Die prekäre Lebenssituation von Menschen mit Lernschwierigkeiten bedingt durch die systematische Exklusion am ersten Arbeitsmarkt

Eine empirische Untersuchung der gefühlten Prekarität

Autor:in - Julia Feller
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Masterarbeit
Releaseinfo: Masterarbeit zur Erlangung des Grades Master of Arts (MA): an der Fakultät für Bildungswissenschaften im Institut der Erziehungswissenschaft an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Copyright: © Julia Feller 2013

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Zu Beginn möchte ich Herrn Prof. Dr. Volker Schönwiese für die Betreuung der Masterarbeit danken, womit diese erst möglich wurde. Zudem inspirierten seine Lehrveranstaltungen mich im Laufe des Studiums für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und veränderte dadurch meine Prinzipien und Anforderungen an die Gesellschaft.

Weiters danke ich meiner Familie, die mich auf alle Wege hierher begleiteten und bedingungslos unterstützten. Meinem Partner gilt ebenfalls Danke für die vielen gelesenen und korrigierten Seiten und seine Ausdauer mich in dieser fordernden Zeit beizustehen.

Ich danke ebenfalls meiner Einrichtungsleitung MOBE Wohnen Fr. Monika Sartor, die mir den Zugang zu den ProbandInnen erlaubte und viel Verständnis zeigte.

Abkürzungsverzeichnis

WHO

World Health Organisation

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

UN

United Nation

NGO

Non-Governmental Organization

WfbM

Werkstatt für behinderte Menschen

vH

von Hundert

ESF

Europäischer Sozialfond

1. Einleitung

"Behindertenorganisationen kritisieren: Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, die arbeiten, bekommen in Österreich keinen Lohn und sind nicht sozialversichert. Sie verlieren dadurch auch den Anspruch auf eine eigene Pension [...] Chancen auf Änderung sind gering."[1] So kritisiert der Verein Lebenshilfe Tirol die derzeitige Situation von Menschen mit Lernschwierigkeiten am Arbeitsmarkt. Menschen mit Lernschwierigkeiten sind zum größten Teil in Behindertenwerkstätten beschäftigt, und bekommen für ihre täglich verrichtete Arbeit lediglich ein monatliches Taschengeld. Mit diesem Einkommen und den Sozialleistungen vom Staat muss meist die Familie noch finanzielle Unterstützung leisten, um ein angemessenes Maß an Lebensqualität zu gewährleisten.

Das Stadtblatt Innsbruck berichtete in der Auflage vom 13.02./14.02.2013 "Behinderte Menschen haben es schwer am Arbeitsmarkt, obwohl genügend Stellen vorgesehen wären." (z.v. Stadtblatt Innsbruck, 2013) In diesem Artikel wird berichtet, dass im Vorjahr 2012 3.300 Menschen mit Behinderung als arbeitslos gemeldet waren, trotzdem tirolweit 1780 Betriebe ihrer Beschäftigungspflicht nachkommen müssten. Jedoch erfüllt der Großteil der Betriebe nicht ihre Pflicht und stellt zu wenig bis gar keine Menschen mit Behinderungen ein. Die Landesstelleneleiterin des Bundessozialamts Karin Klocker ruft die Betriebe dazu auf, Menschen mit Behinderungen eine faire Chance zu geben. Dieser Artikel macht deutlich, dass Menschen mit Behinderungen nicht die selben Chancen erhalten im ersten Arbeitsmarkt zu partizipieren, als Menschen ohne Behinderungen, sei es aus wirtschaftlichen, finanziellen oder diskriminierenden Gründen. Die systematische Exklusion vom ersten Arbeitsmarkt stellt jedoch einen Verstoß gegen die von Österreich ratifizierten Bestimmungen der UN Behindertenkonvention dar, zudem verstoßen Unternehmen durch diese Ungleichbehandlung gegen das österreichische Behindertengleichstellungs- und das österreichische Einstellungsgesetzt von Menschen mit Behinderungen.

In dieser Masterarbeit wird der Fokus auf die Lebenssituation von Menschen mit Lernschwierigkeiten gelegt, die einerseits im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt partizipieren und andererseits durch verschiedene Projekte versuchen im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Menschen mit Lernschwierigkeiten sind verstärkt von der Exklusion am ersten Arbeitsmarkt betroffen, auf Grund oft fehlender Förderungen, Akzeptanz und fehlender Bereitschaft der Umwelt sich den Betroffenen anzupassen. Welche gesellschaftlichen und ökonomischen Faktoren zu dieser Segregation führen und welche Auswirkungen die mangelnde Teilhabe auf die betroffenen Menschen hat, wird in der folgenden Arbeit analysiert und thematisiert. Zudem werden Formen der Beschäftigung im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt, sowie Projekte, die aktiv die Forderung nach Inklusion unterstützen und Menschen mit Lernschwierigkeiten bei ihrem Weg in den ersten Arbeitsmarkt begleiten, aufgezeigt. Daraus ergibt sich ein breit gefächertes objektives Bild der Lebenssituation und -qualität von Menschen mit Lernschwierigkeiten, das im inklusiven Sinne durch eine empirische Untersuchung mittels Interviews von Betroffenen verifiziert oder falsifiziert werden soll. In der Arbeit der inklusiven Pädagogik sollen Menschen mit Lernschwierigkeiten ihr bürgerliches Recht in Anspruch nehmen können, selbst über ihr Leben zu sprechen und es subjektiv beurteilen zu können. Die Aufgabe an die Mehrheitsgesellschaft ist es, denn Rahmen für diese Möglichkeit zu schaffen und die Umwelt an die Verschiedenartigkeit der Menschen und deren unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche, anzupassen. Deshalb geht es in der empirischen Untersuchung darum herauszufiltern, inwiefern Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst ihre Situation im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt als prekär und belastend empfinden. Im zweiten Schritt gilt es auch zu eruieren, wie es zu diesen Wahrheiten kommt und welche Faktoren dazu eine wichtige Rolle spielen.

Im letzten Punkt "Schlussfolgerungen und Ausblick" werden die objektiven Annahmen mit den subjektiven Wahrheiten vereint und ergeben ein ganzheitliches gesellschaftliches Bild, das wiederum zu neuen Fragen und Denkanstößen führt, zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Anmerkung:

Auf Grund der Forderung der ‚People First' Bewegung, eine intellektuelle Beeinträchtigung nicht als geistige Behinderung zu deklarieren - der Geist eines Menschen kann de facto nicht behindert sein kann - komme ich dem nach und verwende auf Grund dessen in der folgenden Arbeit den Terminus ‚Menschen mit Lernschwierigkeiten'. Diesen Forderungen gerecht zu werden, ist für mich mehr eine Haltungs- als eine Begriffsfrage. Ebenso im Sinne der Chancengleichheit und Gleichstellung wird sowohl die weibliche, als auch die männliche Form verwendet.



[1] Z.v. http://oe1.orf.at/artikel/315904 (14.11.2012)

2. Begriffsdefinitionen Behinderung

Weltweit sind laut König, Postek, & Stadler-Vida (2011) mehr als einen Milliarde Menschen von Behinderung betroffen. Beinahe jeder Mensch hat auf indirekte Weise über das familiäre Umfeld oder Bekanntschaften Kontakt mit behinderten Menschen. Kaum eine gesellschaftliche Kategorie wie Behinderung weißt derartig viele Unklarheiten und Differenzen in dessen Definition auf. Zumal stehen sie im gesellschaftlichen Wandel und werden stetig den historischen Anforderungen angepasst, was von der Liquidierung bis zur Anerkennung der Definition führen kann. Folge dessen ist es nicht möglich die Bevölkerung mit Behinderung zu identifizieren, da neben der Definition ebenso kein gemeinsames Messinstrument zur Bestimmung dieser Gruppe von Menschen zur Verfügung steht. (vgl. OECD, 2003, 45) Das Verständnis von Behinderung differiert in den verschiedenen Fachrichtungen, teilweise sogar innerhalb eines einzigen Fachgebietes. Diese verschiedenen Zugänge (Beispiel: sozialrechtlich, medizinisch, pädagogisch, soziologisch, etc.) kategorisieren beliebig betroffene Menschen als behindert oder nicht behindert. (vgl. Biewer, 2010, 39) Die Frage die sich in dem Zusammenhang stellt ist, ob es überhaupt notwendig ist, stets zu wissen wer oder was als behindert betrachtet wird? Es kann festgehalten werden, dass die Definition Behinderung nach den Kriterien der "soziale[n] Normen, Konventionen und Standards" (z.v. Bleidick (1998), 19, in Benken, 2010, 5) festegelegt wird.

In dieser Arbeit werden Definitionen von Behinderung angeführt, die für die Lebenswelt der Menschen mit Behinderungen eine unmittelbare Auswirkung und Wichtigkeit besitzen (Beispiel die Definition der UN Behindertenrechtskonvention), sowie kann daran die Komplexität der gesellschaftlichen Konstruktion von Behinderung erkannt werden. Die Definitionen nach dem österreichischen Bundes-Gleichstellungsgesetz, sowie dem Einstellungsgesetzt finde im späteren Verlauf erneut Verwendung, um das Recht auf Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt aufzuzeigen.

2.1. Begriffsdefinition Behinderung nach der UN Behindertenrechtskonvention

Die UN-Behindertenrechtskonvention stellt einen internationalen Vertrag dar, der sich für die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Österreich ratifizierte das Übereinkommen 2008 und hat sich somit zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. In der UN-Behindertenrechtskonvention wird keine exakte Definition von Behinderung angeführt, jedoch wird in der Präambel der Konvention die zu teilende Auffassung von Behinderung beschrieben.

In der Konvention kommen die Vertragsstaaten in der Erkenntnis überein, "dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern".

Ebenso kommen die Vertragsstaaten überein in der Anerkennung "des wertvollen Beitrags, den Menschen mit Behinderungen zum allgemeinen Wohl und zur Vielfalt ihrer Gemeinschaften leisten und leisten können, und in der Erkenntnis, dass die Förderung des vollen Genusses der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Menschen mit Behinderungen sowie ihrer uneingeschränkten Teilhabe ihr Zugehörigkeitsgefühl verstärken und zu erheblichen Fortschritten in der menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft und bei der Beseitigung der Armut führen wird".

Die Vertragsstaaten kommen in der Erkenntnis überein, "dass jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung eine Verletzung der Würde und des Wertes darstellt, die jedem Menschen innewohnen".[2]

Die UN-Konvention setzt sich für ein inklusives Menschenbild ein, in dem Menschen mit Behinderungen Teil der gesellschaftlichen Vielfalt sind und dadurch einen wertvollen Teil der Gesellschaft darstellen. Ebenso wird klargestellt, dass Behinderung kein statischer Zustand ist, sondern sich in Wechselwirkung mit der Gesellschaft und Umwelt weiterentwickelt. Folgen dieses Menschenbildes sind Antidiskriminierung, Entstigmatisierung von Menschen mit Behinderungen, Auflösung des Sonderstatus, der Segregation und Abbau von Barrieren zur Möglichkeit der absoluten gesellschaftlichen Partizipation.

2.2. Begriffsdefinition Behinderung nach WHO

Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichte erstmals 1978 die Definition ICD "International Classification of Diseas" (vgl. Beczynski, 2010, 21) und erweiterte sie 1980 zu der Klassifizierung ICIDH "International Classification of Impairment, Disability and Handicaps". Im Modell des ICIDH werden die Begriffe impairment (Schädigung), disability (Fähigkeitsstörung) und handicap (Beeinträchtigung) unterschieden.

Die Schädigung wird von der WHO als ein beliebiger Verlust oder einer Normabweichung in der psychischen, anatomischen oder physiologischen Struktur oder Funktion definiert, die temporär oder chronisch auftreten kann.

Die Fähigkeitsstörung tritt in Folge der Schädigung auf und zeigt sich im Verlust von Aktivität oder Fähigkeiten in dem Ausmaß ausführen zu können, den der Betroffene als normal ansieht. Die Beeinträchtigung ist in der Folge die Benachteiligung, die sich aus der Schädigung und/oder Fähigkeitsstörung ergibt und die Betroffenen in ihrer als normal erscheinenden Rolle einschränkt oder verhindert. (vgl. ebd., 22)

2001 wurde die Klassifikation ICIDH ebenfalls erneuert, die überarbeitete Kategorisierung wird in der ICF "International Classification of Funkctioning, Disability and Health" festgehalten. Die Intention der Erneuerung waren die Rahmenbedingungen zur Herstellung von Chancengleichheit neben der körperlichen Beeinträchtigung ebenfalls miteinzubeziehen. Im Gegensatz zum defizitorientierten Modell des ICD oder ICIDH ist das Modell ICF ressourcenorientierter und berücksichtigt den Lebenshintergrund von Menschen mit Behinderungen. (vgl. Benken, 2010, 4) Trotz der Erneuerung bleibt die Definition von Behinderung nach der WHO als problematisch zu betrachten, da sie Menschen kategorisiert und klassifiziert womit eine Wertung der Person einhergeht und der/die Betroffene über seine/ihre Beeinträchtigung definiert wird.

2.3. Begriffsdefinition Behinderung nach den österreichischem Gesetzbuch

Am 1. Jänner 2006 trat in Österreich das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) in Kraft, wodurch im Paragraph 3 Behinderung folgendermaßen definiert wurde:

"Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten." [3]

Durch das Drängen von Behindertenorganisationen wurden nach vielen Jahren der Forderung in dieser Definition ebenso Menschen mit Beeinträchtigungen der Sinnesfunktionen miteinbezogen. Ein wichtiger Schritt zur Erlangung der rechtlichen Gleichstellung und desselben Anspruchs auf Hilfeleistungen. (vgl. Beczynski, 2010, 25)

Bis zur Novellierung der Definition von Behinderung im Behinderteneinstellungsgesetz im Jahr 2005 enthielt das Gesetz folgende Definition die von BehindertenexpertInnen als diskriminierend eingestuft wurde:

"Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand beruht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten." (z.v.Beczynski, 2010, 25) Als diskriminierend wird die Formulierung des "regelwidrigen körperliche geistigen oder psychischen Zustandes" angesehen, da diese Passage den Eindruck erweckt, dass Menschen mit Behinderungen mit ihrer Beeinträchtigung gegen das Gesetz verstoßen würden. Nicht zuletzt deshalb wurde im Jahr 2005 die Definition von Behinderung analog zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz formuliert. (vgl. ebd., 24f)

2.4. Verwendete Definition Behinderung

In dieser Arbeit wird Behinderung im Sinne der Disability Studies und der Paradigmen des sozialen und kulturellen Modells von Behinderung verstanden. Behinderung ist sozial und gesellschaftlich konstruiert, was in der Uneinigkeit und Vielfalt der Definitionen von Behinderung sichtbar wird. So gibt es auch kulturelle Unterschiede welche Beeinträchtigung als Behinderung betrachtet wird und welche Beeinträchtigung noch in die Kategorie des "Normalen" fällt. Wichtig an dieser Betrachtungsweise ist, dass durch gesellschaftliche Aufklärungsarbeit, die Fähigkeiten, Bedürfnisse oder das Menschenbild von behinderten Menschen in ein neues Licht gerückt werden können.

Im Sinne des sozialen Modells von Behinderung werden Menschen mit Behinderungen seitens der Gesellschaft Barrieren in den Weg gestellt, die sie in ihrem Leben in verschiedenen Formen behindern. Menschen mit Behinderungen werden in ihrer Privatheit behindert, da ihnen Sexualität, PartnerInnenschaften oder Familiengründung in der Gesellschaft großteils nicht zugesprochen wird. Auch werden sie in ihrer gesellschaftlichen Partizipation behindert, durch die Segregation in Sondereinrichtungen, durch die Exklusion vom ersten Arbeitsmarkt oder durch die Installation von nicht-barrierefreien Zugängen zu Gebäuden oder Anlagen. Menschen mit Behinderungen sind nicht per se behindert, sie werde zum einen direkt durch gesellschaftliche Strukturen (Sondereinrichtungen und Barrieren) behindert und zum anderen wird die Kategorie Behinderung durch Vorurteile, Bemitleidung, Fehleinschätzungen, Ablehnung, usw. von den einzelnen Menschen rekonstruiert.

Der inklusive Gedanke im kulturellen Modell von Behinderung beschreibt einen Menschen mit Behinderung nicht als einen besonderen oder gesonderten Menschen, sondern als ebenbürtigen/ebenbürtige BürgerIn, der/die Teil der gesellschaftlichen Vielfalt ist. Deshalb ist keine Segregation oder Exklusion notwendig, jeder Mensch hat Anspruch auf individuelle Unterstützung, damit die Grundbedürfnisse sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich gewehrleistet werden können. Die Kategorien der Behinderung und der Normalität bzw. Abnormalität werden dekonstruiert, im Sinne eines heterogenen, wertungsfreien Menschenbildes.

In dieser Masterarbeit wird im speziellen der Fokus auf Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung gelegt, die aus Gründen, die in der Einleitung und im folgenden Punkt erörtert wurden bzw. werden, im Verlauf als Menschen mit Lernschwierigkeiten benannt werden.

2.5. Verwendete Definition für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

Für Betroffene galt es einen alternativen Terminus für "geistige Behinderung" zu finden, da dieser stark diskriminierend und erniedrigend ist. Deshalb etablierte die ‚People First' Bewegung im angloamerikanischen Raum den Begriff "People with Leraning Disabilities" bzw. "People with Learning Difficulties". In Deutschland wurde dieser Terminus ins Deutsche übersetzt und vor allem die Bewegung ‚Menschen zuerst - Netzwerk People First Deutschland' setzte sich für die Verbreitung und Verwendung von "Menschen mit Lernschwierigkeiten", sowie der Abschaffung des Begriffs "geistige Behinderung" ein. Kritisiert wird die Unschärfe des Begriffs, da keine exakte Abgrenzung der inhaltlichen Definitionen von den Begriffen Lernbeeinträchtigung, Lernproblemen und Lernbehinderung existieren. Jedoch weißt es auf die Notwendigkeit hin, eine differenzierte Sicht auf Menschen mit vormals "geistiger Behinderung" zu haben. (vgl. Theunissen, Kulig, & Schirbort, 2007, 214) Eine "geistige Behinerderung" stellt keinen objektiven Tatbestand dar, sondern ein soziales Zuschreibungskriterium sowie ein soziales Werturteil. (vgl. König, Postek, & Stadler-Vida, 2011, 7)

In dieser Arbeit wird der Terminus Menschen mit Lernschwierigkeiten trotz all den Unklarheiten und fachlichen Diskussionen verwendet, um den Betroffenen Respekt für ihre Forderung zu zollen und um die Verbreitung des Terminus zu unterstützen.

Nach der anfänglichen Klärung der Aufgabe der Masterarbeit, der Begriffe und Termini sowie der Paradigmen und Zugänge der Autorin widmet sich der weitere Verlauf der Arbeit der Thematik der Arbeit und Erwerbsarbeit. Sowohl die gesellschaftliche und individuelle Bedeutung von Arbeit für Menschen mit und ohne Behinderungen, als auch die Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt, gesellschaftliche und ökonomischen Ursache und Folgen und der Terminus der Prekarität werden dargelegt und ausgeführt.



[2] UN-Behindertenrechtskonvention Absatz 1 Übereinkommen von Menschen mit Behinderungen Präambel, S.1 - S.3

[3] http://www.jusline.at/3.Behinderung_BGStG.html (22.04.2013)

3. Die Bedeutung von Arbeit / Erwerbsarbeit

"Wer außerhalb der Gesellschaft lebt, schuldet niemanden etwas und hat das Recht, zu leben, wie es ihm gefällt. In der Gesellschaft aber lebt er notwendigerweise auf Kosten der anderen: er schuldet ihnen Arbeit als Preis für seinen Unterhalt. Das gilt ohne Ausnahme. Arbeiten ist also eine unerlässliche Pflicht des Menschen innerhalb der Gesellschaft. Arm oder reich, mächtig oder schwach, jeder müßige Bürger ist ein Schmarotzer." (z.v. Rosseau (1989/1762 193), in Cloerkes & Kastl, 2007, 101)

Arbeit erfüllt für Menschen mit und ohne Behinderungen eine Vielzahl von Funktionen und Wirksamkeiten, die auch zwiespältig sein können. Zum einen kann sie negativ empfunden werden, da viel Kraft und Mühe aufgebracht werden muss, um sich einen Lohn zu verdienen, zum anderen ist die Arbeit der Ursprung von Vermögen, Rechten des Menschen und Selbstverwirklichung. (vgl. Benken, 2010, 6) Lange Zeit galt Arbeit für die Mehrzahl der Menschen als "Mühsal" oder "Plage", zum Erhalt des eigenen Lebens und der Gattung. Sie erschien als eine naturhafte Notwendigkeit, vielleicht auch als moralische Verpflichtung oder abzutragende Schuld. Arbeit hatte weder tieferen Sinn, noch Selbstzweck oder sittlichen Wert.

Mit dem neuzeitlichen Denken und den daraus resultierenden Wertewandel entwickelte sich eine positive Wertschätzung der Arbeit bzw. Erwerbsarbeit gegenüber. Dieser Wandel wird mit der Entstehung der von Mark Weber genannten "Protestantischen Ethik" in Zusammenhang gebracht. In Luthers Schriften wird die weltliche Berufsarbeit als Berufung reklamiert, die als göttliche Fügung hin- und anzunehmen ist. Somit wurde die Ausübung der Arbeit als essentiellste Pflicht eines Christenmenschen und des beruflichen Erfolgs zum Maßstab gottgefälligen Lebens. Ein Jahrhundert später entstand die Auffassung, dass sich Arbeit sinnstiftend auf das Leben auswirkt, durch verschiedene protestantische Bewegungen wie die Calvinisten, Pietisten, Methodisten oder Wiedertäufer. (vgl. Cloerkes & Kastl, 2007, 101f)

Heute liegt der hohe Wert der Erwerbsarbeit in der persönlichen Entfaltung und der Strukturierung des Lebens. Durch die Arbeit hat der Mensch die Möglichkeit sich selbst als Teil eines größeren Kollektivs zu empfinden, wo er nicht nur in einer anerkannten Rolle partizipieren kann, sondern auch das menschliche Bedürfnis nach sinnhafter und produktiver Zeitverwendung stillen kann. Die Resultate der Arbeit spiegeln nicht nur das eigene Können wieder, sondern dienen einem externen Nutzen. Dadurch steigen das individuelle Selbstwerterleben und die soziale Anerkennung. Arbeit gibt zudem dem alltäglichen Leben eine wiederkehrende zeitliche Struktur und Bindung und ist ein essentieller Faktor der Sozialisation. Sie kann eine Herausforderung für die persönliche Entwicklung sein und ist ein Ort für Kontaktmöglichkeiten und Abwechslung. (vgl. Theunissen, Kulig, & Schirbort, 2007, 28) Die soziale Anerkennung wird durch den aus dem Beruf resultierenden sozialen und ökonomischen Status maßgeblich beeinflusst, der ein lebensnotwendiger Bestandteil des kulturellen und gesellschaftlichen Daseins darstellt. (vgl. Scholz, 2012, 17)

Jeder Mensch hat deshalb ein Recht auf Arbeit, da er seiner Veranlagung nach, nach zu erfüllenden Aufgaben sucht. Damit fördert er seine eigene Entwicklung und wird zu einem/einen aktiven GestalterIn des Lebens. In der Erwerbsarbeit ist es möglich die eigenen Fähigkeiten anderen zur Verfügung zu stellen, womit das Gefühl des Nutzens und des gebraucht Werdens bestärkt wird. (vgl. Benken, 2010, 7) Der Mensch kann aus seinem eigenen Horizont heraustreten. Wenn die Suche nach Aufgaben über einen längeren Zeitraum jedoch erfolglos bleibt, können Krisen den Menschen bedrohen. (vgl. Hirsch & Lindmeier, 2006, 203)

3.1. Die Bedeutung von Arbeit / Erwerbsarbeit für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Lange Zeit galt für den Menschen mit Lernschwierigkeiten das Motto: "Arbeit ist die beste Medizin". Mittels Arbeit sollten sie in Institutionen für Idioten und Schwachsinnige (im 19. Jahrhundert) wieder Nutzen für die Gesellschaft erlangen. Die Arbeit diente als Erziehungsmittel für Ordnungssinn, Disziplin und sittliche Werte, dabei sollten ebenso der Willen und Verstand gebildet werden. (vgl. Cloerkes & Kastl, 2007, 101) Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden bis in die Gegenwart der Rehabilitationpolitik und der Rehabilitationsbetriebe (etwa Behidertenwerkstätten), lediglich das Umfeld und die Umsetzung verloren an disziplinärer Stränge und Kontrolle. Weiterhin besteht das Ziel Menschen mit Lernschwierigkeiten durch Beschäftigung in Sondereinrichtungen zu rehabilitieren, um gesellschaftlich partizipieren zu können. Menschen mit Lernschwierigkeiten werden aus der Gesellschaft in Einrichtungen segregiert, um sie zu einem/einer wertvollen BürgerIn zu erziehen, um sie anschließend wieder dort hin entlassen zu können.

Wenn wir den Fokus auf den Wert der Beschäftigung oder Arbeit für den Menschen mit Lernschwierigkeit legen, ist erkennbar, dass Arbeit die selben Funktionen und Auswirkungen für diese Menschen hat, im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen. Betrachtet man die soziale Bedeutung von Arbeit für den Menschen, im Bezug auf Lebensunterhalt und Statuserwerb, ist laut Scholz (2012) davon auszugehen, dass Arbeit für Menschen mit Lernschwierigkeiten die gleiche, wenn nicht sogar größere Rolle spielt, als für Menschen ohne Behinderungen. Der Arbeitsplatz als Ort der Sozialissation und der Teilhab ist essentiell für die Möglichkeit der Selbstverwirklichung, da Menschen mit Lernschwierigkeiten durch die nicht gegebene Barrierefreiheit in ihrer Teilhabemöglichkeit in der Freizeit eingeschränkt sind und so der Arbeitsplatz oft als einzige Möglichkeit der Interaktion zur Verfügung steht.

Die Bedeutung von Arbeit für einen Menschen kann und darf nicht an dem zeitlichen Umfang der Arbeitszeit gemessen werden. Wenn ein behinderter Mensch auf Grund seiner Beeinträchtigung lediglich eine Stunde am Tag in einer Arbeitsgemeinschaft verbringen und dort aktiv mitwirken kann, ist dies mit einer Vollzeitarbeitsstelle zu vergleichen. Das Mitwirken in einem Arbeitsprozess darf nicht nur an den wirtschaftlichen Kriterien gemessen werden, da das eingebrachte Interesse von dem Menschen mit Behinderung und dem Zugang zum Geschehen in der Arbeitsgruppe denselben Wert besitzt, wie eine korrekt ausgeführt Arbeitsbewegung. (vgl. Hirsch & Lindmeier, 2006, 204)

3.2. Die Bedeutung der Arbeitsbewegung für Menschen mit Behinderungen

Die Bewegungsfähigkeit des Körpers hat für den Menschen laut Hirsch & Lindmeier (2006) eine wichtige Rolle. Diese Fähigkeit muss sich der Mensch, im Gegensatz zum Tier, erst erarbeiten. Im Säuglingsalter werden willkürliche Bewegungen erprobt, womit der Körper Schritt für Schritt verfügbar und ergriffen wird. Mit dem zunehmenden willkürlichen Bewegungen ist es dem Kind möglich sich in seinem Körper zu beheimaten und der Zugang zur Welt erweitert sich. Der Mensch kann durch die Körperbewegung gezielt in die Welt eingreifen. Ein synthetischer Vorgang tritt in Kraft, in der der Körper ganzheitlich wahrgenommen und bewegt werden kann, der sich mit dem analytischen Vorgang verbindet die Dinge der Welt unterscheiden zu können. Im Laufe der Zeit werden die Bewegungen individueller, wodurch sich in dieser Aktion alle Einschränkungen und seelischen Schwierigkeiten offenbaren. "Jede Bewegung, die neu ergriffen oder die ausdrucksstärker ausgeführt wird, jede Individualisierung von Bewegung betrifft zugleich die ganze Entwicklung des Menschen." (z.v. ebd., 212)

Menschen mit Behinderungen haben oft nicht die Fähigkeit einmalige, zielgenaue und schnelle Bewegungen in der Arbeitsbewegung zu koordinieren. Deshalb ist es notwendig eine Bewegung rhythmisch zu wiederholen, damit eventuelle stereotype Bewegungen in Fluss kommen und diffuse Bewegungen eigenaktiver und zielorientierter durchgeführt werden können. In der rhythmisch vollzogenen Bewegung liegt die seelische Qualität zwischen einer zielgerichteten und differenzierten Arbeitsbewegung und einem Tanz. Bewegung beinhaltet ebenfalls die Möglichkeit der nonverbalen Kommunikation. Menschen die sich im Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess gemeinsam bewegen, kommunizieren miteinander. (vgl. ebd., 211)

In diesem Konzept "Arbeit und Bewegung" ist erkennbar, wie wertvoll ein Arbeitsplatz für die persönliche physische und psychische Entwicklung des Menschen mit Behinderung ist. Eine Bewegung ist ein natürlicher Vorgang, der im Arbeitsprozess zur Weiterentwicklung beitragen und auch Teil der der Kommunikation sein kann. Durch die Arbeitsbewegung können Kontakte geknüpft und die Kommunikationsfähigkeit trainiert, sowie die Eigenmotivation und Zielstrebigkeit gestärkt werden. Um dieses Potential nutzen zu können, ist es notwendig Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht vor der Teilhabe an der Arbeitswelt zu "schützen".

Der nächste Abschnitt der Arbeit gibt Auskunft über die Situation für Menschen mit Behinderungen sowie Menschen mit Lernschwierigkeiten am Arbeitsmarkt. Neben der statistischen Darstellung von Arbeitslosenraten und Tendenzen werden Faktoren und Ursachen erarbeitet, die zu dieser prekären Situation beitragen und welche Folgen sie bedingen.

4. Exklusion am ersten Arbeitsmarkt von Menschen mit Lernschwierigkeiten

"Nur der maximale produktive Mitarbeiter trägt zum angestrebten maximalen Erfolg des Unternehmens bei, jeder Mitarbeiter, der dazu physisch, psychisch oder nach seinen fachlichen Kompetenzen nicht in der Lage ist, verhindert dass der mögliche und erwartbare Erfolg des Unternehmens erreicht wird." (z.v. Schwalb & Theunissen, 2013, 27)

Das Zitat spiegelt das klassiche ökonomische Eroflgsdenken wider, das im Widerspruch zum inklusiven Paradigma der Chancengleichheit steht. Menschen mit Lernschwierigkeiten können in diesem System nicht partizipieren, auf Grund schlechter Aus-, Fort- und Berufsbildung sind sie besonders von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen. Der Weg in eine "beschützte" Sondereinrichtung im Erwachsenenalter ist eine gängige Konsequenz aus der subjektiv und objektiv erfahrenen Isolation in der Lebensbewältigung. Die Familien von Menschen mit Lernschwierigkeiten erhoffen sich die Beendigung des gesellschaftlichen Rechtsfertigungszwanges und eine angemessen Anerkennung und Berücksichtigung ihrer Lebensumstände. Mit dem Wissen das gemeinsame Lernen und Leben von Nichtbehinderten und behinderten Menschen zu unterbrechen. (vgl. Friedrich, 2006, 28) Nach den Angaben der Kommission der europäischen Gemeinschaft 2005 waren 40 Prozent der Menschen mit Behinderungen erwerbstätig, gegenüber 64 Prozent der Menschen ohne Behinderungen. Die Höhe der nicht erwerbstätigen Menschen ist sowohl auf die geringe Wiedereingliederung nach langandauernden Gesundheitsproblemen oder Behinderungen zurück zu führen, als auch auf das geringe Bildungs- und Berufsbildungsniveau. (vgl. Cloerkes & Kastl, 2007, 175) Damit wird deutlich, dass nicht die Behinderung der Exklusion am Arbeitsmarkt zugrunde liegt, sondern die behindernden Strukturen der vorhandenen Betriebe und des Arbeitsmarktes. Ohne eine Rückbesinnung auf eine Unternehmens- und Wirtschaftsethik können keine Wege zum Abbau von Barrieren bestritten werden, sowie ohne den Auftrag des Kompetenzaufbaus bei betroffenen Personen, zur Befähigung der Nutzung von inklusiven Sturkturen. Dies ist die Grundlage um Personen mit eingeschränkten Möglichkeiten an produktiven ökonomischen Prozessen zu beteiligen und sie als wertgeschätze MitarbeiterInnen innerhalb des Betriebs anzuerkennen. (vgl. Schwalb & Theunissen, 2013, 27f)

Dieses Kapitel soll objektiv die Lebenssituation von Menschen mit Lernschwierigkeiten am ersten Arbeitsmarkt darstellen, sowie die Faktoren, die sie an der Partizipation behindern und welche Auswirkungen diese Segregation auf die Lebensqualität und Lebenswelt haben kann. Es wird Aufschluss über die Komplexität, Härte und Barrieren der Systeme am Arbeitsmarkt geben, die Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer Freiheit und Bestimmung behindern.

4.1. Ein Aufriss der Situation von Menschen mit Lernschwierigkeiten am ersten Arbeitsmarkt in Österreich

Im europäischen Vergleich kann festgestellt werden, dass die Datenlage und Datenerfassung zur Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen lückenhaft ist. (vgl. König, Postek, & Stadler-Vida, 2011, 12) Grundsätzlich weist der Staatenbericht der Bundesregierung darauf hin, dass der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung offen ist. In der Arbeitswelt gibt es aber de facto zwei Klassen von behinderten Menschen: die erwerbsfähigen und die bereits vor einem Eintritt ins Arbeitsleben erwerbsunfähigen Personen mit Behinderungen. Ein erwerbsunfähiger Mensch besitzt eine geringere Leistungsfähigkeit von 50 Prozent und wird somit aus den rechtlichen Rahmenbedingungen von nichtbehinderten Menschen ausgeschlossen. Behinderte Personen hingegen mit mehr als 50 Prozent Leistungsfähigkeit haben Anspruch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen von nichtbehinderten Personen und haben zudem Anspruch auf Unterstützungsleistungen.

Eine Form der Unterstützungsleistung stellt die im Behinderteneinstellungsgesetz geregelte Quotenregelung dar. Durch diese Regelung sind Unternehmen mit mehr als 25 DienstnehmerInnen dazu verpflichtet, eine ArbeitsnehmerIn mit Behinderung einzustellen. Widersetzt sich ein Unternehmen dieser Regelung, muss eine Ausgleichstaxe geleistet werden. Einige Personengruppen, wie etwa blinde Menschen, begünstigte behinderte Menschen oder Menschen die einen Rollstuhl benutzen, werden doppelt auf die Quote angerechnet. ArbeitgerberInnen, die begünstigte behinderte Menschen beschäftigen, die sich in Ausbildung befinden, erhalten eine Prämie in der der Höhe der Ausgleichstaxe. Die Ausgleichstaxe fließt in den sogenannten Ausgleichstaxfond ATF, der für die berufliche Förderung begünstigter behinderter ArbeitsnehmerInnen verwendet wird. Außerdem werden die Mittel für die Errichtung und den Ausbau von Integrativen Betrieben verwendet.

Betriebe und Unternehmen können bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen eine Vielzahl von Begleitenden Hilfen in Anspruch nehmen: Arbeits- und Berufsbildungsassistenz, technische Ausstattung des Arbeitsplatzes, Jobcoachig und Clearing, sowie persönliche Assistenz. Auch erhalten sie finanzielle Unterstützungen vom Staat in Form von Integrations-, Entgelt-, Arbeitsplatzsicherungsbeihilfen, Zuschüsse zu den Lohn-/Ausbildungskosten oder Leistungen für die behindertengerechte Adaptierung. (vgl. Schwalb & Theunissen, 2013, 85f)

4.1.1. Erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen

Erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen haben also die Möglichkeit am ersten Arbeitsmarkt zu partizipieren, trotzdem sind sie von Arbeitslosigkeit und Prekarität belastet, wie die folgende statistische Auflistung zeigen wird.

In Österreich waren 2001 29.767 Personen mit Behinderungen am österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos gemeldet. Dies entsprach 14,6 Prozent der Gesamtarbeitslosenrate. Im darauf folgenden Jahr 2002 erhöhte sich die Arbeitslosenrate von behinderten Menschen auf 31.037, der negative Höhepunkt. In den Jahren 2003 bis 2005 zeigte das Projekt der "Behindertenmilliarde" Wirkung, wodurch verstärkt arbeitspolitische Investitionen durchgeführt wurden. In diesem Zeitraum sank die Zahl der arbeitslos vorgemerkten Menschen mit Behinderungen, der Tiefstand wurde 2005 erreicht mit 28.537 arbeitslosen behinderten Personen. Dies entsprach dem Anteil an der Gesamtarbeitslosenrate von 11,29 Prozent. Dieser positive Trend konnte jedoch nicht beibehalten werden, so stieg 2006 die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderungen erneut um 1,8 Prozent auf 29.058. Der Anteil von behinderten Männern und Frauen differiert nach Beczynski (2010) im dem Sinn, dass Männer vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen seien als Frauen. 63,3 Prozent der im Jahr 2006 als arbeitslos gemeldete Personen waren männlich, 36,7 Prozent hingegen weiblich. Diese Angaben müssen dahingehende betrachtet werden, dass in diesen Auswertungen keine SchulabgängerInnen oder Personen, die nicht beim AMS als arbeitslos gemeldet sind miteinbezogen wurden. Zudem ist die Definition von Behinderung, die im AMS in Verwendung ist, bei Experten umstritten, da der Begriff deutlich breiter gefasst ist, als die des Bundessozialamtes. Der ärztlich festgestellt Grad der Behinderung ist für das AMS irrelevant. (vgl. ebd., 73f)

Die folgende Tabelle wurde der Homepage www.arbeitundbehinderung.at entnommen, die unter anderem vom Bundessozialamt, AMS und der AK gefördert wird und Angaben zur Anzahl von arbeitslos gemeldeten behinderten Personen im Zeitraum 2007 bis 2012 preisgibt.

Tabelle 1:

(http://www.arbeitundbehinderung.at/de/arbeitsmarkt/arbeitsmarktdaten/gesamtarbeitslosigkeit.php) (25.04.2013)

 

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

Gesamt

29.058

31.392

31.263

35.673

35.664

36.439

39.978

Frauen

10.647

11.944

11.828

12.947

13.250

13.985

15.412

Männer

18.411

19.448

19.435

22.726

22.414

22.455

24.526

Bei der Betrachtung der Tabelle kann festgestellt werden, dass die Anzahl von arbeitslosen Menschen mit Behinderungen in den Jahren 2006 bis 2012 stetig anstieg, bis auf einen geringen Rückgang im Jahr 2008. Einen massiven Anstieg der Arbeitslosenrate von 3.539 behinderten Personen gab es im Jahr 2012. Äquivalent dazu ist der Anstieg von 113.941 arbeitslosen Personen der gesamten Arbeitslosenrate im selben Jahr.

An dieser Tabelle ist ebenfalls deutlich der Unterschied zwischen dem Anteil von männlichen und weiblichen arbeitslosen behinderten Menschen abzulesen. Bei beiden Geschlechtern stieg die Arbeitslosenrate an (bei den Frauen um 4.765 arbeitslosen Personen und bei den Männern um 6.115 arbeitslose Personen), bei den Männern hingegen stärker und sie schienen vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Dieser Trend kann auch darauf zurückgeführt werden, dass bei der Sozialisation von behinderten Menschen vermehrt auf traditionelle Rollenmuster zurückgegriffen wird, wobei die Frauen in der häuslichen Arbeit und Umgebung im Alter verbleiben und die Männer versuchen in der Arbeitswelt zu partizipieren. In Friedrich (2006) wird dargestellt, dass Frauen mit Behinderungen bei beruflichen Übergängen besonders von Diskriminierung betroffen sind. Trotz gesetzlich geförderter Maßnahmen haben Frauen mit Lernschwierigkeiten eine deutlich geringere Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt als arbeitslose Männer, sie sind auch in Bereichen der beruflichen Rehabilitation um 30 Prozent unterrepräsentiert. Ebenso verhält es sich bei der aktiven Förderung von Übergängen aus dem Sondermarkt. Ein Faktor für diese Entwicklung sind tradierte gesellschaftliche Bilder, nach denen der berufliche Aufstieg eher bei Männern, als bei Frauen mit Lernschwierigkeiten erforderlich erscheint. (vgl. ebd., 81)

4.1.2. Erwerbsunfähige Menschen mit Behinderungen

Erwerbsunfähige Menschen werden in dem vom Arbeitsmarkt geschützten Sektor der Tagesstrukturen, insbesondere der sogenannten Beschäftigungstherapie, fähigkeitsorientierten Aktivität oder Arbeit in Werkstätten segregiert und kommen in den Statistiken des AMS nicht vor. Derzeit arbeiten ca. 19.000 Menschen mit Behinderungen in diesem Sektor und dürfen keiner Erwerbsarbeit nachgehen, auf Grund ihrer diagnostizierten "Minderleistungsfähigkeit". Die "erwerbsunfähigen" Menschen besitzen eine mangelhafte unzureichende Absicherung und sind auf den Vollzug des jeweiligen Landesbehinderten- und Sozialhilfegesetzes angewiesen. Sie erhalten für ihre geleistete Arbeit kein kollektivvertragliches Entgelt, sondern ein Taschengeld. Auf Grund dessen erfolgt ihre Existenzsicherung durch Eltern, Waisenpensionen, Familienbeihilfe und in manchen Bundesländern Sozialhilfeleistungen. Eine weitere Konsequenz dieser Form der Beschäftigung ist der fehlende Anspruch auf Sozialversicherung, da in Österreich die gesetzliche Sozialversicherung erwerbsabhängig ist. Deshalb fehlt den Betroffenen ebenso der Anspruch auf eine eigenständige Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung und MitarbeiterInnenvorsorge, sowie die Möglichkeiten auf ArbeitnerhmerInnenschutz, Urlaub, Krankenstand, usw. Da als erwerbsunfähig gemeldet Personen mit Behinderungen keinen Anspruch auf Arbeitslosenversicherung haben, scheinen sie nicht in den Statistiken des Arbeitsmarktservices auf und werden daher leicht übersehen.

Diese gesetzliche Regelung der Klassifizierung von zwei Arten von behinderten Menschen stellt eine Diskriminierung der Menschen mit verminderter Leistungsfähigkeit dar und ist laut Schwalb & Theunissen ein Verstoß gegen die von Österreich ratifizierte UN Konvention. Diese Diskriminierung hält eine große Gruppe von Menschen vom Arbeitsmarkt fern, wodurch der Arbeitsmarkt, im Gegensatz zum österreichischen Staatenbericht, nicht offen für alle Menschen mit Behinderungen ist. (vgl. ebd., 86f)

4.1.3. Begünstige Behinderte

In Österreich ist es möglich den Status eines/r begünstigten Behinderten zu erlangen, durch Voraussetzungen, die im Behinderteneinstellungsrecht verankert sind. Begünstigte Behinderte müssen nach dem Gesetz österreichische StaatsbürgerInnen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH sein. Ihnen sind Personen denen in Österreich Asyl gewährt wurden, sowie Personen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum mit demselben Mindestmaß an Behinderung gleichgestellt. Der Grad der Behinderung wird mittels medizinischer Unterlagen im Bundessozialamt ermittelt. Nicht aufgenommen werden können Personen, die noch in Schul- bzw. Berufsausbildung sind, das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht mehr in Beschäftigung stehen, Personen die eine Alters- bzw. Erwerbsunfähigkeitspension beziehen oder Menschen, die auf Grund der Schwere ihrer Behinderung nicht in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können.

Der Vorteil als begünstigte/r Behinderte/r attestiert zu werden liegt im Anspruch auf einen speziellen Kündigungsschutz. Eine Kündigung eines/r begünstigten Behinderten kann erst nach Zustimmung des Behindertenausschusses der zuständigen Landesstelle ausgesprochen werden. (vgl. Beczynski, 2010, 27f)

Nach Beczynski waren 2007 93.624 Personen als begünstigte Behinderte gemeldet. Nach einer AMS Arbeistlosen-Statistik[4] waren im selben Jahr 5.389 begünstigte Behinderte als arbeitslos gemeldet, was einem Anteil von 5,76 Prozent entspricht. 2012 entsprach die Anzahl begünstigter Behinderter 94.910[5], wovon 7.241 beim AMS als arbeitslos gemeldet waren, ein Anteil von 7,63 Prozent. Nach diesen Statistiken ist zu erkennen, dass begünstigte Behinderte nicht so stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Andererseits bestehen auch Vorbehalte bei Betrieben, begünstigte Behinderte auf Grund des verstärkten Kündigungsschutzes aufzunehmen.

4.2. Gesellschaftliche und ökonomische Faktoren, die zur Exklusion am ersten Arbeitsmarkt führen

Es herrschen sowohl ökonomische, sowie gesellschaftliche und soziale Faktoren vor, die dazu beitragen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten ihren Weg in den Sondermarkt wählen (oder wählen müssen) und auf die Partizipation im ersten Arbeitsmarkt freiwillig oder gezwungenermaßen verzichten. Diese Vielfalt an Ursachen und Faktoren zeichnet ein komplexes Gebilde an Barrieren, Vorurteile und antisolidarischen Verhaltensweisen ab, das den Menschen mit Lernschwierigkeit in seiner Entwicklung, Entfaltung und in seinem menschlichen Recht auf berufliche Teilhabe beschneidet.

4.2.1. Barrieren

Verschiedenste Barrieren, seien sie in materieller oder intellektueller Form, tragen dazu bei, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht am ersten Arbeitsmarkt partizipieren können oder wollen. Als das größte Hindernis an der Teilnahme am Erwerbsleben wird nach der Kommission der Europäischen Gemeinschaft die Sozialleistungsfalle genannt. Es handelt sich dabei um die Gefahr, dass bei einer Arbeitsaufnahme Sozialleistungen verloren gehen können und dabei in eine Inaktivitätsfalle geraten. Eine weitere Barriere stellt die Angst der Unternehmen dar Menschen mit Lernschwierigkeiten aufzunehmen, Angst vor kostenintensiver Anpassung des Arbeitsplatzes, Folgekosten oder lediglich vor dem Unbekannten. Betriebe erstellen daher eine "Kosten-Ertrags-Abwägung", wobei die Zahlung der Ausgleichstaxe gegenüber der Einstellung eines behinderten Menschen als kostengünstiger erscheinen kann. Bei allen Faktoren ist die Rekrutierungshemmnis entscheidend, die diese Menschen davon abhält, sich offen gegenüber Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz oder deren verminderter Leistungsfähigkeit zu verhalten. (vgl. Cloerkes & Kastl, 2007, 181ff) Gründe für eine Nichterwerbstätigkeit können ebenso starke Negativreize für behinderte Menschen am Arbeitsmarkt sein. (vgl. OECD, 2003, 67) Es werden kaum Anreize geschaffen, die Menschen mit Lernschwierigkeiten die Arbeit im ersten Arbeitsmakrt schmackhaft machen, im Gegenteil entsteht dadurch das Gefühl des unerwünscht Seins, eine Belastung oder nicht gut genug für die Arbeit zu sein.

Im folgenden Abschnitt werden konrete Barreieren angeführt. Diese Faktoren führen zu einer Exklusion von Menschen mit Lernschwierigkeiten am ersten Arbeitsmarkt.

4.2.1.1. Prekäre berufliche Übergänge von Menschen mit Lernschwierigkeiten

Menschen mit Lernschwierigkeiten wird eine Entwicklung in das Erwachsenenstadium oft nicht zugetraut. Sie werden in den statischen Zustand des Kind-seins zementiert, womit die dynamische Entwicklung des heranwachsenden Menschen reduziert bzw. völlig verhindert wird. Dieses Phänomen schlägt sich im Verlauf der individuellen Lebensgeschichte nieder, so ist die Biografie von Menschen mit Lernschwierigkeiten durch des Status des Ausgeschlossenen geprägt. Ein typischer Lebensverlauf beinhaltet nach Friedrich (2006) folgende negative Erfahrungen:

  • "Benachteiligung bei (beruflichen) Optionen,

  • Einschränkung des Zugangs zu typischen Lebensrollen,

  • eingeschränkte soziale Erwartungen und Verantwortungsübertragung,

  • wenig objektive und subjektive Widerstandspotenziale

  • kaum Erfahrungen bei der Formulierung eigener Wünsche und Ziele,

  • Integration als Einfügen in vorgegebene Lebenschancen und -orte

  • Beschränkte Zumutung von Lebensrisiken und einer bewussten Bewältigung von Entwicklungsherausforderungen." (z.v. ebd., 69)

Diese Erfahrungen erstellen eine fragile Biografie mit kumulativen Benachteiligungen, die von lebenslanger Stigmatisierung, reduzierte Sozialisationschancen und durch ein Leben in Institutionen in eingeschränkten Rollen geprägt ist.

Ein möglicher Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt birgt für Menschen mit Lernschwierigkeiten ein hohes Vulnerabilitätspotenzial, auf Grund der hohen emotionalen Belastung und der komplexen Rollenherausforderungen. (vgl. ebd., 69ff) Durch die bereits bestehenden biografischen Belastungen und negativen biografischen Erfahrungen, ist der Übergang zum ersten Arbeitsmarkt ein Wagnis, das oftmals nicht eingegangen wird oder werden kann. Zur eigenen und der Sicherheit der Familie wird folglich der Weg in den Sondermarkt gewählt, welcher frei von Risikofaktoren das Leben des/der Betroffenen stabilisiert, strukturiert und Sicherheit vermittelt.

4.2.1.2. Antisolidarisches Verhalten

Die Thematik des antisolidarischen Verhaltens stützt sich auf Josef Berghold, der in seinem Buch "Feindbilder und Verständigung" psychologische Faktoren herausarbeitet, die zu antisolidarischen Verhalten und zur Konstruktion von Feindbildern führen. Dabei führt er fünf verschiedene Motive des Menschen an: "Widerstände gegen den Verzicht auf wirtschaftliche Privilegien", "Beschwichtigung narzisstischer Defizite", "Beschwichtigung gegen Gefühle der Hilf- und Hoffnungslosigkeit", "Widerstände selbstschädigender Art" und "Zwanghafte Bedürfnisse nach Feindbilder". Für die Exklusion am ersten Arbeitsmarkt spielt der "Widerstand gegen der Verzicht auf wirtschaftliche Privilegien" eine wichtige Rolle.

Wirtschaftlich Privilegierte weigern sich für eine gerechte Verteilung der Ressourcen einzustehen, trotz des Wissens einer daraus resultierenden drohenden globalen Vernichtung. Diese Uneinsicht auf Teile der persönlichen wirtschaftlichen Ressourcen und Privilegien zu verzichten, wird durch den zweckrationalen Egoismus hervorgerufen, der aus zwanghaft unbewussten Motiven entsteht. Aus diesem Verhalten entsteht ein Sozialdarwinistisches Zusammenleben, das unweigerlich zur Ausrottung von Minderbemittelten führt und das "Survival of he fittest" bestärkt. Nach Berghold wird diese Entwicklung zur globalen Vernichtung führen. Der Zweckrationale Egoismus hat die Möglichkeit alle Bedenken von Untergangs-Szenarien zu überschatten, wodurch die Widerstände nicht gebrochen werden können. (vgl. Berghold, 2007, 89f)

Die "Beschwichtigung narzisstischer Defizite" führt zu suchtartigen Verhalten nach sozialer Herabwürdigung von Schwächeren und Ärmeren. Dabei leiden diese Personen unter schweren narzisstischen Defiziten und Unsicherheiten, weshalb sie an wirtschaftlichen Annehmlichkeiten festhalten müssen und ihre Defizite durch antisolidarisches Verhalten kompensieren müssen. (vgl. ebd., 90f)

Das nächste angeführte antisolidarische Motiv von Berghold "Beschwichtigung gegen Gefühle der Hilf- und Hoffnungslosigkeit", stellt eine Folge von narzisstischer Unsicherheit dar. Menschen die unter dem Widerstand gegen Hilf- und Hoffnungslosigkeit leiden, wollen/können ihrer eigenen existenziellen Fragilität nicht ins Auge blicken, hervorgerufen durch überwältigende Bedrohungen und unüberwindbaren Hindernissen gegen die Realisierung globaler Solidarität. Dieser Widerstand dient den Menschen zur Aufrechterhaltung des seelischen Gleichgewichts. (vgl. ebd., 92f)

Der Gegenpol der vorher genannten Widerstandsmotivation zur Abwehr der Bewusstwerdung von Hilflosigkeit und Verletzbarkeit ist der "Widerstand selbstschädigender Art". Selbstschädigende, masochistische Widerstände haben ihren Ursprung im feindseligen und strafwürdigen Über-Ich, das unbewusste Ängste und Schuldgefühle mobilisiert "angesichts der Überwindung von Angst, Leiden und Entbehrung, oder angesichts von Aussichten von Wohlergehen, Glück und Erfüllung." (z.v. Berghold, 2007, 93) Obwohl der Vorgang irrational und unbewusst ist, verfestigen sich die Gedanken im bewussten Denken. Der Begriff des "Opfer-Sinns" bildet eine passende Umschreibung dessen, sowie die Haltung "Ehrfurcht vor dem Aufopfern um seiner selbst willen." (vgl. ebd, 93f)

Das letzte Motiv des "Zwanghaften Bedürfnisses nach Feindbildern" stellt ebenso ein Bedürfnis nach Dämonisierung, Verachtung, Inkarnationen des Bösen und Sündenböcken dar. Zu diesen Feindbildern ist ein ernsthafter Dialog oder eine gemeinsame Verantwortung undenkbar, die persönlichen Haltungen sind von Vorurteilen und Kategorisierungen geprägt. Freud beobachtete, dass eine Gruppe von Menschen stets die Möglichkeit hat sich zu lieben, so lange eine Gruppe zur Äußerung der Aggression vorhanden ist. Ein suchtartiges Bedürfnis nach Objekten der Dämonisierung und Verachtung hat im Wesentlichen die Funktion der Stabilisierung. Verdrängte, unterschwellig unerträglich schlechte und verächtliche Impulse werden auf Sündenböcke und die Außenwelt projiziert, um sich selbst davon zu befreien. In folgenden Annahmen, dass die Fremdgruppe gefährlich oder machtgierig sei, wird das typische Zusammenfallen von Dämonisierung und Verachtung sichtbar. Zusätzlich treten Widersprüche auf, in denen die feindliche Gruppe gleichzeitig als schwach und wehrlos wahrgenommen wird. Demnach kann eine Gruppe gleichzeitig dämonisch-gefährlich, sowie auch verächtlich-schwächlich sein. (vgl. ebd., 94ff)

4.2.1.2.1. Rückschlüsse

Die Motivation Widerstände gegen den Verzichtauf wirtschaftliche Privilegien ist gesellschaftlich erkennbar, man denke nur an das geringe monatliche Einkommen, das Menschen mit Lernschwierigkeiten zur Verfügung steht, im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen. Zu den weiteren wirtschaftlichen Privilegien zählt das Recht auf Arbeit im ersten Arbeitsmarkt. Trotz des österreichischen Einstellungsgesetztes, des österreichischen Behindertengleichstellungsgesetzes und der Quotenregelung, wonach behinderte Menschen ein Recht auf Erwerbstätigkeit besitzen, bevorzugen Betriebe der Verantwortung durch den Betrag der Ausgleichstaxe zu entfliehen, anstatt ihr Privileg einer Festanstellung im ersten Arbeitsmarkt zu teilen. Daraus ergibt sich, wie auch Berghold beschreibt, unweigerlich eine immer größer werdende Kluft zwischen privilegierten und nicht-privilegierten Menschen, deren Egoismus eine realistische Gesellschaftssicht überschattet.

Narzisstisches Verhalten, welches dazu führt sich antisolidarisch gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten zu zeigen, kann im wirtschaftlichen Kontext erkannt werden. In diesem Punkt geht es darum die eigenen Unsicherheiten und Defizite durch die Herabwürdigung vermeintlich Schwächerer zu kompensieren. (vgl. ebd, 90f) Menschen mit Lernschwierigkeiten werden oft als Schwächer und Ärmer wahrgenommen, wodurch sie ein leichtes Ziel sozialer Abwertung bieten. In Vorurteilen können sich zum Beispiel diese Herabwürdigungen wieder spiegeln: Behinderte Menschen seien faul; Behinderte Menschen liegen dem Staat nur auf der Tasche; etc. Diese Vorurteile tragen dazu bei, dass sich Betriebe davor scheuen Menschen mit Lernschwierigkeiten einzustellen, da sie vermeintlich zu schwach sind, um in der Arbeitswelt bestehen zu können.

Die Beschwichtigung von Gefühlen der Hilfs- und Hoffnungslosigkeit führt dazu, dass Menschen ohne Behinderungen die sozialen und wirtschaftlichen Probleme von Menschen mit Lernschwierigkeiten erkennen, jedoch hält der Widerstand sie davon ab mit ihnen gemeinsam dagegen anzukämpfen. Sie sind von ihren eigenen Hilf- und Hoffnungslosigkeitsgefühlen überwältigt und können sich von ihrem Narzissmus nicht befreien, um sich sicher zu fühlen.

Das Motiv des Widerstandes selbstschädigender Art verleitet Menschen dazu sich selbst als Opfer zu betrachten wodurch solidarische Handlungen unterlassen werden. Menschen mit Lernschwierigkeiten tragen selbst eine Opferrolle (sie haben sie gesellschaftlich zu tragen), die auch in Medien (Werbespots, Bildern, etc.) gewollt publiziert wird. Es können also Widerstände auftreten, die eine Solidarisierung mit behinderten Menschen unterbinden, da man selbst das Opfer bleiben will, zur Aufrechterhaltung des Mitleides und Zuwendung anderer.

Das Thema des zwanghaften Bedürfnisses nach Feindbildern zieht sich durch die Weltgeschichte und findet immer wieder neue AktuerInnen und Betroffene. In der Neuzeit, zum Teil bis ins 20. Jahrhundert in Teilen Europas, wurden auch behinderte Menschen als dämonisch und Strafe Gottes angeprangert. Nach der damaligen animistischen Auffassung strahlte das Dämonische eines behinderten Menschen auch auf die Umgebung, wodurch sie als Feinde und Sündenböcke deklariert werden konnten. (vgl. Hofmüller & Stekl, 1982) Das hatte zur Folge, dass sie weggesperrt oder auch vernichtet wurden. In der Nationalsozialistischen Zeit in Europa wurde die Sündenbocktheorie und die Schaffung von Feindbildern wieder aufgegriffen. Die Menschen projizierten ihre eigenen schlechten und "dämonischen" Anteile nach außen auf Andere, um sich davon zu befreien. Es trat das widersprüchliche Phänomen auf, dass behinderte Menschen gleichzeitig als dämonisch-gefährlich und verächtlich-schwächlich empfunden wurden. Heute werden Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mehr dämonisiert, jedoch werden sie weiterhin als Sündenböcke verwendet, wenn es um hohe Ausgaben bei Sozialleistungen oder um gesellschaftliche Konkurrenzfähigkeit geht.

4.2.1.3. Gesteigerte Anforderungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt

Aktuelle Entwicklungen am ersten Arbeitsmarkt wirken sich negativ auf die Möglichkeiten der Teilhabe für Menschen mit Lernschwierigkeiten aus. Menschen mit Behinderungen gelten am Arbeitsmarkt als "Arbeitskraft minderer Güte", da diese Gruppe von Menschen mit der durchschnittlichen Produktivitätsentwicklung nicht mithalten konnte und im Laufe der Industrialisierung an die "kostengünstige" Verwaltung der Sonderreinrichtungen übergeben wurde. (vgl. Cloerkes & Kastl, 2007, 108) Der Schlüssel für eine erfolgreiche Partizipation scheint Qualifikation zu sein, Qualifikation als der entscheidende Wettbewerbsfaktor auf dem Arbeitsmarkt. Welche zusätzlichen Trends zu erschwerten Bedingungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten am Arbeitsmarkt führen wird in diesem Abschnitt dargestellt.

Die Ausbreitung der Globalisierung trägt dazu bei, dass einfache und wenig know-how-intensive Tätigkeiten entweder hochautomatisiert werden oder auf Grund der geringen Personalkosten ins Ausland verlagert werden. Eine weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt ist die frotschreitende Informatisierung, die sich in der Verbreitung und Nutzung von Informations- undd Kommunikationstechnologien in Betrieben zeigt. Diese technologische Dynamik stellt einerseit eine hohe Anforderungen an die Innovationstätigkeit des Unternhemens und andererseits bedingt sie Qualifikationen und Flexibilität bei den Beschäftigten. Die Unternehmen der freien Wirtschaft zielen auf Rationalisierung und Gewinnmaximierung hin, wodurch die Ansprüche an die Qualifikationen und Fähigkeiten der MitarbeiterInnen steigen. (vgl. Scholz, 2012, 34) Der Trend der veränderten Arbeitszeitmodelle fordert bei den MitarbeiterInnen ein hohes Maß an Flexibilität und Selbstbestimmung, sie sind verstärkt den Gefahren der Selbstausbeutung und der Vermischung von Arbeits- und Freizeit bedroht. Durch diese Entwicklung schreitet die "Erosion des Normalarbeitsverhältnisses" voran und atypische Beschäftigungsformen (befristed, Teilzeit, geringfügige Beschäftigung, etc.) steigen an. (vgl. Kubek, 2012, 123ff) Auf das Thema atypische oder perkäre Beschäftigungsverhältnisse wird im Punkt 4.3.2. "Prekäre Lebensumstände" eingegangen.

In Kubek (2012) werden Trends der Belastung und Beanspruchung auf den Arbeitsplätzen Anfang der 1990er herausgearbeitet, die heute immer noch Aktualität besitzen.

  • Arbeit wurde stark intensiviert. Sie erfordert zunehmends eine stärkere geistige Konzentration und eine erhöhte vegetative und nervliche Anspannung.

  • Belastungen der Aufmerksamkeit nahmen stark zu.

  • Die heutige Arbeit erfordert eine ungleich höhere Intelligenz als zu früheren Zeiten, wobei die Qualifikation einen maßgeblichen Faktor darstellt.

  • Im Lauf der Weiterentwicklung des Arbeitsmarktes sind Arbeitsteilung und Spezialisierung die Regel geworden. Auch hat die Leistungsverdichtung an vielen Arbeitsplätzen zugenommen.

  • Maßgebliche Belastungsfaktoren stellen Angst und Unsicherheit im Beruf dar.

  • Die neuen Technologien prägen die Zukunft der Industriegesellschaft.

  • Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten schreitet voran und das Rationalisierungstempo nimmt weiter zu. (vgl. ebd., 127f)

Diese zunehmend komplexeren und anspruchsvolleren Entwicklungen am Arbeitsmarkt stellen bereits für viele Menschen ohne Behinderungen Partizipations-Problematiken dar. Menschen mit Lernschwierigkeiten werden Barrieren zur Verhinderung der Teilhabe errichtet, nicht zuletzt auf Grund der von Friedrich (2006) im Punkt 4.2.1. genannten negativen biografischen Erfahrungen. Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde im Laufe ihres Lebens wenig Verantwortung übertragen. Wie sollen sie Konzepte der Arbeitsteilung und Spezialisierung handhaben können? Menschen mit Lernschwierigkeiten besitzen wenig objektive und subjektive Widerstandspotenziale. Wie sollen sie Flexibilität, Rationalisierungsmaßnahmen oder Angst und Unsicherheit verarbeiten? Menschen mit Lernschwierigkeiten sind durch ihre intellektuelle Beeinträchtigung auch in ihrer Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt, die ebenfalls ein essentieller Faktor der Anforderungen am Arbeitsmarkt darstellt.

Die aktuellen und zukünftigen Bedingungen am ersten Arbeitsmarkt behindern Menschen mit Lernschwierigkeiten an ihrer Partizipation und zwingen sie an der Partizipation am Sonder- oder zweiten Arbeitsmarkt. In der Benennung der Grundrechte von Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt die UN-Konvention ebenfalls konkrete Vorschläge und Anregungen zur Veränderung des Arbeitsmarktes an, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Die Firmen der freien Wirtschaft sollen zu einem inklusiven Umfeld der Partizipation beitragen. (vgl. Scholz, 2012, 34)

4.2.1.4. Selbst- und Fremdstigmatisierung

Das Stigma verfügte in der griechischen und christlichen Mythologie über verschiedene Aufgaben. Die Griechen schufen den Begriff des Stigma als Verweis auf ein körperliches Zeichen, das einen ungewöhnlichen moralischen Zustand über des Zeichenträger offenbaren sollte. Mit dem Stigma galt der/die Betroffene als gebrandmarkt. In christlichen Zeiten war das Stigma einerseits Zeichen göttlicher Gnade und andererseits Zeichen physischer Unstimmigkeit. Heute besinnt man sich auf den Begriffsursprung zurück, als unehrenvolles, brandmarkendes Zeichen.

Nach Erving Goffman (1975) stützen sich Menschen, sobald sie auf eine Personenkategorie treffen, die in der persönlichen Kategorisierung nicht der Norm entsprechen, auf Antizipationen, die im sozialen Kontakt unbewusst in normative Erwartungen und Anforderungen umgewandelt werden. Im Effekt entstehen Forderungen an die Person und eine Charakterisierung der Identität, die in der Vorstellung durch eine Herabminderung die Person befleckt oder beeinträchtigt. Diesen Vorgang beschreibt Goffman als Stigma, das in seiner diskreditierenden Wirkung sehr extensiv sein kann. Zu beachten ist, dass der Terminus Stigma eine Begriffssprache von Relationen ist, wobei dieselbe Eigenschaft eine Person stigmatisiert, eine andere Person jedoch in ihrer Normalität bestätigt. "So ist also ein Stigma in der Tat eine besondere Art von Beziehung zwischen Eigenschaft und Stereotyp, [...]." (z.v. Goffman, 1975, 12) Die Diskreditierbaren, die stigmatisierenten Menschen, können auf verschiedene Art und Weise auf eine Diskreditierung reagieren. Sie erkennen sie nicht an oder akzeptieren sie und versuchen sich selbst zu korrigieren. (vgl. ebd., 9ff)

Menschen mit Lernschwierikeiten sind oft zweierlei stigmatisiert. Einerseits durch eventuelle physische Abweichungen des Körpers und andererseits durch die Stereotypisierung und Zuschreibung von Charaktereigenschaften und Fähigkeiten. Menschen mit Lernschwierigkeiten werden etwa immer noch als kindsgleich und hilfsbedürftig gesehen. Zusätzlich können Betroffene unter diskreditierender Fremd- und Selbststigmatisierung leiden. Goffman beschreibt den Vorgang der Fremdstigmatisierung, in dem bei einer Begnung mit einem Menschen, etwa aus der Kategoriengruppe Behinderuug, im Effekt Erwartungen und Forderungen an die Person gestellt werden und durch Vorannahmen diese Person charakterisiert wird. Bei dem Kontakt mit Menschen mit Lernschwierigkeiten entspringen diese Erwartungen und Forderungen oft dem Pool des Stereotyps eines armen, schwachen, bemitleidenswerten, behinderten Menschen, an den auf Grund seiner Behiderung keine Anforderungen gestellt werden könnn und sollen. Diesem Stigma müssen sich Menschen mit Lernschwierigkeiten besonders im Erwerbsleben stellen, da ihnen die Attribute der Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Durchsetzungsvermögen abgesprochen werden. Es wird eine Barriere errichtet, auf Grund fitkitver Stereotypisierung und surealer Zuschreibung von stigamtisierenden Eigenschaften.

Menschen mit Lernschwierigkeiten können sich ebenso selbst stigmatisieren. Auf Grund ihrer Sozialisation und der oft konfliktreichen Biografien entstehten Stereotypn des Selbst, die von Diskreditierung geprägt ist. Wie im Punkt 4.2.1.1. bereits beschrieben wurde leiden Menchen mit Lernschwierigkeiten unter eine Negativ-Biografie, durch viel erleidete Rückschläge und Prämissen, sowie durch diskreditierende Verhaltensweisen des Umfeldes. Es bilden sich negative Vorannahmen, die den Menschen selbst von einem Vorankommen oder einer Weiterentwicklung hindern. Im Erwerbsleben kommt dieser Aspekt vermehrt in den Fokus, da Arbeit der persönlichen Entfaltung oder Weiterentwicklung dienen kann. Ist jedoch die persönliche Barriere errichtet, die den/die Betroffenen/Betroffene vor weiteren Fehlschlägen und aber auch der Entfaltung schützen soll, bleibt der Eintritt ins Erwerbsleben Wunschdenken oder eine Phantasie.

Stigma können also von anderen auf den Menschen mit Lernschwierigkeiten einwirken und auch selbst produziert sein. In beiden Fällen können die Barrieren durch Aufklärungsarbeit und ausreichend Unterstützung durch professionelles Personal niedergerissen werden, um eine Partizipation im Erwerbsleben und in der Gesellschaft gewährleisten zu können.

4.3. Gesellschaftliche und ökonomische Folgen einer Exklusion am ersten Arbeitsmarkt

Die Folgen, von denen Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Grund der Exklusion am ersten Arbeitsmarkt betroffen sind, führen zu einer Prekarisierung der Lebensverhältnisse. Dabei können verschiedene Teilbereiche des Lebens mehr oder weniger betroffen sein. Ein wichtiger Faktor, der ausschlaggebend für eine prekäre Lebenssituation ist, ist das finanzielle Einkommen und die Einkommenssicherung. Weitere Faktoren können verschieden Arten von Beschäftigungsverhältnisse darstellen, sowie individuelle, persönliche Motive, die das eigene Leben unsicher, kritisch oder bedrohlich wirken lassen. Überlegungen dazu werden im folgenden Verlauf dargestellt.

4.3.1. Finanzierung des Lebensunterhaltes bei Erwerbsfähigkeit und Nichterwerbsfähigkeit

Wie im Punkt 4.1.1. angeführt wurde, sind erwerbsfähige Menschen mit Lernschwierigkeiten stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Eine niedrige Beschäftigungsquote kann einerseits auf eine hohe Quote der Nichtbeteiligung am Erwerbsleben und andererseits auf eine hohe Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen zurückzuführen sein. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen ist im Durchschnitt rund 80 Prozent höher, als bei Menschen ohne Behinderungen. In Deutschland, den Niederlanden und Österreich liegt nach dem OECD Vergleich die Arbeitslosigkeit bei rund 170 Prozent und ist daher überdurchschnittlich hoch. Unter den Menschen mit schweren Behinderungen liegt die Durchschnittliche Arbeitslosenquote bei 180 Prozent, leicht behinderte Menschen sind im Durchschnitt zu 70 Prozent als arbeitslos gemeldet. Im OECD-Schnitt sind 48 Prozent von den behinderten Menschen nicht erwerbsfähig, in verschiedenen Ländern steigt dieser Anteil jedoch auf 60 bis 70 Prozent.

Nach dem OECD-Vergleich ist die Einkommenssicherheit von behinderten Menschen hoch. Im Großen und Ganzen entspricht das Einkommensniveau der Haushalte von behinderten Personen dem Einkommensniveau der Gesamtbevölkerung. Wobei in Österreich zwischen dem Einkommensniveau der nicht erwerbsunfähigen und erwerbsfähigen Menschen mit Behinderungen unterschieden werden muss. In Österreich bezieht jeder dritte nicht erwerbstätige behinderte Mensch eine vorzeitige oder reguläre Rente (Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits-, Erwerbsunfähigkeitspension). Die Höhe der Invaliditätspension bezog sich 2007 in Österreich bei Männern auf rund EUR 1331.-, bei Frauen auf durchschnittlich EUR 589.-. Etwa 50 Prozent der InvalidenpensionistInnen verfügen über eine Pension unter EUR 1045.-.[6] Diese Sozialleistungen stellen einen wichtigen Faktor zur Einkommenssicherung dar. Menschen die keinen Anspruch auf derartige finanzielle Hilfeleistungen haben, müssen weitgehend durch die Eltern, Waisenpension, Familienbeihilfen oder Sozialhilfeleistungen ihren Unterhalt bestreiten. (vgl. Schwalb & Theunissen, 2013, 86)

Eine Arbeitslosenunterstützung bei erwerbstätigen Menschen mit Behinderungen wird hingegen weniger häufig in Anspruch genommen als Invaliditätsrenten. Das individuelle Einkommen von erwerbstätigen behinderten Menschen hängt von ihrem Erwerbsstatus ab. Ein Arbeitseinkommen eines erwerbstätigen Menschen mit Behinderung ist beinahe genauso hoch wie das eines Menschen ohne Behinderungen, jedoch verfügt die behinderte Person über keinen Arbeitsplatz, kann er über erheblich geringere Finanzressourcen verfügen. Behinderte Personen sind nach dem OECD-Vergleich bei Nichterwerbstätigkeit generell viel schlechter gestellt, als bei Erwerbstätigkeit, da ihr individuelles Gesamteinkommen im Durchschnitt nur halb so hoch ist wie bei Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung. (vgl. OECD, 2003, 58ff)

4.3.2. Prekäre Lebensumstände

Prekäre Lebensumstände können auf Grund verschiedener Faktoren entstehen. Der Begriff der Prekarisierung wird im Folgenden als Beschreibung der Erosion sozial geschützter Beschäftigungsverhältnisse verwendet

4.3.2.1. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse und prekäre Erwerbsarbeit

Prekäre Arbeitsverhältnisse werden gängig auch als atypische Beschäftigungsformen angesehen, denen die typische Beschäftigungsform eines Normalarbeitsverhältnisses gegenüber steht.

Die überwiegende Mehrheit der Personen, die sich in einer Beschäftigung befinden, geht einem Normalarbeitsverhältnisse nach. An das Normalarbeitsverhältnis sind staatliche Versicherungs- und Sozialleistungen, Mindestlöhne oder ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen geknüpft, weshalb es ein gesellschaftlich normatives Konzept darstellt. Arbeitsverhältnisse, die eines dieser Merkmale nicht aufweisen können, werden als atypische Arbeitsverhältnisse bezeichnet. Unter diese Verhältnisse fallen Teil- und geringfügig Beschäftigte, freie DienstvertragsnehmerInnen, Zeit- und Leiharbeitskräfte, WerksvertragsnehmerInnen oder befristet Beschäftigte. Ein atypisches Arbeitsverhältnis muss nicht zwingend ein prekäres Arbeitsverhältnis darstellen. Etwa kann ein befristetes Arbeitsverhältnis eines/r AkademikerIn nicht als prekäre, unsichere Lebenssituation empfunden werden, sondern lediglich einen Part einer Erwerbskarriere repräsentieren. Der biographische Hintergrund ist also ebenso ausschlaggebend, um eine Situation als prekär zu bezeichnen.

Folgende Merkmale zeichnen ein prekäres Arbeitsverhältnis aus:

  • Ein kurzer Zeithorizont des Beschäftigung

  • Ein Hohes Risiko des Jobverlustes

  • Für Arbeitsbedingungen, Löhne, etc. gibt es wenige Möglichkeiten der Kontrolle

  • Die Gesetze bieten nur wenig sozialen oder arbeitsrechtlichen Schutz

  • Ein geringes Einkommen, verknüpft mit sozialer Einbeziehung und Verarmung (vgl. Schinwald, 2010, 23ff)

Demzufolge ist eine Erwerbsarbeit nur dann prekär, wenn die üblichen Sicherheitsgarantien und Rechtsansprüche nur zum Teil oder gar nicht gewährt werden können. Dadurch können Beschäftigungen und Einkommen auf längere Zeit nicht versichert oder garantiert werden, ArbeitnehmerInnen- und Sozialrechte sind lediglich eingeschränkt gültig, sowie der Wertigkeitsstatus der Arbeit wirkt fragil. (vgl. Castel & Dörre, 2009, 242)

Dennoch ist statistisch ein Zusammenhang zwischen atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Prekarität zu erkennen. In einem Bericht über die soziale Lage 2001-2002 in Österreich wurde festgestellt, dass bei unbefristeten Dienstverhältnissen die Armutsgefährdung lediglich halb so hoch ist, wie bei befristeten Arbeitsverträgen. Teilzeitbeschäftigte sind einem bis zu drei Mal höheren Risiko ausgesetzt, selbstständig beschäftigte ArbeitnehmerInnen sind ebenfalls einem erhöhten dauerhaften Armutsrisiko ausgesetzt. Grund dafür sind die unzureichend angepassten arbeits- und sozialrechtlichen Sicherungsbestimmungen, die sich an der Norm des Normalarbeitsverhältnisses orientieren.

In Österreich ist eine markante Zunahme an atypischen Beschäftigten zu erkennen. So gab es 1998 bei 571.100 Erwerbstätigen eine Teilzeitquote von 15,7 Prozent. Im Jahr 2008 stieg sie bereits auf 23,3 Prozent bei 954.800 beschäftigten Personen. Innerhalb der Gruppe der Teilzeit Arbeitenden 2008 wurde festgestellt, dass 80 Prozent Frauen in dieses Arbeitsverhältnis eingebunden waren. Beinahe jede zweite Frau arbeitete als Teilzeit Kraft.

Geringfügig Beschäftigte bilden eine Sonderform der Teilzeitarbeit, da sie an keine Kranken- oder Pensionsversicherung angeknüpft sind. 1998 befanden sich 162.452 Personen in einer geringfügigen Beschäftigung, wovon wiederum der größere Teil Frauen waren: 117.510. 2008 stieg die Anzahl auf 252.693, wovon mehr als zwei Drittel Frauen beschäftigt waren.

Bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist signifikant, dass der Vertrag über einen festgelegten Zeitraum, oder für eine bestimmte Aufgabe mit begrenzter Dauer besteht. 2008 gingen 316.400 Erwerbstätige einem befristeten Arbeitsverhältnis nach, 7,7 Prozent aller Erwerbstätigen. Von diesem Arbeitsverhältnis sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen.

Die Gruppe der freien DienstnehmerInnen und neuen Selbstständigen wird erst seit 1998 statistisch erfasst, deshalb sollten Statistiken nur unter Vorbehalt interpretiert werden. 1998 gab es in Österreich 14.699 freie DienstnehmerInnen und 1.347 Selbstständige. 2008 gab es beinahe doppelt so viele freie DienstnehmerInnen und etwa 30 Mal so viele Selbstständige.

Zusammengefasst gab es zwischen 2000 und 2008 in Österreich einen Anstieg von atypischen Beschäftigungsverhältnissen um 65Prozent. Mittlerweile gehen 1,2 Millionen ÖsterreicherInnen einer derartigen Beschäftigung nach. (vgl. Schinwald, 2010, 26ff)

Menschen mit Lernschwierigkeiten können je nach Grad der Beeinträchtigung zum Großteil nur Teilzeitarbeit oder geringfügigen Beschäftigungen nachgehen, wodurch sie ebenfalls von dem hohen Armutsrisiko belastet sind, auf Grund unzureichend angepasster arbeits- und sozialrechtlicher Sicherungsbestimmungen.

4.3.2.2. Prekäre Lebenslage

In die Prekarisierungsproblematik muss zuzüglich zu den Erwerbsverläufen ebenfalls der Haushaltskontext betrachtet werden, wenn Aussagen über prekäre Lebenslagen gemacht werden sollen. Eine prekäre Erwerbslage ist nicht mit einer prekären Lebenslage gleichzusetzen. Eine Erwerbsperson, die einer prekären Beschäftigung nachgeht und auf eine prekäre Berufsbiografie zurückschaut, muss nicht gleichzeitig im prekären Wohlstand leben. Sogenannte Minijobs auf 400-Euro-Basis können durch risikoabsorbierende Haushaltsstrukturen oder stabile PartnerInnenbeziehungen abgesichert werden. Durch biografische Einschnitte wie Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung oder Tod des/der PartnerIn kann das bisher schlummernde prekäre Potenzial geweckt werden und eine eventuelle vormals gewünschte geringfügige Beschäftigung kann sich als Armutsfalle entpuppen. Umgekehrt ist es ebenso möglich, dass eine Erwerbsperson erst durch den Haushaltskontext in eine prekäre Lebenslage gerät. (vgl. Castel & Dörre, 2009, 245f)

4.3.2.3. Gefühlte Prekarität

Prekarität kann einerseits als objektive Benachteiligung (prekäre Erwerbsarbeit, prekärer Haushaltskontext) erfasst werden, anderseits ist es auch notwendig die subjektiv gefühlte Prekarisierung zu thematisieren, ansonsten ist der Prekarisierungsbegriff zu kurz gegriffen. Prekarität ist immer in Relation zu Normalitätserwartungen zu sehen, gefühlte Prekarisierung tritt also in dem Moment auf, wenn normative Sicherheitserwartungen enttäuscht werden. Diese Sicherheitserwartungen beziehen sich sowohl auf die Arbeitswelt, als auch auf den Nahbereich und können durch tiefgreifende Transformationen zu einer Rückkehr der Unsicherheit führen. Gefühlte Prekarisierung tritt am häufigsten dadurch auf, dass dauerhafte, auf die soziale Stellung im Erwerbssystem bezogene Statusgewissheiten nicht mehr als selbstverständlich genommen werden können, sowie durch die diskontinuierlichen Erwerbsverläufe, dessen Karrierepfade weniger planbar geworden sind. Gefühlte Prekarität kann auch dann greifbar sein, wenn trotz Beschäftigung, ohne akute Gefährdung der Erwerbsstelle oder brüchiger Erwerbsbiografie, die Sorge um die Stabilität der Erwerbs- und Lebenslage trotzdem existiert. Demnach kann festgehalten werden, dass gefühlte Prekarisierung nicht zwingend auf eine objektive prekäre Erwerbslage zurückgeführt werden und keine einfache Kausalität zwischen der Position (Erwerbslage) und der Wahrnehmung unterstellt werden kann. Sie ist in einer spezifischen Bewertung der aktuellen sozialen Lage von Arbeit, Beschäftigung und des Umfeldes begründet und beinhaltet ebenso den auf die Zukunft bezogenen Erwartungshorizont. (vgl. Castel & Dörre, 2009, 246ff) Menschen mit Lernschwierigkeiten können also ihre Lebenssituation als prekär empfinden, trotz sicherem Arbeitsverhältnis, stabiler sozialer Lage oder Sicherheit im Haushaltskontext. Umgekehrt ist es möglich, dass die Lebenssituation trotz prekärem Einkommen, unsicherer Erwerbssituation oder Haushaltskontext als sicher und unbedenklich empfunden werden. In der anschließenden empirischen Untersuchung sollen durch direkte Befragung von Betroffenen Faktoren exploriert werden, die eine etwaige sichere oder unsichere Betrachtung der Lebenssituation bedingen. Welche gesellschaftlichen Systeme vermitteln Sicherheit und schützen vor gefühlter Prekarisierung.



[4] http://www.arbeitundbehinderung.at/de/arbeitsmarkt/arbeitsmarktdaten/gesamtarbeitslosigkeit.php (09.05.2013)

[5] http://www.arbeitundbehinderung.at/de/arbeitsmarkt/arbeitsmarktdaten/beguenstigtebehinderte.php (09.05.2013)

[6] http://www.bmask.gv.at/cms/site/attachments/4/5/5/CH2171/CMS1232705650368/14_invaliditaetspensionen_getrennt.pdf (13.05.2013)

5. Das Recht auf berufliche Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten

Durch den unermüdlichen Kampf von Behindertenorganisationen, Behinderten-NGO's oder Betroffenen selbst für eine gesellschaftliche Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderungen, wurden in Österreich 2006 Gesetze, zur Gleichstellung und Antidiskriminierung von behinderten Menschen erlassen, sowie 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Menschen mit Behinderungen können sich auf diese Gesetze und Rechte berufen, falls ihnen unüberwindbare Barrieren gestellt werden, die sie an der gesellschaftlichen Partizipation hindern. In Bezug auf das Recht auf Arbeit und Beschäftigung wurde in der UN-Behindertenrechtskonvention ein Standard erfasst, der eine berufliche Teilhabe garantieren soll. Das österreichische Gesetzesbuch trägt durch die Erlassung des Behindertengleichstellungsgesetz, sowie des Behinderteneinstellungsgesetz dazu bei, dass Barrieren im Hinblick auf die Einstellung von behinderten Menschen abgebaut werden und somit eine Gleichstellung vorangetrieben wird. Im Anschluss werden die Inhalte dieser Rechte detailliert dargestellt.

5.1. Nach dem Beschluss der UN-Behindertenrechtskonvention

Im Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention "Arbeit und Beschäftigung" wurde festgelegt, welche Rechte Menschen mit Behinderungen auf berufliche Teilhabe haben.

"(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um unter anderem Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen, zu verbieten;"[7] Österreich verpflichtete sich durch die Ratifizierung völkerrechtlich diese in der UN-Konvention festgelegten Standards durch österreichische Gesetze umzusetzen und zu gewährleisten. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat die Zuständigkeit für die Koordinierung der Umsetzung dieser Standards.

5.2. Nach dem österreichischen Behindertengleichstellungsgesetzt und Behinderteneinstellungsgesetz

Am 01.01.2006 traten in Österreich folgende Gesetze in Kraft, die mehr Rechte für Menschen mit Behinderung einräumen und für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Partizipation stehen sollen. Nach dem österreichischen Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) dürfen de facto Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden. Im ersten Abschnitt des Gesetzes wurde folgendes Ziel formuliert: "§ 1. Ziel dieses Bundesgesetzes ist es, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen oder zu verhindern und damit die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen."[8] Nach dem österreichischen Recht dürften keine Barrieren, seien sie gesellschaftlich oder ökonomisch, existieren, womit Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Partizipation am Arbeitsmarkt möglich wäre. Jedoch widerspricht sich diese Gesetzes Idee mit der Konstitution von erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen behinderten Menschen. Erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen haben die Chancen von dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz zu profitieren, nicht jedoch nicht erwerbsfähige behinderte Personen, sie werden von diesem Gesetzestext ausgeschlossen, was automatisch mit einer Diskriminierung von Menschen mit "geringer Leistungsfähigkeit" einhergeht. Nach der UN-Behindertenrechtskonvention "bedeutet Diskriminierung aufgrund von Behinderung jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird. Sie umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen;"[9]

Um die Gleichstellung und Antidiskriminierung voranzutreiben trat 2006 ebenso das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) in Kraft, womit sich ArbeitgeberInnen verpflichten müssen einen bestimmten Prozentsatz ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderungen zu besetzen. In Österreich müssen 4Prozent der Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderungen vergeben werden. Diese Regelung betrifft alle Betriebe von mindestens 25 DienstnehmerInnen. In Punkt 4.1. wurde diese Thematik bereits erläutert, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen wird.

Diese im österreichischen Recht verankerten Gesetze sind objektiv betrachtet eine passende Voraussetzung dafür, dass Menschen mit Behinderung in einer barrierefreien inklusiven Gesellschaft partizipieren können. Dennoch existieren Diskriminierung und Herabwürdigung, Barrieren halten behinderte Menschen von der Teilhabe an der Gesellschaft ab und vom Arbeitsleben fern, Separation und Segregation sind Teil des Alltages von Menschen mit Behinderungen. Hier stellt sich die Frage, woran es an der Durchsetzung der Gesetze fehlt und weshalb Verstöße akzeptiert und mild geahndet werden? Ist fehlende Wertschätzung von Menschen mit Behinderungen ein Faktor, weshalb Antisolidarität an der Tagesordnung steht?

Welche Alternative bleibt Menschen mit Lernschwierigkeiten, wenn ihnen der Weg zum Arbeitsmarkt verwehrt bleibt, als unter diesen Voraussetzungen Teil des zweiten Arbeitsmarktes oder Sondermarktes zu werden. Welche Modelle und Konzepte innerhalb dieses Marktes existieren, welche Folgen und auch Potentiale die Teilhabe für die betroffenen Menschen darstellen, wird im folgenden Punkt 6. ausgeführt.



[7] UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 27

[8] http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004228&ShowPrintPreview=True (14.05.2013)

[9] UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 2

6. Alternative Beschäftigungen am zweiten Arbeitsmarkt/ Sondermarkt

Menschen mit Lernschwierigkeiten tendieren oder werden gesellschaftlich dazu genötigt, durch die im Verlauf der Arbeit erörterten Faktoren und Motive, am zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt, mittels Behindertenwerkstätten oder Integrativen Betrieben zu partizipieren. Diese Art der Beschäftigung und Arbeit ist stark diskutiert, inwiefern die Rehabilitation von Betroffenen durch gesellschaftliche Segregation erfolgreich sein kann. Einige Behindertenorganisationen preisen in ihren Behindertenwerkstätten an, dass sie ein Garant für Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten und schweren Behinderungen sind. Schwalb & Theunissen (2013) argumentieren, dass alle Sondereinrichtungen für behinderte Menschen keinen inklusiven Charakter besitzen und niemals Teilhabe an allgemeinen gesellschaftlichen Bezügen garantieren können. Teilhabe wird in ihrem Kontext als materielle, politisch-institutionelle und kulturelle Partizipation betrachtet. Die Annahme, dass alle Rehabilitations- und Unterstüztungssysteme angesichts der Behindertenrechtskonvention abzuschaffen seien, ist unzureichend, da im Artikel 27 der Konvention auf Programme der beruflichen Rehabiliation, sowie auf berufliche Beratungsangebote verwiesen wird, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern. (vgl. ebd., 12f)

Empirische Untersuchungen der Lebensqualität von Menschen mit Lernschwierigkeiten in traditionellen stationären oder semistationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bieten eine ernüchterndes Ergebnis. Folgendes wurde eruiert:

  • Die traditionelle stationäre Behindertenhilfe führt zu einer Adaption des Klientels an das Hilfesystem und hat daher einen desintegrierenden Charakter.

  • Die geforderte Integration findet weitgehend innerhalb des Hilfssystems statt.

  • Die Rundum-Versorgung des Klientels führt zu einer systematischen zusätzlichen Enteignung von Kompetenzen.

  • Dadurch, dass alle KlientInnen gleich behandelt werden, werden verschiedene Personen überversorgt, während dessen andere Gruppen unterversorgt sind. (vgl. Friedrich, 2006, 47f)

Die Arbeitsformen, Konzepte und Paradigmen der verschiedenen Angebote der beruflichen Rehabilitation des zweiten Arbeitsmarktes werden im Anschluss ausgeführt, sowie die abschließende Überlegung, inwiefern eine derartige Beschäftigung eine prekäre Lebenssituation hervorruft oder den Betroffenen Sicherheit vermitteln kann.

6.1. Menschen mit Lernschwierigkeiten in Behindertenwerkstätten in Deutschland

Für Menschen, die nicht betriebs- oder erwerbsfähig sind wurden, nach dem holländischen Vorbild der beschützenden Werkstätte auch in Deutschland und Österreich Behindertenwerkstätten eingerichtet. (vgl. Thielen, Katzenbach, & Schnell, 2013, 47) Der existierende Gedanke des Schutzes von Menschen mit Behinderungen vor einer feindlich gesinnten Gesellschaft und Umwelt spiegelte sich in der Bezeichnung "geschütze" oder "beschützende" Werkstätte wider.

Das Leistungsprogramm einer Werkstätte für Menschen mit Behinderungen in Deutschland ist in verschiedene Bereiche eingeteilt. Nachdem eine Person in die Werkstätte aufgenommen wurde beginnt das Eingangsverfahren, das bis zu drei Monate dauern kann. Dabei wird festgestellt, ob die Werkstätte als Ort der Rehabilitation wertvoll sein kann, ob ein passender Arbeistbereich findbar ist und welche Leistungen zur besseren Eingliederung am Arbeitsleben möglich sind. Nach Ablauf dieser Frist wird ein Eingliederungsplan von Fachkräften erstellt, in dem Fähigkeiten, Bedürfnisse, Unterstützungsmöglichkeiten und das Interesse bestimmt werden. Nach Abgabe dieser Stellungnahme an den verantwortlichen Rehabilitationsträger wird ein/e BewerberIn in der Organisation aufgenommen oder muss sich einer alternativen Einrichtung zuwenden.

Nach dem Eingangsverfahren beginnt die zweijährige Qualifizierung durch einen Grund- und Aufbaukurs im Berufsbildungsbereich. Die angestrebten Lernziele beziehen sich auf Kulturtechniken, berufliche Kernqualifikationen, Arbeitsprozessqualifikationen und Schlüsselqualifikationen. Ist dieser Bereich ebenfalls abgeschlossen, wird der weitergeführte Eingliederungsplan an den Fachausschuss übergeben, der an den zuständigen Rehabilitationsträger eine Empfehlung über den Prozess der beruflichen Eingliederungschancen abgibt. Bei einer Bewilligung kann ein/e Beschäftigte in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder in den Arbeitsbereich wechseln.

Befinden sich Menschen mit Behinderungen im Bereich der Beschäftigung, werden im Arbeitsalltag Erholungspausen und Zeiten der Maßnahmenteilnahme eingeplant, wenn notwendig (auf Grund der Schwere der Behinderung) können Arbeitszeiten auch verkürzt werden. Im Berufbildungsbereich liegt das Zahlenverhältnis zwischen Fachkraft und Beschäftigten bei 1:6, im Arbeitsbereich liegt das Verhältnis von 1:12. (vgl. Benken, 2010, 11ff)

Sind Menschen mit Behinderungen nicht für eine Behindertenwerkstätte geeignet und können den Leistungsanspruch nicht erbringen, können sie an einer Fördergrupper oder Förderwerkstätte teilnehmen, in denen ein basales Angebot an Beschäftigung und Förderung geboten wird.

Für viele Menschen mit Lernschwierigkeiten erfüllt eine Behindertenwerkstätte eine wichtige Funktion des Arbeitslebens. Sie ist nach Theunissen, Kulig, & Schirbort (2007) nicht nur Arbeitsort, sondern auch der zentrale soziale Mittelpunkt, der die Möglichkeit der Selbstentfaltung und Kommunikation außerhalb des Bereichs von Familie und Wohnen bietet. Kritik kann jedoch an dem partiellen Verzicht auf effizienzsteigernde Produktionsverfahren, der begrenzten Leistungsfähigkeit und die in die Arbeitszeit integrierte Fördermaßnahmen innerhalb einer Behindertenwerkstätte geübt werden. Die massivste Einschränkung der Betroffenen stellt jedoch der Lohn in der Höhe eines Taschengeldes dar. (vgl. ebd. 377)

Eine Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt kann nicht einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt gleichgestellt werden, da mit dem extrem niedrigen Lohnniveau ein ebenso niedriger ökonomischer und sozialer Status einherghet. Die Arbeit in einer Werkstätte dient nicht der Entstigmatsierung und dem Abbau von Stereotypen, vielmehr tragen Behindertenwerkstätten zur Reproduzierung dieser bei. Ein/e Angestellte/r einer Sondereinrichtung des Behindertenhilfe-Systems wird am unteren Ender der sozialen Skala angesiedelt, ebenfalls durch den Faktum, dass bei Menschen mit Lernschwierigkeiten, im Gegensatz zu Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, keine sozialen Abstufungen und somit keine Aufstiegschancen existieren. Das zeitlich unbegrenzte, unkündbare Anrecht auf einen Arbeitsplatz in einer Behindertenwerkstätte lässt die Beschäftigung durchwegs attraktiv wirken und stellt sicherlich einen Faktor dar, der Sicherheit und Beständigkeit vermittelt. (vgl. Scholz, 2012, 40f)

Die Übermittlungsrate von Menschen mit Behinderungen, die die Behindertenwerkstätte in Richung des ersten Arbeitsmarktes verlassen ist äußerst gering und liegt in Deutschland bei 1 bis 2 Prozent. Gründe dafür werden von Friedrich (2006) angeführt:

  • Damit Menschen mit Behinderungen am ersten Arbeitsmarkt partizipieren können sind besondere Planungs- und Handlungsbedingungen nötig, die im Alltag der beruflichen Rehabilitation in Behindertenwerkstätte nicht vorauszusetzen sind.

  • Der ausdrückliche Wille der Organisation ist notwendig, dass berufliche Übergangsmaßnahmen den Werkstattaufgaben gleichgstellt und umgesetzt werden.

  • In der Konstruktion einer Behindertenwerkstätte bestehen strukturelle Bedingungen, die nur eine geringe Durchlässigkeit nach oben zulassen.

  • Damit sich Menschen mit Behinderungen für ein Verlassen der Sondereinrichtung entscheiden, müssen ausreichend Information der Betroffenen, Wahlmöglichkeiten und eine langfristige professionelle Begleitung vorausgesetzt sein.

  • Die Furcht vor Arbeitspaltzverlust, der geringe finanzielle Anreiz oder die Angst vor Schwierigkeiten ruft bei den Betroffenen und den Familien Widerstände gegenüber einem Verlassen der Werkstätte hervor.

  • Ein Wechsel ins Erwerbsleben kann eine mühsam ausbalancierte Rollenverteilung mit einem behinderten Familienmitglied in der Familie gefährden, wodurch aus Angst vor psychoemotionalen Krisen der Status quo beibehalten wird. (vgl. ebd., 50f)

6.1.1. Aufgabe und Konzept

Werkstätten für behinderte Menschen fallen zwei Aufgabegebiete zu: zum einen die Aufgabe der beruflichen Rehabilitation, die Betroffene durch Entwicklung, Weiterentwicklung der Persönlichkeit und Förderung der Leistungs- und Erwerbsfähigkeit auf die Arbeitswelt vorbereiten sollen. Zum anderen kann diese Einrichtung durch ihr dauerhaftes Beschäftigungsangebot ein Arbeitsleben selbst ermöglichen. (vgl. Theunissen, Kulig, & Schirbort, 2007, 377) Durch passende Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten sollen durch die selbstständige Durchführung Erfolgserlebnisse vermittelt werden. Mittels individueller Förderung und Begleitung kann die Leistungsfähigkeit fortgebildet werden, die Akzeptanz und Gleichberechtigung wird durch die damit verbundene Integration erneuert. Für einige Personen ist die Behindertenwerkstatt eine "Heranführungseinrichtung" zum allgemeinen Arbeitsmarkt, für andere eine Vorbereitung für ein eigenständiges Leben oder sie hat für viele eine lebenslange Bedeutung. (vgl. Benken, 2010, 10f) Durch die Arbeit in einer Behindertenwerkstätte soll ein sinnvolles Entfalten der Aktivität, das Erleben von Leistung und des Nützlichseins, sowie die damit einhergehende Stärkung des Selbst- und Lebensgefühls möglich sein. Das Mittun als Teilhabe an einem größeren Lebensbereich ruft ein Gefühl der Zugehörigkeit und Partizipation hervor.

Für die in Deutschland verbereiteten WfbM (Werkstätten für behinderten Menschen) wurden 1997 die Vorgaben der Durchführung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen in WfbM erneuet und folgendermaßen definiert:

  1. "Alle Maßnahmen haben nicht nur zur Verbesserung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten beizutragen, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.

  2. Durch planmäßige Förderung ist die Entwicklung, Erhaltung, Erhöhung und Wiedergewinnung der beruflichen lebenspraktischen Leistungsfähigkeit zu erreichen.

  3. Die Erfordernisse zur Vorbereitung einer Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt oder in eine andere berufsfördernde Maßnahme sind im Einzelfall zu beachten.

  4. Bereits erworbene Fähigkeiten, wie z.B. Lesen, Schreiben sollen durch begleitende Maßnahmen erhalten und erhöht werden.

  5. Bildungsmaßnahmen müssen so differenziert sein, dass aufbauende bzw. ergänzenden Maßnahmen - bis hin zu Berufsabschlüssen nach §48 BBiG/§ 42b HwO- wahrgenommen werden können.

  6. Für jeden[/jede] Teilnehmer[/Teilnehmerin] ist ein qualifizierter, fortzuschreibender Förder- und Bildungsplan zu erstellen.

  7. Die Methoden orientieren sich an dem Ziel, selbstgesteuerte Lernprozesse zu initiieren und soziale Kompetenzen zu entwickeln.

  8. Statt der bisherigen Berufsbereiche nennen die neuen Rahmenbedingungen umfassend und differenziert die (Lern-)Ziele der Maßnahmen. (...) Eine besondere Bedeutung wird den Schlüsselqualifikationen und den lebenspraktischen Fertigkeiten beigemessen." (Z.v. Schäfer 1997, 97, in Wüllenweber, Theunissen, & Mühl, 2006, 399)

Durch die Definition dieser Paradigmen soll eine Flexibilisierung, Modularisierung und eine Individualisierung der Lehrkonzepte und des Angebotes erreicht werden. In den letzten Jahren fokussierte sich die Weiterentwicklung in manchen Behindertenwerkstätten auf den Aufbau von systematischen Fort- und Weiterbildungsbereich, auf Grund der Erkenntnis des vermehrten Anspruchs auf berufliche Bildung von Beschäftigten des Arbeitsbereiches. (vgl. ebd., 398ff)

6.1.2. Zielgruppe

Die Zielgruppe von Behindertenwerkstätten sind Menschen, die auf Grund der Schwere ihrer Behinderung einer Arbeit am ersten Arbeitsmarkt nicht, noch nicht oder noch nicht wieder nachgehen können. Behindertenwerkstätten sind ebenfalls nur für Personen vorgesehen, die ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen können, Personen bei denen erhebliche Selbst- und Fremdgefährdung besteht und Personen, bei denen die Betreuung und Pflege nicht so umfassend ist, dass das geforderte Mindestmaß an Arbeitsleistung auf Dauer nicht erreicht werden kann. (vgl. ebd. 377) Die "Werkstattbeschäftigten" belaufen sich auf Menschen mit körperlicher, intellektueller und psychischer Beeinträchtigung, sowie auf Menschen mit Schwerstmehrfachbehinderung. Lange Zeit spezialisierten sich verschiedene Behindertenwerkstätten auf eine bestimmte Behinderungsart, jedoch sind sie mittlerweile dazu übergegangen, Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen aufzunehmen. Aus der Zielgruppe ausgenommen sind Menschen mit Lernbehinderungen, aber etwa auf Grund von Doppeldiagnosen können Konflikte bei der Zuweisung von Zuständigkeiten auftreten. (vgl. Kubek, 2012, 38 )

6.2. Menschen mit Lernschwierigkeiten in integrativen Werkstätten in Österreich

In einem Artikel[10] vom 13.05.2011 von www.behindertenarbeit.at wurde festgehalten, dass vermehrt Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in Werkstätten landen. In einer durch die Fakultät der Bildungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Studie wurde herausgefunden, dass im Jahr 2008 in Österreich 19.000 Personen einen Platz in einer Behindertenwerkstätte der 142 Trägerorganisationen in Anspruch genommen haben. Gegenüber dem Jahr 2002 bedeutet dies einen Anstieg von 29,9 Prozent. Nach Angaben der Ladesregierung liegt die Versorgungsdichte mittelfristig bei 25 bis 27 Plätzen pro 10.000 EinwohnerInnen, wobei Österreich noch weit hinter der Versorgunsgdichte von Deutschland (33,4 Plätze pro 10.000 EinwohnerInnen) liegt. Die Zunahme der Werkstättenplätze kann laut dem Studienautor auf die Verschärfung der Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt zurückzuführen sein. "Die Werkstätten für behindete Menschen sind heute mehr als früher zu einem Auffangbecken für eine immer heterogenere Zielgruppe bei gleichzeitigem immensem Konstenanstieg geworden."[11]

Das aktuelle Werkstattsystem für Menschen mit Behinderungen entspricht nicht den deklarierten Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention, was in den fehlenden strukturellen Möglichkeiten der beruflichen Orientierunng und Vermittlung sichtbar wird. So konnte im Jahr 2004 keine Person in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis am ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. (vgl. König, Postek, & Stadler-Vida, 2011, 46)

In Österreich existiert ein Werkstattsystem, das grundsetzlich zweigeteilt ist. Es wird zwischen den Produktions- oder Fachwerkstätten und den Kreativ- oder Förderwerkstätten unterschieden. Bei den Prodkutions- oder Fachwerkstätten steht die Arbeit im Mittelpunkt, die Kreativ- und Förderwerkstätten bieten den KlientInnen vermehrt Tagestruktur. Das Sytem der Werkstätten wurde für Menschen geschaffen, die auf Grund ihrer Behinderungen nicht im ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Die gesetzliche Verankerung fand im Behinderteneinstellungsgesetz 1979 statt. Integrative Werkstätten können Fördergelder aus dem Ausgleichstaxfonds des Bundessozialamtes, vom AMS und des jeweiligen Bundeslandes erhalten. (vgl. Beczynski, 2010, 87)

Im Gegensatz zu dem einheitlichen Konzept, Paradigmen und Handhabe von Behindertenwerkstätten in Deutschland, entscheiden Behindertenorganisationen und die einzelnen Bundesländer in Österreich selbst, welche Inhalte und Konzepte in einer integrativen Werkstätte umgesetzt werden, folglich existiert keine einheitliche gesetzliche Regelung. In Deutschland sind viele Vorgaben im Sozialgesetzbuch verankert, in Österreich stehen die Behindertenorganisationen unter der Koordination des jeweiligen Bundeslandes, wodurch keine einheitliche Handhabe gewehrleistet werden kann und Potentiale für Diskriminierung erkennbar sind. Durch die landesgesetzlichen Bestimmungen werden Behindertenwerkstätten unter den Begriffen wie Beschäftigungstherapie, Förderwerkstätten, Fachwerkstätten, Tagesstätten etc. geführt, sowie ist das Angebot an das förderale System des einzelnen Bundeslandes angeschlossen. Oliver König (2009) bemängelt die fehlende bundesweite Verantwortung und Regulierungskompetenz, da seit der Initialisierung von Behindertenwerkstätten keine bundesweite vergleichende Untersuchung durchgeführt und somit keine Daten zur Anzahl von Werkstätten NutzerInnen vorhanden sind.

Am Beispiel der Behindertenorganisation Lebenshilfe Tirol gem. GesmbH wird ein Konzept einer integrativen Werkstätte angeführt, im Dienstleistungsangebot des Trägers unter "Unterstützte Arbeit" zu finden[12], um die Paradigmen einer österreichischen Behindertenwerkstatt im Vergleich aufzeigen zu können. Diese Konzeptualisierung ist nicht österreichweit als geltend zu betrachten.

6.2.1. Aufgabe und Konzept

Die integrative Werkstätte ist nach verschiedenen Modulen aufgebaut und ist in die Bereiche Beschäftigung, Berufsvorbereitung und Dienstleistung unterschieden. Die im Modul Beschäftigung gefertigten Produkte werden am freien Markt zum Kauf angeboten. Die Einnahmen aus den Verkäufen verbleiben in den Betrieben und dienen in erster Linie der Deckung von Personal- und Betriebskosten sowie der Betriebsinvestitionen. Die Integrativen Werkstätten in Tirol erwirtschaften beispielsweise so rund 70 Prozent ihres Gesamtbudgets. Öffentliche Gelder werden ausschließlich für den Ausgleich des Nachteils gewährt, der durch die Beschäftigung von behinderten Menschen entsteht.

Im Modul Berufsvorbereitung werden einjährige Kurse für den (Wieder)Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt angeboten, ebenfalls werden in diesem Bereich Lehrlinge ausgebildet bzw. mehrwöchige Praktika für Jugendliche mit Behinderungen bereitgestellt.

Im Bereich Dienstleistungen ist es möglich MitarbeiterInnen zu anderen Unternehmen und Einrichtungen zu transferieren und das Know-how der Einrichtung bestmöglichste zu nutzen. (vgl. Beczynski, 2010, 87f)

In welcher Art und Weise diese Module umgesetzt werden, liegt in der Hand der Behindertenorganisation. Als Anschauungsmodell wird daher das Konzept der Unterstützten Arbeit der Lebenshilfe gem. GesmbH angeführt, welches eine semistationäre Form der beruflichen Teilhabe darstellt, innerhalb derer folgende Dienstleistungskategorien abgedeckt werden:

  • Information/Beratung/Vermittlung

In dieser Phase findet der Erstkontakt mit der Organisation statt und ein erster Überblick über Dienstleistungen im Bereich Arbeit wird geboten. Um eine bestmögliche Eingliederung gewährleisten zu können findet eine Bedarfserhebung statt (Assistenzbedarf, Hilfsmittelbedarf, Therapien,...) und weitere Schritte etwa der Aufnahmeverfahren oder des Reha-Antrages werden geplant. In dieser Phase ist es möglich alle Informationen über die Einrichtungen einzuholen oder spezielle Themen anzusprechen wie Lebensplanung, Alltagsgestaltung, etc.

  • Orientierung/Erprobung

In der Phase der Orientierung und Erprobung findet eine Prozessbegleitung statt, die diesen Vorgang evaluiert. Dabei wird Unterstützung bei der Anpassung und Weiterentwicklung des Interessens-, Fähigkeits- und Anforderungsprofils angeboten. Dem/der Klienten/Klientin werden alle Wahlmöglichkeiten aufgezeigt und angeboten und er/sie wird bei der Entscheidung für einen bestimmten Bereich sowie beim Erhalten des gewünschten Arbeitsangebotes unterstützt.

  • Individuelle Dienstleistungserstellung

Im Prozess der individuellen Dienstleistungserstellung werden individuelle Ziele und Reha-Maßnahmen zur beruflichen Integration erarbeitet und vereinbart.

  • Arbeit ermöglichen

Die Einrichtung bietet dem/der KlientIn ein Bündel an beruflicher Weiterbildung an und ermöglicht dem Klientel durch folgende Punkte eine sinnvolle Arbeit:

  • Durch die Schaffung betrieblicher Voraussetzung können Arbeitsfelder wie Marktbeobachtung, Akquisition von Arbeitsaufträgen, Produktentwicklung und Design, Materialbeschaffung, u.v.m. geschaffen werden.

  • Die Einrichtung bietet dem Klientel die Akquisition von Praktikumsplätzen in Betrieben, sowie die Akquisition von Arbeitsmöglichkeiten in Betrieben an.

  • Die Assistenz bietet dem Klientel an gemeinsam Arbeitsabläufe zu gestalten, wodurch individuelle Fähigkeiten berücksichtigt werden. Eine Arbeitsanleitung wird entsprechend des Fähigkeits- und Anforderungsprofils erfasst.

  • Selbstversorgung

Im Bereich Unterstützte Arbeit wird ebenfalls Unterstützung im Bereich der Ernährung und des Essens angeboten. Dabei sind die Mengeneinteilung der Nahrung, das Auswählen der Nahrung, die Handhabe von Besteck und Hilfsmittel ein Thema. Ebenso wird Assistenz innerhalb der Körperpflege (Hände waschen, Zahnhygiene, Monatshygiene, etc.) und der Aktivitäten des täglichen Alltags (Toilettenbenutzung, persönliche Hygiene, etc.) angeboten.

  • Alltägliche Lebensführung

In der Dienstleistungskategorie der alltäglichen Lebensführung wird Assistenz in den Bereichen: Zubereitung von Mahlzeiten (etwa Zubereitung von Zwischenmahlzeiten und Umgang mit Küchengeräten), Kleidung und Wäsche (etwa persönliche Wäsche waschen und Waschmaschine bedienen), Gestaltung und Ordnung des eigenen Bereichs (etwa Aufräumen und Mülltrennung- und -entsorgung), Umgang mit Geld (etwa Kenntnisse über Einsatz von Geld und Geldwert und Einteilung der persönlichen Finanzen) und Zeitliche Orientierung (etwa Kenntnis der Uhrzeit und Einhaltung zeitlicher Absprachen) angeboten.

  • Gesundheit und Pflege

In dieser Kategorie wird dem Klientel eine medizinische und pflegerische Grundversorgung unter Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen, eine Notfallversorgung, die Erhaltung und Förderung der Gesundheit, die Durchführung von Arztbesuchen, die Ausführung ärztlicher und therapeutischer Verordnungen, sowie die Durchführung speziell pflegerischer Erfordernisse gewährleistet.

  • Mobilität

In der Kategorie Mobilität werden KlientInnen verschiedene Angebote dargelegt: Verkehrssicherheitstraining, Begleitung im Verkehr, Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, Förderung und Erhalt der eigenen Mobilität, Nutzung unterstützender Mobilitätshilfen und Orientierung in vertrauter und fremder Umgebung.

  • Kommunikation

Im Bereich der Kommunikation wird Unterstützung und Entwicklung der verbalen und nonverbalen Ausdruckfähigkeit angeboten, wodurch das Mitteilen von Wünschen, Bedürfnissen, Befindlichkeiten, etc. erleichtert bzw. ermöglicht werden soll. Weiters wird den KlientInnen eine Kompensation von Sinnes- und Sprachbeeinträchtigung etwa durch die Nutzung und Beschaffung technischer und elektronischer Hilfsmittel angeboten.

  • Gestaltung sozialer Beziehungen

Die Gestaltung sozialer Beziehungen kann sich auf das unmittelbare Arbeitsumfeld oder auf das erweitere Umfeld beziehen. Im unmittelbaren Arbeitsumfeld liegt der Fokus auf das Verstehen und Wahrnehmen anderer Menschen (Vorgesetzte/KollegInnen), das Herstellen und Pflegen von Kontakten, sowie das Einhalten von Regeln u.v.m. Das erweiterte Umfeld betreffend sollen KlientInnen den Aufbau und Erhalt von Kontakten und Beziehungen trainieren, sowie den Umgang mit Konflikten u.v.m.

  • Emotional-psychosozialer Lebensbereich

Diese Dienstleistungskategorie betrifft den Umgang mit Emotionen, Stimmungslagen und Befindlichkeiten. Dabei werden folgende Bereich mit der Assistenz bearbeitet: Auseinandersetzung mit Entwicklungsphasen, Umgang mit Veränderungen, Umgang mit persönlichen Krisen, Inanspruchnahme von Unterstützungsmaßnahmen, Bewältigung von Angst-, Unruhe- und Spannungszuständen, Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung und Trauer- und Sterbebegleitung.

  • Bildung

In der Unterstützen Arbeit werden auch Bildungsangebote eruiert, in Form eines Arbeitstrainings (Vermittlung von Arbeitstechniken, Vorbereitung auf alltägliche Arbeitsabläufe etc.), einer Förderung des Erhalts von Kulturtechniken, in Form der Orientierung über Bildungsangebote, die den individuellen Interessen und Fähigkeiten entsprechen, der Teilnahmen an Bildungsangeboten und der Reflexion der konsumierten Bildungsangebote.

Die Teilnahme an der Unterstützen Arbeit beläuft sich in der Regel auf ein bis fünf Jahre, wobei nach spätestens fünf Jahren eine neue Orientierungs- und Erprobungsphase durchgeführt werden muss.

Die Lebenshilfe Tirol gem. GesmbH bietet in den Einrichtungen der Unterstützen Arbeit nicht nur Angebote der beruflichen Teilhabe und Weiterbildung, sondern auch Rehabilitationsmaßnahmen für alltägliche Bedürfnisse und Fertigkeiten und der emotionalen und psycho-sozialen Entwicklung. Es ist daher ein ganzheitliches Angebot, das lediglich den Sektor Wohnen exkludiert.

6.2.2. Ziel

Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, die sich an den Fertigkeiten und Fähigkeiten der betroffenen Personen orientieren. Durch die Bereitstellung der angemessenen Rahmenbedingungen wird eine bestmögliche Voraussetzung zur beruflichen Integration geboten.

Ein weiteres Ziel der Organisation ist es die persönlichen, sozialen und alltagspraktischen Kompetenzen der Betroffenen weiterzuentwickeln, das Selbstvertrauen und die Selbstständigkeit zu stärken, sowie fachliche bzw. arbeitsfeldbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln und zu vermitteln.

6.2.3. Zielgruppe

Zielgruppen der Unterstützten Arbeit (integrativen Werkstätte) sind Jugendliche mit Behinderungen nach Beendigung der Schulpflicht und Erwachsene mit Behinderungen. Um an diesem Programm teilnehmen zu können, muss im Vorhinein eine Arbeitsorientierung absolviert worden sein. Die Zielgruppe muss fachliche, arbeitsfeldbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben wollen, sowie einen Assistenzbedarf in emotionalen, psychosozialen und lebenspraktischen Bereichen benötigen, zur Stärkung des Selbstvertrauens und der Selbstständigkeit.[13]

6.3. Menschen mit Lernschwierigkeiten in integrativen Betrieben (Österreich) und Integrationsprojekten (Deutschland)

In Österreich besitzt der Sektor der Beschäftigungsbetriebe keine so große Bedeutung wie in anderen Staaten. Die Modelle der Beschäftigungsbetriebe werden nicht mehr weiter ausgebaut, auf Grund der staatlichen Zielsetzung der Integration in den ersten Arbeitsmarkt. In Österreich existieren nach Schwalb & Theunissen (2013) acht Integrative Betriebe mit rund 1600 Beschäftigten mit Behinderungen. Das Modell wurde 1977 gegründet.

In Deutschland stellen Integrationsprojekte rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen, unternehmensinterne oder von öffentlichen ArbeitgeberInnen geführte Betriebe oder Abteilungen dar. Gegründet wurden sie in den 1990er Jahren primär für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, auch heute noch bilden sie das Hauptklientel. Im Laufe der Psychiatrie-Reform in den 1970er und 1980er Jahren trat die Erkenntnis der Bedeutung einer beruflichen Integration für den Genesungsprozess in den Vordergrund, wodurch als Mangel an Alternativen zu den Werkstätten für behinderte Menschen Selbsthilfefirmen gegründet wurden, die sich im Laufe der Zeit zu Integrationsprojekten entwickelten. (vgl. Kubek, 2012, 57) Integrationsprojekte sind wirtschaftlich gesehen Non-profit-Unternehmen, viele erhalten auf Grund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit staatliche Förderungen. (vgl. Wüllenweber, Theunissen, & Mühl, 2006, 402f)

6.3.1. Konzept und Aufgabe

Integrative Betriebe sind speziell geförderte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen, die in geschützter Umgebung den KlientInnen eine Beschäftigung bieten oder sie auf einen Beruf im allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten. Die Arbeit wird in verschiedenen Bereichen angeboten: Holz- und Metallverarbeitung, Druckereien und Montage oder etwa in der Kunststoffverarbeitung. (vgl. Schwalb & Theunissen, 2013, 95f)

In Deutschland zielen Integrationsprojekte darauf ab betriebseigene, zeitlich flexibel gestaltete und an die Leistungsfähigkeit der KlientInnen angepasste Arbeitsplätze zu schaffen und so zur beruflichen und gesellschaftlichen Integration beizutragen. Wirtschaftlich gesehen können sich die Integrationsprojekte nur dann auf dem Arbeitsmakrt etablieren, wenn ihre Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer gesichert ist. Integrationsprojekte stehen in enger Zusammenarbeit mit Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes, wodurch eine eine Übernahme von den Beschäftigten in Teilzeit- oder Vollzeitverhätlnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmakrt ermöglicht werden soll. (vgl. Wüllenweber, Theunissen, & Mühl, 2006, 402f) Per Gesetz kommen Integrationsprojekten drei verschiedene Funktionen zu: Beschäftigung, Qualifizierung und Brückenfunktion zum allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Integrationsprojekt ist eine zeitlich begrenzte Förderung, wodurch nur wenig Chancen auf eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt und außerhalb eines Integtrationsprojektes bestehen. In einer Studie wurde eruiert, dass im Rahmen der Umsetzung der Hartz-Reform eine große Anzahl der Langzeitarbeitslosen mit einer gewissen Leistungseinschränkung in zahlreiche Integrationsprjekte eingegliedert wurde. Nach der Beendigung der zeitlich begrenzten Förderung wurden ein Großteil wieder in die Arbeitslosigkeit entlassen. (vgl. Kubek, 2012, 57f)

6.3.2. Zielgruppe

In Deutschland weißt die Zielgruppe Menschen mit Behinderungen auf, die auf Grund der Schwere der Behinderung trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten voraussichtlich auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht partizipieren können. Der Anteil von Menschen mit schweren Behinderungen soll den Anteil von 50 Prozent nicht übersteigen. Das Hauptklientel der Integrationsangebote stellt Menschen mit psychischer Beeinträchtigung dar. (vgl. Wüllenweber, Theunissen, & Mühl, 2006, 402f) Nach Kubek (2012) ist die Zielgruppe der Integrationsprojekte in Deutschland der Personenkreis von Menschen mit schweren intellektuellen, seelischen und/oder körperlichen und Sinnes-Beeinträchtigungen sowie Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen. Diese Menschen sollen nach zielgerechter Vorbereitung in Behindertenwerkstätten oder pyschiatrischen Einrichtungen durch Integrationsfirmen auf den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. (vgl. ebd., 58)

6.4. Reflexion

Die Literaturrecherche bezüglich der existierenden österreichsichen Konzepte von Organsiatinoen im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt erwies sich als problematisch. Zumal wenig Literatur zu den verbreiteten Einrichtungen der integrativen Werkstätten und integrativen Betrieben zu finden war, außerdem wießen die Ausführungen große inhaltliche Lücken auf. So konnten keinen detaillierten Angaben zu den Projekten der Integrativen Betriebe gefunden wurden, weder deren Struktur, Konzept oder Zielgruppe. Ebenso verhält es sich mit der Thematik der Behindertenwerkstätten. In der Literatur sind nur am Rand gesetzliche und inhaltiche Informationen im Bezug auf integrative Werkstätten in Österreich zu finden, womöglich auch auf Grund der geringen gesetzlichen Verankerung und der meinerseits attestierten "laissé-fair-Einstellung" gegenüber den Behindertenorganisationen. Ein deutliches gesellschaftliches Zeichen der Undurchsichtigkeit und der inkonsequenten Handhabe behinderungsbezogener Thematiken, Einrichtungen oder Projekte in Österreich.

6.5. Folgen und Potentiale der Teilhabe am zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt

Die belastetsten Folgen der Partizipation im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt für die Betroffenen sind die gesellschaftliche Exklusion, die prekäre Arbeits- und Lebenslage, das oftmalige Verbleiben in Hilfesystemen (erkennbar an der schlechten Vermittlungsquote) und die mit dem Arbeitsplatz einhergehenden Stigmatisierung der Betroffenen. Bei der Untersuchung "Nicht über uns ohne uns" von König, Postek, & Stadler-Vida (2011) wurde erhoben, dass sich WerkstattnutzerInnen einen Übertritt in den allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich wünschen. Die NutzerInnen erleben ihren Status als sowohl diskriminierend und stigmatisierend und nehmen die Beschäftigung oft nicht als gleichwertig war. Die strukturellen Merkmale der Taschengeld Entlohnung anstatt eine Lohns oder das Fehlen einer eigenständigen Sozialversicherung führen häufig zu niedrigem Selbstwertgefühl.

Trotzdem Behindertenwerkstätten, integrative Werkstätten und Fördergruppen als Rehabilitationsstätten für Menschen mit Behinderungen gelten, zum Ziel einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, findet die Rehabilitation in einem abgesonderten Raum fern der Gesellschaft statt. Durch diese Absonderung werden Vorurteile gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten konstruiert und rekonstruiert, ihre Lebenswelt bzw. Arbeitswelt bleibt für die Mehrheitsgesellschaft unzugänglich, fremd und befremdlich. Die Fremd- und Selbststigmatisierung kann nur durch grundlegendes Verständnis vermindert werden. Für die Menschen der Mehrheitsgesellschaft ist es notwendig Einblick in die behinderungsbezogenen Problematiken und Notwendigkeiten zu erlangen, wodurch das Verständnis für die Betroffenen die Zuschreibung eines Sonderstatus vermindern kann. Die vermeintliche Andersartigkeit führt zur Stigmatisierung, Menschen mit Lernschwierigkeiten, die permanent dieser Sichtbarkeit ausgeliefert sind, schreiben sich unweigerlich selbst Stigmata zu. Der Teufelskreis schließt sich somit, da durch die Stigmatisierung und Stereotypisierung Menschen mit Lernschwierigkeiten Barrieren zur Partizipation am ersten Arbeitsmarkt errichtet werden.

Die Beschäftigung in einer Behindertenwerkstätte an sich zeigt Zeichen von Prekarität auf: keine Sozialversicherung; keinen Lohn und keine Möglichkeit der Kontrolle der Entlohnung; die Arbeit ist befristet, da der Reha-Antrag jedes Jahr neu gestellt werden muss; das geringe Einkommen verknüpft mit gesellschaftlicher Segregation; Diese Faktoren können zu einer unsicheren prekären Lebenssituation führen, die bei Betroffenen ein starkes Gefühl der Unsicherheit auslösen kann. Somit bildet Frage nach der Grundsicherung einen großen Unsicherheitsfaktor. Menschen mit Lernschwierigkeiten, die in Österreich Anspruch auf eine Pension oder Invaliditätspension, sowie Pflegegeld haben, können über ein ausreichendes Einkommen verfügen, das zur Abdeckung der Grundbedürfnisse reicht. Betroffene, die nicht in diese Hilfssysteme fallen und eventuell nur auf eine erhöhte Familienbeihilfe zurückgreifen können, müssen finanzielle Hilfe von der Familie in Anspruch nehmen, da die Entlohnung in einer Behindertenwerkstätte in Form eines monatlichen Taschengeldes für die Finanzierung des Lebensunterhalts nicht ausreicht. Für einige Menschen mit Lernschwierigkeiten vielleicht ein Grund sich gegen eine Behindertenwerkstätte zu entscheiden, obwohl der Weg in eine Behindertenwerkstatt gesellschaftlich als der sicherste und einfachste Weg erscheint.

Statistiken bestätigen eine schlechte Vermittlungsquote der Behindertenwerkstätten in Beschäftigungsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt, weshalb der Großteil der KlientInnen in einer Behindertenwerkstätte in dem Hilfesystem verbleiben muss. Menschen mit Lernschwierigkeiten laufen Gefahr im Sondermarkt durch die Segregation festzusitzen, der Weg in die Gesellschaft zurück weist für viele Menschen unüberwindbaren Barrieren auf. So ist oftmals eine lebenslange Beschäftigung in einer Behindertenwerkstätte die einzige Perspektive. Nach König, Postek und Stadler-Vida (2011) stellt für langjährige WerkstättennutzerInnen das Beibehalten des Wunsches nach beruflichen Veränderungen einen immensen Kraftakt dar. Durch den drohenden Verlust von existenzsichernden Sozialleistungen, Wohnplätzen und Rückkehrmöglichkeiten kann in den wenigsten Fällen der Wunsch nach Veränderung aufrechterhalten werden.

Im Konzept einer Behindertenwerkstatt stecken viele Potentiale, die Menschen mit Lernschwierigkeiten auf den Weg in den Arbeitsmarkt begleiten können. Eine Werkstatt ist nicht nur ein Ort der Beschäftigung, sondern auch der Fort- und Weiterbildung. Weiters ist sie ein Ort der Kommunikation und Sozialisation, in dem soziale Fähigkeiten und Fertigkeiten aus- und weitergebildet werden können. Die Arbeit in einer Behindertenwerkstätte bietet dem Leben der Betroffenen Struktur und Orientierung, sie kann ein Gefühl der Nützlichkeit, Entfaltung und Verwirklichung sein. Die Lebenshilfe Tirol gem. GesmbH macht sich außerdem zum Ziel, ihre KlientInnen in den alltäglichen Fertigkeiten zu unterstützen und zu trainieren, wodurch ein kompaktes Beschäftigungs-, Arbeits-, Weiterbildungs-, Bildungs- und Trainingsangebot geboten werden kann. Diese Angebote können zu einer Rehabilitation führen, wodurch Menschen mit Lernschwierigkeiten die erlernten Kompetenzen im ersten Arbeitsmarkt entfalten können. Ob und wie die Potentiale einer Behindertenwerkstätte genutzt werden, ist von verschiedenen Ebenen abhängig: die Vorgaben es jeweiligen Bundeslandes, die Konzepte der Behindertenorganisation, die Qualität der Durchsetzung obliegt der Koordination der Einrichtungsleitung; Diese Variablen können dazu führen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten ihre Ressourcen und Potentiale nützen und weiterentwickeln können zum Ziel der Rehabilitation, es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten einer unsicheren, prekären Lebenswelt ausgesetzt sind, sobald die Vorgaben der verschiedenen Ebenen unzureichend professionell aus- und geführt werden.

6.6. Bedingt der zweite Arbeitsmarkt oder Sondermarkt prekäre Beschäftigungsverhältnisse und prekäre Lebensumstände?

Dadurch, dass dieser Sondermarkt wie im vorigen Punkt festgestellt wurde alle Faktoren eines prekären Beschäftigungsverhältnisses innehat, kann davon gesprochen werden, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten in Behindertenwerkstätten von einem prekären Arbeitsverhältnis belastet sind. Ob dieser Faktor ausreicht prekäre Lebensumstände hervorzurufen ist nicht eindeutig zu klären. Ein Prekäres Lebensverhältnis bedingt, wie im Punkt 4.3.2. "Prekäre Lebensumstände" eruiert wurde, sowohl das prekäre Beschäftigungsverhältnis, als auch eine prekäre Lebenslage und gefühlte Prekarität. Es reicht also nicht aus, wenn die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt die Kriterien der Prekarität erfüllt, es ist ebenso notwendig den häuslichen Kontext (risikoreiche Haushaltsstrukturen oder zusätzliche finanzielle Absicherung durch eine PartnerInnenschaft) und die subjektive Betrachtung der Lebenslage miteinzubeziehen. Vom objektiven Standpunkt kann der Sondermarkt durch diese Form der Beschäftigungsverhältnisse einen prekären Lebensumstand hervorrufen, verschiedene häusliche und/oder emotionale Umstände können jedoch dazu beitragen, dass die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt trotz prekärer Beschäftigung stabile und sichere Lebensumstände bedingt. Auf Grund dieser Komplexität ist es notwendig durch Interviews subjektive Elemente der gefühlten Prekarität und der Haushaltsstrukturen zu eruieren, um eine angemessen Antwort auf diese Fragestellung finden zu können.



[10] http://www.behindertenarbeit.at/bha/archives/5136 (16.05.2013)

[11] Z.v. http://www.behindertenarbeit.at/bha/archives/5136 (16.05.2013)

[12] https://portal.tirol.lebenshilfe.at/LHT-Handbuch/dokumente/Dienstleistungsbeschreibung.pdf&AuthResend1908BC2350124b5095AB75012FA405BA (20.05.2013)

[13] Vgl. https://portal.tirol.lebenshilfe.at/LHT-Handbuch/dokumente/Dienstleistungsbeschreibung.pdf&AuthResend1908BC2350124b5095AB75012FA405BA S. 72 - 77 (20.05.2013)

7. Wege zur Partizipation am ersten Arbeitsmarkt

Im Lauf der Weiterentwicklung der Paradigmen der Betreuung, Begleitung oder Assistenz von Menschen mit Behinderungen wurden von Behindertenorganisationen, NGO's oder Elterninitiativen neue Konzepte der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten im ersten Arbeitsmarkt entwickelt. "[...]Eltern klagten für ihre Kinder Festanstellung und volle Bezahlung ein. Sie wollten eine gemeinsame Arbeit von behinderten und nichtbehinderten Menschen in der offenen Wirtschaft, dort wo sich die Arbeit wirklich abspielt, nicht in irgendeiner Enklave." (Z.v. Basener, 2012, 16) Der institutionelle Weg in eine Werkstatt ist oft leichter, weil Eltern sich sicher sein können, das der/die Sohn/Tochter dort geschützt und versorgt wird und alle Probleme dort gelöst werden. Wenn Jugendliche oder Erwachsene mit Lernschwierigkeiten in der freien Wirtschaft tätig sein wollen, bedeutet das für die Eltern nicht nur mehr Aufgaben, sondern auch oft die Infragestellung der eigenen Zukunftsplanung für den/die eigene/n Sohn/Tochter. Die Familie bildet eine zentrale Instanz, die durch ihre schicht- und milieuspezifische Erwartungshaltung und Vorbildwirkung die Berufswege ihrer Söhne/Töchter steuern. (vgl. König, Postek, & Stadler-Vida, 2011, 33) Durch eine Arbeit in einem Betrieb und das dadurch eigenständig verdiente Geld können Betroffene ungeahntes Selbstbewusstsein entwickeln, eigene Pläne schmieden und sich von zu Hause abnabeln, was für einige Eltern oft nur schwer zu akzeptieren ist. Diese Menschen mit Lernschwierigkeiten fühlen sich durch die Arbeit weniger behindert, sie kleiden sich wie Gleichaltrige und ihr Anderssein ist weniger sichtbar. (vgl. Basener, 2012, 144f)

Ambulante Begleitung ermöglicht den TeilnehmerInnen einen hohen Individualisierungsgrad der Maßnahmen der Anpassung des Arbeitsplatzes über spezielle Bildungsangebote, Modifikationen der Arbeits- und Ausbildungsinhalte bis hin zur sozialpädagogischen Begleitung. Außerdem entsprechen Problemlösungsansätze neuen sozial- und rehabilitationspolitischen Maximen, die den Paradigmen der Behindertenhilfe eher gerecht werden, als stationäre Angebote. (vgl. Cloerkes & Kastl, 2007,168f) Menschen mit Behinderungen haben das Anrecht Konzepte in Anpruch zu nehmen, die über die Förderkonstruktion weit hinaus gehen und der inklusiven Teilhabe gerecht werden. Das Thema Behinderung beinhaltet politisch im Inklusionsgedanken nicht mehr die finanzielle Absicherung von Betreuungsstrukturen, sondern die Durchsetzung von BürgerInnen- und Menschenrechte. Inklusion sei nach Hermann Böckle aus dem Vorarlberger Sozialministerium sinnvoll: "Inklusion ist auch wirtschaftliche sinnvoll, das wissen wir schon. Man darf sie aber nicht nur auf das Thema Behinderung beziehen, Inklusion will jede From der Ausgrenzung vermeiden [...]". (Z.v. ebd., 170)

Im folgenden Abschnitt werden Projekte und Konzepte der ambulanten Begleitung zum und am Arbeitsplatz dargestellt.

7.1. Projekt Arbeitsorientierung in Tirol

Die Arbeitsorientierung wurde von der Lebenshilfe Tirol gem. GesmbH initiiert, um mit Menschen mit Lernschwierigkeiten Schlüsselqualifikation für einen Berufs- oder Arbeitseinstieg zu erarbeiten. Die Arbeitsorientierung ist ein semistationäres und/oder mobiles Angebot, es kann halb- oder ganztags beansprucht werden. Die zeitliche Zieldimension beträgt maximal sechs Monate. Dieses Angebot wurde erneut aus dem Dienstleistungskatalog der Lebenshilfe Tirol gem. GesmbH entnommen.[14]

7.1.1. Konzept und Aufgabe

Die Arbeitsorientierung ist ein Angebot für Jugendliche mit Behinderungen im Übergang zwischen Schule und Beruf und für Erwachsene mit Behinderungen, unabhängig von der Höhe ihres Unterstützungsbedarfes. Menschen mit Behinderungen, die sowohl Orientierung hinsichtlich ihrer Interessen und Fähigkeiten, bezüglich der Berufs- und/oder Arbeitsplatzwahl, als auch Unterstützung unterschiedlicher Intensität im emotionalen, psychosozialen und lebenspraktischen Bereich benötigen, können die Dienstleistung der Arbeitsorientierung in Anspruch nehmen. Ziel der Einrichtung ist es ein Orientierungsangebot und passende Rahmenbedingungen bereitzustellen, die die individuellen Stärken, Ressourcen, Bedürfnisse, Entwicklungspotentiale und Vorlieben fördern, wodurch Schlüsselqualifikationen für den Berufs- oder Arbeitseinstieg erworben werden können. Jugendliche oder Erwachsene sollen eine fähigkeits- und interessensbezogene sowie praxisnahe Berufswahl- oder Arbeitsentscheidung treffen können. Durch das Konzept der Arbeitsorientierung können bestmögliche Voraussetzungen für eine berufliche Integration vorliegen.

Das Dienstleistungsangebot der Arbeitsorientierung unterscheidet sich im Grunde nur gering von dem Angebot der Unterstützen Arbeit (Punkt 6.2.1.), Thematiken der Alltagsbewältigung und Hygiene sind ebenfalls im Katalog inbegriffen. Ein Angebot, das ausschlaggebend für die Arbeitsorientierung ist, ist die Durchführung und die Organisation von Kurzpraktika, die maßgeblich zur Orientierung und Integration beitragen. Während der Praktika findet eine ambulante Begleitung statt, um am Arbeitsort die zur erfolgreichen Durchführung notwendigen Umstände garantieren zu können. Dadurch, dass das Konzept semistationär aufgebaut ist, wirkt es strukturierend für den Alltag der TeilnehmerInnen.

7.2. Projekt Job.Chance.Tirol

Das seit 15 Jahren existierende Angebot des Job Choaching der Lebenshilfe Tirol gem. GesmbH wurde am 01.01.2010 in das Projekt Job.Chance.Tirol unbenannt und wird vom Bundessozialamt finanziert. Laut einem Artikel der Tiroler Tageszeitung vom 18.03.2010 würden jährlich 100 Personen in das Projekt aufgenommen und ein Drittel der KlientInnen schaffe auch den Sprung in den Arbeitsmarkt. Eine wichtige Stütze des Projekts seien rund 160 Betriebe, die als dessen Partner Menschen mit Behinderungen immer wieder eine Chance gäben. Die meisten vermittelten Berufe würden sich auf Hilfstätigkeiten in Küchen, Regalbetreuung oder auf Lagerarbeit belaufen. Das Sozialamt stelle jährlich rund 445.000 Euro für das Projekt zur Verfügung.[15] Nach einem Artikel der Tiroler Woche vom 25.03.2010 belaufe sich die Hälfte der KlientInnen aus dem Raum Innsbruck, der Rest verteilte sich gleichmäßig auf alle Bezirke Tirols.[16]

7.2.1. Konzept und Aufgabe

Die Behindertenorganisation richtet da Angebot an folgende Zielgruppe:

  • "Begünstigte Personen im Sinne des §2 Behinderteneinstellungsgesetzes.

  • Personen, die aufgrund einer oder mehrere gesundheitlicher Beeinträchtigungen einen Behinderungsgraf von mindestens 30 Prozent aufweisen.

  • Personen, die am Ende der Pflichtschule sonderpädagogischen Förderbedarf hatten und zumindest teilweise nach dem Lehrplan der Sonderschule unterrichtet wurden.

  • Jugendliche zwischen 15 und 23 Jahren, die lernbehindert sind, oder soziale oder emotionale Handicaps aufweisen."[17]

Die AssistentInnen bei Job.Chance.Tirol unterstützen KlientInnen beim Finden eines Arbeitsplatzes, bei der direkten Arbeit im Arbeitsplatz und sie beraten Betriebe bei der Anstellung von Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen. Menschen mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten werden während des gesamten Zeitraumes der beruflichen Integration von Job Coaches begleitet, sie sind über einen Zeitraum von 18 Monaten AnsprechpartnerInnen für Betriebe und ArbeitnehmerInnen. Zur verbesserten Einarbeitung wurde ein Mentoring-System ins Leben gerufen, wobei MentorInnen (ArbeitskollegInnen) den Betroffenen Unterstützung bei der Einübung der Arbeitsabläufe und bei der fachgerechten, individuellen Gestaltung des Arbeitsplatzes anbieten, sie sind auch Ansprechpersonen bei der Bewältigung von sozialen Konflikten im Betrieb. Einmal im Jahr findet ein Schulungstag für alle MentorInnen statt, dort soll an den gemeinsamen Erfahrungen gelernt werden.[18]

7.3. Projekt Spagat in Vorarlberg

Das Projekt Spagat entstand auf Grund einer Elterninitiative, der Motor für die Initiative trug den Namen "Integration Vorarlberg". In den 1990er Jahren bildeten Elternvereine einen Arbeitskreis zum Thema Übergang ins Arbeitsleben, wobei die Methode der Zukunftsplanung von Stefan Doose starken Anklang fand. Ausgangspunkt für die berufliche Tätigkeit der Betroffenen sollten nicht die vermuteten oder diagnostizierten Fähigkeiten sein, sondern ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen. "[...]Man muss vom Jugendlichen ausgehen. Was kann er, was macht er gern, wozu muss man ihn nicht erst motivieren, welche Plätze interessieren ihn? Und dann muss man schauen, ob es dort Tätigkeiten gibt, aus denen sich sinnvolle Beschäftigungen konstruieren lassen, ganz abgekoppelt vom Berufsbild. Das ist die Freiheit, die wir für unsere Kinder brauchen." (z.v. Basener, 2012, 15) Mit diesem Konzept forderte die Initiative von der Landesregierung ein Projekt für den Start ihrer Kinder in das Berufsleben. Die Regierungsvertretung knüpfte an die Bewilligung die Bedingung mit dem Institut für Sozialdienste (IfS) zu kooperieren, das grundsätzlich auf stationäre Angebote verzichtet und ihre Wurzeln in der psychosozialen Beratung hat. Der IfS nahm sich der Aufgabe an für sowohl Menschen mit leichten als auch schweren Behinderungen Unterstützungskonzepte zu entwickeln. Die Elterninitiative wurde von vielen Elternkreisen für ihr Projekt kritisiert, da sich niemand vorstellen konnte, dass für diese Jugendliche etwas anderes als eine beschützte Werkstätte möglich sei. Durch Mittel des Europäischen Sozialfonds konnte das Projekt der Eltern und des IfS von 1998 bis 2001 in die EU-Förderung aufgenommen werden. In diesen drei Jahren war es das Ziel acht Jugendlichen aus der Elterninitiative Arbeitsplätze zu vermitteln. Die Initiative wurde in einer eigenständigen Einheit im IfS angesiedelt und erhielt den Namen Spagat. Nach dem Ablauf der drei Jahre waren alle acht Jugendliche am Arbeitsmarkt vermittelt und mit der Wirtschaftskammer wurde eine Bezahlung nach Kollektivvertrag ausgehandelt. Es war ein gleichberechtigtes Nebeneinader vom traditionellen Werkstattmodell und der Finanzierung der beruflichen Teilhabe am Arbeitsmarkt möglich, auch für Personen, die bis zu diesem Zeitpunkt kaum werkstattfähig galten. (vgl. ebd., 14ff)

7.3.1. Konzept

Die Spagat-MitarbeiterInnen werden nur auf Anfrage tätig, LehrerInnen oder Eltern müssen den Kontakt selbstständig mit ihnen aufnehmen. Zu Beginn findet ein Beratungstermin statt, bei denen die Betroffenen über die Fördermöglichkeiten des Landes, die finanziellen Ansprüche, den Ablauf des Vermittlungsprozesses mit Zukunftsplanung und Unterstützungskreis informiert werden, die Dringlichkeit und das Stundenpensum pro Woche werden ebenfalls thematisiert. Die Anmeldung für das Projekt wird über einen offiziellen Antrag auf Integrationsbeihilfe an das Land durchgeführt, Leistungen können bereits währen der Schulzeit in Anspruch genommen werden. Falls eine Person aus der Werkstatt zu Spagat wechseln möchte wird eine Hilfeplankonferenz einberaumt, die die Zugänge zur beruflichen Teilhabe steuert.

Spagat arbeitet mit dem Konzept des Unterstützungskreises, dem einen Großteil seines Erfolges zugesprochen wird. Diese Idee stammt aus dem Konzept der Persönlichen Zukunftsplanung von Stefan Doose. Der Kreis hat die Funktion Kontakte über Freunde und Bekannte aus dem Umkreis der Familie zu Arbeitgebern herzustellen und somit Schnupperpraktika zu ermöglichen. Zu dem Kreis gehören in der Regel zwischen fünf und fünfzehn Personen, die von dem/der TeilnehmerIn eingeladen werden. Während der Sitzung beschäftigen sich die Personen mit den Fähigkeiten, Stärken und Interessen des/der TeilnehmerIn, womit eine Liste mit konkreten Ideen für Schnupperpraktika in einem festgelegten Zeitrahmen festgehalten wird. Der Unterstützungskreis ist ein Netz, das immer wieder genutzt werden kann, um aufgetretene Probleme zu lösen.

Spagat bietet seinen TeilnehmerInnen ebenfalls einen fachtheoretischen Unterricht in Berufskundegruppen an. Diese Gruppe ist auf acht TeilnehmerInnen begrenzt und findet alle zwei Wochen statt. Der Unterricht wurde bisher von IntegrationsberaterInnen oder Honorarkräften durchgeführt, Spagat strebt aber die Kooperation mit Bildungsträgern an, wodurch der Unterricht von Fachkräften gehalten werden kann. Zusätzlich bietet die Organisation allgemeine Bildungsangebote, wie etwa Computerkurse oder Sprachkurse an. Neben den Bildungsangeboten werden Freizeittreffs organisiert (in Dornbirn, Feldkirch und Bludenz), die von Studierenden durchgeführt werden.

Ein neues Projekt, das bei Spagat in Erprobung ist nennt sich Integrative Wochenstruktur. Dabei gilt es im Unterstützungskreis Ideen für integrative Plätze gegebenenfalls auch in Betrieben zu finden, die eine Wochenstruktur unterstützen können. Der/die TeilnehmerIn wird 40 Stunden die Woche von AssistentInnen begleitet, durch eine individuelle Wochenstruktur wird ihnen eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. (vgl. ebd., 41ff)

7.3.2. Zielgruppe

Die ersten acht Personen die Spagat vermittelte, hatten eine attestierte Leistungsminderung von bis zu 90 Prozent und eine sonderpädagogischen Förderbedarf. Die Zielgruppe veränderte sich seither nicht, "Das war die Herausforderung des Projekts, mit den Schwächsten anzufangen und denen eine Perspektive zu bieten, von denen niemand glaubte, dass sie arbeiten könnte." (z.v. Basener, 2012, 44) Um bei Spagat aufgenommen werden zu können sind folgende drei Bedingungen zu erfüllen: ein Sonderpädagogischer Förderbedarf, ein hoher Hilfebedarf und die Notwendigkeit einer dauerhaften Unterstützung durch einen Mentor im Betrieb muss gegeben sein. Vermehrt kommen Personen mit mehr als 50 Prozent Leistunsgfähigkeit auf Spagat zu, wenn trotz eines geschützten Arbeitsplatzes die Begleitung nicht mehr ausreicht und deshalb von Entlassung bedroht sind. Grundsätzlich umfasst der Spagat-Personenkreis alle Menschen mit Lernschwierigkeiten, gelegentlich Menschen mit sehr schweren körperlichen Beeinträchtigungen, hingegen der Personenkreis mit psychischer Erkrankung wird nur in Ausnahmefällen vermittelt, wenn es sich dabei um Doppeldiagnosen und/oder Grenzfälle handelt. (vgl. ebd., 44f)

7.4. Unterstütze Beschäftigung (Deutschland)

Die Unterstützte Beschäftigung ermöglich unabhängig der Schwere und Art der Behinderung durch die Hilfe von Integrationsfachdiensten oder anderen geeigneten Trägern eine berufliche Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt. Sie ist ein Programm in Deutschland, das Menschen mit Behinderungen durch eine intensive Unterstützung den Weg zum allgemeinen Arbeitsmarkt in ein Beschäftigungsverhältnis verhilft. In den USA entstand in den 1980ern das Konzept "Supported Employment" dessen Ansatz sich in den letzten fünfzehn Jahren in Deutschland durchgesetzt hat und vermehrt Akzeptanz erlangt. (vgl. Theunissen, Kulig, & Schirbort, 2007, 349) 1994 wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung gegründet, zu Beginn konnte das Projekt auf Grund fehlender Regelförderung nur an wenigen Orten angeboten werden. Seit 22.12.2008 wurde eine Regelförderung im SGF IX festgelegt, wodurch eine bundesweite Förderung ermöglicht wurde. (vgl. Benken, 2010, 14f)

7.4.1. Konzept und Aufgabe

Nach dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Unterstütze Beschäftigung in zwei Phasen eingeteilt werden: in die individuelle betriebliche Qualifizierung und die Berufsbegleitung. In der Phase der individuellen betrieblichen Qualifizierung werden Lerninhalte, Schlüsselqualifikationen und Maßnahmen der Persönlichkeitsentwicklung vermittelt. In der Phase der Berufsbegleitung wird Assistenz im Arbeitsalltag angeboten, die Dauer beläuft sich auf die individuelle Notwendigkeit. (vgl. ebd., 12)

Das Konzept der Unterstützten Beschäftigung zeigt nach Theunissen, Kulig, & Schirbort (2007) sechs Kernelemente auf.

  1. Berufliche und soziale Integration: die Unterstützte Beschäftigung hat die zentrale Intention der sozialen Integration von Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Behinderungen werden als Menschen mit Fähigkeiten, Kompetenzen und Ressourcen verstanden, die ihre Möglichkeiten der individuellen Weiterentwicklung und Entfaltung nutzen wolle. Somit steht die Unterstützte Beschäftigung unmittelbar in Zusammenhang mit Gleichberechtigung, Teilhabe, Empowerment und Selbstbestimmung.

  2. Bezahlte reguläre Arbeit: Menschen mit Behinderungen sollen mittel Unterstützter Beschäftigung die Möglichkeit haben eine bezahlte Tätigkeit auszuüben, die sowohl von gesellschaftlicher Notwendigkeit und Nutzen ist, als auch von Menschen ohne Behinderungen ausgeübt wird. Es geht um die Partizipation am ersten Arbeitsmarkt und um allgemeinen Aktivitäten des Arbeitslebens. Mit dem Ausüben dieser wirtschaftlich verwertbaren Arbeit geht ein Anspruch auf Entlohnung einher.

  3. Individualisierung der Unterstützung: Die Form, Intensität und Dauer der Unterstützung werden auf die individuellen und spezifischen Bedürfnisse der TeilnehmerInnen angepasst. Der Unterstützungsplan resultiert aus der Planung der beruflichen Zukunft, der Arbeitsplatzsuche und Qualifizierung, der Einarbeitung und Lösung von Problemen am Arbeitsplatz.

  4. Erst platzieren, dann qualifizieren: Bei der Unterstützen Beschäftigung wird die traditionelle Reihenfolge von Ausbildung bzw. Qualifizierung und Arbeit verändert. Somit sollen Menschen mit Behinderungen im realen Erfahrungsfeld mit Hilfe eine Job Coaches lernen und sich qualifizieren können. Bei Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde die Erfahrung gemacht, dass es ihnen Schwierigkeiten bereitet Erlerntes auf eine andere Umgebung zu übertragen.

  5. Keine zeitliche Begrenzung der Unterstützung: In diesem Programm wird die Unterstützung am Arbeitsplatz nicht zeitlich befristet. Die Dauer der Unterstützung wird wiederum individuell gestaltet, es gilt jede/n TeilnehmerIn so weit zu begleiten, wie es nötig ist. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass vermittelte Menschen mit Behinderung nach intensiver Unterstützung bei der Einarbeitung mit der Zeit die Anforderungen am Arbeitsplatz selbst bewältigen können und die Assistenz sukzessiv vermindert werden kann.

  6. Offenheit für alle Menschen mit Behinderungen: Dieses Konzept richtet sich an alle Menschen mit Behinderungen, an Menschen jeden Alters, alle Arten und Grade der Behinderung.

Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Arbeitsschritte bewährt, die als zentrale Bestandteile des Prozesses benannt werden können. Zu Beginn werden individuelle Fähigkeitsprofile erstellt, mit denen arbeitsbezogene Kompetenzen eruiert werden könne. Daran schließt eine systematische Suche nach Arbeitsplätzen an. Konnte ein Arbeitsplatz akquiriert werden wird er einer Arbeitsplatzanalyse und einer eventuellen Arbeitsplatzanpassung unterzogen. Die Qualifizierung am Arbeitsplatz findet in Form eines mehrwöchigen "Training on the Job" statt, am Ende steht der Abschluss eine Arbeitsvertrages und der Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses. Der/die FachberaterIn steht anschließend weiterhin dem/der ArbeitgeberIn und dem/der ArbeitnehmerIn für die Nachbetreuung oder eventuelle Krisenintervention zur Verfügung. (vgl. ebd., 349) Zusammengefasst können drei Stärken des Konzeptes ausgemacht werden. Erstens die Entdeckung des "Lernortes Arbeitsplatz", womit eine optimitische Perspektive verbunden ist und das Lernen am Arbeitsort einen besonderen Stellenwert bekommt. Die zweite Stärke liegt darin, das der Arbeitsprozess an einem konkreten Arbeitsplatz orientiert ist und konkrete Fähigkeiten und Bedürfnisse von den Betroffenen eruiert und erlernt werden können. Damit ist drittens eine Individualisierung der beruflichen Eingliederung verbunden, die eine optimale Voraussetzung für berufliche Teilhabe darstellt. (vgl. Cloerkes & Kastl, 2007, 146)

7.4.2. Zielgruppe

Zu Beginn war das Konzept auf Menschen mit Lernschwierigkeiten zentriert, später fand es auch bei Menschen psychischer und körperliche Beeinträchtigung Verwendung. (vgl. Theunissen, Kulig, & Schirbort, 2007, 349) In der Literatur wird die Zielgruppe unterschiedlich benannt: für leistungsstarke Menschen mit Behinderungen, für Menschen mit Behinderungen, die werkstattbedürftig und -berechtigt sind, für Menschen mit leichter intellektueller Beeinträchtigung oder für alle Menschen mit Behinderungen. Da eine Stärke des Konzepts der Grad der Individualisierung darstellt, ist es möglich alle Menschen mit Behinderungen mit Unterstützer Beschäftigung die berufliche Teilhabe zu ermöglichen. Der Fakt, dass erst am Arbeitsplatz die Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen erlernet werden, gibt Menschen mit schweren Behinderungen eine primäre Chance sich am Arbeitsplatz beweisen zu können und werden nicht primär auf Grund fehlender Kompetenzen benachteiligt. Außerdem sieht Unterstüzte Arbeit die Modifikation des Arbeitsplatzes vor, das den Bedürfnissen von Menschen mit schweren Behinderungen sehr entgegen kommt. Daher weißt das Konzept Richtlinien auf, die allen Menschen mit Behinderungen in ihren Weg in den ersten Arbeitsmarkt unterstützen können.

7.5. Arbeitsassistenz und persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (Österreich)

Die Arbeitsassistenz ist in Österreich ein kostenloses Angebot für ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen zur Unterstützungs-, Informations- und Beratungstätigkeit. Menschen mit Behinderungen haben ebenso die Möglichkeit Zuschüsse zu technischen Hilfsmittel zu erhalten. ArbeitgeberInnen können ihrerseits Zuschüsse zu Lohn- und Ausbildungskosten sowie für behindertengerechte Adaptierung des Arbeitsplatzes beantragen. Die Arbeitsassistenz wird zu 100 Prozent aus öffentlichen Geldern finanziert, dessen wichtigste Einnahmequelle die Subventionen aus dem Ausgleichstaxfonds des Bundessozialamtes darstellt. Weitere finanzielle Mittel werden vom AMS und dem jeweiligen Bundesland zur Verfügung gestellt. Fördergelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) fließen über den Bundesanteil ebenfalls in das Budget mit ein. (vgl. Beczynski, 2010, 90f) Menschen mit schweren Behinderunge (ab der Pflegestufe 3) bedürfen auf Grund der schwere ihrer Beeinträchtigung einer personalen Unterszützen. Diese Leistung kann von einer persönliche Assistenz am Arbeitplatz geleistet werden. Durch dieses ambulante Angebot ist es Menschen mit Behinderungen möglich in Realsituationen am Arbeitsplatz handlungsorientiert zu lernen.

7.5.1. Konzept und Aufgabe

Das Konzept der Arbeitsassistenz soll Menschen mit Behinderungen beim Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt sowie bei der Absicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen unterstützen. In Österreich bildet die gesetzliche Grundlage für dieses Projekt das Behinderteneinstellungsgesetz. In einem Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2003 wurden folgende Aufgaben der Arbeitsassistenz festgehalten:

  • Menschen mit Behinderungen werden beim Erwerb einer Beschäftigung bzw. beim drohenden Verluste des Arbeitsplatzes unterstützt.

  • Menschen mit Behinderung werden durch die Arbeitsassistenz Entscheidungs- und Orientierungshilfen angeboten.

  • Die Arbeitsassistenz bietet ebenso Informationen über Fördermaßnahmen und berufliche Integration sowie

  • beratet die DienstgeberInnen und betrieblichen HelferInnen.

  • Die Arbeitsassistenz arbeitet mit allen Behörden zusammen

  • und sucht Einrichtungen und Institutionen, die bei der Absicherung eines Arbeitsplatzes oder eine kompetente Hilfestellung leisten können. (vgl. Beczynski, 2010, 90f)

Die Arbeitsassistenz übernimmt oftmals die Funktion des Case Managements. Dabei wird in der Organisation abgeklärt, welche Unterstützung und Hilfe bei einer Person mit Behinderung nötig sind, damit sie einer Arbeit nachgehen kann. Damit die Arbeit gelingen kann, muss ebenso die Unterstützung etwa beim Wohnen, in der Freizeit und Mobilität gesichert sein.

Die persönliche Assistenz am Arbeitsplatz kann folgende Tätigkeiten abdecken:

  • die Begleitung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstelle

  • die Begleitung von dienstlichen Verpflichtungen außerhalb des Arbeitsplatzes

  • die Begleitung manueller Tätigkeiten bei der Dienstverrichtung

  • die Begleitung bei der Körperpflege während der Dienstzeit

  • die Begleitung bei sonstigen behinderungsbedingt erforderlichen Assistenzleistungen (etwa Hilfe beim Mittagessen, Hilfe beim Ein- und Aussteigen, etc.) (vgl. Schwalb & Theunissen, 2013, 94)

Menschen mit Behinderungen können somit am herkömmlichen Arbeitsleben partizipieren oder ein bereits bestehender Arbeitsplatz kann gesichert werden.

7.5.2. Zielgruppe

Als Hauptzielgruppe für die Arbeitsassistenz werden in Österreich Menschen mit intellektueller, körperlicher, psychischer Beeinträchtigung und mehrfacher Behinderungen genannt. Die persönliche Arbeitsassistenz zielt auf Menschen mit schweren Behinderungen und deren Bedürfnisse ab. Demnach finden in diesem Konzept alle Menschen mit Behinderungen Platz und werden auf ihre individuelle Weise unterstützt und begleitet, zum Ziel der beruflichen Partizipation am ersten Arbeitsmarkt.

7.6. Reflexion

Die Projekte und Konzepte die ausgewählt wurden sollten einen Überblick über die regionalen Angebote in Österreich liefern, sowie Länderübergreifende erfolgreiche Projekte darstellen. Die Projekte der Lebenshilfe Tirol gem. GesmbH wurden deshalb gewählt, weil die Organisation ein breites Angebot an Projekten der beruflichen Teilhabe bietet und in einigen österreichischen Bundesländern das Monopol der Behindertenhilfe darstellt. Außerdem spielte der Faktor der Zugänglichkeit der Informationen eine wichtige Rolle, da wie bereits festgestellt wurde, wenig über die Formen der Behindertenhilfe in Österreich publiziert und veröffentlicht wurde.

Nach dieser Auflistung ausgewählter Projekte und Konzepte der ambulanten oder semistationären beruflichen Begleitung von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Deutschland und Österreich auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt oder bei einem bereits bestehenden Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft, werden folgende Fragestellungen der Punkte 7.7. und 7.8. geklärt. Dabei gilt es erneut prekäre Verhältnisse innerhalb dieses Beschäftigungsweges zu erkennen, zu benennen und herauszukristallisieren und der Prekarität des zweiten Arbeitsmarktes oder Sondermarktes gegenüber zu stellen.

7.7. Folgen und Potentiale der erfolgreichen Partizipation im ersten Arbeitsmarkt

Die ambulante Begleitung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem Weg zum ersten Arbeitsmarkt und in Erwerbsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt erweist sich als Auslöser positiver Entwicklungen der individuellen Persönlichkeiten, Selbstständigkeit oder Unabhängigkeit. Im Verlauf konnte festgestellt werden, dass durch die Möglichkeit seinen/ihren eigenen Unterhalt selbst bestreiten zu können, mittels selbstverdientem Geld, ungeahntes Selbstbewusstsein entwickelt wird und somit eigene individuelle Pläne unabhängig der Familie geschmiedet werden können. Eine Abnabelung vom Elternhaus und deren spezifischen Plänen für die betroffene Person ist möglich. Dieses gesteigerte Selbstbewusstsein zeigt sich auch darin, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten sich selbst als weniger behindert wahrnehmen (vgl. Basener, 2012, 144) und so durch die verminderte Selbststigmatisierung leichter in der Gesellschaft partizipieren können.

Die ambulante Begleitung in einem Erwerbsverhältnis folgt grundsätzlich dem Motto "zuerst platzieren, dann qualifizieren". Dadurch findet vorab keine Segregation statt und alle Menschen mit Behinderungen haben dieselbe Chance sich in dem Arbeitsumfeld qualifizieren zu können. Eine Qualifizierung direkt im Arbeitsumfeld weist ebenso den Vorteil auf, dass die individuellen Lerninhalte und Qualifizierungen eruiert werden können und so eine erhöhte Chance besteht ihnen gerecht werden zu können. Ebenfalls wurde in der Literatur darauf hingewiesen, dass am Arbeitsplatz Menschen mit Lernschwierigkeiten leichter die nötigen Fähigkeiten erlernen als in abgesonderten Räumen, auf Grund der Schwierigkeit Erlerntes auf unbekannte und neue Situationen transferieren zu können. Die Assistenz hat am Arbeitsplatz Vorort nicht nur die Aufgabe der Qualifizierung des/der KlientIn sondern auch den Betrieb auf die Person einzustimmen, deren Fähigkeiten und auch Problematiken zu suggerieren, um ein passende Arbeitsklima zu schaffen. In Krisensituationen kann immer wieder auf die Arbeitsassistenz zurückgegriffen werden, um den Arbeitsplatz halten zu können. Die ambulante Begleitung erscheint in dem Fall als eine Methode von hoher Individuation, Chancengleichheit, erleichterter Qualifizierung und Nachhaltigkeit. Eine derartige Erwerbsarbeit findet nicht abseits der Gesellschaft in geschützten oder beschützenden Räumen statt, sondern in Mitten der Gesellschaft mit ArbeitskollegInnen mit und ohne Behinderungen. Ein wichtiger Faktor der Schaffung von Normalität und Abschaffung des Sonderstatus von Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Eine Problematik, von denen Menschen mit Lernschwierigkeiten in einem Arbeitsplatz am ersten Arbeitsmarkt betroffen sind, stellen Fremdstigmatisierung und Vorurteile dar. Behinderteneinrichtungen wenden sich mit ihren ambulanten Programmen an verschiedene Partnerbetriebe, da dort durch Aufklärungsarbeit Vorurteile und Stigmata abgebaut werden konnten, um Menschen mit Behinderungen eine Chance auf einen Arbeitsplatz zu gewähren. Im gesellschaftlichen Vergleich handelt es sich dabei aber nur um wenige Firmen, die ihre Barrieren für Menschen mit Behinderungen abbauen, wodurch einem/einer Arbeitssuchenden nicht die gesamte Vielfalt von Arbeitsbereichen offen steht. Abschreckend für die Betriebe können ebenfalls die verschiedenen Verfahren und Ansuchen für Beihilfen und Unterstützung für eine Anstellung eines Menschen mit Behinderung beim Bundessozialamt wirken. Dadurch kann sich eine grundsätzliche positive Einstellung gegenüber einem Erwerbsverhältnis eines Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Grund des Mehraufwandes in eine Abneigung verwandeln. Die Kosten-Nutzen Rechnung spielt dabei eine große Rolle. Können jedoch diese Barrieren durch eine kompetente Arbeit seitens einer Behindertenorganisation durch genügend Unterstützung und Aufklärung für den Betrieb abgebaut werden, überwiegen die Vorteile einer ambulanten Begleitung von Menschen mit Lernschwierigkeiten im ersten Arbeitsmarkt.

7.8. Ist die Partizipation am ersten Arbeitsmarkt ein Garant, um prekäre Beschäftigung und prekäre Lebensverhältnisse zu vermeiden?

Eine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt kann für Menschen mit Lernschwierigkeiten einen Hohen Grad der Prekarisierung aufweisen. Menschen mit Lernschwierigkeiten können oftmals auf Grund ihrer Beeinträchtigung nur einem geringfügigen oder einem Arbeitsverhältnis auf Teilzeitbasis nachgehen, was auf Grund der Atypie und unzureichenden Absicherung als ein prekäres Verhältnis bezeichnet werden kann. Es ist ebenfalls möglich, dass Menschen mit Behinderungen auf Grund staatlicher Sozialleistungen (Pension, erhöhte Familienbeihilfe, Pflegegeld) nur einer geringen Anzahl von Stunden in einem Erwerbsverhältnis nachgehen dürfen. Hier stellt sich die Frage, ob der Lebensunterhalt mit dem erhaltenen Lohn zusätzlich eventueller Sozialleistungen gedeckt werden kann. Darin verbirgt sich ein Unsicherheitsfaktor, der eventuell durch eine unvorhersehbare Veränderung im Haushalt zu einer prekären Lebenssituation führen kann. Die Unsicherheit ein erworbenes Arbeitsverhältnis auf Grund etwa einer Verschlechterung der Beeinträchtigung wieder verlieren zu können, könnte einen Auslöser gefühlter Prekarität darstellen.

Weder die Partizipation am ersten Arbeitsmarkt noch die Segregation in den Sondermarkt garantieren gesicherte Lebens- und Arbeitsverhältnisse. In beiden Fällen thematisieren sich die Problematik der Finanzierung des Lebensunterhaltes und das hohe prekäre Potential bei Veränderungen im Haushalt oder der Lebenssituation. Bei Menschen mit Lernschwierigkeiten kommt hinzu, dass auf Grund der Beeinträchtigung reale und surreale Ängste und Unsicherheiten bezüglich ihrer Lebenssituation auftreten können, wodurch sie von der gefühlten Prekarität belastet werden. All diese Faktoren können ebenfalls Menschen ohne Behinderungen treffen, jedoch ist immer zu beachten, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Grund deren gesellschaftlichen Fragilität, persönlichen Minderentwicklung, Negativ-Biografie oder Abhängigkeit schneller und leichter von prekärem Verhältnissen belastet werden können und ihnen weniger Chancen zur Verfügung stehen, um ihnen entgegenwirken oder entkommen zu können.



[14] Vgl. https://portal.tirol.lebenshilfe.at/LHT-Handbuch/dokumente/Dienstleistungsbeschreibung.pdf (21.05.2013), S. 55 - 59

[15] Vgl. http://www.tirol.lebenshilfe.at/fileadmin/user_upload/Marketing/2010/JCT/TT_alleBezirke_180310.pdf (22.05.2013)

[16] Vgl. http://www.tirol.lebenshilfe.at/fileadmin/user_upload/Marketing/2010/JCT/Tiroler_Woche_250310.pdf (22.05.2013)

[17] Z.v. http://www.tirol.lebenshilfe.at/index.php?id=314 (22.05.2013)

[18] Vgl. http://www.tirol.lebenshilfe.at/index.php?id=315 (22.05.2013)

8. Empirische Untersuchung

Wie bereits im Laufe des Theorie Teiles angeschnitten wurde, ist es Aufgabe dieser Arbeit sowohl das objektive Feld der prekären Lebensumstände aufzudecken, dessen Menschen mit Lernschwierigkeiten im ersten Arbeitsmarkt sowie auch im Sondermarkt oder zweiten Markt ausgesetzt sind, als auch subjektive Faktoren zu eruieren, die für Menschen mit Lernschwierigkeiten eine prekäre Lebenssituation hervorrufen oder verhindern. Der Theorie Teil gab einen Einblick in die Problematik der Partizipation im ersten Arbeitsmarkt und Segregation in den zweiten Arbeitsmarkt sowie der Thematik Arbeitslosigkeit und Barrieren, in der Empirischen Untersuchung wird nun mittels einer Befragung von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich im zweiten Sondermarkt befinden, auf die Komponenten der gefühlten Prekarität eingegangen. Die gefühlte Prekarisierung kann sich unabhängig von prekären Lebensumständen auswirken, auf Grund verschiedener Faktoren, die dem/der Betroffenen momentane Sicherheit suggerieren.

8.1. Zielsetzung der Untersuchung

Ziel der Untersuchung ist es die Fragestellung zu kläre: "Empfinden Menschen mit Lernschwierigkeiten im Sondermarkt oder zweiten Arbeitsmarkt ihre Lebensumstände als belastend und prekär?" Wie im Punkt 6.5. und 6.6. aufgezeigt wurde, weißt ihre Lebenssituation viele Faktoren der Prekarität auf: ein prekäres Beschäftigungsverhältnis auf Grund fehlender Sozialversicherung und fehlenden Lohnes, keine Kontrolle über die Entlohnung, befristete Arbeitsstelle, geringes Einkommen u.v.m.; prekäre Lebenslage auf Grund vieler Risiko Potentiale im Haushalt: Veränderung der Grundsicherung auf Grund von Auszug oder Umzug, Versterben von Verwandten, die finanzielle Hilfestellung geben u.v.m. Objektiv betrachtet müssten Menschen mit Lernschwierigkeiten von diesem enormen Potential an Prekarität belastet sein, was mit einer Senkung der Lebensqualität einhergehen würde. In der Auswertung der Befragung werden Charakteristika oder Faktoren eruiert, die gefühlte Prekarität auslösen oder verhindern.

8.2. Methodik

Die empirische Untersuchung bedient sich der qualitativen Sozialforschung, im Detail des konsekutiven Interviews nach Cornelia Kammann und der Grounded Theory nach Glaser und Strauss. Die Befragung findet als konsekutives Interview statt und wird in Anlehnung an die Grounded Theory ausgewertet und kodiert. Dier Ergebnisse dieser Erhebung werden im folgenden Verlauf dargestellt.

8.2.1. Qualitative Sozialforschung

Die vermehrte Verwendung von qualitativer Forschung geht laut Mayer (2013) mit denen Phänomenen der postmodernen Gesellschaft einher, wodurch es notwendig wird eine neue Übersichtlichkeit zu schaffen, durch eine Individualisierung der Biografien und Lebenslagen. Dadurch gewinnen konstruktivistische Theorien immer mehr an Bedeutung, da klassische deduktive Methodologien in den neuen sozialen Kontexten und Perspektiven nicht mehr greifen.

Die qualitative Forschung folgt der konstruktivistischen Ansicht, dass Menschen ihre Wirklichkeit konstruieren und durch Kommunikation beeinflussen können. Dadurch schaffen und verändern Menschen ihre gesellschaftlichen Strukturen selbst. Die Realität ist nicht eine konstante Wirklichkeit, sondern konzipiert sich in diskursiven Verhältnissen.

Der induktive Charakter der qualitativen Forschung sieht es vor nicht die Wirklichkeit mit Theorien deduktiv abgeleiteter Hypothesen zu konfrontieren, sondern aus den empirischen Untersuchungen heraus Theorien zu entwickeln. Diese Theorien müssen als relative und vorläufige Perspektiven betrachtet werden, sie sind keine Abbildungen von Fakten. Das Ziel einer induktiven Wissenschaft ist trotzdem allgemeingültige Aussagen (im Sinne vorläufig gültiger Versionen) aufzustellen. (vgl. Mayer, 2013, 22ff)

8.2.2. Das konsekutive Interview nach Cornelia Kammann

Das konsekutive Interview wurde für die Befragung von Menschen mit Behinderungen entwickelt. Die Befragungsform setzt sich das Ziel möglichst große Offenheit mit den notwendigen strukturellen Anforderungen des Interviews zu erlangen. Das methodologische Vorgehen soll es erlauben in offenere Form die Ziele, Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen der Befragten erfassen zu können. Bei der Erfassung der Fragestellungen soll auf vorgegebene Kategorien verzichtet werden, denn die Wünsche der Befragten können erschwert erfasst werden, wenn es ihnen nur ermöglicht wird sich in den vorgegebenen Kategorien zu äußern.

Außerdem ist bei der Befragung von Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Methode notwendig, die auf die individuellen Erzählkompetenzen, Artikulations- und Verständnisfähigkeiten und auch Konzentrationsmöglichkeiten eingeht und angemessen berücksichtigt. Deshalb wird dieser Art vorgegangen:

"Im konsekutiven Interview greift der[/die] Interviewer[/Interviewerin] die thematischen Vorgaben des[/der] Befragten auf - er[/sie] folgt dem roten Faden des[/der] Gesprächspartners[/Gesprächspartnerin]. Durch eine offen formulierte Anfangsfrage wird das Interview eingeleitet, der[/die] Befragte soll zu einer Erzählung motiviert werden. Bei Beendigung der einzelnen Gesprächssequenzen geht der[/die] Interviewer[/Interviewerin] mit seinen weiteren Fragen so nah wie möglich auf die vorher formulierten Sätze und Aussagen des[/der] Befragten ein. Er[/Sie] spiegelt sie oder orientiert sich an den Inhalten. Diese Inhalte sowie die selbst gewählte Erzähltiefe bleiben während des gesamten Gesprächs Richtschnur für den [/die] Interviewer[/Interviewerin], der[/die] dennoch sein[/ihr] Forschungsinteresse/den eigentlichen Grund des Interviews nicht aus den Augen verlieren darf."[19]

Der befragte Mensch mit Behinderung soll sich auf das Gespräch einlassen können, die Fragen verstehen und beantworten können, trotzdem die Kommunikationskompetenz oftmals nicht ausreichend ausgebildet ist.

Bei einem konsekutiven Dialog sollen laut Andrea Raulinat folgende Punkte berücksichtigt werden, um auf die vorhandenen Kommunikationskompetenzen von Menschen mit Lernschwierigkeiten einzugehen. Sie sollen bei er Führung des Interviews ebenso beachtet werden:

  • Menschen mit Lernschwierigkeiten bejahen häufig eine Antwort, wenn eine Frage im Tonfall einen Zweifel beinhaltet.

  • Menschen mit Lernschwierigkeiten bestätigen bei einer Aufzählung oder Wahlmöglichkeit häufig den letzten Punkt.

  • Menschen mit Lernschwierigkeiten vermeiden Kritik oder Konfrontation, weil dies Nachfrage bedeuten würde und diese anstrengend oder überfordern in der Beantwortung sein kann.

  • Menschen mit Lernschwierigkeiten orientieren sich an den gespürten sozial erwünschten Antwortmöglichkeiten.

  • Menschen mit Lernschwierigkeiten stimmen Dinge zu, weil sie nicht gelernt haben, im Alltag für eigene Vorlieben einzustehen, bzw. sie spüren auf Grund mangelnder Übung ihre eigenen Vorlieben nicht.

Die Verfassung, Erfassung und Auswertung des konsekutiven Interviews wird im weiteren Verlauf im Detail dargestellt.

8.2.2.1. Die Interviewphasen

Das konsekutive Interview kann in fünf verschiedene Phasen eingeteilt werden:

8.2.2.1.1. Vorbereitungsphase

Während der Vorbereitungsphase wird der Erzählgegenstand generiert. Dabei ist darauf zu achten, dass das Thema nicht zu eng formuliert ist, um den/die GesprächspartnerIn nicht zu überfordern und um auf seine Erfahrungen eingehen zu können. Hilfreich dabei kann die Formulierung eines Leitfadens sein, der nicht als starres Vorgehensmuster, sondern als Gesprächsrahmen fungiert. Ebenso werden in der Vorbereitungsphase alle organisatorischen Regelungen geklärt: Ist ein Aufnahmegerät vorhanden? Wo kann das Interview stattfinden? Welcher Zeitpunkt ist geeignet? etc.

8.2.2.1.2. Gesprächseinleitung

In der Gesprächseinleitungsphase stellt der/die InterviewerIn als Gesprächseinstieg der befragten Person eine möglichst offene themenbezogene Frage. Es kann auch wichtig sein, der befragten Person noch einmal die Hintergründe der Befragung darzulegen und erneut auf die Freiwilligkeit der Teilnahme und der Vertraulichkeit des Umgangs mit dem Textmaterial zu verweisen.

8.2.2.1.3 (Haupt-) Gesprächsphase

Die Gesprächsphase soll einem Alltagsgespräch gleichen, was Menschen mit geringen Erzählkompetenzen entgegen kommt. Durch die verschiedenen Erzählimpulse entwickelt sich ein Gespräch mit einem eher symmetrischen Gesprächsverlauf, der/die Befragte bestimmt die Inhalte der Befragung, wobei der/die InterviewerIn die Sequenzen aufgreift und seine/n/ihre/n GesprächspartnerIn dazu motiviert fortzufahren bzw. genauer darzustellen oder ggf. neue Themenbereiche einzubringen.

8.2.2.1.4. Nachfragephase

Die Nachfragephase schließt sich der Gesprächsphase an, dabei hat der/die InterviewerIn die Möglichkeit, Themen anzusprechen, die nicht von dem/der Befragten eingebracht wurden.

8.2.2.1.5. Nachbereitungsphase

Nachdem das Interview geführt wurde wird von dem/der InterviewerIn ein Postskript über den Gesprächsverlauf, die Situation und die Rahmenbedingungen verfasst. Weitere endemische Daten (z.B. Alter, Geschlecht) können ebenfalls angegeben werden.[20]

8.2.3. Die Grounded Theory Methodik (GTM)

Die Methodik der Grounded Theory wurde in den 1960er Jahren von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss begründet. Die Grounded Theory Methodik ist ein Verfahren der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik, wobei durch Erfahrungsdaten von alltagsweltlichen Kontexten theoretische Konzepte entwickelt und dabei stets rekursiv an die Erfahrungsebene zurückgebunden wird. Eine Theorie eines Problemthemas wird "grounded" oder "gegenstandsgegründet" herausgearbeitet. Diese Methodik eignet sich für eine Rahmung und Anleitung von subkultureller Felder und der Sichtweisen und Problematiken dieser Mitglieder. Durch interaktive Teilnahme der forschenden Person werden Daten erhobenen (Felddokumente, teilnehmende Beobachtungen, Gespräche/Interviews), die Datenerhebungsinteraktion findet im Gegensatz zu einer "Komm-Charakteristik" der Laborwissenschaft im Milieu des/der UntersuchungspartnerIn statt. Die Grounded Theory ist ein analytischer Stil über Phänomene nachzudenken. (vgl. Breuer, 2010, 39f)

Eine empirische Untersuchung mittels Grounded Theory benötigt als Grundlage ein Themeninteresse mit einer allgemein gehaltenen alltagsweltbezogenen Fragestellung. Der/die Forschende begibt sich in das betreffende soziale Feld und dessen Mitglieder, wodurch ein Kontakt aufgebaut wird. In diesem Felder werden nun Daten verschiedener Art gesammelt: Gespräche, Beobachtungsprotokolle, Dokumente des Feldes, ausgelöste subjektive Eindrücke, etc. Diese Daten werden von den Froschenden kodiert oder konzeptualisiert. Diese Konzepte oder Kodes werden im Laufe der Untersuchung immer wieder ausgearbeitet, zueinander in Beziehung gesetzt und theoretisch verdichtet, wodurch sich eine Theorie bildet. (vgl. ebd., 51f) Dieses Vorgehen ist induktiv, aus besonderen Phänomenen wird auf die ihm innewohnenden allgemeinen Bezüge geschlossen. In der Grounded Theory wird auf vorab formulierte Theorien und Annahmen verzichtet, sie will Entdeckungen nicht nur Befunde ermöglichen. (vgl. Friedrich, 2006, 120f)

8.3. Die ProbandInnen

Für die empirische Untersuchung stellten sich vier ProbandInnen zur Verfügung, die im Bereich Arbeit als auch Wohnen von der Lebenshilfe Tirol betreut bzw. begleitet werden. Die ProbandInnen arbeiten in drei verschiedenen Beschäftigungswerkstätten der Lebenshilfe Tirol und nehmen im Bereich Wohnen das Angebot der mobilen Begleitung in Anspruch. Das Alter der ProbandInnen beläuft sich zwischen 36 und 54 Jahren. Sie besitzen verschiedene Beeinträchtigungen, die individuell die Lebensverhältnisse der Personen behindern.

Die Faktoren, wodurch es möglich ist die Personen zu vergleichen, sind der Zustand, dass sie in einer Beschäftigungswerkstätte tätig sind, dass sie mit konservativen Konzepten der Behindertenbetreuung sozialisiert wurden und einen ähnlichen Grad der Selbstständigkeit und Selbstverantwortung aufweisen.

Die Befragung fand in einem sehr persönlichen Rahmen statt, um der ungewohnten Situation eines Interviews entgegenzuwirken und eine angenehmen Atmosphäre zu erschaffen. Es wurde seitens der Interviewerin auf ein sehr wertschätzendes Vorgehen geachtet.

8.4. Ergebnisse der Erhebung

In der Auswertungsphase der Interviews wurde auf die Kodierung der Grounded Theory zurückgegriffen, wodurch sich folgende Kodes/Kategorien entwickelten, die Aufschlüsse darüber geben, welche Faktoren im Lebensumfeld der Befragten die individuelle gefühlte Prekarität der Befragten beeinflussen.

8.4.1. Die Kodes/Kategorien

die Relevanz des Erfahrungsschatzes für die gefühlte Prekarität

Bei der Auswertung der Interviews stachen der Einflussfaktor der Sozialisation und die damit verbundenen Erfahrungen stark hervor. Da bei Menschen mit Lernschwierigkeiten oftmals die Ich-Stärke nicht sehr ausgeprägt ist, werden sie stark von der Umwelt beeinflusst und geprägt.

Bei den Aussagen der Befragten, die sich nicht schon seit dem jungen Erwachsenenalter im System der Behindertenhilfe befindet, konnte festgestellt werden, dass die Erinnerung an die Lebensphase, in der sie in Normalitätsverhältnissen ohne geschützten Raum lebte, ein hohes Potential an Unsicherheit und Befürchtungen birgt. Die Normalität scheint als Unsicherheits- und Belastungsfaktor zu wirken, der die geschützten Verhältnisse beeinflussen kann.

Interview 2: Zeilen 55 - 58 "Hast du dir Sorgen ums Geld machen müssen oder war einfach immer genug da zu der Zeit? Ja die Wohnung war so teuer. Hast du dann auch schon Geld Probleme gehabt? Ja.":

Bei den Befragten, die schon seit dem jungen Erwachsenen Alter vom System der Behindertenhilfe betreut bzw. begleitet werden, konnte ein Urvertrauen in das System der Hilfe festgestellt werden, so dass keine Notwendigkeit der Unsicherheit und des Belastungsgefühl besteht. Die erfahrenen ge- und beschützenden Lebensverhältnisse bestärken sie in ihrem infantilen Denken und Empfinden.

infantile Glückseligkeit auf Grund der Notwendigkeitsproblematik

Menschen mit Lernschwierigkeiten werden durch veraltete Betreuungskonzepte, Strukturen und Besachwaltung in vielen Lebensbereichen bevormundet und infantilisiert. Dadurch, dass sowohl im Bereich Arbeit/Beschäftigung, Wohnen und Lebensführung Hilfesysteme greifen, wird die Verantwortung für die jeweiligen Bereich an das System übergeben, wodurch die Notwendigkeit der Partizipation und Eigenverantwortung nicht besteht. Diese Problematik ist in folgenden Aussagen zu erkennen:

Interview 3: Zeilen 137 - 142 "Findest du die 25€ zu wenig? Nein das ist nicht zu wenig. Reicht das für dich? Ja. Möchtest du mehr haben? Nein."

Interview 4: Zeilen 338 - 339"Und Sorgen in der Arbeit. Ne."

Durch die Bevormundung und Verantwortungsübernahme sind Menschen mit Lernschwierigkeiten zwar den bestimmenden Personen und Systemen ausgeliefert, jedoch besitzen sie den Luxus von unbeschwerten und sorglosen infantilen Lebensverhältnissen.

die Beeinflussung der gefühlten Prekarität durch die kognitive Beeinträchtigung

Die kognitive Beeinträchtigung kann sich sowohl positiv als auch negativ auf die gefühlte Prekarität von Menschen mit Lernschwierigkeiten auswirken. Bei der Befragung der Probanden mit autistischen Zügen konnte festgestellt werden, dass Empfindungen und Gefühle für sie sowohl schwer zu benennen, als auch schwer zu verstehen und auszudrücken sind. Die kognitive Entwicklung beeinflusst ebenso das zukunftsorientierte Denken und die Abstraktionsfähigkeit. Beim Großteil der befragten Personen löste die Nachfrage auf ihre Sorgen und Ängste Unbehagen und Unwissenheit aus.

Interview 3: Zeilen 201 - 202 "Warum machst du dir keine Sorgen? Weil es immer da ist? Oder weil sich jemand anderer darum kümmert? Noch nie darüber nachgedacht? Nein haben wir noch nicht."

Interview 1: Zeilen 367 - 370 "Kannst du mir noch sagen, was dir am größten Sorgen macht? Wenn du so überlegst. Überlegen ist schwer. Irgendwas was dir am meisten Sorgen bereitet, wo du am meisten darüber nachdenkst. Das weiß ich nicht."

Die Befragte mit einer psychischen Erkrankung hob sich vom den anderen Befragten ab, auf Grund dessen, dass sie ihr vielen Ängste, Sorgen und Befürchtungen äußerte. Ein Beispiel dafür, dass eine Beeinträchtigung die gefühlte Prekarität verstärken kann.

Die jeweilige kognitive und intellektuelle Beeinträchtigung und dessen Auswirkungen auf das soziale Erleben kann ein Faktor darstellen, der Menschen mit Lernschwierigkeiten Sicherheit und Vertrauen gibt, sowie prekäre Empfindungen verstärkt.

Stabilität und Sicherheit durch das Werkstatt System

Bei beinahe alle Befragten konnten im Laufe des Interviews Schwierigkeiten festgestellt werden, bestimmte Zeitabschnitte zu benennen und zu begrenzen, auch die Trennung zwischen der Arbeitszeit in der Werkstatt und der Freizeit fiel ihnen schwer. Dieser Zustand kann auf einen regelrechten Stillstand im Leben der Befragten hinweisen.

Interview 3: Zeilen 7 - 12 "Wie lang arbeitest du schon in der Werkstatt? Das weiß ich jetzt gar nicht. Schon seit ein paar Jahren? Oder erst kurz? Das weiß ich nicht mehr. Was würdest du schätzen? Seitdem du in der Wohnung wohnst oder schon länger? Schon länger glaub ich."

Die Tätigkeiten und Anforderungen während der Arbeitszeit scheinen sich nicht von denen in der Freizeit abzuheben, weshalb eine Abgrenzung oder Begrenzung nicht möglich ist. Ebenso ein Indiz dafür, dass auf kein Ziel hingearbeitet wird oder keine Veränderungen und Entwicklungen stattfinden. Das Leben im Stillstand und ohne Begrenzungen gibt einerseits durch die ständigen Wiederholungen und Vorhersehbarkeit Sicherheit und Stabilität, es zwingt Menschen mit Lernschwierigkeiten aber auch nach Auswegen zu suchen, um den Trott unterbrechen. So äußerten alle Befragten, dass ihnen in der Werkstatt die Mittagspause am besten gefiele und ihre Wünsche beliefen sich auf mehr Pausen an den Nachmittagen. Es wird also nach kleinen Auszeiten gesucht und gestrebt, das System einer Werkstatt mit der sich wiederholenden, ziel- und teilweise wertlosen Beschäftigung wird nicht in Frage gestellt, sogar durch ihre Stabilisierung und Stabilität begrüßt. Die Befragten äußerten keine Bedenken darüber, dass sie in Zukunft nicht mehr in derselben Werkstatt beschäftigt sein würden, trotz des befristeten Reha-Antrages. Folgende Auszüge als Beispiele dafür:

Interview 3: Zeilen 251 - 254 "Bist du dir sicher, dass du zum Beispiel nächstes Jahr noch in der Werkstatt arbeitest? Ja schon. Hast du da keine Bedenken, dass sie dich nicht mehr nehmen können und du keine Arbeit mehr hast? Das weiß ich nicht."

Interview 2: Zeilen 264 - 265 "Machst du dir Sorgen um deine Arbeit? Hast du Angst, dass du nächstes Jahr noch in der Werkstatt sein kannst oder denkst dir, das ist ein Fix-Platz? Ich hab keine."

Ein Faktor für diese Sicherheit kann auch mangelnder Informationsfluss und geringe Partizipation sein, wodurch der Umstand eines befristeten Arbeitsverhältnisses den Werkstattbeschäftigten eventuell gar nicht bewusst ist. Menschen mit Lernschwierigkeiten erfahren in der Werkstatt geschützte Verhältnisse, die sowohl vor Sorgen und Unsicherheit, als auch vor Veränderungen und Entwicklungen beschützen.

die Sachwalterschaft als Stabilitäts- und Sicherheitsfaktor

Bei der Befragung der ProbandInnen stellte sich bald der Faktor der Sachwalterschaft, als problematische Konstruktion dar. Die Folgen der Besachwaltung werden speziell beim Thema Finanzen sichtbar. Die ProbandInnen sind entweder von Familienmitgliedern oder einem/einer externen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin besachwaltet und können keine Auskunft über ihr monatliches Einkommen geben. Siehe folgende Beispiele:

Interview 1: Zeilen 202 - 204 Weißt du wie viel Geld du im Monat zur Verfügung hast, also das ganze vom Pflegegeld und Familienbeihilfe? Wie viel das in Summe ist? Das weiß ich nicht zum Wissen."

Interview 3: Zeilen 167 - 170 "Weißt du wie viel Geld du auf dem Konto oben hast? Wo das herkommt? Uh das weiß ich nicht auswendig. Da müsste man die Mama fragen. Hast du eine Pension oder kriegst du Pflegegeld oder Familienbeihilfe? Das weiß ich nicht."

Für die Befragten stellt sich erneut die Notwendigkeitsproblematik. Die Verantwortung für die Finanzen liegt bei den SachwalterInnen, durch womöglich fehlende Informationen und mangelnde Partizipation in Geldangelegenheiten besitzen sie wenige Einflussmöglichkeiten. Deshalb ist mangelndes Wissen und Interesse durchwegs nachvollziehbar. Die Sachwalterschaft beschneidet durch die vollkommene Verantwortungsübernahme Menschen mit Lernschwierigkeiten ihrer Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, ihres Erwachsenseins und ihrer Normalität. Durch diese Bevormundung werden die Betroffenen aus den Normalitätsverhältnissen ausgeschlossen und in infantile Lebensverhältnisse gedrängt.

Die Besachwaltung gibt den betroffenen Menschen mit Lernschwierigkeiten durch die Verantwortungsübernahme Stabilität und Sicherheit. Das Wissen, dass das Einkommen durch kompetente Kräfte gesichert ist, verhindert das Aufkommen von prekären Empfindungen. Gleichsam sind sie den SachwalterInnen ausgeliefert, ohne maßgebliche Entscheidungskraft und Mitspracherecht.

Sorgenfreiheit bedingt durch paternale/infantile Lebensverhältnisse und Fremdbestimmung

Die ProbandInnen zeigen durch ihre Aussagen, dass sie sich durch die Bevormundung im Lebensbereich durch die Sachwalterschaft und im Arbeitsbereich durch die Werkstatt in paternal und infantil ausgerichteten Verhältnissen befinden. Sie werden in vielen Bereichen fremdbestimmt und in eine abhängige Rolle gedrängt, der kritiklos ausgeliefert sind. Die Behindertenhilfe verhindert einerseits die Weiterentwicklung der Menschen mit Lernschwierigkeiten in mündige BürgerInnen, sichert jedoch andererseits durch ihre Struktur ein sorgenfreies, stabiles Leben. Beispiele dafür sind in folgenden Auszügen ersichtlich:

Interview 1: Zeilen 35 - 44 "Hast du dort Freunde? Elfie, Barbara, Anne-Marie und Magdalena. Sind das alle Freundinnen oder auch Assistentinnen? Assistentinnen Col-di-Lana"

Interview 2: Zeilen 208 - 211 "Dein Sachwalter weiß das? Mhm. Und der ist auch für das zuständig? Ja."

Interview 3: Zeilen 159 - 160 "Weißt du woher du dein Geld kriegst? Woher das Geld das Geld kommt? Von der Bank. Die Mama hebt es ab."

Interview 4: Zeilen 204 - 207"Wer ist für dein Geld zuständig? P. Wer ist P.? Mein Hausassistent."

Sorgenfreiheit mangels Möglichkeiten von Existenzängsten

Existenzängste entstehen, wenn Menschen die Verantwortung über ihr eigenes Leben besitzen und normalen, teilweise sicheren und teils unsicheren Lebensumständen ausgesetzt sind. Sie sind ein Zeichen dafür ein ungeschütztes erwachsenes Leben zu führen. Existenzängste stellen das Potential für gefühlte Perkarität dar und dessen Auswirkungen auf die Lebensumstände der betroffenen Menschen.

Menschen mit Lernschwierigkeiten, die besachwaltet sind, sich in einer Tagesstruktur einer Werkstatt befinden und zusätzlich im Wohnbereich von der Behindertenhilfe betreut bzw. begleitet werden, haben sehr eingeschränkt die Möglichkeit der Übernahme von Verantwortung und Selbstbestimmung. Dadurch, dass viele Lebensbereiche fremdbestimmt, fremdgeleitet und unterstützt werden, ist es für die betroffenen Menschen kaum möglich Existenzängste zu entwickeln. Sie sind von Strukturen umgeben, die Sicherheit und Stabilität bieten, sie aber zugleich in die Abhängigkeit, Bevormundung und Fremdbestimmung drängen. Der Preis der Sorgenfreiheit und ist mündiges, selbstbestimmtes Leben.

Interview 3: Zeilen 295 - 298 "Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es schön wäre nicht in der Lebenshilfe zu arbeiten? Nicht in der Werkstatt zu arbeiten. Das weiß ich nicht. Noch keine Gedanken gemacht? Nein."

Interview 1: Zeilen 81 - 84 "Hast du schon mal darüber nachgedacht? Nein, habe ich nicht darüber nachgedacht. Jetzt wo ich gefragt habe oder? Ja."

Interview 4: Zeilen 266 - 273 "Hast du immer genug Geld für Freizeit, Kino oder Essen gehen und Kaffee trinken? Hast da immer genug? Freizeit ja. Wird es da nie knapp? Nein. Musst du dir da nie Sorgen machen? Nein. Dass du jetzt sparen musst. Sparen nein."



[19] Z.v. http://www.alsterarbeit.de/cont/Projektbericht.pdf, S. 15

[20] Vgl. http://www.alsterarbeit.de/cont/Projektbericht.pdf S. 15 - S. 18 (16.09.2013)

9. Schlussfolgerungen

Im Theorieteil dieser Masterarbeit wurde eruiert, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten, die im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt tätig sind, prekären Lebensverhältnissen ausgeliefert sind. Die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt stellt ein prekäres Beschäftigungsverhältnis dar, die Lebenslage ist auf Grund des enormen prekären Potentials unsicher, sowie sind Menschen mit Lernschwierigkeiten stark von Arbeitslosigkeit bedroht. Alles Faktoren, die objektiv betrachtet darauf schließen würden, dass die Betroffenen unter dieser Prekarität und Unsicherheit leiden und versuchen ihr zu entfliehen. In der empirischen Untersuchung wurde festgestellt, dass die Befragten kaum bis gar nicht von gefühlter Prekarität belastet sind. Wie bereits im Punkt 4.3.2.3 eruiert wurde, stellt die gefühlte Prekarität eine Bewertung der aktuellen sozialen Lage der Beschäftigung und des Umfeldes dar, sowie Erwartungen für die Zukunft. Anhand der Untersuchung kann vermutete werden, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt befinden, ihre soziale Lage in der Behindertenwerkstatt als gesichert und angemessen bewerten, sowie die Erwartungen an das unmittelbare Umfeld und an die Zukunft erfüllt werden. Doch wie kann es zu dieser Situation kommen?

Beschäftigte in Behindertenwerkstätten können auf verschiedene Faktoren zurückgreifen, die sie in ihrer Existenz sichern und stabilisieren: das Werkstattsystem, die Sachwalterschaft, das infatile und paternale Lebensverhältnis und bedingt die kognitive und intellektuelle Beeinträchtigung.

Das System der Behindertenwerkstatt schafft durch die Segregation von Menschen mit Lernschwierigkeiten von der Gesellschaft geschützte und beschützende Verhältnisse, abseits der Normalität. Das unmittelbare Umfeld, in dem sich die Beschäftigten befinden ist vollkommen auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet, so ist es kaum möglich, diese als prekäre und belastend zu empfinden. Ebenfalls befinden sich in diesem Umfeld fast ausschließlich Menschen mit Behinderungen, ein Faktor, wodurch eine soziale Abstufung und Diskriminierung unwahrscheinlich scheint. In der Befragung der Betroffenen Menschen konnte herausgefiltert werden, dass prinzipiell wenig bis gar keine Erwartungen und Anforderungen an die Zukunft gestellt werden. Die Interviewten schienen das Augenmerk auf die Gegenwart zu richten und der Zukunft wenig Wichtigkeit beizumessen. Diese Vermutung ließe sich dadurch bestärken, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten ein sehr abwechslungsloses Leben führen und Rituale dominieren. In einer Behindertenwerkstatt herrschen Paradigmen der Wiederholung und Beständigkeit, wodurch die Beschäftigten keine Veränderungen in der Zukunft erwarten. Das fehlen von Perspektiven in ihrem Leben vermindert Ansprüche und Erwartungen. So birgt die Zukunft wenig Potentiale für Unsicherheit und Belastung.

Die Besachwaltung von Menschen mit Lernschwierigkeiten scheint oftmals als notwendig, um einen angemessen Grad an Lebensqualität gewährleisten zu können. Jedoch birgt es Konsequenzen, die die Sinnhaftigkeit einer Sachwalterschaft anzweifeln lassen. Sind Menschen mit Lernschwierigkeiten in allen Lebensbereichen besachwaltet, obliegt die Verantwortung über diese Bereiche dem/der SachwalterIn. Bei der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass die Befragten kein Interesse und Wissen in den Bereichen aufwiesen, in denen sie durch Familienangehörige oder Anwälte besachwaltet wurden. Die Interviewten sahen keine Notwendigkeit über ihre Einkünfte oder ihre finanziellen Mittel Bescheid zu wissen, sie verwiesen immer wieder auf die Zuständigkeit der SachwalterIn. Es kann angenommen werden, dass besachwaltete Menschen mit Lernschwierigkeiten die Verantwortung über ihr Leben nicht mehr selbst tragen und sich von SachwalterInnen fremdbestimmen oder leiten lassen. Dadurch geraten die Betroffenen in eine verringerte Machtposition, in der selbstbestimmtes Handeln nur schwer möglich ist. Rechtlich gesehen müssen sie sich dem Willen und den Forderungen dem/der SachwalterIn beugen und können einer ungewollten Situation ausgeliefert sein. Einerseits kann die Besachwaltung eine sehr belastende und fremdbestimmende Situation darstellen, andererseits kann sie als Sicherheits- und Stabilitätsfaktor wahrgenommen werden. Bei der Untersuchung äußerten die interviewten Personen keine Kritik oder Zweifel an dem System, die Abgabe der Verantwortung schien sogar als erstrebenswert. So kann die Sachwalterschaft neben der Behindertenwerkstatt eine geschützte, beschützende und Sicherheit bietende Lebenswelt schaffen.

Die Systeme der Behindertenwerkstatt und der Sachwalterschaft bedingen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten infantilen und paternalen Lebensverhältnissen ausgeliefert sind. Dadurch, dass sie in vielen Lebensbereichen fremdbestimmt, geleitet, segregiert und geschützt werden, haben die Betroffenen keine Möglichkeit selbstbestimmt und mündig zu leben, sie sind dem Paternalismus der Systeme ausgeliefert. An den betreffenden Menschen haftete weiterhin der Kindheitsstatus, welcher den vorherrschenden gesellschaftlichen Stereotyp eines behinderten Menschen unterstützt und reproduziert. Der Zustand einer infantilen Lebenswelt wirkt jedoch gleichzeitig stabilisieren und sichernd. Besachwaltete Beschäftige in Behindertenwerkstätten sind nicht der Notwendigkeit von Existenzängsten ausgeliefert, durch die Abgabe aller Verantwortung ist es für sie möglich unbelastet und sorgenfrei in der Gegenwart zu leben.

Die kognitive und intellektuelle Beeinträchtigung kann zukunftsorientiertes Denken behindern, sowie die Fähigkeit Situationen angemessen zu beurteilen, erfassen und einschätzen zu können. Die Behinderung kann einen Faktor darstellen, der einen Menschen davor bewahrt von Unsicherheit und Sorgen belastet zu sein. Beispielsweise nimmt ein Mensch mit autistischen Zügen eine soziale Situation anders war, als ein Mensch mit Trisomie 21. Daher muss bei der Beurteilung der Umstände ebenso die Rolle der Beeinträchtigung beachtet werden, als zusätzlicher Sicherheits- oder auch Unsicherheitsfaktor.

Anhand der Erhebung kann vermutet werden, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten, die in einer Behindertenwerkstatt und somit im zweiten Arbeitsmarkt oder Sondermarkt tätig sind, trotz aller objektiven Missstände und Prämissen, mit ihrer Lebenssituation zufrieden sind. Diese Zufriedenheit muss jedoch in dem ausgeführten Kontext der Beeinflussung und Bestimmung des Systems der Behindertenhilfe gesehen werden, wodurch sich diese Zufriedenheit zum Teil auf Grund von Fremd- und nicht nur Selbstbestimmung entwickelt.

10. Ausblick

Die Lebenshilfe Tirol, als der größte Anbieter von Behindertenhilfe in Tirol, hat sich als Ziel gesetzt, die Umsetzung der Paradigmen von Inklusion weiter voranzutreiben und somit die Grundsätze der Behindertenhilfe maßgeblich zu verändern beziehungsweise zu verbessern. Die Veränderungen werden ebenso den Sektor der Arbeit und Beschäftigung betreffen, wodurch eine Abänderung des starren Werkstattsystems zu erwarten ist und die Beschäftigung von Menschen mit Lernschwierigkeiten im ersten Arbeitsmarkt vermehrt unterstützt wird. Inwiefern sich die strukturellen Veränderungen auf die unmittelbare Lebensqualität und Lebenswelt von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Behindertenwerkstätten auswirken wird, ist nicht absehbar. Es werden jedoch Möglichkeiten geschaffen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten weniger der Fremdbestimmung und Segregation der Behindertenhilfe ausgesetzt sind und vermehrt Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung angeboten und wahrgenommen werden können.

Ein Vorantreiben der Paradigmen von Inklusion seitens der Behindertenhilfe kann jedoch nicht ausreichen, um Menschen mit Lernschwierigkeiten einen gleichgestellten Platz in der Gesellschaft zu bieten, da innerhalb der Gesellschaft Barrieren und Stereotype weiterhin dafür sorgen, dass behinderte Menschen diskriminiert werden. Eine Umstrukturierung der Behindertenhilfe kann lediglich als Ausgangspunkt von Veränderungen im Ansehen von Menschen mit Behinderungen betrachtet werden, weder als Ziel noch als Lösung. Menschen mit Lernschwierigkeiten kann in Augenhöhe begegnet werden, wenn der Status der Behinderung an Wichtigkeit verliert und der Menschen im Vordergrund steht. Denn als Menschen sind wir alle gleich.

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Anhang

Anmerkung der bidok Redaktion:

Der Anhang kann unter http://bidok.uibk.ac.at/download/anhang-feller.pdf heruntergeladen werden.

Quelle:

Feller Julia: Masterarbeit zur Erlangung des Grades Master of Arts (MA): an der Fakultät für Bildungswissenschaften im Institut der Erziehungswissenschaft an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 08.04.2014

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