Lebenssituation und Bedürfnisse von Jugendlichen am Übergang Schule - Beruf

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Erschienen in: AMS report 49: Andrea Egger-Subotitsch, René Sturm: Damit fertig werden, das Beste herausholen und es irgendwie schaffen. Beiträge zur Fachtagung "Physisch und psychisch beeinträchtigte Personen am Arbeitsmarkt" vom 15. März 2005 in Wien. S. 58-65.
Copyright: © Arbeitsmarktservice Österreich 2006

1 Einführung

Die Jugendarbeitslosigkeit - und zwar im speziellen bei Jugendlichen mit körperlichen, psychischen oder sozialen Beeinträchtigungen - wird im folgenden Beitrag auf der gesellschaftlichen, der institutionellen und der Personenebene betrachtet. Es werden die Implikationen für die konkrete Lebenssituation von Jugendlichen, die unterschiedliche Vorgangsweisen bei der Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt in Österreich diskutiert und demgegenüber die Bedürfnisse von Jugendlichen dargestellt.[1]

Abbildung 1: Anzahl an arbeitsuchenden Jugendlichen mit Behinderung. Quelle: AMS Österreich

Seit dem Jahr 2000 befinden sich durchschnittlich - relativ konstant - 2000 Jugendliche mit eingeschränkter Vermittelbarkeit auf Arbeitsuche, das heißt, sie stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Diese Zahl mag im Verhältnis zur gesamten Gruppe der Jugendlichen mit Beeinträchtigungen klein erscheinen - der Grund dafür liegt darin, daß SchulabgängerInnen seit 1994 nicht mehr dem AMS gemeldet werden, da diese Jugendlichen zum Teil in Kursen oder in Beschäftigungsprojekten oder schlichtweg zuhause untergebracht sind.



[1] Der Artikel basiert auf der Studie »Maßnahmen für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen«, die im Auftrag des BMSG von den Instituten KMU Forschung Austria, SORA und abif durchgeführt wurde (Heckl u.a. 2004).

2 Gesellschaft und Arbeitswelt

Bei der Integration von Menschen mit Behinderung können im wesentlichen zwei Ansätze in Österreich identifiziert werden, nämlich ein »visionär-inklusiver« Ansatz und ein »pragmatisch- limitativer«.

Ersterer geht von einer völligen Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft und Arbeitswelt aus. Beeinträchtigungen von Menschen sind omnipräsent, genauso omnipräsent sind demnach Menschen mit Behinderungen in den verschiedenen Lebens- und Erwerbsbereichen. Daraus wird ein Recht auf Arbeit auf »einem« Arbeitsmarkt, nämlich dem 1. Arbeitsmarkt abgeleitet. Allen Personen sollte, diesem Ansatz entsprechend, die Möglichkeit gegeben werden, Arbeiten in einem Unternehmen auszuführen, selbst wenn die Leistung der einzelnen Person aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht wettbewerbsfähig ist. Dadurch entstehende Defizite für das Unternehmen müssen mittels finanzieller Ersatzleistung ausgeglichen werden.

Der zweite Ansatz, hier »pragmatisch-limitativer« genannt, orientiert sich an den derzeitigen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt und den Grenzen der Leistungsfähigkeit von einzelnen Personen. Entsprechende Grenzen werden auch in der beruflichen Integration von Menschen gesehen, nicht jede Person kann jeden Beruf ausüben, und nicht jeder Mensch sollte gezwungen sein, am 1. Arbeitsmarkt zu arbeiten, bzw. nicht jede Person kann unter den gegebenen wirtschaftlichen Umständen am 1. Arbeitsmarkt tätig sein. Dieser Ansatz verfolgt zwar klar die Ziele der Integration, zieht aber auch Grenzen nach sich.

Als Beleg für diese zwei polarisiert dargestellten Ansätze können Arbeiten verschiedener Organisationen, wie z. B. NGOs, und auch Parteiprogramme herangezogen werden. Das aktuelle Regierungsprogramm geht in Richtung einer völligen Inklusion. Bereits im Schulsystem können die beiden Ansätze in der Form von Integrationsklassen (visionär-inklusiver Ansatz) und Sonderpädagogischen Zentren (pragmatisch-limitativer Ansatz) gesehen werden.

In der erlebten Schulrealität von Jugendlichen wird allerdings deutlich, daß weder Sonderpädagogische Zentren noch Integrationsklassen verhindern können, daß sich Jugendliche mit Beeinträchtigungen als »anders« erleben und Erfahrungen der Ausgrenzung machen. In Interviews erzählen Jugendliche davon, wie sie gegenüber Freizeitbekanntschaften verbergen, daß sie in die »Sonderschule« gehen, und Jugendliche aus Integrationsklassen berichten davon, als die Leistungsschwachen in der Schule und am Schulhof zu gelten, was sie als sehr störend bzw. kränkend empfinden. Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist die Erkenntnis des »Andersseins« ein unerläßlicher Schritt in der Identitätsentwicklung. Er ermöglicht das Leben mit dem »Anderssein« und das »Dazugehören« trotz dieses »Andersseins«.

Jugendliche streben Arbeit und Verdienst an, um anerkannt zu werden, um selbstbestimmter leben oder an der Konsumwelt teilnehmen zu können (eben das »Dazugehören«). Auf gesellschaftlicher Ebenen stellen sich dabei zwei verschiedene Fragen: Heißt nicht die Teilnahme am Erwerbsleben auch Teil der Gesellschaft zu sein (obwohl mehr als die Hälfte der österreichischen Gesamtbevölkerung nicht erwerbstätig ist)? Es geht offensichtlich um das »Dazugehören « zu einer auf ausgeprägten Leistungsprinzipien aufgebauten Gesellschaft, die das Phänomen der Arbeitslosigkeit produziert und als Problem definiert, in der es schlechter und besser Gestellte gibt, wenn es darum geht, an der Konsumwelt teilhaben zu können. Der Wunsch, zu so einer Gesellschaft zu gehören, wird in diesem Fall von jenen getragen, die in dieser »vertikalen « Gesellschaft »unten« sind und deren Aufstieg schwierig ist bzw. deren Aufstieg eine Verdrängung von anderen bedeutet. Leistungsschwächere Gruppen gehören dazu, um das System zu stabilisieren.[2]

Den hohen Stellenwert, den Arbeit in der Gesellschaft (in der Erwachsenenwelt) einnimmt, hat sie auch schon bei den Jugendlichen. Dies wird in den Interviews mit den Jugendlichen deutlich. Dieser Stellenwert mag sich zwar oberflächlich in einer Abwertung von Arbeit bei einigen Jugendlichen verbalisieren, was allerdings als ein Selbstschutz gesehen werden muß, um sich nicht selbst als »wertlos« zu fühlen, wenn das Ziel der Erwerbsbeschäftigung nicht erreicht wird.[3] Die interne Attribuierung »Ich finde aufgrund meiner mangelnden Fähigkeiten keine Arbeit « kann durch die Abwertung von Arbeit nach außen entschärft werden. Bei Erwachsenen nimmt die globale interne Attribuierung zu und wird auch immer stabiler, je länger die Arbeitslosigkeit dauert, d. h., die betroffene Person gibt sich mehr und mehr selbst die Schuld an der vermeintlich aussichtslosen Erwerbssuche. Das führt aber nicht, wie zu erwarten wäre, zu mehr Aktivität, sondern wie man bei langzeitarbeitslosen Personen beobachten kann, zu Resignation. Die Befindlichkeit und Bewältigung wird schlechter, und der Selbstwert sinkt.[4] Jugendliche ohne Beschäftigung spüren stark den gesellschaftlichen (und auch internalisierten) Druck, Arbeit zu finden. Es fehlen ihnen jedoch die Möglichkeiten dazu, das Problem der Arbeitslosigkeit selbständig zu lösen. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Möglichkeiten zur Intervention ebenso. Im folgenden wird auf einige Bereiche eingegangen, in denen Hemmnisse und auch Chancen für Jugendliche liegen, ihre Erwerbssituation zu verbessern.



[2] Daß vertikale Mobilität lediglich an Leistung gebunden ist und jene, die viel »leisten« auch erfolgreich sind und aufsteigen, mag zwar nicht der Realität entsprechen, wird aber hier so stehen gelassen (vgl. Wagner, 1993, Seite 264).

[3] Heckl u.a. 2004, Kapitel 5.

[4] Wagner 1999.

3 Institutionen

SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf konkurrieren am Übergang in den Arbeitsmarkt mit einer Gruppe, die gemeinhin als leistungsstärker bezeichnet wird, z.B. Jugendliche mit mindestens Mittelschulabschlüssen. Eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Jugendlichen mit Beeinträchtigungen kann lediglich mit viel Aufwand eine Verdrängung von anderen Jugendlichen bedeuten, solange nicht mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Im wesentlichen liegen die Möglichkeiten für die Zielgruppe der Jugendlichen mit besonderen Beeinträchtigungen darin, das Matching zu verbessern. Somit sollten Jugendliche dort ausgebildet und qualifiziert werden, wo ihre Stärken und Interessen liegen, unter Berücksichtigung der bzw. auch dem Entdecken von Nachfrage.

Abbildung 2: Institutionelles Umfeld beim Übergang Schule - Beruf. Quelle: abif

Eine Vielzahl von NGOs und öffentlichen Organisationen bietet Unterstützungsstrukturen für Jugendliche am Übergang von Schule zu Beruf an (vgl. Abbildung 2). Durch die Förderstruktur werden jedoch hauptsächlich Projekte mit kurzer Laufzeit produziert, die eine nachhaltige Bildung, Qualifizierung und Orientierung nicht optimal umsetzen können, da viele Jugendliche dieser Zielgruppe eine längere und kontinuierlichere Betreuung brauchen. Durch die Erfolgsmessung über Vermittlungsquoten werden die TeilnehmerInnen in den Kursen entsprechend selektiert. Die Ausdehnung der speziell zu fördernden Zielgruppe von »Jugendlichen mit Behinderung« auf »Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen« führt auf der einen Seite dazu, daß mehr Jugendlichen die Möglichkeit auf Förderung zuteil wird, auf der anderen Seite wird von den Trägerinstitutionen zum Teil der »Creaming-Effekt« kritisiert, daß aus dieser Zielgruppe also wiederum nur die leistungsstärksten Personen gefördert werden. Demgegenüber steht allerdings eine Vielzahl von Projekten, die auf besonders arbeitsmarktferne Gruppen ab- zielen. Insofern wird dieser Kritik hier widersprochen, da der Creaming-Effekt zwar aufgrund des Auswahlprozesses in den Kursen gegeben ist, die Kurslandschaft selbst aber vielfältig und auf unterschiedliche Gruppen abgestimmt ist. Von progressiven Vereinen und Organisationen wird wieder stärker der Begriff der »Behinderung« gebraucht, um auf die jeweilige Art der Beeinträchtigung hinzuweisen.

Die Zielgruppe der Jugendlichen mit Beeinträchtigungen wird in der Schule über den sonderpädagogischen Förderbedarf definiert, im Bundessozialamt über das Ausmaß an Behinderung, Pflegebedarf und über die generelle Einschränkung am Arbeitsmarkt sowie beim AMS über die verminderten Vermittlungs- und Erwerbschancen (für bestimmte Berufe), die individuell feststellbar sind. In den NGOs, die Kurse oder Maßnahmenpakete für Jugendliche anbieten, wird zumeist diese breite Gruppe von Jugendlichen enger abgesteckt und ein Teil daraus kommt für eine Förderung in Frage. Für die Jugendlichen selbst kommt es aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die Institutionen verwenden, und den Förderbedingungen zu bizarren Phänomenen. Die Jugendlichen werden von der einen zur anderen Organisation geschickt, müssen sehr spezifische Merkmale aufweisen, um in den einen oder anderen Fördertopf zu passen, und zunehmend Leistungsfeststellungen absolvieren. Das Wort »Eingangsprüfung « ist in diesem Zusammenhang zwar nicht üblich, beschreibt aber das zum Teil sehr umfangreiche Aufnahmeverfahren bei Kursen durchaus treffend.

Interessanterweise steht die Richtung, in die Jugendliche beraten werden, eher mit der Institution als den Fähigkeiten von Jugendlichen in Verbindung. So wird der/die gleiche Jugendliche mit leichter geistiger Behinderungen vom AMS und von LehrerInnen in der Schule in Richtung 1. Arbeitsmarkt beraten, von den BetreuerInnen in Werkstätten und in den Sozialämtern[5] wird zum Verbleib in einem geschützten Bereich geraten.[6] Eine Objektivierung der Beratung sollte durch die Einführung von Clearing gegeben sein, das theoretisch jedem/jeder Jugendlichen mit Sonderpädagogischen Förderbedarf zur Verfügung steht. Inwiefern das tatsächlich so ist, wird eine Evaluierung dieser Dienste 2006 zeigen. Tatsache ist, daß Clearingstellen zumeist an bestehende Institutionen und NGOs angesiedelt wurden. Allgemein ist das regional sehr unterschiedliche Maßnahmensystem für Jugendliche kaum durchschaubar. Von Elternseite wird sehr vorsichtig agiert, wenn es um den Verlust von Sozialleistungen bei der Integration in den Arbeitsmarkt geht, die dann schwer wieder bezogen werden können, sollte der Versuch der Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt scheitern bzw. eine Verschlechterung der Situation eintreten.

Grundsätzlich sind (jahre-)lange Wartezeiten, zu denen Jugendliche immer wieder verurteilt sind, ein Problem. Diese im wahrsten Sinne des Wortes beschäftigungslosen Zeiten sind für Jugendliche als auch deren Angehörige schwer erträglich: Pubertät, Beschäftigungslosigkeit, schwierige finanzielle Situation, eingeschränkter sozialer Kontakt außerhalb der Familie, die spezifische Beeinträchtigung der/des Jugendlichen verbunden mit Behinderung(en) kumulieren.

Eine wesentliche Forderung an das institutionelle Umfeld von Jugendlichen ist die Erhöhung der Durchlässigkeit in alle Richtungen, d. h. in Richtung »Freie Wirtschaft«, aber auch in Richtung »Beschäftigungstherapie«. Eine Erhöhung der Transparenz des gesamten Systems und der Zugangsbestimmungen wäre zwar prinzipiell ebenfalls nötig. Was Jugendlichen aber noch stärker nützen würde, wäre eine starke regionale Zusammenarbeit in professionalisierten Netzwerken zwischen den vielfältigen Anbietern von Kursen, Vermittlung, Clearing etc. sowie wohnbezogene Angebote und Therapien. Eine kontinuierliche individuelle Betreuung über den Übertrittszeitraum hinweg (»Zeit danach«) sollte zur Arbeitserhaltung gegeben sein. Obwohl integrative Ausbildungs- und Qualifizierungsformen in den letzten Jahren zugenommen haben (und dadurch die Inklusion gefördert werden soll), sei an dieser Stelle angemerkt, daß »Integrative Berufsausbildung nicht gleich Integrative Berufsausbildung« ist. So bieten in Wien die bekannten Werkstätten und Vereine, wie z.B. Jugend am Werk und Wien Work[7], Lehren innerhalb ihrer eigenen Räumlichkeiten als Integrative Berufsausbildung an. In den Bundesländern hingegen werden die Jugendlichen im Rahmen der Integrativen Berufsausbildung in den Betrieben der Privatwirtschaft ausgebildet (was auch die ursprüngliche Intention war). Zu befürchten ist hier, daß dadurch in Wien lediglich ein Verschieben des Zeitpunktes der Integration in den Arbeitsmarkt stattfindet und daß die Jugendlichen nach Absolvieren der Lehre in einer Werkstätte trotz Unterstützung massive Schwierigkeiten bei der Arbeitsuche haben.

Für PflichtschulabsolventInnen mit Behinderung sind allgemein- und berufsbildende Schulen nur teilweise zugänglich, der Erwachsenenbildungssektor ist für Jugendliche mit Beeinträchtigung generell kaum zugänglich.



[5] Heutiges Bundessozialamt.

[6] Schabmann/Klicpera 1998.

[7] Laut Sonderabkommen mit dem Fonds Soziales Wien können bereits Jugendliche mit einem Behinderungsgrad von 30% (ansonst 50%) »Integrative Berufsausbildung« bei Wien Work absolvieren.

4 Lebensumstände und Bedürfnislagen der Jugendlichen

Die Lebenssituation von Jugendlichen wird von der individuellen Beeinträchtigung und den daraus resultierenden Behinderungen, z.B. Einschränkung der Mobilität, maßgeblich bestimmt. Darüber hinaus gibt es Lebensumstände und Bedürfnislagen, die für einen Großteil der Zielgruppe zutreffen:

  • Bildung: Jugendlichen der Zielgruppe gelingt es zum Teil nicht, innerhalb der Pflichtschulzeit ausreichend schreiben, lesen und rechnen zu erlernen. Sie haben generelle Defizite in der Allgemeinbildung, was nicht primär durch die Behinderung bedingt ist und durch entsprechende (länger andauernde, qualitativ hochwertige und früh einsetzende) Förderung vermeidbar wäre. Eine Säule, auf der Unterstützungsmaßnahmen für Jugendliche mit Beeinträchtigung aufbauen, ist demnach die »Nach-Bildung« im Sinne des Aufholens notwendiger bildungsspezifischer Inhalte.

  • Der Faktor der Zeit spielt bei Entwicklungsverzögerungen, die bei der Zielgruppe häufig auftreten, eine wesentliche Rolle. Zeit ist auch wesentlich für eine Stabilisierung von Jugendlichen, für die Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit und Reife, eine Arbeit aufzunehmen und zu behalten. Das Fehlen von »Employability Skills« (sozialen Kompetenzen und Schlüsselfertigkeiten, »Arbeitstugenden«) geht typischer Weise einher mit unrealistischen Vorstellungen in Bezug auf Erwerbsarbeit und mangelnder Fähigkeit zur Selbsteinschätzung. Diese Skills werden zwar in erster Linie in einem Arbeitsumfeld erlernt, es können jedoch auch Fortschritte durch eine Ausbildungssituation oder in (erlebnis-) pädagogischen Gruppen erzielt werden, sofern dort regelmäßig gezielte Rückmeldungen gegeben werden. Diese sind, unabhängig vom Lernfeld, der Schlüssel zum erfolgreichen Erlernen dieser Skills. Eine Zeit für »Nachreifung« haben Jugendliche in dem derzeitigen System kaum. Sie können lediglich ein weiteres Schuljahr erwirken bzw. einen Kurs für diese Zielgruppe besuchen (sofern einer in der Region angeboten wird und die Bewerbung positiv ausfällt), was für eine Nachreifung oder Stabilisierung von zu kurzer Dauer ist bzw. mit der Zielsetzung der Vermittlung in ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis in eine Richtung geht, die den Bedürfnissen von Jugendlichen in dieser Phase nicht gerecht wird.

  • Bei der Qualifizierung von Jugendlichen mit Beeinträchtigung sollte die Wahl des Kurses oder Ausbildungsweges idealerweise mit den persönlichen Ressourcen, Talenten und Interessen übereinstimmen. Die Wahl sollte auch innerhalb der ersten Wochen oder Monate wieder revidierbar sein, ebenso sollte die Qualifizierung möglichst arbeitsmarktnah stattfinden.

  • Unabhängig von der Art der Behinderung oder Beeinträchtigung wird der Zielgruppe am ehesten die Förderung auf Basis der drei Säulen von Bildung (Nach-Bildung), Persönlichkeitsentwicklung (Reifung) und Qualifizierung gerecht. Dabei sollten auch immer die Lebensumstände außerhalb der konkreten Maßnahme berücksichtigt und einer Verbesserung zugeführt werden, da zum Teil erst damit die eigenen und auch familiären oder im Umfeld liegenden Ressourcen freiwerden.

Schlußanmerkung: Wurde zu Beginn dieses Artikels der Ansatz der österreichischen Politik und Praxis bei der Integration von Jugendlichen mit Beeinträchtigungen zweigeteilt dargestellt, muß nun angemerkt werden, daß dieser Artikel weitgehend den »visionär-inklusiven« Ansatz verfolgt und implizit von einem Vollzeitbeschäftigungsmodell ausgeht. Aber gerade das Abweichen von diesem Modell könnte zu einer Lösung führen.[8]



[8] Lindmeier 1999, Wunder 2002.

5 Literatur

Heckl, E./Dorr, A./Sheikh, S./Simbürger, E./Rapa, S./Egger, A./Bechter, B. (2004): Maßnahmen für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen - Evaluierung, Analyse, Zukunftsperspektiven, im Auftrag des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Wien.

Lindmeier, C. (1999): Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich des Lernens und die Möglichkeiten ihrer Vorbereitung auf Arbeit und Leben in der nachindustriellen Gesellschaft, in: Zeitschrift für Heilpädagogik 5.

Wagner, R. (1999): Attributionsmuster und Arbeitslosigkeit - Eine Längsschnittstudie über die Entwicklung von Attributionsmustern und deren psychische Konsequenzen während der Arbeitsplatzunsicherheit und der anhaltenden Arbeitslosigkeit, Dissertation, Universität Wien.

Wagner, H. (1993): Sonderschule - und danach? In: Behindertenpädagogik, 32. Jahrgang, Heft 3, Seite 263-278.

Wunder, M. (2002): Tätigkeit und Teilhabe von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung am Arbeitsleben, in: Fachzeitschrift der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. Geistige Behinderung, 41. Jahrgang (2002), Teil 1, Schwerpunktthema 2, Seite 452f

Quelle:

Andrea Egger-Subotitsch: Lebenssituation und Bedürfnisse von Jugendlichen am Übergang Schule - Beruf. Erschienen in: AMS report 49: Andrea Egger-Subotitsch, René Sturm: Damit fertig werden, das Beste herausholen und es irgendwie schaffen. Beiträge zur Fachtagung "Physisch und psychisch beeinträchtigte Personen am Arbeitsmarkt" vom 15. März 2005 in Wien. S. 58-65.

Herausgeber: Arbeitsmarktservice Österreich

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 03.06.2013

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