Wer nicht ordentlich sprechen kann, muß dumm sein

Probleme Gehörloser - kommunikative und sprachliche Aspekte

Autor:in - Franz Dotter
Themenbereiche: Vorschulischer Bereich
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: Wer nicht ordentlich sprechen kann, muß dumm sein. Probleme Gehörloser - kommunikative und sprachliche Aspekte.-In: Erwachsenenbildung in Österreich 46 (1995), Heft 2, S. 26-28. Anmerkung: Das Thema ‚Integration von hörgeschädigten Kindern' und ‚Gehörlosenbildung' wird in der Fachwelt sehr gegensätzlich diskutiert. BIDOK hat Texte von Vertretern beider Seiten aufgenommen. Siehe dazu auch René J. Müller.
Copyright: © Franz Dotter 1995

1. Vorbemerkung

Aufgrund der Platzbeschränkung muß die Darstellung manchmal etwas holzschnittartig erfolgen. Mir erscheint dieses Vorgehen wegen des Ziels des vorliegenden Artikels gerechtfertigt: Ich möchte Ihnen, sehr geehrte LeserInnen, nahebringen, daß die Gehörlosen eine der letzten Gruppen in Österreich sind, deren fundamentale Interessen von unserer Gesellschaft nicht berücksichtigt werden. Die bisher nicht erfolgte Anerkennung ihrer optischen Sprache, der Gebärdensprache, ist als Verweigerung eines Menschenrechts zu sehen.

Oftmals werden Gehörlose und Blinde als "Sinnesbehinderte" in einer Gruppe zusammengefaßt. Das ist eine sehr gefährliche Praxis: Denn die Blinden haben mit dem Erlernen der Lautsprache überhaupt keine Probleme und für die Schriftsprache gibt es mit der Brailleschrift ein bewährtes Umsetzungsinstrument. Die Gehörlosen (und damit sind immer auch Teile der schwer Hörbehinderten mitgemeint) können die Lautsprache aber nicht eigenständig erlernen, schlicht weil sie sie nicht (ausreichend) hören. Wer aber nicht sprechen kann, oder -noch schlimmer - unartikulierte "tierische Laute" von sich gibt, kann doch geistig nicht in Ordnung sein, oder? Vielleicht ist er/sie gar kein vollwertiger Mensch oder wenn, dann ein schwerstbehinderter? Schließlich unterscheidet ja die Sprache den Menschen vom Tier. Wir Hörende können uns bei diesem Urteil auf unsere stammesgeschichtlichen Traditionen berufen, weil Sprachlosigkeit oder schlecht artikulierte, großteils unverständliche Sprache in unseren Urahnen wahrscheinlich große Ängste ausgelöst hat. Heute ist dieses Urteil unmenschlich. Der (Kultur-) Schock, den manche von uns erleben, wenn sie mit Gehörlosen zusammentreffen, erklärt auch die Wünsche und Verdrängungen vieler hörender Eltern, wenn sie ein gehörloses Kind haben: Sie möchten unter allen Umständen ein sprechendes Kind.

Eine zweite Vorannahme steckt im Satz: "Die Sprache ist ein Kennzeichen des Menschen". Es wird nämlich "Sprache" mit "Lautsprache" gleichgesetzt. Wenn wir unter Sprache auch optische Systeme wie die verschiedenen Gebärdensprachen der Welt verstehen, dann besitzen die Gehörlosen ja eine Sprache, nur eben in einem anderen Übertragungskanal, eben dem optischen. Die Verweigerung eines optischen Systems durch unsere Erziehungsbehörden und andere Institutionen (hieher müssen auch negative Empfehlungen nicht weniger Ärzten, Psychologen oder Pädagogen gerechnet werden) stellt sich dann als eigentliche Quelle der angeblichen "Sprachbehinderung" der Gehörlosen dar. Sie ist eine Bevormundung Gehörloser durch Hörende, die die Betroffenen stärker behindert als die Behinderung selbst. In militanter Ablehung optischer Systeme wie der Gebärdensprache, wie wir sie z.B. bei Diskussionen in Deutschland erleben, zeigen sich Reste eines Sprachgebrauchs, der als "kolonialistisch" und "rassistisch" gegenüber den Gehörlosen zu klassifizieren ist.

Solche Positionen aufzubrechen, aber auch zum Teil verständliche Ängste abzubauen, ist Aufgabe der Erwachsenenbildung.

2. Wer ist gehörlos?

Als gehörlos wird ein Mensch bezeichnet, dessen Hörfähigkeiten nicht ausreichen, um die gesprochene Sprache (Lautsprache) selbständig über das Ohr (den "akustischen Kanal") aufzunehmen und damit zu erlernen. Mit dieser Umschreibung werden diejenigen Personen hervorgehoben, die vor jeder einsetzenden Sprachentwicklung schon eine entsprechende Hörschädigung aufweisen (also "prälingual ertaubt" sind, d.h. spätestens im ersten bzw. zweiten Lebensjahr). Für Menschen, die im Lauf ihres Lebens zu einer Zeit ihr Gehör verlieren, in der zumindest wichtige Phasen der Sprachentwicklung abgeschlossen sind, oder auch im Alter, ist dieser Verlust zwar auch sehr einschneidend, die Förderung kann aber bei den "postlingual Ertaubten" auf einer ganz anderen Basis (nämlich einem bestehenden Sprachverständnis) erfolgen als bei den prälingual Ertaubten.

Die Umschreibung - die sich in verschiedenen Formulierungen in den meisten einschlägigen Arbeiten findet - macht auch auf ein zentrales Problem aufmerksam: Gehörlosigkeit kann endgültig erst aufgrund ihres negativen Resultats bezüglich des Lautspracherwerbs festgestellt werden, also quasi erst nach Eintritt des Schadens (im Vergleich: wir müßten abwarten, ob der Patient stirbt, bevor wir sagen können, daß er an einer tödlichen Infektion gelitten hat). Medizinisch-technisch läßt sich eine Hörschädigung zwar messen, nicht in allen Fällen (vor allem im Übergangsbereich zwischen hochgradiger Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit) aber eindeutig sagen, ob diese Schädigung eine Gehörlosigkeit im oben beschriebenen Sinn darstellt. Das führt uns zur

3. Problematik von Diagnose und Frühförderung

Hörschäden sollten zwar schon bei Neugeborenen festgestellt werden; in vielen Fällen geschieht dies aber erst im Verlauf des zweiten Lebensjahrs oder noch später. Bei einem schwereren Hörschaden müßte also - um die oben erwähnte sprachliche Prägephase nicht zu versäumen - in manchen Fällen sozusagen auf Verdacht eine Förderung erfolgen, von der man erst ein zwei Jahre später sagen kann, ob sie überhaupt nötig war. Und welche ÄrztInnen oder PsychologInnen wollen schon eine möglicherweise schlechtere Prognose voraussagen, die gar nicht völlig sicher ist. Da verlegen sich Viele lieber aufs Abwarten und Vertrösten. Den Eltern kommt das unter Umständen auch gelegen, weil sie ja klarerweise darauf hoffen, daß die Behinderung "schon nicht so schlimm" sein wird. Aus dieser Konstellation ergeben sich bei schweren Hörschädigungen immer wieder tragische Einzelschicksale.

4. Wie kommt der Mensch zur Sprache?

Lautspracherwerb wird schon pränatal grundgelegt. Säugling und Kleinkind entwickeln sich in aktiver Auseinandersetzung mit der sozialen und natürlichen Umwelt. In den ersten drei Lebensjahren ist ein Kind von seinen engsten Bezugspersonen abhängig, (nur) mit ihnen teilt es seine Kommunikationsmöglichkeiten. Säugling und Kleinkind haben von Beginn an ein Bedürfnis nach (einem ihrer Reifung angepaßten) 'Dialog', nach Kommunikation, nehmen - jeweils bezogen auf den Iststand, z.T. geradezu 'schubweise' - enorme Informationsmengen auf und lernen motorisch sehr schnell (durch Einüben). Bei Säugling und Kleinkind besteht eine Einheit von nichtsprachlicher und sprachlicher Kommunikation mit dem Handlungs- bzw. Situationsbezug. Alltägliche Handlungen/'Rituale' und ihre Begleitung durch Sprache spielen eine wichtige Rolle.

Wörtern wie Äußerungen liegen "Konzepte" verschiedener Komplexität zugrunde. Solche Konzepte müssen vom Kind über Tätigkeit bzw. Erfahrung erworben werden, um sicher erlernt werden zu können. D.h. Spracherwerb ist ein aktiver Prozeß. Das Kind muß mit seiner Sprache arbeiten, spielen, zurückfragen, sprachlich reagieren können; bloße Berieselung mit Sprache bzw. "Sprachdressur" sind zu wenig (man denke an die Wichtigkeit der "Was ist das?"- und der "Warum?"-Phase).

Ein Sprachsystem muß von Kindern leicht und schnell erlernt und verwendet werden können. Daher muß es Bedingungen erfüllen, wie:

  • Die eingesetzten Zeichen müssen leicht und schnell wahrnehmbar und produzierbar sein.

  • Das System muß die aktive Kommunikation ebenso ermöglichen wie die passive.

  • Der Aufbau von Zeichen aus einfachen Bausteinen (in der Lautsprache den Lauten für einzelne Zeichen bzw. "kleineren Zeichen" als Elementen komplexerer) muß für Produktion und Perzeption automatisierbar sein, damit der Lernaufwand ökonomisch vertretbar ist.

Zwischen dem 2. und 5./6. Lebensjahr besteht eine erhöhte Aufnahmefähigkeit für ein symbolisches System wie Sprache. Wird diese Phase erhöhter Prägefähigkeit versäumt bzw. nicht genützt, treten diverse Einschränkungen der kognitiven und auch sprachlichen Entwicklung auf, die nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden können.

Es läßt sich leicht zeigen, daß für die Gehörlosen die Lautsprache das Symbolsystem mit den geforderten Eigenschaften nicht sein kann, Beweise dafür finden sich auch bei den Vertretern der Lautsprachemethode selbst und im Realitätsbefund lautsprachlich gebildeter Gehörloser.

Nun erhebt sich die Frage, ob es ein Symbolsystem gibt, das die gewünschten Eigenschaften besitzt, und wenn ja, in welchem Kommunikationskanal es liegt. Der akustische Kanal scheidet aufgrund der Behinderung aus, es bleiben im wesentlichen der optische und der taktile Kanal. Von diesen ist der optische aus mehreren Gründen vorzuziehen: der Sehsinn ist ein sehr dominanter Sinn des Menschen mit hoher Wahrnehmungsdifferenzierung und er ermöglicht im Gegensatz zum taktilen körperliche Distanz.

Als gesichertes Ergebnis der internationalen Forschung ist folgendes zu betrachten: Gehörlose, welche dominant lautsprachlich erzogen werden, erreichen mit ihren Leistungen im Durchschnitt bei weitem nicht den Durchschnitt der hörenden Kinder. Ihnen stehen nach Durchlaufen der Bildungseinrichtungen sehr wenige Berufe offen; höhere Bildung wie Matura oder gar Studium ist von ihnen im Vergleich zum Schnitt der Gesamtbevölkerung praktisch nicht erreichbar.

Dominant lautsprachlich ausgerichtete Erziehung/Bildung beschränkt gehörlose Kinder in ihrer Entwicklung unnötig, multipliziert die Folgen der Behinderung. So paradox es auch klingt, resultiert aus der dominant lautsprachlicher Bildung im Durchschnitt geradezu zwangsläufig eine mangelnde lautsprachliche Kompetenz Gehörloser. Daraus folgt im Weiteren eine noch schlechtere Kompetenz bezüglich Schriftsprache. Und was mangelnde Verfügbarkeit der Schriftsprache in unserer informationsorientierten Gesellschaft bedeutet, kann sich jeder ausmalen. Dagegen gibt es in den Ländern, in denen die Gehörlosen mittels optischer Systeme bzw. gebärdensprachlich (in einer besonderen Form der Zweisprachigkeit mit Schrift- und Sprechsprache als besonders zu fördernde Zweitsprachvarianten) ausgebildet werden, die Möglichkeit, eine höhere Bildung zu erreichen.

5. Folgerungen für die Förderung gehörloser Kinder

Es gibt gute Gründe anzunehmen, daß die erwähnte Prägefähigkeit für Sprache bis zum 4./6. Lebensjahr bei gehörlosen Kindern - falls sie sonst keine Behinderungen aufweisen - grundsätzlich gleich ist wie bei vollsinnigen. D.h. Gehörlose weisen keine grundlegenden geistigen Defizite oder unterschiedliche ontogenetische Abläufe auf; oder alltagssprachlich: sie sind nicht generell "dümmer" sind als hörende Kinder? Daher ist Vorsorge zu treffen, daß auch gehörlosen Kindern ein Symbolsystem zur Verfügung gestellt wird, das sie genauso leicht erlernen und gebrauchen, selbst weiterentwickeln können wie vollsinnige Kinder. Der Spracherwerb Gehörloser sollte also in einem Alter und in einem Ausmaß stattfinden, in dem hörende Kinder ihn vollziehen (Kindergarten und Schule kommen also eigentlich erst 'danach'). Für hörgeschädigte Kinder, bei denen der Hörrest nicht für die volle Aufnahme der Lautsprache ausreicht, eignen sich optische Systeme als Erstsprache (mit dem Zielpunkt Gebärdensprache für ältere Kinder und Erwachsene).

Nur ein vollständig erworbenes visuelles Sprachsystem (wie die Gebärdensprache) gewährleistet, daß sich Sprachverständnis und Intelligenz bei gehörlosen und hochgradig schwerhörigen Kindern normal entwickeln. D.h., es müssen alle Informationen, die ein hörendes Kind akustisch erreichen, an ein schwer hörgeschädigtes optisch weitergegeben werden. Auf seiner Basis können weitere Sprachen oder Varianten (Schrift- und Lautsprache) systematisch erworben werden. Dies bedeutet keine strenge zeitliche Abfolge, vielmehr müssen entsprechend der kindlichen Entwicklung alle Förderungsmöglichkeiten zu den optimalen Zeitpunkten genutzt werden. Die wichtigste Rolle kommt bei dieser frühen Förderung den Eltern zu, die umfassend informiert und unterstützt werden müssen (auch bezüglich möglicher Ängste vor oder Probleme mit dem Einsatz optischer Kommunikation).

6. Das Cochlearimplantat (CI) als neue Hoffnung

Zu diesem Thema müßte ein ganzer Artikel geschrieben werden. Ein CI arbeitet mit folgender Technik: Ein akustischer körperexterner Prozessor verarbeitet Signale und leitet sie an ein in das Innenohr implantiertes Gerät weiter. Das Innenohr und der Hörnerv (der also arbeitsfähig sein muß) werden dabei mittels elektrischer Impulse in einer Weise angeregt, die der normalen Ohrfunktion zwar recht grob, aber in gewisser Weise nahekommt, jedoch für die Betroffenen gewöhnungsbedürftig ist.

Die Erfolge des CI sind bei postlingual Ertaubten besser als bei prälingual Ertaubten. Im Schnitt wird mit einem CI ausgehend von einer praktisch vollständigen Gehörlisgkeit eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit erreicht. Es handelt sich hier um eine graduelle Verbesserung des Hörschadens, dessen Einfluß auf die Sprachentwicklung einzelner Implantierter von vornherein nicht genau prognostiziert werden kann. Die neuesten CI's sind technisch offensichtlich ausreichend gut; medizinisch sind nur Fragen der Langzeitverträglichkeit bzw. -funktionsfähigkeit offen. Ein CI wird im positiven Normalfall eine erhebliche Verbesserung der akustischen Aufnahmefähigkeit bedeuten. Ob diese für eine normale Sprachentwicklung ausschließlich auf Basis der Lautsprache ausreicht, kann aber nicht garantiert werden. Auf jeden Fall bleibt ein hoher Förderaufwand bestehen.

Wir empfehlen daher die oben beschriebene zweisprachige Erziehung auch für Kinder, die für ein Implantat vorgesehen sind (nicht nur wegen der mangelnden Prognosegenauigkeit, sondern auch, weil ein Kind dadurch wesentlich besser für die Operation vorbereitet werden kann und danach wesentlich schnellere sprachliche Fortschritte macht. Verbessert sich die Perzeptionsfähigkeit so, daß das Kind mit Lautsprache allein normal kommunizieren und Information aufnehmen kann, so wird die Gebärdenspache auf natürlichem Weg mehr und mehr zurücktreten bzw. verschwinden.

7. Das politische Problem

Das Bildungsziel für Gehörlose und schwer Hörbehinderte ist klar: Sie sollen in die Lage versetzt werden, ihre eigene Identität vollständig zu entwickeln. Zu dieser Identität gehört wesentlich, daß sie selbst entscheiden können, in welcher "Teilkultur" sie primär bzw. zu welchem Ausmaß leben wollen, derjenigen der Gehörlosen oder derjenigen der Hörenden. Dieses Ziel ist nur durch eine "zweisprachige" Arbeit mit gehörlosen Kindern (Erstorientierung optisch, Zweitorientierung Schrift- und Lautsprache) möglich. Wer so arbeiten will, hat sich also dezidiert für eine Hauptlerngrundlage entschieden und muß - entsprechend den Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung - auch durchzusetzen versuchen, daß in den angezeigten Fällen gehörlose Kinder dieses System schon lange vor Kindergarten und Schule angeboten erhalten. Dafür hätte eine entsprechende Elternbildung einzusetzen. Dies ergäbe auch einschneidende Folgen für die pädagogischen Konzeptionen von Kindergarten und Schule für Gehörlose: Optische Systeme wie die Gebärdensprache müßten das Hauptkommunikationsmittel in diesen Institutionen werden. Daraus folgte wieder ein Bedarf an 'muttersprachlichen Sprechern' der Gebärdensprache, also Gehörlosen als Bediensteten in den Bildungsinstitutionen. Daß es hier um eine schwerwiegende Entscheidung ginge, welche zusätzliche Qualifikationen der bisher im Gehörlosenbereich Beschäftigten bzw. Teamarbeit mit Gehörlosen erfordert, erklärt meines Erachtens den teilweise enormen Widerstand auch gegen Diskussionen oder entsprechende Projekte.

8. Folgerungen für die Erwachsenenbildung

Die Hauptaufgaben der Erwachsenenbildung sehe ich in folgenden Bereichen:

  • Information und Beratung für hörende wie gehörlose Eltern hörgeschädigter Kinder

  • Bildung bzw. Weiterbildung gehörloser bzw. hochgradig schwerhörige Erwachsene

  • Öffentlichkeitsarbeit im Interesse gehörloser Menschen (z.B. durch Nahebringen der Lebenswelt Gehörloser an Hörende)

  • Anerkennung der Gebärdensprache durch Aufnahme von Kursen in die Programme von Volkshochschulen und anderen Erwachsenenbildungsinstitutionen.

9. Schlußbemerkung

Im Sinn der holzschnittartigen Darstellung behaupte ich, daß heute viele Hörende und von uns Hörenden besetzte Institutionen die Anliegen der Gehörlosen entweder nicht verstehen oder sie bewußt nicht erfüllen. Besondere Dramatik ergibt sich in der häufigsten Konstellation: ein gehörloses Kinds in einer hörenden Familie und Umgebung. Für die heute als politisches Programm eingeführte Integration Behinderter ergeben sich spezielle Anforderungen bezüglich der Integration Gehörloser.

Fragen Sie sich als LeserIn bitte selbst: Kenne ich Gehörlose? Wie kommuniziere ich mit Ihnen? Was habe ich an Informationen über sie? Habe ich mir schon Erfahrungen Gehörloser mit "den Hörenden" erzählen lassen? Bei Interesse stehen Ihnen verschiedene Gehörlosenvereine (Landesverbände, Österreichischer Gehörlosenbund) für Kontakte zur Verfügung.

Ich möchte diesen Artikel als Aufforderung zum Dialog verstanden wissen. Wir sind sehr gern bereit, mit allen Interessierten in einen Dialog einzutreten bzw. weitere Informationen (z.B. über einschlägige Literatur) zu geben.

10. Literatur

Boyes Braem, P. (1990): Einführung in die Gebärdensprache und ihre Erforschung. Hamburg: Signum-Verlag 1990

Dotter, Franz: Gebärdensprache in der Gehörlosenbildung: Zu den Argumenten und Einstellungen ihrer Gegner.- In: Das Zeichen 5 (1991), S. 321-332 und in: Der Sprachheilpädagoge 23 (1991), Heft 3, S. 27-50

Holzinger, D. (1993): Forschungsbericht: Linguistische Analyse von Gebärdensprachen. Scientia Bd. 35.

Holzinger, D. (1994): Gebärden in der Kommunikation mit gehörlosen Kindern. (Expertise/Literaturrecherche erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, MR. Dr. Heinz Gruber, für die Ministerielle Arbeitsgruppe zum Betreff: Entschließung des Nationalrates vom 28.01.1993 über die Petition Nr. 36 betreffend die Anerkennung der Gebärdensprache Gehörloser in Österreich)

Prillwitz, S. & Wudtke, H. (1990): Gebärden in der vorschulischen Erziehung gehörloser Kinder. (Internationale Arbeiten zur Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser, Bd.3) Hamburg: Signum Verlag

Wisch, F.-H. (1990): Lautsprache und Gebärdensprache. Die Wende zur Zweisprachigkeit in Erziehung und Bildung Gehörloser. Hamburg: Signum Verlag

Kontakt und über den Autor:

Der Autor ist Univ.Doz. am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Klagenfurt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind kognitive Linguistik, Typologie und Kommunikation; derzeit leitet er das Projekt "LINGUISTISCHE ANALYSE DER ÖSTERREICHISCHEN GEBÄRDENSPRACHE" (gefördert von: Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, Förderungsstelle des Bundes für Erwachsenenbildung für Kärnten, Kärntner Landesregierung, Landesarbeitsamt Kärnten, Bundessozialamt Kärnten, Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten).

Adresse: Universitätsstr. 65-67, 9020 Klagenfurt

Tel. 0463 2700 /474 oder /348; Fax /351; e-mail oegs@uni-klu.ac.at

Quelle:

Franz Dotter: Wer nicht ordentlich sprechen kann, muß dumm sein - Probleme Gehörloser - kommunikative und sprachliche Aspekte

erschienen in: Wer nicht ordentlich sprechen kann, muß dumm sein. Probleme Gehörloser - kommunikative und sprachliche Aspekte.-In: Erwachsenenbildung in Österreich 46 (1995), Heft 2, S. 26-28

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Stand: 12.07.2006

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