Differenz als Gewinn

Themenbereiche: Schule
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Erschienen in: Sonderpädagogischer Kongress 2001, Band I: Entwicklung fördern - Impulse für Strukturen und Organisation, Verband Deutscher Sonderschulen (Hrsg.), Würzburg 2001, S. 15 - 29
Copyright: © Irene Demmer-Dieckmann 2001

Differenz als Gewinn

"Entwicklungen fördern - Impulse setzen" hieß das Kongressthema. Mein Beitrag dazu beschäftigt sich mit Jahrgangsmischung und Gemeinsamem Unterricht. Dabei stellte sich die Frage, ob es sich bei diesen beiden Themen um zwei verschiedene Konzepte und unterschiedliche schulische Aufgabenfelder handelt, die wenig miteinander gemeinsam haben, oder ob es - wie im Folgenden dargestellt - einen großen und engen Zusammenhang dieser beiden Schwerpunkte gibt, wie er am Beispiel der Laborschule in Bielefeld aufgezeigt wird. Vorgestellt werden das Konzept und die Erfahrungen dieser Schule, in der in allen Lerngruppen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Lernen, in der Sprache sowie in der sozialen und emotionalen Entwicklung unterrichtet werden, und in der Jahrgangsmischung ein wichtiges Gestaltungskriterium ist. Seit über 25 Jahren werden an der Laborschule Fünfjährige und Kinder des 1. und 2. Jahrgangs in gemeinsamen Stammgruppen unterrichtet. Nach einer umfassenden Literaturrecherche und Hospitationen an anderen Schulen, die in höheren Jahrgangsstufen jahrgangsgemischt unterrichten, hat die Laborschule 1999 einen wissenschaftlich begleiteten Schulentwicklungsprozess eingeleitet und erprobt seit 2000 beziehungsweise 2001 das Lernen in Stammgruppen der Jahrgänge 3, 4 und 5.

Jahrgangsmischung: Rückschritt oder Fortschritt?

Ist jahrgangsübergreifender Unterricht ein Rückschritt im Sinne von zurück zu "Opas Pädagogik" oder ist es ein "zukunftsweisendes Reformkonzept" (vgl. Laging 1997)? Dorfschulen oder Zwergschulen wurden in den 60er und 70er Jahren der Bundesrepublik Deutschland zu einem Synonym für bildungspolitische Rückständigkeit (vgl. Schmidt 1999, 120). Da sie als Rückschritt galten, wurden sie verstärkt geschlossen. So wurde zum Beispiel in Bayern von 1982 bis 1995 von 418 jahrgangsgemischten Klassen auf 227 Klassen und im Saarland von 132 auf 13 Klassen reduziert (vgl. Kost 1997, 172). Wie tief verwurzelt heute noch die Meinung der pädagogischen Rückständigkeit von jahrgangsgemischten Klassen ist, wird durch die Aussage der CDU-Sprecherin von Mecklenburg Vorpommern deutlich: "Wer, wie die SPD, Grundschüler jahrgangsübergreifend unterrichten will, nimmt in Kauf, dass Kinder im 5. Schuljahr noch teilweise mit den Fingern rechnen" (Frankfurter Rundschau vom 22.06.1995). Diese Position macht deutlich, dass der "schier unerschütterliche Glaube an den Leistungsvorteil homogener Gruppen" Tradition hat, so Wocken (1997, 315). Der Kritik am jahrgangsübergreifenden Lernen liegt die Idee zugrunde, dass in jahrgangshomogenen Gruppen am besten gelernt wird. Daher ist es dringend notwendig, sich mit den Forschungsergebnissen zum jahrgangsübergreifenden Lernen zu befassen und der Frage nachzugehen, ob in homogenen oder in heterogenen Gruppen besser gelernt wird. Die wichtigsten Ergebnisse werden an späterer Stelle vorgestellt,hier wird lediglich das Hauptergebnis benannt, dass nämlich die These vom Leistungsvorteil homogener Gruppen empirisch nicht begründbar ist. Homogene und heterogene Lerngruppen unterscheiden sich nicht beziehungsweise kaum in ihren durchschnittlichen Lernleistungen (vgl. Wocken 1997, 319; Knörzer 1984; Rossbach 1997, 1999; Schmidt 1999).

In Jahrgangsklassen ist nicht nur das Alter der Schülerinnen und Schüler alleiniges Kriterium für die Zusammensetzung. Neben dem Kriterium "Alter" gibt es das Kriterium "Leistung" und zwar in zweifacher Weise. Zum einen werden die Schülerinnen und Schüler, die dem Bildungsgang der Schule nicht folgen können, erst gar nicht aufgenommen und in der Sonderschule eingeschult, wenn es keinen gemeinsamen Unterricht gibt. Zum anderen werden die Schülerinnen und Schüler, die das Jahrgangsklassenziel nicht erreicht haben, nicht in die nächsthöhere Jahrgangsklasse versetzt. Bei mehrfacher Nichtversetzung erfolgt die Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und gegebenenfalls die Überweisung in eine Sonderschule oder in den Gemeinsamen Unterricht. "Die doppelte Korrektur des Alterskriteriums durch das Leistungskriterium dient erkennbar der Absicht, die Heterogenität von Grundschulklassen einzuschränken und relativ homogene Fähigkeitsgruppen zu bilden" so Wocken (1997, 315). Wie homogen Lerngruppen allerdings sein sollen, beziehungsweise wie heterogen sie sein dürfen, um zum optimalen Gesamtergebnis zu gelangen, das kann auch heute noch niemand mit Gewissheit sagen (vgl. Tent U.A. 1991, 317; Wocken 1997, 319).

Homogene Lerngruppen, das wissen wir inzwischen, gibt es nicht. Jede Lerngruppe ist heterogen. Da es schon schwer genug ist, den Belangen der Schülerinnen und Schüler einer ganz normalen jahrgangshomogenen Klasse zu entsprechen, warum will oder sollte man die bereits vorhandene Heterogenität dann auch noch ausweiten, durch den Gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schüler oder durch Jahrgangsmischung - lautet deshalb eine Position. Da die Unterrichtsgestaltung bereits komplex genug ist, warum sollte man das Unterrichten bewusst noch weiter erschweren? "So viel Homogenität wie eben möglich" ist eine Devise. Dieser Devise setzen andere "Vielfalt statt Homogenität" entgegen; sie sehen in der Vielfalt eine pädagogische Chance und Bereicherung für die Pädagogik und damit für die Entwicklung - auch und gerade die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler.

Reformpädagogische Konzepte von Peter Petersen und Maria Montessori kritisieren das Prinzip der Jahrgangsklassen. Peter Petersen belegte statistisch, dass im Jahre 1910/11 in Preußen 55% aller Schülerinnen und Schüler das Ziel des Volksschulabschlusses nicht erreichten (vgl. Goetze-Emer u.a. 2000, 48). Angesichts des "Sitzenbleiberelends" konstatierte Peter Petersen in den zwanziger Jahren den "Bankrott des Jahres-Klassensystems" und forderte dazu auf, Kindergruppen zu bilden, in denen soziales Leben in seiner Vielgestaltigkeit möglich wird (vgl. Burk 1996, 12). Peter Petersen- und Maria Montessori-Konzepte fassen bewusst mehrere Jahrgänge zusammen, um die pädagogische Kraft der Jahrgangsmischung produktiv zu nutzen. Sie sehen in der Differenz kein Problem, sondern einen Gewinn und nutzen diesen bewusst für ihre Pädagogik. "Es ist normal, verschieden zu sein" ist das zu Grunde liegende Verständnis.

In den letzten Jahren wird die Jahrgangsmischung nun wieder verstärkt diskutiert, allerdings nicht so sehr unter pädagogischen, sondern vor allem unter schulorganisatorischen und finanziellen Gründen. Insbesondere seit 1990 führt in den neuen Bundesländern ein dramatischer Geburtenrückgang dazu (vgl. Knauf 1999, 160), dass das überwunden geglaubte Konzept der Kombination verschiedener Jahrgänge erneut zur Tugend gemacht wird. Wenn ganz oder teilweise jahrgangsübergreifend unterrichtet wird, können viele kleine Grundschulen und damit eine wohnortnahe Beschulung erhalten werden (vgl. Schmidt 1999, 120F.). Jahrgangsmischung ist somit eine Notlösung oder Hilfskonstruktion zur Überbrückung geburtenschwacher Jahrgänge und zur Erhaltung von wohnortnaher Beschulung (vgl. Kost 1997, 183), denn: "Die Schule muß im Dorf bleiben!" (vgl. Heyer 1997); dies gilt in ganz besonderer Weise für die Grundschule.

An der Laborschule in Bielefeld gibt es keinen Mangel an Schülerzahlen, aus dem die Schule als Konsequenz jahrgangsgemischte Gruppen bilden müssten; es sind ausschließlich pädagogische Gründe, die den Anlass gaben, die bereits bestehende Jahrgangsmischung auszuweiten und eine Mischung der Jahrgänge 3, 4 und 5 zu erproben.

Jahrgangsmischung als Organisationsform ist jedoch noch nicht jene Reform, die unseren Schulen not tut - so Heide Bambach, die Leiterin der Primarstufe der Laborschule (1995, 4): "Denn sie ist keine Garantie dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer sehen und berücksichtigen, was längst von allen gesehen und berücksichtigt werden müßte, nämlich die enorme Verschiedenheit von Kindern ... Wir müssen endlich aufhören, schulisches Lernen entlang von Jahrgangsnormen zu denken und zu beurteilen ... Wenn nämlich in der altersgemischten Gruppe alle Kinder des Jahrgangs vor denselben Arbeitsblättern sitzen oder denselben Wochenplan bekommen, sind Vielfalt und Reichtum möglicher Arbeitsbeziehungen und Interessenverknüpfungen radikal beschnitten; wenn alle Schulanfänger am Lesekurs teilnehmen müssen, egal ob Mäxchen und Lena privat bereits Bücher lesen und für Aysche die Laute der deutschen Sprache noch fremd klingen, dann werden Kinder gelangweilt, überfordert oder entmutigt - nicht anders als in Jahrgangsklassen und ebenso wie dort ohne Not. Anders gesagt: Solange mit Altersmischung nicht die entschlossene Öffnung des Unterrichts für die je eigenen Stärken und Schwächen, Interessen, Bedürfnisse und Entwicklungen einzelner Kinder einhergeht, ist sie ... nicht jene Reform, die wir vollziehen müssen, wenn es uns ernst ist mit dem Anspruch, jedem einzelnen Kind gerecht werden zu wollen."

Jahrgangsmischung und Gemeinsamer Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen

Jahrgangsübergreifende Gruppen sind Ausdruck der Tatsache, dass Heterogenität als Chance und Bereicherung genutzt wird. Jahrgangsübergreifender Unterricht gibt festgelegte Alters-, Jahrgangs-, Entwicklungs- und Leistungsnormen auf. Mit der Aufgabe dieser Festlegung wird es möglich, dass auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgenommen werden können. "Gemeinsamen Unterricht behinderter mit nichtbehinderten Kindern in Jahrgangsklassen können wir uns nur unvollkommen vorstellen" so lautet zum Beispiel der Titel eines Beitrages von Heilmann u.a. (1999) aus der Peter-Petersen-Schule am Rosenmaar in Köln, einer Schule, die seit 25 Jahren Erfahrungen mit Jahrgangsmischung und seit 20 Jahren mit dem Gemeinsamen Unterricht sammelt, in dem vor allem Kindern mit geistiger Behinderung einbezogen sind.

"In Häusern des Lebens und Lernens", in denen der Heterogenität pädagogisch entsprochen wird, wird dem Motto "Gleichaltrigkeit suggeriert Gleichartigkeit" der Grundsatz "Es ist normal, verschieden zu sein" entgegen gesetzt wird, sind auch Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf willkommen. Wenn Kinder mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen (hierfür wurde lange Zeit ein zweijähriger Lernrückstand vorausgesetzt) und insbesondere Kinder mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung einbezogen werden, erweitert sich das mit der Jahrgangsmischung einher gehende Spektrum von Heterogenität qualitativ: Es entsteht eine verstärkte Ausweitung von sehr verschiedenen und breit gestreuten Entwicklungs- und Lernausgangslagen sowie Entwicklungs-, Lern- und Leistungsmöglichkeiten im sensorischen, motorischen, sprachlichen, emotionalen, sozialen wie kognitiven Bereich.

Ein differenzierender, individualisierender, handlungsorientierender Unterricht wie er in jahrgangsgemischten und damit ohnehin lernzieldifferenten Gruppen erforderlich ist, stellt eine besonders günstige Voraussetzung dar, um integrativ zu arbeiten: "Auf einer übergeordneten, gleichsam gesellschaftlichen Ebene bedeutet das Thema Integration Hinführung zu Toleranz und Offenheit gegenüber dem Anderssein durch das Lernen an und mit ihm. Es bedeutet auch eine Annäherung an die Themen Gleichheit und Ungleichheit und den Umgang damit", so Becker u.a. von der Reformschule in Kassel, die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Gruppen unterrichtet, die drei Jahrgänge umfassenden (1998, 229).

Jahrgangsübergreifende Gruppen wie auch Integrationsklassen sind heterogene Lerngruppen par excellence, denn die Spannweite der Leistungsmöglichkeiten reicht von Schülerinnen und Schülern mit geistiger Behinderung und - wenn sie aufgenommen werden - schwerbehinderten Kindern bis hin zu Schülerinnen und Schülern mit besonderen Begabungen, und das über drei Jahrgangsstufen. Die Annahme, dass bei einer so weitgespannten Heterogenität ein allgemeiner Leistungsverfall aller Schülerinnen und Schüler zu befürchten ist, und dass insbesondere leistungsstarke und leistungsschwache Schülerinnen und Schüler nicht zu ihren Möglichkeiten finden, konnte, so Wocken (1997, 316f), durch keine empirische Untersuchung belegt werden.

Das pädagogische Grundverständnis von Jahrgangsmischung und Gemeinsamem Unterricht liegt in der Pädagogik der Vielfalt (vgl. Hinz 1993, VOR ALLEM Hinz 1998, Preuss-Lausitz 1993, Prengel 1995). Das Grundverständnis beider Konzepte ist somit eng miteinander verbunden und wird mit "In der Differenz den Gewinn sehen lernen" beschrieben; "Unterschiedlichkeit wird nicht nur zugestanden, sondern gerade zur Voraussetzung für die didaktischen Formen des Unterrichts und des Lernens" (Laging/Thies 1998, 294) gemacht.

Mit ähnlichen Slogans wie "Schafft die Jahrgangsklassen ab!" (Brügelmann 1988) und mit "Schafft die Sonderschule ab!" (Jantzen 1981) fordern Brügelmann und Jantzen die Aufhebung der Alters- beziehungsweise Entwicklungs- und Leistungshomogenität als der zentralen Organisationsform von Schule.

Die Forderung nach Abschaffung von Sonderschulen - insbesondere der Schulen für Lern- und Sprachbehinderte - wird immer öfter erhoben (vgl. zum Beispiel Heyer 1998, 6F.; Eberwein 1997, Faust-Siehl U.A.1996, 136); es geht nicht um die Abschaffung der sonderpädagogischen Kompetenz, sie wird nach wie vor gebraucht, aber an anderen Orten und von anderen Personen, eben auch von Regelpädagoginnen und -pädagogen. Jantzen geht entsprechend 1998 noch weiter mit seiner Forderung "Schafft als erstes die Schulen für Geistigbehinderte ab!" (GEW-Kongress "Integration ist Menschenpflicht" am 9./10.10.98 in Bonn).

Aufgrund der Übereinstimmung beider pädagogischer Bewegungen in ihrem pädagogischen Grundverständnis wundert es nicht, dass sich in einigen Schulen beide Bewegungen vereinigen: zum einen die Integrationsbewegung und zum anderen die, die sich für eine Jahrgangsmischung einsetzt. Da es immer mehr Schulen gibt, die - aus schulorganisatorischen oder aus pädagogischen Gründen - die Jahrgangsmischung insbesondere in der Primarstufe wieder einführen (vgl. Schmidt 1997), und sich auch immer mehr Schulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf öffnen, wundert es dann doch wiederum, dass die Anzahl der Schulen, die jahrgangsgemischt und integrativ arbeiten, dennoch relativ gering ist. Noch verstärkt wird dies in Hinblick auf die Sekundarstufe, in der vielen Orts die Integration in Form von Schulversuchen erprobt wird oder erprobt werden muss, weil es schulrechtlich keine anderen Möglichkeiten gibt.

Es ist interessant, der Frage nachzugehen, warum es trotz der Übereinstimmung in den pädagogischen Grundüberzeugungen doch insgesamt relativ wenige Schulen gibt, die in jahrgangsübergreifenden Gruppen auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschulen. Bei stetig anwachsenden Ansprüchen an den Lehrerberuf und die Unterrichtsqualität bei sich gleichzeitig verschlechternden Bedingungen wird das Gefühl der Überforderung immer deutlicher. Dies belegen Aussagen wie "Das schaffen wir nicht auch noch!"

Eine pädagogisch sinnvolle und vielleicht auch logische Reihenfolge im Sinne einer qualitativen Ausweitung der Bandbreite von Heterogenität könnte es sein, zunächst das Jahrgangsklassensprinzip aufzugeben (weg vom Lernen im Gleichschritt), und dann im zweiten Schritt verstärkt Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufzunehmen. Damit wird das durch Jahrgangsmischung bereits gegebene Lern-, Entwicklungs- und Leistungsspektrum qualitativ ausgeweitet.

Die Laborschule - keine Schule wie jede andere

Die Laborschule wurde vor über 25 Jahren von Hartmut von Hentig als "Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen" gegründet. Wie das benachbarte Oberstufenkolleg ist sie kein Schulversuch mit einer zeitlich oder inhaltlich begrenzten Fragestellung, sondern eine Versuchsschule mit dem unbegrenzten Auftrag, neue Formen des Lehrens und Lernens und des Zusammenlebens in der Schule zu entwickeln und in geeigneter Weise der Öffentlichkeit zu präsentieren (vgl. Thurn/Tillmann 1997). Die Laborschule ist eine Einrichtung (an) der Universität Bielefeld, die dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung untersteht. Sie ist eine Gesamtschule besonderer Prägung, weil sie die Schülerinnen und Schüler ohne jegliche äußere Leistungsdifferenzierung vom Vorschuljahr zu den Abschlüssen der Sekundarstufe I führt; sie ist eine Angebots- und Ganztagsschule. Zur Laborschule gehört die Wissenschaftliche Einrichtung Laborschule an der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld. Hier arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den stundenweise freigestellten Lehrerinnen und Lehrern der Versuchsschule an den im Forschungsplan vereinbarten Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsplans der Laborschule hat sich eine Projektgruppe aus Laborschullehrerinnen und -lehrern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität gebildet, die an einer Ausweitung der Jahrgangsmischung arbeiten (vgl. Bosse u.a. 1999a und 1999b).

Jahrgangsmischung in der Laborschule

Die Laborschule nimmt die Kinder als Fünfjährige auf. Sie werden gemeinsam mit Kindern des ersten und zweiten Jahrgangs in jahrgangsübergreifenden Gruppen unterrichtet. Alle dreizehn Gruppen der Eingangsstufe sind jahrgangsgemischt; die Kinder gehören ihnen in der Regel drei Jahre lang an, zunächst als "die Kleinen", später als "die Großen". Wenn ein Kind noch nicht selbst- und lernsicher genug für den Übergang in das große Haus ist, kann es ein viertes Jahr in der ihm vertrauten Gruppe bleiben. Die Kinder lernen in einem noch ungefächerten, stark differenzierten und individualisierten Unterricht, der noch keinem Stundenplan sondern den Phasen des Tagesablaufs folgt. Die Jahrgangsmischung ist ein zentraler Ausgangspunkt der Eingangsstufendidaktik der Laborschule und hat zu einer ganzen Reihe von pädagogischen und curricularen Innovationen u.a. im Bereich des Werkstattunterrichts, des Projektunterrichts und der Integration geführt. Jahrgangsmischung ist für die gesamte Eingangsstufe strukturtypisch.

Das ändert sich in den nachfolgenden Jahrgängen: Vom dritten bis zum zehnten Jahrgang bleiben die Kinder in weitgehend jahrgangshomogenen Stammgruppen zusammen. Jahrgangsmischung wird aber nur im Bereich der Kurse, zunächst der Wahlgrundkurse der Jahrgänge 5, 6 und 7, später in den Wahl- und Leistungskursen der Jahrgänge 8, 9 und 10 fortgeführt. In den jährlich wechselnden Wahlgrundkursen werden überwiegend praktisch orientierte Inhalte (Computer, Kunst, Technik, Musik, Kosmetik etc.) für alle sowie zusätzlich Latein und Französisch angeboten; hier treffen die Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 5, 6 und 7 zusammen. Ebenfalls jahrgangsgemischt arbeiten die Jugendlichen der Jahrgänge 8, 9 und 10 in den einjährigen Wahlkursen (Kunst, Kochkurs, Jungen-/Mädchenstärkungskurse, Computer, Gartenarbeit etc.) und in den zweijährigen Leistungskursen (Sport, Deutsch, Ökologie, Theater, Englisch, Fotografie, Mathematik, Technik etc.), die dem Aufbau eines individuellen Leistungsprofils dienen. Diese für die Sekundarstufe der Laborschule typischen Formen der Jahrgangsmischung ermöglichen ein breiteres Wahlangebot als es bei nur 60 Schülerinnen und Schülern im Jahrgang möglich wäre.

Mehr über die Arbeit der Laborschule zu diesem Thema erfährt man in dem Buch von Thurn/Tillmann (Hrsg.) 1997. Über die Jahrgangsmischung an der Laborschule kann man sich in dem Text von Althoff U.A. 1997 informieren; in dem Beitrag von Thurn 1997 ist der Weg eines Mädchens durch die verschiedenen Formen der Jahrgangsmischung an der Laborschule nachgezeichnet; in Blömeke u.a. 1999 werden Werkstattangebote und in Goetze-Emer u.a. 2000 wird der Projektunterricht in der jahrgangsgemischten Eingangsstufe der Laborschule vorgestellt.

Die folgende Grafik gibt einen Überblick über das Konzept der Laborschule; Formen der Jahrgangsmischung sind darin grau unterlegt.

Die Laborschule: Ein Haus des Lebens und Lernens

Das integrative Konzept der Laborschule

"Lernen mit anderen auszukommen, die anders sind - so anders wie man selbst": Dieser Vorstellung Hartmut von Hentig folgend (IN Bambach/Thurn 1984, 582), sieht die Laborschule in den Unterschieden zwischen den Kindern und Jugendlichen eine große Chance, die sie bewusst bejaht. Da die Verschiedenheit der Schülerschaft eine wesentliche Basis des Schulkonzeptes darstellt und in ihren positiven Auswirkungen geschätzt wird, wird sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf als ein Aspekt von Verschiedenheit neben den vielen anderen wie geschlechtliche, altersmäßige, nationale, kulturelle, religiöse, familiäre, finanzielle und soziale gesehen. Die Laborschule ist seit ihrer Gründung eine Schule ohne Aussonderung beziehungsweise eine integrative Regelschule, das heißt, nur in Ausnahmefällen wird ein Kind, das aufgenommen wurde, an eine Sonderschule überwiesen. Es gehörte zu den Gründungsideen der Schule vor 27 Jahren, den verschiedenen Bedürfnissen aller Kinder gerecht werden zu wollen.

Im Schuljahr 2000/2001 werden 47 Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf in 28 Gruppen der Schule unterrichtet. Als Schule ohne Aussonderung beschult die Laborschule vor allem Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Lernen" (68%) und "Soziale und emotionale Entwicklung" (21%) (weitere Informationen siehe Demmer-Dieckmann 2001b, 35). Für die sonderpädagogische Förderung erhält die Schule 99 Stunden Sonderpädagogik, das sind ca. zwei Wochenstunden pro Schülerin oder Schüler. Anstelle der in Nordrhein-Westfalen üblichen sonderpädagogischen Gutachten schreibt die Laborschule Porträts, in denen die Namen der Kinder und Jugendlichen anonymisiert sind. In den Porträts wird der individuelle Entwicklungs- und Lernstand der Kinder oder Jugendlichen möglichst konkret und ganzheitlich in ihren Lebens- und Lernsituationen beschrieben, Stärken, Schwächen und Eigenheiten werden ebenso benannt sowie Förderaspekte; in Demmer-Dieckmann 2001a, 99-112 ist ein solches Porträt vorgestellt.

Anstelle einer kindbezogenen Ressourcenzuweisung strebt die Laborschule eine sonderpädagogische Grundausstattung an, wie sie erstmals in Hamburg in den Integrativen Regelschulen schulpolitisch umgesetzt wurde, denn auch wir betrachten sonderpädagogischen Förderbedarf im Lern-, Sprach- und Verhaltensbereich als Systemeigenschaft von heterogenen Lerngruppen. Die Bereitstellung von sonderpädagogischen Kompetenzen sollte daher nicht mehr an individuelle diagnostische Etikettierungen gebunden sein, sondern zur normalen Ausstattung von Schule werden.

Nach dem Konzept von Integrationsklassen könnte die Laborschule die 47 Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in 10 Integrationsklassen unterrichten, das würde 4 beziehungsweise 5 Schülerinnen oder Schüler pro Gruppe bedeuten. Die Laborschule hat sich bewusst für einen anderen Weg entschieden und richtet keine spezielle Integrationsklassen ein, stattdessen sind alle Gruppen der Schule in das integrative Konzept eingebunden. Dies bedeutet, dass pro Gruppe für ein oder zwei, selten für drei Kinder ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht. Die Laborschule setzt nicht auf eine möglichst hohe Anzahl von doppelt besetzten Stunden, sondern sie baut auf die "Kraft der Gruppe" (Bambach 1994, 235), auf die integrative Kraft der 20 Mitschülerinnen und Mitschüler. Die Schule setzt daher viel Zeit, vielfältige Aktivitäten, Ideen und Methoden ein, um eine möglichst tragfähige Stammgruppe zu entwickeln; eine Gemeinschaft, in der jede und jeder seinen Platz findet, eine Gemeinschaft, die Stärken schätzt, Eigenheiten toleriert, individuelle Fortschritte anerkennt und die auch mit Schwächen umzugehen lernt.

Wie verteilen wir die 99 Sonderpädagogikstunden auf 28 verschiedene Gruppen? Auf diese Formel kann der Widerspruch gebracht werden, den es zu lösen galt, denn einerseits sollen grundsätzlich alle Stammgruppen mit sonderpädagogischen Ressourcen unterstützt werden und andererseits ist es notwendig, dass eine sonderpädagogische Lehrkraft möglichst viele Stunden in einer Stammgruppe verbringt und nicht mit je 3,5 Unterrichtsstunden in sieben verschiedenen Gruppen eingesetzt wird, wie es rechnerisch möglich wäre. Die Laborschule ist zu einem Phasenmodell gekommen, in dem sich sonderpädagogische Beratung und sonderpädagogische Doppelbesetzung abwechseln (VGL. Demmer-Dieckmann 2001b, 37-40).

Die Laborschule versteht sich als Schule ohne Aussonderung. Eine Schule für alle Kinder ist sie zur Zeit nicht, aber in ihr sind Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarf im Lernen, in der Sprache, im Verhalten und solche in schwierigen Lebenssituationen gut aufgehoben. Ob sich die Schule in den nächsten Jahren auch verstärkt für Kinder mit geistiger Behinderung öffnen wird, hängt insbesondere von den Kolleginnen und Kollegen in der Sekundarstufe I ab; in der Primarstufe würden die Kolleginnen diese Aufgabe gerne übernehmen. Der Gemeinsame Unterricht gelingt auch an der Laborschule in der Primarstufe leichter als in der Sekundarstufe I. Vielleicht ist er in der Sekundarstufe I durch zunehmenden Fachunterricht und damit verbundener größer Anzahl von Lehrkräften, durch den zunehmenden Abstraktionsgrad bei den Lerninhalten und nicht zuletzt durch die Entwicklung der Jugendlichen während der Pubertät, die mit einem Auseinanderstreben der Interessenentwicklung einher gehen kann, schwieriger zu realisieren. Vielleicht ist er in der Sekundarstufe nach wie vor nur ungewohnter. Dennoch zeigen unsere Erfahrungen deutlich, DASS ES MöGLICH IST, AUCH DEN UNTERRICHT IN DER SEKUNDARSTUFE I INTEGRATIV ZU GESTALTEN UND SOMIT INDIVIDUALITäT UND GEMEINSAMKEIT GLEICHZEITIG ZU FöRDERN. Wie die Laborschule versucht, die anspruchsvolle Aufgabe des Lernens in heterogenen Gruppen zu realisieren, haben wir in Demmer-Dieckmann/struck (HRSG.) 2001 dargestellt. Wie ein Mädchen mit frühkindlicher Traumatisierung vier Jahre in der jahrgangsgemischten Eingangsstufe der Laborschule und danach sieben Jahre in der jahrgangshomogenen Stammgruppe beschult wurde, ist unter dem Titel "Wenn frühkindliche Lebensbedingungen das Lernen nachhaltig bestimmen" beschrieben (vgl. Demmer-Dieckmann 2001c).

Die folgende Übersichtfasst abschließend das pädagogische Konzept der Laborschule zusammen:

  • Lerngruppen mit etwa 20 Schülerinnen und Schülern, die vom 3. bis 10. Jahrgang ohne äußere Leistungsdifferenzierung zusammen bleiben

  • Orientierung an den Fähigkeiten und Stärken der einzelnen Schülerinnen und Schüler

  • gemeinsame und differenzierte Lernsituationen sowie Wahlangebote

  • Handlungs-, Produkt- und Projektorientierung

  • Offenheit und Raum für Eigeninteressen der Schülerinnen und Schüler

  • das Ganztagsangebot für Primar- und Sekundarstufe I (das in den letzten Jahren eingeschränkt werden musste)

  • die Gestaltung eines sanfteren Übergangs von der Primar- zur Sekundarstufe I

  • konsequenter Verzicht auf äußere Fachleistungsdifferenzierung (konsequentes Gesamtschulkonzept)

  • keine Zensuren bis zum Ende des 9. Jahrgangs, sondern Lernberichte für alle Schülerinnen und Schüler, kein Kind bzw. Jugendlicher muss ein Jahr wiederholen

  • die Lebens- und Erfahrungsräume an der Schule

  • fünf Praktika in außerschulischen Einrichtungen mit unterschiedlicher Zielsetzung

  • jährliche Gruppenfahrten, im 9. Jahrgang ein dreiwöchiger Aufenthalt in einer Familie im Ausland

  • der Verzicht auf spezielle Integrationsklassen (mit fünf oder sechs Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf), statt dessen der Einbezug aller Stammgruppen der Schule in die integrative Konzeption: in der Regel werden ein oder zwei Schülerinnen oder Schüler mit besonderem Betreuungs- und Förderbedarf pro Stammgruppe unterrichtet

  • unterrichtliche Zusammenarbeit von Regelschullehrerinnen und -lehrern mit Sonderpädagoginnen und -pädagogen in festgelegten Schwerpunktjahrgängen, die sich aus der Stufung der Laborschule ergeben

  • sonderpädagogische Beratung

Jahrgangsmischung als Lösung?

Im Anschluss an die jahrgangsgemischten Gruppen der Eingangsstufe wechseln die Kinder nach drei Jahren in den 3. Jahrgang über, nun in eine weitgehend jahrgangshomogene Lerngruppe. Der Übergang in diese sich erst neu findende Gruppe, die dann bis zum 10. Jahrgang zusammen bleibt, bildet eine schwierige Schnittstelle in der Stufung der Laborschule. Seit vielen Jahren beschreiben die Lehrerinnen und Lehrer weite Strecken des dritten Jahrgangs als von diesem Übergang besonders belastet:

  • Die Schülerinnen und Schüler verschiedener Eingangsstufengruppen müssen erst eine neue Stammgruppe bilden;

  • sie wechseln vom Eingangsstufengebäude in das Hauptgebäude über;

  • sie bekommen neue Lehrerinnen und Lehrer;

  • sie werden mit neuen Unterrichts- und Lernformen konfrontiert.

Es handelt sich um einen gravierenden Einschnitt, der mit dem regulären Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I vergleichbar ist. Allerdings liegt dieser Übergang mitten in der Primarstufenzeit selbst. Es ist kein im allgemeinen Schulwesen vorgegebener, sondern ein durch die Regelungen und Rahmenbedingungen der Versuchsschule selbst erzeugter Einschnitt. Seit Jahren wird überlegt, wie dieser Bruch gemildert werden könnte.

In der Ausweitung der Jahrgangsmischung (3., 4., 5. Jahrgang) wird nun eineMöglichkeit gesehen, den genannten Problemen zu begegnen. Zwar würden auch bei diesem Lösungsmodell der Wechsel des Hauses, der Betreuungslehrerin und ein Wechsel der Gruppen bestehen bleiben, aber dieser Wechsel könnte deutlich entlastet werden. Die Projektgruppe ging von der Annahme aus, dass jahrgangsgemischte Gruppen (vgl. hierzu Sandmeyer u.a. 1997, 58):

  • den Anfang im 3. Jahrgang entspannen würden: Die neuen Schülerinnen und Schüler werden in bereits bestehende Gruppen mit vorhandenen Regeln, Lern- und Unterrichtsformen aufgenommen. Zu den zwei Dritteln der "alten" Schülerinnen und Schüler käme lediglich ein Drittel "neue". Analog den Patenschaften in der Eingangsstufe könnten hier die älteren Kinder der Gruppe den jüngeren Hilfestellung beim Kennenlernen der neuen Umgebung und der Regeln geben, Unterstützung beim Erlernen neuer schulischer Inhalte leisten, Schutz vor den Großen bieten etc.

  • den Schulalltag bereichern und erleichtern würden: Ältere müssten nicht nur "cool" sein, sie könnten ihr Bedürfnis, auch einmal wieder klein zu sein, natürlicher ausleben. Jüngere hätten frühzeitig einen Eindruck von dem, was man alles lernen kann. Die Gefahr einer Rollenfestlegung, die mit der von Jahrgang 3 bis zum Ende der Schulzeit zusammen bleibenden Gruppe verbunden ist, wäre reduziert. Niemand muss mehr acht Jahre lang der Älteste, die Klügste, der Kleinste, die Schwächste, der Stärkste oder die Hübscheste sein. Neben dieser Gefahr von Rollenfestlegungen gibt es allerdings auch Vorzüge, wenn eine Stammgruppe vom 3. bis 10. Jahrgang zusammen bleibt.

  • die Integration schulschwacher Kinder fördern würden: Insbesondere lernschwachen Kindern kann deutlicher bewusst werden, was sie schon alles können, wenn sie ihr Wissen an die jüngeren Kinder ihrer Gruppe weitergeben. Ihr Selbstwertgefühl wird gesteigert, ihre "Rolle" ist nicht mehr so festgelegt.

  • Kolleginnen und Kollegen zu mehr Zusammenarbeit motivieren würden: Besonders in der Entwicklungs- und Erprobungsphase ist ein intensiver Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen zu erwarten, die den jahrgangsgemischten Unterricht erproben. Um den Übergang in den jahrgangshomogenen Jahrgang 6 vorzubereiten, müsste eine enge Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen der Sekundarstufe erfolgen. Die Jahrgangsmischung könnte somit zu mehr Kooperation und Kontinuität zwischen den Stufen beitragen.

  • pädagogische Innovationen anregen würden: Jahrgangsmischung ist kein Selbstläufer, sondern ein pädagogisch zu gestaltender Raum. Das Lernen der Kinder voneinander, ein ausgewogenes Verhältnis von gemeinsamen und differenzierten Lernsituationen sowie projektorientierte Vorhaben rücken stärker in den Mittelpunkt.

Einblick in die Arbeitsergebnisse

Bei vielen Projekten der Versuchsschule als "Curriculumwerkstatt" (Frühbeginn Englisch, kritische Koedukation, interkulturelle und internationale Pädagogik) wird die Laborschule von anderen Kolleginnen und Kollegen besucht und befragt. Bei dem Vorhaben "Ausweitung der Jahrgangsmischung" besuchten die Projektmitglieder andere Schulen, um von ihnen zu lernen. Sie verbanden diese Einsichten mit der Fachdiskussion und nutzten entsprechende Erkenntnisse, um bei sich selbst einen Schulentwicklungsprozess einzuleiten. (Vgl. auch die Ausführungen in Demmer-Dieckmann/Lenzen 2000.)

Erkenntnisse aus dem Literaturstudium

Die Literaturrecherche führte u.a. zu der Einsicht, dass in der Pro- und Contra-Diskussion dieselben Argumente häufig für jeweils verschiedene Positionen genutzt werden. Dafür sei hier nur eines von den vielen Beispielen genannt: Der jährliche Wechsel eines Drittels einer Gruppe (bei einer Mischung von drei Jahrgängen) wird von den Befürwortern der Jahrgangsmischung als Argument angeführt, das gegen die Fixierung auf eine Rolle (der Schwächste, die Stärkste, der Älteste, die Klügste) spricht, da sich von Jahr zu Jahr die Zusammensetzung einer Gruppe ändert und die Sozialstruktur der Gruppe viel stärker in Bewegung ist als in einer Jahrgangsklasse. Dieses Argument wird zugleich aber auch gegen die Jahrgangsmischung genutzt: "Die jährliche Veränderung schaffe Instabilität und lenke die Energien der Kinder zu einem großen Teil darauf, ihre Position in der Gruppe neu zu bestimmen" (VGL. Skischus 1997, 142). Kann man mit den gleichen Argumenten völlig verschiedene Maßnahmen begründen? Oder anders: Was taugen die Argumente, die für die Einrichtung jahrgangsgemischter Gruppen sprechen, wenn sie gleichzeitig auch dagegen sprechen können? Eine Diskussion, die mit so gravierenden Widersprüchen belastet ist, braucht mehr Klarheit. Forschungsergebnisse halfen hier deutlich weiter (VGL. Knörzer 1985, Rossbach 1997,1999, Schmidt 1999, Wocken 1997). "Angesichts der breiten Diskussion um jahrgangsübergreifenden Unterricht und Lernen in altersgemischten Gruppen überrascht," so Rossbach (1999, 81), "dass die Forschungslage im deutschsprachigen Raum äußerst unbefriedigend ist". Der Autor resümiert (vgl. 1997, 146), dass Unterricht in jahrgangsgemischten Gruppen im Vergleich zum Jahrgangsunterricht im Hinblick auf Schülerinnen- und Schülerleistungen keine und im Hinblick auf Schülerinnen- und Schülerverhalten nur geringe Vorteile bewirkt. "Die dargestellten Untersuchungsergebnisse sollten uns" - so Rossbach (1997, 147) - "vor übertriebenen und unangemessenen Erwartungen warnen, die dann - wenn sie nicht eintreten - für eine Reform lähmend sein können ... Allerdings dürfen wir diese Forschungsergebnisse auch nicht ignorieren und müssen ihre kritischen Hinweise berücksichtigen".

Knörzer (vgl. 1984; 1985, 48), der in Baden-Württemberg Schülerinnen und Schüler des dritten und vierten Jahrgangs aus jahrgangsübergreifenden Klassen untersuchte, stellt hingegen im Hinblick auf das Selbstbewusstsein fest, dass Kinder des 4. Schuljahres in jahrgangsübergreifenden Klassen ein höheres Selbstwertgefühl haben als Viertklässler in Jahrgangsklassen. Er kommt auch zu dem Ergebnis, dass die Motivation in jahrgangsübergreifenden Klassen erheblich besser ist und gerade leistungsschwächere Kinder ihr Leistungspotential eher nutzen und nicht auf Grund eines Resignationseffektes hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.

Auch Schmidt (1999), der 300 jahrgangsübergreifend unterrichtende Lehrkräfte im gesamten Bundesgebiet schriftlich befragte, kommt zu folgenden positiven Ergebnissen:

  • 88% meinen, dass es in jahrgangsübergreifenden Gruppen friedlicher zugehe.

  • 85% meinen, dass jahrgangsübergreifend unterrichtete Schülerinnen und Schüler besser kooperieren können.

  • 33% meinen, dass Schülerinnen und Schüler aus jahrgangsübergreifenden Gruppen größere Chancen haben, das Gymnasium zu besuchen.

Die Chancen, die in der Jahrgangsmischung stecken, werden allerdings noch nicht hinreichend ausgenutzt, wie Schmidts weitere Ergebnisse (1999,123) belegen: 54% der Lehrkräfte, und damit die größere Gruppe, nutzen den Reichtum der Pädagogik der Vielfalt, der in der Jahrgangsmischung steckt, nicht. So dominiert nämlich in 44% der Praxis der Abteilungsunterricht und 10% nutzen die Jahrgangsmischung, um leistungshomogene Gruppen zu bilden. Lediglich 33% nutzen bewusst die Möglichkeiten der Alters- und Leistungsunterschiede, damit Kinder von Kindern lernen.

Die insgesamt unbefriedigende deutsche Forschungssituation zu diesem Thema macht deutlich, dass verstärkt aktuelle, forschungsmethodisch gut abgesicherte Untersuchungen benötigt werden.

Hagstedt (1995, 17f.) betont, dass es sich bei "jahrgangsgemischtem Lernen nicht um einen Selbstläufer, sondern um ein anspruchsvolles Konzept handelt, das differenzierter Aufbauüberlegungen bedarf"; eine Einsicht, die sich bei der Hospitation an anderen Schulen bestätigte: Die Praxis des jahrgangsübergreifenden Unterrichts, welche die Projektgruppe zu sehen bekam, erwies sich in der Tat als Resultat differenzierter Aufbauüberlegungen und war meist mit anspruchsvollen Konzepten verbunden.

Erkenntnisse aus der Praxis anderer Schulen

Die Projektgruppe besuchte insgesamt fünf Schulen. Bei der Auswahlwurde darauf geachtet, möglichst verschiedenartige Schulen zu finden. Es sollten nicht nur Versuchsschulen sein, sondern auch Regelschulen; nicht nur Schulen aus den alten Bundesländern, sondern auch solche aus den neuen. Gleichzeitig sollten es Schulen sein, die mit unterschiedlichen Formen von Jahrgangsmischung arbeiten (Mischung von zwei beziehungsweise drei Jahrgängen) und solche, die auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschulen.

Als Instrumentarium zur Sammlung von Informationen waren für Hospitationen und Gespräche ein Kurzportrait der besuchten Schule, ein Hospitationsbericht (Gesprächsleitfaden und vorstrukturierter Beobachtungsbogen) und ein persönlicher Bericht vorbereitet. Die Auswertung der Informationen liegt vor (vgl. Bosse U.A. 1999A UND1999B). In folgenden vier Punkten werden die gewonnenen Erfahrungen und Einsichten thesenartig zusammengefasst:

  • Die besuchten, reformpädagogisch ambitionierten Schulen haben einen großen Reichtum an Unterrichtsformen und -methoden entwickelt, mit deren Hilfe sie den Unterricht in jahrgangsgemischten Gruppen gestalten. Nicht alle Gestaltungselemente dieses Unterrichts sind in allen besuchten Schulen gleichzeitig anzutreffen; es gibt jedoch eine starke Annäherung in den verwendeten Unterrichtselementen. Offensichtlich haben Schulen, die mit jahrgangsgemischten Gruppen arbeiten, im Laufe der Zeit ein Repertoire von Unterrichtsformen entwickelt, die sich als besonders förderlich erwiesen haben. Solche Gestaltungselemente können zweifellos auch in Schulklassen angewendet werden, die nicht jahrgangsgemischt angelegt sind. In Schulklassen, in denen jahrgangsgemischt gearbeitet wird, sind sie allerdings unverzichtbar.

  • Dieses Repertoire von Unterrichtsformen (innere Differenzierung, projektorientierter Unterricht, Kleingruppen- und Tischgruppenarbeit, Gruppenrat, Monatsversammlung) ist durch zwei gegenläufige Tendenzen charakterisierbar: Durch eine stark individualisierende Tendenz und durch eine deutlich gemeinschaftsbildende Tendenz. Um zu verhindern, dass sich die nach Differenzierung verlangende Lerngruppe in ein Mosaik von Kleingruppen beziehungsweise am Ende in eine Ansammlung von Einzelpersönlichkeiten auflöst, werden gleichzeitig Elemente wie "Klassenrat", "Wochenabschluss" etc. in den Wochenrhythmus eingebaut.

  • Weiter ist für dieses Repertoire charakteristisch, dass es nicht dogmatisch vertreten wird und keinen Ausschließlichkeitsanspruch anmeldet: Alle besuchten Schulen arbeiten nicht nur mit jahrgangsgemischten Gruppen, sondern auch mit weitgehend jahrgangshomogenen Kursgruppen. Wie mit Unterrichtsmethoden so wird auch mit Formen sozialer Gruppierung unterschiedlich und abwechslungsreich umgegangen: Die Schulen zeigen, dass mit jahrgangsgemischten und jahrgangshomogenen Gruppen in verschiedenen "Mischungsverhältnissen" gearbeitet werden kann.

  • Die Jahrgangsmischung wird als eine besonders günstige Organisationsform für integrativen Unterricht angesehen. In der absichtsvoll herbeigeführten Differenz liegt der innovative Charakter der Jahrgangsmischung (vgl. Laging U.A. 1998, 295) und der gemeinsamen Erziehung und Bildung von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen. Integrativer Unterricht ist ebenso wie jahrgangsgemischter Unterricht kein Selbstläufer. Beide müssen ihre entsprechende Umsetzung im Unterricht finden. Dabei gibt es eine hohe Übereinstimmung in Bezug auf die erforderlichen unterrichtlichen Gestaltungsmomente. Auch Schmidts Ergebnisse (1999, 123) bestätigen diese Einsicht: 63% der jahrgangsübergreifend unterrichtenden LEHRKRäFTE vertreten die Meinung, dass Schülerinnen und Schüler mit Lern- und Entwicklungsschwierigkeiten in Schulen mit jahrgangsübergreifendem Unterricht bessere Möglichkeiten der Förderung hätten.

Die gewonnenen Einsichten führten zu einer Differenzierung der Diskussionen, die innerhalb der Projektgruppe geführt wurden; sie halfen auch, die Gespräche und Auseinandersetzung im Kollegium zu versachlichen.

Schulversuch in der Versuchsschule

Nach umfangreichen Informations- und Austauschgesprächen sowie kritischen Beratungen in den verschiedenen Gremien hat sich die Laborschule im April 1999 für einen "Schulversuch in der Versuchsschule" entschieden: In einem der insgesamt drei Züge wird die Jahrgangsmischung erprobt. Drei Stammgruppen umfassen jeweils die Jahrgänge 3, 4 und 5. Mit dem Schulversuch hat sich die Schule für einen Erprobungsspielraum entschieden und nicht für oder gegen eine generelle Einführung von jahrgangsübergreifenden Gruppen. Der Schulversuch gewährleistet, dass eigene konkrete Erfahrungen unter den besonderen Bedingungen der Laborschule erprobt werden können (Fortführung der Jahrgangsmischung aus der Eingangsstufe, Mischung von drei Jahrgängen, wobei ein Jahrgang aus der Sekundarstufe einbezogen wird). Er gewährleistet außerdem die freiwillige Bereitschaft zur Mitarbeit von Lehrerinnen und Lehrern einerseits, die der Eltern andererseits und damit auch das Interesse der Beteiligten an diesem Versuch. Durch die Konstruktion eines Versuchs in der Versuchsschule hat es keine Mehrheitsentscheidung für oder gegen eine generelle Entscheidung gegeben (vgl. Bosse U.A. 1999A, 79-90).

In der folgenden Tabelle werden die Chancen und Befürchtungen aufgelistet, die das Kollegium innerhalb des Beratungsprozesses auf einer LehrerInnenkonferenz im März 1999 formuliert hat (vgl. Bosse U.A. 1999A, 84-87):

Tabelle für Brailschrift: Tab1.: Jahrgangsgemischte Stammgruppen - Chancen und Befürchtungen

Chancen von jahrgangsgemischten Stammgruppe

Unterrichtsgestaltung in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Eine Vielfalt von Unterrichtsformen ist notwendig.

Wir lernen, stärker und besser zu differenzieren. Das Bild von einem Jahrgangsdurchschnittskind verschwindet.

Ein hohes Maß an Lehrerinnen- und Lehrerkooperation ist erforderlich.

Die Erfahrungsbereiche müssen ihre Didaktik erweitern und verstärkt pädagogische Konzepte entwickeln.

Befürchtungen gegenüber jahrgangsgemischten Stammgruppen

Unterrichtsgestaltung in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Unterrichtsgestaltung ist problematisch.

Systematisches Lernen wird problematischer.

Die Leistungsbreite wird noch größer. Lehrkräfte unterrichten eine "Mitte".

Der zeitliche Aufwand für notwendige Differenzierungen ist sehr hoch.

Die Vorbereitungen werden insgesamt zeitaufwändiger.

Ist der Fördereffekt (auch die Leistung) eigentlich größer?

Chancen von jahrgangsgemischten Stammgruppe

Soziale Beziehungen in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Jahrgangsmischung setzt den Zwang herab, sich von den "Kleinen" abzusetzen.

Es entsteht mehr Kooperation unter den Kindern.

Bessere Beziehungen erleichtern das Unterrichten.

Jahrgangsmischung bietet die Möglichkeit, nicht auf eine Rolle fixiert zu bleiben.

Die besonders Schnellen (Begabten, Intelligenten) werden gefördert.

Befürchtungen gegenüber jahrgangsgemischten Stammgruppen

Soziale Beziehungen in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Ist eine Jahrgangsmischung überhaupt sinnvoll?

Kinder wollen mit gleichaltrigen arbeiten und spielen, durch eine Mischung ist die Auswahl für Freundschaften sehr beschränkt.

Die Mischung bringt vor allem Unruhe.

Einige Kinder sind durch den Wechsel der verschiedenen Gruppierungen überfordert (Sprachen, Wahlkurse).

Die besonders Schnellen (Begabten, Intelligenten) werden gebremst.

Chancen von jahrgangsgemischten Stammgruppe

Einführung der jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5), als Versuch in der Versuchsschule

Jahrgang 3 hat viele Schwierigkeiten. Wir finden heraus, ob die neue Mischung sich als Erleichterung erweist.

Wir entsprechen den Eltern, die sich eine Fortführung der Jahrgangsmischung aus der Eingangsstufe wünschen.

Wir überprüfen selbst, ob wir es leisten können.

Befürchtungen gegenüber jahrgangsgemischten Stammgruppen

Einführung der jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5), als Versuch in der Versuchsschule

Die Probleme aus dem 3. Jahrgang werden nur auf den 6. Jahrgang verlagert, wo die Pubertät noch als erschwerendes Moment hinzukommt.

Die gut laufende homogene Gruppe wird aufgegeben.

Werden sich genügend freiwillige Eltern finden?

Gibt es genügend Kolleginnen und Kollegen, die die Arbeit machen wollen?

Die Arbeitsbelastung für die Kolleginnen und Kollegen ist sehr hoch. Schaffen wir das?

Das Modell schafft eine Konkurrenzsituation innerhalb der Schule.

Tab1.: Jahrgangsgemischte Stammgruppen - Chancen und Befürchtungen

Chancen von jahrgangsgemischten Stammgruppen

Befürchtungen gegenüber jahrgangsgemischten Stammgruppen

Unterrichtsgestaltung in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Unterrichtsgestaltung in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Eine Vielfalt von Unterrichtsformen ist notwendig.

Wir lernen, stärker und besser zu differenzieren. Das Bild von einem Jahrgangsdurchschnittskind verschwindet.

Ein hohes Maß an Lehrerinnen- und Lehrerkooperation ist erforderlich.

Die Erfahrungsbereiche müssen ihre Didaktik erweitern und verstärkt pädagogische Konzepte entwickeln.

Unterrichtsgestaltung ist problematisch.

Systematisches Lernen wird problematischer.

Die Leistungsbreite wird noch größer. Lehrkräfte

unterrichten eine "Mitte".

Der zeitliche Aufwand für notwendige Differenzierungen ist sehr hoch.

Die Vorbereitungen werden insgesamt zeitaufwändiger.

Ist der Fördereffekt (auch die Leistung) eigentlich größer?

Soziale Beziehungen in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Soziale Beziehungen in jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5)

Jahrgangsmischung setzt den Zwang herab, sich von den "Kleinen" abzusetzen.

Es entsteht mehr Kooperation unter den Kindern.

Bessere Beziehungen erleichtern das Unterrichten.

Jahrgangsmischung bietet die Möglichkeit, nicht auf eine Rolle fixiert zu bleiben.

Die besonders Schnellen (Begabten, Intelligenten) werden gefördert.

Ist eine Jahrgangsmischung überhaupt sinnvoll?

Kinder wollen mit gleichaltrigen arbeiten und spielen, durch eine Mischung ist die Auswahl für Freundschaften sehr beschränkt.

Die Mischung bringt vor allem Unruhe.

Einige Kinder sind durch den Wechsel der verschiedenen Gruppierungen überfordert (Sprachen, Wahlkurse).

Die besonders Schnellen (Begabten, Intelligenten) werden gebremst.

Einführung der jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5) als Versuch in der Versuchsschule

Einführung der jahrgangsgemischten Stammgruppen (3, 4, 5) als Versuch in der Versuchsschule

Jahrgang 3 hat viele Schwierigkeiten. Wir finden heraus, ob die neue Mischung sich als Erleichterung erweist.

Wir entsprechen den Eltern, die sich eine Fortführung der Jahrgangsmischung aus der Eingangsstufe wünschen.

Wir überprüfen selbst, ob wir es leisten können.

Die Probleme aus dem 3. Jahrgang werden nur auf den 6. Jahrgang verlagert, wo die Pubertät noch als erschwerendes Moment hinzukommt.

Die gut laufende homogene Gruppe wird aufgegeben.

Werden sich genügend freiwillige Eltern finden?

Gibt es genügend Kolleginnen und Kollegen, die die Arbeit machen wollen?

Die Arbeitsbelastung für die Kolleginnen und Kollegen ist sehr hoch. Schaffen wir das?

Das Modell schafft eine Konkurrenzsituation innerhalb der Schule.

Die Aussagen machen deutlich: Dem Kollegium ist bewusst, dass es nicht nur um die Einführung eines neuen Organisationsmodells geht, sondern um weitreichendere pädagogische Veränderungen. Dazu gehört auch die größere Vielfalt von Unterrichtsformen, Erweiterung der Didaktiken der Erfahrungsbereiche, intensive Kooperation der Erwachsenen. Jahrgangsmischung ist kein Selbstläufer, sondern ein anspruchsvoll zu gestaltendes Unterrichtskonzept. Auch die Befürchtung, dass zwei verschiedene Modelle, an einer Schule nebeneinander praktiziert, zu Konkurrenzsituationen führen kann, wird ausgedrückt.

An einigen Punkten wird deutlich, dass entgegengesetzte Positionen nebeneinander stehen, wie zum Beispiel:

  • "Jahrgang 3 hat viele Schwierigkeiten" versus "Die Probleme aus dem 3. Jahrgang werden nur auf den 6. Jahrgang verlagert, wo die Pubertät noch als erschwerendes Moment hinzukommt".

  • "Bessere Beziehungen erleichtern das Unterrichten" versus "Die Mischung bringt vor allem Unruhe".

  • "Kinder wollen mit Gleichaltrigen spielen und arbeiten" versus "Es entsteht mehr Kooperation unter den Kindern".

  • Einige sehen es als Chance an, dass der Unterricht vielfältiger und differenzierter wird; andere fürchten, dass die Unterrichtsgestaltung und das systematische Lernen problematischer werden.

Diese Positionen bleiben vorerst kontrovers nebeneinander stehen. Eine Bestätigung oder ein Widerlegen der einen oder anderen Position kann letztendlich nur ein begleiteter und ausgewerteter Versuch bringen. Die Gegenüberstellung macht aber auch deutlich, dass - in Abhängigkeit vom eigenen Standpunkt - Argumente gleichzeitig als Chance oder als Befürchtung eingebracht werden können. Beispiel hierfür ist die Förderung oder die Behinderung von besonders begabten Kindern. Während einige Argumente ausdrücken, dass die vorhandenen Strukturen sinnvoll seien und daher erhalten bleiben mögen (gut laufende homogene Gruppen), wünschen sich andere über Jahrgangsmischung eine pädagogische Innovation des Unterrichtsalltages: Das Bild vom Jahrgangsdurchschnittskind verschwindet, die Lehrerinnen und Lehrer müssen intensiv kooperieren, die Erfahrungsbereiche erweitern ihre Didaktik und ihre pädagogischen Konzepte. Ein weiteres Gegenargument verweist auf die hohe zeitliche Belastung der Kolleginnen und Kollegen, die mit innovativen Projekten vor allem in der Anfangszeit einhergeht.

Einige Befürchtungen konnten geklärt werden. So haben sich mehr Kolleginnen und Kollegen gefunden, die in einer jahrgangsgemischten Gruppe unterrichten wollten, als erforderlich waren. Auch bei den Eltern war das Interesse größer als die Anzahl der Plätze, die zur Verfügung standen.

In den ersten beiden Jahren des Schulversuchs haben die Eltern der Laborschule die Möglichkeit, für ihr Kind die Fortführung der Jahrgangsmischung in den Jahren 3, 4 und 5 zu wählen, sehr gut angenommen, denn ca. 2/3 der Eltern wünschen dies. Die vorhandenen Plätze reichen allerdings lediglich für 1/3 der Kinder. Daher wurden intensive Diskussionen darüber geführt, nach welchen Kriterien die Plätze vergeben werden. Zu den Kriterien gehörten u.a. die pädagogische Ausgewogenheit in allen Gruppen sowie freundschaftliche Kontakte.

Zum Schuljahr 2000/2001 wurde mit der Ausweitung der Jahrgangsmischung praktisch begonnen, in diesem Schuljahr umfasste die Jahrgangsmischung allerdings erst zwei Jahrgänge, erst im Schuljahr 2001/2002 kommt der dritte Jahrgang hinzu.

In einem Punkt unterscheidet sich die Erprobung an der Laborschule deutlich von den uns bekannten anderen jahrgangsgemischten Konzepten. Nach intensiven und auch kontroversen Diskussionen im Kollegium erteilt die Laborschule in den jahrgangsgemischten Stammgruppen bewusst den gesamten Unterricht jahrgangsgemischt, während andere Schulen die Fächer Mathematik und/oder Englisch in speziellen jahrgangshomogenen Gruppierungen unterrichten. Dies hat u.a. einen zerstückelten Stundenplan zur Folge, den wir mit unserem rhythmisierten Tageslauf (s.u.), mit ganzheitlichen und projektorientierten Vorhaben nicht in Einklang bringen konnten und wollten. Besonders bei systematisch strukturiertem Lernen wie in den Fächern Mathematik und Englisch muss in jeder Lerngruppe ein differenziertes Unterrichtsangebot erfolgen, weil die Leistungsschere sehr schnell größer wird. Daher erscheint gerade dort das jahrgangsgemischte Lernen besonders einleuchtend (vgl. Thurn 1997, 126). Die Laborschule setzt bewusst darauf, dass Kinder voneinander und miteinander lernen und damit auf das Lernen durch Lehren. (Zum Lernen durch Lehren vgl. hierzu auch Hagstedt 1995.)

Je nach Erfahrungen wird es bei der Mischung von drei Jahrgängen gegebenenfalls auch mal flexible Phasen in Jahrgangsgruppen geben, aber dann nicht in einem bestimmten Unterrichtsfach, sondern in einem spezifischen Vorhaben wie zum Beispiel beim Thema "Freundschaft, Liebe, Sexualität", weil die Interessen der vorpubertierenden Fünftklässler deutlich andere sind als die der noch verspielten Drittklässler, die der Mädchen andere als die der Jungen. Oder zur Vorbereitung der Fünftklässler auf den jahrgangshomogenen Jahrgang 6? Oder bei anderen Inhalten aus dem Jahrgang 5, die sich nicht als sinnvoll für die Jahrgangsmischung erweisen. Die Laborschule wird dieses flexibel und gemäß der Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler erproben.

Innerhalb des Forschungs- und Entwicklungsplans der Laborschule (vgl. Tillmann 1997, 111-114) wird der Schulversuch wissenschaftlich begleitet, ausgewertet und dokumentiert werden.

Zum Pädagogischen Konzept

Die Heterogenität von Herkunft, Begabung und Lebensalter hat an der Laborschule dazu geführt, einen Tageslauf zu erfinden, "der den verschiedenen einzelnen gerecht zu werden versucht, ihre Gemeinsamkeit betont und ihren Zusammenhalt als Gruppe stärkt" (Bambach/v.d. Groeben 1977, 228). Wie auch in der Eingangsstufe beginnt jeder Schultag mit einem Morgenkreis, an den sich eine Arbeitszeit anschließt. Gruppen- und Projektzeiten liegen innerhalb der Arbeitszeit. Fachlehrerinnen und Fachlehrer in Englisch und in der Werkstatt kommen hinzu. Alle Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 5 wählen innerhalb der jahrgangsgemischten Wahlgrundkurse (Jahrgänge 5, 6 und 7) einen praktisch orientierten Kurse und darüber hinaus Französisch oder Latein oder einen zweiten Kurs aus dem Angebot des eher praktischen Lernens. In vier oder fünf Stunden in der Woche verlassen sie somit ihre Stammgruppe, um in den jahrgangsgemischten Wahlgrundkursen mitzuarbeiten.

Um der Vielfalt der Schülerinnen und Schüler gerecht werden zu können und gleichzeitig die Gemeinsamkeit zu fördern, ist eine Balance zwischen individualisierenden und gemeinsamen Lernsituationen und Unterrichtsformen erforderlich. Differenzierte und gemeinsame Lern- und Arbeitsvorhaben, Pflicht- und Küraufgaben, Kurs- und Projekt- oder Werkstattphasen, Einzel-, Partner-, Kleingruppen- und Tischgruppenarbeit, Versammlungen der Stammgruppe und Versammlungen der drei Gruppen wechseln sich ab und führen zu vielfältigen Begegnungs- und Lernformen unter den Schülerinnen und Schülern.

In dem von der Projektgruppe erstellten pädagogischen Konzept wurde insbesondere ein Spiralcurriculum über drei Schuljahre entwickelt. Ein spiralig organisiertes Curriculum meint, dass bestimmte Lernbereiche regelmäßig wieder kehren, allerdings unter spezifischen Aspekten, mit eigenen methodischen Zugängen und mit gesonderten Lernzielen auf verschiedenen Niveaustufen. Ein Drei-Jahres-Curriculum stellt sicher, dass eine gewisse Verbindlichkeit in den Lerninhalten und Lernzielen erreicht wird. Dabei handelt es sich um ein Curriculum zwischen Systematik und Offenheit (vgl. noch unveröffentlichtes Konzeptpapier der Projektgruppe, 2001), denn es muss einerseits eine Verbindlichkeit der Lerninhalte erreicht, andererseits die Förderung der einzelnen Kinder gewährleistet werden.

Erste Einschätzungen nach einem Jahr mit der Mischung der Jahrgänge 3 und 4

Für Ergebnisse und Auswertungen aus der veränderten Praxis an der Laborschule ist es nach einem Jahr noch zu früh, aber erste Einschätzungen durch die Projektgruppe sind möglich:

  • Der Übergang der Kinder in den Jahrgang 3 war aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer sichtlich leichter als die Erfahrungen bei den Übergängen in die jahrgangshomogenen Gruppen. Im Unterschied zu den jahrgangshomogenen Gruppen setzten sich allerdings die jahrgangsgemischten in dem ersten Übergangsjahr lediglich aus 14-16 Kindern zusammen, so dass ein unproblematischer Übergang auch durch die kleinere Gruppengröße begünstigt sein kann.

  • In einer Gruppe mischen sich beide Jahrgänge und auch die Mädchen und Jungen gut.

  • In der zweiten Stammgruppe ist die Geschlechterzugehörigkeit das entscheidende Kriterium für die Kontakte, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Jahrgang beziehungsweise das Alter spielen keine sichtbare Rolle.

  • In der dritten Gruppen gibt es sowohl Freundschaft unter Mädchen beziehungsweise Jungen eines Jahrganges, jahrgangsübergreifende Freundschaften nur unter Mädchen oder unter Jungen sowie jahrgangsübergreifende Freundschaften zwischen Mädchen und Jungen.

  • Die drei Gruppen haben vielfältige Vorhaben gemeinsam unternommen: eine gemeinsame Gruppenreise zu Beginn des Schuljahres, eine Mathematikwerkstatt, ein Märchenprojekt, die Themen "Tiere" sowie "Bielefeld im Mittelalter" und den Fahrradführerschein. Wo immer möglich wird das gemeinsame Vorhaben mit einer Präsentation abgeschlossen, zu der Eltern und Geschwister eingeladen werden.

  • Die gemeinsamen Vorhaben, die wöchentliche große Versammlung der drei Gruppen, gemeinsamer Sport- und Schwimmunterricht führen dazu, dass alle drei Gruppen in engem Kontakt und regem Austausch miteinander stehen, die Lehrerinnen und Lehrer wie die Schülerinnen und Schüler wie die Eltern (Eltern-Kind-Veranstaltungen, gemeinsame Phasen an Elternabenden).

  • Dies führt dazu, dass einige Kinder sich sicher und frei innerhalb der drei Gruppen bewegen, gruppenübergreifende, jahrgangshomogene wie auch jahrgangsheterogene Freundschaften entstanden sind. Einzelne Kinder bevorzugen die Sicherheit in den Kontakten innerhalb ihrer Stammgruppe.

  • Die Kinder des 3. und 4. Jahrgangs sind entwicklungs- und lernmäßig insgesamt noch nahe bei einander.

  • Die Unterschiede zwischen leistungsstarken Drittklässlern und schwachen Viertklässlern sind sehr gering beziehungsweise leistungsstarke Drittklässler sind lernmäßig weiter als leistungsschwache Viertklässler.

  • Lerninhalte wie zum Beispiel die Multiplikation lassen sich besonders gut differenzieren: während die einen das Einmaleins üben, erlernen die anderen die schriftliche Multiplikation.

  • Von den differenzierten Unterrichtsangeboten, die für die jahrgangsübergreifenden Gruppen erarbeitet werden, profitieren auch die jahrgangshomogenen Gruppen, da sie dort ebenfalls eingesetzt werden. Dies fiel besonders im Englischunterricht auf, der von einer Fachlehrerin und einem Fachlehrer sowohl in einer jahrgangsübergreifenden wie auch in einer jahrgangshomogen Gruppen unterrichtet wird.

  • Eine gelungene oder weniger gelungene Einbindung in die Gemeinschaft von Schülerinnen und Schülern mit extrem schwierigen Lebensbedingungen, also mit Unterstützungsbedarf im Lernen oder Verhalten, hängt nicht vor allem von ihren kognitiven Leistungen ab, sondern in besonderer Weise von ihrer Persönlichkeit und ihren Verhaltensweisen. Aber solche Kinder sind nicht nur für den Gemeinsamen Unterricht oder für Jahrgangsmischung eine besondere Herausforderung, sie sind es auch bei einer Beschulung an der Sonderschule. Verallgemeinbare Erfahrungen aus der veränderten Praxis sind zur Zeit noch nicht, vielleicht aber auch generell nicht möglich. Es gibt sehr positive Erfahrungen, aber auch solche, die nachdenklich stimmen.

  • Das Team der Lehrerinnen und Lehrer kooperiert intensiv.

Wie in jedem Unterricht erleben Kinder, Lehrerinnen und Lehrer schöne und ermutigende Situationen, aber auch Konflikte und Grenzen, die es zu lösen und zu akzeptieren gilt. Alle, die Kleinen und die Großen, lernen, mit Unterschieden zu leben und Unterschiede zu achten. Miteinander zu leben bietet immer auch die Chance, von einander zu lernen. Sie lernen, dass Toleranz gegenüber "Andersein" selbstverständlich sein kann, erfahren aber auch, dass für diese Toleranz und Akzeptanz persönliche Anstrengungen gefordert sind.

Die bisherigen Erfahrungen stimmen positiv und ermutigen die Beteiligten zu der Mehrarbeit, die zwangsläufig mit der Startphase eines veränderten Konzeptes verbunden ist.

Mit folgenden offenen Fragen wird sich die Projektgruppe in Zukunft auseinandersetzen:

  • Wie wird das entstandene Gruppengefüge sich verändern, wenn sich die drei Gruppen erstmals zur normalen Gruppenstärke mit den neuen Drittklässlern erweitern?

  • Wird es eine größere Nähe zwischen benachbarten Jahrgängen geben, also zwischen den Drittklässlern und Viertklässlern beziehungsweise zwischen den Viertklässlern und Fünftklässlern als zwischen den Drittklässlern und Fünftklässlern?

  • Wie gestalten sich die Interaktionen zwischen Drittklässlern und Fünftklässlern? Wie begegnen sich pubertierende Fünftklässler und verspielte Drittklässler? Werden die Viertklässlern eine vermittelnde Rolle zwischen Drittklässlern und Fünftklässlern wahrnehmen?

  • Wie gehen lernschwache Schülerinnen und Schüler des 5. Jahrgangs damit um, von leistungsstarken Drittklässlern eingeholt zu werden?

  • Welche Erfahrungen werden in Jahrgang 6 gesammelt werden, also dann, wenn sich die Schülerinnen und Schüler aus den drei jahrgangsübergreifenden Gruppen in einer jahrgangshomogen Gruppe treffen? Haben wir den schwierigen Übergang bei der Gruppenbildung im dritten Jahrgang lediglich auf den sechsten Jahrgang und damit in eine Phase verschoben, die insbesondere durch die Pubertät gekennzeichnet ist?

  • Bisher bleiben an der Laborschule die Schülerinnen und Schüler vom 3. bis 10. Jahrgang in einer Stammgruppen zusammen, im Rahmen des Versuchs nur noch vom 6. bis 10 Jahrgang. Wie wirkt sich dies auf die "Kraft der Stammgruppe" aus (vgl. Bambach 1994, 235)? Wie wirkt sich die Jahrgangsmischung langfristig auf den Zusammenhalt innerhalb eines Jahrgangs aus?

Zum Abschluss

In der Jahrgangsmischung und im Gemeinsamen Unterricht ist es selbstverständlich, dass jede Schülerin und jeder Schüler ein eigenes Lerntempo hat und die Unterschiedlichkeit entsprechend berücksichtigt wird. So muss der schnell Lernende nicht warten und sich langweilen, weil er unterfordert ist, der langsam Lernende wird nicht ständig überfordert. Jede und jeder leistet das, was sie und er leisten kann. Und "Wer sein Bestes gibt, muss sich wohl fühlen dürfen" (Bambach 1998, 4).

Jahrgangsmischung: Rückschritt oder Fortschritt? Die Ausweitung der Jahrgangsmischung an der Laborschule ist eindeutig ein pädagogischer Reformversuch, der mit der Zuversicht auf schulische Innovation verbunden ist. Es gibt viele deutliche Anzeichen, dass das Konzept trägt.

Wenn sich das Konzept bewährt, bieten sich verschiedene Überlegungen an, die schulintern diskutiert und entschieden werden müssen:

  • Das Konzept wird im gleichen Umfang fortgesetzt.

  • Das Konzept wird auf weitere Gruppen der Jahrgänge 3, 4 und 5 ausgeweitet.

  • Das Konzept wird auch in höheren Jahrgängen erprobt.

Ein Plädoyer für Jahrgangsmischung und Gemeinsamen Unterricht bedeutet nun aber nicht, dass dadurch alle der vielfältigen Probleme von Schule gelöst würden, denn sie sind weder Selbstläufer noch pädagogische Wunderrezepte, sondern anspruchsvolle Konzepte für alle, die sich dieser Aufgabe stellen.

Gemeinsamer Unterricht und Jahrgangsmischung sind innovative und spannungsvolle Vorhaben, die Entwicklungen fördern und Impulse setzen. Rückschritt oder Fortschritt? Die Antwort ist eindeutig.

Literatur

Althoff, Gudrun Paula/Husemann, Gudrun/Thurn, Susanne: Wir werden immer größer... Jahrgangsmischung von Anfang an. In: Thurn, Susanne/Tillmann, Klaus-Jürgen (Hrsg.): Unsere Schule ist ein Haus des Lernens. Das Beispiel Laborschule Bielefeld. Reinbek 1997, 145-164.

Bambach, Heide: Ermutigungen. Nicht Zensuren. Ein Plädoyer in Beispielen. Lengwil 1994

Bambach, Heide: Weder Gewähr noch Bedingung. In: Die Grundschulzeitschrift, Heft 84, 1995, 40

Bambach Heide: Wer sein Bestes gibt, muss sich wohl fühlen dürfen. In: Die Grundschulzeitschrift, Heft 111, 1998, 4

Bambach, Heide/Groeben, Annemarie, von der: Zeit zum Aufwachsen -Rhythmisierung des Schulalltags. In: Thurn, Susanne/Tillmann, Klaus-Jürgen (Hrsg.): Unsere Schule ist ein Haus des Lernens. Das Beispiel Laborschule Bielefeld. Reinbek 1997, 224-244

Bambach Heide/Thurn, Susanne: Alexander - Zweimal fünf Jahre Laborschule. In: Neue Sammlung, Heft 6, 1984, 572-597

Becker, Marina/Freudenstein, Silke: "Warum soll sie denn nicht schaukeln - vielleicht braucht sie das ja?" Gemeinsamer Unterricht in der Reformschule. In: Röhner, Charlotte/Skischus, Gabriele/Thies, Wiltrud (Hrsg.): Was versuchen Versuchsschulen? Einblicke in die Reformschule Kassel. Hohengehren 1998, S. 228-234

Blömeke, Ines/Bosse, Ulrich/Görlich, Ruth: Offene Werkstattangebote. Seelze 1999

Bosse, Ulrich/Demmer-Dieckmann, Irene/Firek, Christa/Lenzen, Klaus Dieter/Sandmeyer, Martin/Schrempf, Volker/Zimmer, Brunhild: Gemischt oder gleich? Wie Schulen die Arbeit in jahrgangsgemischten Gruppen gestalten. Werkstattheft Nr. 18 (Publikationsreihe der Laborschule), Bielefeld 1999a

Bosse, Ulrich/Demmer-Dieckmann, Irene/Firek, Christa/Lenzen, Klaus-Dieter/Sandmeyer, Martin/Schrempf, Volker/Zimmer, Brunhild: Hospitation an Schulen, die mit jahrgangsübergreifenden Gruppen arbeiten: Schulportraits, Berichte und Gespräche. Unveröffentlichtes Typoskript (Bezug über die Laborschule) Bielefeld 1999b

Brügelmann, Hans: Schafft die Jahrgangsklassen ab. In: Die Grundschulzeitschrift, Heft 13, 1988, 2

Burk, Karlheinz: Lernen in jahrgangsübergreifenden Gruppen. In: Burk, Karlheinz: Jahrgangsübergreifendes Lernen in der Grundschule. Frankfurt 1996, 10-23

Demmer-Dieckmann, Irene: Porträts an der Laborschule. Die Beschreibung des individuellen Entwicklungs- und Lernstands. In: Demmer-Dieckmann, Irene/Struck, Bruno (Hrsg.): Gemeinsamkeit und Vielfalt. Pädagogik und Didaktik einer Schule ohne Aussonderung. Weinheim und München 2001a, 99-112

Demmer-Dieckmann, Irene: Das Konzept der Integrativen Pädagogik an der Laborschule. In: Demmer-Dieckmann, Irene/Struck, Bruno (Hrsg.): Gemeinsamkeit und Vielfalt. Pädagogik und Didaktik einer Schule ohne Aussonderung. Weinheim und München 2001b, 24-44

Demmer-Dieckmann, Irene: Wenn frühkindliche Lebensbedingungen das Lernen nachhaltig bestimmen. In: Pädagogik, Heft 1, 2001c, 8-13

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Anschrift der Verfasserin:

Irene Demmer-Dieckmann

Universität Bielefeld

Fakultät für Pädagogik

Postfach 10 01 31

33501 Bielefeld

Irene.Demmer-Dieckmann@uni-bielefeld.de

Quelle

Irene Demmer-Dieckmann: Differenz als Gewinn

Erschienen in: Sonderpädagogischer Kongress 2001, Band I: Entwicklung fördern - Impulse für Strukturen und Organisation, Verband Deutscher Sonderschulen (Hrsg.), Würzburg 2001, S. 15 - 29

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 01.03.2006

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