.a.). Den Jugendlichen mit Behinderungen werden in den kommenden Jahren mit Sicherheit auch am Arbeitsplatz zunehmend mehr nichtbehinderte Kolleginnen und Kollegen begegnen, welche diese Form des Zusammenlebens bereits von ihrer eigenen Kindergarten- und Schulzeit her gewohnt sind.

Als erste Veröffentlichung in der Reihe Gemeinsames Leben und Lernen: Integration von Menschen mit Behinderungen ist 1998 das Buch mit Texten von und über Ludwig-Otto ROSER erschienen: »Normalität für Kinder mit Behinderungen: Integration«. In jenem Buch sind grundsätzliche Überlegungen darüber nachzulesen, dass Menschen mit Behinderungen den Anspruch haben, gemeinsam mit allen anderen zu leben und zu lernen und es finden sich dort einige Beispiele, welche die Realität der Integration in Italien darstellen. Als gut lesbaren theoretischen Hintergrund - insbesondere auch für das hier vorliegende Buch zum gemeinsamen Lernen in der Sekundarstufe - empfehle ich die Lektüre und die Diskussion der Texte von Ludwig-Otto ROSER in dem oben genannten Buch.

Mit dem zweiten Buch in dieser Reihe: »Integration im Englischunterricht« von Sabrina DEGEN werden wichtige Informationen und Anregungen gegeben, wie der allgemeine Anspruch auf gemeinsames Lernen für alle Kinder und Jugendlichen im Englischunterricht praktiziert werden kann. Die konkreten Hinweise in diesem Buch sind auch gut auf den Deutschunterricht und auf fächerübergreifenden Unterricht übertragbar.

Als dritter Band in dieser Reihe liegt die Veröffentlichung von Anne SCHAUDWET vor: »Epilepsie bei Kindern und Jugendlichen in der Schule«. Immer wieder erfahre ich, dass das Wort» Epilepsie« sowohl KindergärtnerInnen als auch LehrerInnen erschreckt, wenn sie erfahren, dass ein Kind mit dieser Diagnose in ihre Lerngruppe kommen wird. Viele Eltern wagen es nicht, über die Tatsache, dass ihr Kind von Epilepsie betroffen ist, mit den LehrerInnen zu sprechen. In dem Buch von Anne SCHAUDWET werden einerseits in einer gut lesbaren Form die notwendigen medizinischen Informationen vermittelt; LehrerInnen und auch die Eltern erhalten Hinweise, wie über diese Krankheit gesprochen werden kann (z.B. bei einem Elternabend), wie die übrigen Kinder der Lerngruppe informiert werden und vor allem: Wie die Kinder, die von Epilepsie betroffen sind, die notwendige Stabilität und innere Sicherheit gewinnen können, die sie für ihre Persönlichkeitsentwicklung benötigen.

Als Band 4 ist 1999 die Neuauflage meines Buches »Integrative Schule - Integrativer Unterricht« erschienen. Hier werden in übersichtlicher Form alle wesentlichen grundlegenden Überlegungen zur Einrichtung von Integrationsklassen und zur Förderung von Kindern mit Hör- und Sehschädigung, mit Körperbehinderungen, Epilepsie, Lernproblemen und Verhaltensauffälligkeiten, Kindern mit Autismus und Mehrfachbehinderungen gegeben. In diesem Buch sind auch die Adressen der wichtigsten Selbsthilfegruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu finden. Außerdem verweise ich auf den »Vorläuferband«, der auf meine Anregung hin 1998 im Hermann Luchterhand Verlag veröffentlicht wurde: Rene MÜLLER/Maren HANS(Hrsg.): »Hörgeschädigte in der Schule«.

Informationen zum Übergang von der Schule in das Arbeitsleben für Jugendliche mit Behinderungen sind bisher nur sehr verstreut veröffentlicht worden. Das Buch von Antje GINNOLD: »Schulende - Ende der Integration? - Integrative Wege von der Schule in das Arbeitsleben? « schließt diese Lücke und bietet damit hoffentlich vielen jungen Menschen mit Behinderungen Brücken und Wege in das gemeinsame Arbeiten und Leben mit nichtbehinderten Gleichaltrigen. Im Band 6 dieser Reihe haben Bettina und Christian LINDMEIER, Gaby RYFFEL und Rick SKELTON Möglichkeiten und Konzepte aus Deutschland, England und der Schweiz zur nichtaussondernden Freizeitgestaltung für junge Menschen mit (geistiger) Behinderung dargestellt.

Das bereits vorliegende Buch zur Gemeinsamkeit im Kindergarten von Rita FRITZSCHE und Alrun SCHASTOCK soll fortgesetzt werden mit einem Buch über den Beginn des gemeinsamen Unterrichts in der Grundschule.

Wie der gemeinsame Unterricht in der Sekundarstufe I gestaltet werden kann, beschreiben Ewald FEYERER und Wilfried PRAMMER in diesem jetzt vorliegenden Buch. Alle in diesem Buch genannten Beispiele, Arbeitsblätter und Lernziellisten sowie viele weitere Unterrichtsmaterialien können von einer CD-Rom übernommen und für die eigene Verwendung adaptiert werden. Diese kann zum Preis von 10,- Euro (plus Versandgebühr) über die folgenden Adressen bezogen werden:

Ewald Feyerer, Kaplanhofstrasse 40, A-4020 Linz (FeyererE@pa-linz.ac.at )

Wilfried Prammer, Brunnwald 5, A-4190 Bad Leonfelden (wipra@aon.at)

In diesem Buch wird von prinzipiellen Überlegungen und einem didaktisch-methodischen Überblick ausgegangen, der an zahlreichen Beispielen konkretisiert wird. Jedes Kapitel lässt sich - wie in einem Rezeptbuch - für sich lesen. Die Autoren und die Herausgeberin sehen es als eine besondere Qualität eines Buches für Lehrerinnen und Lehrer an, dass es auch nach einem anstrengenden Vormittag in der Schule oder vor einer Konferenz mit Kolleginnen und Kollegen aufgeschlagen wird, um immer wieder neue Anregungen für die eigenen Planungen zu erhalten. Eine große Erleichterung bieten dafür mit Sicherheit die zahlreichen praktischen Hinweise, die in diesem Buch enthalten sind und die über die von den Autoren angebotene CD-Rom für den eigenen Unterricht abgewandelt werden können.

Berlin, im September 2002

Jutta Schöler

Was uns bewegt, integrativ/inklusiv[1] zu arbeiten

Die Frage, was uns bewegte und immer noch bewegt, uns für die schulische Integration von Kindern mit Behinderung einzusetzen, ist relativ schnell beantwortet: Wir denken, dass alle Kinder eine »bessere« Schule verdienen! Eine Schule, die geprägt ist von Humanität und Solidarität, eine Schule mit LehrerInnen,[2] die Rücksicht nehmen auf die unterschiedlichen Lebens- und Lernbedingungen, so dass alle Kinder gleichberechtigt und erfolgreich miteinander und voneinander lernen können und kein Kind befürchten muss, aufgrund kognitiver Schwächen bzw. besonderer Stärken menschlich weniger akzeptiert oder gar aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.

Unser Einsatz für die Integration ist also geprägt von einer Werthaltung, die andere als gleichwertig respektiert, sie in ihrem So-Sein an und ernst nimmt. Diese Werthaltung kann durch folgende Leitsätze, die unser (pädagogisches) Handeln bestimmen, näher beschrieben werden:

  • Jeder Mensch ist einzigartig.

  • Jeder Mensch ist auf Sozietät angewiesen.

  • Jeder Mensch will lernen und sich weiter entwickeln.

  • Jeder Mensch braucht Möglichkeiten, sich entfalten zu können.

  • Jeder Mensch braucht dann und wann einmal Hilfe.

  • Jeder Mensch trägt zur Gestaltung seiner Umwelt bei.

  • Jeder Mensch ist ein aktiv handelnder Mensch.

  • Jeder Mensch braucht Anerkennung, Respekt und Würde.

  • Jeder Mensch braucht Liebe und Geborgenheit.

  • Jeder Mensch ist ein Mensch.

Die Verwirklichung dieser Leitsätze bedingt für uns eine Pädagogik, die sich an jedem Kind und nicht bloß am Durchschnittskind orientiert sowie eine kindgerechte Schule für alle, die wir gerne mit den folgenden sieben Thesen beschreiben:

These 1: Jedes Kind will, ja muss - einfach weil es Mensch ist - lernen

Abbildung 1: Eine kindgerechte Schule, These 1, illustriert von Margit FEYERER-FLEISCHANDERL (fey.flei)

Auch jede/r Jugendliche will von sich aus lernen, nicht nur das Kleinkind. Wir vermiesen den Kindern allerdings oft das Lernen, weil schulisches Lernen zu stark am vorgegebenen Stoff, am Lehrbuch, ausgerichtet wird.

Lernen bedeutet unserer Meinung nach, sich die Welt in ihrer Vielfalt anzueignen, ihre Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, sich als Teil des Ganzen zu begreifen und letztlich auch einen verantwortungsvollen Zugang zum Mitmenschen und zur Gesellschaft zu finden. Die heutige Schule hat noch immer den Ruf, dass sie den Stoff den Kindern zum Problem und nicht die Probleme bzw. Fragen der Kinder zum Stoff macht. Die subjektiven Bedeutsamkeiten der Kinder sind in Verbindung mit den objektiven Bedeutsamkeiten einer Gesellschaft in Einklang zu bringen. Dazu bedarf es der Kenntnis der individuellen Voraussetzungen des Kindes und einer Pädagogik, die ein gemeinsames und zielgerichtetes Tun am gemeinsamen Gegenstand - also die kooperative und aktive Arbeit in Projekten - ermöglicht. Erfahrungsgemäß kann so die speziell in der Sekundarstufe oft beklagte Lernunlust der SchülerInnen stark verringert werden.

These 2: »Was Du lernen willst zu tun, lernst Du, in dem Du es tust.« (ARISTOTELES)

Abbildung 2: Eine kindgerechte Schule, These 2, illustriert von Margit FEYERER-FLEISCHANDERL (fey.flei)

Alles, was wir je in unserer Entwicklung gelernt haben, lernten wir durch Tun. Diese Forderung steht in unseren Lehrplänen, diese Erkenntnis ist uralt. Angewandt wird sie in der Schule noch immer falsch. Tun ist nämlich mehr, viel mehr, als das Ausfüllen von Arbeitsblättern, das Keksbacken vor Weihnachten, das Vormachen physikalischer Versuche. Tun bedeutet seine/ihre motorischen, kognitiven, affektiven und sozialen Fähigkeiten vielfältig einzusetzen und zu schulen. Unter diesen Überlegungen sind auch die Unterrichtsformen Projektunterricht und Freie Arbeit zu sehen. Projektunterricht, Wochenplan und Freiarbeit sind zwar zu pädagogischen Modewörtern geworden, oftmals versteckt sich hinter Freiarbeit aber nur eine andere Form zur Übung und Sicherung des Unterrichtsertrags und hinter Projekt bloß ein didaktischer Trick, der den SchülerInnen die Wichtigkeit des von dem/der LehrerIn ausgewählten Unterrichtsstoffes verdeutlichen soll.

Diese alternativen Unterrichtsformen sind unserer Meinung nach aber aus einer Einstellung zum Kinde heraus zu begreifen und nicht so sehr als pädagogisch-didaktische Maßnahme zur Steigerung des Unterrichtsertrages. Erst durch ein kindbezogenes, emanzipatorisches und demokratisches Erziehungs- und Bildungsverständnis werden diese Unterrichtsformen zu einer lebendigen Praxis, und nicht bloß zu einer leblosen Technik. Es geht darum, den Kindern das Wort zu geben, was ja schon von FREINET[3] gefordert wurde. Oder anders ausgedrückt: Ihnen das Wort erst gar nicht zu nehmen, sondern den Kindern das Wort zu lassen.

These 3: »Hilf mir, es selbst zu tun.« (Maria MONTESSORI)

Abbildung 3: Eine kindgerechte Schule, These 3, illustriert von Margit FEYERER-FLEISCHANDERL (fey.flei)

Die Schule begleitet Kinder viele Jahre ihres Lebens, in denen sie zu selbständig denkenden und handelnden Menschen heranreifen sollen. Hilfe auf diesem Weg anzubieten, ist die Aufgabe der PädagogInnen. Anstatt für Kinder mit Lernproblemen die Komplexität der Welt durch Reduktion des Lernstoffes zu verringern, gilt es, strukturierende Hilfen - angepasst an den Entwicklungsstand des jeweiligen Kindes - zu geben und das Prinzip der minimalsten Hilfe anzuwenden.

Um dies effektiv verwirklichen zu können, ist auch die materielle Ausstattung von enormer Bedeutung. Lernmaterial, das den Bedürfnissen der Kinder entspricht, ihnen Möglichkeiten zur aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt bietet, Lernanreize schafft und in dem Ausmaß vorhanden ist, das allen Kindern ein kooperatives und aktives Lernen ermöglicht wird, ist von den LehrerInnen vorzubereiten. Die Lebendigkeit des Unterrichts zeigt sich in der Vielfalt der Aktivitäten der Kinder. Platz zu haben, sich ausbreiten zu können, auf Entdeckungsreise zu gehen, sich in der Gruppe zu behaupten, eigene Vorschläge einzubringen hängt letztendlich mit den materiellen und strukturellen Hilfen zusammen.

Hinzu kommt noch, dass für die Integration personelle Hilfen in Form einer zusätzlichen SonderpädagogIn und eventuell therapeutische Angebote eine sinnvolle und unabdingbare Ergänzung darstellen. In beiden Bereichen - materielle und personelle Ressourcen - ist nicht so sehr die Quantität sondern viel mehr Qualität ausschlaggebend.

Um Qualität schaffen zu können, muss sich die Schule weiteres öffnen und auch Eltern als ExpertInnen in den gesamten Prozess einbeziehen. Deren vielfältige Kompetenzen und Fertigkeiten können eine enorme Bereicherung für den Unterricht (z.B. als ExpertInnen im Rahmen von Projekten) und für das gesamte Schulleben (z.B. bei der Organisation von Festen, bei Exkursionen, bei der Gestaltung von Lernräumen) darstellen.

Um sich gemeinsam auf die Reise begeben zu können, bedarf es also vieler Menschen, die neben ihren Handlungskompetenzen auch Visionen mitbringen, um das »Schiff« zu Wasser zu bringen und auch dann auf Kurs zu halten, wenn die Wogen hoch gehen.

»Wenn du ein Schiff bauen willst,

dann trommle nicht Männer zusammen,

um Holz zu beschaffen,

Aufgaben zu vergeben

und die Arbeit zu verteilen,

sondern lehre sie die Sehnsucht

nach dem weiten endlosen Meer.«

(Antoine de Saint Exupéry)

These 4: »Der Mensch wird am Du zum Ich.« (Martin BUBER) bzw. »Der Mensch wird zu dem Ich, dessen Du wir ihm sind.« (Georg FEUSER)

Abbildung 4: Eine kindgerechte Schule, These 4, illustriert von Margit FEYERER-FLEISCHANDERL (fey.flei)

Schule muss als Erfahrungsraum dienen, um in einem noch geschützten und geleiteten Modell lernen zu können, wie ein friedliches, selbstbestimmtes, geregeltes, gerechtes und verantwortungsvolles Leben in einer humanen und demokratischen Gemeinschaft möglich gemacht werden kann.

Dazu muss Schule die Möglichkeit bieten, in einen echten Dialog einzutreten. Sei es nun unter den MitschülerInnen, den Eltern oder den LehrerInnen. Die Form des Dialoges ist dabei ausschlaggebend, denn nur wenn ich den anderen so annehmen kann wie er ist, finde ich auch einen Zugang zu ihm. Diese Überlegungen führen zur Notwendigkeit einer echten Partnerschaft zwischen Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen. Eine solche trägt wiederum dazu bei, anstehende Entscheidungen im Sinne des Kindes zu treffen.

Dabei sind die Rollen der an der Partnerschaft Beteiligten zu hinterfragen und zu ändern: Die Erziehungsbeauftragten werden von unbeteiligten Außenstehenden zu Teilhabenden, die SchülerInnen von passiven »Erziehungsobjekten«, die zu bilden und zu erziehen sind, zu kooperativen »Erziehungssubjekten«, die sich aktiv am Erziehungs- und Bildungsprozess beteiligen. Die LehrerInnen schließlich werden von alleinherrschenden ErzieherInnen zu PartnerInnen in einem gewaltfreien Dialog, in dem sie sich selber auch als Lernende begreifen.

Wenn Schule sich ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag stellen will, dann darf sie aber auch nicht den auftretenden Schwierigkeiten (mangelnde Zukunftsperspektiven der Jugendlichen, aufkeimender Rechtsextremismus, Schulfrust und Verhaltensprobleme, ...) ausweichen, sondern muss vielmehr danach trachten, im partnerschaftlichen Dialog diesen Aspekten Platz einzuräumen.

Teamarbeit wird dabei ein immer bedeutenderer Faktor der beruflichen Aufgaben werden. Koordination und Kooperation zielt auf ein produktives Miteinander ab. Dies zu realisieren ist Aufgabe aller am Erziehungs- und Bildungsprozess Beteiligen. Ärzte, TherapeutInnen, LogopädInnen, PädagogInnen, PsychologInnen, ... sollen in einem partnerschaftlichen Miteinander den Entwicklungsprozess des Kindes begleiten.

Diese, an alle Beteiligten gestellte Anforderung, verlangt ein hohes Maß an Toleranz, Selbstdisziplin, Bereitschaft, neue Wege zu gehen, und letzten Endes auch viel Mut.

Werden doch viele erworbene Positionen dabei in Frage gestellt. Aus der Erfahrung aber ist zu berichten, dass viele diese einmal gegangenen Wege nicht mehr missen wollen.

These 5: »Ich vergleiche nie ein Kind mit einem anderen, sondern immer nur jedes Kind mit ihm selbst.« (Johannes Heinrich PESTALOZZI)

Abbildung 5: Eine kindgerechte Schule, These 5, illustriert von Margit FEYERER-FLEISCHANDERL (fey.flei)

Die herkömmliche Form der Ziffernbeurteilung führt bei vielen Kindern zu Stress, Angst und Verunsicherung. Die SchülerInnen werden nicht nach ihren individuellen Fähigkeiten sondern nach normierten Gesichtspunkten beurteilt, verglichen und gereiht. Diese Form der Beurteilung missachtet, dass die Kinder nicht gleich, ihre Lernvoraussetzungen unterschiedlich, ihre Zugänge zum Wissen individuell verschieden sind und somit der Vergleich mit anderen Kindern gerade für eine gerechte Beurteilung der individuellen Leistungen nicht geeignet ist.

Mit dieser These wollen wir aber keinesfalls die Leistung an sich in Frage stellen, sondern nur den Bezugsmaßstab derselben. Bezugspunkt der Leistung, die von jedem/r SchülerIn selbstverständlich erwartet und gefordert wird, ist der/die Einzelne selbst. In den diversen Formen der Beurteilung ohne Noten, sei es nun Pensenbuch, Entwicklungsbericht, mündliche Form der Information, direkte Leistungsvorlage, etc.) wird versucht, den erbrachten Leistungen und den individuellen Lernvoraussetzungen gerecht zu werden. Eine Beschreibung des IST-Standes legt gleichzeitig die weiteren Ziele fest. Die Rückmeldung an das Kind bezieht sich auf seine/ihre erbrachten Leistungen und zeigt dem Kind auch, wo es noch Entwicklungsmöglichkeiten hat (SOLL-Stand). Durch die Vermeidung des Vergleiches mit den anderen SchülerInnen bleibt sein/ihr Selbstwertgefühl intakt. Durch die Lebensbedeutsamkeit des Unterrichtsangebotes sowie durch zielgerichtetes Arbeiten wird sichergestellt, dass genügend Motivation vorhanden ist, gemachte Fehler zukünftig zu vermeiden und sich auch weiterhin mit dem Unterrichtsangebot auseinanderzusetzen.

These 6: Die Welt der Kinder ernst nehmen

Abbildung 6: Eine kindgerechte Schule, These 6, illustriert von Margit FEYERER-FLEISCHANDERL (fey.flei)

»Ihr sagt: ›Der Umgang mit Kindern ermüdet uns.‹ - Ihr habt recht. Ihr sagt: ›Denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen. Hinuntersteigen, herabbeugen, beugen, kleiner machen.‹ Ihr irrt euch. Nicht das ermüdet uns. Sondern - dass wir zu ihren Gefühlen emporklimmen müssen. Emporklimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen. Um nicht zu verletzen. «

(Janusz Korczak)

Kinder sind reich an Ideen, Träumen und Phantasien. Das, was ihnen wichtig erscheint, muss auch für uns Wichtigkeit erlangen. Hugo KÜKELHAUS (1980, 20) sagt dazu: »In ihrer Kindheit haben die Völker und hat jeder einzelne Mensch Lebenswerte gewusst, darin gelebt und darin gespielt. Zerstörung der Kindheit ist immer der höchste Triumph des bloßen Verstandes. Wir leben in einer unkindlichen Welt, und da wir es in ihr nicht mehr aushalten können, müssen wir die Strahlen, die noch aus unserer Kindheit zu uns herüberleuchten, ernst nehmen und ihnen nachgehen. Das ist die Forderung des Lebens.«

Der Eigensinn der Kinder sollte daher nicht als bedrohliche und lästige Störung im Erziehungsprozess betrachtet werden, sondern als Chance, die Welt vielfältiger sehen und gestalten zu können. Für uns Erwachsene ist es sicherlich nicht immer einfach, sich von unseren langjährig und mühsam erworbenen Sicht- und Verhaltensweisen zu distanzieren. Durch die Erforschung der den Kindern eigenen Welt können wir aber auch unsere Erfahrungen reflektieren und unsere Weltsichten und Handlungsmöglichkeiten erweitern. Gerade mit dem als lästig und störend empfundenen Verhalten zeigen uns Kinder ja oft das, was uns ErzieherInnen unbewusst an unserem eigenen Verhalten und Sein stört.

These 7: Sich in der Schule wohlfühlen ist eine Grundvoraussetzung für Lernen

Abbildung 7: Eine kindgerechte Schule, These 7, illustriert von Margit FEYERER-FLEISCHANDERL (fey.flei)

Wollen wir eine humane und demokratische Schule, dann müssen wir Schulen schaffen, in denen sich das Leben entfalten kann, in denen die Kinder sich geborgen und zu Hause fühlen können, denen man auch ansieht, dass Kinder darin ein Stück weit das Leben lernen. Johannes Heinrich PESTALOZZI spricht in diesem Zusammenhang sehr passend von »Wohnstubenatmosphäre« (zit. nach TSCHÖPE-SCHEFFLER 1996, 129).

Schulen, wie sie sich häufig darstellen, als leblose Betonklötze, Aufbewahrungsanstalten, mit sterilen Gängen, konformen Klassenzimmern ohne Rücksicht auf das Alter der SchülerInnen, dem Organismus des Menschen abträglichen und damit lernhemmenden Räumen, sollten schon längst zugesperrt und umgestaltet werden. Man vergegenwärtige sich nur, wer an der Planung und Durchführung des Baus einer Schule normalerweise nicht beteiligt ist: Diejenigen, welche die höchste Kompetenz haben, weil sie sicher am besten wissen, wo ihre Bedürfnisse liegen, nämlich die Kinder und die LehrerInnen.

Wohnstubenatmosphäre meint aber nicht nur die baulichen, sondern ebenso die psychischen Aspekte. Nur wenn die SchülerInnen sich in der Klasse/Schule wie in ihrem eigenen Wohnzimmer zuhause fühlen können, weil sie dort ihren persönlichen Platz haben, sich als Person mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen angenommen fühlen, sich als für die Gemeinschaft wertvoll erleben und sich Tag für Tag auf die MitschülerInnen und LehrerInnen freuen, werden sie erfolgreich und ohne negativen Stress lernen können.

Integration ist für uns keine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wie

Hauptziel von Bildung und Erziehung sind für uns mündige und emanzipierte BürgerInnen, die entsprechend ihren Fähigkeiten selbstverantwortlich und selbstbestimmt an der Verwirklichung einer humanen und demokratischen Gesellschaft mitwirken. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn weder behinderte[4] noch andere Menschen vom gemeinsamen Bildungsprozess ausgeschlossen werden. Jede/r muss das Recht zur vollen Partizipation an allen gesellschaftlichen Aktivitäten haben. Benachteiligungen - gleich welcher Art - sind durch entsprechende Hilfestellungen seitens der Gemeinschaft möglichst auszugleichen.

Es ist uns bewusst, dass es viele verschiedene Zugänge zur Integration gibt und der unsere nicht der allein richtige ist. Wir denken aber, dass Integration ohne grundlegende Hinterfragung persönlicher Werte und Einstellungen nicht funktionieren kann. Und wir meinen auch, dass Sie als LeserIn einfach das Recht haben, zu erfahren, was unsere Beweggründe sind, die Herausforderungen der Inklusion in unseren Rollen als Sonderschullehrer bzw. wissenschaftlicher Begleiter, Lehrerfort- und -ausbildner und Vater anzunehmen.

Für uns war immer klar, dass nicht Menschen mit Behinderungen »integrationsunfähig« sind, sondern vielmehr die jeweiligen Rahmenbedingungen eine Integration verhindern. Wir haben uns daher auf den Weg gemacht, aufbauend auf vor allem die theoretischen Erkenntnisse Georg FEUSERs, konkrete Wege zu finden, eine inklusive Schule zu verwirklichen. Mit diesem Buch möchten wir Ihnen unsere Erfahrungen weitergeben und darüber berichten, wie Integration auch in der Sekundarstufe für alle Beteiligten erfolgreich und zufriedenstellend verwirklicht werden kann. Persönliche Erfahrungen aus acht Jahren Integrationsklasse sind gemeinsam mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung die wichtigsten Grundlagen dieses Buches.

Mut gemacht für unseren Weg zu einer inklusiven Schule hat uns unter anderem der folgende Spruch, den wir Ihnen hiermit schenken wollen:

»Wo kämen wir hin, wenn alle sagten,

wo kämen wir hin, und niemand ginge,

um einmal zu schauen,

wohin man käme,

wenn man ginge.«

(Kurt MARTI)

Wir hoffen, dass Sie KollegInnen finden, die sich mit Ihnen auf den Weg machen, Integration in der Sekundarstufe 1 umzusetzen, und dass Ihnen dieses Buch dabei hilfreich ist.

Ewald Feyerer, wissenschaftlicher Begleiter, jetzt Professor an der Pädagogischen Akademie des Bundes in OÖ, Linz

Wilfried Prammer, Sonderschullehrer in Integrationsklassen, jetzt Leiter des Sonderpädagogischen Zentrums Urfahr-Umgebung, Linz



[1] Der Begriff Integration bekam im Laufe der letzten Jahre eine neue, nicht unserem Verständnis entsprechende inhaltliche Bedeutung als Synonym für Aussonderung innerhalb der Regelschule und wird heute immer mehr vom Begriff Inklusion abgelöst. Da wir unter Integration aber immer schon das gemeinsame Leben, Lernen und Arbeiten aller Menschen verstanden haben und der Begriff Integration in der bildungspolitischen Diskussion noch immer aktuell ist, verwenden wir in diesem Buch beide Begriffe synonym. Sowohl Integration als auch Inklusion stehen bei uns für die Idee einer Gesellschaft/Schule, die keinen Menschen ausschließt und jedem die Möglichkeit zur vollen Partizipation am gemeinsamen Leben gibt.

[2] Um bewusst zu machen, dass sowohl weibliche als auch männliche Personen gemeint sind, verwenden wir die Schreibweise LehrerInnen, SchülerInnen, ExpertIn, TherapeutIn, usw.

[3] als praxisorientierte Literatur dazu empfehlen wir BAILLET, Dietlinde: Freinet - praktisch. 4. Auflage. Weinheim, Basel : Beltz, 1995; aktuelle Aufsätze, Materialien, Kooperationsangebote, etc. finden sie auf der Homepage http://freinet.webonaut.com/atelierschule

[4] Wir verwenden in diesem Buch neben dem heute gängigen Begriff Menschen mit Behinderungen auch die Ausdrucksweise behinderte Menschen, da dieser Terminus unserer Meinung nach noch besser ausdrückt, das damit all jene Personen gemeint sind, die auf Grund körperlicher, psychischer oder sozialer Beeinträchtigungen durch die Gesellschaftbehindert werden

Das optimale Modell - Kooperation oder Integration?

Österreich begann 1984/85 mit der Entwicklung der schulischen Integration: In Oberwart im Burgenland wurde die erste Integrationsklasse von engagierten Eltern durchgesetzt. Schritt für Schritt folgten weitere Klassen. Heute ist die Integration als Wahlrecht der Eltern von der 1. bis zur 8. Schulstufe gesetzlich verankert. Österreichweit werden mehr als 50% aller Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf[5] integrativ beschult, im Spitzenland Steiermark bereits mehr als 80%, in unserem Bundesland - Oberösterreich - bereits 63%. Aufbauend auf den theoretischen Erkenntnissen und den wenigen praktischen Erfahrungen aus Deutschland konnten wir in Österreich einstweilen umfassende Erfahrungen zu fast flächendeckender Integration machen.

Ein besonderer Reiz, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen, liegt in der Tatsache, dass wir uns in Österreich in einem größeren Gesamtzusammenhang mit der Fragestellung Kooperation oder Integration auseinandergesetzt haben und mittlerweile auf eine mehrjährige Erfahrung, die auch empirisch abgesichert werden konnte, zurückblicken.

Das gesamte Buch handelt vor allem von diesen Erfahrungen, die aber durchaus auf die Situationen in den deutschen Bundesländern und den Kantonen der Schweiz übertragbar erscheinen, wenn auch bei unseren Ausführungen zu bedenken ist, dass sich das österreichische Schulwesen in einigen wichtigen Punkten vom deutschen oder schweizerischen System unterscheidet (siehe Kasten).

Kurz-Info zum österreichischen Schulsystem

In Österreich gibt es eine für alle Bundesländer einheitliche Schulgesetzgebung. Die Bundesländer haben aber doch einen relativ großen inhaltlichen Gestaltungsspielraum, da die Gesetze sehr offen formuliert sind. Die konkrete Situation unterscheidet sich daher sehr stark von Bundesland zu Bundesland. Weiters ist noch zu bedenken, dass sich die Sekundarstufe 1 in Österreich auf die Schulstufen 5 - 8 bezieht und neben den Sonderschulen nur aus zwei Schularten besteht:

Die Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) oder Gymnasien nehmen nur die SchülerInnen auf, denen im Abschlusszeugnis der Grundschule (in Österreich Volksschule genannt) eine entsprechende Gymnasialreife zuerkannt wird. Die Gymnasien gliedern sich in die 4-jährige Unterstufe und die 4-jährige Oberstufe, die zur Studienberechtigung (Abitur, in Österreich Matura genannt) führt. Ein Teil der SchülerInnen wechselt nach der Unterstufe in berufsbildende mittlere oder höhere Schulen.

Die Hauptschule (HS) läuft über vier Jahre und ist in den Hauptgegenständen Mathematik, Deutsch und Englisch nach drei Leistungsgruppen gegliedert. Die erste Leistungsgruppe entspricht vom Lehrplan her der Unterstufe der Gymnasien. Nach der Hauptschule wechseln die SchülerInnen entweder in die Polytechnische Schule und schließen dort ihre Schulpflicht ab oder in die verschiedenen berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, wo sie ebenfalls bis zur Matura kommen können. Auch ein Wechsel in sogenannte Oberstufengymnasien ist möglich.

Je nach Region bietet die Hauptschule ein sehr unterschiedliches Bild. Während man in ländlichen Wohngebieten von einer Gesamtschule mit wirklich allen Leistungsniveaus ausgehen kann, ist die Hauptschule in städtischen Gebieten mit hoher Konkurrenz durch die Gymnasien eher als Restschule von schulschwachen und sozial benachteiligten Kindern zu bezeichnen.

Eine Realschule und eine mittlere Reife gibt es in Österreich nicht.

Entwicklung und Stand der Integration in Österreich - ein Überblick[6]

Österreich hatte und hat noch immer ein sehr ausdifferenziertes Sonderschulwesen.

Die Einführung der Sonderschulen war - auch historisch betrachtet - ganz sicher ein wichtiger Schritt, der mit der Aufhebung der jahrhundertelang vorherrschenden sozialen Ausgrenzung und Isolierung behinderter Menschen begann und dazu führte, dass heute das Recht behinderter Kinder auf Bildung und Erziehung allgemein anerkannt ist. Mit dem stetigen Ausbau und der Ausdifferenzierung des Sonderschulwesens wurden aber auch Erfahrungen gewonnen, die den Nutzen der Spezialschulen immer stärker in Frage stellten, da die Einweisung in eine Sonderschule mit einer gesellschaftlichen Stigmatisierung verbunden ist und die Zusammenfassung von Kindern mit Behinderungen zur Reduktion wichtiger sozialer Erfahrungen führt, wodurch eine positive Veränderung kognitiver, sozialer und emotionaler Persönlichkeitseigenschaften kaum herbeigeführt werden kann (vgl. BURGENER-WOEFFRAY/JENNY-FUCHS/MOSER-OPITZ 1993, 66ff). Immer mehr Eltern weigerten sich daher, der Überweisung ihres Kindes in eine Sonderschule zuzustimmen, so dass viele »still integrierte« Kinder zwar in der Grund- bzw. Hauptschule verblieben, dort aber bloß »mitgeschleppt« wurden und keine ausreichende sonderpädagogische Förderung bekamen. Der Widerstand der Eltern gegen die segregierende Beschulung fand seinen Niederschlag auch in einem eklatanten SchülerInnenrückgang in den Spezialschulen während der frühen achtziger Jahre.

Mitte der 80-iger Jahre begann auch in Österreich der Ruf nach der Integration behinderter Kinder laut zu werden. Eltern behinderter und nichtbehinderter Kinder, die im Kindergarten positive Erfahrungen mit der integrativen Erziehung machten, waren Auslöser und Motor der Reform, machten Druck auf die Behörden, schlossen sich in Elterninitiativen bundesweit zusammen, organisierten alljährlich ein Integrationssymposium mit bedeutenden ExpertInnen aus ganz Europa, leisteten medienwirksame Öffentlichkeitsarbeit und erreichten die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Ministerium, welche die gesetzlichen Grundlagen zur Integration vorbereitete. Vor Ort mussten sie in einem zumeist anstrengenden und heftig bekämpften Informationsprozess die SchulleiterInnen, LehrerInnen und Eltern nichtbehinderter Kinder von der Möglichkeit und der Sinnhaftigkeit schulischer Integration überzeugen und so die Tür für den gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder in der Grund- und dann in der Hauptschule überhaupt erst öffnen.

Sie fanden aber auch Unterstützung durch engagierte LehrerInnen, TherapeutInnen, DirektorInnen, Bezirks- und LandesschulinspektorInnen, BeamtInnen des Bundesministeriums und SchulpolitikerInnen, die bei der weiteren Entwicklung der Reform auf allen Ebenen über parteipolitische Grenzen hinweg zusammengearbeitet haben.

Besonders wichtig erwies sich, dass die verantwortlichen Politiker prinzipiell für die Integration behinderter Kinder und eine Öffnung der Schule eingestellt waren. So sagte z. B. der zuständige Bundesminister Dr. MORITZ bereits im Jahre 1986: »Ich bin überzeugt, dass es eines Tages in Österreich neben den Sonderschulen auch integrative Schulformen gibt, nicht nur in der Volksschule, sondern auch in der Hauptschule, in denen behinderte Kinder ganz selbstverständlich mit gesunden Kindern unterrichtet werden. Ein solches Netz wird eines Tages das ganze Bundesgebiet überziehen« (zit. nach BMUK 1994, 5). Auch alle folgenden Unterrichtsminister waren positiv zur Integration eingestellt und stellten damit die bürokratisch-adminstrativen und politischen Weichen in Richtung einer gesetzlichen Verankerung des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Kinder, im Bereich der Sekundarstufe auch gegen heftigsten innerparteilichen Widerstand.

Obwohl die einzelnen Gruppen durchaus sehr konträre Standpunkte vertraten und zum Teil noch immer vertreten, gelang es, den Dialog offen zu halten, so dass innerhalb eines Jahrzehnts eine der größten Schulreformen stattfinden konnte. Die einzelnen Stationen dieses Reformprozesses sind in ihrem chronologischen Ablauf im folgenden Kasten dokumentiert.

Verankerung integrativer Unterrichtskonzepte in Österreich (Chronologie)

1984: Errichtung der ersten Integrationsklasse (nach § 7, SchOG) an der Grundschule in Oberwart, Burgenland,

1985 - 1988: Zusammenschluss der Elterninitiativen auf Bundesländerebene, die seit 1985 jährlich ein Integrationssymposium in jeweils einem anderen Bundesland veranstalten,

1988: Schaffung der gesetzlichen Grundlage für integrative Schulversuche, erster offizieller Schulversuch im Sekundarstufenbereich an der HS Oberwart im Burgenland, aufgrund der schwierigen Verhältnisse allerdings nach dem Modell einer kooperativen Klasse,

1989: Veröffentlichung eines Rahmenkonzepts für die Durchführung integrativer Schulversuche an der Grundschule durch das Bundesministerium für Unterricht und Kunst (GRUBER/PETRI 1989); an der HS Kalsdorf/Steiermark und an der HS Reutte/Tirol werden die ersten Integrationsklassen in der Sekundarstufe eröffnet; Errichtung der wissenschaftlichen Begleitung in den Bundesländern, die neben einer standortbezogenen Betreuung auch länderweiten Erfahrungsaustausch und berufsbegleitende Fortbildungsseminare anbieten,

1991: Erste bundesweite Evaluation der Schulversuche durch das Zentrum für Schulentwicklung, Abteilung II in Graz in enger Kooperation mit den wissenschaftlichen BegleiterInnen; die Pädagogische Akademie des Bundes in Oberösterreich, Linz bietet das erste Zusatzstudium für IntegrationslehrerInnen in Österreich an (dreisemestrig und berufsbegleitend),

1992: Grundsatzerklärung für eine integrative Schule vom damaligen Unterrichtsminister Dr. SCHOLTEN: »In Abkehr von der bisher verfolgten Zielsetzung, in gesonderten Bildungseinrichtungen die beste mögliche Schule für behinderte Kinder zu entwickeln, sieht das Unterrichtsministerium die Entwicklung einer Schule unter Einschluss aller Kinder als zentrale Notwendigkeit zur Wahrung des Wohles behinderter wie nichtbehinderter Kinder ... « (zit. nach BMUK 1994, 10); erste Integrationsklassen an Gymnasien mit geistigbehinderten Kindern in Wien und Bruck/Mur (Steiermark),

1993: Überführung der Integration ins Regelschulwesen, allerdings nur im Bereich der Grundschule und Weiterführung der Schulversuche zur Integration im Bereich der Sekundarstufe 1; die Sonderschulen können zu sonderpädagogischen Zentren ernannt werden du bekommen damit den Auftrag, die Integration zu unterstützen,

1994: Verabschiedung der Landesausführungsgesetze mit sehr unterschiedlichen Regelungen bezüglich der KlassenschülerInnenzahl und des LehrerInneneinsatzes in Integrationsklassen; Start des Projektes INTSEK zur bundesweiten Evaluation der integrativen Schulversuche im Sekundarstufenbereich,

1996: Gesetzliche Verankerung des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Kinder als Aufgabe der Hauptschule und der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen nach kurzem, aber heftigem öffentlichen Diskurs,

1997: Verabschiedung der Landesausführungsgesetze zur Integration auf der Sekundarstufe 1, wiederum mit sehr unterschiedlichen Regelungen bezüglich der KlassenschülerInnenzahl und des LehrerInneneinsatzes in Integrationsklassen,

2000: Die integrative Betreuung scheint normal geworden zu sein, der Anteil der integrierten Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf wächst stetig an und beträgt rund 50% im österreichweiten Durchschnitt, wobei sich die Entwicklung in den Bundesländern sehr stark unterscheidet (z. B. im Burgenland und der Steiermark mehr als 70%, in Oberösterreich 60% und in Vorarlberg knapp 30%); ab Jänner gibt es eine neue Regierung und seit 1990 ist zum ersten Mal in einem Koalitionsübereinkommen die Integration im Bereich Schule nicht verankert, obwohl im nächsten Schuljahr eine gesetzliche Regelung für die Überführung der Integration ab der 9. Schulstufe notwendig wäre,

2001: Die gesetzliche Überführung der Integration ab dem 9. Schuljahr, dem letzten Pflichtschuljahr, scheitert, da die Regierung die Integration nur in den Polytechnischen Schulen, nicht aber in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, zulassen will,

2002: Die Bundesministerin sendet den bereits im Vorjahr heftig kritisierten Gesetzesvorschlag praktisch unverändert wieder zur Begutachtung aus; die Diskussion und Beschlussfassung im Parlament soll im Herbst stattfinden - das Ergebnis ist noch nicht abschätzbar, da für Schulgesetze in Österreich eine Verfassungsmehrheit und damit auch die Zustimmung der Opposition notwendig ist.

Schulversuchsmodelle in Österreich

Entscheidend für die Entwicklung war, dass vom Bundesministerium in Zusammenarbeit mit engagierten VertreterInnen der Integration ein Rahmenkonzept für die Schulversuche zum gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder (GRUBER/PETRI 1989) herausgegeben wurde. Dieses Rahmenkonzept kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, da es in pragmatischer Weise verschiedene Wege zur Realisierung aufzeigte und einer breiten Öffentlichkeit im Schulwesen signalisierte, dass die Schulversuche zum gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder die Zustimmung der obersten Schulbehörde fanden (vgl. SPECHT 1995, 15f).

In diesem Rahmenkonzept wurden vier unterschiedliche Modelle angeboten: Die Integrationsklasse, die Stützlehrerklasse, die Kooperationsklasse und die Klein- oder Förderklasse. Für die Integration in der Sekundarstufe wurde zwar kein einheitliches Rahmenkonzept mehr erarbeitet. Es kam aber im wesentlichen zu einer Fortsetzung der vier Modelle aus dem Grundschulbereich, die im Projekt INTSEK (INTegration auf der SEKundarstufe) österreichweit evaluiert wurden (GRUBER/SPECHT 1995; SPECHT 1995; SPECHT 1997a).

Die Grundstruktur der vier Modelle in Kurzform:

Integrationsklasse

Dieses Modell entspricht den ursprünglichen Intentionen der Elterninitiativen am ehesten. Es erfolgt prinzipiell kein Ausschluss behinderter Kinder nach Art und Schweregrad der Behinderung. Notwendige sonderpädagogische Förderangebote werden so weit wie möglich im Rahmen einer inneren Differenzierung mittels Individualisierung durchgeführt. Organisatorisch ist dieses Modell durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Verminderte KlassenschülerInnenzahl (vielfach mit Bezug auf Art und Schweregrad der Behinderung ohne Festlegung einer maximalen Obergrenze), durchschnittlich fünf (laut Konzept 4 bis 7) behinderte Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen in einer Klasse

  • Auflösung der Leistungsgruppen[7] (entweder vollkommener Verzicht auf eine Leistungsgruppenzuweisung oder nur Verzicht auf die äußere Differenzierung nach Leistungsgruppen; öfters werden auch die Parallelklassen als heterogene Stammklassen geführt, manchmal wird aber auch die äußere Differenzierung in der Integrationsklasse beibehalten)

  • Zwei-PädagogInnen-System in den meisten Unterrichtsstunden, in denen behinderte Kinder anwesend sind

  • Unterricht nach verschiedenen Lehrplänen (neben dem Hauptschullehrplan auch die dem jeweiligen sonderpädagogischen Förderbedarf entsprechenden Lehrpläne; Ausgleich der unterschiedlichen Stundentafeln entweder durch innere Differenzierung oder durch weniger Wochenstunden für die behinderten Kinder)

  • Bemühungen um fächerübergreifenden, binnendifferenzierten Unterricht (Projektunterricht, Wochenplanunterricht und Freiarbeit neben herkömmlichem Frontalunterricht)

  • alternative Formen der Leistungsbeurteilung für alle Kinder (zumeist verbaler Zusatz, selten mit gänzlichem Verzicht auf Noten, immer öfter wieder mit herkömmlichem Beurteilungsschema) und Lehrplanvermerke im Zeugnis der behinderten Kinder

  • Klassenbildung häufig als Fortsetzung von Grundschul-Integrationsklassen (zumeist nur eine Kerngruppe; beim Übertritt in eine AHS dürfen die nichtbehinderten und nicht AHS-reifen[8] Kinder nicht mitgehen)

Bezüglich der Auflösung der Leistungsgruppen, der Art (verbal, Ziffern) und der Bezugsnorm (Leistungsgruppe, heterogene Klasse, individuelle Entwicklung) der Leistungsbeurteilung, der Größe des LehrerInnenteams und der Umsetzung offener und handlungsorientierter Unterrichtsformen gibt es die größten Variationen bei der Realisierung des Modells Integrationsklasse. Dies gilt auch in Bundesländern mit einem einheitlichen Rahmenkonzept, wie die Fallstudien aus dem Projekt INTSEK (SPECHT 1997a) eindrücklich zeigen. Darüber hinaus zeigen diese Fallstudien eine allgemeine Tendenz auf: Je kritischer eine Schule den Möglichkeiten der Integration behinderter Kinder gegenübersteht, je weniger die Integration ein gemeinsam getragenes, starkes Anliegen der gesamten Schule ist, desto weniger sind Schulen bereit, herkömmliche Formen der Lernorganisation und des Unterrichts zu verändern, um damit integrative Prozesse zu optimieren (vgl. SPECHT 1997a, Bd. 3, 19).

Stützlehrerklasse

Für einzelne SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird eine Sonderpädagogin oder ein Sonderpädagoge in unterschiedlichem Stundenausmaß zusätzlich eingesetzt. Die StützlehrerInnen sollen flexibel und bedarfsorientiert die behinderten Kinder stützen und mit den KlassenlehrerInnen kooperieren, um eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der allgemeinen Schule zu ermöglichen. »Während bei lern- oder geistigbehinderten Kindern die Förderung auf ein differenziertes Programm ausgerichtet ist und überwiegend unterrichtsbegleitend abläuft, steht bei sinnes- oder körperbehinderten Kindern die spezifisch sonderpädagogische Anleitung und Kompensation im Vordergrund. Dem Mangel einer nicht durchgehenden zusätzlichen Förderung steht eine größere Flexibilität und Ermöglichung eines wohnortnahen Schulbesuches gegenüber« (Grundlagenpapier 1995, 8).

Speziell in kleineren ländlichen Gemeinden muss öfters auf das Stützlehrermodell zurückgegriffen werden, da zur Finanzierung eines vollständigen Zwei-PädagogInnen-Systems einfach zu wenig behinderte Kinder vorhanden sind. Eine Veränderung der herkömmlichen Lernorganisation und des Unterrichts passiert in diesem Modell kaum. SPECHT fasst die Ergebnisse der Fallstudie einer Stützlehrerklasse an einer Hauptschule in einem abgeschiedenen Kärntner Tal so zusammen:

»Zwei lernbehinderte Kinder werden zusammen mit 14 Nichtbehinderten unterrichtet, und von vier Stützlehrern, die durchwegs HS-Lehrer sind, über insgesamt 16 Stunden zusätzlich betreut. Die beiden lernbehinderten Kinder werden in den leistungsdifferenzierten Fächern in der 3. Leistungsgruppe mitunterrichtet und dort weitgehend mit denselben Anforderungen konfrontiert wie ihre Mitschüler. Der Unterricht selbst ist eher traditionell frontal und lehrerzentriert. Mit offeneren Lernformen habe man ›schlechte Erfahrungen‹ gemacht, wie ein Lehrer äußert.

Die Gestaltung der Rahmenbedingungen zeigt, dass die soziale Integration von behinderten Schülern nicht gerade im Zentrum der Schulphilosophie steht, obwohl die Schule sich in der Region als integrative Schule versteht, weil es aufgrund der geographischen Lage keine sonderpädagogische Einrichtung gibt. Es werden nur sehr begrenzte Versuche unternommen, die innere Struktur der Schule und des Unterrichts diesem Anspruch anzupassen. Die Gesamtwürdigung der beiden Autoren ist - übrigens in Übereinstimmung mit dem Bezirksschulinspektor - eher kritisch: Wesentliche Ziele der Integration würden ›in der Versuchsklasse nicht angestrebt. ... Schüler haben sich an die Schule anzupassen und nicht umgekehrt, wobei vom Stützlehrer erwartet wird, dass er bei und mit seinem Schützling genau diese Anpassungsleistung erbringt. Letztendlich geht es um die Erhaltung üblicher Strukturen.‹ « (SPECHT 1997a, Bd. 3, 20).

Kooperative Klasse

Das Modell der Kooperativen Klasse (kurz KOOP-Klasse genannt) ist vorwiegend ein Modell der räumlichen Integration, das auch unter dem Begriff Gemeinsame Schule unter einem Dach diskutiert wird. Durch eine möglichst enge räumliche Verbindung sollen zwischen den behinderten SchülerInnen einer Sonderschulklasse und den nichtbehinderten Kindern einer Hauptschulklasse zumindest lockere Sozialkontakte entstehen können. In weniger leistungsorientierten Unterrichtsfächern und im Bereich der Schulveranstaltungen erfolgt auch ein gemeinsamer Unterricht. An der Schulorganisation ändert sich bei diesem Modell nichts, die Gruppe der behinderten Kinder bildet eine eigene Klasse, welche gewissermaßen als dislozierte, also ausgelagerte Sonderschulklasse einer Hauptschulklasse assoziiert ist. Wesentlichste Merkmale des Modells Kooperative Klasse sind:

  • Zwei eigenständige Klassen (in möglichst benachbarten Klassenräumen untergebracht)

  • Gemeinsames und getrenntes Lernen wird stundenplanmäßig festgelegt (zumeist beschränkt auf einige musisch-technische Fächer und einzelne Unterrichtsprojekte)

  • wenig Anreiz zu fächerübergreifendem, binnendifferenziertem Unterricht (Trennung in homogene Gruppen als wesentlichste Differenzierungsmöglichkeit) und somit Beibehaltung der herkömmlichen Formen der Lernorganisation und des Unterrichts

  • Leistungsbeurteilung und Zeugnis entsprechend den herkömmlichen Regelungen der jeweiligen Schulart

Kooperative Klassen werden meistens an Standorten errichtet, an denen die Integration behinderter Kinder als starke Gefährdung herkömmlicher Strukturen gesehen wird und die grundlegende Skepsis der meisten Beteiligten zu einem Modell des »kleinsten gemeinsamen Nenners« führt (vgl. SPECHT 1997a, Bd.3, 20), welches zwar den Namen Integration trägt, Art und Ausmaß sozialintegrativer Maßnahmen aber vollkommen frei lässt. JOPPICH fasst in seiner Fallstudie die problematischen Aspekte des Modells Kooperative Klasse folgendermaßen zusammen:

»Den Kooperativen Klassen fehlt es an Kontinuität hinsichtlich der Lerngruppenzusammensetzung, der Lerngröße, das führt zu Störungen und Irritationen. Das gemeinsame Lernen beschränkt sich auf den MTK-Bereich[9], dem in der Gesellschaft vielfach ein geringerer Stellenwert im Vergleich zu den Unterrichtsgegenständen Deutsch, Englisch, Mathematik beigemessen wird. In diesem Modell bleibt der Status der Sonderschüler mit all den bestehenden Vorurteilen und Diskriminierungen aufrecht. Der durch die jahrgangsübergreifende Zusammensetzung der Allgemeinen Sonderschulklasse[10] entstehende Altersunterschied der Schüler begünstigt disziplinäre Probleme. In diesem Modell kann Soziale Integration nur schwer verwirklicht werden, weil die angebahnten sozialen Kontakte immer wieder abgebrochen werden müssen (Wechsel der Lerngruppe).

... Wenn letztlich in der abschließenden Beurteilung des Versuchsmodells mehr negative als positive Aspekte angeführt werden, so liegt dies nicht an den handelnden Personen, sondern an den Schwächen des Modells« (JOPPICH 1997, 62f).

Klein- oder Förderklasse

Dies ist ein Integrationsmodell, das bereits 1985/86 von der oberösterreichischen Schulbehörde initiiert und an Hauptschulen erstmals 1987/88 erprobt wurde, um dem Rückgang der SonderschülerInnen entgegen zu wirken.

Die damalige Schulversuchsbeschreibung war durch folgende Grundsätze gekennzeichnet:

Sechs bis zehn SchülerInnen mit Lern- und/oder Verhaltensschwierigkeiten werden zu einem überwiegenden Teil von einem Sonderschullehrer oder einer Sonderschullehrerin unterrichtet. Ziel der Kleinklasse ist vor allem die baldige Rückführung der SchülerInnen in die Regelklasse oder zumindest die teilweise Erreichung eines Hauptschulabschlusses. Diese zielgleiche Integration soll durch eine individuelle und heilpädagogische Förderung in der kleinen Gruppe erreicht werden. Die äußere Differenzierung soll durch unterschiedliche Formen der Kooperation mit Regelklassen durchbrochen werden. Die Kooperation kann von der gemeinsamen Teilnahme an Schulveranstaltungen bis zum gemeinsamen Unterricht in einzelnen Fächern reichen. Damit soll gleichzeitig eine Sensibilisierung der HauptschullehrerInnen für die Probleme behinderter Kinder und heilpädagogische Unterrichtsformen bewirkt werden.

Im Rahmen einer ausführlichen Evaluation im Schuljahr 1990/91 musste festgestellt werden, dass die Kleinklasse zwar eine positive Alternative zur angeschlossenen Sonderschulklasse darstellt, wesentliche Ziele der Integration jedoch kaum erfüllt werden können. Eine Modifizierung des Kleinklassenmodells erfolgte daraufhin im Schuljahr 1991/92 unter Einbeziehung betroffener LehrerInnen und LeiterInnen. Die wesentlichen Neuerungen der modifizierten Projektbeschreibung des Schulversuches Kleinklassen an Hauptschulen vom April 1992 seien kurz aufgezählt:

  • Zieldifferente anstelle einer zielgleichen Integration durch ehrliche Anpassung des Lehrplanniveaus an die Fähigkeiten der Kinder

  • Kein Ausschluss von Kindern aufgrund der Art und Schwere der Behinderung

  • Gemeinsamer Unterricht mit einer Regelklasse soll die Regel sein, Trennung nur aus pädagogischen oder sonstigen wichtigen Gründen

  • Festlegung der Kooperationspartner und -formen bereits zu Beginn des Schuljahres

  • Beschränkung auf maximal zwei Schulstufen

  • Einführung offener und handlungsorientierter Unterrichtsformen

  • Alternative Formen der Leistungsbeurteilung prinzipiell möglich

Die Erfahrung zeigt, dass gemeinsamer Unterricht der SchülerInnen einer Klein- und einer Hauptschulklasse analog zum Modell Kooperationsklasse je nach Standort in sehr unterschiedlichem Ausmaß stattfindet, nämlich von gar nicht bis zu allen Wochenstunden in einzelnen Fächern. Im Rahmen des Projektes INTSEK (GRUBER/SPECHT 1995) wurden im oberösterreichischen Länderbericht[11] die Erfahrungen mit dem Modell Klein- oder Förderklasse ausführlich beschrieben und folgende abschließende Stellungnahme abgegeben:

»Auch wir sind der Meinung, dass die Kleinklasse eine positive Weiterentwicklung der Allgemeinen Sonderschule darstellt, da die Kleinklassenschüler nicht mehr den Stempel der Sonderschule aufgedrückt bekommen und in die Regelschule eingebunden sind, wodurch sich vermehrt soziale Kontakte ergeben, was sich wiederum sehr positiv auf das Selbstverständnis der Schüler auswirken kann. Weiters können die Schüler in der Kleinklasse all jene Vorteile genießen, die durch den Schonraum der kleinen Gruppe und des Klassenlehrersystems gegeben sind.

... Durch die Modifikation des Kleinklassensystems im Schuljahr 1991/92 sollte eine Optimierung der Kleinklasse als eine Organisationsform zur teilweisen Integration behinderter Kinder erfolgen. Das modifizierte Modell konnte sich aber in der Praxis nicht durchsetzen, und so muss auch heute noch festgestellt werden, dass wesentliche Ziele der Integration behinderter Kinder, wie zum Beispiel die Unteilbarkeit von Integration, Individualisierung statt Normierung und gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten behinderter und nichtbehinderter Kinder kaum erfüllt werden.

... Die Entwicklung des Kleinklassenmodells in Oberösterreich hat gezeigt, dass kooperative Organisationsformen eher die Segregation als die Integration fördern. Wenn man den Regelklassenlehrern eine günstige Möglichkeit bietet, ihre Problemkinder abzugeben, noch dazu bei einer kompetenten Stelle und natürlich nur zum Besten des Kindes, kann man nicht erwarten, dass diese sich noch darüber Gedanken machen, was sie selbst zur Integration im Sinne von gemeinsamen Leben, Lernen und Arbeiten beitragen könnten. Warum auch?

Aber auch kooperative Formen benötigen die Mitarbeit der Regelklassenlehrer, wenn sie zumindest teilweise zu integrativen Unterrichtsformen führen sollen. Da die Institutionalisierung der Zusammenarbeit im modifizierten Kleinklassenmodell nicht gegriffen hat und die organisatorischen Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit wie Stufenreinheit[12] in der Kleinklasse und geringe Schülerzahlen in zumindest einer Parallelklasse kaum erreichbar sind, ›bleibt noch die Frage: Die Kleinklasse - ein Auslaufmodell?‹ « (FEYERER/FRAGNER/HAUER 1995, 145f).

Diese Frage konnte damals - zumindest für das Bundesland Oberösterreich - noch eindeutig mit Ja beantwortet werden. Heute wird es durch die Verschlechterung der Rahmenbedingungen von Integrationsklassen aber wieder aktuell. Inwieweit es letztlich bei einer weiteren Verschlechterung der Bedingungen wieder an Bedeutung gewinnt, kann momentan noch nicht abgeschätzt werden.

In Österreich gibt es viele Stimmen, die eine getrennte Beschulung mit vereinzelten sozialen Kontakten speziell bei der Beschulung von Kindern mit einer geistigen Behinderung für die bessere Variante halten. Andererseits gibt es viele Erfahrungen im Rahmen der integrativen Schulversuche, die zeigen, dass die integrative Form sowohl für die behinderten als auch für die nichtbehinderten Kinder sinnvoll verwirklichbar ist, wenn man sich darum bemüht. Wir dürfen als Beweis dafür einige Ergebnisse der bundesweiten Evaluation durch SPECHT (1993a) anführen, der im Rahmen eines Modellvergleiches zu den im Folgenden beschriebenen Ergebnissen kam.

Evaluationsergebnisse zu den integrativen/kooperativen Schulversuchsmodellen in Österreich - ein Modellvergleich

In die von SPECHT 1991 durchgeführte Befragung wurden alle damaligen österreichischen Schulversuchsklassen einbezogen. Insgesamt waren dies 406 Klassen, 332 (= 80,8 % Rücklauf) nahmen an der Befragung teil (vgl. SPECHT 1993a, 25f).

367 Integrations-, 296 Stützlehrer-, 45 Kooperations- und 80 KleinklassenlehrerInnen, also insgesamt 788 Befragte (davon 651 Frauen und 133 Männer) gaben jeweils über ihre Erfahrungen in ihrem Modell Auskunft. Vergleicht man die Aussagen der LehrerInnen bezüglich ihrer Erfolgswahrnehmungen nach den vier Modellen[13], so ergibt sich eine deutlich erkennbare und über verschiedene Dimensionen hinweg recht konsistente Rangordnung:

Abbildung 8: Erfolgsbilanz global (LehrerInneneinschätzungen); Aufgliederung nach Modellen; N = 715

  • Über fast alle Dimensionen hinweg zeichnen LehrerInnen aus Integrationsklassen deutlich die positivste Erfolgsbilanz ihrer pädagogischen Tätigkeit im Sinne integrativer Zielsetzungen:

  • Sie sehen die Prinzipien der Förderung aller SchülerInnen (der behinderten wie auch der nichtbehinderten) in ihren Klassen am besten verwirklicht.

  • Es gelingt ihnen besser als den LehrerInnen in anderen Modellen, in ihren Klassen ein pädagogisch reichhaltiges und sozial-integratives Klima herzustellen.

  • Schließlich schätzen sie die Erfolge im Bereich LehrerInnenkooperation und der flexiblen inneren Unterrichtsdifferenzierung deutlich höher ein als ihre KollegInnen in den anderen Modellen.

  • Deutlich weniger positiv in allen diesen Aspekten sind die Erfolgseinschätzungen der LehrerInnen an Klassen, die nach dem Stützlehrermodell arbeiten. Auf der anderen Seite ist die Erfolgsbilanz aus der Sicht dieser LehrerInnen zumeist erkennbar positiver als jene in den Kleinklassen und den Kooperativen Klassen. Das Stützlehrermodell nimmt hier eine Art Mittelstellung ein.

  • LehrerInnen, die im Modell Kleinklasse bzw. Kooperative Klasse unterrichten, sind bei den meisten Dimensionen am zurückhaltendsten, was die Einschätzung eigener Erfolge im Bereich der pädagogischen Qualität im allgemeinen und im Bereich der Integration im besonderen angeht. Unterschiede zwischen diesen beiden Modellen finden sich vor allem im Bereich der LehrerInnenkooperation, die in den Kleinklassen besonders problematisch zu sein scheint.

Diese Daten sowie ergänzende Ergebnisse zu anderen Fragestellungen legen nahe, in der Modellvariante Integrationsklasse, wie sie derzeit in Österreich praktiziert wird (Klassenschülerzahl ca. 20-24, 3-5 behinderte Kinder, zusätzliche sonderpädagogische Betreuung in den meisten Schulstunden), jenen organisatorischen Rahmen zu sehen, in dem ein pädagogisch wertvoller und für die Kinder motivierender Unterricht sowie ein integratives Klima in der Lerngruppe am zuverlässigsten herstellbar ist. Diese Organisationsform scheint vergleichsweise am robustesten gegenüber Störungen und Problemen zu sein, wie sie in integrativen schulischen Settings auftreten können.

Beim Faktor Förderung von Lernfreude und Motivation bei den SchülerInnen traten übrigens in der extremsten Weise die Unterschiede zwischen integrativen und kooperativen Modellen auf:

Abbildung 9: Lernfreude und Motivation, Aufgliederung nach Modellen, N = 727

»Es fällt schwer, die Ergebnisse anders zu interpretieren, als dass die Rahmenbedingungen insbesondere des Kooperativen Modells (zumindest in seiner gegenwärtig vorherrschenden Ausgestaltung) dem Wohlbefinden und der Identifikation der Schüler mit der Schule nicht nur nicht förderlich, sondern geradezu abträglich sind. Andererseits sind hier auch die Unterschiede zwischen Integrationsklassen und dem Stützlehrermodell so ausgeprägt, dass sich die Annahme einer positiven Auswirkung des durchgängig praktizierten Zwei-LehrerInnen-Systems auf das Lernklima nahe legt (auch wenn es sich hier - man muss es immer wieder sagen - nicht um gemessene, sondern um eingeschätzte Effekte handelt)« (SPECHT 1992, 17).

Abschließende Bewertung integrativer/kooperativer Modelle

Die Gefahren kooperativer Modelle liegen darin, dass die organisatorischen Bedingungen zu einer Kumulierung unerwünschter Folgen führen und die eigentlichen Zielsetzungen der Integration nicht realisiert werden. Integriert man nur in eher leistungsirrelevanten Bereichen, beraubt man sich genau jener Möglichkeiten, die den gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder über die soziale Integration hinaus erfolgversprechend machen. Die Kinder der Kooperativen Klassen bleiben zumeist bloß Gäste in der Klasse der nichtbehinderten Kinder, die notwendige Zeit für das Entdecken von Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, die helfen, das Trennende zu überwinden, ist zu kurz. »Das Abbrechen und Wiederaufnehmen des Prozesses der Gemeinsamkeit, die Koppelung mit negativen und belastenden Momenten (Wechsel der Lerngruppe, des Raumes, der Bezugsperson) ist modellimmanent und stört den Integrationsprozess« (JOPPICH 1997, 62).

Die Chancen kooperativer Modelle bestehen meiner Meinung nach darin, dass jene LehrerInnen, die eine integrative Schule in obigem Sinne verwirklichen wollen, diese trotz der organisatorischen Schwierigkeiten umsetzen und somit die Sinnhaftigkeit des Gemeinsamen Lernens behinderter und nichtbehinderter Kinder beweisen können. Diese Bemühungen werden aber letztendlich nur marginal begrenzt erfolgreich sein können. Parallel dazu erscheint eine Erweiterung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie eine umfassende Unterstützung der LehrerInnen in Form von berufsbegleitender Fort- und Weiterbildung innerhalb eines integrationsfreundlichen Netzwerkes unerlässlich, wenn gemeinsamer Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder zu substantiellen Ergebnissen der intellektuellen Förderung, der Überwindung sozialer Barrieren und der realen Teilhabe behinderter Menschen an der Normalität des Alltagslebens führen soll.

Das Ziel und der Maßstab ist eine kindgerechte Schule für alle

Eine integrative Schule, die sich als eine Schule für alle versteht, will in besonderer Weise Grundqualifikationen sozialen Handelns vermitteln und versteht sich als wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer humanen und demokratischen Gesellschaft, die geprägt ist von gleichberechtigtem Miteinander verschiedenster Menschen, die sowohl Narren als auch Künstlern, sowohl Genies als auch Menschen mit Behinderungen die gleiche Achtung und Würde entgegenbringt. Integration will nicht gleichmachen, nicht nivellieren, sondern die vielfältigen Formen menschlichen Seins fördern. Dies bedeutet aber nicht, den Auftrag der Schule, ihre SchülerInnen für die Übernahme leistungsbezogener Rollen zu qualifizieren, aufzugeben, denn Leistungserwartungen werden auch in einer Schule für alle Kinder gestellt und erfüllt. Aus integrationspädagogischer Sicht bedeutet Leistung aber nicht Wettbewerb, Konkurrenz und Selektion. SchülerInnen sollen nicht mit anderen SchülerInnen verglichen und an diesen gemessen werden, sondern an sich selbst. Maßstab soll sein, wie vollständig ein Kind seine Fähigkeiten genützt und erweitert hat. Leistung hat hier eine zusätzliche soziale Bedeutung: Sie schließt das Erlernen der Fähigkeit ein, über alle Unterschiede hinweg mit anderen Menschen zu kooperieren und diese in ihrer Lebensbewältigung solidarisch zu unterstützen.

Die Verwirklichung einer solchen nichtaussondernden Schule ist nicht unbedingt an spezielle organisatorische Modelle geknüpft, denn es kann auch unter dem Namen Kooperative Klasse, Kleinklasse oder Außenklasse integrativ gearbeitet werden. Unter dem Namen Integrationsklasse kann andererseits durchaus auch bloß kooperativ gearbeitet werden, wenn sich die LehrerInnen nicht die Mühe machen, Unterrichtssituationen so zu planen, dass wirklich ein gemeinsames Lernen am gemeinsamen Gegenstand möglich wird.

Alle Evaluationsergebnisse zeigen aber, dass die trennenden Momente in den kooperativen Modellen zumeist im Vordergrund stehen. SPECHT (1993b) hat sich unter dem Titel Integration oder Kooperation mit der Frage nach dem optimalen Integrationsmodell auseinandergesetzt und kommt dabei zur folgenden These:

»Wenn man Integration von behinderten Kindern in der Schule aus gesellschaftspolitischen Erwägungen heraus politisch will (wofür vieles spricht), dann besteht die größte Chance für eine auch pädagogische Wirksamkeit dieser Intention darin, sie möglichst konsequent umzusetzen. Konsequent heißt, auf alle segregierenden Momente zu verzichten, die im Sinne der Betreuung und Förderung der betroffenen Kinder nicht unbedingt erforderlich sind« (SPECHT 1993b, 15).

Entsprechend der Erkenntnis, dass zur flächendeckenden Integration ein möglichst breites organisatorisches Angebot vorhanden sein muss, legte sich der österreichische Bundesgesetzgeber bei der Überführung der Integration ins Regelschulwesen nicht auf ein Modell fest, sondern schuf die Grundlagen dafür, dass der gemeinsame Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder flexibel und autonom am Standort ermöglicht werden kann, wenn die Eltern behinderter Kinder dies wünschen. Die konkrete organisatorische Umsetzung des Wahlrechtes der Eltern liegt nun im Ermessensspielraum der Länder, der BezirksschulinspektorInnen, DirektorInnen und LehrerInnen. Jede Schule kann in unterschiedlicher organisatorischer Art und Weise den gesetzlichen Auftrag des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Kinder erfüllen. Die Gefahr, dass kooperative Modelle mit bloß räumlichem Beisammensein in einem Schulgebäude und nur lockeren sozialen Kontakten in der Pause, bei Schulveranstaltungen oder einzelnen Unterrichtsvorhaben entgegen der Entwicklung im Schulversuch nun im Regelschulwesen zum hauptsächlichen Modell werden, ist insofern groß, da damit einerseits der Gesetzesauftrag formal erfüllt wird, andererseits keine wesentlichen Veränderungen im additiven Schulsystem und in der Unterrichtsorganisation erfolgen müssen.

Entscheidend bei der Umsetzung flexibler und autonomer organisatorischer Lösungen im Regelschulwesen wird daher die Auseinandersetzung mit dem Begriff Integration bzw. Inklusion sein, wobei der inhaltliche Rahmen einer umfassenden schulischen Integration unserer Meinung nach am besten durch die Definition Georg FEUSERs gegeben ist und innerhalb des Modells Integrationsklasse am konsequentesten verwirklicht werden kann:

»Integrative Pädagogik in diesem Sinne meint eine allgemeine, kindzentrierte und basale Pädagogik, in der alle Kinder in Kooperation miteinander auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenz an und mit einem gemeinsamen Gegenstand spielen, lernen und arbeiten« (vgl. FEUSER 1995, 168).

Der gemeinsame Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder muss demnach ein offener und schülerzentrierter Unterricht sein, was auch ein neues Verständnis der LehrerInnenrolle bedingt. So sind die IntegrationslehrerInnen nicht hauptsächlich WissensvermittlerInnen, sondern vor allem HelferInnen ihrer SchülerInnen bei deren persönlichen und individuellen Entwicklung innerhalb der sozialen Gemeinschaft. Ihre Aufgabe besteht nicht hauptsächlich darin, den Kindern vorgefertigte Antworten auf nichtgestellte Fragen zu servieren. Vielmehr geht es darum, Freiräume zu schaffen, in denen die Kinder Antworten auf eigene Fragen durch kritische Auseinandersetzung mit der Welt finden können. Probleme wie unterschiedliche Aufmerksamkeit, unterschiedliches Arbeitstempo, Bewegungs- und Kommunikationsbedürfnis der Kinder werden nicht als störende Faktoren zu eliminieren versucht sondern als individuelle Lernbedingungen betrachtet und so in die Unterrichtsarbeit miteinbezogen, dass jede Schülerin und jeder Schüler sich erfolgreich auf ihrem/seinem Niveau weiterentwickeln kann, denn: Jedes Kind steht im Mittelpunkt.

Die wichtigsten Prinzipien für integrativen Unterricht schlagwortartig zusammengefasst lauten somit:

  • mehr Heterogenität, weniger Homogenität

  • mehr Miteinander, weniger Gegeneinander

  • mehr innere Differenzierung, weniger äußere Differenzierung

  • mehr Schülerzentriertheit, weniger Lehrerzentriertheit

  • mehr Projektunterricht, weniger Fachunterricht

Die konkrete Umsetzung dieser Prinzipien unterscheidet sich von Standort zu Standort sehr stark, denn das Prinzip der Vielfalt ist selbstverständlich auch den einzelnen LehrerInnen und Schulen zuzugestehen. Da die integrativen Klassen sich alle innerhalb des selektionsorientierten Schulwesens befinden, als Grundlage des Unterrichts die schulstufenbezogenen Lehrpläne gelten und die darin unterrichtenden LehrerInnen in diesem System sozialisiert worden sind, ist davon auszugehen, dass die Prinzipien der integrativen Pädagogik oft nur in Ansätzen im Sinne einer schrittweisen Weiterentwicklung der herkömmlichen Schule in Richtung kindgemäße Schule (vgl. JÜRGENS 1995, 102ff) zur Anwendung kommen. Insgesamt ist aber klar zu sehen, dass in Integrationsklassen eine deutlich stärkere Verwirklichung obiger Prinzipien wahrgenommen werden kann als in allen anderen Modellen.

Ein Beispiel einer Klasse, in der die Prinzipien einer inklusiven Schule in sehr hohem Ausmaß umgesetzt wurden, ist die OFFENE KLASSE der Hauptschule Oberneukirchen, die im nächsten Kapitel näher beschrieben wird.



[5] Mit der gesetzlichen Verankerung der Integration wurde der Begriff behinderte Kinder durch Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ersetzt, gemeint damit ist aber nach wie vor jedes Kind, das »infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule oder in der Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag, aber dennoch schulfähig ist.« (SchPfG, § 8, Abs. 1)

[6] vgl. dazu FEYERER 1998, 22ff

[7] In Österreich werden, wie bereits erwähnt, die SchülerInnen der Hauptschule laut Lehrplan in den Hauptfächern nach drei Leistungsgruppen (= LG) unterteilt. Die 1. LG ist von den Lehrplananforderungen her identisch mit dem Lehrplan der Unterstufe des Gymnasiums.

[8] SchülerInnen, die in Deutsch und Mathematik im Abschlußzeugnis der 4. Klasse Grundschule eine schlechtere Note als Gut aufweisen und keine AHS-Reifeklausel erhalten haben, dürfen nur eine Hauptschule besuchen.

[9] Damit sind die Fächer Musik-, Werk-, Leibeserziehung und Bildnerische Erziehung gemeint.

[10] Die Allgemeine Sonderschule entspricht der Lernbehindertenschule in Deutschland und weist einen überproportionalen Anteil an Jungen auf.

[11] Diesem Bericht (FEYERER/FRAGNER/HAUER 1995) sind neben einer ausführlichen Analyse der drei erprobten Modelle Integrations-, Klein- und Stützlehrerklasse auch die jeweiligen Rahmenkonzepte des Landesschulrates im Detail zu entnehmen.

[12] In Kleinklassen mussten oft SchülerInnen von zwei bis vier Schulstufen zusammengefasst werden, um die Eröffnungszahl zu erreichen. Dadurch war es äußerst schwierig, geeignete Regelklassen für die Kooperation

[13] FK = Förderklasse oder Kleinklasse, KK = Kooperationsklasse (diese beiden Modelle sind kooperative Modelle); IK = Integrationsklasse, SL = Stützlehrerklasse (integrative Modelle, bei denen die Kinder mit Behinderungen Teil der Regelklasse sind)

Förderliche Rahmenbedingungen für das Gelingen der Integration auf der Sekundarstufe 1 - konkretisiert am Beispiel der OFFENEN KLASSEN

In Integrationsklassen können sowohl hochbegabte als auch geistigbehinderte Kinder erfolgreich lernen. Dies gelingt aber nur, wenn die Heterogenität der SchülerInnengruppe ausreichend berücksichtigt wird. Innere Differenzierung durch Individualisierung, Offener Unterricht, Freiarbeit und Projektunterricht, Alternative Formen der Leistungsbeurteilung, Teamteaching und Kooperation ermöglichen ein Abgehen vom Zusammenschluss der Kinder mit scheinbar gleichen Fähigkeiten in »homogenen« Leistungsgruppen und somit vom sozialen Ausschluss lernschwacher bzw. hochbegabter SchülerInnen in Sonderklassen.

An der Hauptschule Oberneukirchen wurde 1992 eine der ersten Integrationsklassen auf der Sekundarstufe 1 in Oberösterreich errichtet. Diese Klasse wurde auch als eine Modell-Klasse des Landesschulrates für Oberösterreich für das österreichweite Evaluationsprojekt INTSEK (vgl. SPECHT 1995 und 1997a) gemeldet.

In diesem Kapitel wird einerseits dargestellt, wie an der Hauptschule Oberneukirchen konkret mit der Heterogenität umgegangen wird, wie Innere Differenzierung in einer gut funktionierenden Hauptschule in einer ländlichen Region[14] verwirklicht wird und wie sich der Unterricht bezüglich offener Lernformen wie z.B. Freiarbeit und Projektunterricht weiterentwickelt hat. Nach der Beschreibung der konkreten Situation an der Hauptschule Oberneukirchen stellen wir die wichtigsten Faktoren für das Gelingen der Integration verallgemeinernd im Sinne von Handlungsrichtlinien dar.

Die OFFENE KLASSE an der Hauptschule Oberneukirchen

Ausgangssituation

Die Hauptschule Oberneukirchen liegt im oberen Mühlviertel, ist eine ländliche Hauptschule, die nahezu 100% der Schülerpopulation aus dem Einzugswohngebiet aufnimmt, da sich kein Sonderschulstandort und kein Gymnasium in der Nähe befindet. In der Regel gibt es pro Jahrgang drei Klassen, wovon eine als OFFENE KLASSE (Integrationsklasse) geführt wird.

Da jedes Jahr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in diese Hauptschule kommen wollen, werden in jeder Jahrgangsstufe entweder eine Integrationsklasse oder eine Stützlehrerklasse geführt. Das LehrerInnenteam der ersten Integrationsklasse, welches das Organisationskonzept der OFFENEN KLASSE erstellte, arbeitete einstweilen bereits zwei volle Durchgänge über jeweils vier Schuljahre mit einer Integrationsklasse.

Die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind übrigens nicht der alleinige Grund, warum dieses Team Integration praktiziert. Die Verwirklichung einer integrativen Pädagogik ermöglicht es nämlich, allen Kindern gerecht zu werden. Hochbegabte Kinder werden ebenso individualisiert gefördert wie behinderte Kinder. In der gemeinsamen Arbeit an einem gemeinsamen Thema - die Grundlage des Projektunterrichtes - kann jedes Kind seine individuellen Fähigkeiten und Beiträge einbringen und so sein Lernen als bedeutend für die Gemeinschaft erfahren. Ein MITEINANDER wird lebendig.

Entstehungsgeschichte

An der Hauptschule Oberneukirchen bestanden vor Beginn der Integrationsklassen Kleinklassen. Diese unterlagen ständigen Modifikationen, die eine effizientere Arbeit, mehr Freude bei den Kindern sowie mehr Austausch zwischen Hauptschul- und KleinklassenlehrerInnen mit sich brachten. Aus diesem Reformanspruch heraus entstand das Konzept der OFFENEN KLASSE.

Obwohl es selbstverständlich nicht am Namen liegt, dieser aber doch einen neuen, modifizierten Anspruch repräsentierte, wurde der Name beibehalten. Da das Konzept als ein dynamisches verstanden wird, wurden im Verlauf der mittlerweile zehn Jahre selbstverständlich einige Modifikationen vorgenommen, die sich aber ausschließlich auf organisatorische bzw. methodisch-didaktische Fragen beziehen und an der wesentlichen Struktur des Konzeptes nichts veränderten.

Anliegen und Zielsetzungen

Eine Gesellschaft, die sich christlich, liberal, sozial und demokratisch nennt, darf sich dem Recht auf gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder nicht verschließen. Äußere Differenzierungsformen können durch innere Differenzierungsformen ersetzt werden. Durch die OFFENE KLASSE sollen Wege und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie sich die Schulen der Sekundarstufe 1 für alle Kinder öffnen könnten.

Durch die innere sowie äußere Organisation sollen folgende Zielsetzungen verwirklicht, und die daraus resultierenden Fähigkeiten entwickelt werden.

  • Selbständigkeit bei der Auswahl und Durchführung einer bestimmten Arbeit, sowie darüber hinausgehende Eigenständigkeit im täglichen Leben

  • Verantwortung für das eigene Lernen, für die zu erbringenden Leistungen und als Mensch gegenüber den Mitmenschen

  • Erhöhung der sozialen Akzeptanz (passiv und aktiv)

  • Förderung der Kreativität, Spontaneität

  • Lernen aus innerem Antrieb, Eigeninitiative

  • Forschendes Lernen, problemlösendes Denken

  • Gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien

  • Erlernen grundlegender Fähigkeiten und Fertigkeiten mit Freude und ohne Stress

  • Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls

  • Lernen lernen

Klassenzusammensetzung

In die OFFENE KLASSE werden alle Kinder aufgenommen, kein Kind wird ausgeschlossen. Das bedeutet, dass die OFFENE KLASSE behinderten und nichtbehinderten Kindern gleichen Zugang zum gemeinsamen Lernen ermöglicht. Die Aufnahme von Kindern mit schweren Behinderungen hat lediglich Konsequenzen für die KlassenschülerInnenhöchstzahl sowie für die materiellen und personellen Hilfen.

Die Zusammensetzung der Klasse wird maßgeblich vom LehrerInnenteam bestimmt, da es auch das LehrerInnenteam ist, welches die Arbeit verantworten muss. Heterogenität auf allen Ebenen (Leistungsfähigkeit, Geschlecht, Sozialverhalten, Herkunft) ist das Ziel. In strittigen Fällen wird auf die Unterstützung eines interdisziplinären Teams (GrundschullehrerInnen, SchulpsychologIn, MitarbeiterInnen des sonderpädagogischen Zentrums, SchulleiterInnen) zurückgegriffen.

Die OFFENE KLASSE ist als pädagogisches Gesamtsystem zu sehen, wobei bei der Zusammensetzung besonders auf die soziale Struktur der Klasse, die Art und den Schweregrad der Behinderung der Kinder, die räumlichen Gegebenheiten der Schule sowie auf die materiellen und personellen Hilfen Rücksicht genommen werden muss. Falls notwendige Bedingungen nicht vorhanden sind, müssen diese geschaffen werden.

Abbildung 10: Klassenfoto der ersten OFFENEN KLASSE, 1992/93

Im ersten Durchgang bestand unsere Klasse aus 25 SchülerInnen, wobei 4 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf dabei waren. Die Beeinträchtigungen reichten von Lernbehinderungen bis hin zu einem Schüler mit einer geistigen Behinderung, der nach dem Lehrplan für schwerstbehinderte Kinder[15] unterrichtet werden musste. Für den Start sagte der Schulerhalter (= die Gemeinde) eine finanzielle Unterstützung zu. Somit war es möglich, eine Freinetdruckerei, zahlreiche Lernmaterialien anzuschaffen und den Klassenraum den Anforderungen einer OFFENEN KLASSE gemäß einzurichten. Lernbereiche wurden geschaffen, ein Computer angekauft, eine Experimentierecke hergerichtet, .....

Vor dem zweiten Durchgang stellen wir uns die Frage: Was wollen wir im Vergleich zum ersten Mal besser oder anders machen?

Die Zusammensetzung der Klasse war ähnlich wie beim ersten Durchgang (vier Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, wobei diesmal ein Schüler auch als verhaltensschwierig eingestuft war, die übrigen drei SchülerInnen galten als lernbehindert).

An der Gesamtkonzeption hielten wir fest, Änderungen ergaben sich nur an der Organisation des Unterrichts, da wir in dieser Klasse feststellen mussten, dass ein sehr klare Struktur sowie das peinlich genaue Einhalten unserer Klassenregeln notwendig war. In der Gruppe der nichtbehinderten SchülerInnen waren einfach deutlich mehr »lebendige« Kinder. Daraus ergaben sich Änderungen in der Wochenplanarbeit, der Freiarbeit und der Projektarbeit. In der Planarbeit achteten wir besonders auf den »Arbeitslärm« und darauf, dass in Gruppenarbeiten wirklich gemeinsam gearbeitet wurde. In der freien Arbeit und im Projekt mussten wir uns immer wieder vergewissern, dass die Aufträge oder das, was sich die Kinder selber vorgenommen hatten, auch tatsächlich erledigt wurde. Diese organisatorischen Änderungen waren notwenig, weil sich die SchülerInnen dieser Klasse bei weitem nicht so selbstständig organisieren konnten wie die der vorangegangen Klasse.

LehrerInneneinsatz

Die Aufgaben der Klassenlehrerin/des Klassenlehrers[16] sollte unserer Meinung nach der Sonderpädagoge bzw. die Sonderpädagogin übernehmen, da er/sie alle seine/ihre Stunden in der Klasse unterrichten kann, während die HauptschullehrerInnen Teile ihrer Lehrverpflichtung in anderen Klassen zu absolvieren haben. Wesentlich erscheint vor allem, dass so wenig LehrerInnen in der Klasse unterrichten wie möglich. Die Klasse soll ein Ort sein, wo sich die SchülerInnen wohl fühlen können und eine ständige Bezugsperson vorfinden. Daher wurden HauptschullehrerInnen auch in Fächern eingesetzt, in denen sie nicht geprüft waren, da dadurch eine Verringerung der LehrerInnenzahl erreicht werden konnte. Ein Kernteam von vier LehrerInnen (ein/e SonderpädagogIn, ein/e Mathematik-, ein/e Deutsch- und ein/e EnglischlehrerIn), das rund 80% aller Unterrichtsstunden abdeckt, hat sich als optimal erwiesen. Dadurch wird es möglich, dass immer eine/r der beiden LehrerInnen bei Stundenwechsel in der Klasse bleibt, was sich äußerst positiv sowohl auf das Klassenklima als auch auf die Unterrichtsgestaltung auswirkt, da damit die zusammenhanglose Aneinanderreihung von Fächern in eine pädagogisch sinnvolle, ganzheitliche und projektorientierte Unterrichtsstruktur umgewandelt werden kann.

Das LehrerInnenteam der OFFENEN Klasse setzt sich auch heute noch ähnlich wie im nachfolgenden Beispiel der 1. Klasse im Schuljahr 1996/97 zusammen:

Kernteam:

Willi P. (Sonderschullehrer, Klassenlehrer[17], erfüllt die voll Lehrverpflichtung in der Klasse)

Christine P. (geprüfte Hauptschullehrerin, besonders für den mathematisch-technischen Bereich zuständig, mit fast ihrer ganzen Lehrverpflichtung in der OFFENEN KLASSE tätig und weiblicher Gegenpart im »KlassenlehrerInnenteam«, womit die SchülerInnen sowohl eine weibliche als auch eine männliche Bezugsperson zur Auswahl hatten; i.B. Mathematik, Deutsch, Projekt, Kunst, Werken und Musik)

Mag. Christof D. (als geprüfter AHS-Lehrer und Hauptschullehrer nun im Integrationsbereich besonders für den sprachlichen Bereich und die Projekte zuständig, i.B. Deutsch, Projekte)

Monika H. (geprüfte Hauptschullehrerin, besonders für den fremdsprachlichen Bereich, den Kreativbereich und den Sport zuständig, i.B. Englisch, Turnen, Kunst)

Weitere LehrerInnen:

Das oben angeführte Kernteam, das für die gesamte Organisation verantwortlich war, wurde noch durch jene LehrerInnen ergänzt, die aufgrund spezieller Ausbildungen bzw. dienstrechtlicher Bestimmungen in den Fächern Religion und Werken textil eingesetzt werden mussten. Dem LehrerInnenteam der Klasse gehörten selbstverständlich auch diese LehrerInnen an, bei den wöchentlichen Teambesprechungen, den Projektplanungen, etc. traf sich aber vorwiegend das Kernteam.

Stundenplan

Bei der Erstellung des Stundenplanes sind einige Kriterien zu beachten. Um eine möglichst kontinuierliche Arbeit leisten zu können sollen die LehrerInnen möglichst geblockt eingesetzt werden. Damit soll auch einem ständigen Wechsel der LehrerInnen im Laufe eines Tages vorgebeugt werden und die erzieherische Arbeit effektiver werden. Zumindest eine/r der beiden LehrerInnen soll bei notwendigem LehrerInnenwechsel in der Klasse bleiben. Auch projektorientiertes Lernen benötigt einen anderen organisatorischen Rahmen:

  • anstelle von 50 Minuten Einheiten müssen längere Unterrichtsphasen und auch individuellere Pausen möglich sein,

  • anstelle der genauen Festlegung der Unterrichtsfächer im Stundenplan tritt daher eine Rhythmisierung des Unterrichts nach Phasen wie Gebundener Fachunterricht, Planarbeit, Freiarbeit, Projektunterricht, Klassenrat,

  • die LehrerInnen des Kernteams sollten dazu die Möglichkeit haben, ihre Stunden in der Integrationsklasse innerhalb eines von der Direktion vorgegeben Rahmens für die Nutzung des Turnsaals, Zeichensaals, Physikraums, Werkraums selbst verteilen zu können,

  • ein Nachmittag sollte zumindest für alle LehrerInnen des Kernteams vom Unterricht freigehalten werden, damit diese gemeinsam planen und reflektieren können.

Der Stundenplan unserer Klasse orientierte sich an diesen Überlegungen und schaute (hier beispielhaft mit Erläuterungen angeführt) folgendermaßen aus:

Abbildung 11: Stundenplan der Offenen Klasse, 5. Schulstufe

Wochenplan, Freie Arbeit (rot unterlegt):

Zu Beginn eines jeden Tages wurde mit Freiarbeit und abschließendem Morgengesprächskreis begonnen. Wochenplan und freie Arbeit sind jene Arbeitszeiten, wo die SchülerInnen an ihren individuellen Zielen arbeiten können. Einige der im Lehrplan für Deutsch, Englisch, Mathematik vorgesehenen Stunden sind daher immer Teil der Wochenplan bzw. Freiarbeit.

Gebundene Stunden (weiß):

Jene Stunden, die als Fachstunden (Englisch, Mathematik, Deutsch, Religion, Sport, Werken, Bildnerische Erziehung) ausgewiesen sind, bezeichnen wir als gebundene Stunden, die für die Arbeit an fachspezifischen Themen reserviert sind.

Projekt (grün unterlegt):

Im Projektunterricht, dessen stundenplanmäßige Legitimation sich hauptsächlich aus den Fächern Geografie, Biologie, Geschichte, Physik/Chemie ergibt, arbeiten die SchülerInnen an individualisierten Zielsetzungen innerhalb eines gemeinsamen Themas, das mit den Schülern bestimmt wird. Über welche Unterrichtsstunden der Projektunterricht sich genau erstreckt, wird immer wieder vom Lehrerteam neu bei der Wochenplanung besprochen. Wenn es notwendig und sinnvoll erscheint, werden nämlich sowohl Stunden aus dem Bereich Wochenplan/Freiarbeit als auch der gebundenen Stunden mit einbezogen.

Klassenrat (hellblau unterlegt):

Im Klassenrat, der vom Lehrplan her aus den Fächern Deutsch und Sozialkunde begründet werden kann, werden im Sinne eines Klassenparlamentes alle für die Klassengemeinschaft wichtigen Entscheidungen getroffen, die vergangene Woche reflektiert und die kommende Woche geplant. Ein/e SchriftführerIn protokolliert, ein/e ModeratorIn lenkt die Diskussion. LehrerInnen und SchülerInnen sind mit dem gleichen Stimmrecht ausgestattet.

Leistungsbeurteilung

Die Arbeit in der OFFENEN KLASSE verlangt - durch die integrative Pädagogik begründet - eine nicht selektive sowie nicht segregierende Form der Beurteilung. Genauer gesagt geht es nicht um das Beurteilen, sondern um das Beschreiben eines erreichten Entwicklungsstandes und das Dokumentieren erbrachter Leistungen. So heißt es in der Information an die Eltern im Entwicklungsbericht der OFFENEN KLASSE:

»Offene Klassen geben behinderten und nichtbehinderten Kindern die Möglichkeit, sich ohne Hetze und Notendruck individuell zu entfalten und in ihren Lernleistungen ungehindert fortzuschreiten. Offene Unterrichtsformen erlauben den Schülern, sich ihren Interessen und Neigungen zu widmen und nach ihrem individuellen Rhythmus zu lernen. Lernziele werden so ausgewählt, dass sie den aktuellen Lernmöglichkeiten der Schüler entsprechen und so jedes Kind erfolgreich lernen kann.

Die Verwirklichung eines solchen schülerbezogenen Unterrichts erfordert eine neue Form der Leistungsbeurteilung, welche einerseits eine differenzierte Beschreibung der Lernausgangslage und des Lernfortschritts eines jeden Schülers ermöglicht und andererseits auf jegliche Kategorisierung und Typologisierung verzichtet.«

Die Beurteilung erfolgt zweigleisig. Zum einen durch die direkte Leistungsvorlage, zum anderen durch die Beschreibung des individuellen Entwicklungsstandes in Form eines Entwicklungsberichtes. Dazu werden für alle SchülerInnen lernzielorientierte Entwicklungsbögen erstellt, die gleichzeitig Planungs- und Rückmeldungsgrundlage sind.[18]

Die Beurteilungsform wird klassenautonom geregelt. Prinzipiell sind laut Rahmenkonzept des Landesschulrates für Oberösterreich verschiedene Formen erlaubt: verbale Beurteilung, Ziffernnoten, Entwicklungsbericht, Mischformen. Den Eltern wird jeweils zu Jahresbeginn die vom LehrerInnenteam favorisierte alternative Form der Beurteilung vorgestellt. Diese kann aber nur angewandt werden, wenn die Eltern mit einer Zweidrittelmehrheit dafür stimmen. In der Abschlussklasse und bei einem Schulwechsel muss die Beurteilung nach den geltenden Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes, also mit Ziffernnoten und dem Ausweis der jeweiligen Leistungsgruppe, erfolgen.

Teamarbeit und Supervision

Um die Zielsetzungen der OFFENEN KLASSE verwirklichen zu können, ist eine Koordination unumgänglich. Als unbedingt notwendige Grundlage für die Arbeit in der OFFENEN KLASSE sind somit regelmäßige Teambesprechungen während des gesamten Jahres zu sehen. Für alle LehrerInnen des Teams bedeutet dies gemeinsame Vorbereitung, Nachbereitung, Supervision sowie private Treffen, um die Organisation zu besprechen, den Unterricht zu planen und spezielle erzieherische Maßnahmen zu reflektieren. Einmal pro Woche erfolgt die gemeinsame Unterrichtsplanung und -reflexion des gesamten Kernteams in der Schule. Weiters hat es sich als sehr zielführend herausgestellt, dass sich das gesamte Team im Abstand von ungefähr vier bis sechs Wochen an einem Abend privat trifft, um prinzipielle Erziehungs- und Unterrichtsfragen zu erörtern.

In jeder Teamsitzung gab es viel zu besprechen. Neben der Planung des nächsten Unterrichtsabschnitts kamen immer wieder auch andere Themen zur Sprache. Im folgenden werden die Hauptthemen kurz beschrieben, die uns immer wieder beschäftigten:

1. Entwicklungsbericht

Für die Arbeit mit dem Entwicklungsbereicht ist es notwendig, regelmäßig die Lehrplanziele zu besprechen und in die aktuelle Form der Entwicklungsberichte einzuarbeiten.[19]

2. Unterrichtsorganisation (Wochenpläne, Regeln,...)

In der Teamarbeit ist es wichtig, dass alle ihre Kompetenzen einbringen können und - darauf haben wir besonders geachtet - dass alle Arbeiten gerecht aufgeteilt werden. Fragen wie Wer tippt die Wochenpläne?, Wer korrigiert welche Arbeiten?, Wer bereitet welches Material vor? etc. sind immer wieder neu zu klären, damit auch wirklich sichergestellt ist, dass »im Team« gearbeitet wird. Weiters ist das Reagieren auf bestimmte Situationen im Unterricht zu besprechen. Das Einhalten von Regeln verlangt, dass sich alle am Prozess Beteiligten nach den gemeinsam erarbeiteten Konsequenzen richten. Da die Personen im Team unterschiedliche Persönlichkeiten sind, gibt es etliche Beispiele, die zeigen, wie notwendig das gemeinsame Besprechen von Problembereichen (z.B.: Welcher Arbeitslärm ist erträglich?, Welche Entschuldigungen werden akzeptiert? Was machen wir, wenn ein/e Schüler/in die Hausaufgaben nicht macht?, etc.) und vor allem das gemeinsame Finden von Lösungen und Handlungsrichtlinien ist.

3. Materialienankauf, Materialerstellung, Besprechen »neuer« Materialien

Immer wieder haben wir festgestellt, dass die in der Schule vorhandenen Materialen nicht ausreichend sind, um für alle SchülerInnen geeignete Angebote zu finden. In der Teamsitzung überlegten wir, welches Material noch angeschafft werden könnte, ob nicht Personen mit besonderem Fachwissen eingeladen werden könnten und welches Material wir dem Entwicklungsstand der SchülerInnen entsprechend anpassen müssen.

4. Förderung der SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Die individualisierten Lernziele für die SchülerInnen mit SPF mussten analysiert und reflektiert werden, dazu ist es unumgänglich, dass alle am Lernprozess Beteiligten ihre Erfahrungen einbringen.

5. Zusätzliche Aufgaben für lernstarke SchülerInnen

Auch für die sogenannten hochbegabten SchülerInnen wurden immer zusätzliche Aufgabenstellungen überlegt, um wirklich alle SchülerInnen entsprechend zu fördern und so der Vielfalt der Kinder gerecht zu werden.

6. Lernzielkontrollen

Um Rückmeldung geben zu können, welche Ziele erreicht wurden, gaben wir den SchülerInnen die Möglichkeit anhand von Lernzielkontrollen ihr eigenes Wissen und Können zu überprüfen. Die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung mussten genau besprochen werden.

7. Organisation von Schulveranstaltungen

Wandertage, Exkursionen, weitere Aktivitäten wie z.B. Weihnachtsfeier, ein Spielfest in der letzten Schulwoche, etc. wurden so geplant, dass auch die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aktiv teilnehmen konnten.

8. Elternarbeit

Da wir TeamlehrerInnen uns auch den Kontakt zu den Eltern aufgeteilt hatten, nahmen wir die Teamsitzungen zum Anlass, uns auszutauschen und weitere Elternaktivitäten zu planen und über den kommenden Elternbrief zu reden.[20]

9. Stellung der Klasse in der Schule

Wichtig für uns war immer, dass die OFFENE KLASSE keine Sonderstellung in der Schule und im öffentlichen Umfeld bekommt. Wir arbeiten zwar anders, sind aber doch eine von vielen Hauptschulklassen in Oberneukirchen. Um zu zeigen, was wir gemacht haben, versuchten wir die Ergebnisse unserer Arbeit nach außen zu tragen. Immer wieder machten wir Ausstellungen, legten Texte auf , beklebten unsere Litfasssäule, die zeitweise vor der Klasse stand oder nahmen einfach, wie alle anderen auch, am Schulgeschehen teil. Dies musste natürlich ebenfalls organisiert und besprochen werden.

10. Fortbildungen

Gerade vor und zu Beginn der Arbeit in der OFFENEN KLASSE waren Fortbildungen sehr wichtig. Dabei hat sich als äußerst positiv und wichtig herausgestellt, dass bei Fortbildungsveranstaltungen zum integrativen Unterricht immer möglichst viele LehrerInnen aus dem Team teilnehmen konnten, da dann sofort ein Effekt für die Weiterentwicklung der konkreten pädagogischen Arbeit entstand. War allerdings nur ein/e TeilnehmerIn auf einer Fortbildungsveranstaltung, war die Transformation der neuen Erkenntnisse um einiges schwieriger.

11. Supervision

In einen gewissen Sinne dienten unsere Treffen und Besprechungen auch der Supervision. Im Team war klar vereinbart, dass alle Probleme angesprochen werden können und auch sollen. Natürlich gab es auch mal Meinungsverschiedenheiten, aber die Treffen waren ja auch dazu da, alles auszureden. Konfliktpotentiale waren vor allem Fragen der Erziehung, weil hier unterschiedliche Einstellungen der KollegInnen zusammen trafen. Bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten und Missstimmigkeiten sollte rechtzeitig Hilfe von außen geholt werden.

Interdisziplinäres Team

Neben der Begleitung durch das sonderpädagogische Zentrum (SPZ) sollte ein Team aus Fachkräften verschiedener Richtungen (z.B. PsychologIn, Ärzte, SonderpädagogIn, Eltern, wissenschaftliche Begleitung, LehrerInnen, DirektorIn, ...) einberufen werden können, um spezielle Probleme lösen zu können. Wir verstehen das als eine Erweiterung des Teams der Klasse, um auch eine Außensicht bekommen zu können. Diese Möglichkeit ist prinzipiell sehr notwendig, obwohl wir sie in dieser Form nicht beansprucht haben. Das mag auch den Grund darin haben, dass unsere Klassen wissenschaftlich betreut wurden, eine Fallstudie über eine unserer Klassen geschrieben wurde (HAUER 1997) und viele BesucherInnen uns Rückmeldung über unsere Arbeit sowie manch nützlichen Tipp zur Verbesserung gegeben haben.

Elternarbeit

Historisch gesehen war vor noch nicht allzu langer Zeit vorwiegendes Ziel der Elternarbeit, die Eltern über den Lernfortschritt ihrer Kinder zu informieren und im Falle erzieherischer Probleme auf die Erziehungskompetenz der Eltern zurückzugreifen und sie somit für das Verändern des Verhaltens ihres Kindes mitverantwortlich zu machen. Zu diesem Zweck waren pro Schuljahr zwei Elternsprechtage, eventuell ein Elternabend und im Notfall ein Aussprachetermin zwischen LehrerIn(nen) und betroffenen Eltern ausreichend.

Die Einbeziehung der Eltern in die schulische Arbeit hat in den letzten Jahren der Schulentwicklung eine entscheidende Bedeutungsveränderung erfahren. Das Ausmaß der Mitarbeit wurde intensiviert und durch Gesetze geregelt. Klassenforen und durch die Schulautonomie größer werdende Elternkompetenzen in Schulforen sind das nach außen sichtbarste Zeichen intensiverer Zusammenarbeit und verstärktem Mitspracherecht.

Eine veränderte Erwartungshaltung der Eltern gegenüber den Aufgaben der Schule ist ebenfalls sichtbar. Vom völligen Übertragen erzieherischer und unterrichtlicher Aufgaben an die Schule bis zum Wunsch, bei unterrichtlichen Detailfragen (Stichwort: zu viel/zu wenig offener Unterricht?) mitbestimmen zu dürfen, reicht die Palette der Erwartungen der Eltern.

Veränderungen wie integrativer Unterricht verunsichern erstmals, verunsichern sowohl Eltern als auch LehrerInnen, die per Gesetz zu DialogpartnerInnen definiert wurden. Gegenseitige Schuldzuweisungen sowie Ablehnung der oft als zu groß empfundenen Einmischung der Eltern in schulische Belange begleiten oft den notwendigen Veränderungsprozess.

Erklärungen dafür sind reichlich zu finden. Tatsache ist, dass Dialog und Kooperation heute dort entstehen sollen, wo bis vor kurzer Zeit eine klare Rollenzuteilung, eine klare Machtverteilung, ein klar definierter Arbeitsauftrag vorherrschend war.

Eltern erleben Schule heute oft anders, fernab von ihren eigenen Schulerfahrungen. Sie haben vom schulischen Leben ihrer Kinder wenig Vorstellungen. Sie haben keine Antworten darauf, ob offene Unterrichtsangebote, der Verzicht auf Noten, entdeckendes und forschendes Lernen ihren Kindern und deren Entwicklung zuträglich sind oder nicht. Sie sind voller undifferenzierter Ängste über die Zukunft ihrer Kinder. Wie muss Schule sein, damit ihre Kinder doch noch Aussichten auf Jobs haben? Manche sind begeistert von einer bestimmten pädagogischen Grundeinstellung (Montessori, Freinet, Peter Petersen, Anthroposophie, Neurolinguistischem Programmieren, etc.) und sehen darin das Heil für ihre Kinder. Andere stehen unter dem hohen Druck der Lebenshaltungskosten, privater Probleme und bringen weder die Zeit noch die Kraft auf, die für die Erziehungsarbeit notwendig wäre, um nur einige Möglichkeiten aufzuzählen. LehrerInnen sehen sich heute verstärkt mit Kritik und Einmischung in Bereiche, die vormals ausschließlich ihnen vorbehalten waren, konfrontiert. Sie spüren die Notwendigkeit, mehr Zeit in die Elternarbeit investieren zu müssen, sehen aber gleichzeitig keine Möglichkeit, dies auch in Form zusätzlicher Arbeitszeit abgegolten zu bekommen.

Die »einkanalige« Elternarbeit - in Form von Mitteilungen der Schule an die Eltern - war klar definiert, die Rollen entsprechend verteilt. Eine Umorientierung der Elternarbeit in Richtung Kooperation, braucht ebenfalls klar definierte Rahmen. Die Mitwirkungsgremien sichern aber nur einen äußeren Rahmen der Rechte und Pflichten von Eltern und Schule in der Zusammenarbeit ab. Bleibt der noch weniger klar definierte innere Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Eltern und KlassenlehrerInnen als Gestaltungsspielraum übrig:

»Die Lehrerin ist verpflichtet, die anvertrauten Kinder bestmöglich und individuell zu fördern. Sie weiß, dass die Erfolgschancen dann größer sind, wenn die Eltern ihrer Arbeit vertrauen. Sie muss sie deshalb in die Planung ihrer Arbeit miteinbeziehen. Für ihre Situation und Empfindungen muss sie sensibel sein. Aufgehoben in der Zuverlässigkeit der Eltern und der Schule in ihre Leistungsfähigkeit können die Schüler ihrerseits vorurteilsfrei und vertrauensvoll, den durch die Lehrenden eröffneten Weg, beschreiten. Mangelndes Vertrauen der Eltern hingegen spiegelt sich in Unsicherheit der Kinder wider. Die Lehrerin muss sich die Eltern also zu Verbündeten machen. Dies schafft sie wohl kaum durch bloße Information. Wenn Eltern z.B. überzeugt sind, dass freie Arbeit Grundschulkinder unterfordere, weil sie nur spielen, so kann man ihnen diese Überzeugung kaum schlicht ausreden. Die Sorge, bei differenziertem Unterricht ginge der allgemeine Leistungsüberblick verloren, kann man nicht durch auslautende Erklärungen ins Gegenteil umkehren. Die erforderliche Überzeugungsarbeit setzt voraus, dass Lehrerin und Eltern sich als Partner verstehen, die arbeitsteilig an derselben Aufgabe arbeiten; die Lehrerin die Sorgen der Eltern als subjektiv begründet akzeptiert (es gibt keine Besserwisser, nur Anderswisser); dass die Eltern bereit sind/werden, sich über die Belange des eigenen Kindes hinaus für die der Klasse zu interessieren und ggf. zu engagieren. Eltern in die Arbeit der Schule miteinzubeziehen, bedeutet kontinuierliche statt punktueller Zusammenarbeit« (KRICHBAUM in HECKT/SANDFUCHS 1993, 42).

Das Team der OFFENEN KLASSE hat für sich den Bereich der Elternarbeit und die sich daraus ergebenden Aufgaben folgendermaßen definiert:

  • Wir versuchen Sorgen und Bedenken von Eltern bezüglich des Lernfortschrittes ihres Kindes ernst zu nehmen und nicht von vornherein als Kritik an unserer Arbeit zu sehen. Kein leichtes Unterfangen! Dies bedeutet nämlich, sich mit Sorgen möglichst objektiv auseinandersetzen zu müssen, obwohl man unter Umständen Teil dieser Sorgen ist.

  • Wir setzen sehr stark auf Informationsarbeit. Wir informieren die Eltern in regelmäßigen Elternbriefen[21] über den Inhalt unserer schulischen Arbeit. Die Informationen werden von den Eltern gegengezeichnet. Die Eltern werden damit auch über Arbeitsprozesse informiert und sind nicht nur auf die sichtbaren Arbeitsprodukte angewiesen. Außerdem liegt es an uns als Informierende, Schwerpunkte zu setzen. Diese Schwerpunkte können auch im Bereich der Sozialerziehung, des Projektunterrichtes oder der individuellen Förderung liegen. Briefe erschienen uns als eine sehr unaufdringliche Art der Information. Wie, mit welcher Intensität sie gelesen werden, liegt im Ermessen der Empfänger. Mit der Gegenzeichnung haben wir trotzdem die Absicherung, dass die Informationen zur Kenntnis genommen wurden.

2.Elternbrief der offenen Klasse 1.d an der Hauptschule in Oberneukirchen Oberneukirchen, am 6.10.1996

Liebe Eltern !

Der Start ist vorüber. Wir haben uns auf unserer Projektwoche in Gosau schon ein wenig kennengelernt. Wir glauben, daß sich alle in der Klasse wohlfühlen. Nun gilt es weitere Schritte zu setzen und die gemachten Erfahrungen von Gosau unterrichtlich umzusetzen.

Unsere nächsten Unterrichtsvorhaben wird die Gestaltung von den ersten Klassenzeitungen sein (Themen: OFFENE Klasse / Wir lernen uns kennen und Projektwoche Gosau)

Heute bekommen die Kinder die erste Ankündigung für eine Lernzielkontrolle mit. Wir werden versuchen, für jede Lernzielkontrolle eine ähnliche Information zusammenzustellen.

Wir warten noch auf die letzte Rechnung unserer Gosauwoche um die Abrechnung endgültig fertig machen zu können. Wir sind aber mit dem eingezahlten Betrag gut ausgekommen und werden mit dem Rest weitere Kosten abdecken können.

Als fixe Sprechstunde des Klassenvorstandes bieten wir den Montag um 11.00 Uhr an. Wer diesen Termin wahrnehmen möchte, der möge sich bitte vorher anmelden. Wir wissen, dass ein Termin am Vormittag nicht für alle günstig ist, daher ist auch jeder andere Termin nach vorheriger Absprache möglich.

Wir haben vor, einen Elternstammtisch zu machen. Wer einen guten Ort und einen noch besseren Termin kennt, möge sich bei uns melden. (Vorschlag: Ende Okt./ Anfang Nov.)

Abschließend sei nochmals betont, dass die Kinder die Gosauwoche wirklich genossen haben und auch viele neue Dinge erfahren und erlebt haben. Wir waren mit den Kindern sehr zufrieden und hoffen, dass auch sie diese Woche als sehr schöne Woche erlebt haben.

Mit der nochmaligen Ankündigung, dass sie uns bei eventuellen Fragen jederzeit kontaktieren können verbleiben wir mit

freundlichen Grüßen

.....................................................................................

f.d.LehrerInnenteam

1.Elternbrief der offenen Klasse 4d an der Hauptschule in Oberneukirchen

Oberneukirchen, am 5.10.1999

Liebe Eltern !

Nun hat der letzte Abschnitt unserer Arbeit begonnen. Dieses Schuljahr bringt wieder einige Änderungen mit sich. Es ist wieder viel Neues dazugekommen. Genauere Informationen über unsere Vorstellungen werden wir Ihnen/Euch bei unserem ersten Elternabend (Klassenforum) geben, zu dem wir Sie/Euch recht herzlich einladen möchten:

1. Klassenelternabend (=Klassenforum):

Montag, 11.10.1998 um 19.30 Uhr in der 4d Klasse (1. Stock)

Im Klassenforum sollen auch Dinge besprochen werden, die sich nicht nur auf unsere Klasse beziehen. Somit haben die Eltern die Möglichkeit an der Gestaltung des Schullebens mitzuwirken. Wir möchten - wie jedes Jahr - besonderes darauf hinweisen, dass von Elternseite jeder Beitrag willkommen ist und gerne im Klassenforum diskutiert werden kann. Sollte jemand ein spezielle Thema ansprechen wollen, für das wir eventuell Informationen einholen müssen, so bitten wir uns dies mitzuteilen. Andere Vorschläge, Anregungen, Beschwerden,.. können dann bei unserem Treffen eingebracht werden.

Themenbereiche, die wir ansprechen wollen:

- Arbeit in der Klasse

- Schulveranstaltungen (Intensivsprachwoche London)

- Unterrichtsfreie Tage (Regelung die das Schulforum beschließt)

- Beurteilung in der 4.Klasse (Ziffernnoten - Informationen dazu)

- Berufsorientierung bzw. weitere schulische Möglichkeiten der Kinder

Ihr seht, es gibt schon wichtige Dinge, wo EURE Meinung gefragt ist. Daher ersuchen wir alle an unserem 1. Elternabend teilzunehmen und freuen uns auf ein Wiedersehen.

Mit freundlichen Grüßen

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( das LehrerInnenteam)

Christine Pröll: 07217/6633 Christof Doppler: 07212/7752

Christine Kiteko: 07217/6685 Monika Huber: 07239/6076 Wilfried Prammer: 07213/8782

Abbildung 12: Elternbriefe

  • Wir nehmen uns Zeit für Elterngespräche. Wir nutzen zwar die gesetzlich vorgeschriebenen »Elternsprechtage«, um mit allen Eltern reden zu können. Da sich bei solchen Gelegenheiten die Gespräche aber nur auf die wesentlichsten Informationen und Fragen beschränken müssen, bieten wir allen Eltern, die dies wollen, immer auch einen eigenen Gesprächstermin zusätzlich an.

  • Wir legen großen Wert auf mündliche Information auch in Form von Elternabenden, wobei in den Einladungen der jeweilige Inhalt des Elternabends erläutert wird und eine zwingende Teilnahme nicht vorausgesetzt ist. Da wir wissen, dass Bedenken und Ängste durch Information allein nicht zerstreut werden können, handeln wir dabei in der festen Absicht, uns auch Diskussionen zu stellen.

  • Wir sprechen Einladungen aus, am Unterrichtsgeschehen teilnehmen zu können. Dieser allgemeinen Einladung sind aber keine Taten der Eltern gefolgt. Ich denke im Rückblick, dass diese Einladungen zu wenig konkret waren und auch die Möglichkeit, einzelne Eltern zur Mitarbeit bei bestimmten Themen zu motivieren, viel zu wenig konkretisiert wurde.

  • Wir wollen die Mitarbeit der Eltern und die Arbeit der Schülerinnen immer wieder loben. Dadurch - so hofften wir nicht unberechtigt - fällt auch immer wieder einmal Lob für das LehrerInnenteam ab. Das tut gut und versüßt die Anstrengungen des LehrerInnendaseins merklich!

Konkret bedeutete dies für unsere Elternarbeit:

  • regelmäßige Elternbriefe (alle 14 Tage)

  • Elternsprechtage (2 mal jährlich)

  • Elternstammtische (unregelmäßiges Treffen in einem Gasthaus der Region, ca. 4 mal jährlich)

  • Projektpräsentationen (fallweise mit Einladung an die Eltern)

  • Weihnachtsfeier

  • Spielfest mit den Eltern zu Schulschluss

  • Sprechstunden des LehrerInnenteams

Natürlich haben wir auch Erwartungen an die Eltern:

  • Wir erwarten einen offenen und ehrlichen Umgang mit uns und möchten Informationen über als unzulänglich empfundene Arbeitsweisen unsererseits nicht gerüchteweise sondern aus »erster Hand« erfahren.

  • Wir erwarten keinesfalls von allen Eltern, dass sie unsere Angebote - aus welchen Gründen auch immer - kritik- und widerspruchslos in Anspruch nehmen. Wir erwarten aber schon, dass sie das Angebot zum Austausch annehmen.

Klassenraumgestaltung und Unterrichtsmaterialien

Offenes, entdeckendes Lernen bedarf einer anderen räumlichen Struktur sowie einer breiter gefächerten und den Bedürfnissen der Kinder angepassten Auswahl an Materialien für den Unterricht. Diese Startvoraussetzungen sind ebenfalls vor Beginn einer Integrationsklasse zu schaffen. Im Lehrmittelhandel sind bereits viele passende Angebote vorhanden.

So haben wir in der Vorbereitungszeit z.B. bereits überlegt, welche Bereiche in der Klasse sein sollen. Dabei haben wir festgelegt, dass es notwendig ist, dass jede/r SchülerIn einen eigenen Platz hat, um alle persönlichen und privaten Sachen verstauen zu können. Dabei hatten wir das Glück, dass unser Schulwart einmal Tischler war und es die Gemeinde bewilligte, dass er für uns nach unseren Vorstellungen Möbel anfertigte. So entstanden zwei Regale, die wir als Raumteiler verwendeten und die natürlich auch Arbeitsflächen und Stauraum boten.

Abbildung 13: Raumteiler in der OFFENEN KLASSE

Ebenso wichtig war es uns, die Möglichkeit zu haben, dass sich alle gemeinsam um einen Tisch setzen bzw. im Eck zusammensetzen können (siehe dazu Bild im Kapitel Klassenrat).

Weitere wichtige Bereiche waren und sind für uns:

  • Lesebereich, Rückzugsbereich mit gemütlichem Sofa (je nach Nutzung war unser Sofa der Bereich, wo man sich zum Lesen zurück ziehen oder mit einem Freund bzw. einer Freundin ganz privat wichtige Dinge besprechen konnte)

  • Schreibwerkstatt mit der Freinetdruckerei und dem Computerarbeitsplatz sowie verschiedenen, zum Schreiben anregenden Materialien wie Gedichtekartei, etc.

  • Experimentierbereich (hier haben wir aus vielen vorhandenen Unterrichtsmaterialien eine Grundausstattung zusammen gestellt und somit die Basis für ein selbstständiges, kreatives und selbstbestimmtes Experimentieren geschaffen)

  • Litfasssäule zur Veröffentlichung von Texten

  • LehrerInnenbereich - auch wir hatten einen Platz nur für uns

  • Lern- und Arbeitsbereiche in der Umgebung des Klassenzimmers (ehemaliger Abstellraum, Mitbenutzung des Computerraumes, Lernecke am Gang)

Abbildung 14: Skizze vom Grundriss des Klassenzimmers

Viele Verlage bieten heute schon Materialien zum freien Arbeiten an. Uns haben jene am meisten geholfen, die es ohne große Erklärungen den Kindern möglich machten, »ganz allein«, wie die SchülerInnen oft sagten, zu arbeiten. Eine vollständige Auflistung der verschiedenen Verlage und der verwendeten Materialien würde den Rahmen dieses Buches sprengen, zumindest die Namen Verlag an der Ruhr, AOL-Verlag, Cornelsen und Spectra seien aber hier als ertragreiche Fundgruben erwähnt.

Bevor wir exemplarisch noch einige Unterrichtsmaterialien, die wir entweder selbst gestaltet bzw. an unsere Bedürfnisse angepasst haben, möchten wir noch den folgenden Gedanken zum Materialeinsatz vorbringen: Jedes Material ist nur so gut, wie man selber damit umgehen kann. Was helfen mir Montessorimaterialien, die ich nicht anwenden, eine Druckerei, die ich nicht bedienen kann oder gar Material, dessen Anwendungsbereiche mir rätselhaft sind? Es gilt daher immer, sich selbst auf die Suche zu machen, wobei der Besuch bereits bestehender Integrationsklassen und Lernwerkstätten sehr hilfreich sein kann.

Materialien, die uns in unserem Bemühen, das selbständige Tun der SchülerInnen besonders zu fördern, halfen, waren zum Beispiel:

  • Freinetdruckerei Infos dazu unter http://freinet.paed.com sowie auf dem österreichischen Freinetserver, vor allem unter http://freinet.webonaut.com/atelierschule

  • Karteien von Christof Doppler, einem Teammitglied der OFFENEN KLASSE, wie »Schreibwerkstatt«, »Gedichte mit der Lyrikkartei«, »Altpapier im Klassenzimmer«, »Was man mit Zeitungsschnipseln machen kann« (bei Interesse an den Karteien reicht ein E-mail an: c.doppler@eduhi.at)

  • Arbeitsmappen »NATUR BE-GREIFEN« des AOL Verlages (http://www.aol-verlag.de)

  • Die verschiedenen »Fundgruben« des Cornelsen Verlages wie z. B. »Die Fundgrube für den Englisch-Unterricht« oder »Die Fundgrube für den Physik-Unterricht« (http://www.cornelsen.de)

  • Die »MUMMM« Hefte des Veritas Verlages wie z. B. »Exhibitions in English« oder »Mathe Mix« (http://www.veritas.at)

  • »Aktiv lernen« Hefte, ebenfalls vom Verlag Veritas, wie z.B. »Oberfläche und Volumen« oder »Im Wörterturm«

  • Die »Blanko-Lern-Scheiben« des AOL Freiarbeit-Verlags haben wir z. B. mit Mathematikaufgaben zum Kopfrechnen oder mit Englischvokabeln selbst beschriftet. Die SchülerInnen können sich damit gegenseitig abfragen.

  • Der »LÜK-Kasten« (Lernen-Üben-Kontrollieren, http://www.luek.de) besteht aus 24 Plastikplättchen in einem stabilen Kunststoffkasten. Dazu gehören Aufgabenbücher für die drei Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik. Wir haben aber für die Wochenplanarbeit auch selbst Aufgabenblätter entwickelt. Für jede gelöste Aufgabe wird ein Plättchen auf das entsprechend nummerierte Feld gelegt. Nach 24 richtig gelösten Aufgaben ergibt sich dann als Kontrollmöglichkeit ein bestimmtes Muster. In der OFFENEN KLASSE sind immer ca. 10 LÜK-Kästen, die beim Westermann-Verlag unter http://www.westermann.de bezogen wurden. (siehe auch:

  • Eine »Lern- und Übungskartei« hatte jede/r SchülerIn. Aufgeteilt im Fünf-Laden-System (jede Karte kommt zuerst ins erste Fach, die gekonnten Karten kommen in das 2. Fach die anderen bleiben. Später kann man dann das 2. (oder auch jedes andere) Fach bearbeiten: richtig gelöste Karten kommen immer in das nächste Fach, falsch gelöste ins vorhergehende Fach zurück. Wir und die SchülerInnen selbst haben Karteikarten mit kurzen Lehrtexten, Fragen, Vokabel, Beispielen und Übungsaufgaben erstellt. Die Lösungen und eventuelle Hinweise befinden sich jeweils auf der Rückseite.

  • Jede Menge Lern-Software (vom 1x1-Trainer, Memorary (englisch) bis hin zu lexikalischen Werken) unter http://schulen.eduhi.at/spz/cib.htm

  • Ein Kassettenrecorder mit mehreren Kopfhörern diente uns dazu, Listening comprehension Übungen in die Freiarbeit bzw. den Wochenplan einzubauen. So fertigten wird Kassetten mit Diktaten, Vokabel, Leseverständnisübungen, etc. an. Dabei erwies es sich als sinnvoll, die Übungen auf mehrere Kassetten zu verteilen, damit für die SchülerInnen das Suchen nach dem jeweiligen Anfang entfällt. Es gibt aber auch fertige Diktatkassetten bei scriptor-Lernhilfen über den Cornelsen-Verlag. Um den Einsatz mehreren SchülerInnen parallel zu ermöglichen müssen nur die Anschlusskabeln von drei Kopfhörern auf eine Anschlussstecker zusammen gelötet werden.

  • Dosendiktate dienen zum individualisierten Rechtschreibtraining. Ein deutscher oder englischer Diktattext wird vergrößert und auf feste Pappe geklebt (Tipp: Die Texte gleich auf Klebeetiketten drucken und dann auf stabile Pappe aufkleben und zerschneiden, den Text nicht zu lang machen). Der Text wird dann in Streifen von jeweils einigen zusammengehörigen Wörtern zerschnitten und in ein DIN-A5 Briefkuvert gesteckt. Außerdem wird der Text zur Lösungskontrolle noch ein zweites Mal im Ganzen beigelegt. Die SchülerInnen müssen zunächst ohne Vorlage den (unbekannten) Text aus den Satzteilen wie ein Puzzle zusammenfügen. Nach der Kontrolle anhand des vollständigen Textes beginnt das eigentliche »Selbstdiktat«: Die SchülerInnen nehmen immer einen Streifen in die Hand, prägen sich den Teilsatz ein, werfen den Streifen in eine Büchse (mit Schlitz wie bei einer Spardose) und schreiben dieses Textstück dann aus dem Gedächtnis. So verschwindet der Text Streifen für Streifen in der Büchse. Am Schluss kontrollieren die SchülerInnen wieder selbst mit Hilfe des vollständigen Textes. Eine Nachkorrektur durch die LehrerInnen ist selbstverständlich möglich. Das im Sinne der Individualisierung der gleiche Text in verschiedenen Schwierigkeitsstufen angeboten wird, sollte bereits selbstverständlich sein.

  • Das Nagelbrett mit 3 Spalten sei hier als letztes Material erwähnt. Auf den dazugehörenden Aufgabenblättern stehen links die Aufgaben, rechts die Lösungen. Mit Gummiringen müssen die Aufgaben mit den richtigen Lösungen verbunden werden. Nach Fertigstellung wird die Kontrollkarte in die mittlere Spalte geschoben. Anhand der Striche kann dann festgestellt werden, welche Aufgaben richtig gelöst worden sind. Dieses Material sei auch deshalb erwähnt, weil wir zahlreiche Übungskarten anhand einer Vorlage gemeinsam mit dem Eltern an einem Abend hergestellt haben (Vokabel, Kopfrechungen in allen möglichen Schwierigkeiten, usw.). Eine optimale Möglichkeit zur Materialerstellung: Einerseits werden die LehrerInnen etwas entlastet, andererseits lernen die Eltern die Unterrichtsmaterialien für die freie Arbeit kennen und drittens ist es so natürlich billiger. Das Nagelbrett selbst könnte übrigens von SchülerInnen höherer Schulstufen im Werkunterricht gefertigt werden.

Abbildung 15: Nagelbrett

Lehrpläne

Grundlage für die Arbeit in der OFFENEN KLASSE ist der Allgemeine Lehrplan, hier der Lehrplan der Hauptschule, der in Deutschland dem Lehrplan der Gesamtschule entsprechen würde. Um den unterschiedlichen Entwicklungs- und Leistungsniveaus der Kinder gerecht zu werden, kann neben dem Lehrplan der jeweiligen Schulform auch der Lehrplan der Sonderschulen, deren Förderschwerpunkt für einzelne Kinder festgestellt wurde, verwendet werden. Mit den vorhandenen Unterschieden in den Stundentafel verschiedener Lehrpläne wird sehr unterschiedlich und fallbezogen umgegangen. Prinzipiell werden die Unterschiede durch innere Differenzierung sowie durch offene Lernformen ausgeglichen. In begründbaren Fällen wird aber auch manchmal die Stundenanzahl der Kinder mit Behinderungen gekürzt.

Einen besonderen Fall stellt das Unterrichtsfach Englisch dar, da es im Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule nur als unverbindliche Übung vorkommt. Daher haben wir für die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf ein schuleigenes Konzept für den Englischunterricht erstellt. Dies beinhaltete, dass die SchülerInnen vom Unterrichtsgegenstand Englisch grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden und ihnen die Möglichkeit geboten wird - vorwiegend im sprachlich-kommunikativen Bereich - am Unterricht teilzunehmen, sie aber von schriftlichen Leistungsanforderungen weitgehend befreit sind.[22]

Da sich auch in den anderen Unterrichtsfächern die Lehrpläne der Sonderschulen und die der Allgemeinen Schule zum Teil sehr beträchtlich unterscheiden (so sind z.B. die Fächer Geografie und Wirtschaftskunde und Biologie zwar in der 5. Schulstufe des Hauptschullehrplanes, nicht aber im Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule vorgesehen oder das Thema Wald ist in der Hauptschule in einer anderen Schulstufe als in der Allgemeinen Sonderschule durchzunehmen), hat es sich als notwendig erwiesen, sich im Unterricht nicht zu streng an den Lehrplänen der Sonderschulen zu orientieren, sehr wohl aber bei der Beurteilung.

Das für integrativen Unterricht in einem selektiven Schulwesen am besten geeignete Prinzip lautet unserer Erfahrung nach daher: Jede/r SchülerIn ist an möglichst hohe Lehrplanziele heranzuführen. Eine solche optimale Förderung aller SchülerInnen gelingt am besten durch gemeinsames und kooperatives Arbeiten am gemeinsamen Thema, das im Projektunterricht mit den SchülerInnen selbst bestimmt und im Fachunterricht vom Allgemeinen Lehrplan abgeleitet und entsprechend differenziert angeboten wird. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Lehrpläne erfolgt erst bei der Beurteilung durch entsprechende Lehrplanvermerke im Zeugnis. Weniger Unterrichtsstunden in der Stundentafel können z.B. durch Gewähren längerer individueller Pausen ausgeglichen werden. Der höhere Anteil an Werkstunden im Sonderschullehrplan kann im Projektunterricht berücksichtigt werden, in dem Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eventuell mehr »kreative« Beiträge gestalten, die aber für das Gesamtergebnis ebenso bedeutsam sind wie die von den nichtbehinderten SchülerInnen gestalteten Plakate, Texte, etc.

Letztlich wäre es aber höchst an der Zeit, einen gemeinsamen Lehrplan für alle mit dem Auftrag zur Individualisierung entsprechend der unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedarfe zu schaffen.

Organisation des Unterrichts[23]

Im OFFENEN UNTERRICHT steht manchen Kindern mehr LehrerInnenzeit zur Verfügung, da die Organisation des Unterrichts (mit Wochenplan, Freiarbeit, Projekten usw.) einerseits die Selbsttätigkeit und das Verantwortungsbewusstsein der Kinder fördert, andererseits Zeit für gezielte Einzelförderung (oder die Förderung in Arbeitsgruppen) zulässt.

Im OFFENEN UNTERRICHT[24] werden Unterrichtsangebote so gestaltet, dass Kinder möglichst selbständig und selbstverantwortlich arbeiten und ihre Handlungskompetenzen ausbauen können. Während hochbegabte SchülerInnen z.B. an Grammatikübungen (mit Selbstkontrollmöglichkeit) arbeiten, erlernen Kinder mit geistiger Behinderung Buchstaben oder suchen bestimmte Laute in Wörtern. Alle Kinder lernen im Bereich der Sprachbetrachtung, jedes aber nach seinem individuellen Können. Zwei LehrerInnen in der Klasse garantieren dabei eine intensive Betreuung aller Kinder.

Es ist daher nicht notwendig, die Kinder für eine optimale Förderung regelmäßig in unterschiedliche Lerngruppen zu trennen. Ist der gemeinsame Unterricht nämlich nur auf die Dauer von Projekten oder Schulveranstaltungen begrenzt, würde man sich wieder auf den Weg der Aussonderung begeben. Räumliches Beisammensein alleine reicht nicht für eine wirksame Integration. Die Qualität des Zusammenseins definiert sich daher über eine möglichst geringfügige Trennung der Lernorte und über ein möglichst hohes Ausmaß an kooperativem, gleichwertigem Lernen und Arbeiten im gemeinsamen Lernumfeld.

Wochenplan und Freiarbeit

Wochenpläne dienen der Individualisierung und Differenzierung sowie der Sicherung des Unterrichtsertrages und werden so gestaltet, dass die SchülerInnen selbständig und individuell, nach eigenem Lerntempo, Fähigkeiten und Fertigkeiten üben können, die in den einzelnen Fachgegenständen eingeführt wurden. Der Wochenplan unterscheidet sich durch qualitative sowie quantitative Differenzierungsformen. Die Aufgaben, Forschungsaufträge und Spielanregungen, sollten also in engem Zusammenhang zum gemeinsamen Unterricht stehen. Der Wochenplan selbst dient den LehrerInnen zur Dokumentation und Kontrolle. Dabei sollte jeder Wochenplan auch einen Zeitrahmen vorgeben. Die SchülerInnen tragen nach Beendigung der Arbeit die tatsächlich benötigte Zeit ein. Dadurch werden die SchülerInnen in ihrem eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Arbeitszeit unterstützt. Einzelne Symbole für Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit sollen für die SchülerInnen leicht erkennbar sein. Überhaupt müssen die Aufgaben so gestellt sein, dass sie den SchülerInnen verständlich sind und zu selbständigem Tun anregen.[25]

In der Phase der Wochenplanarbeit beraten die LehrerInnen einzelne Schüler und Schülerinnen. Hat ein/e Schüler/in eine Frage, kennt sie/er sich bei einer Übung nicht aus, so schreibt sie/er ihren/seinen Namen mit Kreide auf die Tafel. Durch diese Vorgangsweise werden die übrigen SchülerInnen nicht gestört. Eine/r der beiden LehrerInnen begibt sich dann zum/r Schüler/in und klärt das Problem. Dieses Vorgehen bietet auch ein Anreiz für die SchülerInnen, sich vorher bei SchulkollegInnen um Hilfe um zu sehen, wodurch wiederum die Kooperation gefördert wird.

Haben die SchülerInnen eine Arbeit beendet, so legen sie diese Arbeit in ein eigens dafür vorgesehenes Wochenplan-Fach und kennzeichnen die Erledigung mittels farbigen Knöpfen auf einer Pinwand. Sind einzelne SchülerInnen bereit, anderen zu helfen, so setzen sie zusätzlich einen Symbolknopf mit der Bedeutung Ihr könnt mich fragen! auf die Pinwand. LehrerInnen wie SchülerInnen haben damit die Möglichkeit, auf einen Blick zu sehen, wie weit einzelne SchülerInnen in ihrer Arbeit vorangekommen sind und wer bereit ist, ihre/seine Hilfe anzubieten.

Während des Wochenplans arbeiten die SchülerInnen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sie besprechen sich mit ihren Sitznachbarn, suchen Rat oder geben Tipps.

Im Bereich der freien Arbeit sind auch wir LehrerInnen immer noch Suchende, können den inhaltlichen Anspruch der freien Arbeit leider nur teilweise verwirklichen. Freiarbeit bedeutet für uns, den Kindern die Freiheit zu geben, sich selbst zu organisieren und zu handeln. Dies wollen wir dadurch erreichen, dass wir den Kindern die Wahl des Inhalts, der Arbeitsform, der Zeitdauer, des Ortes und der Arbeitsmittel überlassen. Im Konzept unserer Klasse finden sich Unterrichtsstunden für Wochenplan, gebundene Stunden und vor allem Projektunterricht, der ja die Möglichkeit zum gemeinsamen Lernen am gemeinsam Gegenstand ist. Was an Arbeitszeit noch zur Verfügung steht, wird dem Bereich der freien Arbeit zugeordnet. Dies geschieht vor allem, wenn die Kinder ihre Wochenplan- oder Projektaufgaben erledigt haben. Für jene Fragen der Kinder, die wir nicht im gemeinsamen Projekt bearbeiten, haben wir weiters individuelle Fachbereichsarbeiten eingeführt. Im Rahmen dieser Arbeiten bearbeiten die Kinder in der freien Arbeit ihre ganz speziellen Fragen und werden dabei von einem/r Lehrer/in ihrer Wahl betreut. Der Bereich der freien Arbeit wird also gefüllt mit entdeckendem Lernen im naturwissenschaftlichen Bereich, biologischen Versuchen, Sachaufgaben, Arbeit am Computer, Erstellung der Klassenzeitung, Theaterproben, »freie Texte« schreiben, studieren von Infomaterial für die Fachbereichsarbeit, etc. oder sich auch manchmal einfach nur entspannen.[26]

Gebundener Unterricht

Jene Form des Unterrichts, in der Information von den Lehrpersonen vermittelt werden soll, bezeichnen wir als gebundenen Unterricht. Dabei kann diese Form auch als Teil des Projektunterrichts verstanden werden. Wichtig ist für uns die Unterscheidung zwischen freier Arbeit und gebundenem Unterricht, weil hier ein der LehrerIn wichtiger Stoff ihren fachdidaktischen Überlegungen gemäß vermittelt werden soll. Dies trifft vor allem auf die Gegenstände Deutsch, Mathematik und Englisch[27] zu, aber hier auch nur auf die unbedingt notwendigen Phasen des Unterrichts, in denen Grundlagen zur weiteren selbständigen Erarbeitung und Übung dargeboten werden müssen. Für alle anderen Unterrichtsfächern gilt selbstverständlich auch, dass es solche Phasen geben muss. Aktivitäten im gebundenen Unterricht sind vor allem: Erarbeitung neuer Inhalte, Vorstellen der Projektergebnisse, diverse Spielformen (Rollenspiele, Planspiele, etc.), Referate, Diskussionen.

Aus den oben vorgestellten Formen des Unterrichts ergibt sich, dass für uns eine Einteilung in Leistungsgruppen nicht mehr notwendig ist. Dies vor allem deswegen nicht, weil sich die Inhalte am Entwicklungsstand der Kinder orientieren. So ist es für uns vorstellbar, dass eine Basisinformation für alle Kinder notwendig und richtig ist. In der Folge können dann die Inhalte jedoch differenziert angeboten und bearbeitet werden.

Projektunterricht

»Für das Überleben unserer Zivilisation ist es heute mehr denn je unerlässlich, zu einem neuen Denken zu kommen: dem Denken in Zusammenhängen, dem vernetzten Denken« (Hans A. PESTALOZZI in VESTER 1978, 9).

Unsere Absicht in Projekten zu unterrichten liegt darin, dass wir den Kindern die Möglichkeit geben wollen, Zusammenhänge durchschauen zu können. Monokausales Denken entspricht unserer Ansicht nach nicht mehr der Komplexität unserer Zeit. Sich Wissen anzueignen ist eine Sache, mit dem angeeigneten Wissen zu versuchen, die Welt zu begreifen, mitzugestalten, zu verändern, eine andere.

Wir gehen stets von den Fragen der Kinder aus¬ und machen ihre Fragen zum Stoff. Diese Pädagogik vom Kinde aus führt uns dazu, dass die Kinder relativ rasch lernen, Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen, selbständig oder in Kooperation zu arbeiten und den Wert ihrer erbrachten Leistung ein zuschätzen.

Zu Beginn eines jeden Schuljahres legen wir gemeinsam mit den SchülerInnen fest, welche Themen im Rahmen der Projekte bearbeitet werden sollen. Unsere Konzeption sieht vor, dass wir in den Realienfächern ausschließlich in Projekten arbeiten. Hinsichtlich der gewählten Themen müssen wir lediglich eine zeitliche Abfolge mit den SchülerInnen vereinbaren. Interessanterweise stellte sich heraus, dass sich die Fragen der SchülerInnen weitgehend mit den Anforderungen des Lehrplanes decken. Aus den zahlreichen Projekten seien hier nur einige Themen als Beispiele angeführt:[28]

Medien (als Grundlage zur Gestaltung von Schülerzeitungen), Urgeschichte, Lebensräume, 50 Jahre Freiheit, 1.Welt - 3.Welt - Eine Welt, Die 4 Elemente: Wasser, Erde, Feuer, Luft.

Es könnten noch viele Beispiele angeführt werden, würde es darum gehen, Quantität darzustellen. Der qualitative Aspekt unserer Arbeit - oder genauer gesagt, der Arbeit der Kinder - liegt vielmehr in dem, was die Kinder - aber auch wir - durch die Erarbeitung dieser Themen erfahren und gelernt haben. Verantwortungsgefühl für sich, den Mitmenschen und unsere Umwelt sind nicht nur leere Phrasen, sondern werden durch die Projektarbeit zum Bestandteil unseres Lebens.

Rückmeldung über den erreichten Entwicklungsstand

Als LehrerInnen im Team führen wir ständig Aufzeichnungen über den erreichten Entwicklungsstandes des Kindes. Rückmeldungen bei Klassenarbeiten beinhalten neben einer Beschreibung des Erreichten sowie einer Erklärung gemachter Fehler auch einen Hinweis auf individuelle Lernziele, die sich aus der vorgelegten Arbeit ableiten lassen. Ist ein Lernkapitel einmal abgeschlossen, werden die erreichten Lernziele im Entwicklungsbericht eingetragen.[29] Zu Semester und Schulschluss fallen einige zusätzliche Arbeitsstunden an, um den Entwicklungsbericht vollständig auszufüllen. Dazu ein Zitat einer Lehrerin des Teams: »Mit dem Entwicklungsbericht fällt das Grübeln um eine gerechte Note endlich weg. Dafür bin ich gerne bereit, diese Arbeit zu machen. Noch dazu weil ich weiß, dass sie zielführender, gerechter und einfach menschlicher ist.«

Klassenrat

Die Schüler werden im OFFENEN UNTERRICHT in die Organisation und den Ablauf des Unterrichtsgeschehens einbezogen, die Planung der Aktivitäten erfolgt hauptsächlich im Klassenrat. Auch ist eine Lösung von Konflikten im Sinne eines demokratischen Miteinanders nur möglich, wenn man frei nach FREINET den SchülerInnen das Wort lässt. Der Konfliktalltag der SchülerInnen wird in herkömmlichen Klassen kaum durch offene Gespräche gelöst. Dadurch fehlt es den SchülerInnen an Erfahrungen, Probleme verbal zu lösen. Dabei ist der öffentliche Austausch von Meinungen und Argumenten die Basis aller Demokratie.

Für den Ablauf des Klassenrates müssen gemeinsame Verhaltensregeln aufgestellt werden, an die sich die SchülerInnen erfahrungsgemäß, da sie ja von ihnen mitbestimmt wurden, auch halten. Diese Normen sollten gedruckt, gerahmt und für alle gut sichtbar platziert werden.

Im Gegensatz zum Morgenkreis am Montag, wo die SchülerInnen Gelegenheit haben, über Erlebnisse am Wochenende, Grobplanungen für die Woche usw. zu sprechen sowie gemeinsam zu singen, findet der Klassenrat meist am Freitag nach einer sehr genau definierten Ordnung statt:

1) Bestimmen der DiskussionsleiterIn und der ProtokollführerIn (im gebundenen Unterricht wird einmal im Jahr das Verfassen von Protokollen besprochen und geübt)

2) Verlesen des Protokolls der vergangenen Woche

3) Einsicht in den Beschwerdekasten (dieser befindet sich in der Klasse)

4) »Blitzlicht«: Jede/r SchülerIn sagt in einem kurzen Satz, was ihn gerade bewegt, wie er sich fühlt. Die SchülerInnen lernen dadurch, ihre Gefühle zu äußern.

5) Was ist zu kritisieren/zu ändern?

Probleme in der Klasse werden besprochen; Streitereien sind eher selten, da diese Diskussionen die SchülerInnen auf Dauer ermüden; wichtig dabei ist, dass die SchülerInnen Regeln für konstruktives Gesprächsverhalten in Gruppen lernen.

6) Vorhaben für die nächste Woche

7) Stehen keine Punkte mehr zur Verhandlung, so bringt meist das LehrerInnenteam neue Anregungen, ansonsten sind die LehrerInnen gleichwertige Ratsmitglieder

8) Abstimmung über Beschlüsse

An die Beschlüsse des Klassenrates haben sich alle Beteiligten zu halten! Auch die LehrerInnen! Die Angst, von den SchülerInnen »überstimmt« zu werden, ist übrigens völlig unbegründet, da erstens die SchülerInnen auf die Argumente der LehrerInnen immer besonders eingingen, und zweitens das Prinzip der Einstimmigkeit, das bei allen grundsätzlichen Entscheidungen galt, verlangt, dass wirklich jede/r mit der Entscheidung einverstanden ist. Und wenn die SchülerInnen mal die besseren Argumente hatten, umso besser für die Entwicklung eines demokratischen Grundverständnisses. Dann war es auch für uns selbstverständlich, uns an den Beschluss des Klassenrates zu halten. Letztlich sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, dass übergeordnete Regeln wie z.B. die Schulordnung durch Beschlüsse des Klassenrates selbstverständlich nicht verändert werden konnten.

Abbildung 16: Klassenrat in der OFFENEN KLASSE

Im Folgenden eine Auswahl von im Klassenrat besprochener Themen:

  • Aufstellen von Verhaltensregeln und der Konsequenzen bei nicht einhalten derselben (speziell zu Beginn einer neuen Klassengemeinschaft)

  • Disziplin in der Freiarbeit/Wochenplanstunde Dabei wurde in unserer Klasse folgende Regelung getroffen, die bis heute aktuell ist und an die sich alle ausnahmslos halten: Empfindet jemand den Lärmpegel in der Klasse zu hoch und findet er sich dadurch gestört, so schreibt er/sie seinen Namen mit Farbkreide an die Tafel. Der/die Lehrer/in oder der/die Schüler/in verkündet dann allen, dass es zu laut ist. Meist wird dadurch der Lärm vermindert. Schreiben sich jedoch noch zwei weitere SchülerInnen auf die Tafel, so herrscht für die nächsten 15 Minuten absolutes Redeverbot für die ganze Klasse.

  • LehrerInnenverhalten zu einem bestimmten Anlass

  • Probleme während der Freiarbeit mit »Nichtstuern«

  • Sitzordnung/Neugestaltung des Klassenzimmers

  • Fragen der SchülerInnen zu aktuellen Themen aus Politik, Gesellschaft, ...

Als inhaltliche Zielsetzungen, die im Klassenrat erfüllt werden und im Lehrplan zu finden sind, können folgende Aspekte - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - aufgezählt werden:

  • Erweiterung der sprachlichen Fähigkeiten durch Sprachhandeln in modellhaft ausgewählten und realen Situationen,

  • durch Sprechen gemeinsames Lernen und Handeln ermöglichen,

  • Wünsche und Bedürfnisse thematisieren, Konflikte erkennen und Lösungswege suchen,

  • Handlungs- bzw. Lernziele suchen und auswählen: Zusammenarbeit planen und steuern, ...

  • von Erlebnissen, Erfahrungen und Problemen erzählen,

  • appellieren (z.B. zum Handeln auffordern; entschuldigen; rechtfertigen; ...),

  • aktives Zuhören üben.

Die Sitzordnung im Klassenrat (Kreisform auf Stühlen oder Polstern) symbolisiert, dass Gleichberechtigung herrscht, dass es sich um eine Gemeinschaft handelt und dass es sich um ein gemeinsames Thema dreht.

Einbindung der OFFENEN KLASSE in die Schulgemeinschaft

Da wir mit dem Modell der OFFENEN KLASSE ein neues Angebot an unserer Schule setzen wollten, war es für uns klar, den gesamten Lehrkörper von Beginn an in diesen Prozess einzubinden - obwohl dies rechtlich nicht notwendig gewesen wäre. Daher stellten wir unser Konzept rechtzeitig den KollegInnen im Rahmen einer Konferenz vor und stimmten schließlich darüber ab, ob wir »als Schule« dieses Angebot machen wollen. Damit stellten wir sicher, dass Fragen hinsichtlich Supplierung, Stellung der Klasse in der Schule und organisatorische Fragen wie die Stundenplangestaltung (Blockungen, Freier Nachmittag zur gemeinsamen Planung) ausführlich diskutiert und letztlich auch gemeinsam von allen getragen wurden. Fehlte ein/e Lehrer/in im Team, so nutzte der Schulleiter diese Gelegenheit, KollegInnen, die der Integration eher skeptisch gegenüber standen, zum Supplierunterricht einzuteilen und ihnen so die Möglichkeit zu geben, die Arbeit in der OFFENEN KLASSE kennen zu lernen. Die große Zustimmung bei der Abstimmung und das Unterbleiben von nach außen getragenen »Flügelkämpfen« bestätigte die Richtigkeit dieses Weges.

Zu Beginn unserer Arbeit mussten wir aber trotzdem feststellen, dass wir von SchülerInnen und auch LehrerInnen der anderen Klassen argwöhnisch und mit Skepsis beobachtet wurden. Lernen die auch was?Was tun die denn jetzt schon wieder? Du gehst ja in die Idiotenklasse! Mit solchen und ähnlichen Fragen und Aussprüchen wurden wir anfänglich konfrontiert. Es kam z.B. auch vor, dass SchülerInnen aus anderen Klassen unseren Klassencomputer bespuckten.

Solche Aktionen waren selbstverständlich für die SchülerInnen der OFFENEN KLASSE eine Belastung und Thema im Klassenrat, wobei es uns vor allem darum ging, mit den SchülerInnen wirkungsvolle Handlungsstrategien zu erarbeiten. Die Auseinandersetzung mit den Fragen Wer sind wir? und Warum machen die das? brachte uns zu folgenden Ergebnissen:

  • Als Erklärung für solches Handeln fanden wir heraus, dass uns viele um die Ausstattung beneiden. Für die Ausstattung der anderen Klassen waren wir aber nicht verantwortlich.

  • Das »Neue«, das »Fremde« verunsicherte und war daher etwas, womit sich die anderen SchülerInnen auf ihre Weise auseinandergesetzt haben. Manche eben auch mit so blöden Aktionen.

  • Was konnten wir tun? Als Ergebnis unserer Beratungen stellten wir fest, dass wir uns in unserer Arbeit nicht beirren lassen. Um Missverständnisse abzubauen stellten wir unsere Arbeit öffentlich aus, gingen aus dem Klassenraum raus, indem wir z.B. die Litfasssäule mit unseren Texten usw. beklebten. Die SchülerInnen versuchten auf ihre Art und Weise in den Pausen und bei anderen Gelegenheiten ihre Klasse und die dort stattfindende Arbeit zu erklären.

  • Weiteres waren wir sehr darauf bedacht, uns vom schulischen Alltag nicht abzusondern und bei allen Aktivitäten wie Weihnachtsfeier, Sportfest und Schulveranstaltungen (Schikurse, Sommersportwochen, Fahrt nach London, etc.) genauso mitzumachen wie alle anderen Klassen auch.

Durch diese Maßnahmen stellte sich für die anderen bald heraus, dass wir gar keine so besondere Klasse waren und auch nicht sein wollten. Da wir außerdem für alle anderen auch immer offen waren und auftauchende Probleme sofort ansprachen, haben sich anfängliche Skepsis, Neid und Hänseleien gelegt und die OFFENE KLASSE wurde als eine von vielen Klassen gesehen.

Viele Impulse, die von unserer Klasse ausgingen, fanden sich übrigens bald auch in den andren Klassen wieder. Wochenplanarbeiten, Projekte, aber auch die Ausstattung der Klasse waren Ansporn für unsere KollegenInnen, es auch in ihren Klassen »offener« zu versuchen. Wir waren und sind so noch immer Motor der Schulentwicklung. Dass soviel unserer Arbeit von den anderen übernommen wurde, bestätigt uns sehr, diesen Weg weiterzugehen.

Zusammenfassung der Erfahrungen an der Hauptschule Oberneukirchen

Mittlerweile können wir schon auf mehr als acht Jahre Arbeit in OFFENEN KLASSEN zurück blicken. Die gemachten Erfahrungen sind durchwegs positiv: Gemeinsames Lernen ist auch in der Sekundarstufe 1 für alle Kinder sinnvoll und zufriedenstellend möglich. Mit dem Einsatz OFFENER LERNFORMEN kann man der enormen Heterogenität der SchülerInnengruppe gerecht werden, alle SchülerInnen können ihren Lernvoraussetzungen entsprechend erfolgreich gefördert und gefordert werden.

Ein Rückblick auf die weiteren Lebenswege unserer SchülerInnen zeigt, dass aus allen »etwas geworden ist«. Gerald (ein ehemaliger Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf) ist

z. B. mittlerweile ein begehrter Helfer beim Dachdecken und auch in diesem Bereich

beschäftigt, Esther macht einstweilen an der Pädagogischen Akademie ihr Diplomstudium zur Sonderschullehrerin, Magda verbrachte ein Schuljahr in Amerika und zählte dort zu den Besten, Karl (wurde nach dem Lehrplan für schwerstbehinderte Schüler unterrichtet) ist in einem geschützten Bereich tätig und hilft zuhause in der Landwirtschaft mit. Diese Reihe ließe sich fortsetzen und es ist schön, sagen zu können, dass alle SchülerInnen ihren Weg gehen konnten. Dass sich unsere Wege hin und wieder kreuzen und wir gemeinsam gerne an diese Zeit zurückdenken zeigt uns, dass wir erfolgreich waren und lässt so mache Mühen der Entwicklungsarbeit vergessen.

Auch der Mehraufwand an Planungs- und Reflexionsarbeit, der gerade zu Beginn unserer gemeinsamen Arbeit nicht unerheblich war, schlug sich letztlich durch eine höhere Berufszufriedenheit positiv zu Buche. Dennoch erscheint es uns wichtig, hier auch jene Punkte anzusprechen, die sich als Druckpunkte erweisen können.

Klassenzusammensetzung: Heute erscheint es so, dass sich ein Bild von Integrationsklassen entwickelt hat, das zum Ausdruck bringt, dass eine Integrationsklasse vor allem eine Klasse für »schwache« Kinder sei. Diesem Bild muss zukünftig noch heftiger widersprochen werden, um klar zum Ausdruck zu bringen, dass es um die Verwirklichung einer integrativen Pädagogik geht, die kein Kind - und sei es auch noch so hochbegabt - aus diesem Prozess ausschließt. Die Verwirklichung dieser Pädagogik braucht die größt mögliche Heterogenität, da dieses System dann am stabilsten ist.

Organisatorische Rahmenbedingungen: Für das Gelingen der integrativen Arbeit braucht es im Vorfeld die Zusammenarbeit mit allen Beteiligen (Schulaufsicht, Sonderpädagogisches Zentrum, SchulleiterIn, KollegenInnen, Eltern). Rechtzeitige Teamzusammensetzung, Auswahl der SchülerInnen für die Klasse, Erarbeitung und Vorstellung eines schuleigenen Konzeptes zur Durchführung der Integration sind nur die allerwichtigsten Punkte, die hier anzuführen wären. Sind diese Punkte nicht erfüllt, kann man eigentlich nicht von einem verantwortungsvollen Herangehen an diese Aufgabe sprechen - es geht hier nämlich um Kinder.

Einstellung zur Integration: Heute zeigt sich immer mehr, dass letztlich die Einstellung zur Integration respektive zur integrativen Pädagogik über Gelingen und Nichtgelingen des Gemeinsamen Unterrichts entscheidet, denn die Verwirklichung integrativer Pädagogik verändert Schule, ist somit von ihrem Wesen her eine innovative Kraft. Dort, wo versucht wird, Integration in das Korsett der herkömmlichen Schule zu pressen, kann und wird Integration nicht wirklich gelingen. Dort, wo neue Wege zur Bewältigung der Herausforderungen der Heterogenität auf allen Ebenen gesucht werden, kann eine inklusive Schulkultur entstehen.



[14] Die SchülerInnenpopulation entspricht daher der einer Gesamtschule

[15] Wenn in Österreich von der Schule für schwerstbehinderte Kinder gesprochen wird, ist damit die Schule für Geistigbehinderte gemeint; gleiches gilt für den Lehrplan.

[16] in Österreich spricht man vom »Klassenvorstand«

[17] siehe oben

[18] siehe dazu auch Kapitel 5 und die dazugehörenden Unterlagen auf der CD-Rom

[19] eine nähere Beschreibung der Arbeit mit dem Entwicklungsbericht erfolgt in Kapitel 5

[20] Nähere Erklärungen und Beispiele dazu auf den nächsten Seiten unter Elternarbeit

[21] weitere Beispiele für Elternbriefe, Elterninformationen, Elternfragebögen zur Evaluation, etc. sind auf der CD-Rom vorhanden

[22] vgl. dazu auch: DEGEN Sabrina: Integration im Englischunterricht : Chancen gemeinsamen Lernens für Kinder mit und ohne Behinderung. Neuwied, Kriftel, Berlin : Luchterhand, 1999

[23] siehe dazu auch Kapitel 4 und die dazugehörenden Materialien auf der CD-Rom

[24] Folgende Literatur zum OFFENEM UNTERRICHT in der Sekundarstufe 1 finden wir sehr hilfreich: - SEHRBROCK, Peter: Freiarbeit in der Sekundarstufe 1. Frankfurt a. M. : Cornelsen Sriptor, 1993 - JÜRGENS, Eiko: Erprobte Wochenplan- und Freiarbeitsideen in der Sekundarstufe 1 : Praxisberichte über effektives Lernen im Offenen Unterricht. Heinsberg : Agentur Dieck, 1994 - VAUPEL, Dieter: Das Wochenplanbuch für die Sekundarstufe : Schritte zum selbstständigen Lernen. Weinheim, Basel : Beltz Verlag, 1995 - BAILLET, Dietlinde: Freinet - praktisch. 4. Auflage. Weinheim, Basel : Beltz, 1995 - WALLRABENSTEIN, Wulf: Offene Schule - Offener Unterricht. Ratgeber für Eltern und Lehrer. Reinbek : Rowohlt, 1991

[25] Beispiele für verschiedenste Formen von Wochenplänen finden Sie in Kapitel 4 und auf der CD-Rom

[26] Beispiele zu Fachbereichsarbeiten, Freiarbeitsergebnissen, Arbeitsangeboten, etc. finden Sie in Kapitel 4 und auf der CD-Rom

[27] auch dazu finden Sie Beispiele in Kapitel 4

[28] Näheres zum Projektunterricht samt konkreter Produkte finden Sie in Kapitel 4 und auf der CD-Rom

[29] siehe dazu auch Kapitel 5 und die CD-Rom mit Beispielen zu Lernziellisten, Rückmeldungen zu Schularbeiten, Zeugnissen, Entwicklungsberichten

So könnt`s gehen! - Rahmenbedingungen, die für das Gelingen der Integration an der Sekundarstufe 1 förderlich sind

Im folgenden wollen wir 11 Regeln aufstellen, die Ihnen auf Grund unserer Erfahrungen helfen sollten, die Herausforderungen der Arbeit in einer Integrationsklasse gut zu bewältigen.

1) Bereiten Sie sich mit Ihren TeamkollegInnen intensiv und rechtzeitig auf die neue Aufgabe vor!

Einer der am meisten unterschätzten Bedingungen ist eine ausreichende und rechtzeitige Vorbereitung des Kernteams. Unter Kernteam verstehen wir jene LehrerInnen, die gemeinsam den Großteil der Unterrichtsstunden in der Integrationsklasse unterrichten und unbedingt eng miteinander kooperieren müssen. Die folgende Checkliste[30] gibt alle wesentlichen Aspekte wieder, die bei der Vorbereitung zu berücksichtigen sind.

Abbildung 17: Checkliste zur Vorbereitung der Arbeit in einer Integrationsklasse

Kinder der Integrationsklasse-Klasse:

Zusammensetzung und Auswahl der Kinder

Klassenraum:

Raumgröße

Gestaltungsmöglichkeiten

Lage in der Schule - behindertengerecht?

Material:

Welches Material steht zur Verfügung?

Was ist noch notwendig?

Ist Material zur Differenzierung/Individualisierung vorhanden?

Lässt dieses Material selbsttätiges Arbeiten der Kinder zu?

Konzept der Klasse:

Stundenverteilung

personelle Besetzung (Kernteam, Religion, Werken,.....)

Stundenplan

Umsetzung einer integrativen Pädagogik durch Wochenplan, Freiarbeit, Projektunterricht und gebundene Formen des Unterrichts

Leistungsbeurteilung: Formen alternativer Leistungsbeurteilung festlegen, Elterninfo vorbereiten

Elternkontakt:

Präsentation des Teams

Nach welchem Konzept wird in der Klasse gearbeitet werden?

Wichtige Fragen der Eltern (Hausaufgaben, Leistungsbeurteilung, Elternarbeit, Veranstaltungen, spezifische Fragen zur Klassensituation, ...)

Teamarbeit und Koordination [a]

Zeiten für gemeinsame Planungen unter Berücksichtigung der persönlichen Situation

KlassenlehrerIn (Klassenvorstand)

Supervision?

weitere mögliche Hilfen von außen?

Aufgabenverteilung im Team:

Korrektur der Schülerarbeiten

Erstellung der Wochenpläne

Betreuung der Klasse im Sinne eines KlassenlehrerInnen(Klassenvorstands)-Teams

Organisatorisches (z.B.: Geld einsammeln, Listen erstellen,..)

......................................................................

Aktivitäten der Klasse zu Beginn des Schuljahres

zum gegenseitigen Kennenlernen und Heimischwerden in der Klasse

zur Kooperation mit anderen Klassen

Förderung der Kinder:

Differenzierung und Individualisierung im Unterricht

Förderung der besonders begabten Kinder

Förderung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Nachweis der ausreichenden Förderung für Eltern

Zusammenarbeit mit der Schulleitung:

Stundenverteilung aus dem Bereich des Schulkontingentes

Unterstützung

Stundenplanerstellung

Öffentlichkeitsarbeit

Kontakt mit Schulerhalter

Begleitpersonen bei Schulveranstaltungen

..................................................................

Elternarbeit:

Art der Kontakte

Gemeinsame Aktivitäten

Elternbriefe

Unterstützung durch die Eltern

Schulbehörde/Sonderpädagogisches Zentrum:

Bescheide für die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Unterstützung bei Problemen (Verhaltensprobleme, Elternkontakte, LehrerkollegInnen, ...)

Stundenkontingent aus dem Bereich der Sonderpädagogik

Fortbildungsangebote:

Kurse zum Offenen lernen, ....

Hospitationen in bereits bestehenden Klassen

Literaturstudium aufteilen

Erziehungsfragen:

Disziplinverstöße

Mangelnde Leistungsbereitschaft

Störungen im Unterricht

Was mich einfach aufregt

Was ich mir unbedingt erwarte

Sonstiges:

..............................................................

[a] Eine hilfreiche Literatur dazu: SCHöLER, Jutta: Leitfaden zur Kooperation von Lehrerinnen und Lehrern - nicht nur in Integrationsklassen. Heinsberg : Dieck, 1997

2) Setzen Sie sich mit den Grundanliegen der Integration und Ihren persönlichen Einstellungen dazu auseinander!

Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen stellt die herkömmlichen Konzepte von Bildung, Schule und Unterricht radikal in Frage. Dem momentanen Schulsystem, das Unterschiede zwischen den SchülerInnen durch unterschiedliche Schultypen, verschiedene Klassen und Leistungszüge, also durch Homogenität und Selektion lösen will, wird mit der inklusiven Pädagogik ein Konzept einer gemeinsamen Schule für alle entgegengestellt, in der die Heterogenität und die Kooperation die bestimmenden Prinzipien sind. Dies widerspricht vor allem in der Sekundarstufe dem bisherigen Selbstverständnis und bringt damit eine Menge Konflikte mit sich, auf die man sich einstellen und vorbereiten sollte.

3) Stellen Sie Ihr Konzept und Ihr Team so bald wie möglich den Eltern der GrundschulabgängerInnen vor!

Viele Eltern guter SchülerInnen wollen ihr Kind in ein Gymnasium einschreiben. Dem können Sie nur entgegenwirken, wenn Sie und die KollegInnen des zukünftigen Kernteams die pädagogischen Vorteile ihres integrativen Konzeptes glaubwürdig einige Zeit vor dem Schuleinschreibungstermin vorstellen. Den Zweifeln vieler Eltern, dass die gut begabten SchülerInnen in Integrationsklassen womöglich zu wenig lernen, kann mit entsprechenden Untersuchungsergebnissen[31] begegnet werden. Außerdem hat es sich als sehr wirksam erwiesen, zu Informationsabenden Eltern mitzunehmen, die ihre persönlichen Erfahrungen darstellen. Auch eine Einladung zu einem Besuch in bereits bestehende Klassen, die nach dem gleichen Konzept arbeiten, hilft oft Zweifel auszuräumen.

4) Setzen Sie die Klasse so heterogen wie möglich zusammen!

Eine KlassenschülerInnenzahl von mindestens 20 und maximal 25 hat sich unter den gegebenen Raumbedingungen als optimal herausgestellt. Die für das Klassenklima entscheidenden Faktoren sollten möglichst ausgeglichen verteilt sein. Hat man die Möglichkeit der Auswahl, weil sich mehr SchülerInnen für den integrativen Unterricht gemeldet haben als genommen werden können, dann sollte man folgende Faktoren berücksichtigen:

Bezüglich Geschlecht hat sich ein Verhältnis von 1:1 am förderlichsten erwiesen. Von der schulischen Leistungsfähigkeit her sollten sich sehr gute GrundschülerInnen im gleichen Ausmaß in der Klasse finden wie sehr schwache SchülerInnen. Neben der schulischen Leistungsfähigkeit spielt aber auch die soziale Stabilität eine ganz entscheidende Rolle. Diesbezüglich sollten ausreichende Information von den jeweiligen GrundschullehrerInnen eingeholt werden. Bezüglich des Anteils der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat sich herausgestellt, dass dieser rund 25% betragen soll. Auch bezüglich der Art der Behinderung sollte eine möglichst große Heterogenität herrschen. Es wäre nicht günstig, Kinder mit der gleichen Behinderungsart in einer Klasse zu konzentrieren (z.B. lauter Gehörbehinderte in einer Integrationsklasse). Sehr wohl sollte aber die Möglichkeit geschaffen werden, dass Jugendliche mit Behinderungen ausreichend Möglichkeit haben, in Wahlpflichtkursen und in der Freizeit auch mit anderen behinderten Jugendlichen gemeinsame Aktivitäten unternehmen zu können.

5) Kooperieren Sie intensiv mit den TeamkollegInnen!

Der Erfolgsfaktor für gelungene Integration schlechthin ist die Kooperation unter den TeamkollegInnen. Nur wenn die LehrerInnen miteinander arbeiten können wird es ihnen gelingen, Unterricht so zu gestalten, dass auch die SchülerInnen gemeinsam arbeiten können. Der Ruf nach (zeitweiser) Trennung der SchülerInnen, um die jeweiligen Gruppen angeblich besser fördern zu können ist oft nur ein Vorwand, um nicht zusammen arbeiten zu müssen, um seine eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Schulversuchspraxis zeigte deutlich, dass diejenigen Teams, die sich dem Aufwand einer intensiven Kooperation stellten, einerseits zwar von einer sehr hohen Arbeitsbelastung sprachen, andererseits aber auch eine sehr hohe Arbeitszufriedenheit aufwiesen. Die in die gemeinsame Planung und Reflexion gesteckte Energie rentierte sich um ein Vielfaches beim Unterrichten.

6) Behandeln Sie die SonderpädagogIn als gleichwertige PartnerIn!

Die Rolle der SonderschullehrerInnen ist zwar fachlich gesehen sehr wohl die der SpezialistInnen für die Kinder mit Behinderungen. Dies darf sich aber nur bei der Unterrichtsplanung auswirken, bei der sie auch den Hauptteil der Koordination tragen müssen. Im gemeinsamen Unterricht darf keinerlei Spezialisierung zu bemerken sein. Alle LehrerInnen müssen sich für alle Kinder in der Klasse zuständig fühlen und die SonderschullehrerInnen unterrichten ebenso die HauptschülerInnen wie die HauptschullehrerInnen die behinderten Kindern. In die Diskussion allgemein pädagogischer und organisatorischer Fragen sind die SonderschullehrerInnen als gleichberechtigte Mitglieder einzubinden und voll anzuerkennen.

7) Versuchen Sie, Meinungsunterschiede möglichst im Konsens zu lösen!

Auch wenn eine hohe Übereinstimmung im Kernteam über Grundsätzliches besteht, wird es öfters zu Meinungsverschiedenheiten, Diskussionen - vor allem über die Stoffanforderungen oder das Schüler- bzw. LehrerInnenverhalten - kommen. Solche Meinungsverschiedenheiten sollten möglichst direkt und vor allen Dingen rechtzeitig angesprochen werden, damit sie sich nicht zu dauerhaften Konflikten auswachsen.

Integration wird um so besser funktionieren, je besser das LehrerInnenteam in der Lage ist, Probleme offen auszudiskutieren. Dabei sollte man auch vor der Inanspruchnahme außenstehender Hilfe (Supervision) nicht zurück schrecken. Zumindest eine TeamkollegIn sollte grundlegende Kompetenzen im Kommunikationsverhalten (z.B. die Regeln der Themenzentrierten Interaktion nach SCHULZ v. THUN)[32] aufweisen, damit die Interaktionen im Team, aber auch unter und mit den SchülerInnen sowie mit den Eltern, effektiver gesteuert werden können.

8) Verwirklichen Sie lieber pragmatische Veränderungen, die alle im Team mittragen können, als radikale Reformen, die Sie letztendlich ins Out stellen und einer Weiterentwicklung am Standort eher hinderlich sind!

Der Weg der goldenen Mitte kann als allseits anerkannter Lösungsansatz bei Meinungsverschiedenheiten gelten. Auch Unterschiede bezüglich der Einstellung zum OFFENEN LERNEN, zum Anteil von Freiarbeit und Projektunterricht, zur Form der Leistungsbeurteilung, etc. sollen zu keinen nachhaltigen Konflikten führen. Alle Teammitglieder sollten bereit sein, um einen gemeinsamen Kompromiss leidenschaftlich zu ringen, dann aber ihre Vorstellungen zurück zu stellen, um andere nicht zu überfordern. Dabei darf das Ziel, ein möglichst effektiver und zufriedenstellender gemeinsamer Unterricht für alle Kinder nicht aus den Augen verloren werden. Manchmal ist es daher durchaus auch notwendig, dass sich Partner trennen, dass einzelne Teammitglieder - möglichst ohne Zorn - aus dem Team ausscheiden. Es gilt der Grundsatz: Das Ziel muss möglichst radikal gedacht werden, die Schritte dorthin können aber immer nur pragmatisch umgesetzt werden.

9) Gewinnen Sie die Eltern als Partner!

Eltern sind nach den TeamkollegInnen die zweitwichtigsten Partner für eine erfolgreiche Integration. Es zeigte sich sehr deutlich, dass Eltern Neuerungen in der Schule immer sehr skeptisch gegenüber stehen. Auch wenn sie anfangs begeistert ihr Kind für die Integrationsklasse anmelden, kann sich die Begeisterung dafür sehr schnell in Zweifel und Kritik umwandeln, wenn ihr Kind nicht den gewünschten Lernerfolg erzielt. Es ist daher äußerst wichtig, die Eltern durch regelmäßige und transparente Information und Diskussion (Elternabende, Stammtische, Klassenbesuche, Einzelgespräche) mit ihren Bedenken ernst zu nehmen. Dabei ist es aber auch wichtig, sich bewusst zu machen, dass man es nie allen Eltern recht machen kann und man als LehrerIn sehr wohl auch einen eigenen pädagogischen Standpunkt professionell vertreten soll.

10) Geben Sie den SchülerInnen das Wort!

Integration hat auch Partizipation und Emanzipation als Ziel. Es geht um ein gleichberechtigtes Miteinander aller Beteiligten. Einer der wesentlichsten Faktoren für das Gelingen der Integration ist daher ein verändertes LehrerInnen-SchülerInnen-Verhältnis. Es gilt, eine gleichberechtigte Partnerschaft mit verantwortlicher Wahrnehmung der jeweiligen Rollenfunktionen durch die jeweiligen Rollenträger zu leben. Demokratische Elemente wie z.B. der Klassenrat, Mitbestimmung in allen Fragen des Zusammenlebens nach klaren, gemeinsam ausgemachten Regeln bestimmen den Umgang miteinander. Erst wenn es gelingt, die SchülerInnen als vollwertige Partner zu behandeln, können diese ihre vielfältigen Kompetenzen in die Gestaltung des gemeinsamen Unterrichts einbringen und so zum Erfolg der Integration beitragen. Voraussetzung dafür ist, das die LehrerInnen auch bereit sind, Teile ihrer Verantwortung an die SchülerInnen abzugeben und diesen mehr als üblich zutrauen. Im Regelfall wird dieser Vertrauensvorschuss durch eine regere Beteiligung der SchülerInnen am Unterricht und am Klassenleben belohnt.

11) Verlieren Sie nie den Humor!

Die Sache der Kinder ernst zu nehmen verlangt nicht, dass wir immer nur verbissen an unseren Zielen arbeiten sondern eben auch, dass wir in all den schwierigen Situationen, den manchmal kaum zu überwindenden Hürden und den vielen Unzulänglichkeiten, die uns auf diesem Weg begegnen, nicht den Mut verlieren und erkennen, dass auch wir uns für diesen Prozess neue Fähigkeiten wie z.B. Teamfähigkeit aneignen müssen.

Unsere wichtigste Botschaft zum Schluss lautet daher:

Wenn heute etwas unmöglich und undenkbar erscheint, dann kann es, wenn man innehält und Bedingungen formuliert, wie das Gedachte doch möglich werden könnte, morgen schon im Bereich des Möglichen liegen und man kann sich dann aufmachen, das Gedachte wirklich werden zu lassen.

Dabei den Humor nicht zu verlieren, ist nicht einfach, aber wirksam.



[30] Die Checkliste ist in der »Arbeitsfassung«, die sie als doc/rtf-Datei auch auf der CD-Rom finden, in drei Spalten geteilt, damit Sie zuerst Ihre persönlichen Fragen allein klären und erst im Anschluss daran diese mit den Teammitgliedern vergleichen und absprechen können.

[31] siehe dazu Kapitel 6 bzw. FEYERER 1998, 128ff

[32] sehr empfehlenswerte Literatur dazu: SCHULZ V. THUN, Friedemann: Miteinander reden 3. Das ›innere Team‹ und situationsgerechte Kommunikation. Rheinbeck : Rowohlt Tb-Verlag, 1998

Innere Differenzierung durch Individualisierung

Das Kernstück jeder integrativen Didaktik ist die Innere Differenzierung mittels Individualisierung. Nur wenn diese gelingt, können wirklich alle SchülerInnen gemeinsam an einem gemeinsamen Thema/Gegenstand lernen und arbeiten.

Um die Innere Differenzierung durch Individualisierung auch unter den Bedingungen einer Sekundarstufenschule umsetzen zu können, haben wir an der Hauptschule Oberneukirchen versucht, einen gangbaren Weg zu entwickeln, der einerseits allen SchülerInnen die notwendigen Anforderungen - besser gesagt: Herausforderungen - bietet, andererseits uns LehrerInnen eine handhabbare Planungs- und Vorbereitungszeit ermöglicht und uns so auch noch Zeit für etwas Anderes als Schule lässt.

Da wir außerdem gewisse äußere Rahmenbedingungen des selektionsorientierten Schulsystems wie schulstufen- und jahrgangsbezogene Lehrpläne, Klassenarbeiten, Fachunterricht als formales Organisationskriterium, etc. berücksichtigen mussten, sind wir einen pragmatischen Weg gegangen, in dem wir auf folgende Fragen Antworten gesucht und unseren Unterricht danach geordnet haben:

Wie schaffen wir es, den SchülerInnen individuelle Angebote zu machen und dabei allen gerecht zu werden, den hochbegabten genau so wie jenen, die noch viel Hilfe und Unterstützung brauchen?

Methodisch betrachtet liegt die Antwort darauf auf der Hand: Wochenplanaufgaben und Möglichkeiten zur freien Arbeit.

Wie bringen wir LehrerInnen, die wir ja auch gerne mal was erklären und »Stoff« vortragen wollen, es zustande, diesen Anspruch zu verwirklichen? Wie sichern wir die Erfüllung der Lehrplananforderungen in den einzelnen Fächern?

Gebundene Stunden ist unsere Antwort darauf. Gebunden in dem Sinne, dass wir uns an einem bestimmten Inhalt orientieren und diesen gemeinsam mit den SchülerInnen erarbeiten. Das ist bei weitem kein Frontalunterricht, der ja manchmal so abschätzig behandelt wird. Es ist ein Unterricht, der die Konzentration aller auf eine Person und einen Inhalt legt. Das kann jetzt ein/e Schüler/in sein, der/die die Klasse beim Musizieren dirigiert und die Einsätze gibt, das kann aber auch ein/e Lehrer/in sein, der/die eine Versuchsanordnung zum eigenständigen Nachmachen, einen kognitiven Inhalt oder diverse Sachzusammenhänge und Arbeitsabläufe erklärt.

In diesen beiden Formen des Unterrichts findet zwar Begegnung statt, sind Möglichkeiten zum gemeinsamen Tun und zum sozialen Austausch gegeben, aber:

Wie wird das gemeinsame Lernen am gemeinsamen Gegenstand, das ja das Fundamentum der integrativen Pädagogik darstellt, realisiert?

Uns war klar, dass wir uns in der Beantwortung dieser Frage auf den Projektunterricht konzentrieren müssen. Wir wollten aber Projekt von Anfang an nicht als ein einmaliges oder zweimaliges Ereignis während eines Schuljahres verstanden wissen, sondern als tägliche Arbeitsform des schulischen Lernens. Uns war klar, dass wir mit den SchülerInnen zu gemeinsamen Inhalten finden und gemeinsam die Lernschritte planen und reflektieren müssen, damit unser Unterricht in Projekten wirklich als gemeinsames, kooperatives Lernen verstanden werden kann.

Wie können einzelne SchülerInneninteressen, die im gemeinsamen Projektunterricht nicht Platz finden, berücksichtigt werden?

Um den SchülerInnen die Auseinandersetzung mit persönlichen Spezialthemen zu ermöglichen, aber auch um ihnen die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zum selbständigen Erstellen eines längeren Sachtextes zu vermitteln, führten wir die individuelle Fachbereichsarbeit ein. Jede/r Schüler/in erstellte pro Semester zu einem Thema ihrer/seiner Wahl eine schriftliche »Seminararbeit«, betreut von einem/r Lehrer/in seiner/ihrer Wahl, der/die Tipps zum Recherchieren und Dokumentieren gab. Oft wurden auch die Eltern in diese von den meisten SchülerInnen sehr geliebte Arbeitsform einbezogen.

Insgesamt schafft man unserer Meinung nach mit diesen Unterrichtsformen, die wir in der Folge näher darstellen wollen, den Spagat zwischen selektionsorientierten Rahmenbedingungen in der Sekundarstufe 1 und den Ansprüchen einer integrativen Pädagogik sehr gut und kann damit alle SchülerInnen optimal fördern und auf die weitere Lebens- und Berufslaufbahn vorbereiten.

Wochenplan (WP) und Freiarbeit (FA)

Wir legen großen Wert auf die Unterscheidung zwischen Wochenplan und Freiarbeit, weil mit diesen Begriffen zwei völlig unterschiedliche methodische Konzepte verbunden sind und die gängige Vermischung zu vielen Missverständnissen führt. Rolf ROBISCHON (2000, 111) schreibt: »In der Freiarbeit müssen die Kinder tun, was sie wollen.« und verursacht bei vielen ein Schmunzeln, weil ihnen damit erst richtig klar wird, dass Freiarbeit eben mehr ist. Doch dazu ein wenig später. Wenden wir uns zuerst dem Wochenplan zu.

Wochenpläne dienen der Sicherung des Unterrichtsertrages und werden für verschiedene SchülerInnengruppen oder auch einzelne SchülerInnen unterschiedlich gestaltet. Die SchülerInnen können selbständig und individuell, nach eigenem Lerntempo Fähigkeiten und Fertigkeiten üben, die in den einzelnen Fachgegenständen eingeführt wurden. Die Aufgaben, Forschungsaufträge und Spielanregungen sollten also in engem Zusammenhang zum gebundenen Unterricht stehen. Für uns ist der Wochenplan eine Form, den Kindern unterschiedlichste Aufgabenstellungen zu geben. Damit wird auch sichergestellt, dass man allen Kindern gerecht wird. Die Aufgaben sind individuell, d.h. jede/r bekommt das, was er/sie benötigt. Um aber nicht für z.B. 25 SchülerInnen 25 unterschiedliche Wochenpläne schreiben zu müssen, verwenden wir offene Formulierungen, die auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen aller eingehen, wie zum Beispiel:[33]

  • Schreib einen Text zum Thema Umweltverschmutzung

  • Verbessere deinen Text und trag dir die Fehlerwörter in deine Kartei ein. Such dir dann eine/n Partner/in und lass dir Wörter ansagen.

  • Such dir aus den Mathematikblättern 3 aus und bearbeite diese. (Hinweis: Hier handelt es sich um Arbeitsblätter, die von uns nach verschiedenen Schwierigkeitsstufen zusammengestellt wurden)

  • Führe mit einer Person deiner Wahl ein Interview (zu einem bestimmten Thema, z.B. Wie war die Zeit nach 1945?) und gestalte einen Beitrag für die Projektpräsentation.

Der Wochenplan unterscheidet sich somit durch qualitative (Schwierigkeitsgrad, Lernausgangslage, ... berücksichtigend) und quantitative Differenzierungsformen (notwendiger Arbeitsaufwand, Anzahl der Aufgaben, ...).

Selbstverständlich beinhaltet der Wochenplan neben verbindlichen Vorgaben auch Spielraum für Aufgaben, die sich die SchülerInnen selbst stellen. Auch sollten die SchülerInnen die Möglichkeit haben, aktiv an der Planung des Wochenplans beteiligt zu sein. Vorschläge können die SchülerInnen in einem Kreisgespräch machen oder an einer eigens dafür vorgesehenen Pinwand deponieren (Beispiel eines Schülers: »Ich möchte wieder einmal eine Gruselgeschichte schreiben und benötige den Beginn einer solchen Geschichte.«).

So verschieden die SchülerInnen sind, so verschieden ist auch die Qualität der Ergebnisse. Während einige Kinder seitenlange Geschichten verfassen, geben andere SchülerInnen zehn mehr oder weniger zusammenhangslose Sätze zum Thema oder nur eine Zeichnung mit von den LehrerInnen geschriebenen Wörtern/Sätzen ab. Dennoch arbeitet jedes Kind nach seinen Möglichkeiten mit vollem Einsatz und es ist wichtig, dass jedes Kind eine entsprechende Würdigung ihrer/seiner Arbeit erfährt. Für die SchülerInnen ist es erfahrungsgemäß auch gar kein Problem, eine Zeichnung mit einigen Wörtern eines geistigbehinderten Kindes oder einige eher zusammenhanglose Sätze eine/r Mitschüler/in mit sozialen Problemen, die/der sonst kaum einen Beitrag leistet, ebenso zu würdigen wie einen dreiseitigen Aufsatz eine/r leistungsstarken Schüler/in. Wir LehrerInnen sind allerdings stark gefährdet, die eher »schwächeren« Arbeiten viel zu wenig bis gar nicht zu würdigen.

Die individuell unterschiedlichen Hilfestellungen von uns LehrerInnen orientieren sich an folgender Frage: Welche minimalste Hilfestellungen braucht der/die SchülerIn, um erfolgreich am Thema arbeiten und lernen zu können? Zur Illustration der Differenzierungsmöglichkeiten sei hier ein Beispiel aus dem Deutschbereich exemplarisch dargestellt:

Ist das Thema (z.B. »Gruselgeschichten«) bestimmendes Element der Arbeit so geben wir jedem/r Schüler/in jene Hilfestellungen, die er/sie benötigt. So kann ein/e Schüler/in

  • einen Fortsetzungsroman schreiben,

  • eine Gruselgeschichte selbständig schreiben,

  • mit vorgegebenen Anfängen oder Stichworten zum Thema »Gruselgeschichten« eine Geschichte verfassen,

  • vorgegebene Sätze einer Gruselgeschichte in die richtige Reihenfolge bringen, Bildern zuordnen und dann abschreiben ,

  • einzelnen Wörter aus der vorgegebenen Geschichte Gegenstände zuordnen, damit Lese- und Schreibübungen machen,

  • eine vorgegebene Geschichte selbständig erlesen und ihr/sein Leseverständnis dadurch unter Beweis stellen, indem er/sie diese Geschichte illustriert,

  • eine Gruselgeschichte von einem/einer Schüler/in vorgelesen bekommen und diese Geschichte nachvollziehen (spielen, Bilder ordnen, Schlüsselwörter bzw. -sätze sagen, zeichnen).

Der Wochenplan dient uns LehrerInnen zur Dokumentation und Kontrolle. Dabei sollte jeder Wochenplan auch einen Zeitrahmen vorgeben, die SchülerInnen tragen nach der Beendigung der Arbeit die tatsächlich benötigte Zeit ein. Dadurch werden die SchülerInnen in ihrem eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Arbeitszeit unterstützt. Einzelne Symbole für Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit (Sozialform) sollen für die SchülerInnen leicht erkennbar sein. Die Aufgaben müssen so gestellt sein, dass sie jedem/r Schüler/in verständlich sind.

Die Wochenplanstunden verteilen sich meist über eine Woche. In besonderen Fällen haben wir den Wochenplan auch über einen maximal zweiwöchigen Zeitraum ausgedehnt. Alle im Wochenplan aufgelisteten Aufgaben sind Pflichtaufgaben, die von den LehrerInnen der Unterrichtsfächer Mathematik, Deutsch und Englisch in Kooperation mit dem/der SonderschullehrerIn zusammengestellt werden. Die SchülerInnen haben freie Wahl, in welcher Wochenplanstunde sie welche der Arbeiten machen.

Die Phase der Wochenplanarbeit dient uns LehrerInnen vor allem der Beratung einzelner SchülerInnen. Hat ein/e Schüler/in eine Frage, kennt er/sie sich bei einer Übung nicht aus, so schreibt diese/r ihren/seinen Namen mit Farbkreide an die Tafel. Durch diese Vorgangsweise werden die übrigen SchülerInnen nicht gestört. Ein/e Lehrer/in begibt sich dann zum/r Schüler/in und klärt mit ihm/ihr das Problem. Die SchülerInnen werden dadurch auch angehalten, vorher Hilfe bei anderen SchülerInnen zu suchen und in Kooperation mit diesen das Problem zu lösen.

Haben die SchülerInnen eine Arbeit beendet, so legen sie diese in ein eigens dafür vorgesehenes WP-Ablagefach und kennzeichnen die Erledigung mittels farbiger Knöpfe auf einer Pinwand. Diese Pinwand ist so gestaltet, dass eine Tabelle mit den Namen der SchülerInnen und den einzelnen Bereichen (Mathematik, Deutsch, Englisch, Projekt) entsteht. Haben die SchülerInnen ihre Aufgaben in einem Bereich erledigt, setzen sie in das entsprechende Feld einen Klebepunkt oder eine Pinnadel. Wollen Sie anderen SchülerInnen bei der jeweiligen Aufgabe helfen, setzen sie neben den »Fertig!«-Button den »Ihr könnt mich Fragen!«-Button.

Im Laufe unserer Arbeit mit freien Arbeitsformen haben wir uns für diese Form entschieden, da LehrerInnen wie SchülerInnen damit die Möglichkeit haben, auf einen Blick zu sehen, wie weit einzelne SchülerInnen in ihrer Arbeit vorangekommen sind und wer von ihnen als weitere/r Helfer/in zur Verfügung steht. Da in der Sekundarstufe ja verschiedene LehrerInnen die Wochenplanarbeit betreuen, ist über diese Pinwand der Austausch über den Lernstand der SchülerInnen problemlos möglich.

Während des Wochenplans arbeiten die SchülerInnen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sie besprechen sich mit ihren Sitznachbarn, suchen Rat oder geben Tipps. Diese Form des Arbeitens hat sich bewährt, selbst wenn wir bei der Arbeit mit einem Kind länger gebunden sind und nicht gleich auf die Fragen der anderen reagieren können (was ohnehin selten vorkommt), so beeinträchtigt dies das Arbeitsverhalten der SchülerInnen kei¬neswegs, weil sie dann eben mit anderen SchülerInnen die Lösung suchen oder andere Arbeiten vorziehen.

Mit den folgenden Abbildungen einige Beispiele von unterschiedlichen Wochenplänen:

Abbildung 18: Wochenplan für einen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (5.Schst.)

Wochenplan aus Deutsch für JÜRGEN 11.12. - 15.12.2000

Was geschieht hier? Erzähle die Geschichte.

Und was ist da drin? Was wünscht du dir? :

Woher kommt dein Christbaum und wie wird er geschmückt? - Zeichne ein Bild von deinem Christbaum!

WOCHENPLAN vom 11.10. bis 22.10.

Sozialform

Schüler

Lehrer

Englisch

     

1.) Verbessere alle Aufgaben. (Vokabelüberprüfung, SE, Wochenplan)

J

   

2.) Write a text about »RULES« in your family. Write at least 10 sentences

J

   

3.) WB p.15 Nr.8. Look at the box. Write each activity under the correct picture. Then form sentences and write them down. (Ins WP Heft!)

J

   

4.) WB p.16 Nr.13

JJ

   

Abbildung 19: Wochenplan für alle Fächer (7. Schulstufe)

Projekt

     

Wir beschäftigen uns diese Woche mit der OÖ-Landtags- und Gemeinderatswahl. Deine Aufgabe ist es herauszufinden, welche Parteien kandidieren und welche Ziele sie erreichen möchten. Dazu kannst du Zeitungen, Postwurfsendungen Plakate,........ mitbringen um folgenden Raster ausfüllen zu können.

J

   

Schau dass du gegen Ende der Woche deine Ergebnisse in einer Gruppe vergleiche und besprechen kannst. RASTER: Partei - Ziele allgemein und für den Landtag - Gemeinderat

JJJJ

   

Mathematik

     

1.) Bearbeite die Arbeitsblätter, die dazu geheftet sind.

J

   

2.) Mache im Buch folgende Aufgaben: (Buchaufgaben sind je nach SchülerIn oder SchülerInnengruppe verschieden, verschiedene Schwierigkeiten)

J

   

3.) Rechne am Computer mit dem Rechenprogramm - Umwandlungen von Längenmaßen

JJ

   

4.) Suche aus den angeführten Zahlen jene aus, die durch 2,3,5 teilbar sind. Mache dazu Gruppen. 2451, 48755, 55548, 54217, ....................................................... Teilbar durch 2: Teilbar durch 3: Teilbar durch 5:

J

   

Deutsch

     

Schreiben: Schreibe einen ausführlichen, zusammenfassenden Bericht über die Projektwoche in Gosau.

J

   

Lesen:

     

Liebe Schüler, bitte zeigt diesen Wochenplan auch euren Eltern!

In Deutsch sind die Hausübungen ein wenig anders als ihr es aus der Volksschule gewohnt seid. Wir geben euch nicht jeden Tag eine Übung auf, sondern ihr sollt selber lernen. Anstatt einer Hausübung habt ihr täglich die Aufgabe, mindestens 20 Minuten zu lesen! Vielleicht geht das auch mit euren Eltern, denen ihr jeden Abend etwas vorlest (oder kleineren Geschwistern). Heute bekommt ihr ein ganz tolles Buch, dass ihr während des Wochenplans schon zu lesen beginnen könnt. Lest jeden Tag in diesem Buch, bis zum Montag (xx.xx.xxxx) solltet ihr es ausgelesen haben, denn dann werden wir uns länger damit beschäftigen.

Nun aber ran an die Arbeit!

Euer LehrerInnenteam

J

   

Beachte/Note:

Wenn du mit einer Aufgabe fertig bist, so mache ein Häkchen in deiner Spalte neben der Aufgabe. Wenn wir Lehrer diese Aufgabe kontrolliert haben, werden wir unser Häkchen machen, wenn alles richtig ist. Hast du etwas zu verbessern, so steht ein C (=correction/Verbesserung) in der Lehrerspalte. Hast du die Verbesserung gemacht, bekommst du ein Häkchen. Erst dann bist du mit dieser Aufgabe fertig!

Abbildung 20: Wochenplan für das Fach Englisch (5. Schulstufe)

Mache folgende Aufgaben:

Schüler

Lehrer

     

1.) WB=Workbook p.4 Nr.5 and Workbook p.5 Nr.7

   
     

2.) EB (=Englishbook) p.14 Nr.12

What colour is ....................?

are ..................?

Diese Aufgabe ist eine »partner activity«-Aufgabe. Das bedeutet, dass du mit einem Partner diese Aufgabe zuerst mündlich üben sollst. Anschließend schreibst du 3 Fragen mit den Antworten in dein SE-Heft (= schoolexercises).

   
     

3.) WB p.9 Nr.1 (erst nachdem wir diese Dinge im Klassenzimmer besprochen haben!)

   
     

4.) EB p.13 Nr. 11

   

Zusatzaufgabe: What is your favourite colour? (= Lieblingsfarbe)

My favourite colour is ........................

It .........................

Ask some friends! (Frage einige Mitschüler/innen)

   

In den angeführten Beispielen erfolgt die Rückmeldung einerseits von den LehrerInnen, teilweise von kooperierenden SchülerInnen, andererseits sind auch Beispiele angeführt (eine Geschichte schreiben, Aufgabe zu den Landtagswahlen), die der Klasse vorgestellt und gemeinsam diskutiert werden. Durch diese »Veröffentlichung« von Wochenplan- aber auch Projektergebnissen geschieht eine völlig andere Form der Kontrolle und Bewertung. Dieses »Öffentlich machen« kann folgendermaßen geschehen:

  • Lernergebnisse darstellen

  • Tafelbilder zeichnen, Folien entwickeln

  • Berichte anfertigen, Materialien zusammenstellen

  • Dokumentationen, Informationssammlungen, Quellensammlungen erstellen

  • Thesen formulieren, konträre Meinungen gegenüberstellen

  • Aufgaben für MitschülerInnen formulieren

  • einen Lückentext und das zugehörige Kontrollblatt entwerfen

  • Übungen zur Wiederholung und Vertiefung ausdenken

  • eine Fragenkartei (mit Lösungen) ausdenken

  • Fehlergeschichten schreiben

  • Wandzeitungen gestalten, Plakate entwerfen, Collagen anfertigen

  • Flugblätter gestalten

  • Geschichten schreiben

  • Reportagen oder Hörspiele schreiben und umsetzen

  • Foto-, Bilder-, Dia-Reihen, Videosequenzen erstellen

  • einen Leitfaden, einen Katalog, einen Prospekt, eine Broschüre, eine Zeitung erstellen

  • Bildergeschichten zusammenstellen, einen Comic entwickeln

  • Lieder texten, Gedichte schreiben

  • eine Pro- und Kontra-Debatte, ein Streitgespräch führen

  • eine Talkshow durchführen

  • Spiele entwickeln (Brett- und Würfelspiele)

  • Rätsel entwerfen (Kreuzwort-, Silben-, Balkenrätsel)

  • ein Quiz, ein Ratespiel entwickeln

  • ein Puzzle anfertigen

  • ein Modell basteln

  • ein Rallye oder ein Erkundungsspiel entwerfen

  • szenische Darbietungen vorführen (z.B. historische Szenen durch Rollenspiele)

  • Personen (Betroffene, Experten) einbeziehen

  • eine Ausstellung gestalten

  • Versammlungen besuchen

  • an Kundgebungen teilnehmen

  • (Leser-)Briefe schreiben

  • Eingaben machen, Anfragen richten

  • Anträge stellen

  • Beiträge für die Schulzeitung schreiben

  • Unterschriftenaktionen durchführen

  • einen Infostand gestalten

Der WP dient aber auch der Vorbereitung zur Freiarbeit. Den SchülerInnen soll dadurch die Möglichkeit gegeben werden, verbleibende Zeit sinnvoll und eigenverantwortlich zu nützen.

Freiarbeit ist für uns eine weitere Unterrichtsform, den Kindern die Freiheit zu geben, sich zu organisieren und zu handeln.

Wir sehen die Freiheit - sich zu organisieren - in der

Wahl des Inhalts (dieser ist beim WP vorgegeben!)

Wahl der Arbeitsform

Wahl des Zeitpunktes und der Zeitdauer

Wahl des Ortes

Wahl der Arbeitsmittel

Oder anders ausgedrückt: Die SchülerInnen entscheiden sich eigenständig, was sie wann, wo, wie, mit wem machen wollen. Natürlich dürfen sie sich auch dafür entscheiden, mal nichts zu machen. In diesem - eher seltenen Fall - bitten wir die SchülerInnen um Begründungen. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass - liegen keine »schwerwiegenden« Gründe vor - sich die SchülerInnen immer sinnvolle Arbeiten gefunden haben. Meistens sahen sie im Nichtstun eine kleine schöpferische Pause, die sich selber gönnten, als eine Belohnung für erbrachte Leistungen: »Ich hab heute schon so viel gearbeitet.« SchülerInnen, die durch unglückliche Umstände (Tod des Großvaters, schwierige familiäre Situation) einfach nicht in der Lage waren sich auf schulische Dinge zu konzentrieren, durften sich gerne eine Auszeit nehmen. Auch energieraubende Konflikte mit anderen SchülerInnen waren öfters ein Grund für geringere Lernaktivität, die aber durch eine Bereinigung des Konfliktes wieder gesteigert werden konnte.

Mit der Einführung der individuellen Fachbereichsarbeiten legten wir gemeinsam mit den Kindern fest, dass nicht nur an diesen in der Freiarbeit gearbeitet werden sollte, da die vielen Möglichkeiten in der Klasse, gemeinsam zu arbeiten, genützt werden sollten. Das gemeinsame Arbeiten wollten wir einfach nicht zu kurz kommen lassen.

Freiheit - zu handeln - sehen wir in folgenden Bereichen:

  • entdeckendes Lernen im naturwissenschaftlichen Bereich (Versuche und Sachaufgaben)

  • Kreatives Gestalten

  • Denkaufgaben

  • individuelle Arbeiten (entweder für das laufende Projekt oder auch für die Fachbereichsarbeit)

  • Arbeit am Computer

  • Klassenzeitung

  • Probe für ein Theater

  • Schreibwerkstatt

  • Ausstellungen

  • Entspannung

Wie anfangen?

Es wäre vermessen zu glauben, dass SchülerInnen sofort frei arbeiten könnten. Gerade in der Sekundarstufe haben wir mit SchülerInnen zu tun, die in der Volksschule sehr unterschiedliche Erfahrungen, wie »Lernen« funktioniert, gemacht haben. Sie kommen aus Klassen, in denen sie Lernen manchmal freier, oft aber sehr eng und lehrerInnenzentriert angeboten bekommen haben.

Es reicht also keinesfalls, den SchülerInnen nur einen Zeitrahmen zur Verfügung zu stellen. Vielmehr müssen sie langsam zur sinnvollen Nutzung des freien Rahmens geführt werden. Wir haben damit begonnen, den SchülerInnen mit einem reduzierten Angebot an Wochenplanaufgaben die Möglichkeit zu geben, sich auch noch mit Inhalten ihrer Wahl, also mit freien Arbeiten, beschäftigen zu können. Diese Form beinhaltet aber folgende Schwachpunkte:

  • Wenn die SchülerInnen zuerst ihr Wochenplanaufgaben erledigen, dann sind meist gegen Ende der Woche alle gleichzeitig fertig und wollen nun die Möglichkeiten zur Freiarbeit nutzen. Dabei kommt es zu Engpässen, was die Benutzung der Computer in der Klasse aber auch die »begehrten« Materialien betrifft.

  • SchülerInnen, die dies erkannt haben, begannen zuerst mit den Arbeiten ihrer Wahl und hatten dann Schwierigkeiten, mit dem Wochenplan fertig zu werden. Aus diesen Gründen haben wir folgende Änderungen vorgenommen:

  • Um mehr Möglichkeiten für die SchülerInnen zu schaffen, am PC zu arbeiten, erreichten wir in unserer Schule, dass wir neben den Computern in der Klasse auch den PC-Raum in bestimmten, ausgewiesenen Stunden benutzen durften.

  • Wir ließen zwar weiterhin Möglichkeiten zur freien Arbeit im Wochenplan, wiesen aber zumindest zwei Stunden pro Woche als Freiarbeitsstunden im Stundenplan aus.

  • Als organisatorischen Zusatz machten wir eine große Tafel in Form einer Tabelle mit den Namen der SchülerInnen und der jeweiligen Schulwoche, auf der die SchülerInnen am Anfang der Woche eintrugen, was sie machen wollten und am Ende der Woche, was sie tatsächlich gemacht hatten.

Zur Verwendung der Tafel haben wir gemeinsam folgende Regeln erarbeitet:

  • Jede/r muss sich eintragen und so zu dem stehen, was sie/er gemacht hat. Dabei ist auch »Nichts machen« erlaubt, wird aber begründet und dokumentiert und ist somit eine bewusste Entscheidung des/der Schüler/in.

  • Jede/r Schüler/in entscheidet alleine, womit sie/er sich beschäftigt.

  • Die Beschäftigungen sollen so sein, dass sie dokumentierbar (herzeigbar, besprechbar, beurteilbar) sind.

  • Die Arbeiten sollen, sofern es sich um schriftliche Beiträge handelt, gesammelt und in einer dafür vorgesehenen Mappe abgelegt werden.

Dadurch ergaben sich für LehrerInnen und SchülerInnen einige Erleichterungen:

  • Die ausgewiesene Zeit für freie Arbeit gab LehrerInnen und SchülerInnen einen besseren Orientierungsrahmen.

  • Die Tafel schuf einen Öffentlichkeitscharakter für die Aktivitäten der SchülerInnen und schuf einen Überblick für SchülerInnen und LehrerInnen.

  • Die gemeinsam besprochenen Regeln schufen einen Rahmen, in dem wir - SchülerInnen und LehrerInnen - in dieser Arbeitsphase klarer und bewusster (weil eben besprochen) miteinander umgehen konnten.

Durchführung

Wir haben festgestellt, dass für den »reibungslosen« Ablauf einige Punkte von größter Wichtigkeit sind:

1. Material vorstellen: Ist ein Material den SchülerInnen nicht bekannt, so wird es allen vorgestellt und besprochen. Keinesfalls sollte zu Beginn des Jahres die Klasse mit Materialien »vollgestopft« werden. Es ist besser, Materialien und den Umgang damit Schritt für Schritt einzuführen. Als positiv hat sich auch herausgestellt, wenn einzelne SchülerInnen für ein bestimmtes Material die Verantwortung übernehmen. Erklärungen von SchülerInnen helfen den anderen oft besser, mit dem Material sinnvoll zu arbeiten. Das in der Freiarbeit eingesetzte Material soll

  • ansprechend sein,

  • eindeutig in seiner Anforderung sein,

  • kommunikations- und kooperationsfördernd sein,

  • Selbstkontrolle ermöglichen,

  • Spaß machen,

  • haltbar sein,

  • Selbsttätigkeit fördern,

  • handelnden Umgang ermöglichen (auch motorische und emotionale Ebene ansprechen).

2. Ordnungssystem: Mit Farbpunkten, Nummern, bestimmten Regalen für bestimmte Materialien haben wir einen sehr straffen und gut strukturierten Ordnungsrahmen geschaffen, damit immer klar war, wo sich welches Material befindet, ob auch alles in Ordnung und vollständig ist. Der Umgang mit diesen Strukturen muss zu Beginn mit den SchülerInnen eingeübt werden, Verantwortlichkeit einzelner SchülerInnen für einzelne Bereiche hilft beim Einhalten der Ordnung. Um diese herzustellen und aufrecht zu halten ist ausreichend Zeit vor zu sehen.

3. Arbeitslärm: Hier haben wir folgende Regel erarbeitet: Wem es zu laut ist, der darf seinen/ihren Namen mit Farbekreide an die Tafel schreiben und den MitschülerInnen sagen, dass es zu laut sei. Drei Namen an der Tafel bedeuten Redeverbot (= vollkommene Stille für 15 Minuten). Zum Redeverbot kam es aber praktisch nie, weil alle erkannten, dass eine für alle angenehme Arbeitsatmosphäre notwenig und sinnvoll ist.

4. Umgestaltung des Klassenzimmers: Funktionsecken, wie »Werkstattecke« zum Experimentieren, Basteln, Malen, Gestalten, »Leseecke«, »Schreibatelier« mit Freinet-Druckerei und PC-Arbeitsplätzen zum Texte verfassen, Zeitung machen, ... stellen die notwendige räumliche Voraussetzung dar. Sind sie nicht gegeben, wird freies Arbeiten erschwert. Wenn der Platz in der Klasse nicht ausreicht, kann man die Möglichkeiten nutzen, die das Schulhaus bietet: z.B. Informatikraum nutzen und Bereiche des Ganges zu weiteren Arbeitsbereichen umgestalten.

5. Herstellung und Finanzierung der Arbeitsmittel: Prinzipiell ist der Schulerhalter für die Finanzierung der notwendigen Materialien zuständig. Die für freie Arbeit notwendigen Materialien übersteigen aber oft die Budgetmöglichkeiten. Folgende Möglichkeiten, um zu Material zu kommen, haben sich bewährt:

  • Gemeinsam mit SchülerInnen und/oder Eltern Lernmaterialien basteln (Karteien, Puzzles, Würfelspiele, ...)

  • Gemeinsam um Firmensponsoring ansuchen (für PC, Soundmaschine, ...)

  • Verkauf von Produkten bei Elternsprechtagen oder sonstigen offiziellen Anlässen (3. Welt Produkte, bedruckte Tücher und Taschen, Lesezeichen mit Gedichten, ...)

  • Öffentlichkeitsarbeit: Gestalten von Schulveranstaltungen vor Publikum, Verkauf von Klassenzeitungen, Büchlein mit eigenen Geschichten und Gedichten und damit verbunden das unausbleibliche Bitten um freiwillige Spenden

  • Miteinbeziehung der Eltern durch eine breite Information über unsere Arbeit und damit verbunden eine Aufklärung und Sensibilisierung über die so anderen als die gewohnten materiellen Bedürfnisse. Damit sollte nicht die Finanzkraft der Eltern strapaziert werden, aber Argumente der Eltern im Ort haben oft das Verständnis von Firmen und Privatleuten für ein Sponsoring unserer Klasse erhöht. Außerdem sind viele Eltern gerne bereit, ihre jeweiligen Fähigkeiten für die Anschaffung und Herstellung von Materialien zur Verfügung zu stellen bzw. einen kleinen Kostenbeitrag zu leisten.

Bleiben noch die Fragen: Wieviel Zeit stelle ich zur Verfügung? und Stehen die in der FA erbrachten Leistungen im beurteilungsfreien Raum?

Verschiedene Unterrichtsfächer müssen Zeit in den »FA-Pool« investieren. Voraussetzung dafür ist ein LehrerInnenteam, welches das Unterrichtskonzept ganzheitlich sieht, nicht auf das fachgebundene Einbringen der in der Stundentafel vorgesehenen Einheiten beharrt und außerdem der selbstorganisierten Arbeitsform ausreichend Bedeutung zumisst und deren Wert hoch einschätzt. Die Faustregel, dass gebundene Stunden (Religion, Leibeserziehung, Werken, Mathematik, ...) und freie Arbeit (WP, FA, Projekt) ungefähr ein Verhältnis von 1:1 aufweisen sollen, hat sich übrigens sehr gut bewährt[34].

Was die Beurteilung betrifft ist zu sagen, dass diese immer den Intentionen des Unterrichts entsprechen sollte. Wir finden daher eine »Beurteilungsform«, die auf Reflexion und Feedback durch SchülerInnen und LehrerInnen aufbaut, in der freien Arbeit angebracht. Selbsteinschätzung und -beurteilung, das Geben und Annehmen von Feedback verlangen vor allem persönliche Erfahrungen aller Beteiligten. Deswegen geben wir den SchülerInnen immer wieder die Möglichkeit, mit diesen Formen der »Beurteilung« Erfahrungen zu sammeln. Von Beginn an ist es ganz wichtig, auf eine richtige Feedback-Kultur zu achten. Die dafür »geopferte«Unterrichtszeit amortisiert sich in den folgenden Jahren um ein Vielfaches.

Da wir laut Rahmenbedingungen der oberösterreichischen Schulbehörde am Ende der 8. Schulstufe den »notenfreien Freiraum« verlassen müssen und angehalten werden, auch mit Ziffernnoten zu beurteilen, war die Frage, wie die gemeinsame Beurteilung der erbrachten Leistungen auch in Ziffern ausgedrückt werden könnte, stets ein Thema zwischen den SchülerInnen. Diese waren aber nach 3 Jahren alternativer Leistungsbeurteilung so geschult, dass sie nach anfänglichen Orientierungsproblemen gerne wieder auf die Rückmeldungen und der verbalen Beurteilung ihrer Leistungen, die wir selbstverständlich beibehielten, zurückgriffen.

Was für die Wochenplanarbeit und die gebundenen Stunden hinsichtlich der integrativen Arbeit gilt, ist auch in der Freiarbeit festzustellen: Soziales Lernen, gemeinsames Tun, Helfersysteme, kooperative Arbeitsformen sind zwar in diesen Formen sehr gut möglich und in eingeschränktem Maße auch plan- und koordinierbar, aber nicht zu erzwingen. Planbar, und für LehrerInnen lernbar, ist es jedenfalls,

  • gemeinsame Absprachen und Zielvorstellungen zu moderieren und somit zielführender zu gestalten,

  • die Bedürfnisse einzelner SchülerInnen kennen, verstehen und ansprechen zu lernen,

  • mit Konflikten »gewaltfrei« umgehen zu lernen,

  • dieser Arbeit genügend Zeit, Kompetenzen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen,

  • SchülerInnen darin zu unterweisen, wie »Helfen« subjektiv sinnvoll aussehen kann.

Wer aber mit wem gerne und bevorzugt arbeitet, welche Aktivitäten der/die Einzelne bevorzugt, liegt in der individuellen Persönlichkeit der SchülerInnen und muss letztendlich von uns LehrerInnen akzeptiert und mitgetragen werden. Was aber nicht heißt, keine steuernde Aktivitäten zu setzen, um eventuell auftretende Probleme im Sozialverhalten (Außenseiterproblematik, Gruppenbildung mit Ausgrenzungstendenzen, »Macho-Verhalten«, ...) anzusprechen und gemeinsam zu lösen.

Wichtig ist es uns noch anzumerken, dass in diesen Formen des Arbeitens die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf hinsichtlich der Kooperationsformen, der Einhaltung der Regeln, der Ordnung, sowohl von uns LehrerInnen als auch von den SchülerInnen, soweit wie möglich genauso behandelt werden wie alle anderen auch. Ist dies auf Grund besonderer individueller Lernbedürfnisse von einzelnen SchülerInnen nicht möglich, hat es sich bewährt, im Klassenrat gemeinsam Möglichkeiten zu finden, wie trotzdem ein von allen akzeptiertes Miteinander gestaltet werden kann.

Differenzierte Förderung im Fachunterricht - Gebundener Unterricht

Den gebundenen Unterricht als »traditionellen« Frontalunterricht zu bezeichnen ist für uns eine Verkürzung, verstehen wir doch dieses Form des Unterrichts als eine Organisationsform, die in sehr unterschiedlichen Handlungsmustern (vom LehrerInnenvortrag bis zur SchülerInnendiskussion) realisiert werden kann und ganz bestimmte Unterrichtsschritte erforderlich macht.

Im gebundenen Unterricht wird »der Schüler/die Schülerin« als Summe aller sich in der Klasse befindlichen SchülerInnen angesprochen. Es werden also alle SchülerInnen als »gleiche« angesprochen. Damit werden sie nicht per se gleichgemacht, sondern ihre »Gleichheit« beruht auf einer »Form der Übereinstimmung zwischen Verschiedenen«. Diese Übereinstimmung zwischen den Verschiedenen wird hergestellt durch die Fokussierung aller auf ein Thema und eine Person, die den Prozess steuert.

Wir setzen die Form des Gebundenen Unterrichts zur Steuerung verschiedener Prozesse ein:

  • Im Sinne der Darbietung ist es manchmal notwendig, allen zur gleichen Zeit das Gleiche zu erzählen, vorzuführen oder zu erklären. Geschichten spannend erzählen zu können, etwas so zu erklären, dass es den Kindern nachvollziehbar und einleuchtend ist, sind Fertigkeiten, an deren Perfektionierung wir wohl ein Berufsleben lang feilen müssen.

  • Als zusammenwirkend verstehen wir unsere Aufgabe, Arbeitsergebnisse zusammenzufassen, von den SchülerInnen gefundene Lösungsstrategien vorzustellen, Konflikte zu lösen, Diskussionen zu leiten, Gespräche zu initiieren und zu moderieren. Eine sehr schwierige Aufgabe, für die viele von uns kaum ausreichend ausgebildet sind. Zusammenwirkend kann auch ein von den LehrerInnen gesteuerter Prozess sein, in dem Gemeinsamkeit durch gemeinsames Musizieren, Singen, handwerkliches Gestalten oder durch ein gemeinsames Spiel entsteht.

  • Als einführend bezeichnen wir Unterrichtsphasen, die es den SchülerInnen ermöglichen, sich mit den Inhalten des gemeinsamen Themas, den Aufgaben, Fragestellungen und Arbeitstechniken für die folgenden selbsttätigen Arbeitsphasen in Wochenplan, Freiarbeit oder Projekt vertraut zu machen.

SchülerInnen über Gespräche, gezielte Fragen oder durch das Setzen von Impulsen auf ein gemeinsames Unterrichtsthema hinzulenken, Arbeitstechniken zu erläutern, Regeln zu erarbeiten, etc. ist nicht einfach und endet oft in der Erkenntnis, etwas Wichtiges bei den Erläuterungen vergessen zu haben und bereits arbeitende SchülerInnen wieder zur gemeinsamen Aufmerksamkeit zurückrufen zu müssen. Gedankt sei Felix MATTMÜLLER-FRICK, der in seinen berufsbegleitenden Seminaren das Initiieren von »Nahtstellen« geübt hat und damit genau die Fähigkeiten trainierte, die ein oben geschildertes Vergessen möglichst niedrig halten. Sein Handbuch für einen lebendigen Unterricht (MATTMÜLLER-FRICK 1987)[35] gibt übrigens - basierend auf der Idee des Wechsels von Anspannung und Entspannung - sehr gute Hinweise zur methodischen Gestaltung gebundener Unterrichtsphasen.

Eine gegenseitiges Ausspielen von offenem Unterricht und Frontalunterricht als gut und schlecht, modern und altmodisch, hat unserer Ansicht nach keinen Sinn und auch keine Berechtigung. Methodische Fähigkeiten, die dem Frontalunterricht zuzuordnen sind, sind für gelungenen offenen Unterricht nämlich in keiner Weise wegzudenken.

Im gebundenen Unterricht werden von den SchülerInnen soziale Kompetenzen erwartet, die es zulassen, dass sie sich als Teil eines Ganzen angesprochen fühlen und auch über die sehr hohen Kompetenzen zum sozialen Austausch (zuhören, Fragen beantworten, Meinungen austauschen, ...) verfügen. Wir können nicht davon ausgehen, dass alle SchülerInnen über diese Kompetenzen in ausreichendem Ausmaß verfügen. Damit dies nicht zum sozialen Ausschluss einzelner führt, muss ein Minimalkonsens zwischen allen Beteiligten hergestellt werden, um die Gleichheit von Verschiedenen im Sinne der oben angeführten Definition herzustellen.

Bedenklich halten wir Frontalunterricht nur dann, wenn er unreflektiert als einzige Unterrichtsform eingesetzt wird. Bedenklich auch, wenn diese Unterrichtsform angeboten wird, ohne dass sich der/die AnbieterIn Gedanken macht, welches Menschenbild hinter dieser Art zu unterrichten steckt. Unserer Meinung nach sollten sich LehrerInnen sehr wohl dem Frontalunterricht zugeordnete Methoden aneignen, sich gleichzeitig aber vom »Mythos des Machbaren«, des einzig und alleine von ihnen steuerbaren Lernprozesses, verabschieden.

Also verbannen wir den Frontalunterricht nicht ins Indiskutable, sondern perfektionieren lieber unsere Fähigkeiten, die man uns sowieso mühsam in unserer pädagogischen Ausbildung beizubringen versucht hatte, und sind uns dessen gewahr, wann und wo im Unterricht diese Fähigkeiten passend, und somit einzusetzen sind, und wann nicht. Das Maß aller Dinge bei dieser Gradwanderung sind selbstverständlich - wer? - ja, die SchülerInnen!

Organisatorischer Rahmen

Von den 4 bis 5 Wochenstunden, die uns je nach Schulstufe für die jeweiligen Unterrichtsgegenstände Deutsch, Englisch und Mathematik zur Verfügung standen, verwendeten wir eine - in Englisch und Mathematik manchmal auch zwei Stunden pro Woche - als eine gebundene Stunde. Oder anders ausgedrückt: Wir hatten pro Woche mindestens drei gebundene Stunden (je eine in Deutsch, Englisch, Mathematik), die verbleibenden Stunden dieser Unterrichtsfächer wurden für Wochenplan, Freiarbeit und Projektunterricht verwendet - in Deutsch auch noch für die Schreibwerkstatt als speziellen Teil der freien Arbeit und den Klassenrat.

Die Fächer Religion, Sport, Werken, Bildnerische Erziehung werden im Stundenplan[36] übrigens auch als gebundene Stunden ausgewiesen, da sie wegen der räumlichen bzw. personellen Bedingungen eine zeitliche Fixierung verlangen. Das bedeutet aber nicht, dass in diesen Stunden nicht auch freie, schülerInnenzentrierte Phasen stattgefunden haben.

Die Realienfächer Geografie und Wirtschaftskunde, Geschichte und Sozialkunde, Physik und Chemie sowie Biologie waren mit dem Fach Musikerziehung für den Projektunterricht reserviert. Hier wurde wöchentlich bei der gemeinsamen Planung entschieden, welche Zeit des »Projekt-Pools« für gebundene Phasen und welche für selbsttätiges Arbeiten verwendet werden sollte.

Inhaltliche Konzeption für Einführungen

Zumeist wählten wir die Form des Gebundenen Unterrichts für die Einführung neuer Unterrichtsinhalte. Jedes von uns ausgewählte Thema wurde dahingehend überprüft, ob und wie weit die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf daran teilhaben können. Wir gingen dabei von der Fragestellung aus, was der gemeinsame Inhalt für alle SchülerInnen sein könnte und legten dann fest, wie der Ablauf einer solchen Einheit sein soll. Dabei bedienten wir uns der folgenden Konzepte.

Differenzierungskonzept 1

Ein/e LehrerIn führte den Lernprozess von der gemeinsamen Einführung mit bekannten Inhalten (z.B. der Wiederholung von Rechteck und Quadrat) bis zu den höchsten Lernzielen (z.B. Erarbeitung der Umkehraufgaben zur Flächenberechnung). Dabei soll es den SchülerInnen so weit als möglich gelingen, dem gemeinsamen Lerngegenstand zu folgen. Daher boten wir ihnen die Möglichkeit, nach ihrem eigenen Lernvermögen möglichst hohe Lernziele zu erreichen und vermieden damit, SchülerInnen von vornherein auf einem von uns prognostizierten Lernniveau festzumachen.

Der Lehrvortrag wurde so gestaltet, dass zu Beginn alle dabei sein konnten und hier die notwendigen Basisinformationen für alle vermittelt wurden. Nach einer kurzen Vergewisserung, ob das Vorgetragene im Wesentlichen verstanden worden ist, bekamen jene SchülerInnen, von denen wir merkten (wussten, vermuteten), dass es ihnen nicht mehr möglich war, den weiteren Inhalten zu folgen, individuelle Aufgaben zum eben erarbeiteten Inhalt. Die anderen SchülerInnen blieben in ihrer Konzentration beim Lehrvortrag. Dieser Schritt wurde entsprechend oft wiederholt, abhängig vom Stoff, der durchgenommen wurde. Um die SchülerInnen nicht auf von uns vorgegebenen Lernniveaus festzuhalten, haben wir ihnen zumeist die Möglichkeit angeboten, selbst den Zeitpunkt zu bestimmen, aus dem gemeinsamen Lernprozess aus oder wieder einzusteigen.

Dieses Differenzierungskonzept bot uns die Möglichkeit, auch die »hochbegabten« SchülerInnen in eine schwierige Materie auf ein hohes Abstraktionsniveau zu führen, während die anderen SchülerInnen für sie schwierige Aufgaben selbständig zu bewältigen versuchten. Unser Ressourcenplan sah dabei vor, dass ein/e TeamlehrerIn die SchülerInnen, die bereits individuell arbeiteten und Hilfe verlangten, unterstützte, während die/der andere den Lehrvortrag fortsetzte.

Dazu als Beispiel die folgende Unterrichtsskizze:

Inhalt

  • Merkmale von Rechteck und Quadrat

  • Wiederholung der Flächenberechnung von Rechteck und Quadrat

  • Erarbeitung der Flächenberechnung bei einer fehlenden Größe (Umkehraufgabe)

Ziele

  • Merkmale von Rechteck und Quadrat tätig erschließen

  • Wiederholung der Flächenberechnung

  • Wiederholung der Maßeinheiten Meter und Quadratmeter

  • Selbstständiges Erarbeiten der Flächenberechnung durch didaktisch-methodisch aufgebaute Lernkartei

  • Erarbeitung von Umkehraufgaben

Unterrichtsmaterialien

  • Rechteck (50cm x 30cm) und Quadrat (50cm x 50cm) auf Millimeterpapier

  • Schachtel mit ausgeschnittenen Quadratdezimetern

  • Maßband

  • Lernkartei (AOL)

  • Karten mit den Seitenbezeichnungen der Figuren

  • Modellrechtecke und -quadrate aus Packpapier

  • Übungsblätter

Für diese gebundene Sequenz wird sehr viel Unterrichtsmaterialien benötigt. Es ist aber zu bedenken, dass die SchülerInnen sich in den folgenden Unterrichtstagen mit diesem Thema auch im Wochenplan und eventuell sogar während der Freiarbeit auseinandersetzen und die Materialien somit weiterhin benötigt werden. Insofern ist der hohe Aufwand sicherlich gerechtfertigt.

Skizzierter Unterrichtsverlauf

Zur Einführung sitzen alle SchülerInnen in einem Stuhlkreis (auf österreichisch Sesselkreis). Am Boden liegen das Rechteck und das Quadrat. Im gemeinsamen LehrerInnen-SchülerInnengespräch werden zuerst die Namen und die Merkmale wiederholt.

Abschließend wird anhand von Rätselfragen mit Lösungsbuchstaben (die alleine oder im Team mit der Sitznachbarin/dem Sitznachbarn gelöst werden können), ein Lösungswort gesucht (z.B. CPWP). Die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bekommen Unterstützung durch ein/e Lehrer/in:

Frage 1: Was ist das? Es hat vier Ecken und 4 gleich lange Seiten.

Antwort: Quadrat ist Lösungsbuchstabe C, Antwort: Rechteck ist Lösungsbuchstabe B,

Frage 2: Wenn ich den Umfang durch 4 teile, dann erhalte ich die Seitenlänge eines .....

Antwort: Quadrat ist Lösungsbuchstabe P, Antwort: Rechteck ist Lösungsbuchstabe A, usw.

In der nächsten Phase, der Durchführung, wird bereits differenziert gearbeitet.

Die LehrerIn verteilt die Kärtchen mit den Seitenbezeichnungen an einige SchülerInnen, die diese den Figuren zuordnen und benennen. Dann zeigt die LehrerIn die Quadratdezimeter und stellt an die SchülerInnen die Frage, ob mit diesen die Flächen berechnet werden könnten. Die SchülerInnen bezeichnen die Eckchen als Quadratdezimeter und legen die geometrischen Figuren damit aus und »berechnen« damit die Flächen. Es könnte während der Arbeit folgendes auftreten: Schüler A verfolgt diese Arbeit noch konzentriert und bleibt bei der Gruppe oder er zeigt Desinteresse, L. wissen aufgrund des Förderplanes, dass diese Aufgaben zu abstrakt für A sind,... und Schüler A arbeitet an differenzierten Angeboten: Er sucht mit LehrerInnenunterstützung Rechtecke und Quadrate im Klassenraum, benennt sie und misst sie mit Maßbändern ab, notiert die Ergebnisse, vergleicht sie und kann (mit Hilfe) allgemeingültige Merkmale benennen.

Währenddessen geht die Arbeit der anderen LehrerIn weiter: Sie leitet mit den SchülerInnen vom konkreten Abzählen die abstrakten Formeln der Flächenberechnung ab und notiert diese an der Tafel. Anschließend bietet sie bietet die Lernkartei an. SchülerInnen, die noch unsicher sind, können nun mit der Lernkartei in Partnerarbeit an der Erarbeitung der Flächenberechnung arbeiten. Es stehen ihnen auch zugeschnittene Rechtecke und Quadrate und die Schachtel mit den Quadratdezimetern zur Verfügung. Weiter liegen Übungsblätter zur Flächenberechnung mit der Möglichkeit zur Selbstkontrolle auf.

Als nächsten Schritt legt die LehrerIn ein Rechteck, von dem die Fläche und eine Seite bekannt sind, auf und fragt nach der anderen Seite. SchülerInnen besprechen untereinander Lösungsmöglichkeiten, notieren diese und tragen dann ihre Hypothesen vor. Diese werden gemeinsam diskutiert und ausprobiert, wobei von der LehrerIn besonderes Augenmerk auf die Maßumwandlungen gelegt wird. SchülerInnen, die damit Probleme haben, werden auf entsprechende Übungsblätter hingewiesen.

Zum Abschluss dieser Gebundenen Stunde erfolgt noch kurz eine Reflexion und Ergebnissicherung. Die begonnenen Übungsblätter werden in die dafür vorgesehenen Ablagefächer gegeben. Alle SchülerInnen sitzen dann noch einmal im Stuhlkreis (auf österreichisch Sesselkreis) und es wird eine kurze Runde gemacht, in der die SchülerInnen von ihrer Arbeit, ihren Erkenntnissen, ihren Fragen, Problemen und Lösungen berichten können.

Differenzierungskonzept 2

Die leistungsschwächeren SchülerInnen gingen den methodischen Weg, den wir speziell für sie anboten, während der gesamten Einführung eines Themas mit. Die leistungsstärkeren SchülerInnen begannen, sobald sie den Inhalt verstanden hatten und wir meinten, sie hätten die Basisziele dieses Vorhabens schon erreicht, sich selbstständig in dem neuen Inhalt zu erproben.

Im gleichen Beispiel wie oben würde nach dieser Möglichkeit der Ablauf wie folgt aussehen:

  • Gemeinsame Einführung mit einem kurzen Überblick über die Ziele. Ein/e LehrerIn erarbeitet an der Tafel langsam und ausführlich die Grundlagen zur Flächenebrechnung.

  • Die leistungsstarken SchülerInnen klinken sich aus dem gemeinsamen Prozess aus und erarbeiten sich selbständig mit vorbereitetem Material die Formeln für die Flächenberechnung und die Umkehrungsaufgaben. Wir haben es oft ausprobiert, den SchülerInnen mit didaktisch-methodisch aufbereiteten Materialien den Lernweg selber erkunden zu lassen. Im Grunde handelt es sich hierbei um Aufgabenkarten, die mit schriftlicher Anleitung allein oder in Gruppen bearbeitet werden können, Selbstkontrollmöglichkeit haben und die Schritt für Schritt schwieriger werden. Es funktionierte immer ganz gut.

  • Jene SchülerInnen, die noch mehr Sicherheit erlangen wollen oder von dem/der LehrerIn noch Erklärungen einholen wollen, erarbeiten gemeinsam mit einem/r LehrerIn die Flächenberechnung.

Die oben beschriebenen Konzepte sind beide dynamisch zu verstehen. SchülerInnen können sich aus dem gemeinsamen Lernprozess aus- oder wieder einklinken, so wie es ihren individuellen Lernbedürfnissen entspricht. Bei der ersten Möglichkeit werden die Inhalte schwieriger. Sie bietet den SchülerInnen die Chance, individuell hohe Lernziele zu erreichen. In der zweiten beschriebenen Möglichkeit, in der am Basisinhalt festgehalten und dieser auf verschiedenen Wegen erarbeitet und gefestigt wird, können sich leistungsstarke SchülerInnen noch Sicherheit holen und offene Fragen zum Thema abklären.

Differenzierungskonzept 3

Durch die Komplexität und Schwierigkeit mancher Fachinhalte (wie z.B. Bruchterme in Mathematik, »Past progressive tense« in Englisch oder Erörterungen in Deutsch), die außerdem laut Lehrplan nur für eine kleinere SchülerInnengruppe notwendig waren, hielten wir das Lernen an einem gemeinsamen Inhalt wie oben beschrieben für schwer oder gar nicht durchführbar.

In diesen Fällen entschieden wir uns für Formen der Differenzierung, die von der Einzelförderung, dem individuellen Arbeiten an eigenen Zielen innerhalb der Klasse bis hin zum Arbeiten in unterschiedlichen Räumen reichten. Wenn wir z.B. für die leistungsstarken SchülerInnen Englisch als Unterrichtssprache aufrecht erhalten wollten oder spezielle Grammatikregeln mit jenen SchülerInnen durchnahmen, die dafür die notwendigen Vorkenntnisse hatten, trennten wir uns zeitweilig in 2 Gruppen.

Jene SchülerInnen, denen das angebotene Thema zu komplex war, erhielten Aufgaben mit individuellen Zielsetzungen und wurden von dem/r zweiten LehrerIn im Klassenraum oder in einem Extraraum unterrichtet.

Es ist uns wichtig zu betonen, dass dieses Differenzierungskonzept für uns eine Ausnahme darstellte und es unser erklärtes pädagogisches Ziel war, Inhalte an einem gemeinsamen Thema auch mit allen gemeinsam einzuführen. Die Gefahr, dass durch Formen der äußeren Differenzierung eine »sozialen Isolation« entstehen kann und vor allem den SchülerInnen mit sonderpädagogischen Förderbedarf die Teilnahme an schwierigen Lerninhalten per definitionem erschwert oder gar unmöglich gemacht wird, ist nämlich sehr groß. Differenzierungskonzept 3 wurde daher nur eingesetzt, wenn nach reiflichen Überlegungen keine handhabbaren Lösungen nach den beiden anderen Konzepten gefunden werden konnte.

Inhaltliche Konzeption für Darbietungen

Wir setzen Gebundenen Unterricht, wie bereits gesagt, auch ein, um Inhalte darzubieten.

Darbietungen sind etwas Besonderes, etwas Wertvolles und nicht Alltägliches. Dementsprechend muss auch der Rahmen einer Darbietung gestaltet werden. Nicht alle Darbietungen wurden von uns LehrerInnen vorgenommen, sehr viel davon übernahmen im Laufe der Schuljahre auch die SchülerInnen selbst.

In Form von Darbietungen haben

  • wir LehrerInnen Arbeitsmaterialien eingeführt,

  • LehrerInnen aber auch SchülerInnen Geschichten erzählt, Gedichte vorgetragen,

  • LehrerInnen und SchülerInnen subjektiv bedeutsame Inhalte vorgestellt,

  • SchülerInnen manche ihrer Arbeitsergebnisse präsentiert.

Dazu ein Beispiel aus unserer Arbeit.

Zeit haben

In der Offenen Klasse beschäftigten wir uns zur Weihnachtszeit in der 5. Schulstufe mit dem Thema »Zeit haben«:

  • Wie nütze ich meine Zeit?

  • Wofür bräuchte ich mehr Zeit?

  • Wie viel Zeit verbringe ich mit wem?

  • Wofür sollte ich mehr Zeit haben?

  • Wie kann ich mir Zeit für mich sinnvoll einteilen

  • ....

Dabei entstanden »Zeitwünsche«, aus denen ein gemeinsames Gedicht gemacht wurde. Jede/r Schüler/in verfasste einen Beitrag, in der Gesamtpräsentation war es das Werk der Klasse. Die SchülerInnen richteten einen festlichen Rahmen für eine weihnachtliche Feier aus, luden die Eltern ein, bewirteten sie und trugen ihre Gedanken zum Thema vor.

Weil wir uns vorstellen können, dass nachfolgendes Gedicht manche LeserInnen zum Nachmachen anregen könnte, sei hier in einer gekürzten Fassung wiedergegeben:

Zeit

Ich wünsche mir Zeit,

um mit meinen Eltern und Geschwistern Karten zu spielen.

Ich wünsche mir Zeit,

um einen Tag machen zu können, was ich will.

Ich wünsche mir Zeit,

um mit meiner Mutter einkaufen zu gehen.

Ich wünsche mir Zeit,

um mit meiner Familie zu feiern.

Ich wünsche mir Zeit,

um allein zu sein, dass ich nachdenken, fernsehen, lernen und schreiben kann.

Ich wünsche mir Zeit,

um einen Tag ungestört Radio zu hören, ohne dass mich wer stört.

Ich wünsche mir Zeit,

um in Ruhe den Sonnenaufgang alleine zu betrachten.

Ich wünsche mir Zeit,

um zu faulenzen, um mit meinem Vater zu spielen und um zu lesen.

Ich wünsche mir Zeit

für einen Fernsehabend mit meinen Eltern.

Ich wünsche mir Zeit

für meine Eltern.

Ich wünsche mir, dass meine Eltern früher von der Arbeit kommen.

Ich wünsche mir, dass meine Eltern mehr Ferien bekommen.

Ich wünsche mir Zeit,

um mit meinem Kater Tiger zu spielen und wenn ich meine neue kleine Katze bekomme, dass ich mich mit ihr anfreunde.

Ich wünsche mir Zeit,

um mich auf einen gemütlichen Platz zu legen, um mich auszuruhen oder etwas zu lesen.

Ich wünsche mir die Minute,

in der Andi Herzog das 1-0 gegen Schweden erzielte. Ich will noch einmal mit Papa den Sekt öffnen und ich möchte noch einmal so jubeln.

Ich wünsche mir Zeit,

die Liebe zu fühlen und in eine Umarmung zu fallen und für immer darin zu bleiben.

Ich wünsche mir Zeit,

um zu reden, ohne dass mein Bruder dazwischenredet.

Ich wünsche mir Zeit,

für den ‹Posch-Opa‹, der gestorben ist. Ich wünsche, neben ihm zu sein und er sagt: Jürgen sei nicht traurig.

Die Kinder hatten es satt, irgendwelche fremden Gedichte den Eltern auswendig aufzusagen. Also haben die Kinder selbst ein Gemeinschaftsgedicht nach klarem Muster verfasst, indem eben jede/r Schüler/in einen Teil beisteuerte. Das Gemeinschaftsgedicht wurde den Eltern präsentiert, indem die Kinder sich im Halbkreis aufstellten und jede/r seine/ihren Teil sprach und dabei einen Schritt vortrat. Nach dem selben Prinzip entstand auch das folgende Gedicht:[37]

Dezember

Es kommt eine Zeit,

da ziehen Frost und Schnee über das Land.

Die Kinder packen ihre Wintersachen aus,

und Schneemänner wachsen auf den Wiesen.

Wo im Herbst Kühe weideten,

flitzen nun Schlitten fröhlich vorbei.

Es kommt eine Zeit,

wo der Duft von Keksen durch die Zimmer zieht

und Eisblumen die Fenster verzieren.

Tannenzweige schmücken die Häuser.

In den Kinderzimmern hängen bunte Adventkalender

und Wärme zieht durch das Haus.

Es kommt eine Zeit,

da sind die Menschen freundlicher zueinander

und Kinder bemühen sich braver zu sein.

Vorfreude auf das große Fest spürt man überall.

Liebe wandert in alle Herzen

und Behaglichkeit lässt sich auf unserer Seele nieder.

Es kommt eine Zeit,

die Weihnachten heißt.

Es ist diese Zeit.

(Weihnachtsgedicht der 1. OKL)

Inhaltliche Konzeption für Zusammenwirkungen

Wir setzten Gebundenen Unterricht auch ein, um zusammenzuwirken. Dazu

  • moderierten wir gemeinsame Gespräche, in denen es um verschiedene Meinungen, Ergebnissen von Diskussionen, gemeinsamen Entscheidungsfindungen ging;

  • übernahmen die Gesprächsleitung in Klassenratssitzungen, allerdings mit dem Ziel SchülerInnen zu befähigen, selbst diese Sitzungen leiten zu können und

  • leiteten SchülerInnenkonferenzen, bei denen es um Rückmeldungen zu den erbrachten Leistungen von MitschülerInnen ging (Produktpräsentationen, AutorInnenkonferenzen).

Für diese Inhalte benötigt man Gebundenen Unterricht, damit sich alle Beteiligten vom gemeinsamen Thema angesprochen fühlen. Wir übernahmen die Leitungssituationen, um darin Vorbild zu sein und unterwiesen die SchülerInnen in diesen Kompetenzen mit dem Ziel, dass sie möglichst rasch diese leitenden Positionen übernehmen können.

Klassenzeitung

Als Beispiel sei hier zuerst die Redaktionsgruppe für die Klassenzeitung genannt.

Zeitungsarbeit hat die Intensivierung sozialen Lernens zum Ziel. Die SchülerInnen lernen bei dieser Tätigkeit die Zusammenarbeit und übernehmen Verantwortung. Je nach Umfang der Zeitung ist eine Einteilung in Ressorts (Kultur, Literatur, Sport, Schulisches, Geschichtliches, ...) möglich. Die Mitglieder des Redaktionsteams wechseln ständig, sie müssen die einzelnen Beiträge ordnen und das Layout gestalten. Dabei kommt es zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Text und auch manch lustigen Bonmots:

Ein Mitglied des Redaktionsteams zu einem Schüler: »Das musst du noch überarbeiten. «

Der Schüler darauf antwortend: »Aber mein Papa sagt, ich soll mich nicht überarbeiten.«

Ist die Zeitung dann fertig, übernimmt das LehrerInnenteam die Vervielfältigung. Die SchülerInnen warten dann mit Freude auf das Endprodukt und die Präsentation der Klassenzeitung.

Wir erwähnen als Beispiel die Klassenzeitung auch deshalb, weil sie sich sehr gut zur Dokumentation des Unterrichts und zur Motivation der SchülerInnen eignet. Texte zu produzieren bekommt dadurch eine echte, sinnvolle Funktion, es wird nicht nur »geübt«. Werden Texte veröffentlicht, so ist es für die SchülerInnen selbstverständlich, dass ihre Beiträge fehlerfrei und gut formuliert sein müssen.

Eine gebundene Unterrichtseinheit, in welcher der/die Deutschlehrer/in z.B. die Mittel des Journalismus, den Aufbau von Zeitungsmeldungen usw. durchnimmt, ist ein günstiger Einstieg in die Produktion einer Klassenzeitung. Im anschließenden Stuhlkreis (auf österreichisch Sesselkreis) wird besprochen, welche Inhalte bearbeitet werden sollten und wer welche Aufgaben übernimmt. Geschrieben wird eine Klassenzeitung mit dem Computer, mit der Schreibmaschine oder der Druckerei. Seltener sollten handgeschriebene Texte sein.

Eine Klassenzeitung wurde in der Offenen Klasse immer wieder einmal erstellt, weil sie viele Vorzüge hat:

  • Die Klassenzeitung ist eine Wertsteigerung der Schöpfung der Kinder.

  • Sie ist eine Sozialisationsmöglichkeit: Durch die kollektive Arbeit (gemeinsame Organisation für die Illustration, das Setzen, das Layout, ...) wird die Zusammenarbeit der Gruppe verstärkt.

  • Die Klassenzeitung ist ein Mittel des Austausches mit anderen Klassen. Dadurch ist eine weitere Motivation für das Schreiben gegeben.

  • Sie ist eine Entmystifizierung des bedruckten Papiers. Dadurch wird das Lernziel »Manipulationen durchschauen« erreicht.

Folgende Regeln haben wir mit den SchülerInnen gemeinsam für das Verfassen von Zeitungen aufgestellt werden:

  • Jede/r Schüler/in soll sich mindestens mit einem Text an der Zeitung beteiligen.

  • Die einzelnen Artikel müssen namentlich gekennzeichnet sein, Witze und Kopien sollen nach Möglichkeit vermieden werden.

  • Eine Klassenzeitung hat nur Sinn, wenn sie von hochwertiger Qualität ist. Es dürfen keine schlampigen Texte geschrieben werden, auch müssen die Texte fehlerfrei sein. Die LehrerInnen bzw. rechtschreibgefestigte SchülerInnen übernehmen die Rolle der Lektoren.

Manchmal benötigten SchülerInnen Anleitungen, welche Texte sie schreiben sollen. Dazu eignet sich eine Mappe im Klassenzimmer, in der verschiedene Vorschläge aufgelistet und die wesentlichen Merkmale erklärt werden, hervorragend. Solch eine Mappe könnte folgendes beinhalten:

  • Berichte von gemeinsamen Aktivitäten (Klassenfahrten, Spielfeste, ...)

  • Interviews mit lokalen Persönlichkeiten (Bürgermeister, Pfarrer, Direktor, ...)

  • Freie Texte und Gedichte

  • Photos als Bildimpuls (sind sehr gerne genommen worden)

  • Kulturteil mit Buchtipps, CD-Vorstellungen, Kinofilmen, ...

  • Texte über Liebe, Trauer, ...

  • Historische Beiträge

  • Klassenwörterbuch (SchülerInnensprache möglichst lustig ins Hochdeutsche übersetzen)

Ein Fest im großen Stil: Kunsttag im Schloss

Feste zu feiern gehörte zu den fixen Einrichtungen in der Offenen Klasse und bedingte immer eine Unmenge an Gebundenem Unterricht im Sinne von Zusammenwirken. Als Beispiel dafür sei das Fest »Kunsttag im Schloss« beschrieben, für das wir unter anderem an dem Thema »Die 4 Elemente« arbeiteten. Hier verknüpfen sich die Projektinhalte mit den gebundenen Unterrichtsstunden, weil sich aus den Zielsetzungen für dieses Projekt viele Handlungsmöglichkeiten im gebundenen Unterricht ergeben. Als Beispiel sei die Theaterproduktion im Englischunterricht erwähnt:

  • Text erarbeiten, niederschreiben und auswendig lernen (Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf machte die Souffleuse)

  • Rollenverteilung mit der Zielsetzung, dass alle SchülerInnen teilnehmen

  • Kulissenbau im Werken und bildnerischen Gestalten

  • Versuchsstationen betreuen (erfordert genaue Kenntnis der Materie)

  • Tanzdarbietung einstudieren

  • ......

Mit diesem Beispiel wollen wir auch zeigen, wie sich Wissen um bestimmte Sachverhalte, Verantwortungsgefühl, soziales Engagement, Dokumentation der Arbeit zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen können. Der qualitative Aspekt unserer Arbeit - oder genauer gesagt, der Arbeit der Kinder - liegt nämlich vor allem in dem, was die Kinder - aber auch wir - durch die Erarbeitung dieser Themen erfahren und gelernt haben. Verantwortungsgefühl für sich, den Mitmenschen und unsere Umwelt sind nicht nur leere Phrasen, sondern durch die Projektarbeit zum Bestandteil unseres Lebens geworden.

Inhalte der Präsentation, die als Gedankenanstöße dienen können:

Ziel: Auseinandersetzung mit den 4 Elementen durch verschiedene Zugänge (ganzheitliche Betrachtung unter besonderer Bearbeitung der physikalisch-technischen, ökologischen, malerischen, sprachlichen und musikalisch-tänzerischen Ebene)

Weg: Das Thema bildet für einen längeren Zeitraum den Schwerpunkt für den Projektunterricht, der sich auf alle Gegenstände ausstreckt. In gebundenen Unterrichtseinheiten werden die notwendigen Inhalte erarbeitet.

Inhalte:

Texte in Englisch: Maheo, die indianische Schöpfungsgeschichte wird in Musik, Bild und Text umgesetzt, Sprecher begleiten auf Englisch. In der folgenden Abbildung sehen sie einen Auszug aus dem Arbeitskonzept, das mit den SchülerInnen besprochen wurde. Für jede/n Schüler/in wurden individuelle Ziel nach den geäußerten Wünschen festgelegt.

Abbildung 21: Auszug aus dem Arbeitskonzept zur Aufführung von Maheo

contents

characters

costumes

sound/music

light

Maheo lives in nothingness.

He feels lonesome/lonely, is bored.

Maheo, the Great Spirit

weiter, langer Umhang mit Federn geschmückt oder bemalt

Stirnband Gesichtsbemalung

Silence Queen: Made in heaven

Darkness (sind Räume zu verdunkeln?)

He creates a large body of salty water.

   

indianische Flöte: (birds and ocean)

Dia in grün und blau

He fills the water with fish, shellfish and other sea creatures.

fish, shellfish, sea creatures,a little coot

blau, grün

 

Dia bewegt sich

Performance (Musik und Tanz): Tanzstück aus 4 Teilen im Rahmen der Eröffnung

Materialien.

für Feuer: rote Bänder (Feuerwerksmusik)

für Luft: Jongliertücher (Oxygen, J. M. Jarre)

für Wasser: blaue lange Stoffbahnen aus Futterseide (Die Moldau)

für Erde: Trommeln, Percussion

Geräusche imitieren (Wind, Wasser, Meer, Blitz, Vögel, ...)

Texte in Deutsch: In unserer Schreibwerkstatt entstand ergänzend ein Büchlein, dessen Inhalt die sehr berührenden und emotionalen Gedankensplitter, Gedichte und lyrischen Texte der SchülerInnen waren, und aus dem wir abschließend noch Textbeispiele anführen möchten:

ERDE

Die Erde ist schön,

wir lieben sie sehr.

Doch ein paar von uns

zerstören sie noch mehr.

Weil wir so blöd sind

und nicht schätzen,

was sie uns gibt.

Sie bringt uns Früchte und lässt uns leben. (Yvonne)

Das Liebesfeuer

Die Liebe kann man nicht

mit einem Feuerzeug entzünden.

Da sind Gefühle im Spiel.

Man meint,

ein Vulkan bricht in einem aus,

doch einem Menschen kann es

passieren,

dass er verlassen wird.

Und das Feuer im Menschen

erlischt. (Jakob)

DIE LUFT

Ich liege auf einem

lauwarmen Boden.

Schau verträumt in den

blauen Himmel.

Langsam beginne ich

einzunicken.

Ich träume, dass ich in

einem Luftschloss wohne.

Rund um mich lauter Flugzeuge.

Doch da wache ich auf.

Der Himmel schickt Regen. (Samuel)

WASSER

Ich liebe das Wasser,

das Wasser liebt mich.

Das Wasser lebt im Wasser

Aber die lieben mich

nicht. (Monika)

Der individuelle Förderplan als Grundlage für die individualisierte Förderung

Als Grundlage für unsere Arbeit - und natürlich nicht nur in den gebundenen Unterrichtsstunden - dienten uns die individuellen Förderpläne der SchülerInnen, die wir nach folgendem Gesamtkonzept verwendeten:

1. Als Basis für die Arbeit entnahmen wir dem Entwicklungsbericht[38] jene Ziele, die im Unterrichtsabschnitt bis zur nächsten Klassenarbeit bearbeitet werden sollten. Diese waren dann sowohl Inhalt in gebundenen Stunden als auch Teil des Wochenplanes, der Freiarbeit und der Projektarbeit.

2. Zum Abschluss eines Unterrichtsabschnittes gaben wir den SchülerInnen ein Formular mit der Ankündigung einer Lernzielkontrolle. Diese waren so gestaltet, dass die SchülerInnen (aber auch die Eltern) nachvollziehen konnten, welche Aufgabenstellungen den angeführten Lernzielen zuzuordnen sind und wie sich die SchülerInnen darauf vorbereiten konnten. Ein Beispiel dazu finden Sie in der nächsten Abbildung.

Abbildung 22: Ankündigung einer Lernzielkontrolle (Auszug) in Englisch, 5. Schulstufe

Inhalt: ZIFFERN von 1-12 kennen

Was wird verlangt?

Vokabel und Rechtschreibung

Ziffern von 1-12 kennen schreiben können

Hören

Ziffern, die vorgelesen werden oder die du auf Kassette hörst, erkennen und niederschreiben (z.B. Telefonnummern)

Lesen

Ziffern und Schriftbild zuordnen z.B. 8 ------ eight, 7 ----- seven, etc.

Grammatik - Zählwort und unbestimmten Artikel anwenden

Gegenstände zählen (six pens, four windows,...) unbestimmten Artikel davor setzen a/an (a blue pen, an orange rubber, ...)

Übungsmöglichkeiten dazu:

Partnerdiktat mit Ziffern, Kassette mit dem Walkman abhören und Telefonnummern notieren, Grammatikkarte a/an bearbeiten, alle zählbaren Sachen in deiner Umgebung zählen und notieren, ...

 

3. Für die Überprüfung der erreichten Lernziele führten wir kurze Lernzielkontrollen durch, die dann ähnliche Beispiele beinhalteten. Wichtig war uns, dass die SchülerInnen erkannten und lernten, für sich und nicht für uns oder gar eine Note zu lernen. Deshalb unterstützten wir sie in diesem Prozess mit allen uns möglichen Hilfen. So boten wir z.B. den SchülerInnen auch an, eine Lernzielkontrollen zu einem von Ihnen gewählten Zeitpunkt zu schreiben. Wir gaben lediglich den Zeitrahmen vor. Einige, die diese Form bevorzugten, schrieben dann am vereinbarten Tag, andere nahmen sich noch Zeit und wählten einen anderen Zeitpunkt. In der Regel hielten sich die meisten an die vereinbarten Termine. Aber gerade zu wissen, dass es auch andere Möglichkeiten gab, nahm viel von dem Druck weg, den Kinder oft haben, wenn sie zeigen sollen, was sie können.

4. Nach der Auswertung der erbrachten Leistungen bekamen die SchülerInnen eine Rückmeldung darüber, welche Ziele sie erreicht hatten und/oder an welchen sie noch arbeiten sollen. Dazu ein Beispiel aus dem Fach Mathematik in der nächsten Abbildung.

Rückmeldung zur Lernzielkontrolle MATHEMATIK

für: ...............................................................................

Für Mathematik gelten natürlich die gleichen Vorbemerkungen wie für Deutsch und Englisch. Sie seien hier nochmals angeführt, um auf die besondere Bedeutung hinzuweisen.

Folgende Ziele wurden in der Lernzielkontrolle überprüft. Wenn du »kennengelernt« angehakt bekommen hast, solltest du schleunigst schauen, dass du diese Inhalte nachlernst. Bei »geübt« solltest du diesen Inhalt nochmals üben, damit du kleinere Fehler, Unklarheiten, ... vermeiden kannst. Bei »beherrscht« weißt du, dass du diesen Inhalt wirklich gelernt und verstanden hast und meistens keine Fehler mehr machst.

Ziel/Inhalt

kennengelernt

geübt

beherrscht

Addition

     

Subtraktion

     

Multiplikation

     

Division

     

Erweiterung des Zahlenraumes, Stellenwerte

     

Zahlenstrahl

     

Runden von Zahlen

     

Abbildung 23: Rückmeldebogen zur 1. Lernzielkontrolle, 5. Schulstufe (samt einführenden Anmerkungen)

Diese Rückmeldung dient dir auch dazu festzustellen, an welchen Lernzielen du noch arbeiten sollst.

Das könntest du z.B. tun:

  • im Rahmen deiner Hausübung (nochmals ähnliche Beispiele aus dem Mathematikbuch üben)

  • in der Wochenplanarbeit (solltest du noch Zeit haben)

  • im Wochenplan, wenn du entsprechende Aufgaben von uns bekommst

WICHTIG: Du kannst nur Bereiche üben, bei denen du dich grundsätzlich schon auskennst. Es ist aber keine Schande, wenn du uns sagst, dass wir dir dies oder jenes nochmals erklären sollen. Dazu hast du vor allem in den Wochenplanstunden Gelegenheit.

Du kannst uns auch jederzeit fragen!

Unterschrift der Eltern:....................................................... CPWP

5. Daraus ergeben sich dann Individuelle Förderziele, welche die Grundlage für die weiteren Arbeitsschritte und Aufgaben in der individuellen Förderung (Wochenplan) sind. Damit schließt sich auch der Kreis und das Prozedere beginnt von vorne: Ziele festlegen - an diesen arbeiten (einführen, festigen und üben) - überprüfen (Selbst- und Fremdkontrolle) - Rückmeldung - Ziele festlegen - ...

In den folgenden Abbildungen sind exemplarisch die unterschiedlichen Zielsetzungen für zwei Kinder im gleichen Unterrichtsabschnitt zu sehen:

Abbildung 24: Ziele für Schülerin 1 (HS-Lehrplan, 5.Schulstufe)

Ziel/Inhalt

kennengelernt

geübt

beherrscht

Addition mit Dezimalzahlen

     

Multiplikation mit zweistelligem Multiplikator

     

Sachaufgaben

     

Fläche und Umfang von Rechteck und Quadrat

     

geometrische Aufgaben - Netz zeichnen

     

Oberfläche berechnen

     

Gleichungen

     

Abbildung 25: Ziele für Schülerin 2 (Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule)

Ziel/Inhalt

kennengelernt

geübt

beherrscht

       

Addition im Zahlenraum 10000

     

schriftliche Multiplikation mit einstelligem Multiplikator

     

Subtraktion (Ergänzung)

     

Sachaufgaben

     

Fläche und Umfang von Rechteck und Quadrat

     

Kopfrechnen

     

Da es vorkommt, dass z.B. im Werkunterricht Lehrkräfte unterrichten, welche die SchülerInnen nicht so gut kennen, weil sie eben nur in den Werkstunden der Klasse zugeteilt sind, entwickelt das Kernteam[39] die Förderziele in einer Teambesprechung gemeinsam mit diesen LehrerInnen. Dies ist sehr wichtig, besonders bei Kindern mit besonderem Förderbedarf, da sonst in diesen Fächern oft Schwierigkeiten auftauchen, die einfach nicht notwendig wären, wenn auch die anderen LehrerInnen den Entwicklungsstand des Kindes entsprechend berücksichtigen würden. Zum Abschluss dieses Teils finden sie nun ein Beispiel für einen gemeinsam entwickelten Förderplan.

Förderplan Technisches Werken für XXX Schuljahr 2000/ 2001

Abbildung 26: Auszug aus einem Förderplan für ein geistigbehindertes Kind im Fach Technisches Werken

Ablauf

Handlungen

Ziele

1) Begrüßung

  • umziehen, Schultasche in die Klasse bringen, Jause[a] auspacken und in die Küche mitnehmen, in den Werkraum gehen

  • ritualisierte Handlung

  • versprachlichte Handlung: Heute ist Dienstag, wo gehen wir jetzt hin?

2) Werktisch herrichten

  • XXX hat immer denselben Werktisch und räumt aus dem Kasten: Korb mit Holzresten, Hammer, Schüssel mit Nägel

  • findet seine Sachen

  • weiß, welche Handlung auf ihn zukommt

3) Handlungen ausführen

  • nageln

  • schleifen(Schleifmaschine steht bei den anderen Maschinen)

  • bohren

  • verschiedene Nägel benutzen (nimm einen großen, einen kleinen, ...)

  • auf markierten Stellen die Nägel einschlagen (am Rand, in einer Linie, zu einem Muster - großer/kleiner Nagel, ...)

  • verschiedene Bohrköpfe (nimm den dicken, den dünnen)

  • an verschiedenen Stellen bohren (siehe nageln)

  • Holzstücke schleifen

  • XXX kann zwischen den Handlungen entscheiden (wird vorher gefragt!)

4) wegräumen

  • alles kommt wieder auf seinen Platz zurück

  • XXX raümt gemeinsam mit L. seine Sachen zurück

  • versprachlichte Handlung: Der Hammer kommt in den Kasten. ..

5) variabler Teil

  • XXX arbeitet an einem ähnlichen Werkstück wie die anderen Kinder

  • Ziele gemäß Tagesvorbereitung

6) Küche

  • Jause [b]richten

  • Kaffee kochen

  • ritualisierte Handlung

  • Rhythmisierung des Tagesablaufs

[a] (= Frühstück, Brotzeit, ...)

[b] siehe oben

Da dies nur ein kleiner Ausschnitt eines gesamten Förderplanes ist - eben jener, der im Team mit den WerklehrerInnen besprochen und erarbeitet wurde - ergänzen wir dieses Beispiel zum Abschluss dieses Kapitels mit einem Förderplan aus Mathematik, um zu zeigen, dass sich aus den Zielsetzungen des Entwicklungsberichtes und unseren Erkenntnissen aus der Diagnostik ein umfangreicher Förderplan entwickelt hat, der umso differenzierter war, je besonderer der Bedarf der SchülerInnen war. Dies scheint uns notwendig zu sein, um im Gemeinsamen Unterricht auf die aktuelle Zone der Entwicklung Rücksicht nehmen und die notwendige Förderung gezielt anbieten zu können.

Abbildung 27: Auszug aus einem Förderplan für ein geistigbehindertes Kind im Fach Mathematik

Diese Abbildung können sie unter folgender Url herunterladen:

http://bidok.uibk.ac.at/download/feyerer-unterricht-mathematik.pdf

Gemeinsames Lernen am gemeinsamen Gegenstand - Projektunterricht

Da mit dem Projektunterricht das gemeinsame Lernen am gemeinsamen Gegenstand am optimalsten umgesetzt werden kann, möchten wir diesem Thema etwas mehr Platz widmen.

Was ist eigentlich unter Projektunterricht zu verstehen?

John DEWEY (1859-1952), ein Vertreter des amerikanischen Pragmatismus[40], wird oft als »Vater des Projektunterrichts« bezeichnet. Der ihm zugeschriebene Slogan »Learning by doing« stammt zwar nicht von ihm, bringt aber seine Vorstellungen auf den Punkt.

JANK/MEYER (1991, 144) meinen: »Ein Projekt stellt den gemeinsamen von Lehrern, Schülern, hinzugezogenen Eltern, Experten usw. unternommenen Versuch dar, Leben, Lernen und Arbeiten derart zu verbinden, dass ein gesellschaftlich relevantes, zugleich der individuellen Bedürfnis- und Interessenlage der Lehrer und Schüler entsprechendes Thema oder Problem innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers aufgearbeitet werden kann. Der Arbeits- und Lernprozess, der durch die Projektidee ausgelöst und organisiert wird, ist dabei ebenso wichtig wie das Handlungsergebnis oder Produkt, das am Ende des Projektes stehen soll.«

KAISER/KAMINSKI (1990, 267) weisen auf den nicht unwesentlichen Aspekt hin, dass diese Unterrichtsform » ...getragen wird von einer Sichtweise des Unterrichts, bei der von einem zunehmend gleichberechtigten Rollenverständnis von Lehrenden und Lernenden ausgegangen wird und die Projektgruppe im Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung ihre Lern- und Arbeitsschritte gemeinsam plant, durchführt und reflektiert.«

Die Projektmethode ist dem didaktischen Prinzip der Handlungsorientierung zuzuordnen, entsprechende Unterrichtskonzepte sind Projektunterricht bzw. handlungsorientierter Unterricht. Karl FREY bezeichnet in seinem Buch über die Projektmethode diese als eine »offene Lernform«, die sich »folglich auch nicht durch eine präzise Definition beschreiben lässt« (FREY 1993, 14).

Warum wir uns für Projektunterricht entschieden haben

Wir sprechen in diesem Buch von der praktischen Umsetzung eines pädagogischen Grundkonzeptes, dem die Achtung der Individualität aller Kinder zu Grunde liegt, dem es mit SEGUIN gesprochen um die Sicherung wahrer Originalität vor gewaltsamer Gleichmachung als wichtigsten Teil des Unterrichtes, der Erziehung geht. Unterricht, der den Kindern ihre Originalität, ihre vielfältigen Zugänge zur Welt, ihre Vorlieben und Abneigungen zugesteht, verlangt didaktisch-methodische Möglichkeiten, dies in die Praxis umzusetzen. Dabei ist es vorerst unbedeutend, ob wir von behinderten oder von nicht behinderten Kindern sprechen. Dieser Aspekt kommt erst in der Tatsache zum Ausdruck, dass es auch Aufgabe einer kindgerechten Schule für alle sein muss, die Entwicklung der Kinder bedrohende Behinderungen (Isolationen) zu vermeiden bzw. bereits eingetretene Isolationen abzubauen, indem pädagogische und therapeutische Hilfen eingesetzt werden, die dem jeweils spezifischen Erziehungs- und Bildungsbedarf eines jeden Kindes optimal entsprechen.

Projektunterricht ist unter LehrerInnen bekannt, wird von der Schulbehörde honoriert, ist aus den Diskussionen um den gemeinsamen Unterricht nicht mehr wegzudenken. Trotzdem, wie bei allen Methoden, muss man ein bisschen an der Oberfläche kratzen, ein bisschen darunter schauen, um feststellen zu können, was denn da dahinter steckt, um sicher sein zu können, dass einem/r etwas in seinem/ihrem LehrerInnenleben fehlen würde, wenn die Methode einmal nicht mehr so modern sein wird.

Warum also haben wir uns für den Projektunterricht als einen wesentlichen Bestandteil der Praxis in Integrationsklassen entschieden?

1) Die Ideenwelt der Kinder ist bunt und mannigfaltig. Kinder haben Unmengen von Ideen und Interessen. Nicht immer erscheinen uns die Ideen und Interessen der Kinder wertvoll genug, sie zum Gegenstand des Unterrichtens zu machen. Es gilt sicher abzuwägen, aber vor allem möchten wir zu bedenken geben, wie viel lebendiger das Arbeiten in der Schule wird, wenn neben der Vorstellung der Lehrbücher und der LehrerInnen die Ideen der Kinder bedeutsam werden. Die Ideen der Kinder, die für unsere Arbeit oft richtungweisend sind, würden uns ohne Projektunterricht sehr fehlen.

2) Kinder begegnen ihrer dinglichen und sozialen Umwelt so viel anders als Erwachsene. Vor allem in der Arbeit mit behinderten Kindern haben wir immer wieder mit Spannung (manchmal auch mit Ärger) beobachtet, wie verschieden Kinder mit Gegenständen, für die wir Erwachsene schon längst einen Namen und eine Funktion gefunden haben, umgehen. Für sie ergibt ein Hantieren, irgend ein Ding einen Sinn, den Erwachsene oft gar nicht mehr verstehen, aber achten und wertschätzen müssen. Unsere Aufgabe ist es zwar zu erziehen (das heißt in diesem Fall, den Kindern den einen Namen und die eine Funktion eines Dinges zu lehren), aber frei nach Maria MONTESSORI gesagt, ist es nicht unsere Aufgabe ein Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich auf seine persönliche, seiner subjektiven Entwicklung und Biografie entsprechenden Art, zu offenbaren. Würden wir die vielfältige Art der Begegnung der Kinder mit Dingen und Personen nicht wertschätzen, wäre unser LehrerInnenleben zwar manchmal um einiges leichter, aber sicherlich auch um einiges langweiliger.

3) Kinder erschließen sich ihre Welt vermehrt über alle Sinne. Sie eignen sich Welt an, beschäftigen sich damit schon von jüngstem Alter weg. Ist für sie erst einmal die »Welt« zum Anschauen, in den Mund nehmen, Werfen, Verstecken, so werden sie später damit spielen, sich Gedanken darüber machen, ihre Gedanken an den Meinungen von Erwachsenen oder einer Fachliteratur verifizieren wollen. Je mehr wir als LehrerInnen bereit sind, Kinder in ihrer Unterschiedlichkeit zu sehen, um so mehr Möglichkeiten zum Erschließen der »Welt« werden das gemeinsame Lernen bereichern. Die vielfältige Art, der »Welt« zu begegnen, bereichert nicht nur unsere Arbeit, sondern auch das Lernen und Arbeiten der Kinder.

4) Was haben uns die Kinder gelehrt? Als LehrerInnen möchten wir gerne Rückmeldung über unsere Arbeit haben und wir versuchen die Arbeit mit unseren Kindern bestmöglichst zu präsentieren. Mit einer Theaterveranstaltung für andere SchülerInnen, einer Ausstellung, dem Gestalten eines Elternabends, etc. geht dies wunderbar. Die Kinder aber haben uns gelehrt, dass für sie die Beschäftigung mit einer Sache im Moment oft wichtiger ist, als das Präsentieren der Arbeit, wenn sie fertig ist. Der Prozess ist wichtiger als das Produkt und wirklich jedes Kind kann bedeutsame Beiträge für das Projekt liefern. Voneinander lernen zu können ist auch etwas, das uns ohne Projektunterricht fehlen würde.

Arbeiten im Projekt gilt für uns als eine Grundeinstellung zu den Kindern und zur Aufgabe der Schule an sich. Wir können genauso wenig sagen, wir machen vier bis fünf Projekte pro

Jahr, wie wir nicht sagen können, wir erziehen die Kinder vier bis fünfmal im Jahr, denn wir gehen davon aus, dass

a) der Prozess des Lernens die Ganzheit und die Offenheit einer Person, als auch die soziale und gesellschaftliche Dimension umfasst,

b) Lernen sich in für Kinder bedeutsamen Alltagssituationen und/oder zusammenhängenden Ereignissen vollzieht,

c) Lernen einen ständigen Austausch zwischen dem/r individuellen Schüler/in und seiner/ihrer personellen und dinglichen Umwelt und somit eine gegenseitige Beeinflussung beinhaltet,

d) es Aufgabe der Didaktik sein muss, Situationen, die sich durch einen hohen Grad an Komplexität auszeichnen, zu entflechten, zu strukturieren - aber nicht zu reduzieren - und so in eine für den/die einzelne/n Schüler/in adäquate Lernsituation umzusetzen,

e) es Aufgabe der Methodik sein muss, eine dem/r einzelnen Schüler/in angepasste Möglichkeit der Auseinandersetzung anzubieten,

f) Lernen in der Schule ebenso ein gemeinsames Leben und Erleben bedeuten muss, in dem Qualitäten wie Vertrauen, Wohlbefinden, Respekt, Spaß, Freude, Zorn, Gebrauchtwerden ihren Platz finden müssen.

Merkmale des Projektunterrichts

In der Literatur zur Projektmethode bzw. zum Projektunterricht (z.B. BASTIAN/GUDJONS 1994, FREY 1993, JANK/MEYER 1991, STRUCK 1988) werden immer wieder bestimmte Merkmale genannt, von denen die für uns bedeutsamsten an dieser Stelle erwähnt werden sollen:

  1. Produkt- und Handlungsorientierung: Das Primat der Handlung hat zentrale Bedeutung, die Arbeitspraxis ist also Grundlage des Lernens. Es geht immer um die Erstellung eines Produktes im weitesten Sinn und es geht immer auch um die Möglichkeit des Eingreifens in die eigene Realität.

  2. Ganzheitlichkeit: Kopf, Hände, Füße, Augen, Ohren usw. sollen mit eingebunden sein. Nicht nur Lesen und Schreiben dürfen die vorherrschenden SchülerInnentätigkeiten sein, sondern auch das Herstellen von Gegenständen, die Darstellung von szenischen Spielen und ähnlichem wird gefordert. Das unterrichtliche Projekt ist aber nicht unbedingt mit manuellem Tun zu verbinden, das Werkerlebnis kann auch literarischer oder ästhetischer Natur sein.

  3. Interdisziplinarität (Überschreiten von Fächergrenzen; Verflochtenheit mit politischen und sozialen Aspekten): Die SchülerInnen sollen das Problem mit Hilfe der Erkenntnisse und Methoden verschiedener Fächer und Wissenschaften erforschen. Team-Teaching bzw. die Kooperation verschiedener FachlehrerInnen ist dafür notwendige Voraussetzung.

  4. SchülerInnenorientierung (besondere Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Lernenden zur Förderung der Motivation und Identifikation mit dem Lernprozess): Das Projektthema muss sich an den Interessen der Beteiligten orientieren, wenn ein echtes »Problem« und somit intrinsische Motivation entstehen soll. Es ist ganz natürlich, dass die Interessen nicht mit einem Schlag vorhanden sind, oder anders gesagt, den Lernenden oft nicht bewusst, sondern nur latent vorhanden sind. Sie entwickeln sich insbesondere durch erste Handlungserfahrungen im Projekt. Es ist also ein wichtiger Teil am Beginn des Projektprozesses, Interessen zu wecken. Außerdem muss das Interesse der LehrerInnen und die Tatsache, dass sich Interessen im Lauf des Projektprozesses ändern können, bei der Durchführung eines Projektes berücksichtigt werden. Der Projektverlauf muss daher offen für das Einbringen von neuen Interessen sein. »Orientierung an den Interessen der Beteiligten meint ... nicht nur die Projektthemenauswahl, sondern den verantwortlichen Umgang mit dem gesamten Erfahrungsprozess, auf den sich Lehrer und Schüler einlassen« (GUDJONS 1994, 69). Wir möchten in diesem Zusammenhang auch auf die weiter unten angeführten Ausführungen zur Themenfindung verweisen.

  5. Situations- und Gesellschaftsbezug (z.B. durch Aufgreifen gesellschaftlicher Probleme; Öffnung der Projektarbeit für die Arbeits- und Wirtschaftswelt): »Eine Situation ist in der Regel eine umfassende, nicht auf einen Fachaspekt beschränkte Aufgabe, ein Problem, das eine Fülle von Aspekten erfasst. Der ›Situationsbezug‹ muss vom Lehrer oder der Lehrerin sorgfältig darauf überprüft werden, ob er für den Erwerb von Erfahrungen geeignet ist, ob er also von den bisherigen Erfahrungen der Schüler nicht zu weit weg ist, andererseits aber auch so neu ist, dass er eine echte Herausforderung bedeutet, also ein ›echtes‹ Problem darstellt« (GUDJONS 1994, 68).

Es ist wesentlich, dass das Projekt mit dem »wirklichen Leben« der SchülerInnen zu tun hat, auch mit ihrem Leben außerhalb der Schule, mit lebendigen Situationen, die Interesse erwecken und zur Betätigung anregen. Durch die Auseinandersetzung mit Themen der SchülerInnen wird die ExpertenInnenrolle von uns LehrerInnen oft in Frage gestellt und macht auch den SchülerInnen deutlich, dass wir sowohl Lehrende als auch Lernende sind, was sich insgesamt auf den Lernprozess nur positiv auswirken kann.

  1. Kooperation, Selbstorganisation und Selbstverantwortung: Damit LehrerInnen und SchülerInnen gemeinsam und zielorientiert arbeiten können, werden in den Verlauf des Projekts immer wieder Reflexions- und Koordinationspausen als »Fixpunkte« eingeschoben. Diese Fixpunkte sind dabei so etwas wie organisatorische Schaltstellen und ein Mittel gegen blinde Betriebsamkeit, Orientierungslosigkeit und fehlende Abstimmung zwischen einzelnen und Teilgruppen. Sie werden je nach Bedarf eingeschoben. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun aus einer gewissen Distanz trägt dazu bei, aus einfachem Tun bildendes Tun zu machen. Die gemeinsame Organisation von Lernprozessen bedeutet aber eine gravierende Veränderung der LehrerInnenrolle, die von dem/r Lehrer/in folgenden Kompetenzen verlangt:

- Sie/er muss SchülerInnen beraten können.

- Sie/er muss Gespräche moderieren können.

- Sie/er muss Konflikte bearbeiten können.

- Sie/er muss Prozesse planen können und dabei zu hoher Flexibilität fähig sein.

- Sie/er muss in der Lage sein, Inhalte und Abläufe in einem Team zu koordinieren.

- und last but not least muss er/sie helfen, ermuntern, bei persönlichen Problemen beistehen, selbst Ideen beisteuern.

  1. Soziales Lernen (Erlangen der Fähigkeit zur kooperativen Konfliktlösung): Das gemeinsame Handeln an einem Thema fördert nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Kooperation und gegenseitige Rücksichtnahme. Soziales Lernen ist vor allem über die Gruppenarbeit des Projektunterrichts möglich, indem die SchülerInnen lernen, ihre unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten richtig einzuschätzen und auf ihre verschiedenen Arbeitsweisen Rücksicht zu nehmen. Die Fähigkeit zur Gruppenarbeit, seine eigene Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen, sich sinnvolle Arbeitsstrategien anzueignen kann aber keine Voraussetzung sein, mit der die SchülerInnen der Sekundarstufe 1 schon ausgestattet sind, sondern muss als Lehr- und Bildungsauftrag verstanden werden. In unserer Arbeit haben sich diesbezüglich Fixpunkte (zu Beginn und am Ende verschiedenster Projektsequenzen) als wertvoll erwiesen, in denen wir uns und den SchülerInnen einen zeitlichen Rahmen boten, um organisatorische oder soziale Probleme zu besprechen.

  2. Berücksichtigung der unterschiedlichen Lern- und Entwicklungsniveaus: Wir sprechen von einer Pädagogik, welche - im Gegensatz zu den Grundprinzipien unseres Bildungssystems - die Unterschiedlichkeit der Menschen und damit ihre Individualität, Religion, Kultur, Geschlecht, soziale Herkunft, ihre verschiedenen Fähigkeiten und Interessen respektiert und geradezu voraussetzt. Wenn wir von Unterschiedlichkeiten sprechen ist es unabdingbar, auch die Unterschiedlichkeit des Lern- und Entwicklungsstandes eines Menschen in die Aufzählung einzubeziehen. Georg FEUSER (1995, 168ff) entwickelte ein für uns sehr brauchbares und hilfreiches dreidimensionales Modell zur didaktischen Umsetzung der inneren Differenzierung mittels Individualisierung. Er geht dabei von einer Pädagogik aus, die basal, kindzentriert und allgemein ist.

- Basal ist sie insofern, als sie Kindern und Jugendlichen aller Entwicklungsniveaus, Grade der Realitätskontrolle, Denk- und Handlungskompetenz ohne sozialen Ausschluss zu lehren und mit ihnen zu lernen vermag.

- Kindzentriert ist sie insofern, als sie die nach Maßgabe der Individualität erscheinende Subjekthaftigkeit des Menschen und damit die Heterogenität einer jeder menschlichen Gruppe voraussetzt und die Individualität der Lernangebote an den Kriterien der Gesetzmäßigkeit menschlicher Wahrnehmung und Entwicklung orientiert, die im Prozess humanwissenschaftlicher Forschung grundsätzlich menschlicher Erkenntnis und Vernunft zugänglich sind.

- Allgemein ist sie insofern, als sie unter vorgenannten Bedingungen keine Menschen von der Aneignung der für alle Menschen in gleicher Weise bedeutenden gesellschaftlichen Erfahrungen ausschließt. (Vgl. auch FEUSER 2000, 213)

Projektunterricht hat für uns auch darin seinen besonderen Wert, weil alle SchülerInnen in einem kooperativen Prozess an einem gemeinsamen Thema arbeiten können. Um der Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der SchülerInnen in ihren gemeinsamen Lernprozessen gerecht werden zu können, ist aber die Kenntnis und Berücksichtigung der individuellen Lernausgangslage Voraussetzung.

  1. zielgerichtete Projektplanung: Projektunterricht ist immer zielgerichtet und zeichnet sich durch besondere Ablaufphasen aus, die unten noch näher beschrieben werden.

Ziele und Formen der Projektmethode

Als generelle Ziele im Projektunterricht sind zu nennen:

  • Der/die SchülerIn soll Themen und Aufgaben seinen Neigungen und Interessen entsprechend frei wählen können.

  • Der/die SchülerIn soll seiner Altersstufe gemäß Arbeiten planen und ausführen können.

  • Der/die SchülerIn soll Wege zur Erreichung seines Zieles finden, selbst entwickeln und auf andere Situationen übertragen können.

  • Der/die SchülerIn soll zur Erkenntnis gelangen, dass zur Lösung bestimmter Aufgaben kooperatives Handeln notwendig ist.

  • Der/die SchülerIn soll Informationen einholen, sammeln, ordnen, auswerten, präsentieren und kritisch beurteilen können.

  • Der/die SchülerIn soll sich in sachlicher Diskussion üben und seine Anliegen vertreten und artikulieren können.

Je nach Entwicklung der SchülerInnen können unterschiedliche Formen der Projektmethode eingesetzt werden. In der folgenden Abbildung sind die wesentlichen Elemente der Projektmethode genannt, die unterschiedlich frei realisiert werden können. Je nach der eigenen Einstellung, der eigenen Geübtheit und der Geübtheit der SchülerInnen wird man eine Mischform nutzen, die dem Ideal möglichst nahe zu kommen versucht. Je freier desto idealer, aber auch desto klarer und strukturierter muss der Weg sein. Der anscheinend kürzeste Weg ist oft nur der scheinbar kürzeste, nicht immer der schnellste und längst nicht immer der effektivste!

Abbildung 28: Formen des Projektunterrichts, in Anlehnung an MÜNZIGER 1977, 36

Element

ideal

1. Reduktion

2. Reduktion

n-te Reduktion

 

Projektunterricht

projektorientierter Unterricht

fachbezogenes Unterrichtsprojekt

????????

Thema

S. bestimmen Thema und Inhalte

S. und L. legen gemeinsam Thema fest

S. wählen aus Themenvorschlägen

L. legt Thema fest

Material

S. beschaffen Material

S. und L. beschaffen Material

S. wählen aus vorgegebenem Material

Material ist vorbereitet

Ziele

S. formulieren Ziele

S. und L. formulieren Ziele gemeinsam

S. wählen aus Zielkatalog

L. setzt Ziele

Methode

freie Wahl des Lernweges

Auswahl aus einem Angebot

Lernwegempfehlung

L. schreibt Lernweg vor

Gruppe

freie Gruppenwahl

freie Zuordnung der S. nach vorgegeben Merkmalen

L. stellt Gruppe zusammen

Klasse

Fächer

ohne Bindung an Fächer

zwei oder mehr Fächer/evtl. zwei L.

ein Fach/Ausblicke

ein Fach, ein/e L.

Beurteilung

Selbstkritik des Verlaufs und des Ergebnisses

S. und L. kritisieren gemeinsam

Bewertung des L. wird gemeinsam diskutiert

Benotung

Produkt

Modell, Ausstellung, Protokoll, Verhaltensänderung, neues Interesse, ...

   

Blätter im Heft

SchülerIn

selbstbestimmend, aktiv planend

mitbestimmend/teilweise selbstständig/aktiv

mitbestimmend/aktive u. passive Arbeitsphasen

Rezipienten

LehrerIn

Moderator, Berater auf Wunsch (aber Aufsicht!)

zurückhaltend/koordinierend

strukturierend/ verbindliche Empfehlungen

L. steuert in allen Bereichen

Ablaufphasen des Projektunterrichts

In der Literatur sind verschiedene Einteilungsformen zu finden. Für uns hat sich die Orientierung an folgenden 6 Ablaufphasen am besten bewährt:

1) Themenfindung

2) Zielbestimmung und Planung

3) Vorbereitung

4) Durchführung

5) Präsentation

6) Abschluss und Reflexion

1. Phase: Themenfindung

Die Phase der Themenfindung ist für den gesamten Projektverlauf wesentlich, da die Eigenaktivität der SchülerInnen die Voraussetzung für das Gelingen von Projektunterricht bildet. Es darf weder zu einem von LehrerInnen aufgezwungenem Projektthema kommen, da diese Themen die SchülerInnen oft nicht interessieren und das Projekt dadurch schon im vorhinein zum Scheitern verurteilt ist, noch dürfen die LehrerInnen Scheinoffenheit vorspiegeln, da die Kinder diesen pädagogischen Trick oft durchschauen und sich nicht ernst genommen fühlen.

Folgende Möglichkeiten bieten sich an, ein geeignetes Thema zu finden:

a) Ein »brennendes Problem« von außen beschäftigt LehrerInnen und SchülerInnen und eignet sich dadurch als Thema.

Unsere Erfahrungen stehen da im Gegensatz zu HÄNSEL(1991, 37), die meint: »Dringende Probleme werden in unserer Gesellschaft in der Regel nicht von Kindern und von der Schule gelöst, zumal Kinder und Schule sich mit wirklich ernsthaften Problemen häufig nicht einmal auseinandersetzen dürfen.« In der Offenen Klasse waren ernsthafte Probleme sehr häufig Anlass zu einem Projekt, die SchülerInnen suchten immer wieder den Kontakt mit der Öffentlichkeit und beeinflussten damit auch ihre unmittelbare gesellschaftliche Umgebung (siehe dazu Beispiel 4 unten).

b) Die SchülerInnen schlagen selbst ein Thema vor, das sie interessiert (siehe dazu Beispiel 2 und 3 unten).

Auf mögliche Gefahren wird verwiesen: SchülerInneninteressen wechseln schnell,

der Bildungswert des Themas kann gering sein, Beliebigkeit und Zufälligkeit spielen eine Rolle und sind von den LehrerInnen auch zu thematisieren.

c) Die LehrerInnen geben ein Rahmenthema vor, die SchülerInnen sammeln ihre Fragen dazu und bilden dann gemeinsam mit den LehrerInnen zu bearbeitende Untergruppen (siehe dazu das Beispiel »Kunsttag im Schloss - Die 4 Elemente« im Kapitel Differenzierte Förderung im Fachunterricht - Gebundener Unterricht).

d) Die LehrerInnen geben ein Rahmenthema und Unterthemen vor, innerhalb deren SchülerInnengruppen zu bearbeitende Problemstellungen mitbestimmen (siehe dazu Beispiel 1 unten).

Es sollten weder SchülerInnen noch LehrerInnen alleine über ein Thema entscheiden. Es ist wesentlich, dass alle Projektbeteiligten darauf achten, dass die Projektthemen inhaltlich tragfähig sind und eine projektbezogene Arbeitsweise möglich ist (Handlungsbezug, Erkundungen, Befragungen von Experten, Erarbeitung eines Produktes).

Den SchülerInnen ist einerseits Spielraum für die freie Entscheidung zuzugestehen, andererseits ist aber unbedingt eine Orientierungshilfe notwendig. Je mehr Erfahrung und Kompetenzen alle Beteiligten mit selbstorganisiertem Lernen haben, desto größer kann der Freiraum sein, desto weniger Orientierungshilfen sind notwendig. Ein Brainstorming zur Themenfindung in folgenden 3 Schritten hat sich bewährt:

1. Schritt: Jede Idee wird notiert.

2. Schritt: Die Ideen werden zu Gruppen zusammengefasst.

3. Schritt: Die Ideen werden gemeinsam nach ihrer Durchführbarkeit bewertet.

Die Ziele dieser Phase sind die kooperative Formulierung eines tragfähigen Projektthemas (aus vielfältigen Interessensbereichen) und die Themenfindung im Konsens, also die Zustimmung aller Beteiligten. Alles andere würde bereits am Anfang des Projekts den Keim der Unzufriedenheit säen.

Projektunterricht soll nicht beliebig nach den Hobbies der SchülerInnen ausgewählt werden, sondern einen konkreten Bezug zur Außenwelt haben. Projekte haben ja das übergeordnete Ziel, auf demokratischer Basis die Gesellschaft positiv verändern, beeinflussen zu wollen.

STRUCK meint, dass » ...der Projektunterricht bezogen auf die Themenwahl exemplarisch vorgeht; er dient deswegen aus der Sicht des Pädagogen weniger den thematisch bedingten inhaltlichen Erkundungszielen, als vielmehr dem Erwerb formaler Kompetenzen, die das Resultat der Sozialen Lernformen und der Erkundungsstrategien sind. Das Thema des Projektunterrichts ist, in bezug auf seine Erziehungs- und Lernziele, sekundär und daher austauschbar, obwohl nicht zu verkennen ist, dass es den Hauptteil der die Schülermotivation bewirkenden Faktoren stellt« (STRUCK 1988, 49).

2. Phase: Zielbestimmung und Planung

Während dieser Phase werden mögliche Ziele und Ergebnisse formuliert, Arbeitspläne erstellt, Informationen beschafft und Zeiteinteilungen getroffen. Zu erwähnen ist, dass die SchülerInnen diese Fähigkeiten und Kenntnisse Schritt für Schritt lernen müssen.

Da von der Lebenswelt der SchülerInnen ausgegangen werden soll, müssen die Vorerfahrungen der Kinder in den Projektunterricht miteinbezogen werden. Den LehrerInnen kommt die wichtige Aufgabe zu, die SchülerInnen dazu anzuregen, Ideen zu entwickeln und einzubringen. Dies beschränkt sich allerdings nicht auf die Planungsphase, sondern erstreckt sich über das gesamte Projekt. Die Planungsphase sollte von den LehrerInnen sinnvoll strukturiert sein, etwa durch die Vorbereitung eines Rasters zur Ablaufplanung. Selbstverständlich sollen gruppenspezifische Details und Problemstellungen bzw. Aufgabenaufteilungen in den einzelnen Gruppen selbst festgelegt werden. Die einzelnen Projektaufgaben müssen nicht schon in der Planungsphase endgültig und eindeutig formuliert werden. Die SchülerInnen sollten das Recht und die Möglichkeit haben, im handlungsorientierten Unterrichtsverlauf ihre Interessen begründet zu ändern. Auch wenn der gemeinsame Plan in seinen Grundzügen schon zu Projektbeginn abgeschlossen ist, bleibt die (weitere) Entwicklung des Ablaufplans doch Gegenstand des gesamten Projekts.

Daraus folgt, dass der Projektplan nicht einengen, sondern die Überschaubarkeit sichern und einen späteren Vergleich zwischen Arbeitsverlauf und Plan ermöglichen soll. Dies ist unserer Meinung nach nicht nur für die SchülerInnen, sondern auch für die LehrerInnen eine große Hilfe. In dieser Phase sollten auch grundsätzliche Überlegungen angestellt werden, in welcher Form die Ergebnisse der Arbeit präsentiert werden können und welcher Personenkreis mit dieser Präsentation angesprochen werden sollte.

Als Ziele dieser Phase sind anzuführen, dass die SchülerInnen lernen, sich Aufgaben zu stellen, Ablaufpläne dazu zu erarbeiten, die Rahmenbedingungen realistisch abzuschätzen (Zeit, Material, Geld,...) und den erstellten Projektplan im weiteren Verlauf zu reflektieren und modifizieren.

Folgende Merkmale charakterisieren diese Phase im Besonderen: Zielgerichtete Projektplanung, Selbstorganisation und Selbstverantwortung.

3. Phase: Vorbereitung

Die Phase der Vorbereitung dient dem Zweck, alle Tätigkeiten, auch wenn sie teilweise leicht zu sein scheinen, im Detail vorzuplanen bzw. gewisse Fertigkeiten einzuüben. Wenn z.B. SchülerInnen in einem Projekt Personen zu bestimmten Themen befragen wollen, müssen zuvor in einer gebundenen Stunde (Deutsch) die verschiedenen Formen des Interviews geübt werden. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wann diese gebundenen Stunden einzufügen sind. Werden die für den Projektablauf wesentlichen fachlichen Kenntnisse vor Projektbeginn durchgenommen, so fehlt den SchülerInnen Interesse und Bezug. Werden sie während des Ablaufes eingefügt, so zerreißen sie vielleicht die SchülerInnentätigkeit und behindern die SchülerInnenarbeit, werden sie nachher vorgetragen, entsteht bei den SchülerInnen der Eindruck, erst jetzt beginne das eigentliche Lernen. In den meisten Fällen ist die 3. Phase der geeignetste Zeitpunkt für solches »Trockentraining«, das mit fortschreitender Erfahrung den SchülerInnen immer wieder neue Fertigkeiten bzw. »Werkzeuge« liefert.

Diese Phase dient aber auch der umfassenden Suche nach Informationsmaterial, der Beschaffung von Arbeitsutensilien, der Planung von Exkursionen mit Fachleuten, Filmvorführungen, der inhaltlichen Vorbereitung und Intensivierung im gebundenen Unterricht.

Je umfassender das Projekt ist, desto länger und intensiver sollte die Phase der Vorbereitung veranschlagt werden.

4. Phase: Durchführung

Während dieser Phase befindet sich ein unsichtbares Pflaster auf dem Mund der LehrerInnen. Sie müssen versuchen, sich weitgehend herauszuhalten. Hier zeigt sich besonders, ob der/die Lehrer/in für Projektarbeit geeignet ist und ob er/sie akzeptieren kann, seine/ihre eigene Persönlichkeit hintanzustellen. Nur so können sich die Kinder tätig aktiv mit den Projektinhalten auseinandersetzen. »Der Projektunterricht lässt den Lehrer zum Berater und mehr oder weniger gleichberechtigten Gruppenmitglied werden, sodass den Schülern ein Freiraum zur Selbstbestimmung und Selbstverwaltung zugestanden wird« (STRUCK 1988, 26) In dieser Phase sollten die SchülerInnen ihren Lernweg dokumentieren, z.B. in Form von Projekttagebögen oder Lerntagebüchern. Diese Dokumentation eignet sich zur Reflexion des SchülerInnentuns sehr gut, und ist für die abschließende Darbietung ein hervorragendes Hilfsmittel.

5. Phase: Präsentation

Nachdem alle Ergebnisse und Dokumente (Projekttagebücher, erarbeitete Unterlagen, ...) vorgelegt wurden, entscheiden die SchülerInnen, wer welche Inhalte welchem Publikum präsentiert. Das heißt, es muss eine Zielgruppe bestimmt werden. Dies können die SchülerInnen der Klasse, die SchülerInnen anderer Klassen oder außenstehende Personen sein. Auch der Programmablauf muss im vorhinein festgelegt werden. Manchmal muss auch noch die Präsentationsform ausgewählt werden, sofern dies nicht schon vorher geschehen ist, da die SchülerInnen während des Projektes ja bereits an der Herstellung eines konkreten Produktes arbeiten.

Mögliche Präsentationsformen sind:

Ausstellungen, Projektzeitung, Szenische Darstellung, Lesung, Pressekonferenz, Podiumsdiskussion, Buch, Diashow, Film, Video, Öffentliche Aktionen (Flugblätter, Straßenfest, ...), interaktive Elternabende, etc.

Die Phase der Präsentation hat folgende Funktionen:

Das präsentierte Produkt ist der materialisierte Zustand des gesamten Prozesses. Durch die öffentliche Präsentation der Projektergebnisse wird somit der gesamte Prozess öffentlich gemacht, d.h. der Kenntnisnahme, Beurteilung und Kritik anderer (Lerngruppen) zugänglich gemacht, kurz: kommunizierbar.

Die Präsentation dient damit auch zur Legitimation der LehrerInnen, die damit beweisen, dass ihr Einsatz nicht vergebens war. Vor allem dient die Präsentation aber dazu, dem Ergebnis soziale Anerkennung und Bedeutung zu verschaffen und damit im nachhinein den Lernprozess für die SchülerInnen »sinnvoll« zu machen. Dass die Leistung der SchülerInnen auch außerhalb der Schule anerkannt wird, wirkt aber auch motivierend für weitere Projekte.

6. Phase: Abschluss und Reflexion

Im Sinne des Ausspruches »Der Weg ist das Ziel« ist zu erwähnen, dass letztlich nicht das präsentierte Produkt entscheidend ist, sondern die Qualität des Prozesses, der zum Produkt geführt hat. Zum Abschluss ist daher dieser Prozess das gemeinsame Thema der Lerngruppe: Die SchülerInnen berichten in der Reflexionsphase über ihre positiven und negativen Erfahrungen im Umgang mit dem Projekt, neu erlernte Techniken (»Werkzeuge«) werden noch einmal im Detail besprochen und die Präsentation wird analysiert. In dieser Phase können auch Aktivitäten zur Ergebnissicherung eingeplant werden wie z.B. von den SchülerInnen entwickelte Quizfragen, Arbeitsblätter mit Bezug auf die erstellten Materialien, etc.

Auf jeden Fall soll jedoch der Erfolg ausführlich genossen werden.

Projektbeispiele

Wir beschreiben nun einige Projekte näher, nicht so sehr deshalb, weil sie Inhalte präsentieren, die so einmalig sind, sondern weil jedes Projekt für einen Aspekt steht, den wir an der Projektarbeit so sehr schätzen.

Beispiel 1: Haus- und Nutztiere oder der Beginn selbstständigen Lernens

(5. Schulstufe)

Ziele

Unser erstes Projekt, mit dem wir in der 1. Klasse der Hauptschule (5. Schulstufe) begannen, lautete »Haus- und Nutztiere«. Das Interesse an diesem Thema äußerten die SchülerInnen auf einen Vorschlag von uns LehrerInnen in dem für sie neuen Klassenrat. Von der Vorgehensweise her war es kein Projekt im eigentlichen Sinn, sondern eher eine PartnerInnenarbeit.

Neben der lehrplanmäßig vorgeschriebenen Auseinandersetzung mit den Themen Haus- bzw. Nutztiere war für uns das Hauptziel dieser Arbeit, den SchülerInnen einen ersten kleinen Schritt in Richtung selbstbestimmtes Lernen tun zu lassen.

Ablauf

Die Kinder schrieben die Namen verschiedener Haus- bzw. Nutztiere an die Tafel: Katze, Hund, Schaf, Ziege, Schwein, ...

Je zwei SchülerInnen wählten sich ein Tier aus, über das sie eine Arbeit schreiben wollten. Anschließend bekamen die SchülerInnen ein Arbeitsblatt, welches ihnen mit Oberbegriffen wie Abstammung des Tieres, Nahrung, Fortpflanzung, etc. Anhaltspunkte für ihre Arbeit geben sollte. Die SchülerInnen notierten zu diesen Begriffen ihr bereits vorhandenes Wissen und gleichzeitig, welche Fragen noch offen blieben.

Nun durchforschten wir unsere Bibliothek nach geeigneten Materialien. Auch diese Ergebnisse wurden von den SchülerInnen festgehalten.

Jedes SchülerInnenpaar sollte nun aus den gefundenen Informationen und dem eigenen Wissen einen Text über das Tier, der alle notwendigen Informationen enthält, schreiben. Der Text konnte mit der Hand oder am Computer geschrieben werden und sollte auch Bilder beinhalten.

Mit den SchülerInnen wurde eine Zeitleiste gemacht, an der sie sehen konnten, wieviel Zeit sie noch bis zur Präsentation hatten. Dann wurden ihnen die Anforderungen für die Präsentation bekannt gegeben: Es sollte ein Vortrag sein, jedes Paar brauchte Dinge zum Anschauen und Fühlen, jede/r SchülerIn musste sichtbar einen Beitrag leisten.

Die einzelnen Beiträge wurden nach der Präsentation als 1. Projektzeitung für alle SchülerInnen kopiert.

Zum Abschluss im Sinne einer Lernzielkontrolle bekam jede/r Schüler/in den Auftrag, über sein/ihr Tier Fragen und Antworten auf Karteikärtchen zu schreiben. Diese Kärtchen wurden in dann in der freien Arbeit und im Wochenplan für Würfelspiele und Quizspiele verwendet.

Reflexion

Den SchülerInnen wurde nach Beendigung der Arbeit im Klassenrat noch einmal der Ablauf und die Form der angefallenen Tätigkeiten gezeigt. Danach wurde mit ihnen die folgenden Punkte besprochen:

a) Was hat dir an der Arbeit gefallen?

b) Wo hättest du mehr Hilfe gebraucht? Was wäre dir eine Hilfe gewesen?

c) Was konntest du in der Arbeit mit deinem/r Partner/in besonders gut?

d) Gib einen Tipp ab: Damit du solche Arbeiten gut erledigen kannst, musst du auf jeden Fall .........

e) Welches Thema möchtest du in der nächsten Klassenratssitzung gerne vorschlagen?

Zuerst besprachen die Paare die Punkte für sich. Sie wurden gebeten, die wichtigsten Erkenntnisse zu notieren und dann im Plenum vorzutragen. Damit gaben wir den SchülerInnen Zeit zum Überlegen, zur Aussprache untereinander und mit dem Auftrag, ihre Ergebnisse zu notieren, konnten wir sicher sein, nur die wichtigsten Erkenntnisse vorgetragen zu bekommen und gleichzeitig zu verhindern, dass die SchülerInnen sich all zu schnell den Meinungen ihrer VorrednerInnen anschlossen.

So wurde im Plenum den SchülerInnen noch einmal der Ablauf bewusst vor Augen geführt und sie erhielten eine veritable Sammlung von Gedanken, Tipps, guten Lösungen und Hilfen zur Literaturrecherche und zum selbständigen Erstellen eines schriftlichen Beitrages.

Beispiel 2: Auf und davon

Eine Reise um die Welt - Afrika

(8. Schulstufe)

Themenfindung

Der Vorschlag, andere Kontinente (Afrika, Südamerika) zu entdecken, kam von den SchülerInnen, nachdem ihr Interesse durch den Vortrag eines Entwicklungshelfers geweckt wurde.

Zielbestimmung und Planung

LehrerInnenteam (Brainstorming): geschichtlicher Zugang, Geografie, Musik, Kochen, Armut, Alltagsleben, Tier- und Pflanzenwelt, Lebensräume

SchülerInnen: Fragen an das Thema, Gruppenbildung nach freier Wahl mit höchstens 4 SchülerInnen pro Gruppe

Einstieg war die Geschichte eines fiktiven Flugs über Afrika, wobei SchülerInnengruppen in Ländern ihrer Wahl mit dem Fallschirm absprangen, um das Land zu erkunden.

Es erfolgte ein Gespräch über die Präsentationsform der zu leistenden Arbeit mit dem Ergebnis, dass diese von den SchülerInnen frei gewählt werden kann (Präsentation in Form einer Wandzeitung, Szenen zeichnerisch oder spielerisch darstellen, ....). Gemeinsam wurde noch festgehalten, dass die Präsentation im Rahmen eines Abschlussfestes stattfinden soll.

Als Zeitrahmen bis zum Abschlussfest wurden vier Schulwochen festgelegt.

Bei der Schilderung des Projektablaufs gehen wir im Folgenden auf verschiedene Ziel- bzw. Handlungsebenen ein, sodass vielfältige Möglichkeiten zur inneren Differenzierung nach unterschiedlichen Entwicklungsniveaus zum Ausdruck gebracht werden.

(Unsere Klasse wurde zu diesem Zeitpunkt von drei SchülerInnen besucht, die in allen Unterrichtsgegenständen nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule unterrichtet wurden, also als »lernbehindert« eingestuft waren. Ein weiterer Schüler wurde in allen Unterrichtsgegenständen nach dem Lehrplan der Sonderschule für Schwerstbehinderte SchülerInnen unterrichtet, war also als »geistigbehindert« eingestuft.)

Vorbereitung

Die SchülerInnen erhielten eine Liste von Themen, die jede Gruppe zu ihrem Land bearbeiten sollte:

  • Geografie: geografische Lage, Flüsse, Berge, Klima, Städte, Bodenschätze

  • Biologie: Tiere und Pflanzenwelt

  • Sozialkunde: Wie leben die Menschen dort? - Schule, Musik, Wohnen, heimische Küche, Sitten und Bräuche

Außerdem mussten alle Fragen der SchülerInnen innerhalb der Gruppe beantwortet sein und die Gruppe musste dem LehrerInnenteam einen Brief schreiben, in dem sie über die Reiseroute, die Sehenswürdigkeiten, über Sitten, Bräuche und Erlebnisse berichten mussten.

Ziel- und Handlungsebene 1

  • Sachbriefe zur Beschaffung von Material verfassen

  • Technik des Interviews kennen lernen (in einer gebundenen Sequenz), um später EntwicklungshelferInnen interviewen zu können

  • Durchforsten der Schul- und der heimischen Bibliothek

  • Terminplanung mit den EntwicklungshelferInnen, die sich zur Verfügung stellten

  • Auf der Afrikakarte orientieren (Anreise, Festlegen einer Reiseroute)

  • Offene Fragen in der Gruppe formulieren und notieren

  • ...

Ziel- und Handlungsebene 2

  • gemeinsam mit interessierten MitschülerInnen auf einer CD afrikanische Musik hören, auswählen, die notwendigen Liedertexte kopieren und in Mappen zusammenstellen

  • bildreich und mit wenig Text gestaltete Bildbände zu einem Land »studieren«, Bilder auswählen und seiner Gruppe vorschlagen

  • sich auf einer vereinfachten, schematisierten Karte von Afrika und Europa mit Hilfe der LehrerInnen orientieren, »Gruppenreiseroute« einzeichnen

  • ...

Ziel- und Handlungsebene 3

  • gemeinsam mit MitschülerInnen afrikanische Musik hören

  • täglich zum Beginn der gemeinsamen Arbeit ein Bilderbuch über afrikanische Tiere von LehrerInnen bzw. MitschülerInnen vorgelesen bekommen

  • Modelle afrikanischer Tiere (Spieltiere aus Plastik) mit Namen bezeichnen, ihnen Bildkarten zuordnen

  • täglich von einem/r Mitschüler/in die Zeichnung eines bestimmten afrikanischen Tieres erbitten dürfen und in ein selbstgestaltetes »Afrikabuch« kleben

  • ...

Durchführung

Die SchülerInnen arbeiteten in Gruppen über ihr Land. Gemeinsam wurden die oben ausgewählten Lieder erlernt und für das Fest geprobt. Im Werkunterricht konstruierten die SchülerInnen afrikanisches Spielzeug, indem sie alte Gebrauchsgegenständen dazu umfunktionierten. Als Fixpunkt in den Projektarbeitsstunden wurden nach ungefähr fünf Arbeitsstunden die Briefe der SchülerInnen vorgelesen und besprochen.

Ziel- und Handlungsebene 1

  • Informationen aus verschiedensten Quellen entnehmen

  • Sich auf Karten orientieren (Gradnetze, Landschaftsformen, ...)

  • Lebensverhältnisse von Menschen aufgrund ihrer Wohngebiete und der ökonomischen Verhältnisse analysieren

  • Einen inhaltlichen Aufbau der Arbeit fixieren und sich daran halten

  • Arbeitsprozesse in Kooperation auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet durchführen

  • Entscheidungen treffen, Diskussionen führen, Arbeit aufteilen

  • ...

Ziel- und Handlungsebene 2

  • mit Hilfe von Aufnahmen von Menschen in Alltagssituationen Lebensverhältnisse in einem bestimmten Land einfach beschreiben

  • Bilder und erarbeitete Sachinformationen zu einer afrikanischen Geschichte verarbeiten (mit LehrerInnenunterstützung)

  • Gestaltungselemente für die Präsentation übernehmen (Bilder für die Wandzeitung ausschneiden oder bei der Bühnenbildgestaltung für eine szenische Darstellung mitarbeiten)

  • mit einzelnen MitschülerInnen aus den Gruppen afrikanische Rezepte ausprobieren

  • ...

Ziel- und Handlungsebene 3

  • gemeinsam mit einem/r Lehrer/in Modelle afrikanischer Landschaften herstellen und die Tiere diesen zuordnen

  • mit Unterstützung durch eine/n Lehrer/in vorher bestimmte Gegenstände einer Landschaft mit einem/r Mitschüler/in herstellen

  • mit den Tieren nach eigenen Vorstellungen spielen

  • in der Klasse herumspazieren und die MitschülerInnen bei ihrer Arbeit beobachten (und auch manchmal »gemäßigt« stören)

  • ...

Präsentation

Wie abgemacht wurden die Ergebnisse bei einem Fest vorgestellt. Eltern, SchülerInnen und KollegInnen aus der Schule wurden dazu eingeladen.

Eine Ausstellung der Arbeitsergebnisse (Zeichnungen, Plakate, Wandzeitungen, Bilderbüchlein, »Afrikaalben«, typische Gegenstände) wurde zusammengestellt und präsentiert.

Beim Fest wurde getanzt, gesungen, gekocht und gespeist, verkauft, vorgelesen und vorgespielt und natürlich mit den wunderschönen afrikanischen Plastiktierchen gespielt und ganz nebenbei auch noch Geld verdient.

Es versteht sich von selbst, dass auch die Planung, Gestaltung und selbst das Feiern des Festes unzählige bedeutsame Lernziele, Erfahrungen, Enttäuschungen, Aufregung und Freuden beinhalteten und daran nahmen alle teil, ob behinderte oder nichtbehinderte MitschülerInnen, LehrerInnen oder Eltern.

Abschluss und Reflexion

Die Arbeit zu diesem Thema ging noch lange Zeit weiter, da ein Entwicklungshelfer einen Kontakt zu einer Partnerklasse hergestellt hatte, der dann noch gerne gepflegt wurde.

Beispiel 3: Schule und Bildung

(7. Schulstufe)

Themenfindung

Es war der Vorschlag der SchülerInnen, sowohl über unsere Schule als auch über Schule allgemein etwas zu erforschen.

Zielbestimmung und Planung

LehrerInnenteam (Brainstorming): Schule damals (Griechen, Römer, Mittelalter, Maria Theresia, ...), Schule anderswo (Türkei, ...), Unsere Schule: Geschichte, Kosten, Einrichtung, ...

SchülerInnen: Fragen an das Thema

Gruppeneinteilung: Bei diesem Projekt gaben wir die Gruppenthemen, die wir im LehrerInnenteam aus den Fragen der SchülerInnen zusammengestellt hatten vor und teilten die SchülerInnen nach einem Zufallsprinzip den Gruppen zu.

Diese Form der Gruppenbildung ist zwar bei den SchülerInnen nicht all zu beliebt, wir durchlebten allerdings zu dieser Zeit eine »gruppendynamisch« schwierige Zeit und fürchteten, dass zu diesem Zeitpunkt die sozialen Probleme all zu sehr die Energie der SchülerInnen in Anspruch nehmen würden. Wir sahen im Moment keine Möglichkeit, die Konflikte zu lösen und hofften so zu einer Beruhigung und Stabilisierung der sozialen Situation zu kommen.

  • Gruppe 1: Geschichte der Schule allgemein (Griechen, ....)

  • Gruppe 2: Schule in alten Bildern (Einrichtungen, Strafen, ...)

  • Gruppe 3: Schule in anderen Ländern

  • Gruppe 4: Unsere Schule: Kosten, Einrichtungen, Fragebögen, Interview mit LehrerInnen und Schulleiter)

  • Gruppe 5: Geschichte unserer Schule (Chronik)

  • Folgende Aufträge mussten von allen Gruppen noch zusätzlich bearbeitet werden:

  • Wie stelle ich mir die Schule der Zukunft vor?

  • Wenn ich Direktor wäre, dann....

Bezüglich der Präsentationsform entschieden wir uns für eine gemeinsame Zeitung in der Hoffnung, dass wir durch den Beitrag »Unsere Schulchronik« die Zeitung im Schulort verkaufen und damit Geld für unsere noch ausstehende Projektwoche verdienen können.

Vorbereitung

Um Fragen an ältere Personen über ihre Schulzeit stellen und die Ergebnisse entsprechend auswerten zu können, wurde die Technik des Interviews mit MitschülerInnen geübt. Weiteres wurde das notwendige Studienmaterial (Bücher, alte Zeugnisse, Dokumente, Schulchronik) beschafft.

Durchführung

Unsere Hoffnung, mit der rigorosen Gruppeneinteilung eine Stabilisierung der sozialen Situation zu ermöglichen, bewahrheitete sich und die SchülerInnen arbeiteten so kooperativ, dass sie gemeinsam beschlossen, für ihr Produkt, die »Zeitung«, kräftig die Werbetrommel zu rühren.

Präsentation

Dank der Aktivitäten der SchülerInnen erklärte sich eine Bank im Ort bereit, eine »Zeitungsvernissage« zu unterstützen. Sie ließ die von uns gestalteten Einladungen drucken und verschicken und stellte auch ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Der Reingewinn sprach für sich und für unser LehrerInnenteam gehört diese Vernissage zu den Sternstunden unserer Arbeit.

Beispiel 4: Meine Heimatgemeinde - Mai 1995

(7. Schulstufe)

Wenn wir dieses Projekt beschreiben, dann deshalb, weil wir damit zeigen wollen, dass es SchülerInnen ein Anliegen ist und sie auch den Mut dazu aufbringen, ihre Meinungen öffentlich kundzutun, andere Menschen an ihrem Wissen partizipieren zu lassen, vom Wissen anderer Menschen zu profitieren.

Themenfindung

Der 8. Mai 1995, der fünfzigste Jahrestag des Kriegsendes, sollte entsprechend gewürdigt werden. Das war zwar den SchülerInnen und LehrerInnen bewusst, wir hatten aber den Eindruck, dass das in unseren Gemeinden nicht wirklich Thema war. Wir beschlossen daher gemeinsam, dazu ein Projekt zu machen.

Zielbestimmung und Planung

Zuerst erhielten die SchülerInnen in einer gebundenen Stunde eine kurze Vorinformation über die Ereignisse im Mai 1945 (Kapitulation und Kriegsende).

Anschließend wurde gemeinsam mit den SchülerInnen über mögliche Aktivitäten gesprochen. Da es den SchülerInnen von Anfang an wichtig war, mit ihren Arbeiten »unter die Leute« zu gehen, taten wir dies schon unter dem Gesichtspunkt, eine »Aktion im Ort« veranstalten zu wollen. In einem Brain-Storming wurden folgende Möglichkeiten gesammelt und an der Tafel festgehalten (der letzte Punkt wurde übrigens vom LehrerInnenteam abgelehnt):

  • Infostand

  • Friedensbotschaften verteilen

  • Friedensgedichte verteilen

  • Transparente malen

  • Interviews durchführen

  • Verkauf, Spenden für Kriegsopfer (Menschen in Not)

Als nächstes wurde ein Zeitzeuge eingeladen, der von seiner russischen Kriegsgefangenschaft erzählte. Einige SchülerInnen nahmen dessen Erzählung mit Kassettenrekordern auf. Nach dem 25minütigen Vortrag wurden die wichtigsten Fakten von den SchülerInnen notiert. Am Beeindruckendsten war für die SchülerInnen der Mangel an Nahrung für die Gefangenen:

1 kg Fleisch für 50 Personen, 1 Scheibe Brot für 5 Mann, »Brotwaage« (= Stock mit 2 Schnüren; auf einer Seite war das Brot befestigt, auf der anderen ein kleiner Stein).

Auch der Schlusssatz blieb den SchülerInnen in Erinnerung:

»Kriege sollen dort beginnen, wo sie aufgehört haben. Dann hätten wir ewigen Frieden.«

Im Anschluss daran wurden im Kreisgespräch Fragen an den Zeitzeugen gestellt, von denen wir einige exemplarisch vorstellen möchten, um damit zu zeigen, was SchülerInnen dieses Alters wichtig und bedeutend ist:

  • Haben sie heute noch Freunde, die sie in der Kriegsgefangenschaft kennen gelernt haben?

  • Wann wussten sie, dass der Krieg für Deutschland verloren war?

  • Was war Ihr schrecklichstes Erlebnis?

  • Was haben Sie von Hitler zu Beginn des Krieges gehalten?

Vorbereitung

Nach der Grobstrukturierung und der ersten Orientierung durch die SchülerInnen, wurde nun die konkrete Planung von uns LehrerInnen überlegt. Die Inhalte möglichst vieler Unterrichtsgegenstände sollten in dieses Thema einfließen.

Deutsch: Interviews mit Zeitzeugen, Lyrik (Friedensgedichte) verfassen, Friedensbotschaften formulieren, Einsatz der Druckerei zur Vervielfältigung der Texte

Informatik: Layout für Flugblätter

Werken: Gestalten von Plakaten und Transparenten

Mathematik: Kalorientabellen berechnen, damaligen und heutigen Verbrauch von Lebensmitteln vergleichen

Englisch: Englische Soldatenbriefe übersetzen

Physik: im Zusammenhang mit Hiroshima wollten die SchülerInnen mehr über die Kernspaltung wissen.

Abbildung 29: Friedensbotschaft von Renate, 13 Jahre alt, lernbehindert

Abbildung 30: Friedenbotschaft von Ursula, 13 Jahre alt

Durchführung

In den Projektstunden wurde an den Materialien gearbeitet, Info-Blätter wurden erstellt, einige SchülerInnen besorgten sich die Pfarrchronik und fassten wichtige Inhalte zusammen. Andere SchülerInnen suchten einen Lokalhistoriker auf, von dem sie ebenfalls Materialien erhielten.

Zu Beginn der Projekteinheiten berichteten die GruppensprecherInnen jeweils über ihre Arbeitsergebnisse und was sie in den kommenden Stunden vorhätten.

Präsentation

Da den SchülerInnen die Arbeit in der Öffentlichkeit so wichtig war, wurde zuvor eine Presseinformation gemeinsam mit den SchülerInnen formuliert und an verschiedene Zeitungen verschickt.

Am 8. Mai versammelten sich die SchülerInnen um 10 Uhr am Marktplatz des Schulorts.

Sie bauten ihren Infostand auf, rollten die Transparente aus, stellten sich mit ihren Plakaten entlang der Straße auf, teilten Flugblätter mit Gedichten und Friedensbotschaften an PassantenInnen und AutofahrerInnen aus. Einige SchülerInnen gingen im Ort umher und befragten PassantenInnen. Die Antworten wurden notiert. Selbstverständlich waren bei allen Aktivitäten auch die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf aktiv gestaltend dabei.

Abbildung 31: Projektpräsentation 8. Mai 1995

Abschluss und Reflexion

Während der Wochenplanarbeit ließen wir die SchülerInnen in Zeitungsform von dem Projekt berichten. Die besten Artikel wurden zusammengefasst und bearbeitet. Anschließend schickten wir diesen Artikel an eine Regionalzeitung, die den Text unverändert abdruckte.

Tipps zur Finanzierung

Projekte kosten einfach Geld, auch wenn es oft nur ein paar Euros sind. Es ist also nicht unvorteilhaft, wenn man ein Klassensparbuch hat, auf das man im Notfall zurückgreifen kann. Wie aber kann man dieses Sparbuch auffüllen?

  • Elternbeiträge: Zu Beginn des Schuljahres wird von den Eltern ein bestimmter Betrag eingesammelt, über das Geld können die LehrerInnen frei verfügen. Am Jahresende wird den Eltern ein Bericht vorgelegt, wie das Geld verwendet wurde.

  • Spendenaktionen: Wird für ein größeres Projekt, das Themen des Schulortes behandelt, Geld benötigt, so können die umliegenden Betriebe um Spenden gebeten werden. Dies ist zwar möglicher Weise unangenehm, es kommt aber eine Menge Geld zusammen und die Firmen danken es einem. »Es freut uns, wenn etwas für die SchülerInnen gemacht wird.« Mit diesen Worten stellte uns z.B. eine Bäckerei Gebäck zur Verfügung, das wir bei einem Buffet verkauften.

  • Verkauf von Produkten: In manchen Projekten können Produkte entstehen, die dann zum Verkauf angeboten werden.

  • Freiwillige Spenden: Einmal ließen die SchülerInnen ganz spontan nach einer Feier einen Korb für freiwillige Spenden durchs Zimmer gehen. Wir LehrerInnen waren zwar nicht begeistert, angesichts der hohen Spendenbereitschaft ließen wir uns dennoch beeindrucken.

  • Ämter, Behörden, Parteien und Organisationen: In Österreich gibt es z.B. vom Unterrichtsministerium eine Stelle (Österreichisches Kultur Service, kurz ÖKS), die Kulturprojekte mit KünstlerInnen mitfinanziert. Weiter haben wir bei vielen Themen passende Ansprechpartner gefunden, die auch bereit waren, uns finanziell zu unterstützen.

»Werkzeuge« für das Arbeiten in Projekten

Fächerübergreifender, projektorientierter Unterricht benötigt Techniken, die es den SchülerInnen ermöglichen, die Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Die meisten »Werkzeuge« betreffen den Umgang mit Texten (Informationsgewinnung, -darbietung). Daher im Folgenden dazu noch einige Anmerkungen:

  • Arbeit mit Lexika, Enzyklopädien sollte mit lustigen Übungen relativ bald im »Trockentraining« gefestigt werden

  • Kürzen von Sachtexten

Schulbücher haben den Nachteil, dass die Informationen bereits so komprimiert sind, dass sie kaum eine Möglichkeit der Textkürzung bieten. Der Auftrag: »Fasse das Wesentliche zusammen!« kann nur sehr selten bei Schulbüchern zielführend sein. Besser geeignet sind daher Sachtexte aus Kinder- und Jugendsachbüchern, da diese es SchülerInnen ermöglichen, bedeutsame Inhalte heraus zu filtern. Sollten sich an der Schule zu wenig Bücher befinden, kann eine Kooperation mit der örtlichen Bibliothek Abhilfe schaffen. Erfahrungsgemäß sind BibliothekarInnen gerne bereit, nach Absprache Bücher zu einem bestimmten Themenkreis für eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stellen und immer wieder einmal Neuerscheinungen in der Klasse vor zu stellen.

Zum Kürzen der Texte hat sich folgende Vorgangsweise bewährt:

- Schritt 1: Bevor wir einen Sachtext bearbeiten , betrachten wir die Überschrift und schreiben unsere Vorkenntnisse zu dem Thema auf. Anschließend werden konkrete Fragen an das Thema gestellt. Nachdem der Text bearbeitet wurde, sollte festgestellt werden, ob die Fragen und somit die Erwartungshaltung der Kinder bezüglich des Inhaltes erfüllt wurde.

- Schritt 2: Lies den ersten Absatz, unterstreiche schwierige Wörter oder Sätze, die du nicht verstehst.

- Schritt 3: Schlage die Wörter im Lexikon nach und schreib die einfachere Bezeichnung darüber. (Tipp: Lege dir ein kleines Heft zu, in das du deine neuen Fremdwörter einträgst. Versuche das Wort spaßeshalber den ganzen Tag über zu verwenden.) Übersetze jene Sätze, die kompliziert sind, in deine Sprache.

- Schritt 4: Schreibe zu dem Absatz eine geeignete Überschrift, am besten neben den Text. Die Überschrift sollte so sein, dass du später einmal daraus erfährst, worum es in dem Absatz gehen könnte.

- Schritt 5: Fasse den Inhalt in wenigen Sätzen zusammen.

- Schritt 6: Verfahre mit den folgenden Absätzen auch so

- Schritt 7: Schreibe dir den Inhalt zusammen, dazu gibt es mehrere Möglichkeiten:

Mach es so wie im Text, schreib zuerst deine Überschrift, dann deine Kurzfassung, dann wieder die Überschrift usw. oder

Schreibe das Thema in die Mitte des Blattes und ziehe dann Pfeile nach außen, wo du jeden Gedanken kurz festhältst. Das Blatt sieht dann wie ein Stern aus, an jeder Spitze befindet sich ein Gedanke aus dem Text.

  • Gewohnte Bahnen verlassen: Textkürzung nach starren Regeln

Oft wissen die SchülerInnen nicht, was nun wichtig ist oder nicht. Aus Angst, Wesentliches wegzulassen, schreiben sie daher zu viel. Ein einfacher Trick kann dazu führen, einen Text wirklich sinnvoll zu kürzen, und zwar nach folgender Vorgabe: Kürze den Absatz auf 3 Zeilen (noch schwieriger: mit je 8 Wörtern) Je nach Länge des Textes können verschieden viele Sätze vorgegeben werden, die Anzahl muss aber unbedingt eingehalten werden. Diese Technik kann helfen, gewohnte Denkbahnen zu verlassen, da man mit einer völlig fremden Struktur konfrontiert ist.

  • Da gibt es doch ein Fremdwort?

Schreibe einen einfachen Sachtext zu einem bestimmten Thema. Stell dir nun vor, du wärst der bedeutende Autor eines wissenschaftlichen Buches und musst diesen Text möglichst kompliziert erscheinen lassen. Übersetze deinen Text in eine »wissenschaftliche« Sprache.

  • Textverarbeitung auf dem Bildschirm

Die meisten Texte werden nicht mehr mit der Hand geschrieben, sondern entstehen oft direkt auf dem Computer. Wenn man einen Sachtext aus einem Lexikon auf einer CD-Rom kürzt, kann man ihn ausdrucken, lesen, in eigenen Worten zusammenfassen und dann erneut tippen.

Man kann aber gleich versuchen, Texte direkt am Computer zu kürzen. Dabei empfiehlt es sich, jeweils 2 - 3 Sätze zu lesen, deren Inhalt zu überlegen und dann den Text so umzustellen, dass unwichtige Informationen gestrichen werden.

  • Suche im Internet

Das Internet bekam in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung. Wir haben zwar gesehen, dass das Internet in vielen Bereichen (z.B. Definitionen verschiedenster Begriffe zu finden) durchaus hilfreich sein kann, in ebenso vielen Bereichen mussten wir aber feststellen, dass nur der sehr erfahrene Umgang mit diesem Medium die gewünschten Informationen bringt. Eine entsprechende Vorbereitung durch die Lehrkräfte ist daher unumgänglich.

  • Beschaffung von Informationen

Um sich Informationen beschaffen zu können, muss man auch wissen, wo diese zu bekommen sind. Daher haben wir in unserer Arbeit auch großen Wert darauf gelegt, dass die SchülerInnen Kenntnis von den Aufgabenbereichen diverser Organisationen, Ämter und Behörden erhalten haben um sich von dort dann Informationen beschaffen zu können. Sie taten dies dann mittels Briefen, die sie an verschiedene Stellen sendeten. So war es z.B. sehr aufregend für die SchülerInnen, Briefe mit der Bitte um Informationen an die Botschaften verschiedenster Länder der Erde zu schreiben.

  • Interviewtechniken erlernen

Das Befragen von ExpertenInnen wurde von uns mittels eines Interviewtrainings vorbereitet. Dabei erarbeiteten wir einige wichtige Ablaufschritte, an die sich die SchülerInnen während ihres Interviews halten sollten:

Erkläre, was du genau wissen willst!

Bereite dich auf das Gespräch vor und schreibe dir einige Fragen auf!

Wenn du etwas nicht verstehst, dann frage nach!

Mache dir während des Gespräches Notizen oder frage, ob du es aufnehmen darfst.

Bearbeite anschließen deine Notizen und schreibe dir die Ergebnisse auf.

  • Telefonisch Auskünfte erfragen

In der Vorbereitung auf Projektwochen waren viele Erledigungen telefonisch zu machen. Dabei ließen wir oft die SchülerInnen diese Gespräche führen, um sie so sicherer zu machen, wenn sie selber telefonisch Auskunft zu bestimmten Fragen haben wollten.

Je intensiver und öfter man sich mit Projektunterricht befasst, desto mehr wird deutlich, dass man viele interessante Möglichkeiten versäumt, wenn man ein Thema nur lehrgangsartig durchnimmt. Unserer Erfahrung nach sind Lehrgänge weit weniger oft zwingend erforderlich als man anfangs denkt. Die Phantasie des Lehrers/der Lehrerin ist gefordert. Er/sie muss diese aber gar nicht mal von Anfang an haben. Eigentlich braucht er/sie nur den Mut, einmal damit anzufangen, denn - wie schon anfangs gesagt: »Learning by doing« heißt die Devise!

Die individuelle Fachbereichsarbeit (FBA)

Bei der Themenfindung für die Projekte, die wir uns in einem Schuljahr vornahmen, tauchten auch immer wieder Vorschläge von SchülerInnen auf, die keine Mehrheit in der Klasse erhielten. Dieser Umstand veranlasste uns, die individuellen Fachbereichsarbeiten einzuführen. Diese sollten zum einen dazu dienen, die individuelle Frage eines/r Schüler/in ernst zu nehmen und entsprechend zu würdigen, zum anderen boten sie eine gute Möglichkeit, die SchülerInnen zu einem selbstständigen Bearbeiten eines selbst gewählten Themas zu führen.

Wir boten den SchülerInnen bei der Themenfindung der Projekte an, ihr nicht gewähltes Thema in einer Fachbereichsarbeit zu behandeln. Voraussetzung dazu war lediglich, dass die Fragestellung nicht zu eng und es uns (dem/der Schüler/in und uns LehrerInnen) möglich war, geeignetes Material zur Bearbeitung der Frage zu beschaffen.

Zuerst wollten wir den SchülerInnen aber zeigen, wie so eine Arbeit ausschauen könnte und wie sie sich einem Thema nähern konnten. Dazu nahmen wir - zu Beginn unserer Arbeit in der Offenen Klasse - ein gemeinsames Thema und bearbeiteten es so, als wollten wir eine Fachbereichsarbeit schreiben. Dabei gingen wir von folgenden Fragestellungen aus:

  • Auf welche Informationsquellen können wir zugreifen (Bücher, ExpertenInnen, eigene Erfahrungen, Filme, Videos, Internet....)?

  • Sind diese auch verständlich oder werfen sie nicht noch mehr Fragen auf?

  • Welche Handlungsschritte können gesetzt werden?

  • Was ist notwendig, um das alles in eine schriftliche Form zu bringen?

Nachdem wir so ein gemeinsames Ergebnis erzielt hatten, ließen wir die SchülerInnen mit ihrer eigenen Arbeit beginnen. Um ihnen beim Ablauf zu helfen und sie zu unterstützen, suchte sich jede/r Schüler/in eine/n Betreuer/in aus dem LehrerInnenteam aus. Spaßeshalber bezeichneten wir diese BetreuerInnen »FachbereichsarbeitsbetreuerInnen« (kurz: FBAB). Zum Start gaben wir den SchülerInnen folgende Anleitung schriftlich:[41]

Abbildung 32: Anleitung zum Verfassen einer Fachbereichsarbeit

Anleitung zum Verfassen einer Fachbereichsarbeit

1) Wähle ein Thema, das dich interessiert, und erstelle ein Konzept.

2) Besprich das Konzept mit deiner Betreuerin/deinem Betreuer.

3) Überarbeite das Konzept noch einmal.

4) Suche Materialien, wähle geeignete Bücher aus.

5) Fasse das Wesentliche zusammen.

6) Gliedere die einzelnen Kapitel und nummeriere sie.

7) Gib an, welche Literatur du verwendet hast.

8) Schreib am Ende deine eigene Meinung zu dem Thema und begründe, warum du dir dieses Thema ausgesucht hast.

9) Umfang: 8 Seiten mit der Hand geschrieben (ohne Bilder!), 4 Seiten am Computer!

Schriftgröße: 14, Überschrift maximal 20[a]

10) Achte auf den Rand:

links und rechts 2,5 cm; oben und unten 2 cm

Achtung:

Wenn du etwas aus einem Buch abschreibst, musst du angeben, woher du das hast.

Wenn du einen Satz so abschreibst, wie er im Buch steht, so musst du den Satz in Anführungszeichen setzen und das Buch und die Seite angeben.

Beispiel:

Regenwürmer verbessern die Bodenqualität. Der Boden ist gesund, wenn es viele Regenwürmer gibt. »Die Besatzdichte schwankt je nach Bodenart zwischen 50 und 400 Regenwürmern pro Quadratmeter.« (Biologie heute, S. 55)

Am Ende der Arbeit schreibst du die verwendete Literatur hin. Da müssen der Autor, der Titel des Buches, der Verlag und das Erscheinungsjahr dabeistehen:

Beispiel:

Seewald, Fritz: Biologie heute. Linz : Veritas Verlag, 1993 (unser Schulbuch)

[a] Die erste FBA sollte 8 Seiten umfassen, bei den weiteren Arbeiten erhöhten wir die Seitenzahl jeweils um 4 Seiten, sodass die Arbeit in der 4. Klasse (8.Schulstufe) ca. 20 Seiten umfassen sollte. Der Zeitraum zur Erstellung erstreckte sich jeweils auf ein Semester, in der 4. Klasse - weil nur eine Arbeit vorgesehen war - von Oktober bis Mai.

Um den Ablauf zu dokumentieren und um den SchülerInnen bei der zeitlichen Planung zu helfen, teilten wir ihnen, nachdem sie das Thema mit dem/der Betreuer/in besprochen hatten, das Verlaufsprotokoll aus. Dieses war vor allem dazu gedacht, dass der/die Schüler/in immer wieder mit dem/der Betreuer/in Kontakt aufnahm und wir somit über den Verlauf der Arbeit informiert waren.

Abbildung 33: Verlaufsprotokoll für die Fachbereichsarbeit

Verlaufsprotokoll zur Fachbereichsarbeit

Name:______________ Klasse:_________ Schuljahr/Semester:______

Thema ausgewählt am:_________________

Thema:_________________________________________________________________

FBABU:_______________________________

Thema mit FBA-Betreuer/in besprochen am: ______________________________________

FBABU (bezeichnet die Unterschrift des Betreuers/der Betreuerin):___________________

Konzept erstellt und mit FBAB besprochen am:____________________

Literatur/Material auf Brauchbarkeit hin überprüft:

FBABU:___________________

1. Besprechung: ________________ FBABU:___________________

2. Besprechung: ________________ FBABU:___________________

3. Besprechung: ________________ FBABU:___________________

Rohfassung vorgelegt: FBABU:___________________

Abgabetermin:_________________________________

Als weitere Unterstützung zur Arbeit an der Fachbereichsarbeit wurden die Kriterien zur Rückmeldung - wiederum gemeinsam mit den SchülerInnen - erarbeitet und abschließend nochmals besprochen. Daher war es den SchülerInnen von Beginn an klar, worauf sie zu achten hatten.

Rückmeldebogen zur Fachbereichsarbeit

Name: __________________________________________________

Titel der Arbeit: ____________________________________________

Abbildung 34: Rückmeldebogen zur Fachbereichsarbeit

Bewertungskriterien

Max. Punkteanzahl

Erreichte Punkteanzahl

Äußere Form (Aussehen, Gestaltung, Aufmachung)

   

Textumfang (ohne Bilder) ist ausreichend: handgeschrieben: ___ Seiten/computergeschrieben: __ Seiten Schriftgröße 14 wurde eingehalten

   

Bilder, Grafiken, Zeichnungen wurden sinnvoll zur besseren Anschaulichkeit verwendet.

   

Gliederung in einzelne Kapitel (Inhaltsverzeichnis, Überschriften, Literaturverzeichnis, ...)

   

Rechtschreibung: (kaum Fehler, mehrere Fehler, sinnverändernde Fehler)

   

Der Text wurde nicht abgeschrieben, sondern überwiegend in eigenen Worten zusammengefasst.

   

Das Thema bzw. die Punkte aus dem Konzept wurden ausreichend behandelt.

   

Es wurden mehrere Bücher bzw. Quellen (Interviews, Artikel, Aufsätze ...) verwendet.

   

Das Verlaufsprotokoll ist in Ordnung (alle Unterschriften, ...)

   
     
   

Erreichter Prozentwert:___________

Persönliche Rückmeldung der Betreuerin/des Betreuers:

   

Zu den Punkten, mit denen wir die Fachbereichsarbeit bewerteten, ist hinzuzufügen, dass wir mit den Fachbereichsarbeiten Mitte des ersten Schuljahres (5. Schulstufe) begannen und die SchülerInnen somit bis zum Ende der Hauptschule (8. Schulstufe) sechs Fachbereichsarbeiten schreiben konnten. Je nach Schulstufe veränderten wir den Seitenumfang und legten auch die zu vergebenden Punkte neu fest, da sich die Kompetenzen der SchülerInnen ja ständig erhöhten und somit auch dieses Wissen in die Arbeit mit einfließen konnte. Gerade die Arbeit am Computer brachte da viele neue Aspekte hinzu (scannen, Inhaltsverzeichnis erstellen, Kopfzeilen, etc). Für die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf galten im wesentlichen die gleichen Regelungen. Es lag an uns, die Fragestellung so aufzubereiten, dass es auch jenen SchülerInnen, die noch viel Hilfe und Unterstützung brauchten, gelang, zu einem für sie zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen.

Beispiele von Fachbereichsarbeiten

Um die vielfältigen Aspekte der Fachbereichsarbeiten beleuchten zu können, seien nun einige Beispiele von Fachbereichsarbeiten angeführt.

Es gab viele Gründe, warum sich die SchülerInnen »ihre« Themen aussuchen. Ein für sie besonders wichtiger war, ob sie Personen kannten, die ihnen Informationen geben konnten. So war es im ersten Beispiel der Großvater, der seinen Beitrag zur Fachbereichsarbeit leistete und dem Schüler eine wertvolle Unterstützung bot.

Im nachfolgenden Beispiel finden Sie einige Passagen dieser Arbeit und als »wichtigen« Beitrag ein vom Großvater des Schülers verfasster Bericht. Der Wert einer solchen Arbeit für den betreffenden Schüler wird weit über seine Schulzeit erhalten bleiben (Fachbereichsarbeit ist im Entwicklungsbericht integriert).

Zeit der Besatzung

In der Einleitung schrieb der Schüler:

»Mich interessiert dieses Thema sehr. Lange überlegte ich ein Thema über den 2.Weltkrieg. Es war die schrecklichste Zeit für die Menschen in Österreich. Aber was passierte mit den Menschen nach dem Weltkrieg?

Wie wurden sie behandelt, wie lange brauchten sie, um ihr altes Leben wieder zu beginnen ?

Mein Opa war selbst Panzerfahrer im 2. Weltkrieg. Er erzählt mir oft von seinen Erlebnissen. Ich werde sicher ein ausführliches Interview mit ihm führen. Er wird viel erzählen können. Vom Leben im eigenen Land, das eigentlich so fremd war. Dazu werde ich schreiben wie Österreich aufgeteilt war. Es wäre für mich der schrecklichste Gedanke, wenn ich immer meinen Pass dabei haben müsste, um durch mein Land zu kommen. Ich will allen zeigen, wie schrecklich diese Zeit war. Wenn - wie wir alle wissen - Österreich in 4 Teile aufgeteilt war, welche Parteien regierten dann, mit welcher Währung wurde bezahlt, wie lebten die Menschen und das wichtigste: Wem verdankt es Österreich, ein freies Land zu sein.

Ich werde einen Teil mit Informationen aus Büchern beantworten und ich werde die Antworten meiner Großeltern nehmen.

Diese und noch viele weitere Fragen will ich beantworten.

Viel Spaß beim Lesen.«

Ein Textbeispiel über die Heimkehrer:

»Ende des Jahres 1946 ließen die Westalliierten (England , Frankreich, USA) bereits eine halbe Million Österreicher aus der Gefangenschaft frei. Aus Russland kamen die ersten Menschen erst 1947 heim. Viele Menschen wurden verschleppt, weil ihnen antisowjetische Handlungen vorgeworfen wurde. Diese Menschen kehrten erst nach 1955 nach Österreich zurück. Der Letzte kehrte erst nach Abschluss des Staatsvertrages heim.

Viele Menschen sind nach der Machtergreifung Hitlers ausgewandert, um vor Hitler zu fliehen. Doch nur wenige Menschen sind zurückgekommen. 1948 wurde auf dem Wiener Leopoldsberg ein Gedächtnismal für die Heimkehrer errichtet.

So schrieb Otto Bender am 2.7.1947 im Kurier über die Leute, die nicht zurück gekommen sind wörtlich: ›Der Emigrant hat nämlich inzwischen die Beobachtung gemacht, auch wenn das die Propaganda offiziell hin und wieder verschleiert, daß man ihn bereits aus der Reihe der "Dazugehörigen" gestrichen hat. Man geht fast so weit, um zu meinen, es sei seine Schuld , daß er das grausame Bombenspiel nicht miterlebt hat.‹ «

Für das Interview mit dem Großvater wurde zuerst - wie bei allen anderen ExpertenInnenbefragungen auch - mit der Betreuerin genau geklärt, wie das Interview ablaufen soll, wie es dokumentiert wird und welche Antworten wichtig sind. Dazu verwendeten manche Tonbänder, andere machten sich Notizen und nahmen ergänzendes Infomaterial (Bilder, Broschüren, etc.) mit. Das Ergebnis war dann Teil der Fachbereichsarbeit. Dazu ein Beispiel aus dieser FBA:

»Diese Fragen hat mir mein Opa beantwortet:

Wie war das Leben zu dieser Zeit?

Es gab wenig zu essen sowie wenig Heizmaterial.

Arbeit war genug vorhanden. Alle halfen beim Wiederaufbau mit.

Opa hielt die Amerikaner immer für freundlich und korrekt. In seiner Nachbarschaft lebten viele Amerikaner. Sie zogen in Häuser. Die Leute mussten ausziehen. Am Ende der Besatzung wurden sie aber entschädigt.

Mit welcher Währung wurde bezahlt?

Zuerst mit deutscher Mark, nach der Befreiung mit Schilling. Zwischen den Amerikanern und den Österreichern wurde in Dollars bezahlt.

Was geschah mit den Kriegsgefangenen?

Je nachdem wo sie waren. Mein Opa war in Russland gefangen. Als in Österreich die ersten Wahlen waren, wurden tausend Gefangene heimgeschickt. Mein Opa war dabei. Mit meinem Opa fuhr ein ungarischer Freund nachhause. Ein Hauptmann glaubte ihm nicht, dass er Österreicher war. Er musste das Lied ›Geh mach das Fensterl auf‹ singen. Er sang falsch, aber es genügte.

Warum kam es zur Besatzung?

Die Fremdmächte haben das Land erobert und blieben hier. Die Präsidenten der Alliierten Mächte teilten das Land auf.

Wie war das Ende der Besatzung?

Die Zeiten waren sehr schlecht. Als die Besatzungsmächte das Land verließen, wurde nicht gefeiert. Die Russen verließen als letzte Österreich. Die Menschen feierten zwar nicht, waren aber fröhlich und erleichtert.

Opa hat sich noch Gedanken über die damalige Zeit gemacht. Er hat für mich diese Geschichte aufgeschrieben. Ich möchte sie so zu meiner Arbeit dazugeben.«

Abbildung 35: Auszug aus der Fachbereichsarbeit Zeit der Besatzung

Diese Abbildung können sie unter folgender Url herunterladen:

http://bidok.uibk.ac.at/download/feyerer-unterricht-fachbereichsarbeit.pdf

Für »schwierige« Begriffe erstellten die SchülerInnen manchmal auch eigene Glossare:

Abbildung 36: Glossar der Fachbereichsarbeit Zeit der Besatzung

Kompromiss

Einigung

passiver Widerstand

Streik

NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

Emigrant

Auswanderer

Faschist

Anhänger der nationalsozialistischen Gedanken

Propaganda

politische Werbung

Care Pakete

Essen für die Menschen in einem Paket

Ration

Aufteilung

Paragraphen

Teile eines Gesetzes

territorial

ländermäßig

Alliierten

Verbündete

Fremdmächte

Besatzungsmächte

souverän

unbeschränkt, selbständig, überlegen

Sexueller Missbrauch

Eine andere Arbeit beschäftigte sich mit einem sehr heiklen Thema, nämlich dem sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen. Motivation für dieses Mädchen, das in der 3. Klasse zu diesem Thema schrieb, war ihre eigene Geschichte. Mit einer sehr einfühlsamen und selber auch lernenden Betreuerin an der Seite, hat das Mädchen zu folgenden Fragen geschrieben:

»Was ist sexueller Missbrauch?

Wann beginnt sexueller Missbrauch?

Wie verhalten sich die Opfer?

Wie verhalten sich die Eltern der Opfer ?

Wie verhalten sich die Täter?

Mögliche Symptome der Opfer?

Wie sollte man als Erwachsener darauf reagieren?

Was kann man tun, wenn man ein Opfer kennt?«

Ihre Themenwahl begründet sie wie folgt:

»Ich habe dieses Thema ›Sexueller Missbrauch‹ gewählt, weil mich das Thema sehr interessiert. Ich möchte alles über dieses Thema erfahren, zum Beispiel, wie man helfen kann, wenn man ein Opfer kennt oder beziehungsweise eines ist. Ich schreibe dieses Thema auch, weil es eine immer größere Problematik wird und keiner so richtig etwas dagegen unternehmen kann. Ich finde auch, dass Jugendliche in unserem Alter schon etwas besser Bescheid wissen sollten. Die meisten Eltern haben Angst über so ein Thema zu reden, da sie Angst haben, die Kinder könnten dann völlig verstört durch die Gegend laufen. Aber es gibt auch Eltern, die mit ihren Kindern darüber nie sprechen, weil sie glauben: ›Meinem Kind kann so etwas nicht passieren....!‹ Aber ist es dann passiert, ist es zu spät. In meiner FBA werde ich auch schreiben, wie man am besten mit einem Kind umgeht, dem so etwas schon mal passiert ist. Ich hoffe, euch gefällt meine FBA, da ich mir sehr viel Mühe geben werde, um alles Nötige einzubauen. «

Ein Textbeispiel aus der Arbeit:

»Jedes 3. bis 4. Mädchen und jeder 7. bis 8. Junge werden Opfer von sexueller Gewalt. Bei den meisten Kindern beginnt sexueller Missbrauch zwischen dem 6. und dem 12. Lebensjahr. Dann folgt die Altersgruppe der 0 bis 5 Jährigen.

Am wenigsten oft aber erfolgt sexueller Missbrauch zwischen den 13. und dem 16. Lebensjahr.

Mädchen werden zu 93% bis 98% von Männern sexuell missbraucht.

Rund die Hälfte der Täter sind Verwandte oder Freunde der Eltern.

Ganz wenige der Täter sind Fremde.

Buben werden zu 80% bis zu 90% von Männern sexuell missbraucht.

Sie werden hauptsächlich von heterosexuellen Männer ausgebeutet.

Die Täter sind meist Verwandte oder nähere Bezugspersonen.

Viel geringer als bei den Mädchen ist die Zahl der Väter.

In Österreich kommt es im Jahr zu ca. 800 Anzeigen mit ca. 200 Verurteilungen. Die Beweisführung ist sehr schwierig, im Zweifelsfall wird für den Angeklagten entschieden.

Auch sexueller Missbrauch ist ein Offizialdelikt. Es gelten hier die gleichen Regelungen bzgl. Anklageerhebung, Status von Zeugen/innen und Privatbeteiligung. (siehe: Rechtsgrundlagen in Österreich - Vergewaltigung)

Zusätzliche Bestimmungen für Kinder unter 14 Jahren:

- Entschlagungsrecht bei Aussagen gegen Familienangehörige

- Einmalige, möglichst ›schonende‹ Einvernahme. Der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger müssen aber die Möglichkeit haben, Fragen an das Kind zu stellen. Diese können jedoch vom Richter oder von der Gutachterin gestellt werden (Protokoll oder Video sind gültig).

- Im Falle der Gefährdung des Kindes kann das zuständige Pflegschaftsgericht den Eltern bzw. einem Elternteil die Obsorge für das Kind entziehen.

Niemand kann sexuellen Missbrauch alleine aufdecken oder beenden. Wenn Sie den Verdacht haben oder wenn Sie feststellen, dass Ihr Kind sexuell missbraucht wird, werden Sie wahrscheinlich heftige Gefühle wie z. B. Wut, Ohnmacht, Sorge um Ihr Kind und Traurigkeit durchleben.«

Die Rückmeldung zu dieser Arbeit zeigt die folgende Abbildung.

Abbildung 37: Rückmeldung zur Fachbereichsarbeit Sexueller Missbrauch

Wir haben diese Arbeit als Beispiel ausgewählt, weil es zum einen sehr beeindruckend ist, wie sich das Mädchen mit dem Thema auseinandergesetzt hat und zum anderen wir dazu noch berichten können, dass sie von behördlicher Stelle (Leiter der Jugendwohlfahrt) gefragt wurde, ob sie ihre Arbeit im Rahmen einer Ausstellung auch anderen SchülerInnen zur Verfügung stellen würde. Dies war für das Mädchen eine Anerkennung, die wir ihr in diesem Maße gar nicht geben konnten und zeigt, dass oft Rückmeldungen von außen mehr bedeuten. Dazu ein weiteres Beispiel.

Traberg - Mein Heimatort

Ein Schüler setzte sich mit der Geschichte seines Heimatortes auseinander. Er wollte viel über die Geschichte des Ortes erfragen und kam so mit vielen Menschen seiner kleinen Gemeinde zusammen. Der ganze Ort wusste, dass da ein Schüler der Offenen Klasse eine Fachbereichsarbeit über die Geschichte von Traberg - so heißt der Ort im oberen Mühlviertel - schreibt. Es wurden ihm viele Informationen zugetragen, er bekam etliche Bilder, führte ein Interview mit dem Pfarrer, durchforstete die Pfarrchronik und brachte letztendlich eine Arbeit zustande, die dann in der Kirche und den Fremdenzimmern des örtlichen Gasthauses aufgelegt wurde. Eine Anerkennung besonderer Art!

Zum Schluss dieses Kapitels möchten wir noch darauf hinweisen, dass Sie auf der CD-Rom noch weitere Beispiele solcher Arbeiten finden (in vollem Umfang und mit Bildern). Wir haben die Fachbereichsarbeiten der SchülerInnen übrigens immer so belassen, wie sie diese abgegeben haben. Am Ende einer jeden Fachbereichsarbeit stand: »Ich habe diese Arbeit selber verfasst, durchgelesen und in Reinschrift gebracht.« Damit dokumentierten die SchülerInnen, dass ihre Arbeit fertig ist. Wir haben lange überlegt, ob wir die übrig gebliebenen Fehler in den abgegebenen Fachbereichsarbeiten (Orthographie, Sinn, Ausdruck, Zitate, ...) ausbessern sollten, kamen aber zu dem Schluss, dass sich im Sinne einer »direkten Leistungsvorlage« jede/r Leser/in selbst ein Bild von dieser Arbeit machen sollte. Man darf ja nicht vergessen, dass es sich um SchülerInnen der Sekundarstufe 1 handelt und nicht um LiteratInnen oder ProfiautorInnen.

»Fehler sind erlaubt« - ist und bleibt unsere Devise.



[33] kursiv gesetzte Passagen sind Erläuterungen für die LeserInnen und befinden sich nicht auf den Wochenplänen

[34] siehe dazu auch die Stundentafel in Kapitel 3

[35] eider nicht mehr im Buchhandel erhältlich

[36] siehe dazu auch Kapitel 3

[37] Weitere methodische Anregungen zum Verfassen von Gedichten finden Sie in der bereits in Kapitel 3 unter Materialien erwähnten Lyrikkartei von unserem Kollegen Christian Doppler (zu bestellen unter c.doppler@eduhi.at)

[38] siehe dazu auch Kapitel 5

[39] jene 4 LehrerInnen, die rund 80% aller Unterrichtsstunden der Klasse abdecken

[40] Im Pragmatismus wird die praktische Tätigkeit der Theorie und der Wissenschaft übergeordnet. Der Sinn im praktischen Tun entscheidet über gut und schlecht, nicht die theoretische Gültigkeit.

[41] selbstverständlich sind alle Dokumente zur Fachbereichsarbeit als doc- bzw. rtf-Datei auf der CD-Rom zu finden

Und wie beurteilt man die vielfältigen Ergebnisse? - Die Arbeit mit dem ENTWICKLUNGSBERICHT als Alternative zur Ziffernbeurteilung

»Ich vergleiche nie ein Kind mit einem anderen,

sondern immer nur jedes Kind mit ihm selbst.«

(J.H. PESTALOZZI 1740 nach WEISS 1989, 57)

Kindheit hat sich im Verlauf des Jahrhunderts rasant verändert. Schule trifft auf diese Veränderungen und muss sich auf diese einstellen. Offener Unterricht und eine Öffnung der Schule sind Wege, die beschritten werden können, um eine lebenswerte Schule zu ermöglichen, die ihre SchülerInnen ernst nimmt und auf ihrem individuellen Lernweg begleitet und unterstützt. Eine möglichst große Individualisierung des Unterrichts für das einzelne Kind ist immer wieder eine Forderung, die einerseits aus täglicher Unterrichtspraxis erwächst und sich andererseits daraus ergibt, dass es homogene Lerngruppen de facto nicht gibt: Jedes Kind kommt mit einem individuellen Lern- und Lebensweg in die Schule.

Möchten wir als LehrerInnen allen SchülerInnen in unseren Lerngruppen so gerecht wie möglich werden, kann dies aufgrund der Heterogenität nur durch größtmögliche Individualisierung des Unterrichts geschehen. Dabei ergeben sich zwei große Spannungspunkte:

  • Individualisierung kann nur insoweit erfolgen wie es die Gemeinschaft zulässt. Sonst führt Individualisierung leicht zu Egoismus.

  • Leistungsbewertung muss in diesem Zusammenhang neu überdacht werden und außerdem mit vorhandenen gesetzlichen Grundlagen in Einklang gebracht werden.

In der Schule sollen Kinder und Jugendliche dazu angespornt werden, Leistungen zu erbringen, um ihre Entwicklung voranzubringen. Außerdem müssen die erbrachten Leistungen auch eine Beurteilung erfahren, damit alle am Lernprozess Beteiligten mit den erzielten Leistungen umgehen können.

Konventionelle Verfahren der Leistungsmessung und Leistungsbeurteilung schaffen es zumeist nicht, SchülerInnen zu ermutigen und anzuspornen. Nicht nur der Unterricht muss sich den individuellen und sozialen Bedürfnissen der SchülerInnen anpassen, sondern auch die Leistungsmessung und -bewertung. Jedoch wird in Österreich, Deutschland und der Schweiz - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern - an der Notengebung als Leistungsbewertung festgehalten. Diese Tatsache macht es LehrerInnen besonders schwierig Individualisierung, soziale Gemeinschaft und Leistungsbewertung unter einen Hut zu bringen.

Die Diskussion um Noten ist zwar schon relativ alt, erregt aber nach wie vor die Gemüter.

Die Argumente werden zwar auf der sachlichen Ebene vorgebracht, beinhalten aber meist Ängste und Befürchtungen auf persönlicher Ebene. Uns sehr vertraute Argumente gegen alternative Formen der Leistungsbeurteilung und somit für Noten sind zum Beispiel:

Abbildung 38: Häufig vorgebrachte Argumente gegen alternative Leistungsbeurteilung

Sachebene

 

persönliche Ebene

 
 

LehrerInnen

SchülerInnen

Eltern

  • keine Objektivität fehlende Anerkennung für erhöhten Arbeitsaufwand

  • Vergleichsmöglichkeit fehlt

  • Motivation zur Leistungssteigerung fehlt

  • .........

  • zu viel Arbeit

  • fehlendes Disziplinierungsmittel

  • Machteinbuße

  • Gewohnheit

  • Einfachheit

  • .........

  • weiß nicht, wie gut ich bin

  • weiß nicht, ob wer besser ist

  • strenge mich bei schlechter Note besser an

  • .........

  • Gewohnheit (Belohnungsrituale bei guten Noten)

  • Motivationsmittel

  • Vergleichsmöglichkeit

  • Wir haben ja auch mit Noten gelernt

  • Noten werden überall verlangt

  • ..........

Um mit diesen Ängste und Befürchtungen umgehen zu können, wurde sowohl im LehrerInnenteam als auch mit Eltern und SchülerInnen der OFFENEN KLASSE an der Hauptschule Oberneukirchen[42] die Vor- und Nachteile von Noten bzw. alternativen Formen der Leistungsbeurteilung immer wieder diskutiert. Grundlage dafür waren die im Folgenden aufgeführten Überlegungen und Argumente.

Was bedeutet alternative Leistungsbeurteilung eigentlich?

In vielen Jahren der Auseinandersetzung mit alternativer Leistungsbeurteilung haben sich eine Menge von erzieherischen und emanzipatorischen Aspekten heraus kristallisiert, die klar machen, dass die Alternative zu Noten nicht darin bestehen kann, einfach keine Noten zu geben. Das Hauptziel einer alternativen Leistungsbeurteilung liegt für uns darin, sie als Werkzeug zur Demokratisierung und Humanisierung der Schule einzusetzen. SchülerInnen sollen damit lernen,

- eigene Ziele zu stecken,

- diese Ziele zu erreichen,

- notwendige Hilfe dafür einzuholen,

- sich mit ihrer eigenen Leistung respektive Leistungsbereitschaft auseinanderzusetzen,

- über Motive, Gedanken und Absichten ihrer Arbeit zu reflektieren,

- Feedback zu geben und anzunehmen,

- Lernen als Aufgabe zu sehen, die ihre Bereitschaft und ihren Einsatz braucht,

- mit Fremd- und Selbsteinschätzungen umzugehen.

Somit bestehen alternative Formen der Leistungsbeurteilung aus vielen Elementen, die alle von gleicher Wichtigkeit sind:

  • Kenntnisnahme der erwarteten Ziele

SchülerInnen müssen eine Vorstellung davon bekommen, was von ihnen erwartet wird. Konkret bedeutet dies für den Unterricht:

- nächste kurzfristige Ziele vorstellen

- Projektziele vereinbaren

- Ziele für Mathematik, Deutsch, Englisch in Form von Lernziellisten bekannt geben

- Ziele für die nächste Klassenarbeit bzw. andere Leistungsüberprüfungen vereinbaren

- Ziele zum Arbeits- und Sozialverhalten besprechen

  • Finden und Reflektieren eigener Ziele

Ziele können in Morgenbesprechungen, Besprechungen von Plan- und Freiarbeit, Fachbereichsarbeit und Projektplanungen gefunden werden. Selbstverständlich brauchen SchülerInnen dann eine entsprechende Rückmeldung, sowohl von sich selber, als auch von den LehrerInnen und MitschülerInnen. Feedback erfolgt dabei am besten inhaltsgebunden, also nach vorher besprochenen, inhaltlichen Kriterien. Dies gilt sowohl für kurz- als auch für langfristige Zielfindungen.

- nächste kurzfristige Ziele

Für die Schulwoche/den heutigen Tag nehme ich mir vor ...

Für die nächste Stunde in der Projektarbeit nehme ich mir vor ...

- langfristige Ziele

Für das kommende Semester nehme ich mir vor ...

  • Persönliche Arbeiten vorstellen und um Feedback bitten

Die persönliche Arbeit bekommt durch die Präsentation und die Anerkennung der anderen ihren Sinn. Der Rahmen der Personen, die ihre Meinungen zu einer Leistung abgeben, vergrößert sich dadurch. Die SchülerInnen lernen nicht nur für ihre LehrerInnen, für gute Noten oder für irgend eine andere extrinsische Motivation sondern dafür, sich neues Wissen anzueignen und ihr Wissen dann zur Verfügung zu stellen. Im Unterricht sind daher immer wieder Präsentationskreise, Autorenkonferenzen, Lesezirkel, Aufführungen und Portfolio-Aktivitäten im Sinne einer direkten Leistungsvorlage (z.B. Sammeln von Klassenarbeiten, SchülerInnentexten, Fotos von Werkstücken, Dokumentationen von Aufführungen) vorzusehen.

  • Nicht nur LehrerInnen dürfen beurteilen

Grundregeln beim Vorstellen und diskutieren der SchülerInnenarbeiten:

SchülerInnen dürfen sich die Personen, von denen sie eine Rückmeldung möchten, selber aussuchen!

Keine pauschalierende Beurteilung, sondern entweder nach vorgegebenen Kriterien diskutieren oder Meinung begründen lassen!

  • Übernahme von gemeinsamer Verantwortung

Alternative Leistungsbeurteilung verlangt ein radikales Umdenken in allen Bereichen des Unterrichtens. Verantwortung kann nur jemand übernehmen, der auch wirklich Entscheidungsfreiräume bekommt! Auftauchende Probleme und Meinungsverschiedenheiten verlangen nach gemeinsamen Lösungen. Dadurch werden die LehrerInnen auch entlastet, da sie nicht immer für alles eine Lösung parat haben müssen.

  • Auch LehrerInnen bekommen Feedback

Wir haben den SchülerInnen gerne unsere Ansichten in persönlichen Briefen mitgeteilt und wir haben immer auch um persönliche Stellungnahmen zu unserer Person und Arbeit gebeten und diese auch in vielfältigster Form bekommen.

Abbildung 39: »Entwicklungsbericht« für den Klassenlehrer

Abbildung 40: Rückmeldung an das LehrerInnenteam

Abbildung 41: Auszug aus einer Rückmeldung an den Sonderpädagogen

  • Es werden Kompetenzen geschult, die aus dem traditionellen Beurteilungsraster fallen (Kommunikations-, Sozialkompetenz, ...)

Schlüsselqualifikationen bewusst zu fördern wird im heutigen Bildungssystem durch die Erkenntnis der Kurzfristigkeit von sachlichen Inhalten stark betont. Die Förderung von Qualifikationen wie Teamfähigkeit, Kreativität, Sozialkompetenz, Leistungsbereitschaft, Kritikfähigkeit etc. impliziert jedoch einen anderen Modus der Rückmeldung.

  • Angebote individueller Lernbegleitung und Beratung

Individualisierung und Differenzierung verlangen Möglichkeiten, individuelle Kompetenzen und individuelle Hilfen zur Erreichung der nächsten Zone der Entwicklung zu realisieren. Dies ist ebenso ausführlich im Team als auch mit den Eltern abzuklären. Persönliche Leistungsvereinbarungen haben sich dabei im Bereich der Sekundarstufe als sehr günstig erwiesen.

Abbildung 42: Persönliche Leistungsvereinbarung

  • Alternative Formen von Zeugnissen

Unsere »Zeugnisse« bestehen immer aus vier Teilen:

a) Rückmeldung über erreichte Lernziele

b) Einschätzung des Kindes

c) SchülerInnenarbeiten als direkte Leistungsvorlage

d) Formal notwendige Klauseln wie Aufstiegsberechtigung, Lehrplanvermerk, etc.

Abbildung 43: Beispiel für eine Selbsteinschätzung im Entwicklungsbericht (Hauptschülerin, 8. Schulstufe)

Warum sind Ziffernnoten nicht kompatibel mit inklusivem Unterricht?

Die Form der Beurteilung muss mit den Prinzipien der angewandten Pädagogik zusammenpassen. Im herkömmlichen Schulsystem ist die »objektive« Selektion für weitere Bildungswege ein alles prägender Aspekt. Noten sind das dafür verwendete Mittel. Im Rahmen einer inklusiven Schule geht es aber weniger um »objektive« Selektion als um »subjektive« Förderung. Noten sind dabei aus folgenden Gründen hinderlich (vgl. dazu auch INGENKAMP 1999, SCHÖLER 1998b, JÜRGENS 1995, M.-TRÄGER- STIFTUNG/GEW 1991, OLECHOWSKI/RIEDER 1990, WEISS 1989):

  • Ziffernnoten entmutigen viele SchülerInnen

Täglich gehen viele SchülerInnen mit einer schlechten Note nach Hause, werden dadurch gedemütigt und verunsichert. Leistungsschwächere SchülerInnen fühlen sich durch die Wiederkehr der schlechten Noten »gekennzeichnet« und übernehmen mit der Zeit die Attribuierung »schlechte/r Schüler/in« als persönliches Merkmal.

  • Ziffernnoten verursachen Angst

Dies gilt nicht nur für SchülerInnen, die schlechte Noten bekommen, sondern auch für jene mit guten Noten. SchülerInnen fühlen sich besonders dann verunsichert, wenn es von den Noten abhängt, ob sie von ihren Eltern geliebt werden oder nicht, ob sie von den LehrerInnen als vollwertig akzeptiert werden oder nicht. Die Angst vor Zurückweisung und Liebesverlust kann zu Angst vor Versagen werden, die häufig auch wirklich zu Schulversagen führt.

  • Ziffernnoten sagen wenig über die Leistungsfähigkeit und Lernbereitschaft der SchülerInnen aus

Die SchülerInnen erfahren durch eine Ziffer nichts darüber, worin sie »gut« oder »schlecht« sind, ob ihre Anstrengungen anerkannt werden, welche Fortschritte sie mit ihrer Leistung gemacht haben, auf welche Weise sie ihre Leistung verbessern können.

Kinder und Jugendliche brauchen für ihre Leistung eine »Antwort«, bei der auch ihr Bemühen, ihre persönliche Situation berücksichtigt wird. Ziffernnoten sind jedoch keine »Antwort«, sondern ein »Urteil«.

  • Eltern bekommen kein hilfreiches Leistungsbild von ihren Kindern

Ziffernnoten ermöglichen den Eltern nicht, sich so über das Wissen und Können ihrer Kinder zu informieren, dass sie sinnvoll weiterhelfen und ihr Kind bei der Entwicklung unterstützen können. Selbst wenn sich die LehrerInnen in den Sprechstunden bemühen, die Situation zu erklären, bleiben die Ziffernnoten im Gedächtnis. Diese verführen Eltern leicht dazu, unangemessen zu reagieren: von der Zeugnisprämie bis zur Zeugnisstrafe.

  • Noten können sich unsozial auswirken

Das drückt sich darin aus, dass die Starken in ihrer Position noch mehr gestärkt, die schwachen SchülerInnen aber immer mehr geschwächt werden. Soziale Ungleichheit wird damit festgeschrieben. Die von Anfang an Benachteiligten werden zumeist an ihrem schwächsten Punkt, der unzureichenden Sprachkompetenz, getroffen und nicht in ihrem So-Sein angenommen. Das wiederum nimmt den benachteiligten SchülerInnen oft den Mut zum Sprechen bzw. fordert sie zum Kompensieren mittels sogenannten Verhaltensauffälligkeiten heraus, was ihre Außenseiterstellung im Sinne eines Teufelskreises schließlich fixiert.

  • Noten können als Disziplinierungsmittel missbraucht werden

Unmoralisch werden Zensuren, wenn mit ihnen auf SchülerInnen Disziplinierungsdruck ausgeübt wird. Es widerspricht unserer Meinung nach pädagogischen Grundwerten und auch allen diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen, mit Noten SchülerInnen Angst zu machen. Eine nicht am Kind orientierte Unterrichtsmethode wird aber oft durch besonderen Notendruck begleitet, der als besondere »Leistungsbezogenheit« getarnt wird. Dass auf diese Weise SchülerInnen durch Zensuren gefügig gemacht werden, widerspricht dem gesetzlichen Auftrag der Erziehung zur Mündigkeit.

  • Noten sind nicht objektiv

Zu den vielen pädagogischen Nachteilen kommt hinzu, dass Noten einfach nicht objektiv sein können. Dies wird immer wieder durch Untersuchungen bestätigt: Noten fallen für gleiche Leistungen in allen Unterrichtsfächern bei verschiedenen LehrerInnen, in verschiedenen Klassen, an verschiedenen Orten unterschiedlich aus. Sie werden von so vielen leistungsfremden Faktoren beeinflusst (Klassenniveau, Schulstandort, Schriftbild, soziale Herkunft, Geschlecht, Sympathie, Anfangsbuchstabe des Familiennamens, ...), dass letztendlich in Frage gestellt werden muss, ob Noten überhaupt das messen, was sie zu messen vorgeben. Vor allem sind es die unterschiedlichen LehrerInneneinstellungen zur Beurteilung, zu den SchülerInnen und zum Fach, welche die Notengebung beeinflussen. Noten täuschen also nur vor, dass sie objektiv, reliabel und valide sind.

  • Ziffernnoten vergiften das pädagogische Klima

Manche SchülerInnen lernen nur wegen der Noten. Es geht ihnen nicht darum, etwas wirklich zu können, sondern nur darum, eine gute Note zu erhalten, und sei es durch Schwindeln. Der Zwang, die SchülerInnen ständig zu beurteilen, stört die Beziehung der LehrerInnen zu den SchülerInnen. Nicht wenige LehrerInnen werden dazu verführt, beim Auftreten von Lernschwierigkeiten nicht ihren Unterricht zu verbessern, sondern einfach den Notendruck auf die SchülerInnen zu erhöhen. Entmutigung, Schulangst, Stress und psychosomatische Erkrankungen sind dann die Folgen. Außerdem vergiften die Noten häufig auch das Klima zwischen Elternhaus und Schule. In manchen Fällen werden sogar die Gerichte damit befasst.

  • Die Normalverteilung ist ungerecht

Eine Vielzahl von Kindern wird besonders dann fortlaufend enttäuscht, wenn LehrerInnen meinen, sie müssten sich an die sogenannte Normalverteilung (GAUß'sche Glockenkurve) halten. Nach dieser muss es sehr wenige »Nicht genügend« und »Sehr gut«, wenige »Genügend« und »Gut« und viele »Befriedigend« geben. Obwohl es in den Schulgesetzen keinen Anhaltspunkt für dieses Vorgehen gibt, wird mancherorts so getan, als handele es sich dabei um ein korrektes Verfahren. In Wirklichkeit entsteht auf diese Weise das unmenschliche »Gesetz«: Es muss Schlechte geben! Den schwächeren, sozial weniger angepassten SchülerInnen wird somit jede Hoffnung auf Erfolg genommen. Sie können sich noch so anstrengen, sie werden immer letzte bleiben!

Unser Schluss daraus:

NOTEN

NOTE..

NOT....

NO......

.....die Chance liegt im

ENTWICKLUNGSBERICHT

Die von uns intendierten Lernformen zielen darauf ab,

  • selbständiges Denken zu entwickeln,

  • persönliche Interessen zu entfalten,

  • die eigene Lebenswirklichkeit zu erschließen,

  • einen verantwortungsvollen Umgang miteinander zu fördern.

Um dies zu erreichen, gehen wir vom Konzept der Allgemeinen Pädagogik Georg FEUSER`s (1995) aus, wie wir sie in unseren Integrationsklassen verwirklichen. Integrativer Unterricht will selbstverständlich auch die schulische Leistung fördern und fordern. Die Lernziele müssen aber auf die Fähigkeiten der SchülerInnen abgestimmt und unterschiedliche Lernvoraussetzungen und Lernbedingungen müssen als wesentliche Faktoren der Schulleistung mitberücksichtigt werden. Gerechtigkeit heißt nämlich nicht »objektive Gleichbehandlung« sondern Berücksichtigung der »subjektiven Unterschiedlichkeit«. Nur wenn die individuelle Norm als Bezugspunkt der Leistungsbeurteilung Gültigkeit erlangt, und nicht irgend ein ominöser Durchschnitt den Wert der Leistung und damit der SchülerInnen bestimmt, können alle und somit auch die SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zufriedenstellende Leistungen gemeinsam erbringen und sich optimal entwickeln. Als für uns optimale alternative Form hat sich der ENTWICKLUNGSBERICHT herausgestellt, den wir als eine Mischung aus Pensenbuch (= eine mehr oder weniger detaillierte Auflistung von Lernzielen; siehe auch FEYERER 1991) und Portfolio (= Dokumentation des Leistungsvermögen anhand ausgewählter SchülerInnenarbeiten; siehe auch VIERLINGER 1999) als Rückmeldung über den erreichten Entwicklungsstand - basierend auf den erbrachten Leistungen - entwickelt haben und dessen Einsatz wir im Folgenden beschreiben wollen.

Wenn Sie sich mit weiteren Alternativen Formen der Leistungsbeurteilung auseinandersetzen wollen, finden Sie im folgenden Kasten empfehlenswerte Literatur:

ARNOLD, Karl-Heinz / JÜRGENS, Eiko: Schülerbeurteilung ohne Zensuren : Studientexte für das Lehramt. Band 8. Berlin : Luchterhand, 2001

BECKER, Georg: Unterricht auswerten und beurteilen : Handlungsorientierte Didaktik. Teil III. Weinheim, Basel : Beltz, 1998

BRUNNER, Ilse/SCHMIDINGER, Elfriede: Gerecht beurteilen : Portfolio: die Alternative für die Grundschulpraxis. Linz : Veritas, 2000

BRUNNER, Ilse/SCHMIDINGER, Elfriede: Leistungsbeurteilung in der Praxis. Linz : Veritas, 2001

HOFF, K.: Eine andere Form der Leistungsbeurteilung : Das Grüne Blatt. In: Fragen und Versuche. Zeitung der Pädagogik-Kooperative 81 (1997)

SERTL, Michael/FALKINGER, Barbara/HAJEK, Anton (Hrsg.): NOTEN - nicht zu umgehen? : Alternative Formen der Leistungsbeurteilung auf dem Prüfstand. Schulheft Band 98. Wien : Jugend & Volk, 2000

VIERLINGER, Rupert: Leistung spricht für sich selbst : Direkte Leistungsvorlage (Portfolios) statt Ziffernbeurteilung und Notenfetischismus. Heinsberg : Dieck Verlag, 1999

Die Arbeit mit dem ENTWICKLUNGSBERICHT konkret

Die Arbeit in jeder Art von Klassen verlangt - durch eine integrative, also eine das Kind in den Mittelpunkt stellende Pädagogik begründet - eine nicht selektive sowie nicht segregierende Form der »Beurteilung«. Genauer gesagt geht es nicht um das Beurteilen, sondern um die Beschreibung eines erreichten Entwicklungsstandes und das Darlegen erbrachter Leistungen und der jeweiligen Lernbedingungen. In der Folge legen wir das Konzept der Beurteilung mit dem ENTWICKLUNGSBERICHT dar, das als unser Vorschlag für die Abkehr von den Ziffernnoten gelten kann.

Integrationsklassen geben allen Kindern die Möglichkeit, sich ohne Hetze und Notendruck individuell entfalten und in ihren Lernleistungen ungehindert fortschreiten zu können. Offene Unterrichtsformen erlauben den SchülerInnen, sich verstärkt ihren Interessen und Neigungen zu widmen und nach ihrem individuellen Rhythmus zu lernen. Lernziele werden so ausgewählt, dass sie den aktuellen Lernmöglichkeiten der SchülerInnen entsprechen und so jedes Kind erfolgreich lernen kann.

Die Verwirklichung eines solchen schülerInnenbezogenen Unterrichts erfordert eine neue Form der Leistungsbeurteilung, welche einerseits eine differenzierte Beschreibung der Lernausgangslage und des Lernfortschritts eines jeden Schülers, einer jeden Schülerin ermöglicht und andererseits auf jegliche Kategorisierung und Typologisierung verzichtet.

Mit der Vorstellung der einzelnen Teile eines ENTWICKLUNGSBERICHTES möchten wir gleichzeitig Erläuterungen zu den jeweiligen Bereichen abgeben, um damit zu zeigen, wie diese Form in der Schule angewandt werden kann.

Grundlegende Einführung

Jeder ENTWICKLUNGSBERICHT enthält eine Einleitung, die sich an die LeserInnen des Berichtes richtet, welche die Informationen und Erläuterungen des LehrerInnenteams an den Elternabenden und Klassenforen nicht gehört haben. Dies ist deshalb von großer Bedeutung, weil die ergänzenden Erklärungen zu mehr Verständnis und zu einer sinnvollen Verwendung des Berichtes führen sollen.

Schon alleine die Tatsache, dass die von uns gewählten Kategorien der Rückmeldung unterschiedlich aufgefasst werden können, macht es notwendig, mit erläuternden Erklärungen unsere Sichtweise darzulegen. Daher heißt es in der Einleitung :[43]

»Jeder Lernschritt kann unter den Gesichtspunkten

- hat kennengelernt

- hat geübt

- beherrscht

bewertet werden. Bei manchen Lernschritten passen diese Kategorien nicht so richtig. Wir empfehlen daher, an Stelle der Kategorien ›kennengelernt / geübt / beherrscht‹ auch folgende Vorschläge zu ergänzen:

hat kennengelernt: kann ansatzweise, zeigt selten, benötigt meist Hilfen

hat geübt: zeigt häufig, braucht manchmal Hilfen

beherrscht: kann sicher, zeigt in den meisten Fällen, kann Gelerntes auch auf andere Situationen übertragen«

Entscheidend hier ist, dass die LeserInnen begreifen, dass es sich bei den drei Kategorien nicht um eine auf drei Werte abgespeckte, versteckte Notenskala handelt, sondern um eine lerntheoretisch begründete Abfolge: Jede neue Fertigkeit, jeder neue Wissensinhalt muss zuerst einmal kennen gelernt werden, wird dann unterschiedlich oft geübt bis er sicher Selbstverständlich beinhaltet dies auch, dass ein über längere Zeit nicht mehr angewandtes Wissen wieder verschwinden kann. wird.

Abbildung 44: Beispiel für das Ausfüllen des ENTWICKLUNGSBERICHTS

Diese Abbildung können sie unter folgender Url herunterladen:

http://bidok.uibk.ac.at/download/feyerer-unterricht-leibeserziehung.pdf

Der ENTWICKLUNGSBERICHT wird folgendermaßen ausgefüllt:

Kein Häkchen: Thema war noch nicht Unterrichtsinhalt

grünes Häkchen: 1. Semester

rotes Häkchen: 2. Semester

Sollte es notwendig sein, dass bei einzelnen SchülerInnen ein oder mehrere Lernziele genauer beschrieben werden müssen, so kann hinter dem jeweiligem Lernziel ein *) angebracht werden, welches dann auf der gegenüberliegenden Leerseite näher erklärt wird. Es können aber auch zusätzlich Blätter mit detaillierteren Lernschritten eingefügt werden. In manchen Gegenständen ist auch Platz für die Angabe konkreter Ergebnisse vorgesehen. Prinzipiell wird der Lernbericht für jede/n Schüler/in während der vier Klassen als offene Mappe geführt, die jederzeit ergänzt werden kann.

Da wir versuchen, die Arbeiten der SchülerInnen selbst sprechen zu lassen, werden diese Lernziellisten mit »direkten Leistungsvorlagen« (Portfolio) ergänzt. Die SchülerInnen sammeln dazu Arbeiten nach folgenden Gesichtspunkten: Am Ende der Sekundarstufe 1 wird dann von den SchülerInnen selbst ein Umschlag gestaltet und alle Unterlagen (die von den LehrerInnen ausgefüllten Lernziellisten und die von den SchülerInnen selbst ausgewählten direkten Leistungsvorlagen) werden zu einem »Buch« gebunden.

Abbildung 45: Gebundener ENTWICKLUNGSBERICHT

Alle Bereiche des ENTWICKLUNGSBERICHTES sind nach dem Lehrplan der jeweiligen Schulstufe und Schulart aufgebaut, nach der das jeweilige Kind unterrichtet wird. Der Lernstoff ist in Lernschritte zerlegt, wodurch der momentane Entwicklungsstand des Schülers/der Schülerin und die nächsten Lernziele leicht festgestellt werden können. Somit ist der ENTWICKLUNGSBERICHT auch ein geeignetes Instrument zum Erstellen von Förderdiagnosen und -plänen.

Hier möchten wir eindringlich darauf hinweisen, dass der ENTWICKLUNGSBERICHT alle Lehrplanziele enthält. Die Lehrpläne in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind aber Rahmenlehrpläne, d.h., die LehrerInnen haben aus dem Lehrplan jene Unterrichtsinhalte auszuwählen, die den Lernbedingungen der SchülerInnen entsprechen, sodass es zu keiner Überlastung bzw. Überforderung der SchülerInnen kommt. LehrerInnen und Eltern dürfen sich und die SchülerInnen daher auf keinen Fall dem Druck aussetzen, dass am Ende des Schuljahres alle Ziele »beherrscht« werden müssen. Auch darf kein Vergleich der ENTWICKLUNGSBERICHTE verschiedener SchülerInnen unter dem Motto »Wer hat die meisten Häkchen?« stattfinden. Dies wäre eindeutig ein Missbrauch des ENTWICKLUNGSBERICHTES und ein Widerspruch zu den Zielen einer individuellen und schülerbezogenen Förderung und Beurteilung!

Arbeits- und Sozialverhalten

Am Beginn steht der Beobachtungsbogen »Arbeits- und Sozialverhalten«, welcher in halbjährlichem Rhythmus Aufschluss über das Arbeits- und Sozialverhalten des Schülers/der Schülerin gibt. Dieser Bereich erfüllt sowohl die Funktion der Beschreibung eines erreichten Zieles als auch der Rückmeldung über ein in dem jeweiligen Zeitraum gezeigtes Verhalten. Die folgenden Abbildungen geben zwei Beispiele von in der OFFENEN KLASSE der Hauptschule Oberneukirchen verwendeten Listen wieder.

Abbildung 46: Arbeits- und Sozialverhalten, Beispiel 1

Diese Abbildung können sie unter folgender Url herunterladen:

http://bidok.uibk.ac.at/download/feyerer-unterricht-arbeits-sozialverhalten.pdf

Abbildung 47: Arbeits- und Sozialverhalten, Beispiel 2

Unterrichtsfächer

Religion

Hier reichen die Ausprägungsformen des Berichtes von einer Auflistung der Unterrichtsinhalte, kurzen persönlichen Rückmeldungen an das Kind bis hin zu ausführlichen verbalen Beschreibungsformen. Die Art der Gestaltung dieser Seite entscheidet das Team der ReligionslehrerInnen.

Deutsch, Mathematik, Englisch

Für jedes Fach gibt es eine Lernzielliste, die aus den Anforderungen des Lehrplans der jeweiligen Schulstufe und Lehrplaneinstufung heraus entwickelt wurde und nach dem oben beschriebenen Muster ausgefüllt wird.

Zur Veranschaulichungen finden Sie im folgenden einige Beispiele aus Englisch und Deutsch. Der CD-Rom können Sie alle Lernziellisten für die Fächer Mathematik, Deutsch, Englisch der Schulstufen 5-8 sowohl nach dem Hauptschullehrplan als auch nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule zur eigenen Verwendung entnehmen. Auch die sehr detaillierten Lernziele aus dem PENSENBUCH für Grundschulintegrationsklassen (FEYERER 1991), die bei manchen SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Fortsetzung der Arbeit in der Grundschule eingesetzt wurden, sind als Textfile dort vorhanden.

Abbildung 48: Lernzielliste für Englisch, Lehrplan der Hauptschule, 6. Schulstufe

Abbildung 49: Lernzielliste für Englisch, Lernziele für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, 6. Schulstufe

Abbildung 50: Lernzielliste für Deutsch, Lehrplan der Hauptschule, 6. Schulstufe

Zum Bereich »Texte und Textverständnis « hatten die SchülerInnen eigene Listen anhand derer sie dokumentieren konnten, was sie schon gelernt haben. Nachfolgend ein Beispiel zum Schreiben von Texten:

Abbildung 51: Schreiben von Texten, ENTWICKLUNGSBERICHT für die 6. Schulstufe

Verpflichtende Texte im Sommersemester 2000

   

Erlebnisbericht

 

Vorgetragen in der Autorenkonferenz, am

Bericht

 

Vorgetragen in der Autorenkonferenz, am

Bildgeschichte

 

Vorgetragen in der Autorenkonferenz, am

Beschreibung

 

Vorgetragen in der Autorenkonferenz, am

andere vorgetragene Geschichten

   

am:

Titel:

Meinungen dazu:

am:

Titel:

Meinungen dazu:

Projekt

In diesem Teil werden die im Unterricht bearbeiteten Themen kurz vorgestellt. Es erfolgt keine nähere Beschreibung, weil die Ergebnisse der Projekte ohnehin in vielfältiger Form dokumentiert sind (Klassenzeitung, Bericht über Ausstellung, Video einer Aufführung, ...).

Neben der Auflistung der Themen erfolgt aber auch eine Rückmeldung zum Arbeitsverhalten im Projektunterricht, die im Sinne der Förderung der Selbsteinschätzung gemeinsam mit den SchülerInnen ausgefüllt wird.

Dazu ein Beispiel, wie der ENTWICKLUNGSBERICHT aussehen und gestaltet werden könnte:

PROJEKTE

Die Schülerin/der Schüler hat im Rahmen des Projektunterrichts an umseitig aufgelisteten Projekten teilgenommen.

Sie/Er hat in Form von Wiederholungen, Referaten, Wandzeitungen, Ausstellungen, Klassenzeitungen, Darbietungen, Rätseln, ... ihre/seine Ergebnisse präsentiert.

Abbildung 52: Rückmeldung zum Arbeitsverhalten im Projektunterricht

 

selten

wechselnd

häufig

zeigt Sachinteresse

     

beteiligt sich an Gesprächen und Diskussionen

     

bearbeitet Aufgaben sachgerecht

     

kann Arbeitsergebnisse wiedergeben und darstellen

     

kommt mit den vorgegebenen zeitlichen Rahmenbedingungen zurecht

     

Ein weiteres Blatt listet dann die von der ganzen Klasse durchgeführten Projekte mit den wesentlichen Schwerpunkten sowie die Basislehrplanziele in den Realienfächern auf. Eventuell haben die Kinder eigenständig an einem individuellen Thema gearbeitet und das dann der Klasse vorgestellt. In diesem Fall wird diese Arbeit selbstverständlich auch angeführt (z.B.: Individuelle Projektarbeit: Österreich nach 1945).

Im Folgenden finden Sie zwei Beispielseiten aus dem Entwicklungsbericht der 6. Schulstufe:

Abbildung 53: Projektthemen aus dem Entwicklungsbericht der Offenen Klasse, 6. Schulstufe, Blatt 1

PROJEKTE

1. Semester

1.) Themenfindung:

Überblick über den Lernstoff der 2. Klasse - Themenauswahl und Projektvorschläge

2) Elektrischer Strom:

Beispiel für das Erarbeiten und die Durchführung einer Fachbereichsarbeit (Materialauswahl, Themenstrukturierung, Durchführung der Arbeit)

3) Wahlen als Form der Mitbestimmung:

Nationalrat, Landtag- und Gemeindesratswahlen, Direktwahl des Bürgermeisters, Ziele und Inhalte im Wahlkampf, politische Parteien in Österreich

4) Antike Hochkulturen:

Ägypter, Griechen und Römer (Erarbeitung von Theaterstücken, Interviews, Vorträgen,... )

5) Schwimmen - Fliegen:

Auftrieb, Luft und Wasserfahrzeuge,... Schülerexperimente, um die eigenen Fragen zum Thema zu erarbeiten und zu beantworten

6) Erweiterung des topografischen Grundwissens:

Gradnetz, Zeitzonen, Orientierung auf dem gesamten Globus, Arbeit mit Plänen

7) Gestaltung der Weihnachtsfeier:

Lieder, Gedichte, Geschichten, Vorbereitung von Theaterstück und Lesung, ... Weihnachten in aller Welt

8) "ARM -REICH":

wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme der 3.Welt, Überbevölkerung, Leben in Großstädten, Situation der Kinder in der 3. Welt

9) "Gesund - Ungesund":

Gesunde Ernährung, Gesundheitsschädigung durch Alkohol und Nikotin, Führen eines Ernährungstagebuches zur Analyse der Essgewohnheiten

10) Müll

Altstoffe, Recycling, aus Altpapier durch Papierschöpfen neue Produkte herstellen, Fotoalbum

Abbildung 54: Projektthemen aus dem ENTWICKLUNGSBERICHT der Offenen Klasse, 6. Schulstufe, Blatt 2.

Diese Abbildung können sie unter folgender Url herunterladen:

http://bidok.uibk.ac.at/download/feyerer-unterricht-projekt.pdf

Im Folgenden noch ein Beispiel, bei dem versucht wird, für die Hand der SchülerInnen eine Übersicht über jene Themenbereiche aus den Realienfächern zu schaffen, die noch behandelt werden müssen. Die grau unterlegten Arbeitsfelder werden in Arbeitsbereiche aufgegliedert und von den SchülerInnen in Gruppen erarbeitet. Die SchülerInnen präsentieren dann ihre Arbeitsergebnisse den MitschülerInnen. Die Präsentation wird nach den anführten Kriterien (siehe rechte Spalte) sowohl von den SchülerInnen als auch von den LehrerInnen bewertet. Ist ein Themenbereich abgeschlossen, wird das Feld von den SchülerInnen ausgemalt.

Dieses Rückmeldeblatt ist Teil der alternativen Form der Beurteilung, sowohl als Grundlage für das Elterngespräch als auch als Teil des Entwicklungsberichts.

Abbildung 55: Lernziele im Bereich der Realienfächer, ENTWICKLUNGSBERICHT, 5. Schulstufe

Diese Abbildung können sie unter folgender Url herunterladen:

http://bidok.uibk.ac.at/download/feyerer-unterricht.lernziele.pdf

Bildnerische Erziehung, Werkerziehung, Leibesübungen und Musikerziehung

Für die Fächer Musikerziehung, Bildnerische Erziehung, Werkerziehung, Leibeserziehung werden Zielsetzungen und durchgeführte Vorhaben angegeben. In diesen Fächern sollen, dem Prinzip einer direkten Leistungsvorlage folgend, verstärkt die konkret erbrachten Leistungen in Form von Zeichnungen, Werkstücken, persönlichen Leistungen in Leichtathletik, etc. angeführt werden. Dies deshalb, weil sich in den konkreten SchülerInnenarbeiten die Verwirklichung von Zielsetzungen am besten zeigt, oder anders gesagt, die Arbeiten der Kinder für sich selbst sprechen.[44]

Auch dazu wieder ein Beispiel aus der 6. Schulstufe:

Abbildung 56: Dokumentation des Bereiches Werkerziehung, ENTWICKLUNGSBERICHT, 5. Schulstufe

TECHNISCHES UND TEXTILES WERKEN (1.Semester)

TEXTILES WERKEN:

1.) Stricken:

Werkstück:

Socken oder Sparstrumpf

Röhre (Zugmuster), Fersenband und -kappe, Zwickelabnehmen, Bandspitze

Werkstück:

Strickpüppchen

Anfertigen verschiedener Puppen (Schneemann, Oma, Opa,..)

2.) Schnittzeichnen:

Schnitt für Kochschürze im Maßstab und Tuch im Maßstab 1 : 4

und im Maßstab 1 : 1 nach eigenen Maßen

Zuschneideprobe im Maßstab 1 : 4

TECHNISCHES WERKEN:

1.) Tonarbeiten in Plattentechnik:

Relief (Namen, Symbole)

Gefäß (würfelförmig)

2.) Automodell:

Achsschenkellenkung

Elektroantrieb mit Getriebeblock

Stromkreis mit Schalter

individueller Karosserieaufbau

3.) Fachwerkbau:

Stabdreieck als Bauprinzip (Baukastensystem)

Funktionen des ENTWICKLUNGSBERICHTS

Der ENTWICKLUNGSBERICHT erfüllt im wesentlichen drei Funktionen:

  • Berichtsfunktion

  • Planungsfunktion

  • diagnostische Hilfsfunktion

Berichtsfunktion:

Sowohl die Eltern als auch die SchülerInnen sehen gemäß unserer Erfahrungen im ENTWICKLUNGSBERICHT ein geeignetes Instrumentarium, die erreichten Ziele sowie die noch ausstehenden Lernvorhaben zu beschreiben.

Es sei hier der Vollständigkeit halber aber auch erwähnt, dass es immer wieder Kinder und Eltern gibt, die lieber Noten haben würde. Die Gründe für diesen Wunsch sind vielfältig, gibt es doch zahlreich gesellschaftliche Faktoren, die Noten attraktiver erscheinen lassen (Opas Geldschein beim »Sehr Gut«, das versprochene Fahrrad beim »Guten Erfolg«, etc.). Die Zwiespältigkeit der Eltern drückt sich zum Beispiel auch darin aus, dass sie sagen, sie sehen jetzt leider nicht mehr mit einem Blick ob ihr Kind »gut« oder »schlecht« ist um dann gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihnen so viel lieber ist, sehen sie doch jetzt genauer, wo ihr Kind steht, was die nächsten Ziele sind und wo sie dem Kind eventuell helfen können.

Als LehrerInnen im Team führen wir ständig Aufzeichnungen über den erreichten Entwicklungsstand des Kindes. Rückmeldungen bei Klassenarbeiten beinhalten neben einer Beschreibung des Erreichten sowie einer Erklärung gemachter Fehler auch einen Hinweis auf individuelle Lernziele, die sich aus der vorgelegten Arbeit ableiten lassen. Ist ein Lernkapitel einmal abgeschlossen, werden die erreichten Lernziele im ENTWICKLUNGSBERICHT eingetragen. Zu Semester und Schulschluss fallen einige zusätzliche Arbeitsstunden an, um den ENTWICKLUNGSBERICHT vollständig auszufüllen. Dazu ein Zitat einer Lehrerin des Teams: »Mit dem Entwicklungsbericht fällt das Grübeln um eine gerechte Note endlich weg. Dafür bin ich gerne bereit, diese Arbeit zu machen. Noch dazu weil ich weiß, dass sie zielführender, gerechter und einfach menschlicher ist.«

Planungsfunktion:

Der ENTWICKLUNGSBERICHT ist kein starres Formular, das von jeder Schule gleich ausgefüllt werden kann. Die in Oberösterreich mit dem ENTWICKLUNGSBERICHT arbeitenden Hauptschulen gestalten jeweils ihren eigenen ENTWICKLUNGSBERICHT. Ausgehend von einer Rohfassung, die im Rahmen des Schulversuches entwickelt wurde und auch auf der CD-Rom zu finden ist, passen die einzelnen Klassen dann mittels EDV den ENTWICKLUNGSBERICHT mit relativ wenig Arbeitsaufwand an ihre spezielle Situation an. Dieses Anpassen ist aber gleichzeitig auch die Grobplanung des Unterrichts, weil spezifische Situationen der Klasse (Lernvoraussetzungen, Erfahrungshintergrund, etc.) dabei berücksichtig werden. Wird der ENTWICKLUNGSBERICHT zu Beginn des Schuljahres erstellt, dient er als Unterstützung der Jahresplanung.

Diagnostische Hilfsfunktion:

Mit dem ENTWICKLUNGSBERICHT lassen sich Schwierigkeiten in einzelnen Bereichen aber auch Möglichkeiten zur weiteren Differenzierung für begabte Kinder leichter erkennen. Der ENTWICKLUNGSBERICHT kann keine umfassende Förderdiagnose ersetzen, er kann aber sicher den Blick auf Schwierigkeiten oder Begabungen lenken, damit jedem Kind in der unterrichtlichen Arbeit geeignete Angebote gemacht werden können und sich somit ein gemeinsames Lernen am gemeinsamen Gegenstand ermöglichen kann.

Der momentan in Oberösterreichs Hauptschulen eingesetzte ENTWICKLUNGSBERICHT ersetzt noch nicht das Zeugnis und hat damit keine Berechtigungsfunktion. Gemäß des Erlasses des Landesschulrates für Oberösterreich zur Umsetzung der Integration wird diese erfüllt, indem allen SchülerInnen in jedem Schuljahr zusätzlich eine Schulnachricht zu Semester bzw. ein Zeugnis zu Schulschluss ausgestellt wird. Diese Zeugnisformulare enthalten von der fünften bis zur siebenten Schulstufe keine Noten, sondern geben vor allem die formell wichtigen Aspekte wie die Schulstufe, Unterrichtsfächer, Lehrplanvermerke, Aufstiegsklausel usw. wieder. Neben einer sehr persönlichen Rückmeldung an den/die Schüler/in beinhaltet dieses Zeugnis auch einen Verweis auf den Entwicklungsbericht, der in gebundener Form vorhanden ist und so jeder/m Interessierten leicht vorgelegt werden kann.[45]

Abbildung 57: Beispiel eines Zeugnisformulars zum ENTWICKLUNGSBERICHT

Diese Abbildung können sie unter folgender Url herunterladen:

http://bidok.uibk.ac.at/download/feyerer-unterricht.zeugnis.pdf

Bei Abschluss der Sekundarstufe 1 auf der 8. Schulstufe sowie beim vorzeitigem Ausscheiden aus der Integrationsklasse (z.B. bei Wohnortwechsel) müssen gemäß den Bestimmungen der oberösterreichischen Schulbehörde jedoch Noten gegeben werden, um den Übertritt der in andere Schulen nicht zu erschweren.

Um den SchülerInnen zu dokumentieren, dass wir in der 8. Schulstufe unsere Überzeugungen nicht über Bord werfen und Ziffernnoten nach wie vor als untaugliches Mittel zur Beurteilung sehen, haben wir mit ihnen zu Beginn der 4. Klasse diese Problematik bearbeitet. Wir haben ihnen gezeigt, dass unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe (Wie viele Punkte bekomme ich für diese Aufgabe?) zu unterschiedlichen Noten führen, dass vieles von unserer subjektiven Einschätzung abhängig ist und wir letztlich - trotz des redlichen Bemühens um hohe Transparenz - Noten nicht wirklich »gerecht« vergeben können. Weiter haben wir die zu Beginn der 4. Klasse notwendige Einstufung in Leistungsgruppen in einem Beratungsgespräch (momentaner Leistungsstand, Ziele und Wünsche) zuerst einmal der Selbsteinschätzung der SchülerInnen überlassen.

Zur Erhöhung der Transparenz teilten wir für die Unterrichtsgegenstände Deutsch, Englisch, Mathematik einen Anforderungskatalog an Eltern und Schüler aus (siehe dazu die beiden nächsten Abbildungen).

Abbildung 58: Eltern- und SchülerInneninformation zur Einführung der Noten auf der 8. Schulstufe

Liebe SchülerInnen und Eltern!

Die vorliegenden Zusammenstellungen von Leistungskriterien stellen einen Versuch dar, die Leistungsbeurteilungen in den Zeugnissen transparenter (objektiver) und für die Schüler herausfordernder erscheinen zu lassen.

Da Leistungsbeurteilungen für Schüler einen »hohen Anreizwert« besitzen, möchten wir diesen zur Förderung ihrer Lernmotivation nützen.

Der Lehrstoff des jeweiligen Unterrichtsfaches wird in Abschnitte unterteilt. Jeder dieser Abschnitte beinhaltet die im Lehrplan geforderten Grund- und Zusatzlernziele. Die Grundlernziele müssen von allen SchülerInnen bearbeitet werden.

Zur Bewältigung dieser Lernanforderungen werden vom jeweiligen LehrerInnenteam verschiedene Lehr- und Unterrichtsformen angeboten, deren Schwerpunkte in den Bereichen individualisierendes Lernen und Erreichen hoher Selbständigkeit liegen.

Zu diesem Zweck haben wir die jeweils dafür zu erbringenden Leistungen möglichst exakt beschrieben.

Folgende Fähigkeiten sollen damit unserer Ansicht nach bei Ihrem Kind gefördert werden:

  • Es soll sich realistische, aber anspruchsvolle Ziele setzen können.

  • Es soll seine eigenen Stärken und Schwächen abschätzen können.

  • Es soll sich beim »Erreichen-Wollen« gesteckter Ziele überwinden können.

  • Es soll Selbstvertrauen in die Wirkung eigenen Handelns gewinnen.

  • Es soll Rückmeldungen einholen, ob es seine Ziele auch erreicht hat.

  • Es soll Selbstverantwortung in die eigenen Handlungen und deren Folgen übernehmen können.

  • Es soll bereit und fähig sein, mit seinen Mitschülern zusammenzuarbeiten

Unser Ziel ist es, dass ihr Kind erkennt, dass schulische Leistungen nichts Festgeschriebenes, sondern etwas über Anstrengung Kontrollierbares und über Zeit Veränderbares sind.

Wir bitte Sie, unsere Orientierungshilfen in Deutsch, Mathematik und Englisch durchzulesen und zu unterschreiben

Eurer

LehrerInnenteam

Anforderungen für Noten in Deutsch

 

Unterrichtsstoff

Leistungsgruppe I

Lehrplangleichheit mit der AHS

Leistungsgruppe III

Grundlegende Fertigkeiten

Leistungsgruppe II

Stoff auf das Wesentlichere reduziert

Note 1 und 2:

Vom Lehrer erklärte Inhalte verstehst du rasch und führst die Arbeiten in diesem Sinne aus.

Du schreibst viele Texte und überarbeitest diese. Du beweist Pflichtbewusstsein, indem du vereinbarte Hausaufgaben durchführst, überprüfen lässt und verbesserst. Deine Wochenpläne sind stets korrekt und du gibst dich nicht gleich zufrieden, sondern versuchst stets noch besser zu werden. Du zeigst eine hohe Selbständigkeit. Das bedeutet auch, dass du etwas unternimmst, wenn du nicht weiterweißt.

Du liest Bücher und führst eine Leseliste. Du schreibst zu diesen Büchern eine Nacherzählung oder stellst sie in Kurzreferaten vor. In der Schule untersuchst du lyrische Texte auf Inhalt und Form. Deine schriftlichen und mündlichen Leistungen bei den Schularbeiten[46] sind in allen Bereichen (Aufsatz. Rechtschreibung, Grammatik, sinnerfassendes Lesen, Lesetechnik) gut. Schwächen in Teilbereichen kannst du ausgleichen, indem du dich dort besonders anstrengst.

Note 3:

Deine schriftlichen und mündlichen Leistungen sind durchschnittlich. Vereinzelte nicht erreichte Lernziele bzw. Abschnitte versuchst du in jedem Fall über eine besondere Mitarbeit im darauffolgenden Abschnitt auszugleichen. Außerdem besorgst du dir von uns Arbeitsaufträge zur Verbesserung deiner Mängel. Schwächen kannst du auch ausgleichen. indem du:

  • Deine Hausaufgaben besonders sorgfältig durchführst.

  • Zusatzleistungen erbringst.

  • Im Unterricht, vor allem bei den Wochenplänen, besonders aktiv mitarbeitest.

Note 4:

Du erfüllst die Anforderungen gerade noch. Du arbeitest im Unterricht mit. Schwächen in Teilbereichen kannst du über einen erhöhten Einsatz in Bereichen, die dir leichter fallen, ausgleichen. Du hast zahlreiche Möglichkeiten, dich zu verbessern: aktive Mitarbeit, Zusatzleistungen, regelmäßige Hausaufgaben.

Note 5:

Leistungsgruppe I und II: Falls du die Anforderungen für die Note 4 nicht erreicht hast, musst du in die nächst niedrigere Leistungsgruppe abgestuft werden. Mit entsprechendem Leistungszuwachs kannst du zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufsteigen.

Leistungsgruppe III: Wenn du die Anforderungen für die Note 4 bis zum Schulschluss nicht erreicht hast, darfst du nach den Ferien eine Wiederholungsprüfung ablegen. Du bekommst nach positiv abgelegter Wiederholungsprüfung ein neues Zeugnis.

Alle, die mit dem ENTWICKLUNGSBERICHT arbeiten, sind davon überzeugt, dass dem Übel der Ziffernbeurteilung damit eine sinnvolle Alternative entgegengesetzt wurde, wenn auch der bürokratische Aufwand manchmal schon sehr hoch erscheint. Die Zukunft wird zeigen, ob und in welchem Umfang, alternative Formen der Leistungsbeurteilung in Sekundarstufenschulen Platz greifen werden. Die Chance dafür scheint allerdings eher gering zu sein. Je höher die Schulstufe ist, desto wichtiger scheint für alle Beteiligten die Ziffernnote zu werden.

Da Integrationsklassen eben nicht außerhalb des selektionsorientierten Schulsystems stehen, lässt sich aus unserer Erfahrung berichten, dass - sobald Noten eingeführt waren - die schulische Sozialisation der SchülerInnen sich deutlich bemerkbar machte (viele hatten ja schon vier Jahre Grundschule mit Noten hinter sich). Wir gewannen den Eindruck, dass es ihnen jetzt wichtiger war, nicht mehr für sich, für die Erreichung eines Lernzieles, sondern für Noten zu lernen. Der Druck der Eltern tat das Übrige. Abschließend sei gesagt, dass es schwer für uns war und großer Kraftanstrengung bedurfte, mit dieser Widersprüchlichkeit zu arbeiten, wir aber die positiven Möglichkeiten und Chancen der drei Schuljahre ohne Noten keinesfalls missen möchten.

Leider lässt sich für Österreich sagen, dass sich momentan keine gesetzlichen Perspektive zum Verzicht auf Noten zeigt, im Gegenteil, auch viele Integrationsklassen (wenn sie nicht schon von Beginn an mit Noten arbeiten) führen immer früher die Ziffernbeurteilung ein, weil der Druck, Noten zu geben, auf allen Ebenen der Gesellschaft sehr hoch ist und der Mehraufwand, den eine alternative Form der Leistungsbeurteilung bedingt, kaum gewürdigt wird. In Deutschland und der Schweiz dürfte es ähnlich sein. PISA liegt halt leider nicht in Mitteleuropa!

Zusammenfassung

Unsere Arbeit ist geprägt durch das Bemühen, Kopf, Herz und Hand zu gleichen Teilen zufrieden zu stellen. Heutzutage müssen wir leider feststellen, dass durch überfrachtete Lehrpläne und ständig steigenden gesellschaftlichen Erfolgsdruck die Kopflastigkeit des Bildungsangebotes kontinuierlich zunimmt. So sind es häufig nicht die sich in den Projektergebnisse zeigenden Leistungen, welche die Außenstehenden zufrieden stellen, sondern vielmehr die zum Vergleichen und Herzeigen einfach besser geeigneten Noten.

Ziel einer integrativen Schule ist nicht die Selektion, sondern die gemeinsame Förderung behinderter und nichtbehinderter Kinder. Jedes Kind soll dabei entsprechend seinen Fähigkeiten gefördert werden, selbstverständlich auch die sehr begabten SchülerInnen. Noten und Leistungsgruppen sind dazu nicht notwendig, sehr wohl aber Rückmeldungen über die erbrachten Leistungen.

Schule braucht immer wieder Veränderungen, um verschiedene Anforderungen zu erfüllen, aber besonders, um den Bedürfnissen ihrer SchülerInnen besser zu entsprechen. Offener Unterricht zeigt einen Weg hierfür.

Die Ziele des Offenen Unterrichts zu verfolgen, stellt sich als nicht ganz einfache, aber auch nicht unmögliche Aufgabe dar. Durch eine Gestaltung des Unterrichts mit Phasen der Gemeinsamkeit und Phasen der Individualisierung kann man den sozialen und individuellen Bedürfnissen der SchülerInnen gerecht werden. Dabei gibt es keine Patentrezepte. Aber der feste Wille, den Schülerinnen und Schülern verhandlungsbereit und offen gegenüberzutreten, ist eine durch nichts zu ersetzende Grundvoraussetzung.

Diskussionen um Formen des Offenen Unterrichts werden am heftigsten geführt, wenn es um die Fragen der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung geht. Dabei steht oft allen Reformbewegungen im Unterricht entgegen, dass im Vordergrund die Leistungen stehen, die quantitativ abprüfbar sind oder scheinen. Dagegen steht ein Leistungsbegriff, der als Produkt aus ungezwungenem Lernen, schöpferischer Aktivität, Verantwortlichkeit sowie Selbständigkeit erwächst und der unbedingt einen ausschließlich verbal-kognitiven Leistungsbegriff vervollständigen muss.

Um Leistungen zu bewerten, ist Transparenz wichtig. Die LehrerInnen müssen Bewertungskriterien offen legen und einsehbar machen. Diskussionen und Einwände sind erlaubt. SchülerInnen lernen dabei auch, sich selbst anhand bestimmter Kriterien ein Urteil über die eigene Leistung zu bilden. Um nicht ganz die Forderung nach Objektivität aus den Augen zu verlieren, die ja - wie bei der Kritik an den Noten gezeigt - vielen Einflüssen unterliegt, ist es notwendig, umfangreiche Beobachtungen durchzuführen, Arbeitsergebnisse zu sammeln und die SchülerInnen zu Beurteilungen zu veranlassen.

Geschieht dies, dann könnte man ohne Probleme auf die Ziffernbeurteilung verzichten und den sozialen Bezugsmaßstab durch einen individuellen, an fachlichen Kriterien der Sachnorm orientierten Beurteilungsmaßstab ersetzen.



[42] Die OFFENE KLASSE wird in Kapitel 3 näher beschrieben. Sie war führend bei der Entwicklung alternativer Formen der Leistungsbeurteilung und hat wesentlich dazu beigetragen, dass in Oberösterreich auch in Sekundarstufen-Integrationsklassen für alle SchülerInnen alternative Formen angewandt werden können, wenn zwei Drittel der Eltern dem Vorschlag der LehrerInnen zustimmen.

[43] Die Einleitung des ENTWICKLUNGSBERICHTS finden sie genauso wie alle im Folgenden erwähnten Bestandteile zur eigenen Verwendung als doc/rtf-Datei auf der CD-Rom

[44] Siehe dazu auch unter »Rasterzeugnisse« bei ARNOLD/JüRGENS 2001

[45] Beispiele für gebundene Entwicklungsberichte finden sie auf der CD-Rom

[46] (= Klassenarbeiten)

Auswirkungen integrativen Unterrichts auf die behinderten und nichtbehinderten SchülerInnen

Die Diskussion über Vor- und Nachteile der Integration verkommt zumeist - bei Diskussionen zwischen PädagogInnen und sonstigen Professionellen fast immer - zu einem gegenseitigen Vorhalten dogmatischer Positionen. Wunschdenken und prinzipielle Haltungen bestimmen die Argumente, konkrete Erfahrungen und empirische Befunde werden häufig nur durch die eigene »Brille« gesehen und dementsprechend einseitig interpretiert oder negiert. Manchmal hat man das Gefühl, dass ein »Glaubenskrieg« stattfindet.

Zwei prinzipiell unterschiedliche Lebensformen stehen sich nämlich gegenüber. Eine Mutter drückte dies einmal so aus: Manchen Eltern ist es lieber, dass ihr Kind nur in einem geschützten Therapie-Bad Schritt für Schritt schwimmen lernt und so vor Gefahren geschützt wird. Andere möchten, dass ihr Kind in einem Badesee schwimmen lernt. Das birgt zwar so manches Risiko in sich, aber auch viele Chancen.

Unserer Meinung nach müssen die Eltern prinzipiell die Wahlfreiheit haben, über den ihrer Meinung nach besten Ort und die beste Form der Förderung ihres Kindes zu entscheiden. Die Professionisten müssten einerseits diese Entscheidung akzeptieren, andererseits sich selbst möglichst offen und neutral mit den vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandersetzen.

In diesem Kapitel möchten wir als Grundlage dafür versuchen, die Ergebnisse vieler Studien in bezug auf integrative bzw. segregative Beschulung zusammenfassend darzustellen, selbstverständlich gebrochen durch unsere persönliche »Brille«, aber auf jeden Fall mit dem Bemühen einer sachlichen, wissenschaftlich fundierten Herangehensweise.

Werden die Kinder mit Behinderungen in integrativen Klassen ausreichend gefördert?

Als häufiges Argument gegen die integrative Beschulung ist zu hören, dass behinderte Kinder in den großen Klassenverbänden überfordert seien, dass sie unbedingt den Schonraum der kleinen Sonderschulklasse brauchen würden und in integrativen Settings die notwendige sonderpädagogische Förderung zu kurz komme. Auf eine Kurzformel gebracht, lautet eine weit verbreitete Meinung: »Die bessere soziale Integration gehe auf Kosten einer schlechteren sonderpädagogischen Förderung.«

Wir versuchen, diese Argumente als verständliche Sorge um eine optimale Förderung der Kinder mit Behinderungen zu sehen, denn ebenso wie alle nichtbehinderten Kinder haben selbstverständlich auch die behinderten Kinder das Recht auf die beste schulische Förderung. Gerade wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen (keine sonderpädagogische Beratung und Begleitung, zuwenig Stunden für Teamteaching, keine Differenzierung des Unterrichts durch Individualisierung, keine Fortbildungsangebote) könnte die Förderung ja wirklich zu kurz kommen. Um eine Bewertung der Situation aber von persönlich gefärbten Wahrnehmungen weg zu bringen, haben wir uns die Ergebnisse empirischer Überprüfungen zu dieser Frage angesehen. Was dabei herauskam, können Sie im folgenden Abschnitt lesen.

Die bekannteste deutschsprachige Studie dazu stammt wohl von HAEBERLIN/BLESS/MOSER/KLAGHOFER (1991), die zu dem doch eher überraschenden Ergebnis kommt, dass lernbehinderte Kinder sich in Sonderschulklassen emotional und sozial besser integriert fühlen als in Integrationsklassen, die schulische Förderung in Integrationsklassen, ja selbst in herkömmlichen Klassen ohne jegliche sonderpädagogische Förderung, aber beträchtlich besser ist als in Sonderschulklassen. Ein Ergebnis, das der oben erwähnten Meinung, dass die integrative Betreuung eine bessere soziale Integration bedeute, die aber auf Kosten der schulischen Förderung gehe, diametral entgegen steht. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist allerdings zu bedenken, dass in dieser Studie keine Integrationsklassen nach unserem Verständnis untersucht worden sind, sondern die lernbehinderten SchülerInnen einzeln oder in kleinen Gruppen stundenweise aus dem Unterricht zur heilpädagogischen Förderung geholt wurden. Eine Differenzierung im Unterricht, eine Veränderung der pädagogischen Grundhaltungen im Klassenunterricht fand aber nicht statt. Das Anderssein der lernbehinderten Kinder wurde somit dementsprechend fühl- und sichtbar.

Die Analyse weiterer Studien (KNIEL 1979; CARLBERG/KAVALE 1980; SANDER 1982; MERZ 1982; MADDEN /SLAVIN 1983; WANG/BAKER 1985; TENT/WITT/BÜRGER/ZSCHOCHE-LIEBERUM 1991) zu der Frage, ob behinderte Kinder besser in Integrations- oder in Sonderschulklassen gefördert werden können, erlaubt die Aussage, dass überwiegend eine bessere oder zumindest gleich gute Leistungsentwicklung der behinderten Kinder in Integrationsklassen festgestellt werden kann.

Auch zur Frage der sozialen Integration, des Wohlbefindens und des Selbstkonzepts der behinderten Kinder liegen vielfältige Studien vor (vgl. HAEBERLIN/BLESS/MOSER/KLAGHOFER 1991, 57ff), die ein sehr differenziertes Bild ergeben. BENKMANN/PIERINGER (1991, 103ff) weisen darauf hin, dass die vorliegenden negativen Befunde zur sozialen Akzeptanz und zum Begabungsselbstbild der leistungsschwachen Kinder vor allem darauf zurückzuführen sind, dass die Integration in den untersuchten Klassen auf ein räumliches Beisammensein beschränkt blieb und das pädagogische Setting sich kaum veränderte. DUMKE/SCHÄFER (1993, 100f) kommen zu dem Schluss, » ... dass es auf die Frage nach der sozialen Integration von behinderten Schülern in Regelklassen im Rahmen integrativer Beschulung keine pauschalen Antworten gibt. Unter den gegebenen Umständen des Integrationsklassen-Modells mit dem Zwei-Lehrer-System und der pädagogischen Ausrichtung auf gruppenorientierte und individualisierte Lernsituationen hat sich keine systematische Ausgrenzung der behinderten Schüler aus den Sympathiestrukturen in den Klassen gezeigt. ... Insgesamt belegen die Ergebnisse eine umfangreiche Einbeziehung der behinderten Schüler in die Sympathiestrukturen ihrer Klassen. Behinderung stellt kein primäres oder sekundäres Gruppierungskriterium in einer Regelklasse dar.«

SPECHT (1992, 14f) kommt bei der Befragung der österreichischen SchulversuchslehrerInnen nach dem Erfolg der Förderung der behinderten Kinder zu folgendem Ergebnis:

Abbildung 59: Förderung behinderter Kinder, N = 722 FK = Förder- oder Kleinklasse, KK = Kooperationsklasse (diese beiden Modelle sind kooperative Modelle); IK = Integrationsklasse, SL = Stützlehrerklasse (integrative Modelle, bei denen die behinderten Kinder Teil der Regelklasse sind)

»Integrationslehrer sehen jeweils besonders große, Lehrer an Stützlehrerklassen mittlere Erfolge im Bereich der Förderung. Eher zurückhaltend bis kritisch sind die Einschätzung der Lehrer aus Klein- und Kooperativen Klassen in Bezug auf die selbstwahrgenommenen Fördermöglichkeiten im Rahmen ihres Tätigkeitsfeldes« (SPECHT 1992, 15).

Die Lehrkräfte im Integrationsklassenmodell vergeben also fast dreimal so oft die Kategorien »gut« und »sehr gut« auf die Frage nach den Fördermöglichkeiten der behinderten SchülerInnen als die LehrerInnen in Kooperationsklassen, die ja reine Sonderschulklassen sind. Der Unterschied ist aber auch zu den Kleinklassen und Stützlehrerklassen statistisch signifikant, so dass wieder einmal das Modell der Integrationsklasse mit dem durchgängigen Zwei-LehrerInnen-System und der inneren Differenzierung als das eindeutig beste eingestuft werden muss.

Lernerfolg und Befinden der nichtbehinderten Kinder in Integrationsklassen

»Lernt denn mein Kind auch genug, wenn es gemeinsam mit behinderten SchülerInnen die Hauptschule oder das Gymnasium besucht?« war und ist eine der am häufigsten diskutierten Fragen bei Elternabenden und LehrerInnenfortbildungen zum Thema Integration, wenn es am jeweiligen Ort noch keine Integrationserfahrungen gibt.

Und diese Frage ist sehr gut verständlich, da sich aufgrund des herkömmlichen Bildes von Unterricht wohl kaum jemand vorstellen kann, dass die schwächeren SchülerInnen die besseren nicht in ihrem Lernfortschritt bremsen. Nur wer den Unterricht in Integrationsklassen mit seinen individualisierenden Maßnahmen kennt, die Freude der SchülerInnen beim Lernen, den Eifer ohne Notendruck selbst erlebt hat, kann das durchgängige Ergebnis aller wissenschaftlichen Vergleichsuntersuchungen selbst bestätigen. Für alle anderen Zweifler - und dies im positiven Sinn gemeint - seien die diesbezüglichen Forschungsergebnisse kurz zusammen gefasst:

  • WOCKEN führte den ersten Leistungsvergleich in der Grundstufe I durch. Gemessen wurden Lesefertigkeit, Leseverständnis und Zahlenrechnen, eine Kontrolle der Lernfähigkeit erfolgte allerdings nicht. Mittelwert- und Streuungsvergleiche der Schulleistungstestergebnisse brachten eine Bestätigung der Patthypothese: »Zwischen Integrationsklassen und Regelklassen bestehen keine bedeutsamen Leistungsunterschiede« (WOCKEN 1987, 304).

  • HETZNER (1988): In der Berliner Fläming Grundschule wurden die Leistungen in Rechtschreiben und Mathematik in den Klassen 3 - 6 untersucht. Bei einem Vergleich der erbrachten Leistungen stellte HETZNER fest, dass bei den Mathematikarbeiten der Durchschnitt in allen vier Integrationsklassen höher war als in den Parallelklassen. Bei der Rechtschreibung hatten zwei Integrationsklassen bessere und zwei schlechtere Ergebnisse. Statistische Analysen wurden nicht durchgeführt.

  • UNTERLEITNER (1990) verglich die Schulleistungen mittels österreichischer Schulleistungstests von drei Kalsdorfer Integrationsklassen mit den Leistungen jeweils einer Parallelklasse und stellte eine Überlegenheit der Kinder in den Integrationsklassen fest. So lösten die SchülerInnen der Integrationsklassen signifikant mehr Rechenbeispiele richtig und machten signifikant weniger Rechtschreibfehler. Zusätzlich testete UNTERLEITNER die Konzentrationsleistung, weil von Eltern der IntegrationsklassenschülerInnen befürchtet wurde, dass durch die offenen Arbeitsformen mehr Lärm und Unordnung entstehe, was zu einer geringeren Konzentrationsfähigkeit führe. Diesbezüglich stellte sie fest, dass mit steigender Schulstufe die Fehlerprozente beim Konzentrationstest in den Integrationsklassen signifikant geringer sind als in den Parallelklassen, was auf eine deutlich bessere Entwicklung der Konzentrationsfähigkeit in den untersuchten Integrationsklassen schließen lässt.

  • BLESS/KLAGHOFER (1991) gingen der Frage nach, ob die sehr begabten SchülerInnen von Integrationsklassen (IQ > 115 nach CFT 20) in ihrer Entwicklung leiden würden. Neben der Schulleistung waren die soziale Stellung, das Wohlbefinden und das Fähigkeitsselbstkonzept Gegenstand der Untersuchung. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Daten der SchülerInnen der vierten Schulstufe, die über eineinhalb Jahre in ihrer Entwicklung begleitet wurden. Die Autoren stellten fest, dass auch die sehr begabten SchülerInnen keinerlei Nachteile durch den Besuch einer integrativen Klasse zu befürchten haben, da in keinem der gemessenen Bereiche signifikante Unterschiede festgestellt werden konnten.

  • DUMKE/SCHÄFER (1993) machten Leistungsvergleiche im Bereich der Sekundarstufe 1. Im 5. und 6. Schuljahr wurden standardisierte Tests eingesetzt und keine Unterschiede zwischen Integrations- und Parallelklassen festgestellt. Im 7. Schuljahr entwickelten die wissenschaftlichen Begleiter in Bonn eigene Tests, da dies aber einen zu hohen Zeitaufwand bedeutete, traten in den folgenden Jahren anstelle von Tests LehrerInneneinschätzungen. DUMKE/SCHÄFER interpretieren ihre Befunde als leichte Überlegenheit der Integrationsklassen, da hier einer breiteren Streuung der Begabung gerecht wird und alle SchülerInnen, auch die gutbegabten, eine angemessene Förderung erhalten. Die Aussagekraft dieser Untersuchung erscheint mir allerdings gering, da LehrerInneneinschätzungen als Grundlage für einen Schulleistungsvergleich meiner Meinung nach problematisch sind.

Da es für die 8. Schulstufe also noch keine gesicherte empirische Vergleichsstudie gab, führte ich selbst im Auftrag des Unterrichtsministeriums eine solche durch.[47] An sieben Hauptschulen und zwei Gymnasien aus ganz Österreich wurde allen nichtbehinderten SchülerInnen der 8. Schulstufe drei Fragebögen vorgelegt. Insgesamt kamen die Daten von 651 SchülerInnen - 139 davon aus Integrationsklassen - zur Auswertung. Die ungleiche Zusammensetzung bezüglich der Schulmerkmale (in der Kontrollgruppe besuchten rund ein Drittel ein Gymnasium, in der Versuchsgruppe aber nur ein Viertel) wurde bei der Datenanalyse ebenso berücksichtigt wie die statistisch bedeutsamen Determinanten Intelligenz und Vorwissen.

Neben den Schulleistungen in Mathematik, Deutsch und Englisch wurden weitere Schulqualitätsmerkmale wie Schulzufriedenheit, Schulangst, psychische Belastungen, Selbstkonzept und Selbstwertgefühl, soziale Beziehung zu LehrerInnen und MitschülerInnen, Klassenklima und Individualisierung des Unterrichts untersucht. Die wesentlichsten Ergebnisse - zusammengefasst in sieben Thesen - lauten:

  1. Die Anwesenheit behinderter Kinder hat auf die Schulleistung der nichtbehinderten Kinder weder eine positive noch eine negative Auswirkung.

  2. Die soziale Integration behinderter Kinder geht nicht auf Kosten der gutbegabten und sehr leistungsfähigen SchülerInnen.

  3. Die IntegrationsklassenschülerInnen weisen ein positiveres Leistungsselbstkonzept und ein höheres Selbstwertgefühl auf.

  4. Der konstituierende Aspekt eines gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Kinder, die Individualisierung des Unterrichts, wird in den Integrationsklassen in einem relativ hohen Ausmaß gelebt.

  5. Die schulische Umwelt in Integrationsklassen ist neben einer höheren Individualisierung auch durch ein deutlich günstigeres Klassenklima gekennzeichnet.

  6. Die IntegrationsklassenschülerInnen bewältigen die schulischen Anforderungen leichter und fühlen sich besser in die Klassengemeinschaft integriert.

  7. Die SchülerInnen der Integrationsklassen fühlen sich in der Schule bedeutend wohler als ihre Kollegen in den Parallelklassen.

Einschränkend muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse dieser Studie nur beschränkt übertragbar sind und vor allem für die untersuchten neun Schulversuchsklassen gelten, die unter entsprechend günstigen Rahmenbedingungen arbeiten konnten: durchschnittlich 4,4 behinderte Kinder pro Integrationsklasse, eine KlassenschülerInnenhöchstzahl von maximal 25 und eine ständige Doppelbesetzung im Zwei-LehrerInnen-System.

Zusammenfassung

Die vorhandenen vergleichenden Studien zeigen - jedenfalls im Bereich der Förderung von lernbehinderten Kindern - Vorteile für Integrationsklassen. Bezüglich der integrativen Förderung geistig behinderter Kinder weisen zwar einzelne Studien ebenfalls auf eine positive Wirkung integrativer Förderung hin, mit SPECHT (1997b, 16) ist hier aber zu sagen: »Die Gesamtheit der Wirkungen integrativer im Vergleich zu institutioneller Förderung für Schüler mit unterschiedlichen (und unterschiedlich schweren) Formen geistiger Behinderungen systematisch zu vergleichen, würde jedoch einen Forschungsaufwand erfordern, den hierzulande kaum jemand aufzubringen bereit oder in der Lage wäre.«

Für die nichtbehinderten SchülerInnen ist - auch bei differenzierter Betrachtung unterschiedlicher Begabungsgruppen - eine zumindest gleich gute schulische Förderung in Integrationsklassen feststellbar. Die soziale Integration geht also keinesfalls auf Kosten des Schulerfolges der gut begabten SchülerInnen. Zusätzlich wird von größerer Schulfreude und besserem Wohlbefinden in Integrationsklassen berichtet.

Die Übereinstimmung zwischen Wunsch und Wirklichkeit bezüglich der Leistungsförderung aller SchülerInnen kann also durchaus als empirisch bestätigt gesehen werden. Das Argument der schlechteren Förderung in Integrationsklassen sollte damit eigentlich vom Tisch sein.

Etwas anders verhält es sich bezüglich des sozialen Integriertseins, wie SPECHT feststellt: »Die sozialen Beziehungen unter den Schülern sind an integrativen Klassen nicht besser (allerdings auch nicht schlechter) als in den Regelklassen. ... Darüber hinaus bekennen die Eltern von behinderten Kindern (zwar eher selten aber) häufiger als Eltern nichtbehinderter Schüler, dass ihr Kind in der Klasse schwer Anschluss findet und sich manchmal einsam fühlt. Angesichts der manchmal überhohen Erwartungen an das, was soziale Integration leisten kann, müssen diese Befunde enttäuschend wirken. Tatsächlich wird oft zu wenig gesehen, dass die große Verschiedenheit der Schüler in diesen Klassen eine eher ungünstige Voraussetzung für Intensität und Homogenität der sozialen Beziehungen darstellt. ... Integrationsklassen sind keine heile sozialen Welten. Auch sie sind ein Spiegelbild der sie umgebenden Gesellschaft, wenn auch mit dem Anspruch, ein wenig positiver in diese hineinwirken zu können. Sie schaffen Voraussetzungen dafür, dass Schüler soziale Erfahrungen machen und aus ihnen lernen können, die ihnen sonst weitgehend verwehrt wären« (SPECHT 1997b, 29f).

Für dieses positive Hineinwirken in das pädagogische Geschehen in Integrationsklassen wirken übrigens gerade Kinder mit schweren, auch geistigen Behinderungen, eher bereichernd als behindernd, » ...weil sie noch stärker jenes Postulat einfordern, das die Arbeit mit behinderten und nichtbehinderten Kindern generell kennzeichnen sollte: Jedes Kind ist Mittelpunkt« (SPECHT 1997b, 30).

Auf die Frage, ob den nun integrativer Unterricht auch wirklich eine »bessere« Schule bewirkt, gibt die Empirie folgende Antwort: »Gemeinsamer Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder stellt den systematischen Versuch dar, das einzelne Kind und seine Lern- und Lebensbedürfnisse wieder stärker in den Mittelpunkt von Schule und Unterricht zu stellen. Wo dies gelingt - und wo das echte Bemühen da ist, tut es das in aller Regel - ist das Ergebnis höhere Unterrichtsqualität« (SPECHT 1997b, 28).

Sowohl die konkrete Praxis als auch alle Evaluationsergebnisse zeigen, dass wirksamer integrativer Unterricht auch in der Sekundarstufe 1 nicht in herkömmlicher, lehrerInnenzentrierter Art und Weise erfolgen kann, sondern Prinzipien integrativer Pädagogik wie Innere Differenzierung durch Individualisierung, kooperatives Arbeiten an einem gemeinsamen Gegenstand, projektübergreifendes und fächerübergreifendes Lernen, Wochenplan und Freiarbeit verstärkt eingesetzt werden müssen. Weiters müssen überfachliche Lernziele stärker gewichtet und Elemente sozialen, emotionalen und selbstgesteuerten Lernens in höherem Ausmaß explizit in den Unterricht einbezogen werden.

Das Gelingen des gemeinsamen Unterrichts hängt eben weniger von der Anwesenheit behinderter Kinder ab - auch wenn diese die Notwendigkeit zur Differenzierung und Individualisierung erst so richtig deutlich machen - als vielmehr vom komplexen Zusammenspiel bestimmter Variablen wie Kleingruppenarbeit, Variation der Schwierigkeit von Anforderungen, starke Förderungsorientierung, Mitgestaltungsmöglichkeiten im Rahmen eines offenen und handlungsorientierten Unterrichts, klare und transparente Leistungsanforderungen, individuelle und sachliche Bezugsnormen bei der Leistungsbeurteilung sowie eine vertrauensvolle und auf gegenseitige Achtung und Würde aufbauende LehrerInnen-SchülerInnen-Interaktion (vgl. BENKMANN/PIERINGER 1991, 104ff; HELMKE 1992, 242ff).

Daher kann die Integration behinderter Kinder auch als Motor einer inneren Schulreform an Sekundarstufenschulen bezeichnet werden, wie SPECHT (1997c) im Rahmen einer großen Untersuchung zur Evaluation der Schulautonomie in Österreich zeigen konnte. Bezüglich der Frage, was die Führung von Integrationsklassen für die Schule als Ganzes bedeutet, stellte er fest, » ...dass sich an Schulen mit Integration häufiger als an anderen Veränderungen vollzogen haben, die auf eine aktive, innovations-orientierte Unterrichts- und Schulentwicklungsarbeit hinweisen. Veränderungen der Lehr- und Lernformen in Richtung Ganzheitlichkeit und Schülerorientierung, Aktivierung von Lehrern und Schülern im Entwicklungsprozess der Schule und ausgeprägtere Zusammenarbeit sind die wichtigsten beobachtbaren Effekte an solchen Schulen.

Bestätigt und unterstrichen wird dieser Befund durch Ergebnisse, die im Rahmen der Eltern- und Schülerbefragung derselben Untersuchung erzielt worden sind: Eltern attestieren Schulen mit integrativen Schulversuchen ein signifikant höheres Ausmaß an pädagogischem Bemühen und Engagement. Sie quittieren dies mit überdurchschnittlicher Zufriedenheit mit der Schule. Und auch die Schüler an Integrationsschulen (im Vergleich zu anderen Schulen) nehmen eine deutliche Tendenz zur Veränderung des Unterrichts wahr, wie sie auch in den Angaben der Lehrer zum Ausdruck kommt« (SPECHT 1997b, 26f).

Gelingt der integrative Unterricht, dann bedeutet dies also durchaus eine »bessere« Schule, die alle SchülerInnen lieber zur Schule gehen lässt, weil sie in soziale Gruppenprozesse besser integriert sind und an schulischen Vorgängen durch individuellen Einsatz wie durch solidarisches Handeln verstärkt mitwirken können. Inklusive Schulen berücksichtigen einerseits verstärkt elementare psychische Bedürfnisse wie Geborgenheit, Sicherheit und Wohlbefinden ohne andererseits die intellektuell-kognitiven Lernziele und die individuelle Förderung zu vernachlässigen.

Der gemeinsame Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder ist somit keineswegs nur ein Konzept für behinderte Kinder, sondern bietet auch Antworten auf ungelöste Probleme der allgemeinen Schulen der Sekundarstufe 1. Ob diese pädagogische Innovation auf breiter Basis wirksam wird, hängt einerseits von der finanziellen Absicherung der notwendigen Rahmenbedingungen ab, andererseits aber stark von der Bereitschaft der LehrerInnen, alte und gewohnte Wege zu verlassen und neue, inklusive Wege - die wir in diesem Buch zu beschreiben versuchten - zu beschreiten.



[47] Eine verkürzte, aber doch umfassende Darstellung meiner Studie »Behindern Behinderte? Auswirkungen integrativen Unterrichts auf nichtbehinderte Kinder in der Sekundarstufe I« finden sie im 3. Kapitel meines Buches (Feyerer 1998).

Gedanken zum Abschluss

Nichts ist schwerer

und nichts erfordert

mehr Charakter,

als sich

in offenem Gegensatz

zu seiner Zeit

zu befinden

und laut zu sagen: NEIN !

(Kurt TUCHOLSKY)

Mit schulischer Integration sind für uns all jene Maßnahmen innerhalb des Schulsystems gemeint, die das Ziel haben, eine gemeinsame Schule für alle Kinder zu verwirklichen. Aufgrund der Selektionsorientierung des Schulsystems bedeutet dies einerseits, spezielle Maßnahmen innerhalb der Regelschule zu setzen, um eine Aussonderung behinderter Kinder in die Sonderschule bei Aufrechterhaltung spezifischer Fördermaßnahmen zu verhindern. Andererseits geht es darum, eine Schule zu schaffen, in der alle Kinder, also auch die nichtbehinderten, entsprechend ihren Fähigkeiten, Bedürfnissen und Interessen individualisiert gefördert und gefordert werden. Beim gemeinsamen Lernen, Spielen und Arbeiten in der Schule sollen die Grundlagen für gleichwertige Lebensmöglichkeiten aufgebaut werden.

Während im Bereich der Grundschule die Berücksichtigung der Heterogenität systemkonform ist und der gemeinsame Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder so relativ leicht Fuß fassen konnte, stößt die Forderung nach integrativem Lernen im Bereich der Sekundarstufe auf ein additiv gegliedertes Schulsystem, dessen Grundgedanke die Vermeidung zu großer Heterogenität ist. Dieses Denken folgt der Annahme, dass in Gruppen mit eher gleichen Lernvoraussetzungen ein effizienterer Unterricht und eine gerechtere Selektion für das weiterführende Bildungswesen gestaltet werden könnte, obwohl bereits Untersuchungen im Rahmen der Gesamtschuldebatte als auch die PISA-Studie dafür sprechen, ein Pflichtschulsystem nicht selektiv zu gestalten.

»Dominierendes Element der Lern- und Unterrichtsorganisation ist unzweifelhaft die Gliederung des Lehrplanes nach Unterrichtsgegenständen als sichtbare Vorherrschaft der Wissensorientierung über die Lebensweltorientierung. Die Lernziele wurden aus der Logik der Fächer entwickelt und der Tagesablauf des Schulbetriebes wird vom Stundenplan diktiert. Die Bildungsinhalte werden durch die Zuordnung von Lernzeiten gewichtet. Das Konzept der Allgemeinbildung ist ein Puzzle von Lehrstoffen, dessen Verbindung nur allzu oft ausbleibt. Die Lehrerbildung ist naturgemäß nach diesem Organisationsprinzip ausgerichtet und erfolgt ebenfalls nach Unterrichtsfächern. Der Kanon der Pflichtgegenstände wird von einer Vielzahl von Lehrern vermittelt, die jeweils primär das Bildungsziel des eigenen Faches verfolgen. Während an Hauptschulen noch Kompromisse hinsichtlich der Fachkenntnisse toleriert werden und je nach Fach ein beträchtlicher Prozentsatz nicht fachausgebildeter Lehrer unterrichtet, wird dieses Prinzip an den höheren Schulen mit höchster Konsequenz eingehalten« (GRUBER 1995, 11f).

Soll Integration auch in der Sekundarstufe wirksam verankert werden, dann ist ein Paradigmenwechsel von einer nach Leistung selektierenden Schule in einer konkurrenzorientierten Leistungsgesellschaft zu einer kindgerechten Schule für alle in einer solidarischen Gemeinschaft notwendig. Die Integration ist damit auch als dynamischer Prozess zu sehen, der den Auftrag zur Schulentwicklung inkludiert. Die Ziele der Inklusion sind aber von der Alltagsrealität der Sekundarstufenschulen noch weit entfernt. »In dieser Alltagsrealität treffen wir im Zusammenhang mit der Integration vorerst noch auf eine Reihe von sehr konkreten und pragmatischen Fragen, denen sich der Unterricht stellen muss und die den Kern der pädagogischen Problematik im Zusammenhang mit der Integration ausmachen« (SPECHT 1995, 21). Die am häufigsten vorgebrachten Fragen, Zweifel, Einwände versuchen wir im Folgenden auf Grund unserer Erfahrungen zu beantworten:

Kommen denn die behinderten Kinder in der Integrationsklasse überhaupt mit? Die Integration scheint doch eher eine Zwangsbeglückung zu sein, beschränkt auf ein »Mitschleppen« der behinderten Kinder.

Integrativer Unterricht ist ein anderer Unterricht, der von innerer Differenzierung durch Individualisierung geprägt ist. Damit alle Kinder in einer Integrationsklasse erfolgreich lernen können, muss die unterrichtliche Arbeit anders organisiert werden. Offene Lernformen wie Freiarbeit, Wochenplan und Projektunterricht helfen dabei, einen Unterricht zu gestalten, der allen Kindern gerecht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass alle SchülerInnen Angebote vorfinden, die ihrem Entwicklungsstand entsprechen. Ziel ist ja nicht, dass alle zur gleichen Zeit das Gleiche machen und in der Folge dann auch gleich gut beherrschen, sondern dass die Kinder gemeinsam an einer Sache arbeiten und jede/r seine/ihre individuellen Beiträge und Leistungen einbringen kann. Gemeinsam leben, lernen und arbeiten ist das Ziel einer inklusiven Schule.

Stören denn die Kinder mit Förderbedarf die anderen nicht beim Lernen? Die nichtbehinderten Kinder müssen doch in ihrer Konzentrationsfähigkeit von den lauten, herumlaufenden, aggressiven, ... SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf abgelenkt werden.

Viele Vergleichsuntersuchungen zeigen, dass die Schulleistungen der Kinder in den Regelklassen um nichts schlechter sind als die Leistungen der Kinder in Integrationsklassen. Vielmehr trägt die Andersartigkeit mancher Kinder auch zu einer Vielfalt bei, von der alle Betroffenen nur lernen können. Die unterrichtliche Organisation muss diesem Umstand selbstverständlich Rechnung tragen, indem sie auf Organisationsformen zurückgreift, die einen abwechslungsreichen, aber sehr klar strukturierten und rhythmisierten Unterrichtsablauf sicher stellen. Dadurch sind auch Störungen des Unterrichts wie Herumlaufen, Schreien, etc. leichter zu handhaben, als wenn Kinder mit Schwierigkeiten nur mit lauter anderen »schwierigen« Kindern zusammengefasst sind.

Ist diese Form des Arbeitens nicht zu zeitaufwendig, zu schwierig oder gar unmöglich? Der hohe Anspruch, den Unterricht auf jedes Kind abzustimmen, kann doch nie erfüllt werden.

Die Form des integrativen Arbeitens ist anders. Sie verlangt mehr Zeit für gemeinsame Vor- und Nachbesprechung, für Koordination und Organisation sowie für Planung und Diagnostik. Trotzdem wird diese Form des Arbeitens von vielen, die es ausprobiert haben, als positiv empfunden, weil sich dadurch ein Klima des gegenseitigen Ergänzens ergibt und die Stärken jedes/r Einzelnen stärker zum Tragen kommen. Dadurch entwickelt sich eine Form des Arbeitens, die von allen als eine befriedigende und in hohem Maße selbstverantwortliche und kooperative Arbeit empfunden wird. Im Schulversuch hat sich das Paradoxon auch empirisch bestätigt, dass eine höhere Arbeitsbelastung der IntegrationsklassenlehrerInnen hoch mit einer höheren Berufszufriedenheit korreliert. Die Mehrarbeit bei Vor- und Nachbereitung schlägt sich nämlich relativ bald in einer leichteren und zufriedenstellenderen Unterrichtsarbeit nieder.

Muss man denn die Kinder nicht auf Leistung vorbereiten, wo sie doch überall in der Gesellschaft verlangt wird? In Integrationsklassen herrscht doch eine »Kuschelpädagogik« vor, die sich zu sehr nach den Wünschen der Kinder richtet - und welche Kinder wollen schon von sich aus Vokabeln lernen?

Integrative Pädagogik - d.h. eine Pädagogik, die auf Selektions- und Segregationsmechanismen verzichtet - ist trotzdem keine leistungsfeindliche Pädagogik. Selbstverständlich wird auch in Integrationsklassen von allen SchülerInnen optimaler Einsatz und bestmögliche Aneignung der Kulturtechniken erwartet. Vokabeln lernen gehört in Integrationsklassen genau so zum Fremdsprachenunterricht dazu wie in anderen Klassen auch, nur müssen nicht alle SchülerInnen zur selben Zeit und mit den selben Methoden genau die gleichen Vokabeln lernen, da die Bewertung der Leistung sich auf den/die Schüler/in selbst bezieht und nicht auf eine ominöse Bezugsgröße wie den Klassendurchschnitt. Die Leistung jedes/r Einzelnen kann daher sehr unterschiedlich sein. Zusätzlich zum abprüfbaren Wissen lernen die SchülerInnen im integrativen Unterricht aber auch Schlüsselfertigkeiten wie Teamfähigkeit, Selbständigkeit, Selbstverantwortung, etc., da es nämlich viel mehr an Kompetenzen verlangt, sich z.B. im Rahmen einer Freiarbeit selbst eine Aufgabe zu stellen und auch richtig zu bearbeiten, als bloß eine vorgegebene Aufgabe aus dem Buch zu lösen oder sich eine gute Note zu erschummeln.

Brauchen Kinder Noten um zu lernen?

Kinder brauchen die Anerkennung ihrer eigenen Leistung. Sie benötigen Rückmeldungen zu ihren Arbeitsergebnissen und ihrer Arbeitsweise, damit sie auf ihrem Weg beim Aneignen der Welt optimal voranschreiten können. Sie brauchen aber auch die Chance, sich und ihre Leistungen selbst einschätzen und beurteilen zu lernen. Der Satz Maria MONTESSORIs »Hilf mir, es selbst zu tun.« verdeutlicht, dass die Eigenständigkeit und der Fortschritt des/r Einzelnen im Mittelpunkt stehen. Noten aber erzwingen eine Rangordnung, ein »besser« und »schlechter« anstelle einer sach- und zielbezogenen Rückmeldung. Deshalb setzt die integrative Pädagogik Formen alternativer Leistungsbeurteilung wie Pensenbücher, Entwicklungsberichte, individuelle Leistungsvorlagen (Portfolios), etc. ein und ermöglicht so den SchülerInnen, der Sache wegen und nicht der Noten wegen zu lernen.

Ist jedes Kind integrierbar, auch ein »schwerstbehindertes«? Irgendwo muss ja eine Grenze der Integrationsfähigkeit sein!

Die Integration behinderter Kinder inkludiert von ihrer Definition her die Einbeziehung aller Kinder! Es hat bisher auch noch niemand geschafft, irgendwelche Grenzen der Integrationsfähigkeit nach Art und Schwere der Behinderung festzulegen. Die Integrationsfähigkeit kann nämlich nicht am Kind, sondern nur an den jeweiligen Rahmenbedingungen festgemacht werden. Allen Überlegungen, die einen Ausschluss von intensivbehinderten Kindern prinzipiell denkbar machen, muss daher entschieden entgegen getreten werden. Nichtsdestotrotz können Situationen auftreten bzw. konstruiert werden (z.B. der Fall eines mehrfachbehindertes Kindes auf einer sehr frühen Aneignungsstufe der Welt, mit hirnorganischer Dysfunktion, blind und spastisch, hohen Pflegeaufwand durch wickeln und füttern, keinerlei Sprachgebrauch, ...), die auf den ersten Blick ein gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten unmöglich erscheinen lassen. Dazu muss gesagt werden, dass unserer Meinung nach für jedes Kind abgeklärt werden muss, welche Bedingungen zu einem wirksamen gemeinsamen Unterricht notwendig sind und ob diese vorliegen bzw. geschaffen werden können. Welche organisatorischen, materiellen sowie personellen Voraussetzungen sind notwendig, welche sind gegeben bzw. machbar? Ergibt sich bei der Abklärung dieser Frage mit allen Betroffenen, dass die elementarsten Rahmenbedingungen nicht geschaffen werden können, so kann es durchaus einmal zu einer Entscheidung gegen Integration kommen. Dies entspringt aber keinesfalls ideologischen Paradigmen sondern ist einzig und allein die Fortführung einer dem Kinde verpflichteten Pädagogik in einem noch nicht inklusivem Schulsystem.

Prinzipiell gilt also, dass es nicht am Kind liegt, ob es integriert werden kann, sondern an der Bereitschaft von allen Beteiligten. »Wir müssen bereit sein, mit dem Kind zu lernen. Für das Kind mit Behinderung gilt: Je schwerer die Behinderung ist, umso nötiger braucht das Kind die vielfältigen Anregungen der nichtbehinderten Kinder,

  • deren Bewegungen es mit den Augen verfolgen kann,

  • deren Geräusche es mit den Augen wahrnimmt,

  • deren Gerüche es mit der Nase unterscheiden lernt,

  • deren Hände es am eigenen Körper spürt.

Je schwerer das Kind behindert ist, umso nötiger braucht dessen Familie die Entlastung und die Unterstützung durch die Gesellschaft, damit die Familie das Kind annehmen und behalten kann.

Ein Kind mit Behinderung auf dem langen Weg der Menschwerdung durch Erziehung als ›nicht integrierbar‹ zurückzulassen, bedeutet, ihm das Menschsein abzusprechen.« (SCHÖLER 1999, 226)

Ist die Sonderschule nicht doch der bessere Ort der Förderung und der Betreuung des Kindes? Behinderte Kinder benötigen zu ihrer Entwicklung doch den Schonraum der kleinen Gruppe.

Die Sonderschule hat in der Entwicklung des Schulwesens einen wesentlichen und wichtigen Auftrag erfüllt. Sie hat mangels fehlender Bedingungen im übrigen Pflichtschulbereich die sonderpädagogische Betreuung der behinderten Kinder übernommen. Dem Anspruch, die behinderten Kinder in allen Bereichen - sozial, kognitiv, motorisch und emotional - optimal zu fördern, kann sie aber nicht wirklich gerecht werden. Ghetto, Stigmatisierung, Lernen ohne ausreichende Vorbilder seien hier nur als einige Schlagworte, die den Mangel verdeutlichen, angeführt. Die Eltern von behinderten Kindern können zwar für ihr Kind viel tun, was die individuelle Förderung betrifft. Sie können aber den Kontakt zu nichtbehinderten Kindern nicht zuverlässig und regelmäßig herstellen. Hier ist die Gesellschaft und das Bildungssystem gefragt.

Sind wir überhaupt ausreichend dafür ausgebildet, allen Kindern gerecht zu werden? Schaffe ich die Herausforderungen integrativen Unterrichts mit meiner Ausbildung überhaupt?

Integration ist ein Prozess, der täglich neu begonnen werden muss. Für LehrerInnen, die plötzlich mit einer für sie neuen Situation konfrontiert werden, mag obige Frage ihre Berechtigung haben. Integration einfach nur auszuprobieren geht zu Lasten der Kinder und ist durch nichts zu rechtfertigen. Für alle, die sich dem Problem der Unterschiedlichkeit der Kinder stellen wollen bzw. müssen, gibt es aber mehrere Möglichkeiten:

  • vorbereitende und begleitende Fortbildung

  • postgraduale Zusatzausbildungen

  • Symposien und Seminare

  • Literaturstudium

  • Erfahrungsaustausch

Es liegt an jedem/r, sich aus dem Angebot das für ihn/sie richtige zu wählen und sich der Sache der Kinder zu stellen. Verantwortungsvolles learning by doing wird die notwendige Kompetenzerweiterung bringen, wobei sich vor allem der Kompetenztransfer im Team und ein entsprechender Erfahrungsaustausch mit anderen IntegrationsklassenlehrerInnen als hilfreich erwiesen hat.

Was ist, wenn unsere Schule gar nicht dafür ausgerüstet ist, sich der Integration zu stellen? So gut wie Sonderschulen können Integrationsklassen sowieso nie ausgestattet sein!

Materielle Ausstattung ist ein wesentlicher Bestandteil des integrativen Unterrichts. Dafür zu sorgen ist Aufgabe des Schulerhalters und der LehrerInnen, die dies einfordern müssen. Da sich zeigt, dass das Material für differenzierten Unterricht letztlich allen Kinder zugute kommt, kann sich der Schulerhalter den Forderungen nach Material kaum verschließen und - so unsere Erfahrung - tut dies auch nur selten. Zumindest lassen sich immer akzeptable Lösungen finden. Die gesetzliche Verpflichtung zur lehrplangemäßen Ausstattung besteht jedenfalls. Eine umfassende therapeutische Ausstattung wie Snoezelen-Raum, etc. - die in manchen Sonderschulen zu finden ist - ist unserer Meinung nach nicht notwendig zur optimalen Förderung behinderter Kinder. Es reicht vollkommen, wenn dem/r Schüler/in entsprechende Hilfen wie Braillezeile beim Computer, Treppensteig-Hilfe, adaptiertes Lernmaterial (Greif- und Haltehilfen, ...) zur Verfügung gestellt wird, wobei für die Sonderpädagogischen Zentren als »Materialbanken« fungieren könnten.

Was ist, wenn wir uns im Team nicht vertragen? Teamarbeit kann doch nur funktionieren, wenn sich alle auch persönlich blendend verstehen.

Mir der Arbeit im Team verlassen wir die ausgetretenen Pfade des Lehrerseins. Umbruchsituationen verunsichern aber immer. Gemeinsam dafür Lösungen zu finden und die Gestaltung der Arbeit gemeinsam zu tragen kann dann gut funktionieren,

wenn als notwendige Voraussetzung für das gemeinsame Arbeiten das gemeinsame Wollen als solide Kooperationsbasis im Vordergrund steht. Das gemeinsame Wollen beinhaltet Toleranz und Akzeptanz den anderen gegenüber, die Bereitschaft sich und seine Arbeit in Frage zu stellen sowie die Absicht, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Zufriedenstellende Teamarbeit bedingt aber nicht, dass sich alle bereits vor Beginn sehr gut kennen und »lieben«. Sehr wohl ist aber die professionelle Bereitschaft, sich mit den anderen ernsthaft auseinander setzen und sich selbst ernsthaft einbringen zu wollen, notwendig. Dazu gehört auch, Ungereimtheiten, Unstimmigkeiten rechtzeitig anzusprechen und leidenschaftlich für Kompromisse, mit denen alle gut leben können, zu kämpfen. Hilfestellung von außen zu holen ist dabei keine Schwäche, sondern manchmal einfach unumgänglich.

Wozu denn Integration, wenn nach der Schule sowieso wieder selektiert und abgeschoben wird? Im Berufsleben wird Integration noch lange nicht gelebt werden, weil sich das für die Wirtschaft einfach nicht rechnet.

Wenn man den momentanen Zustand unserer gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet, so kann man leicht zur obigen Einschätzung kommen. Wie aber sollte sich je in der Arbeitswelt etwas verändern, wenn die Kinder bereits in der Schule ausgeschlossen werden? Inklusion meint die volle Partizipation in allen Lebensbereichen und jedes integrative gelebte Schuljahr stellt einen Gewinn für die Beteiligten dar. Da die Gesellschaft auch für die Menschen ohne Behinderungen mit zunehmendem Alter immer selektiver wird, kann die Integration in der Sekundarstufe und in der Arbeitswelt nur langsamer voranschreiten als in der Grundschule. Trotzdem gilt: In jenem Maß, wie Integration im schulischen Bereich zur Selbstverständlichkeit wird, wird sich auch der nachschulische Bereich verändern. Wie das konkret im Bereich der beruflichen Ausbildung aussehen könnte, ist bei GINNOLD (2000) nachzulesen. LINDMEIER et al (2000) zeigen, wie Erwachsenenbildung integrativ gestaltet werden kann.

Wie kann integrativer Unterricht denn nun wirklich in der Sekundarstufe umgesetzt werden? Wie muss inklusiver Unterricht aussehen, der allen Kindern gerecht wird?

Die Antwort auf diese Frage haben wir in den vorausgegangenen Kapiteln sehr ausführlich zu geben versucht. Wir hoffen, dass uns dies auch gelungen ist. Sollten Sie an noch mehr konkreten Beispielen interessiert sein, so fordern Sie doch einfach die öfters angesprochene CD-Rom an.

Wir hoffen, mit diesem Buch Ihr Interesse für integrativen Unterricht in der Sekundarstufe geweckt bzw. verstärkt zu haben und Ihnen ausreichend Informationen für die konkrete Umsetzung einer inklusiven Schule mit auf den Weg gegeben zu haben. Ganz zum Schluss möchten wir Ihnen nun noch einen Spruch von Erich FRIED schenken:

»Die Zukunft liegt nicht darin,

dass man an sie glaubt oder nicht an sie glaubt,

sondern darin, dass man sie vorbereitet. «

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Kurzinformation zu den Autoren:

Prof. Dr. Ewald FEYERER, geboren am 24.3.1958 in Linz

Ausbildung zum Sonderschullehrer an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Oberösterreich bei Prof. Josef Fragner; Studium der Soziologie an der J.K. Universität Linz; Sonderschullehrer; wissenschaftlicher Begleiter integrativer Schulversuche des Landesschulrats für Oberösterreich; Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Akademie und am Pädagogischen Institut des Bundes in Oberösterreich im Rahmen der Lehreraus-, fort- und -weiterbildung; Leiter des Instituts für Inklusive Pädagogik; Koordinator der SOKRATES Projekte INTEGER und EUMIE zur Entwicklung europäischer Curricula für eine inklusive Pädagogik. Weitere Infos: http://www.pa-linz.ac.at/team/homepage/FeyererE/FeyererE.htm

SL Wilfried PRAMMER, geboren am 20.3.1960 in Wels

Ausbildung zum Sonderschullehrer an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Oberösterreich bei Prof. Josef Fragner; Sonderschullehrer in Integrationsklassen an der Hauptschule Oberneukirchen; Leiter des sonderpädagogischen Zentrums Urfahr-Umgebung; Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Akademie und am Pädagogischen Institut des Bundes in Oberösterreich im Rahmen der Lehreraus-, fort- und -weiterbildung mit den Schwerpunkten methodisch-didaktische Umsetzung einer integrativen Pädagogik, Projektunterricht und alternative Formen der Leistungsbeurteilung; Mitarbeiter im Institut für Inklusive Pädagogik;

Illustratorin:

Margit FEYERER-FLEISCHANDERL, geboren am 25.11.1959 in Linz

Studium an der Kunsthochschule in Linz, arbeitet als freischaffende Künstlerin und Illustratorin (Karikaturen, Bühnenbilder, Kunstkarten, Plakate, Schulbuchillustrationen, usw.)

Weitere Infos: http://www.fey-flei.at

Quelle:

Ewald Feyerer, Wilfried Prammer: Gemeinsamer Unterricht in der Sekundarstufe 1 - Anregungen für eine integrative Praxis

Manuskript vom 12.9.2002

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 11.03.2008

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