Elementares Musizieren oder Leibhaftige Bildung mit Musik und Bewegung

Autor:in - Peter Cubasch
Themenbereiche: Kultur
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Erschienen in: Orff-Schulwerk-Informationen, Nr. 62, Sommer 1999
Copyright: © Peter Cubasch 1999

Was ist das überhaupt - elementares Musizieren?

Eine Negativ-Definition sei vorangestellt: elementares Musizieren ist nicht eine vereinfachende Form musikalischer »Spielereien« mit kleinen Kindern des sogenannten Elementarbereiches oder simplifizierter Musik mit begrenztem Tonmaterial auf speziell dafür vorgesehenen Instrumenten.

Beim elementaren Musizieren handelt es sich um ein anthropologisch begründetes, künstlerisch-agogisches (pädagogisch = mit Kindern; andragogisch = mit Erwachsenen und geragogisch = mit alten Menschen) Konzept aktiver und kreativer Musizierpraxis. Ein zentraler Inhalt ist die Verbindung von Musik, Sprache und Bewegung. Die Möglichkeit zum elementaren Musizieren besteht unabhängig von einem bestimmten Lebensalter oder von spezielle Begabungen oder Behinderungen.

Die drei Dimensionen elementaren Musizierens

Mit dem Begriff elementar, der eine große Projektionsfläche bietet und momentan in der Musikpädagogik eine Renaissance erfährt, sind drei Dimensionen umschrieben, die grundlegend sind für die Theorie und Praxis elementaren Musizierens:

anthropologische Dimensionen

pädagogische Dimensionen

sachlich-inhaltliche Dimensionen.

1. Anthropologische Dimensionen elementaren Musizierens

Wie jede Arbeit mit Menschen, egal ob in Pädagogik, Therapie, Medizin, Soziologie oder Theologie, so braucht auch das elementare Musizieren eine Besinnung auf seine anthropologischen Grundpositionen und die Offenlegung seines Menschenbildes. Nur auf dieser Grundlage können begründete Zielvorstellungen und zielgerichtete Handlungsstrategien entwickelt, erprobt und bewertet werden. Und nur durch die Bewußtmachung des anthropologischen Hintergrundes kann vermieden werden, daß das elementare Musizieren zum reinen »Methoden-Zauber« wird oder daß es als »kindertümelndes« Musikerziehungs-System Verwendung findet. Auch unbeabsichtigte dysfunktionale Leistungs- und Rivalitätsprinzipien oder manipulative Zwecke und Entfremdungs-Tendenzen werden erkennbar, wenn das zugrunde liegende Menschenbild expliziert wird.

Elementares Musizieren hat einen anthropozentrischen Ansatz; d. h. der Mensch selbst mit seinen artspezifischen und individuellen Eigenschaften (und nicht die Musik) steht am Ausgangspunkt der Konzeptbildung. Er wird damit zum Zentrum des Musizierens und zum Bezugspunkt für Zielsetzungen, Inhalte, Methoden und Medien bis hin beispielsweise zum Einsatz spezieller Instrumente oder zur Verwendung besonderer Skalen.

Das Menschenbild, das dem elementaren Musizieren zugrunde liegt, ist gekennzeichnet von drei Grundannahmen:

der Mensch ist bezogen

der Mensch ist kreativ

der Mensch ist Leib-Subjekt

Der bezogene Mensch

Jeder Mensch ist wesensmäßig auf andere Menschen und auf die ihn umgebende Welt bezogen. Seine Fähigkeit, Sprache zu entwickeln und sich sprachlich oder musikalisch mitzuteilen und mit anderen Menschen zu fühlen, zu denken und zu handeln, ja bereits seine »Ausstattung« mit Sinnesorganen und Händen zum Erfassen, Begreifen und Gestalten beweisen die Bezogenheit und Gerichtetheit (Intentionalität) des Menschen.

Diese Fähigkeiten zu pflegen und zu erhalten, zu fördern und zu entfalten, hat gleichermaßen individuelle wie gesellschaftliche Bedeutung und muß Globalziel jeder Pädagogik sein.

Für das elementare Musizieren leiten sich hieraus wichtige Zielsetzungen und Arbeitsformen ab. Das Miteinander-Spielen und Voneinander-Lernen in Gruppen ist beim elementaren Musizieren zentral. Es wird besonders achtsam gehandhabt und dem »einsamen Üben in der Zelle« und dem wettbewerbs- und konkurrenz-orientierten Musizieren in der Wertigkeit vorangestellt. Spielräume für Interaktionen und bereichernde Begegnungen mit anderen Menschen und Einblick in ihre Besonderheiten (das umschließt Behinderungen ebenso wie Begabungen), Wertvorstellungen und Kulturen werden bereitgestellt. Im Rahmen interkultureller Pädagogik und in Generationen-übergreifenden und -verbindenden Aktivitäten sowie beim Musizieren mit integrativen Gruppen bietet das gemeinsame aktive und kreative Musizieren einen idealen Rahmen, verschiedene Möglichkeiten und förderliche Atmosphären, persönlich bedeutsames Lernen am eigenen Leibe zu erleben und selbst mitzugestalten und positive Formen menschlichen Miteinanders zu erleben, zu pflegen und zu fördern. Die Formen des Kontaktes und der Begegnung zwischen einzelnen Personen und die Prozesse in Gruppen sind wesentliche Bestandteile elementaren Musizierens. Sie werden genau beachtet, reflektiert und so gut wie möglich differenziert. Dadurch kann ein wertvoller und gesellschaftlich bedeutsamer Anstoß dazu gegeben werden, die sozialen Kompetenzen im Menschen zu fördern, der Anonymisierung und Vereinsamung in der Gesellschaft und negativen Formen der »Individualisierung« entgegenzuwirken.

Der kreative Mensch

Ein Mensch ist vom Beginn seines Lebens bis zum letzten Atemzug ein lernendes, bildungsfähiges und formbares Wesen. Seine Entwicklung (Wachstum, Reifung und Altern) geschieht nach biologischen Gesetzen, aber seine Entfaltung geschieht in kreativer Auseinandersetzung mit der Welt.

Jeder Mensch ist zu kreativen Anpassungsleistungen und kreativen Veränderungen fähig und kann Neues hervorbringen. Bereits sinnliche Wahrnehmungen und ihre Verknüpfung mit vorangegangenen Erfahrungen sowie ihre Vernetzung in kommunikativen Prozessen mit anderen Menschen sind kreative Akte. Aber nicht jede Art von Kreativität, nicht jedes kreative Produkt und nicht alles, was der Mensch an Novitäten hervorbringt, ist wertvoll (man denke nur an moderne Massenvernichtungswaffen oder die Irrwege der Genforschung). Deshalb müssen die Formen humaner Kreativität auf ihre Angemessenheit hin befragt werden und unterliegen immer ethischen Wertmaßstäben.

Künstlerisches ist in allen Menschen angelegt und bei allen Kulturen in das tägliche Leben integriert. Gesellschaften, in denen Kreativität Platz hat, geben den Menschen Spielräume zur individuellen Entfaltung und für gemeinsame kreative Gestaltungen. Auf diese Weise kann Veränderung, Wandel und positives Wachstum stattfinden.

Leider ist für viele Menschen in unserem Kulturkreis Kunst und Kreativität im Laufe des Sozialisationsprozesses negativ oder gar mit Angst besetzt worden. Viele verbinden Kreativität mit Genialität und Spezialistentum und halten sich selbst für unkreativ oder unbegabt. Aber Kreativität ist jedem Menschen mitgegeben. In jedem Menschen steckt ein Tänzer, Musiker, Maler und Dichter, dessen schöpferische Fähigkeiten sich in kreativen Prozessen und in schöpferischen Interaktionen ausdrücken und entfalten können.

Kreative Erfahrungen und das Entdecken und Entfalten der eigenen kreativen Potentiale stehen im Dienste des Menschen, sich selbst zu verwirklichen. Sie tragen zu seiner persönlichen Bildung und zu seinem individuellen Heilsein (im Sinne von Ganzheit und Vollständigkeit) bei. Daraus leitet sich ein Recht auf die Förderung der Kreativität jedes Menschen ab. Die Pädagogik hat hierbei noch große Aufgaben zu erfüllen. (Insbesondere ist auch zu beachten, daß Spezialisierung nicht einseitig und zu früh erfolgen sollte, sondern auf der Basis breiter und den ganzen Menschen bereichernder Förderung, da anderenfalls Fragmentarisierung und Entfremdung die Folge sein können.)

Gemeinsame kreative Prozesse und die damit verbundenen positiven, identitätsstiftenden Erfahrungen sowie die Bewußtheit für den Wert und die Bedeutung der menschlichen Kreativität an sich sind günstige Voraussetzungen für schöpferische Leistungen auch in anderen Lebensbereichen. Aus diesem Grund steht beim elementaren Musizieren das Produzieren vor dem Reproduzieren. Das Finden und Erfinden, das gemeinsame Improvisieren und Gestalten mit Klängen und Rhythmen, mit Sprache, Musik und Bewegung, mit Farben, Formen und anderen kreativen Medien hat deshalb herausragende Bedeutung.

Auf kollektiver Ebene dient humane Kreativität letztlich dazu, das »eubios«, das gute Leben, wie die Griechen es im Altertum nannten, zu ermöglichen. Das gute Leben - für alle, wäre zu ergänzen - ist ein Ziel, von dem die Menschheit noch weit entfernt ist. Und um die Kreativität und kreativitätsfördernde Bedingungen ist es in unserer Zeit nicht überall gut bestellt.

Der leibhaftige Mensch

Der veraltet wirkende Begriff der Leiblichkeit bringt am besten zum Ausdruck, daß der Mensch nicht einen Körper hat, sondern eine Leib-Seele-Geist-Einheit ist. Er kann fühlen, denken und handeln, er kann wahrnehmen, sich ausdrücken und sich erinnern, er kann kreative Leistungen vollbringen und diese auch bewerten, und er kann Kontakte aufnehmen und Begegnungen und Beziehungen mit anderen Menschen gestalten und pflegen. All dies ist gebunden an seine leibliche Existenz. Deshalb ist die Beachtung der Leiblichkeit des Menschen Voraussetzung jeglicher Arbeit mit Menschen, und gleichzeitig muß jede fördernde oder heilende Arbeit darauf abzielen, einen Menschen »leibhaftig« zu bilden, und zwar so, daß der ganze Mensch erreicht wird und etwas »am Leibe haften« bleibt.

Immer wieder besteht die Gefahr, daß der Mensch verkürzt verstanden und behandelt wird, daß einseitig auf besondere Behinderungen oder Begabungen geachtet wird, daß man ihn als »Arbeitsmaschine« und »Fleißbiene«, die »funktionieren« muß, versteht oder als »pleasure maschine«, die mit Vergnügen und Konsum befriedigt werden muß oder als Computer oder »Denkmaschine«, die mit möglichst viel Wissen gespeichert werden sollte. Hinter all diesen Ansichten verbirgt sich ein dysfunktionales und letztlich schädigendes Menschenbild, welches das Wesen des Menschen verkennt, den Menschen fragmentarisiert und zu seiner Entfremdung von sich selbst beiträgt. Neben aller Spezialisierung ist es immer erforderlich, im Hintergrund um die Ganzheit des Menschen zu wissen und diese in Differenzierungs- und Integrationsprozessen und kreativen Handlungen zu erhalten oder anzustreben. Besonders »körperorientiertes« Musizieren kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.

2. Pädagogische Dimensionen elementaren Musizierens

Zwischen den anthropologischen Dimensionen und den daraus abgeleiteten übergeordneten Globalzielen und der theoriegeleiteten Praxis stehen die pädagogischen Dimensionen elementaren Musizierens. Sie stellen das Bindeglied zwischen Metatheorie (Anthropologie) und konkreter Praxis dar.

Der Begriff des Elementaren beschreibt auf dieser mittleren Ebene besondere pädagogische Prinzipien und Situationen, die einen Menschen in seinem ganzen Wesen berühren und in seiner körperlichen, seelischen und geistigen Existenz »erschüttern«. Solche Erfahrungen, die in der Pädagogik unter verschiedenen Namen beschrieben wurden (z. B. als »elementares Ereignis«, als »Aha-Erlebnis« oder als »peak experience«), verändern einen Menschen. Sie tragen wesentlich zur Entfaltung der Persönlichkeit bei und können die Liebe zur Musik wecken und nachhaltig verstärken. Derartige Ereignisse lassen sich nicht planen. Sie sind besondere Momente, die durch geeignete Bedingungen und Maßnahmen bestenfalls begünstigt werden können. Solche Bedingungen - man könnte sie auch pädagogische Prinzipien elementaren Musizierens nennen - werden im folgenden beschrieben.

Spielerische Atmosphäre

Eine angstfreie, wohlwollende Atmosphäre, in der die natürliche Neugier und der in jedem Menschen vorhandene Spieltrieb hervorgelockt werden kann, begünstigt »elementare pädagogische Ereignisse«. Dabei sind zwischenmenschliche Kontakte und Begegnungen geprägt von Aufmerksamkeit, Sorgsamkeit und Wertschätzung. Zeitdruck, Enge und angsterzeugender Leistungsdruck oder Rivalität sowie autokratischer Unterrichtsstil und Benotung zerstören die spielerische Atmosphäre. Zeit und Raum müssen bereitgestellt und in einer förderlichen Qualität erlebbar werden.

Vom Leibe ausgehen

Orientierungspunkt dieses pädagogischen Prinzips ist das Wissen um die Ganzheitlichkeit des Menschen. Es ist Ausgangspunkt und Zielorientierung jeder »leibhaftigen Bildung« des Menschen. Er soll in allen seinen Dimensionen, der körperlichen, geistigen und seelischen, angesprochen, gefördert und entfaltet werden. Vom Leibe ausgehen hat eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte, die aus den unterschiedlichen Dimensionen der Leiblichkeit resultieren.

  • Sinnlich musizieren:

Die Musik, Musizieren und die Verwendung unterschiedlicher Instrumente sollen alle Sinne anregen. Auch die Sinne selbst werden zum Ausgangspunkt für das elementare Musizieren genommen. Sinnliches Musizieren fördert die Wahrnehmung und den Ausdruck, belebt die Sinnlichkeit und die Intuition und bringt innere Quellen ins Fließen.

  • Körperorientiertes Musizieren:

Der Körper wird mit seinen klanglichen Möglichkeiten zum Ausgangspunkt des Musizierens genommen; körpereigene Instrumente (Klanggesten und Stimme) werden erkundet und Spielbewegungen gespürt, beobachtet und differenziert. Koordination und rhythmisches Erleben lassen sich fördern durch Spiele und Bewegungslieder. Die Einheit von Musik und Bewegung wird erlebbar und im gemeinsamen kreativen Gestalten deutlich.

  • Improvisieren vom Leibe aus:

Gefühle und Stimmungen, die im Leibe gespürt werden, sowie innere Bilder und Erinnerungen, die in der Phantasie generiert werden können oder im Leibgedächtnis »archiviert« sind, werden zum Ausgangspunkt für musikalische oder tänzerische Improvisationen genommen. Wenn im nachhinein die Eindrücke, Erfahrungen, Gedanken und Erkenntnisse in Worte gefaßt und mit anderen ausgetauscht werden, dient das der Förderung geistig-kommunikativer Fähigkeiten und der Entwicklung einer differenzierten Sprache, in der auch Gefühle und Empfindungen ausgedrückt werden können.

Finden und Erfinden

Kreativität kennzeichnet das elementare Musizieren und ist ihr tragendes Prinzip. Immer geht es darum, in der Auseinandersetzung mit dem Material und den Aufgaben die Freude am entdeckenden Lernen zu erhalten, weiterzuentwickeln und gleichzeitig Phantasie, Spontaneität, Lebendigkeit und damit die gesamte Persönlichkeit zu fördern. Deshalb hat das Finden und Erfinden, haben Experiment, Produktion und Improvisation herausragenden Wert. Kreativität soll alle Ebenen des elementaren Musizierens, den Bereich der Inhalte ebenso wie den Bereich der Methoden, beleben.

Aktiv und selbständig

Selber-Machen und eigenverantwortliches Handeln sind bedeutsame Prinzipien und der wirkungsvollste Weg kreativer und effektiver Pädagogik. Eigenverantwortlichkeit und Selbsttätigkeit garantieren eine hohe Motivation am Lernen und erhalten die Freude am entdeckenden Lernen. Wesentliche Dinge werden mit Kopf, Herz und Hand »begriffen«, und gleichzeitig wird das Selbstvertrauen gestärkt. Diese Erfahrungen wirken sich im ganzen Leben vorteilhaft aus. Beim elementaren Musizieren kann viel aktiv entdeckt und selbsttätig gestaltet werden.

Voraussetzungslos

Elementares Musizieren bedarf der Voraussetzungslosigkeit. Spezielle musikalische Kenntnisse (z. B. Notenkenntnisse, spieltechnische oder sängerische Fähigkeiten) dürfen nicht zwingend vorausgesezt, sollten - soweit vorhanden - jedoch angemessen einbezogen werden. Da es primär nicht um die Reproduktion oder das Verstehen »schöner Musik« geht, sondern um das »Spielmaterial« Musik, das mit all seinen Erscheinungsformen durch aktive und kreative Gestaltungsprozesse immer besser »begriffen« wird, können die individuellen Erfahrungen, Kompetenzen, Interessen und Wünsche der jeweils Beteiligten differenziert eingebunden und gefördert werden.

Miteinander

Das Prinzip der Voraussetzungslosigkeit macht es möglich, daß Menschen mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Fertigkeiten zusammen kreativ musizieren können. Der Blick ist nicht primär auf besser oder schlechter, auf Defizite oder »Defekte«, sondern auf vorhandene oder noch entwickelbare schöpferische Potentiale und individuelle Dispositionen gerichtet und auf die Möglichkeiten, damit gemeinsam »ins Spiel zu kommen«. Heterogene Gruppen aller Art (Schulklassen, integrative Gruppen, Gruppen mit Teilnehmern unterschiedlichen Alters) stellen besonders günstige Bedingungen dar, gemeinsam zu spielen, zu improvisieren und Musik zu erleben und auf allen Ebenen des Seins miteinander und voneinander zu lernen.

Ein Leben lang

Elementares Musizieren ist nicht auf ein spezielles Alter begrenzt. Menschen sind lebenslang bildungsfähig, schöpferisch und neugierig und haben das Bedürfnis, zusammen mit anderen aktiv und kreativ zu sein. Die neuesten Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie und verschiedene Konzepte lebenslangen Lernens (»life-long learning concept« und »éducation permanente«) bieten geeignete Referenztheorien für das elementare Musizieren.

3. Hinweis bezüglich der sachlich-inhaltlichen Dimension elementaren Musizierens

Die anthropologischen Grundkonstanten Leiblichkeit, Bezogenheit und Kreativität bilden die Leitlinien für eine theoriebegleitete Praxis elementaren Musizierens. Konzepte lebenslangen Lernens und die Prinzipien der Differenzierung und Integration sowie der Voraussetzungslosigkeit bestimmen den engeren Rahmen. Die Verbindung von Musik, Sprache und Bewegung weisen inhaltliche Schwerpunkte auf. In bezug zu diesen bestimmenden Faktoren sind die konkreten Inhalte und Themen des elementaren Musizierens auszurichten und zu entwickeln bzw. zu überprüfen.

An dieser Stelle möchte ich jedoch nicht meine Inhalte darstellen oder Modelle anbieten. Elementares Musizieren verlangt nach offenen Inhalten, variablen Themen und flexiblen Wegen, die einerseits der jeweiligen Situation und Gruppe und andererseits den besonderen Erfahrungen und Kompetenzen der Leitungspersonen angepaßt sein sollen. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang gar nicht nützlich, nach neuen Liedern, Tänzen, Spielen und neuem methodischen »Zauber« zu suchen. Sinnvoll und wirkungsvoll ist es jedoch, immer wieder mal die (bewußten oder unbewußten) persönlichen oder institutionellen Hintergrund-Konzepte zu überprüfen. Meine Erfahrung hat gezeigt, daß sich dadurch - auch bei gleichbleibenden Inhalten und Themen - die Substanz und Qualität der Arbeit und die Befriedigung der Beteiligten beträchtlich verändern kann.

Peter Cubasch

unterrichtet am Orff-Institut der Universität »Mozarteum« für Musik und darstellende Kunst, Salzburg; Musik-, Atem- und Bewegungstherapeut in eigener Praxis; Leiter des Bodensee-Institut Bregenz für integrative Pädagogik und kreative Therapie.

Summary

Elemental Music-Making and the Human Being

Very often music teachers look for new songs, dances, rhymes and methods in order to get positive impulses for their practical work. But will the effect and the quality really improve unless you think about the compatability of materials, methods and aims? Other considerations concern the theoretical foundations of what you personally want to achieve and what the institution you are working in expects of you.

The term Elemental Music Making (in German "Elementares Musizieren") is hard to translate. It means an active and creative way of making music, movement and speech with people of all ages and different abilities. It is based on three fundamental dimensions which are subsumed in the word "elemental". These are:

  • anthropological dimensions

  • pedagogical dimensions

  • dimensions of contents/themes

The anthropological dimensions are fundamental and extremely significant for everyday practical work. For all kinds of work with people (pedagogy, therapy, psychology, art, medicine ...) it is necessary to explain the ideas of what a human being is or what he/she is supposed to be. This is also true for "Elemental Music Making"

  • a human being is intentional and related to the people and the world around him/her

  • a human being is a whole person, an undividable body-soul-spirit unity

  • a human being is creative, responsibly forming his own life and the world.

These fundamental human characteristics are the guide-lines for "Elemental Music Making" and bring special ways and qualities of teaching that have important pedagogical principles:

  • a respectful and warm atmosphere in the "classroom" (no fear, no stress, no disturbing competitivness)

  • noticing, supporting and developing positive forms of communication and interaction

  • starting from and developing the person's body (his/her senses, feelings, movements, memories, imagination and expression)

  • space for (co-)creativity, experimenation and improvisiation (which might lead to peak-experiences)

  • no prerequisites: people of different ages and with a large spectrum of abilities and disabilities can participate in mixed groups, experience and improvise music, movement and speech with other people as well as develop their individual abilities.

Sometimes it is not necessary to look for new repertoire. You may go on using the same "old" songs, rhymes and dances. But if you think about anthropological basics and the pedagogical principles the quality of your work, the joy and the satisfaction of all those participating in "Elemental Music Making" might change.

Peter Cubasch

Teaches at the Orff-Institute, University of Music and performing Art "Mozarteum", Salzburg. Free lance music and movement therapist, director of the "Bodensee-Institut Bregenz" for Integrative Pedagogy and Creative Therapy

Herausgegeben:

Hochschule für Musik und Darstellende Kunst "Mozarteum" in Salzburg, "Orff-Institut" und Orff-Schulwerk Forum Salzburg;

Frohnburgweg 55, A-5020 Salzburg

Schriftleitung: Barbara Haselbach

Quelle:

Peter Cubasch: Elementares Musizieren oder Leibhaftige Bildung mit Musik und Bewegung

Erschienen in: Orff-Schulwerk-Informationen, Nr. 62, Sommer 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 08.03.2006

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