In Einfacher Sprache
Herausgegeben vom Spaß am Lesen Verlag
Inhaltsverzeichnis
Eva Dix hat ein Buch geschrieben.
Das Buch heißt: Good Bye, Lenin!
Das Buch gibt es jetzt auch in Einfacher Sprache.
In unserer Bibliothek können Sie
in das Buch hinein-lesen.
Sie finden hier die ersten Seiten von dem Buch.
Das ganze Buch können Sie für 13,50 Euro bestellen.

Hier können Sie das Buch bestellen:
Sie können das Buch auch in einer Buch-Handlung bestellen.

Das Buch ist vom Spaß am Lesen Verlag.
Einige Wörter sind fett geschrieben.

Das sind schwere Wörter.
Die schweren Wörter werden in einer Wörter-Liste erklärt.
Die Wörter-Liste finden Sie am Ende von diesem Text.
Ich bin Alex. Ich erzähle euch jetzt eine Geschichte.
Die erstaunlichste Geschichte meines Lebens.
Sie ist ein bisschen traurig. Aber auch schön.
Und ziemlich verrückt.
Eigentlich geht es in meiner Geschichte um Lügen.
Darum, wie Lügen ein Leben retten. Oder ein Leben
kosten, das auch.
Außerdem entdecke ich meine große Liebe.
Finde meinen besten Freund. Und wir erleben
zusammen eine total abgefahrene Zeit.
Aber seht selbst.
Ich war damals 20 und lebte in Berlin. Genauer
gesagt: in Ost-Berlin.
Heute ist es ziemlich egal, wo man wohnt in Berlin.
Ob West-Berlin oder Ost-Berlin, das macht keinen
großen Unterschied. Früher war das anders.
Da lebten wir im Osten ein ganz anderes Leben als
die Leute im Westen.
Damals, Ende der 1980er-Jahre, war Deutschland
geteilt. Geteilt in eine West- und eine Ost-Hälfte.
Jede Hälfte war ein eigener Staat.
Der Teil im Westen, das war die Bundes-Republik
Deutschland. Die BRD.
Der Teil im Osten, das war die Deutsche
Demokratische Republik. Jeder sagte aber nur DDR.
Im Westen gab es schicke Autos und coole
Klamotten. Im Osten gab es den Sozialismus.
Und ziemlich viel Gestank. Gestank nach Trabbis
und Kohle-Öfen.
Zwischen Ost- und West-Deutschland war eine
Grenze. Mit Zäunen und Stachel-Draht. Keiner kam
da einfach so rüber.
Die Grenze ging auch mitten durch Berlin. Eine
Mauer trennte den Osten vom Westen. Vor der
Mauer war ein Todes-Streifen. Den durfte niemand
betreten. Wer es doch tat, der wurde verhaftet.
Oder erschossen.
Meine Eltern, meine Schwester Ariane und ich, wir
wohnten im Ost-Teil von Berlin. Wir waren Bürger
der Deutschen Demokratischen Republik. Bürger
der DDR.
West-Deutschland und West-Berlin kannten wir
nur aus dem Fernsehen. Einfach mal rüberfahren?
Das durften wir nicht. Reisen in den Westen waren
in der DDR nicht erlaubt. So etwas ging nur in
Ausnahme-Fällen.
Heute ist das alles Vergangenheit. Auch die DDR ist
Vergangenheit.
Die DDR ist das Land meiner Kindheit.
Ein Land, das es nicht mehr gibt.
Ein Land, das nur noch in meiner Erinnerung lebt.
Karl-Marx-Allee 28. Hier bin ich aufgewachsen,
nicht weit vom Alexanderplatz. In einem der großen
Platten-Bauten. Wir hatten eine 79-Quadratmeter-
Wohnung ganz oben. Und ein Wochenend-Haus für
die Ferien. Das nannte man Datsche.
Es gibt noch ein paar alte Filme aus dieser Zeit.
Mein Vater hat sie gedreht.
Wackelige Bilder zeigen unseren Garten.
Ich schiebe meine Schwester in der Schubkarre
herum. Ich bin damals neun und Ariane ist elf.
„Guckt mal in die Kamera!“ Das ist mein Vater.
Ich winke, lache. Die Schubkarre kippt um.
Am Kaffeetisch klaue ich mir ein Stück Kuchen.
Ich habe meinen Indianer-Schmuck auf dem Kopf.
„Finger weg!“, ruft Vater. Und ich flitze davon.
Ein anderes Mal liege ich in der Hängematte.
Ariane schleicht sich an und schaukelt mich wild.
„Festhalten, Alex!“ Wieder die Stimme meines
Vaters.
Die letzte Aufnahme zeigt mich vor dem
Alexanderplatz. Ich habe mein neues T-Shirt an,
mit einer Rakete darauf.
Unter der Rakete steht in großen Buchstaben
UdSSR und DDR. Stolz gucke ich in die Kamera.
Das war, kurz bevor Sigmund Jähn in den Weltraum
flog. Sigmund Jähn, ein Bürger der DDR.
Das ganze Land war damals in Aufruhr. Der Start
des sowjetischen Raum-Schiffes wurde vorbereitet.
Bald sollte es losgehen. Und Sigmund Jähn war
dabei! Er würde der erste deutsche Astronaut im All
sein. Oder vielmehr Kosmonaut. So sagte man bei
uns.
Das war eine große Auszeichnung. Und ein Zeichen,
wie sehr die Sowjet-Union die DDR schätzte.
Wir waren alle ganz schön stolz.
Es gab sogar Briefmarken mit Sigmund Jähn und
mit Raketen darauf.
Am 26. August 1978 war es endlich so weit:
Die Rakete war startbereit. Die Rakete, die Sigmund
Jähn in den Weltraum bringen sollte.
Ich erinnere mich noch ganz genau. Ariane und
ich saßen im Wohnzimmer vor dem Fernseher.
Gespannt verfolgten wir die letzten Vorbereitungen.
Der Reporter sprach von der großen gemeinsamen
Leistung der sozialistischen Länder. Von der
großartigen Zusammenarbeit.
Sigmund Jähn winkte noch einmal, bevor er in die
Rakete stieg. Ich winkte auch. Dann gab es eine
riesige Wolke aus Feuer und Rauch. Und die Rakete
erhob sich in den Himmel.
Der 26. August 1978 war ein großer Tag.
Nur nicht für unsere Familie.
Während wir Kinder den Start-Vorbereitungen
zusahen, kamen zwei Männer in die Wohnung.
Braune Jacken, Hände in den Hosentaschen.
Lauernde Gesichter.
Sie stellten meiner Mutter Fragen.
Einer sagte: „Das ist die dritte Reise Ihres Mannes
nach West-Berlin, Frau Kerner. Hat Ihr Mann
Bekannte im Westen? Was wissen Sie davon?“
Und meine Mutter antwortete: „Er vertritt seinen
Chef, Professor Klinger.“
Die Männer gingen durch die Wohnung. Sie sahen
sich überall um. Meine Mutter folgte ihnen und
knetete nervös ihre Finger.
Im Flur hörte ich einen der Männer sagen:
„Wie würden Sie den Zustand Ihrer Ehe
beschreiben, Frau Kerner?“
Er klang ziemlich unfreundlich.
Dann wurde er lauter: „Hat Ihr Mann mit Ihnen
über seine Flucht gesprochen? Frau Kerner! Er muss
das doch mit Ihnen besprochen haben!“
Plötzlich schrie meine Mutter auf: „Haut ab!
Lasst mich in Ruhe!“
Ihre Stimme klang ganz fremd.
Die Sache war die: Mein Vater war weg.
Er hatte zu einem Kongress nach West-Berlin
fahren dürfen. Und war einfach dort geblieben.
Beim Klassen-Feind. Im Westen.
Republik-Flucht, so hieß das damals. Es war eine
richtig schlimme Sache.
Während Sigmund Jähn für die DDR in den
Weltraum flog, ließ mein Vater uns einfach sitzen.
Wegen irgendeiner Tussi im Westen.
Er kam nie mehr zurück.
Sozialismus
Gesellschafts-Ordnung in der DDR und in vielen
Staaten von Ost-Europa nach 1945. Vorstufe vom
Kommunismus. Ziel ist, dass alle gleich viel haben.
Niemand soll mehr haben als die anderen. Fabriken,
Grund und Boden gehören allen. Der Staat plant
und lenkt alle Vorgänge, auch die Wirtschaft.
Trabbi
Abkürzung für Trabant. Häufigster Kleinwagen in
der DDR.
Platten-Bau
Hochhäuser in der DDR, die aus fertigen
Betonplatten gebaut wurden.
UdSSR, Sowjet-Union
Die Sowjet-Union war ein Zusammenschluss von
15 Ländern unter der Führung von Russland. UdSSR
ist eine Abkürzung für Sowjet-Union und bedeutet:
„Union der sozialistischen Sowjet-Republiken“.
1991 wurde die Sowjet-Union aufgelöst.
Aufruhr
Große Aufregung
Kongress
Tagung von Fach-Leuten
Klassen-Feind
Die DDR wollte ein Staat der Arbeiter und Bauern
sein. Die kapitalistischen Länder sah man als Feinde
der Arbeiter. Der Klassen-Feind, das waren zum
Beispiel West-Deutschland oder die USA.
Quelle
Eva Dix: Good Bye, Lenin! Spaß am Lesen Verlag. Münster 2015.
bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet
Stand: 04.04.2018