Empowerment in der ambulanten Behindertenarbeit

Eine qualitativ-empirische Untersuchung von Beratungsformen für Menschen mit Behinderung

Autor:in - Katharina Contag
Textsorte: Diplomarbeit
Releaseinfo: Diplomarbeit vorgelegt bei Prof. Dr. Norbert Herriger und Prof. Dr. Heike Ehrig; vorgelegt von Katharina Contag an der Fachhochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, Studiengang Sozialpädagogik
Copyright: © Katharina Contag 2009

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

a.a.O.

am angegebenen Ort

ABM

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme

BBW

Berufsbildungswerk

BeWo

Betreutes Wohnen

BSHG

Bundessozialhilfegesetz

FED

Familienentlastender Dienst

f

folgende Zeile

ff

folgende Zeilen

ICF

Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit)

IHP

Individueller Hilfeplan

ISL

Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben

KoKoBe

Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstelle

LVR

Landschaftsverband Rheinland

MS

Multiple Sklerose

o.J.

ohne Jahr

ÖPNV

Öffentlicher Personennahverkehr

SGB

Sozialgesetzbuch

WfB/WfbM

Werkstatt für behinderte Menschen

Zn

Zeilennummer

ZsL

Zentrum für selbstbestimmtes Leben

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Interviewpartner/innen

Einleitung

"Empowerment is a powerful idea and its time has come!" Lee. H. Staples (1990)

Das Empowerment gilt als klassisches Handlungskonzept einer zeitgemäßen Behindertenarbeit. Es steht für eine Grundhaltung, den aktuellen Paradigmen Selbstbestimmung und Inklusion entsprechend. Obwohl das Konzept als maßgeblich in der Behindertenarbeit gilt, stellt sich die Frage, inwiefern es konkret zum Einsatz kommt. Nahm das Empowerment seinen Ausgang in der Selbstermächtigung benachteiligter Gruppen innerhalb der Gesellschaft, so ist es mittlerweile auch ein viel besprochenes Konzept eines wissenschaftlichen Diskurses und als Schlagwort Repräsentant für eine zeitgemäße Soziale Arbeit. Zum einen spiegelt sich das Konzept in den vehementen Forderungen behinderter Menschen nach Selbstbestimmung und Teilhabe wieder. Zum anderen entspricht es einer professionellen Haltung, welche sich eben diesen Ansprüchen von Menschen mit Behinderung gegenüber verpflichtet sieht, ganz im Sinne des sich seit zwei Jahrzehnten vollziehenden Paradigmenwechsels in der Behindertenarbeit. Folglich speist sich die Motivation, das Konzept anzuwenden, aus zwei unterschiedlichen Positionen. Zwar ist das erklärte Ziel das Selbe, eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilnahme der Menschen mit Behinderung. Doch während Menschen mit Behinderung dieses Recht einfordern, ist es fraglich, in welchem Umfang eine professionelle Haltung die praktische Arbeit leitet, dieses Ziel zu erreichen. So erfordert eine stringente Umsetzung des Konzepts als Konsequenz nicht nur eine Deinstitutionalisierung und Regionalisierung der Unterstützungsangebote für Menschen (insbesondere mit einer geistigen) Behinderung, sondern auch eine Neudefinition des professionellen Selbstverständnisses in der Sozialen Arbeit. In Anbetracht einer nach wie vor geprägten Institutionalisierung der Behindertenhilfe, welche eine Integration und somit Inklusion als erklärte Ziele der aktuellen Behindertenarbeit deutlich erschwert, ist fraglich, inwiefern das Empowerment-Konzept nicht nur für eine ideelle Grundhaltung steht. Zwar ist ein grundlegender Strukturwandel in der Behindertenarbeit zu verzeichnen, welcher viele Möglichkeiten schafft, das Empowerment-Konzept zielführend einzusetzen. Doch gilt auch zu beachten, dass aufgrund des Ökonomisierungsdrucks und knapper werdender öffentlicher Gelder das Empowerment-Konzept Gefahr läuft, Instrument für Einsparungen zu Ungunsten der Lebensqualität behinderter Menschen zu werden.

Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag zu einer Positionierung des Empowerment-Konzepts innerhalb der ambulanten Behindertenarbeit. Anhand der Befragung von Mitarbeiter/innen von Koordinierungs-, Kontakt-und Beratungsstellen (KoKoBe) und Zentren für selbstbestimmtes Leben (ZsL) unter dem Aspekt, inwiefern nach den Prinzipien des Konzepts gearbeitet wird, wird zugleich einer Annäherung an das Konzept aus professioneller (KoKoBe) und selbstbetroffener (ZsL) Sicht gerecht. Zudem kann diese Untersuchung auch vergleichend betrachtet werden, inwiefern eine Selbstbetroffenheit und/oder Professionalität die Anwendung des Konzepts interpretiert. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgestellt, außerdem, in welcher Hinsicht beide Beratungsformen voneinander profitieren können, beispielsweise im Sinne einer professionellen Selbstbetroffenheit.

Der inhaltliche Aufbau gestaltet sich wie folgt:

Im ersten Teil der Arbeit werden theoretische Grundlagen dargestellt. Der Themenbereich Behinderung beinhaltet eine Begriffsbestimmung, den Versuch einer Skizzierung des derzeitigen Stands des Paradigmenwechsels und eine kurze Übersicht der aktuellen Behindertenarbeit. Die anschließende Darstellung des Empowerment-Konzepts erfolgt zuerst über eine begriffliche und definitorische Annäherung. Darauffolgend wird die "erlernte Hilflosigkeit" nach Seligman als Ausgangspunkt für Empowerment umrissen. Anhand des Menschenbilds, der professionellen Grundhaltung und den Zieldefinitionen des Empowerment-Konzepts werden Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis aufgezeigt. Der Themenbereich "Beratung" zeigt Aspekte der Beratung für Menschen mit Behinderung auf. Hier werden sowohl die Ansätze einer professionellen als auch einer selbstbetroffenen Beratung im Sinne des Peer-Counseling-Ansatzes vorgestellt. Im Anschluss werden die untersuchten Beratungsformen vorgestellt.

Der zweite Teil besteht aus der Darstellung der angewandten Forschungsmethode, welche die Entwicklung und Reflexion des Interviewleitfadens, die Definition der Suchkriterien für die Interviewpartner/innen, die Methodik und Reflexion der Interviewführung und Grenzen der Auswertung enthält.

Die Darstellung und theoriegeleitete Interpretation der Interviewergebnisse stellt den Hauptteil der Arbeit dar. Die nach Schlüsselkonzepten gegliederte Auswertung erfasst zuerst das alltagsbezogene Berufswissen der Interviewpartner/innen und lässt Aussagen zum zugrundeliegenden Menschenbild zu. Anhand der Darstellung der Methoden der psychosozialen Praxis werden Erkenntnisse über die Anwendung des Konzepts gewonnen. Darauf werden Hindernisse und Einschränkungen in der Umsetzung aufgezeigt, auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene dargestellt. Den Schluss des empirischen Teils bildet die Frage nach der Funktion der Beratungsstellen innerhalb der Behindertenarbeit. Hier wird aufgezeigt, inwiefern sich eine neue Qualität, hergestellt durch die Beratungsformen, herausbildet. Während der Auswertung ergaben sich regelmäßig Unterschiede aufgrund der jeweiligen Beratungsformen. Diese Unterschiede werden zum einen in den einzelnen Kategorien der Schlüsselkonzepte selbst aufgezeigt, zum anderen werden sie in den jeweiligen Zusammenfassungen der Schlüsselkonzepte herausgestellt. Der Schlussteil beinhaltet eine abschließende Auswertung über die Anwendung des Empowerment-Konzepts. Die sich aus dem empirischen Teil ergebende Kritik und Perspektiven thematisieren zum einen Defizite in der Verwendung des Konzepts, zum anderen werden weitere mögliche Anwendungsgebiete aufgezeigt.

In der gesamten Arbeit wird die Bezeichnung "Menschen mit einer geistigen Behinderung" benutzt. Die Verwendung dieser Bezeichnung ist von den Betroffenen nicht erwünscht, sie setzen sich stattdessen für die Bezeichnung "Mensch mit Lernschwierigkeiten" ein, da sie die vorgegebene Behinderung ihres Geistes berechtigterweise als diskriminierend empfinden. Die Verwendung der Bezeichnung "geistige Behinderung" erfolgt lediglich aus dem Grund, dass es sich hierbei um einen offiziell verwendeten Begriff handelt. Trotzdem ist von dieser Bezeichnung, ähnlich wie von der Bezeichnung "seelische Behinderung", Abstand zu nehmen. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf die aktuelle Unterschriftenaktion von "Menschen zuerst" (http://www.people1.de/umfrage.php) verwiesen, welche zum Zweck hat, die Verwendung des Begriffs "Mensch mit Lernschwierigkeiten" durchzusetzen.

1. Behinderung

1.1 Begriffsbestimmung "Behinderung"

Die Versuche einer Annäherung an den Behinderungsbegriff erfolgen über vier Definitionen:

a) SGB IX:

§ 2 Behinderung

  1. Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

(SGB IX, 2007)

b) UN-Konvention Artikel 1: Zweck

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.

(Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2007)

c) "Als körperbehindert wird eine Person bezeichnet, die infolge einer Schädigung des Stütz-und Bewegungssystems, einer anderen organischen Schädigung oder einer chronischen Krankheit so in ihren Verhaltensmöglichkeiten beeinträchtigt ist, dass die Selbstverwirklichung in sozialer Interaktion erschwert ist."

(Leyendecker, 2005, S. 21; Hervorhebung im Original).

d) "...wird unter "geistiger Behinderung" gemeinhin eine Erscheinungsform oder Eigenart des Menschlichen verstanden, bei der lebenslang ein erheblicher Rückstand der mentalen (intellektuellen) Entwicklung zu beobachten ist, der sich in aller Regel in unangemessen wirkenden Verhaltensweisen und in vergleichsweise erheblich herabgesetzten Lernleistungen auf schulischem, sprachlichem, körperlichem und sozialem Gebiet manifestiert, so dass die eigene Lebensführung in erheblichem Maße auf Hilfe angewiesen ist."

(Speck, 2005, S. 46; Hervorhebung im Original)

Allen Definitionen oder Annäherungen an die Begrifflichkeit "Behinderung" ist gemeinsam, dass die körperliche Beeinträchtigung, mentale Funktionen inbegriffen (ICF, 2005,

S. 17), und die Interaktion mit der Umwelt thematisiert werden. Im Folgenden findet die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Behinderung schwerpunktmäßig in Bezug auf die "geistige Behinderung" statt, wobei sich die Äußerungen im weiteren Sinne sicherlich allgemein auf die Bedeutung des Behinderungsbegriffs übertragen lassen. Laut Fornefeld gibt es aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven für den Begriff "Behinderung" keine allgemein anerkannte Definition, sondern lediglich Übereinstimmung, "dass ‚Behinderung' als medizinischer, psychologischer, pädagogischer, soziologischer sowie als bildungsund sozialpolitischer Terminus gebraucht wird" (Fornefeld, 2008b, S. 59). Der Begriff "Behinderung" wird in Bezug auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen etwa als "rechtlich verankerter Zuteilungsbegriff" (Speck, 2008, S. 194) verstanden. Allgemein wird an der Annäherung an den Begriff kritisiert, dass die Sichtweise medizinisch und defektorientiert dominiert ist (Speck, 2008, S. 237ff). Die defizitbezogenen und stigmatisierenden Aspekte werden unter anderem von Speck diskutiert (vgl. Speck, 2005, S. 49ff). In diesem Zusammenhang bemerkt Fornefeld kritisch: "[...] Klassifikationen sind Instrumentarien zur Regulierung des Alltags der Behindertenversorgung. Sie transportieren das Menschenbild einer Zeit, sind norm-und interessengeleitet. [...] Würde man die verschiedenen Definitionen und Sichtweisen von Behinderung zusammensetzen, entstünde kein vollständiges Bild vom Menschen mit Behinderung. [...] Der Mensch ist in seiner Behinderung nicht fassbar" (Fornefeld, 2008b, S. 62). Daraus ergibt sich die Frage, inwiefern Definitionen oder Kategorien, abgesehen von der Ermittlung eines Unterstützungsbedarfs, sinnvoll sind. Aufgrund der stigmatisierenden Wirkung der Begrifflichkeiten wird teilweise auch ein völliger Verzicht gefordert (Cloerkes, 2007, S. 8). Um einen Bezug zur Fragestellung herzustellen, wird der Begriff aus soziologischer Perspektive beleuchtet und aufgezeigt, was "Behinderung" als sozialtheoretische Kategorie bedeutet. Laut Cloerkes (2007) kann Behinderung als "Ergebnis eines sozialen Bewertungs-oder Abwertungsprozesses" (a.a.O., S. 7) bezeichnet werden. Er leitet daraus ab, dass einer Behinderung ein allgemein negativer Wert zugeschrieben wird, eine unerwünschte Abweichung von wie auch immer definierten Erwartungen vorliegt und die soziale Reaktion darauf negativ ist (a.a.O., S. 8), was bedeutet, dass Behinderung einer Relativität unterliegt. Die Relativität bedingt sich nach Cloerkes (a.a.O., S. 9-10) aufgrund folgender Zusammenhänge:

Zeitliche Dimension: Die Lernbehinderung ist beispielsweise zeitlich begrenzt, da sie sich auf die Dauer der Schulpflicht beschränkt. Trotzdem können über diese Zeit hinaus stigmatisierende Konsequenzen aufgrund des Behindertenstatus erfolgen.

Subjektive Auseinandersetzung: Der Ausmaß der Behinderung ist nicht entscheidend, von Bedeutung ist lediglich, inwiefern die Schädigung individuell bewertet wird.

Verschiedene Lebensbereiche und Lebenssituationen: Die Behinderung kann unterschiedliche Auswirkungen haben. Da der Behinderungsbegriff auf die gesellschaftlichen Leistungsprinzipien ausgerichtet ist und insbesondere auf das Arbeitsleben bezogen wird. Dies bedeutet, dass eine berufsbezogene Behinderung zwar als gravierend erlebt werden kann, andere Lebensbereiche deswegen aber nicht zwangsläufig ebenso eingeschränkt wahrgenommen werden müssen.

(Kulturspezifische) soziale Reaktion: Die soziale Reaktion bestimmt, ob eine Behinderung vorliegt, oder nicht. Während die (pathologische) weibliche Unfruchtbarkeit generell als körperliche Behinderung angesehen wird, fällt als Vergleich dazu auf, dass in Deutschland aufgrund der spezifischen kulturellen Ausrichtung der -weltweit verbreitete Analphabetismus als Lernbehinderung gewertet wird.

Die Behinderung als sozialtheoretische Kategorie bezieht sich auf eine komplexe Interaktion, bestehend aus dem Auslöser, der sozialen Umwelt und dem Selbst (Speck, 2008, S. 233) und ist aus der Kriminalsoziologie übernommen (Bleidick, 2006, S. 205). Als Auslöser wird die Behinderung im weiteren Sinne bezeichnet, indem sie als "eine irgendwie auffallende Abweichung vom Üblichen oder Erwarteten" (Speck, 2008, S.233) bewertet wird, welche durch die soziale Umwelt kategorisiert und generalisiert wird. Definiert wird die Abweichung anhand geltender Normen und kontrollierenden Instanzen (a.a.O., S. 234). Das Selbst erfährt sich aufgrund der Zuschreibung als unmittelbar Betroffener und kann die Kategorisierung und Definition auf sich selbst anwenden, was als Konsequenz bedeuten kann, sich so zu verhalten, wie es von der Umwelt erwartet wird. Oder, wie Speck erläutert: "Der geistig behinderte Mensch, dem man früher kaum Selbstreflexion und Autonomie zuschrieb, ist nicht einfach ein Reaktionsbündel. Seine Handlungsweise kann sich auch als klare Abwehr gegen vorherrschende Reaktionsweisen seiner Umwelt erweisen" (a.a.O., S. 235).

In der sozialen Dimension des Begriffs ist auch die Komponente der Veränderbarkeit enthalten. Zum einen über die sozialen Einstellungen: In Abhängigkeit von bestimmten Einstellungen in der Umwelt wird das, was unter einer geistigen Behinderung verstanden wird, mit Inhalten gefüllt, die in der Umwelt bestimmend sind (Speck, 2005, S. 48). Zum anderen ist die individuelle Ausprägung einer geistigen Behinderung von sozialen Einflüssen abhängig. So bedingt die Qualität der sozialen Annahme folglich das Wesen der geistigen Behinderung (a.a.O.).

1.2 Der Paradigmenwechsel und der Behinderungsbegriff in der aktuellen Behindertenpädagogik

Seit bereits 20 Jahren ist in der Behindertenarbeit von einem Paradigmenwechsel die Rede (Fornefeld, 2008c, S. 15): Als Paradigma wird ein Komplex zusammenhängender Annahmen und Regeln bezeichnet (Speck, 2008, S. 30). Konkret und zusammengefasst beschreibt dieser Paradigmenwechsel die Abkehr von einer Wahrnehmung und Behandlung des Menschen mit Behinderung als Hilfeempfänger fremdbestimmter Versorgung (Fornefeld, 2008c, S. 15). Der Reformprozess der Pädagogik und Rehabilitation von Menschen mit Behinderung im Hinblick auf die Veränderungen institutioneller Hilfen, Leitgedanken und Menschenbildern seit dem Ende des zweiten Weltkriegs, stellt sich wie folgt dar (Fornefeld, 2008c, S. 16):

  • -1946-1960er Jahre: Verwahrung; Separation, Leben in Anstalten und Psychiatrien; medizinisch-kuratives Menschenbild

  • -1960-1990er Jahre: Förderung; Sondereinrichtungen und Enthospitalisierung; pädagogisch-optimistisches Menschenbild

  • -Ab Mitte 1990er Jahre: Begleitung, Assistenz; Deinstitutionalisierung und offene Hilfen; integrierendes-akzeptierendes Menschenbild.

Zusätzlich sind die Veränderungen ab dem zweiten Zeitabschnitt geprägt von der Normalisierung, welche Selbstbestimmung und Hinwendung zum Empowerment-Konzept beinhaltet, als auch der Integration mit der Weiterentwicklung zu Inklusion und Teilhabe (a.a.O.). Der letzte Sachverhalt wird bei der Beschreibung der einzelnen Paradigmen detaillierter erläutert.

Als aktuelle Paradigmen beziehungsweise Leitgedanken der Behindertenarbeit können also die Normalisierung, die Selbstbestimmung, Integration/Inklusion, Teilhabe und das Empowerment (a.a.O., S. 15) beschrieben werden. Laut Speck ist kein eindeutig neues Paradigma anstelle des vorangegangenen gerückt, vielmehr ist ein Paradigma-Pluralismus zu verzeichnen, welcher sich zu einem ökologischen Modell zusammenführen lässt, ein "Denkansatz [...], der auch die Zusammenhänge verschiedener Einzelmodelle, also ihre Vereinbarkeit unter wissenschaftlichem Aspekt, ins Gesichtsfeld rückt" (Speck, 2008, S. 30). Inwiefern sich der Paradigmenwechsel tatsächlich vollzogen hat ist strittig. Beispielsweise habe sich kein Paradigmenwechsel von der Sonder-zur Integrationspädagogik vollzogen (Markowetz, 2007a, S. 238) und die sehr häufige Verwendung der Begrifflichkeiten von Paradigma und Paradigmenwechsel deute darauf hin, "dass es sich gegenwärtig mehr um oberflächliche Umgehensweisen mit dem Dilemma handelt, als um Versuche zu seiner Überwindung" (a.a.O.). Übertragen auf die Praxis stellt Theunissen fest, dass ein Festhalten am Fürsorgemodell weiter besteht und Specks Lebensweltbezogenes Modell mitunter wenig Beachtung findet (Theunissen, 2009, S. 14). Als letzter Aspekt wird angeführt, dass der Paradigmenwechsel nicht nur bedeutet, eine professionelle Haltung neu zu definieren, sondern zugleich "die Neustrukturierung von Werten und der Kultur des gesellschaftlichen Miteinanders" (Aselmeier, 2008, S. 53) beinhaltet. Dieser Aspekt entspricht der Forderung von Dörner nach einem Wechsel von einem profizentrischen zu einem bürgerzentrischen Paradigma (Dörner, 2006, S. 99).

Die einzelnen Leitgedanken des sich vollziehenden Paradigmenwechsels werden nun detaillierter erläutert. Das Empowerment-Konzept wird an dieser Stelle nicht erwähnt, eine ausführliche Darstellung erfolgt in Kapitel 2 und 7.

Normalisierung: Die Normalisierung gründet auf den Leitgedanken des Normalisierungsprinzips, welches von Bank-Mikkelsen (Dänemark) und Nirje (Schweden) ab Ende der 1950er Jahre entworfen und ausgearbeitet wurde und richtet sich gegen die Verwahrung und Separation von Menschen mit Behinderung. Die Ausgangspunkte der Normalisierung sind folgende: Menschen mit Behinderung haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die "Normalbevölkerung" (Rechtsgleichheit), sie sind mit ihrer Behinderung anerkannt und gleichgestellt (Bürgerstatus und Akzeptanz) und sie haben ein dem Ausprägungsgrad der Behinderung angemessenes Recht auf Behandlung, Unterstützung, Unterricht und Ausbildung, um eine optimale Entwicklung zu gewährleisten (Modifikation der Gleichbehandlung). Dies bedeutete als Konsequenz die Normalisierung der Lebensbedingungen (Wohnen, Arbeit und Freizeit) und die Normalisierung der Verwaltung (Pitsch, 2006, S. 224ff). Obwohl das Normalisierungsprinzip als Reformimpuls die Behindertenarbeit der vergangenen Jahrzehnte nachhaltig verändert hat, wurden einige Punkte kritisiert (vgl. a.a.O., S. 232). Laut Theunissen (2009, S. 373) wurde das Normalisierungsprinzip nicht konsequent umgesetzt. Zudem wird beispielsweise der Vorwurf formuliert, der Mensch mit Behinderung habe sich an den Verhältnissen des Mittelschichtstandards zu orientieren, wobei Pitsch die Gegenfrage stellt, welche alternativen Verhältnisse als Orientierung dienen können (a.a.O., S. 232), zudem drohe die Gefahr einer Normierung des Lebensalltags der Menschen mit Behinderung. Eine weiterhin existierende Einschränkung der Normalisierung erfolgt durch die weitere Aufrechterhaltung von Großeinrichtungen, welche die Baukosten ihrer Großkomplexe zu refinanzieren wünschen. Beachtlich ist in dieser Hinsicht, dass die überörtlichen Sozialhilfeträger Vorgaben formulieren, denen zufolge ein gewisser Prozentsatz stationärer Wohnplätze abgebaut werden muss (vgl. Daun, 2008, S. 3).

Selbstbestimmung: bedeutet die Unabhängigkeit von Fremdbestimmung in psycho-physischer, biologischer, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht (Speck, 2007b, S. 300). Bezogen auf die Behindertenarbeit stellt dieser Wert einen zentralen Begriff dar, da er Menschen mit Behinderung lange Zeit vorenthalten wurde (Kulig & Theunissen, 2006, S. 237). Dem Wortteil "Bestimmung" kommen hierbei zwei Bedeutungsebenen zu. Einerseits das Erkennen oder Klassifizieren, andererseits die Macht, die man über etwas haben kann (a.a.O., S. 238). Selbstbestimmung im pädagogischen Sinn bezieht sich auf "Einstellungen und Fähigkeiten, die für ein Individuum nötig sind, um als primär kausaler Agent [primary causal agent] das eigene Leben zu gestalten und in Bezug auf die eigene Lebensqualität frei von allen unnötigen, übermäßigen externen Einflüssen, Einmischungen oder Beeinträchtigungen eine Auswahl von Dingen und Entscheidungen zu treffen" (Wehmeyer, 1992 zit. in Theunissen, 2009, S. 42). Folglich ist die Selbstbestimmung in einem normativen Sinn zu verstehen, als Leitidee eines anzustrebenden Zieles und eines lebenslangen Entwicklungsziels (Theunissen & Kulig, 2006, S. 240-241). Gekennzeichnet wird die Selbstbestimmung in diesem Zusammenhang durch die freie Entscheidung und Handlung, die Selbstartikulation und die Fähigkeit, eigene Ziele zu formulieren (a.a.O., S. 241). Zudem ist von einer Unbestimmtheit des Selbstbestimmungsbegriffs auszugehen (Speck, 2001, zit. in Theunissen, 2009, S. 42) und Selbstbestimmung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich rechtfertigt und somit an soziale Normen und Beschränkungen gebunden ist (a.a.O., S, 46).

Integration/Inklusion: Unter dem Schlagwort Integration, welches seit Jahren in der Behindertenarbeit sehr präsent ist, finden sich viele Interpretationsansätze, -ebenen und -dimensionen und weitere Elemente, die als handlungsleitend für die pädagogische Praxis angesehen werden können, etwa die den schulischen Bereich betreffenden Ausführungen zur Integration (vgl. Hinz, 2006, S. 251ff; Markowetz, 2007a, S. 211). Als Ausgangslage für die vorliegende Zusammenfassung dient die Interpretation von Markowetz: "[...] dass behinderte Menschen unabhängig von Art und Schweregrad ihrer Behinderung in allen Lebensbereichen grundsätzlich die gleichen Zutritts-und Teilhabechancen haben sollen wie nichtbehinderte Menschen" (a.a.O., S. 212), und zwar bezogen auf alle Lebensbereiche, im Sinne einer sozialen Integration (Speck, 2008, S. 406). Integration wird zugleich als Weg und Ziel gesehen (Markowetz, 2007a, S. 213). Inklusion (= unmittelbare Dazugehörigkeit) unterscheidet sich von Integration, indem von einem Verständnis von Gesellschaft ausgegangen wird, welches die Forderungen nach Integration im Idealfall überflüssig erscheinen lässt. Das inkludierende Gesellschaftsverständnis umfasst die Individuen und versteht ihre Einzigartigkeit als eine mögliche Daseinsform unter vielen - im Gegensatz zur Integration, welcher eine Separation von Seiten der Gesellschaft vorausgeht (Markowetz, 2007a, S. 223). Nach dem Verständnis der Inklusion wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft und damit das öffentliche Leben dergestalt strukturiert ist (Stichwort Barrierefreiheit), dass sie allen individuellen Bedürfnissen dieser vielschichtigen (und multikulturellen) Gesellschaft gerecht werden. Da eine Auseinandersetzung mit der Thematik "Inklusion" in Deutschland noch nicht sehr weit fortgeschritten ist (Theunissen, 2009, S. 18) besteht die Gefahr, dass die Begriffe "Integration" und "Inklusion" nicht treffscharf gehalten oder schlicht ausgetauscht werden (Markowetz, 2007a, S. 239). Die Integration wird als Vorstufe zur Inklusion angesehen. Nach wie vor sind realexistierende Aussonderungsmechanismen präsent und somit wird die Notwendigkeit der Integration wiederrum erforderlich. (Markowetz, 2007a, S. 223). Doch kann perspektivisch festgehalten werden, dass "trotz der Vorbehalte hinsichtlich Inklusion als "Königsweg" [...] die Weiterentwicklung des integrativen Handelns hin zum inklusiven [...] Denken zu begrüßen" ist (a.a.O.).

Teilhabe/Partizipation: Teilhabe wird als ein Aspekt der Inklusion definiert (Niehoff, 2007b, S. 339). Während die Inklusion sich auf die gesellschaftliche Ebene bezieht, setzt die Teilhabe beziehungsweise Partizipation auf der persönlichen Ebene an und bedeutet, dass Menschen mit Behinderung an Entscheidungsprozessen gleichberechtigt beteiligt werden und Einflussmöglichkeiten haben (Niehoff, 2007c, S. 249). Der Mensch mit Behinderung hat also eine aktive Rolle, mit Rechten und Pflichten, die es wahrzunehmen gilt (Theunissen, 2009, S. 47). Zudem ist die Teilhabe des Menschen mit Behinderung Gegenstand des Neunten Sozialgesetzbuches, unterteilt in die Leistungen der medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, am Leben in der Gemeinschaft sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (vgl. SGB IX, 2007). Für die weiteren Ausführungen wird die Partizipation auf der persönlichen Ebene vorrangig von Bedeutung sein.

Abschließend zur Paradigmendiskussion sei angemerkt, dass die Leitgedanken der Inklusion und des Empowerments zumindest auf fachlicher Ebene die Leitgedanken der Normalisierung und Integration ablösen (Theunissen, 2006e, S. 13). Dies könnte als Konsequenz bedeuten, dass sich das professionelle Selbstverständnis einer Behindertenpädagogik -die Sonder-und Heilpädagogik -wandeln und neu justieren muss und sich die Frage nach der bisher geltenden Leitdisziplin stellt. Theunissen vertritt die Ansicht, dass eine dem Empowerment entsprechende Leitdisziplin die Soziale Arbeit darstellt (Theunissen, 2009, S. 15). Bezogen auf das Empowerment-Konzept stellen die Leitgedanken "Selbstbestimmung", "Partizipation" und "Inklusion" zentrale Bestandteile dar, worauf im folgenden Kapitel eingegangen wird.

1.3 Kurze Darstellung der aktuellen Behindertenarbeit

Die hier aufgeführten Lebensbereiche von Menschen mit Behinderung dienen dazu, einen allgemeinen Überblick über den aktuellen Stand der Behindertenarbeit zu bekommen, um einen Bezugsrahmen für die Relevanz der Aussagen der Interviewpartner/innen zu bieten.

Partnerschaft, Elternschaft: Aufgrund der Tatsache, dass (erwachsene) Menschen mit Behinderung in erster Linie aufgrund ihrer Behinderung wahrgenommen werden und weniger als Mann oder Frau, besteht die Gefahr, dass ihnen ein Recht auf Sexualität abgesprochen wird, was sich auf die partnerschaftliche Ebene auswirkt (Ortland, 2008, S. 89). Eine professionelle Begleitung erfolgt durch sexualpädagogische Bildungsangebote (Stöppler, 2007. S. 250). Die Thematik Elternschaft und Behinderung gestaltet sich sehr schwierig, da die Erziehungskompetenz von Frauen und Männern mit Behinderung lange Zeit grundsätzlich in Frage gestellt wurde (Blochberger, 2008, S. 29). Nachdem dieser Bereich lange Zeit in der Behindertenarbeit keine Beachtung gefunden hat, rückt er zusehends in einen professionellen (und auch gesellschaftlichen) Blickwinkel (a.a.O., S. 31; Sanders, 2007, S. 90).

Familie: Aktuell zeigt sich in Bezug auf die Arbeit mit Familien von Menschen mit Behinderung eine "noch nicht gänzlich überwundene Tendenz, Eltern behinderter Kinder vorrangig im Lichte von Problemen, Hilfebedürftigkeit, Ohnmacht, Mängeln, Schwächen und Inkompetenz wahrzunehmen oder gar zu pathologisieren" (Theunissen, 2009, S. 181). Nachdem Eltern behinderter Kinder lange Zeit keine Möglichkeiten hatten, an der Förderung und Therapie ihrer Kinder mitzuwirken, ändert sich das professionelle Selbstverständnis gegenüber den Eltern derzeit. Zum einen zu einem partnerschaftlichen Modell, das eine berufliche Haltung im Sinne von Assistenz beschreibt (Speck, 2005, S. 313ff) und bezogen auf das Empowerment-Konzept in Richtung des "Empowered Family Models" weist (vgl. Theunissen, 2009, S. 207ff).

Schul-und Bildungssystem: Insbesondere Kinder mit einer geistigen Behinderung durchlaufen eine Karriere in Sondereinrichtungen, vom vorschulischen Bereich bis zum Eintritt in das Arbeitsleben. Obwohl seit den 1980er Jahren das Sonder-und Förderschulsystem in Kritik geraten ist (Speck, 2005, S. 219) und eine integrative Beschulung gefordert wird, stellt sich die derzeitige Situation folgendermaßen dar: "Wenn auch durch die KMK-Empfehlungen von 1994 die allgemeine Schule offiziell als ein möglicher Lernort auch für geistig behinderte Schülerinnen und Schüler erklärt worden ist, so stagniert insgesamt gesehen der Ausbau des gemeinsamen Unterrichts geistig behinderter Kinder in allgemeinen Schulen" (Speck, 2005, S. 226-227).

Arbeit: Nachdem Menschen mit einer geistigen Behinderung weiterhin die Möglichkeit verwehrt ist, eine Ausbildung zu absolvieren (Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 62), stellen innovative Konzepte eine Perspektive dar, einer Beschäftigung jenseits einer segregierenden WfbM (a.a.O., S. 63) nachzugehen, etwa die unterstützte Beschäftigung, mit dem Ziel einer Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt (Theunissen, 2009, S. 314ff). Für Menschen mit einer körperlichen Behinderung stehen unter anderem Berufsbildungswerke zu Verfügung. Trotz ihres Vorteils, auf die Belange von Menschen mit Behinderung spezialisiert zu sein, haftet ihnen der Ruf an, nur schlecht für den ersten Arbeitsmarkt zu befähigen (Rössler, 2008, S. 239). Eine Alternative stellt die Eingliederungshilfe zum Besuch der Hochschule dar (a.a.O. ff).

Wohnen: Nachdem in Deutschland lange Zeit das Anstaltswesen favorisiert wurde, auch aufgrund des immensen Einflusses der Kirchen als Träger, waren es allen voran Menschen mit Behinderung, welche sich gegen die traditionellen Großeinrichtungen auflehnten und die Institutionalisierung ablehnten, durch die Menschen mit Behinderung zu Versorgungsobjekten reduziert wurden (Theunissen, 2009, S.372ff). Aktuell stellt sich der Bereich "Wohnen" folgendermaßen dar: Ungefähr die Hälfte aller erwachsenen Menschen mit Behinderung wohnen derzeit in einem familiären Setting (Wachtel, 2007, S. 112). Obwohl sich der Bereich Wohnen für zum stationären alternative Wohnformen geöffnet hat, dominiert in Deutschland nach wie vor die Institutionalisierung (a.a.O., S. 376). Dies hat zum einen als Ursache, dass keine alternativen Wohnformen vorgehalten werden, weder gemeindeintegriert noch von Trägern angeboten, zum anderen herrscht nach wie vor die Meinung, dass Wohnformen jenseits einer stationären Unterbringung lediglich für Menschen mit leichten Beeinträchtigungen in Betracht kommen (a.a.O., S. 377). Einen Hinweis auf die Bevorzugung ambulanter Wohnformen liefert die Gesetzgebung, laut der ambulanten Hilfen der Vorzug zu geben ist (Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 71). Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass Menschen insbesondere mit einer geistigen Behinderung kaum eine Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, in welcher Wohnform sie nach dem Auszug aus dem Elternhaus leben möchten (Seifert, 2006, S. 377).

Sozialkontakte und Freizeit: Das Freizeitverhalten von Menschen mit einer geistigen Behinderung wird weitgehend von Institutionen der Behindertenarbeit gesteuert (Werkstätten, Wohneinrichtungen, Freizeitclubs usw.) (Markowetz, 2007b, S. 321). Die vorgehaltenen Angebote sind dadurch gekennzeichnet, dass sie für feste Gruppen angeboten werden und selten einen integrativen Charakter aufweisen. Dazu werden sie spärlich differenziert nach Alter und Interessen angeboten. Während musisch-kreative und sportliche Aktivitäten häufiger angeboten werden, sind Angebote, die sich auf Kulturtechniken, eine autonome Lebensführung oder den zwischenmenschlichen Bereich beziehen, unterrepräsentiert (a.a.O., S. 320). Insgesamt entspricht das Freizeitangebot weniger den Wünschen der Zielgruppe, beispielsweise der Wunsch nach mehr Angeboten mit Menschen ohne Behinderung oder selbst über die Angebote entscheiden zu können (a.a.O., S. 321). Eine selbstbestimmte Freizeitgestaltung durch Freizeitassistenz, die von Menschen mit Körper-und Sinnesbehinderungen genutzt wird (a.a.O., S. 319-320), stellt auch für Menschen mit einer geistigen Behinderung eine Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe dar (a.a.O., S. 322). Inwiefern Erschwernisse aufgrund von Barrieren auftreten können wird an dieser Stelle nicht weiter thematisiert.

2. Das Empowerment-Konzept

2.1 Begriffserklärung

Das Empowerment-Konzept geht auf die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre der afro-amerikanischen Minderheitsbevölkerung der USA zurück. Vorläufer des Konzepts finden sich in Bürgerrechtsbewegungen nach dem zweiten Weltkrieg (Herriger, 2006, S. 22ff).

Der Begriff "Empowerment" steht für "Selbst-Bemächtigung" und "Stärkung von Autonomie und Selbstbestimmung" und steht für "Entwicklungsprozesse in der Dimension der Zeit, in deren Verlauf Menschen die Kraft gewinnen, derer sie bedürfen, um ein nach eigenen Maßstäben buchstabiertes ‚besseres Leben' zu leben" (Herriger, 2006, S. 13). Hierbei handelt es sich um individuelle und kollektive Prozesse des Zugewinns von Macht und Lebensautonomie (a.a.O.), der (Wieder-)Herstellung von Selbstbestimmung und der Emanzipation von Fremdbestimmung (Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 84). Zunächst wird der Begriff als eine "offene normative Form" (a.a.O.) verstanden, welcher unterschiedliche Ideologien und Interpretationen subsumiert, etwa die "Befreiung von Unterdrückung", die "Eroberung von Selbstbestimmung" oder der "Zugewinn von Eigenmacht" (Herriger, 2006, S. 13). Zudem basiert das Empowerment-Konzept sowohl auf einer Philosophie, theoretischen Annahmen und Leitideen, als auch auf Prozessen, Programmen, Konzepten und Ansätzen (Theunissen, 2009, S. 27). Fakt ist, dass ein allgemein akzeptierter und anerkannter Begriff von Empowerment nicht existiert (Herriger, 2006, S. 13). Ausgehend von der Bürgerrechtsbewegung beeinflusst das Konzept unter anderem die Frauenrechtsbewegung, die Selbsthilfebewegung (a.a.O., S. 25ff), beziehungsweise Gruppen in gesellschaftlich marginalen Positionen, hier insbesondere Menschen mit Körper-und Sinnesbehinderungen oder Eltern behinderter Kinder (Kulig & Theunissen, 2006, S. 244).

2.2 Definition und Grundüberzeugungen

Aufgrund der inhaltlichen Unbestimmtheit des Begriffs "Empowerment" bedarf es einer Präzisierung, um einen Zugang für die Anwendung des Konzepts in der psychosozialen Praxis zu erhalten. Es können vier Ebenen eines definitorischen Zugangs beschrieben werden (Herriger, 2006, S. 14ff):

Empowerment auf politischer Ebene: Die Ausgangslage ist eine strukturelle Ungleichverteilung von politischer Macht und Einflussnahme, bei der gesellschaftlich marginalisierten Gruppen der Zugang zu Macht und Ressourcen beschränkt ist. Empowerment wird also verstanden als ein "konflikthafter Prozess der Umverteilung von politischer Macht" (Herriger, 2006, S. 14, Hervorhebung im Original) mit dem Ziel, ungleiche Machtverteilungen zu relativieren und der Ermöglichung von demokratischer Partizipation und politischer Einflussnahme, dies sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene. Diese politische Definition des Empowerment-Konzepts findet ihre Anwendung in Bürgerrechtsbewegungen und anderen sozialen Emanzipationsbewegungen und kennzeichnet sich durch eine engagierte Parteilichkeit, beispielsweise in politischer Gemeinwesenarbeit oder lokalpolitischen Bürgerinitiativen (a.a.O.).

Empowerment auf lebensweltlicher Ebene: Diese Annäherung beinhaltet eine Deutung des Begriffs als "Kompetenz", "Durchsetzungskraft" und "Alltagsvermögen" (a.a.O., S. 15). Sie bezieht sich auf die gelingende Gestaltung des Lebensalltags trotz Unüberschaubarkeiten, Komplikationen und Belastungen, welche sich darin äußern, dass die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung "vor dem Hintergrund vielfältiger persönlicher und sozialer Defizite" eingeschränkt sein können (Stark, 1996 zit. in Herriger, 2006, S. 16). Zentrale Aussage ist, dass die Menschen den Lebensalltag aufgrund selbst definierter Maßstäbe im Sinne einer autonomen Lebensgestaltung bewältigen und organisieren (a.a.O., S. 15).

Empowerment reflexiv: Zentral ist hier die "aktive Aneignung von Macht, Kraft und Gestaltungsvermögen durch die von Machtlosigkeit und Ohnmacht Betroffenen selbst" (a.a.O., S. 16). Im Mittelpunkt steht also ein Vorgang der Selbstaneignung von Ressourcen und der Selbstbefreiung von Abhängigkeit und Bevormundung, mit dem Ziel, sich sowohl im Lebensalltag, als auch auf politischer Ebene im Sinne eines Kontrollbewusstseins selbst als handelnd zu erfahren. Empowerment bedeutet in diesem Sinn "einen selbstinitiierten und eigengesteuerten Prozess der (Wieder-)Herstellung von Lebenssouveränität" (a.a.O., Hervorhebung im Original).

Empowerment transitiv: Diese Ebene bezieht sich auf eine Aneignung von Selbstbestimmung durch die Unterstützung von außen, was im weiteren Sinne das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit beschreibt. Der Gegenstand der Arbeit gestaltet sich folgendermaßen: "Die Prozesse der (Wieder-)Aneignung von Selbstgestaltungkräften anregen, fördern und unterstützen und Ressourcen für Empowerment-Prozesse bereitstellen" (a.a.O., S. 17). Das Ziel der psychosozialen Arbeit kann dergestalt beschrieben werden, dass ein Mehr an Selbstbestimmung und Selbstgestaltung des eigenen Lebens ermöglicht werden soll, indem eigene Stärken und Ressourcen entdeckt, bereitgestellt und angewandt werden (a.a.O.).

Gemeinsam ist diesen vier Ebenen des Empowerments der "Rückbezug auf die Konstruktion einer Subjektivität, die die Kraft findet, für sich und für andere ein "besseres Leben" zu erstreiten" (a.a.O., S. 18). In Bezug auf die hier untersuchten Beratungsformen wird das Empowerment aus zwei Perspektiven betrachtet, welche zugleich als handlungsleitend angesehen werden können. Zum einen das Empowerment als kollektiver Prozess der Selbstaneignung von politischer Macht. Gründend auf der Bürgerrechtsbewegung der USA der 1960er Jahre mit den Forderungen nach Gleichstellung und dem Abbau von ungleichen Machtverhältnissen und der Beeinflussung weiterer Bewegungen, etwa der Friedens-oder Frauenbewegung, vereinen sich hier die Ebenen des politischen und reflexiven Empowerment (a.a.O.). Die Zielsetzung kann beschrieben werden als "kollektives Projekt der (Wieder-)Herstellung einer politisch definierten Selbstbestimmung, das die Umverteilung von Entscheidungsmacht und die Korrektur von sozialer Ungleichheit" vorsieht (a.a.O., S. 19). Dies spiegelt sich etwa in den politischen Aktivitäten der "Selbstbestimmt-Leben-Bewegung" in Deutschland wider.

Zum anderen das Empowerment als professionelles Konzept der Unterstützung von Selbstbestimmung. Empowerment versteht sich hier als Handlungskonzept der professionellen Sozialen Arbeit und speist sich aus den lebensweltlichen und transitiven Ebenen. Die handlungsleitende Zielsetzung dieser psychosozialen Praxis hat ihren Ausgangspunkt "dort, wo Ressourcen ausgeschöpft sind und die Dynamik autonomer Selbstorganisation sich nicht in eigener Kraft in Bewegung setzt" (a.a.O.), um "ein Arrangement von Unterstützung bereitzustellen, das es den Adressaten sozialer Dienstleistung möglich macht, sich ihrer ungenutzten, lebensgeschichtlich verschütteten Kompetenzen und Lebensstärken zu erinnern, sie zu festigen und zu erweitern" (a.a.O.).

2.3 Die erlernte Hilflosigkeit

Empowerment-Prozesse in der professionellen Sozialen Arbeit können als Ausgangpunkt die Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Seligman haben. Die Theorie (zusammengefasst nach Herriger, 2006, S. 56ff) des klinischen Psychologen und Depressionsforscher Martin Seligman gründet auf tierexperimentellen Untersuchungen zur Angstkonditionierung. Hunde wurden im Rahmen einer Versuchsanordnung Elektroschocks (aversive Stimuli) ausgesetzt, denen sie nicht entweichen konnten, unabhängig davon, welches Verhalten sie zeigten. Bei regelmäßiger Wiederholung dieser Situation war ein dysfunktionaler Lernprozess zu beobachten. Aufgrund der erlernten Erfahrung, keinen Einfluss auf die Situation nehmen zu können, entwickelten die Hunde eine Hilflosigkeit, welche sie auch auf zukünftige Situationen generalisiert übertrugen und als Konsequenz Defiziterscheinungen in den Bereichen Motivation, Emotion und Lernen zeigten. Seligman und seine Kollegen übertrugen diese Erkenntnisse auf die Humanwissenschaft und kamen zu der Erkenntnis, dass das "Erwartungsmodell der erlernten Hilflosigkeit" seinen Ausgangspunkt darin hat, dass Menschen wiederholt krisenhaften Lebensereignissen ausgesetzt sind, welche sie nicht kontrollieren oder gar beeinflussen können. Dies hat zur Folge, dass sich die Menschen nicht mehr auf ihre Handlungsfähigkeiten und Bewältigungsressourcen verlassen, sondern stattdessen den Rückzug in Depressivität und Hoffnungslosigkeit antreten. Die zentrale Aussage der Theorie beschreibt das Eintreten eines belastenden Lebensereignisses, welches sich als unkontrollierbar erweist. Diese Unkontrollierbarkeit, die Wirkungslosigkeit des eigenen Handelns und Verhaltens, wirkt sich zudem auf Lebensbereiche aus, welche für die Person zwar weiterhin steuerbar sind, aber nicht als solche wahrgenommen werden. Zusätzlich zu der Hilflosigkeitserfahrung stellt sich ein gravierender Verlust des Selbstwertgefühls ein. Dieser wird auf der Basis von Attributionen (vgl. Herriger, 2006, S. 59ff) beschrieben, welche in der Zusammenfassung des ersten Schlüsselkonzepts der folgenden Auswertung dargestellt werden. Ebenso wird in der Auswertung dargestellt, inwiefern die Annahmen dieser Theorie auf die Arbeit mit Menschen mit Behinderung übertragbar sind, beziehungsweise als Erklärungsansatz dienen.

2.4 Das Menschenbild des Empowerment-Konzepts

"Menschenbilder werden im Besonderen vom Wissen geprägt, das der Einzelne auf dem Weg seiner Erfahrung erwirbt. Dieses Wissen stammt sowohl von den Wissenschaften als auch von einem subjektiven Erkenntnisstrang" (Speck, 2008, S. 126). Eine Unterscheidung von Menschenbilden kann in distanzierend und inkludierend vorgenommen werden. Bezogen auf Menschen mit Behinderung beinhaltet das distanzierende Menschenbild den Sonderstatus aufgrund der Behinderung, während das inkludierende Menschenbild den Menschen und seine Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen fokussiert und Verschiedenheit als Variante der Normalität wertet (Goll, 2007, S. 220). Das distanzierende Menschenbild zeigt sich einerseits in der Vergangenheit der Behindertenarbeit, etwa am defizitorientierten medizinischen Modell (Theunissen, 2009, S. 64) und gegenwärtig in einer neu aufkommenden Behindertenfeindlichkeit (Cloerkes, 2007, S. 357). Im Folgenden wird das Menschenbild des Empowerment-Konzepts vorgestellt, welches sich entschieden gegen eine defizitäre Sichtweise stellt (Herriger, 2008, S. 3). Herriger kennzeichnet das Menschenbild als Philosophie der Menschenstärken, sie umfasst folgende Elemente (hier bezogen auf Menschen mit Behinderung) (a.a.O.):

  • "Die Abkehr vom Defizit-Blickwinkel auf Menschen (mit Beeinträchtigungen) und zugleich auch die Abkehr von damit verknüpften Unterstellungen von Hilfebedürftigkeit.

  • Das Vertrauen in die Stärken, Kompetenzen und Ressourcen, die es Menschen möglich machen, ihr Leben auch in kritischen Situationen und biografischen Belastungen erfolgreich zu meistern.

  • Die Achtung vor der selbstbestimmten Lebensweise, der Selbstverantwortung und dem "Eigen-Sinn" von Menschen mit Behinderung.

  • Der Respekt vor der ‚eigenen' Zeit und den ‚eigenen' Wegen der Menschen mit Behinderung und der Verzicht auf enge Zeithorizonte und standardisierte Hilfepläne.

  • Der Blick nach vorne: der Verzicht auf eine umfassende Thematisierung zurückliegender biografischer Verletzungen und die Orientierung an einer für den Betroffenen wünschenswerten Lebensgegenwart und -zukunft.

  • Die Grundorientierung an einer "Rechte-Perspektive": Menschen mit Behinderung verfügen - unabhängig von der Schwere ihrer Beeinträchtigung - über ein unveräußerliches Recht auf Wahl-und Entscheidungsfreiheit im Hinblick auf die Gestaltung ihres Lebensalltags."

Dazu bildet die Basis dieses Menschenbilds die Annahme, dass jeder Mensch über eine "innere Kraft" verfügt, die sich aus personalen und sozialen Schutzfaktoren speist (Theunissen, 2009, S. 39), worauf in Punkt 2.6 eingegangen wird. Dieses Menschenbild kann in Bezug auf Menschen mit einer geistigen Behinderung eine Herausforderung darstellen, insbesondere, was die Ausgestaltung individueller Lebensentwürfe betrifft. Inwiefern die Grundüberzeugungen des Menschenbilds an Grenzen stoßen können und in welchem Ausmaß andere Menschenbilder - etwa das distanzierende Menschenbild - die Arbeit der Berater/innen beeinflussen kann wird in der Auswertung aufgezeigt.

2.5 Die professionelle Grundhaltung der Empowerment-Arbeit

Empowerment-Arbeit erfordert eine Neudefinition des beruflichen Selbstverständnisses. Die Haltung der professionellen Begleiter kennzeichnet sich nicht mehr vorrangig aufgrund des Expertenstatus, welcher eng mit einem Defizit-Blickwinkel verknüpft war (Galuske, 2005, S. 269). Dieser Blickwinkel ergab sich durch eine professionelle Haltung, welche auf Probleme fokussiert war. Diese Probleme galt es "institutionellen und professionellen Routinen entsprechend zu ‚bearbeitbaren' Problemen" (Herriger, 2006, S. 66) zu machen. Als Konsequenz wandelten sich die Probleme der Klientel in "Fälle", welche aufgrund der Berufserfahrung überschaubar wurden. Zudem ermöglichten sie es, Aussagen über zukünftige Entwicklungen zu treffen (a.a.O., S. 67). Eine professionelle Haltung dem Empowerment entsprechend fordert also eine strikte Abkehr von einer auf Expertenschaft gründenden Machtausübung, welche zugleich Zeit-und Zielpläne vorgibt und eine Problemlösungsstrategie für, anstatt mit der Klientel verfolgt. Viel mehr steht im Vordergrund eine Anerkennung der Gleichberechtigung von Professionellen und Klientel, welche die partnerschaftlich ausgehandelte "Konstruktion einer symmetrischen Arbeitsbeziehung" beinhaltet (Herriger, 2002, S. 13). Unabdingbar sind hierbei ein systematischer Kompetenzdialog zur Erfassung der auf Lebenserfahrung beruhenden Ressourcen und Kompetenzen, eine vertragliche Regelung der Hilfebeziehung, begründet auf die formulierten Ziele, Zeitperspektiven und Vorgehensweisen und das "unveräußerliche Wahlrecht der Klienten" (a.a.O.), deren Eigenentscheidungen und Selbstverantwortlichkeit respektiert werden. Der Gegenstand des beruflichen Handelns wandelt sich also von der Herstellung von Dienstleistungen zu einer "unterstützten Lebensweg-Begleitung" (a.a.O.). Dieses neue berufliche Selbstverständnis lässt sich im Begriff der "Mentorenschaft" fassen und beinhaltet folgende Rollen (Herriger, 2008, S. 4):

  • Unterstützer und mutmachender "Orientierungshelfer"

  • Lebenswelt-Analytiker und kritischer Lebensinterpret -Netzwerker, Ressourcendiagnostiker, Ressourcenmobilisierer

  • Intermediärer Brückenbauer

  • Dialogmanager und Konfliktmediator

  • Vertrauensperson und anwaltschaftlicher Vertreter

  • Organisations-und Systementwickler

Das Empowerment als klassisches Konzept der Behindertenarbeit findet seine Anwendung in der Nutzung des persönlichen Budgets und der persönlichen Assistenz, dem Aufbau alternativer Wohnformen zum stationären Wohnen beziehungsweise der aktiven Mitgestaltung des Heimalltags, im Bereich der Beschäftigung im Sinne von Arbeitsassistenz, der Familienunterstützung und der Netzwerkförderung, welche eine Gemeinwesenarbeit miteinschließt (vgl. Herriger, 2008, S. 6ff). Einige dieser Bereiche werden im Kapitel 8 "Kritik und Perspektiven" aufgegriffen und differenziert diskutiert.

2.6 Zieldefinitionen erfolgreicher Empowerment-Prozesse

Aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung des Empowerment können zwei Zielperspektiven beschrieben werden: auf individueller Ebene das psychologische Empowerment und auf kollektiver Ebene das politische.

Psychologisches Empowerment bedeutet konkret die Entwicklung psychosozialer Schutzfaktoren (Herriger, 2006, S. 184), welche aus personalen (lebensgeschichtlich gewachsene, zeit-und situationsübergreifende Persönlichkeitsmerkmale) und sozialen (Art, Umfang und erlebte Qualität sozialer Unterstützung des persönlichen Netzwerks) Schutzfaktoren bestehen und sich aus der Verfügbarkeit von Ressourcen (vgl. a.a.O., S. 90ff) ableiten lassen (a.a.O.). Als Erklärungsansätze dienen die aus der Gesundheitspsychologie bekannten Konzepts der Salutogenese (welches im Folgenden kurz aufgegriffen wird) nach Antonovsky und der Widerstandsfähigkeit nach Kobasa (vgl. a.a.O., S. 185ff). Das Konzept der Salutogenese beschäftigt sich mit der Fragestellung, was Menschen dazu befähigt, trotz Belastungen gesund zu bleiben und diesen Zustand aufrecht zu erhalten. Als Bezugsrahmen dient eine Belastungs-Bewältigungs-Balance, für deren Gleichgewicht Widerstandsressourcen eine zentrale Rolle spielen. Als Widerstandsressourcen werden körperliche und konstitutionelle Ressourcen, materielle Ressourcen, personale und psychische Ressourcen, interpersonale und soziokulturelle Ressourcen genannt (a.a.O., S. 186-187). Antonovksy beschreibt in diesem Zusammenhang den Kohärenzsinn, welcher aus den Dimensionen der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit besteht. Basierend auf diesen Konzepten formuliert Herriger für das psychologische Empowerment folgende Aspekte (Herriger, 2008, S. 10-11):

  • -Selbstakzeptanz und Selbstwertüberzeugung (geringe negative Affektivität, hohes Selbstwertgefühl, Glaube an die Sinnhaftigkeit der eigenen Lebensziele)

  • Innere Kontrollüberzeugung (Bewältigungsoptimismus und der Glaube an die Gestaltbarkeit des eigenen Lebens)

  • Aktiver Umgang mit Problemen (aktive Auseinandersetzung und zielgerichtete Problemlösestrategien)

  • Flexible Anpassung an Lebensumbrüche (Integration und sinnhafte Wahrnehmung unvorhersehbarer Veränderungen)

  • Netzwerk-Kompetenz (Veröffentlichungsbereitschaft bei Lebenskrisen und die adäquate Annahme von Unterstützungsangeboten).

Das politische Empowerment findet zumeist in kollektiver Form statt und zielt auf eine politische Einmischung und ein soziales Engagement ab. Es kennzeichnet sich durch die "Entwicklung eines strittigen tätigen Gemeinsinns" (Herriger, 2006, S. 198). Die Elemente des politischen Empowerment sind zum einen die partizipatorische Kompetenz (Wissen um und Strategien der sozialen Einmischung) und zum anderen der Aufbau von Solidargemeinschaften und das Eintreten für Teilhabe und Mitverantwortung (a.a.O.). Diese politische Selbstbestimmung setzt sich zusammen aus der Nutzerkontrolle, dem aktiven Engagement des Einzelnen, einem kritisch-analytischen Verständnis sozialer und politischer Gegebenheiten, und dem gefestigten Vertrauen in die eigenen Gestaltungskompetenzen (Herriger, 2008, S. 11). Nachdem diese Form des Empowerment zwar bei den untersuchten Beratungsformen - insbesondere die ZsL - eine wichtige aber nicht zentrale Rolle spielt wird an dieser Stelle nicht näher auf diese Form eingegangen.

3. Beratung in der Behindertenarbeit

Beratung für Menschen mit Behinderung ist in der Behindertenarbeit lange nicht thematisiert worden, beziehungsweise wurde nicht als Handlungsinstrument angesehen und rückt seit kurzem in das Blickfeld der Behindertenarbeit (Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber, 2006, S. 428). Fokussiert wurde die Beratung der Eltern, hier die Beratungsformen des Laien-und Co-Therapeuten-Modells, welche beide eine aktive partnerschaftliche Mitarbeit der Eltern ausschlossen (Theunissen, 2009. S. 181). Zudem zeichnete sich die Professionalität dadurch aus, dass sie von einem pathologisch-defizitorientierten Verständnis dominiert war. Die Ratsuchenden wurden auf Symptome, Problemlagen und Beeinträchtigungen reduziert, eine ganzheitliche Wahrnehmung des Menschen mit Behinderung war nicht zu verzeichnen (Theunissen, 2006a, S. 193). Aktuell werden als Beratungsformen der psychosozialen Beratung, welche der Sozialen Arbeit zugeordnet wird, die psychologische und die pädagogische Beratung unterschieden. Während die psychologische Beratung auf Prozesse der psychischen Umstrukturierung aufgrund von therapeutischen Theorien ausgelegt ist, zielt die pädagogische Beratung auf soziale Problemlagen ab und bietet soziale Unterstützung und Hilfen zur Problemlösung (Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber, 2006, S. 429). Mittlerweile wird in Abgrenzung zu diesem "traditionell medizinisch-psychiatrischen Modell" (Theunissen, 2006a, S. 193, Hervorhebung im Original) die "Stärken-Perspektive" (a.a.O. Hervorhebung im Original) favorisiert, welche sich nicht nur auf persönlicher Ebene an den Fähigkeiten, Interessen und Ressourcen der Klientel orientiert, sondern zugleich das Lebensumfeld als wichtigen Bestandteil miteinbezieht (a.a.O., S. 194). Diese Beratungsform korrespondiert mit den Aspekten des Empowerment-Konzepts und wird auch als "Kooperations-und Konsultationskonzept" (a.a.O., Hervorhebung im Original) bezeichnet. Bezogen auf die hier untersuchten Beratungsformen wird von einer psychosozialen und pädagogischen Beratung ausgegangen.

3.1 Beratung für Menschen mit einer geistigen Behinderung

Zentrale Aspekte der Beratung von Menschen mit einer geistigen Behinderung sind die Akzentsetzungen der Beratung, die Prämissen der Ausgestaltung der Beratung und spezielle Aspekte der Kommunikation und Gesprächsführung. Für die psychosoziale Beratung von Menschen mit Behinderung werden folgende Akzentuierungen vorgenommen (Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber, 2006, S. 432-433):

  • Information: Aufklärung über die Regeln von Einrichtungen und die Struktur und über Abläufe der Gesellschaft kann für Menschen mit Behinderung eine wesentliche Rolle spielen.

  • Klärung von Zuständigkeit und Koordination von Hilfen: Dies bedeutet, initiativ Problemlagen zu klären und falls erforderlich die Koordination von Hilfen zu übernehmen.

  • Aktivierung: Je nach individueller Bedürfnislage kann eine Häufung unterschiedlicher Problemlagen vorliegen. Hier gilt es, die Klientel zu aktivieren und Lösungsstrategien zu entwickeln.

  • Flexibilisierung der Dauer der Beratung: die Dauer orientiert sich nach dem Beratungsanliegen. Während kurzfristig angelegte Beratungen Entscheidungshilfen darstellen können, beziehen sich mittelfristige Beratungen eher auf Krisenberatungen, langfristige Beratungen können sich mit Verhaltensauffälligkeiten beschäftigen.

  • Begleitung bei der Selbstexploration: Davon ausgehend, dass Situationsschilderungen von Menschen mit Behinderung bisweilen eine einseitige Sichtweise aufweisen können, die einer Relativierung bedürfen, kann aufgrund der Beratungsstrategie und der Verwendung kommunikativer Methoden einen Zugang zur Klärung eigener Gefühle geschaffen werden. Ebenso kann angestrebt werden, einen Perspektivwechsel innerhalb der Beratung vorzunehmen. Dies hat zum Ziel, die Position anderer Beteiligter nachvollziehbar werden zu lassen, um sich dem eigenen Verhalten und Handeln bewusst zu werden und hierfür Verantwortung zu übernehmen.

Diese Akzentuierungen sind sehr allgemein gehalten, in dem Beratungssetting der hier vorgestellten Beratungsformen können sie je nach Beratungsanliegen sehr unterschiedlich ausgestaltet werden.

Als Prämissen für die Beratung von Menschen mit einer geistigen Behinderung gelten

nach Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber (2006, S. 431-432):

  • Variierung des Settings: Eine Flexibilisierung des klassischen Beratungssettings wird empfohlen. Beispielsweise die Integration von Alltagssituationen, individuell gestaltete Arrangements der Örtlichkeiten oder Bezugnahme auf persönliche Vorlieben und Interessen.

  • Bedeutung von Beziehung: Im Vergleich zu anderen Beratungsformen beziehungsweise Zielgruppen muss sich der/die Berater/in in verstärktem Maß auf die Klientel einlassen. Als grundlegende Komponente gilt die Schaffung einer vertrauensvollen Beratungsbeziehung, welche sich an den Wünschen und Interessen der Klientel orientiert und auch bedeutet, sich in die Position der Ratsuchenden hineinversetzen zu können, was sicherlich eine hohe Anforderung an den Beratenden stellt.

  • Überlagerung durch den Einrichtungskontext: Aufgrund der starken Institutionalisierung der Behindertenarbeit spielen diesbezügliche Faktoren oft eine entscheidende Rolle in einer Beratung. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass verschiedene Akteure der einzelnen Bereiche innerhalb des Systems eine Rolle spielen und ggf. in den Beratungsprozess mit eingebunden werden sollten, insbesondere, was die Unterstützung anbelangt.

  • Familiäre Einbindung: Zum einen kann der Beratungsinhalt oft die Ablösung vom Elternhaus sein, zum anderen besteht in den meisten Fällen eine sehr enge Bindung an die Eltern beziehungsweise Familie und ein Einbezug ist für einen gelingenden Beratungsprozess oft unabdingbar.

Weiter ist für die Beratung von Menschen mit einer geistigen Behinderung von Bedeutung, dass sich sprachliche Einschränkungen erschwerend auf den Beratungsprozess auswirken können. Zwar besteht die Möglichkeit, dies mittels alternativen Kommunikationsformen auszugleichen, etwa durch nonverbale Kommunikation und Gebärden oder die Verwendung von Piktogrammen und elektronischen Hilfsmitteln wie Talker. Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass ein Teil der Klientel aufgrund der individuellen Ausprägung der Behinderung nicht erreicht werden kann. Hier bedarf es einer stellvertretenden Problemlösung (Theunissen, 2006a, S. 198). Zum einen werden Bezugs-und Vertrauenspersonen zu Rate gezogen, zum anderen übernimmt der/die Berater/in die Funktion einer advokatorischen Assistenz (vgl. Theunissen, 2009, S. 77). Bei der Gesprächsführung sollte zudem vermieden werden, Oberbegriffe zu verwenden, da sie für Menschen mit einer geistigen Behinderung abstrakt und damit unverständlich sein können. Alternativ bietet sich an, anhand von Erzählungen und Beispielen, einen persönlichen Bezug zu den Oberbegriffen herzustellen (Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber, 2006, S. 430).

3.2 Die Self-Advocacy-Bewegung

Neben der professionellen Beratung für Menschen mit Behinderung bieten sich auch Möglichkeiten, wie die Betroffenen sich selbst gegenseitig beraten und unterstützen können, was einem reflexiven Empowerment sowohl auf lebensweltlicher als auch politischer Ebene entspricht. Als Beispiel wird die Self-Advocacy-Bewegung vorgestellt.

Self-Advocacy bezeichnet die Selbstvertretungsbewegung ‚intellektuell' behinderter Menschen. Zwar entstand diese Idee ursprünglich in den 1960er Jahren in Schweden, die ersten Aktionen der Bewegung sind allerdings in den USA zu verzeichnen (Theunissen, 2009, S. 110-111). Als Begriffsklärung von Self-Advocacy gilt die Definition der zweiten nordamerikanischen People-First-Konferenz 1991: "Self-Advocacy handelt von unabhängigen Gruppen behinderter Menschen, die sich gemeinsam für Gerechtigkeit einsetzen, indem sie einander helfen, ihr Leben zu führen und gegen Diskriminierung kämpfen. Uns wird gezeigt, wie man Entscheidungen, die unser Leben betreffen, fällt, damit wir unabhängiger sein können. Man informiert uns über unsere Rechte, aber während wir unsere Rechte kennenlernen, lernen wir auch etwas über unsere Pflichten. Die Art und Weise, in der wir lernen, für uns zu sprechen, ist die gegenseitige Unterstützung und die gegenseitige Hilfe beim Erwerb von Selbstvertrauen, auszusprechen, an was wir glauben" (Dybwad, 1996, zit. in Theunissen, 2009, S. 109).

Die Aktivitäten der Self-Advocacy-Bewegung werden in vier Organisationsformen unterschieden (Theunissen, 2009, S. 109-110):

  • Institutionsintegriertes Modell: Aktivitäten von Gruppen in Wohneinrichtungen, Tagesstätten, Werkstätten oder anderen Institutionen

  • Unterabteilungsmodell: an Organisationen oder Vereinigungen der Behindertenarbeit angeschlossene Gruppen

  • Autonomes Modell: Unabhängig von Verbänden oder Hilfsorganisationen arbeitende Gruppen

  • Koalitionsmodell: mit anderen selbstorganisierten Gruppen behinderter Menschen.

Selbstvertretungsgruppen von Menschen mit einer geistigen Behinderung werden unter anderem von "Advisors" (Theunissen, 2009, S. 115) begleitet. Diese werden von den Mitgliedern der Gruppe gewählt und haben die Aufgabe Gruppenbildungen zu initiieren und den "Selbstorganisations-und Emanzipationsprozess" (a.a.O.) zu unterstützen. Darüber hinaus dienen sie als "Ressourceninformant" (a.a.O.), haben aber nicht die Aufgabe, die Gruppe zu leiten. Im Gegenteil: Nach einem zunächst stärkeren Einfluss soll sich der Advisor nach und nach zurückziehen und ggf. im Hintergrund verfügbar sein (a.a.O., S. 115-116). Zu den Inhalten der Selbstvertretungsbewegung werden vier Prinzipien beschrieben, welche die Betroffenen befähigen sollen, ihre Aufgaben wahrzunehmen (a.a.O., S. 116-119):

  1. Gewinnung eines kritischen (Kontroll-)Bewusstseins der eigenen sozialen und politischen (gesellschaftlichen) Situation. Dieses Prinzip zielt darauf ab, sich der Tatsache bewusst zu werden, dass viele Probleme einen gesellschaftlichen und keinen individuellen Ursprung haben. Des Weiteren sollen die Bedeutung von Menschen-und Bürgerrechten vermittelt werden und die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme, sowie der Einflussnahme auf den individuellen Lebensalltag.

  2. Förderung eines Bewusstseins über eigene Stärken und Potenziale: "Das zweite Prinzip zielt darauf ab, Menschen mit Lernschwierigkeiten ein Bewusstsein über eigene Stärken vor Augen zu führen und sie zu einem Vertrauen in individuelle und soziale Ressourcen anzustiften, um gegebenenfalls ein defizitäres Selbstbild als Resultat sozialer Zuschreibungen überwinden, eigene Grenzen und Potenziale einschätzen sowie sich erfolgreich gegenüber Diskriminierung und Stigmatisierung behaupten zu können" (a.a.O., S. 117).

  3. Ermutigung zur Organisation von Selbstvertretungsgruppen und/oder Mitarbeit in Gruppenzusammenschlüssen im Hinblick auf Förderung individueller Empowerment-Fähigkeiten und kollektiver Handlungskompetenz. Anhand dieses Prinzips werden individuelle und soziale Kompetenzen, bezogen auf das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten und Zielen oder der Organisation von Aktionen erworben.

  4. Sicherung und praxisbegleitende Reflexion der Helfer-Rolle (Advisor) als Koordinator, Mentor und intermediärer Vermittler. Hier werden die grundsätzliche Haltung (akzeptierende und ressourcenorientierte Grundhaltung) gegenüber dem Menschen mit Behinderung und die Aufgaben (Koordinator, Vermittler, Informierender) des Advisors beschrieben.

Derzeit existieren in Deutschland ca. 20 Selbstvertretungsgruppen mit ca. 173 Mitgliedern, welche sich unter dem Organisationsnamen "People First" beziehungsweise "Menschen zuerst" zusammengeschlossen haben, allerdings sind nur wenige dieser Gruppen aus sich selbst initiiert worden (a.a.O., S. 119). Als weiterführende Lektüre empfehlen sich entsprechende Interviews mit Stefan Göthling, dem Geschäftsführer von People First in Deutschland (vgl. Göthling, Schirbort, & Theunissen, 2006, S. 558ff; Schirbort & Göthling, 2006, S. 248ff).

3.3 Beratung nach dem Selbstbestimmt-Leben-Ansatz

Ähnlich wie die Self-Advocacy-Bewegung nahm die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung ihren Anfang 1962 in den USA, als ein körperbehinderter junger Mann sich einen Studienplatz erkämpfte (Miles-Paul, 1992, S. 13) und sich mit anderen körperbehinderten Studenten zusammenschloss, die ein erstes Konzept zu einem autonomen Leben in der Gemeinde entwarfen (Theunissen, 2009, S. 98). Folgende Grundsätze wurden damals formuliert (Roberts, 1985, zit. in Miles-Paul, 1992, S. 29):

  • "Diejenigen, die die Bedürfnisse behinderter Menschen am besten kennen und wissen, wie diesen Bedürfnissen am besten begegnet werden kann, sind die Behinderten selbst.

  • Den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen kann am effektivsten durch eine umfassende Organisation entsprochen werden, die eine weite Palette von Dienstleistungen anbietet.

  • Behinderte sollen soweit wie möglich in das Leben der Gemeinde integriert sein."

Die Gruppe legte in ihrer Arbeit den Schwerpunkt darauf, Helfer zu gewinnen und behindertengerechte Wohnungen zu finden, um so körperbehinderten Studenten die Möglichkeit zu eröffnen, selbst zu entscheiden, in welcher Wohnform sie leben wollten. Auf diese Weise entstand das erste "Center for Independent Living" (Theunissen, 2009, S. 99). Bezogen auf die Beratung, welche grundsätzlich nach der Methode des Peer-Counseling erfolgt, bedeutet dies eine Orientierung am Leitbild eines selbstbestimmten Lebens, um den Zielen und Wünschen des Einzelnen gerecht zu werden (Rössler, 2008, S. 230). In Abgrenzung zu der Annahme, dass Behinderung mit Krankheit gleich gesetzt wird und aufgrund dessen ein (gesellschaftliches) Hilfebedürfnis entsteht, basiert diese Beratungsform auf der ganzheitlichen Betrachtung des Menschen mit Behinderung. "Dabei muss der einzelne behinderte Mensch mit seinen individuellen Wünschen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt der Beratung gestellt werden. Es darf nicht darum gehen, ihn an die Gesellschaft anzupassen, vielmehr hat der Mensch mit Behinderung ein Recht darauf, sein Leben in freier Selbstbestimmung nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten" (a.a.O.). Die Ressourcenorientierung steht dabei im Vordergrund. Zudem setzt sich die Beratung aus den Elementen der Parteilichkeit, indem der Mensch mit Behinderung angenommen wird, wie er/sie ist und der emanzipatorischen Arbeit, um einem nicht selten anzutreffenden negativen Selbstbild entgegen zu treten (a.a.O., S. 230-231), zusammen. Gegenstand der Beratung können die Suche nach einer passenden Wohnform, Hilfen zur Pflege (hier die Soziale Pflegeversicherung und Hilfen zur Pflege aus der Sozialhilfe), zur Berufswahl und -ausbildung, Eingliederungshilfe zum Besuch an einer Hochschule und zur Teilnahme am Leben in der Gesellschaft sein (vgl. a.a.O., S. 232ff). Weitere Themen können das Persönliche Budget oder die Persönliche Assistenz sein, sowie eine individuelle Lebensgestaltung (ZsL Köln, 2009). Die Beratungsschwerpunkte werden in Kapitel 4.2 ausführlicher dargestellt.

3.4 Das Peer-Counseling

Im Sinne der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung wird die Methode beziehungsweise das Prinzip des Peer-Counseling angewandt, auch bekannt unter den Bezeichnungen: "peer support", "peer assistance", "peer help" oder "peer education" (Theunissen, 2009, S. 99). Zusammengefasst wird unter dieser Begriffsverwendung "sowohl die professionelle Beratung und die Anleitung von Gruppen durch Behinderte für Behinderte als auch die äußerst wichtige Selbsthilfeförderung und Selbsthilfetätigkeit von Behinderten für Behinderte" (Miles-Paul, 1992, S. 9) verstanden. Die Methode grenzt sich bewusst von der traditionellen Behindertenarbeit ab, beispielsweise der medizinischen und beruflichen Rehabilitation (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 23ff).

Aufgrund der Erfahrung, dass das Vorhandensein einer Behinderung nicht automatisch zu Peer-Counseling befähigt, wurden von Peer-Support-Programmen Grundvoraussetzungen für die Ausbildung von Peer-Counselors formuliert (Saxton, 1983 zit. in Miles-Paul, 1992, S. 57):

  • Die Bewerber/innen haben eine Behinderung erlebt und demonstrieren adäquate Umgangsweisen

  • Sie haben das Bestreben, anderen zu helfen

  • Sie sind bereit, eine verbindliche Übereinkunft hinsichtlich der Zeit und der Anstrengungen einzugehen, die sie für das Programm während und nach der Ausbildung investieren werden

Als Methoden des Peer-Counseling werden beschrieben: das Agieren als positives Rollenvorbild, die Klientzentrierte Gesprächsführung nach Rogers, das Problemlösen anhand eines vorstrukturierten Ablaufs und Rollenspiele (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 53ff). Im Folgenden werden die Unterstützungsprinzipien des Peer-Support vorgestellt.

Unterstützungsprinzipien (Miles-Paul, 1992, S. 31ff)

  1. Entmedizinisierung: Der Umgang mit der Behinderung stellt nach dem Erreichen eines stabilen Gesundheitszustands eine persönliche und keine medizinische Sache dar. Die Verantwortung für den eigenen Gesundheitszustand obliegt jedem selbst, demnach sind Menschen mit Behinderung keine Patient/innen, sondern sie nehmen (medizinische) Dienstleistungen in Anspruch.

  2. Größtmögliche Kontrolle über das eigene Leben: "Der Grad der wahrgenommenen Kontrolle über das eigene Leben [hat, KC] einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit" (Miles-Paul, 1992, S. 33). Folglich soll die Behindertenarbeit so ausgelegt sein, dass diese Kontrolle über das eigene Leben Menschen mit Behinderung eingeräumt werden kann.

  3. Selbstbestimmung: Aufgrund von Biografien innerhalb der traditionellen Behindertenarbeit kann die Selbstbestimmung über das eigene Leben eine große Herausforderung darstellen. Es gilt Unsicherheiten auszuhalten, Risiken einzugehen und Verantwortung zu übernehmen, Aspekte, welche womöglich erst erlernt werden müssen.

  4. Das Recht, Risiken einzugehen und zu scheitern: Dieses Prinzip stellt sich gegen die Überbehütung von Menschen mit Behinderung und verweist darauf, dass neben dem Erfolg auch wichtige Lebenserfahrungen aufgrund des Scheiterns gesammelt werden können. Das Recht darauf weist die Menschen mit Behinderung als gleichberechtigte Subjekte der Gesellschaft aus.

  5. Peer-Unterstützer/innen als positive Rollenvorbilder: Die Berater/innen zeigen allein durch ihre Position auf, dass ein selbstbestimmtes Leben gelingen kann und können so als Motivation für die Klient/innen dienen. Zusätzlich bietet sich der Peer-Support an, dass die Klient/innen Kontakt zu anderen Menschen mit Behinderung aufbauen können, welche sich in ähnlichen Lebenslagen befinden und sich gegenseitig unterstützen können.

  6. Ermächtigung zum Eintreten für die eigenen Rechte: Dieses Prinzip entspricht dem Zugang zum Empowerment auf der reflexiven lebensweltlichen Ebene. Handlungsleitend ist der Aufbau eines Selbstbewusstseins, welches es einem ermöglicht, seine Interessen in der persönlichen Lebensgestaltung durchzusetzen, beispielsweise in Bezug auf das Arbeitsleben oder die Inanspruchnahme von persönlicher Assistenz.

4. Vorstellung der Beratungseinrichtungen

4.1 KoKoBe

Die Arbeit der KoKoBe wird anhand einer Einrichtung dargestellt. Obwohl alle KoKoBe nach einheitlichen Richtlinien und Zielvereinbarungen arbeiten, kann die Ausgestaltung der Arbeitsinhalte von Einrichtung zu Einrichtung variieren. Demnach steht die hier vorgestellte KoKoBe zwar stellvertretend für alle, einzelne Punkte sind jedoch nicht übertragbar, beispielsweise der trägerneutrale Standort. Als Informationsgrundlagen dienen Unterlagen des LVR, der Sachbericht 2007 einer KoKoBe, ihr Internetauftritt und eine zur Verfügung gestellte Powerpoint-Präsentation.

In einem Satz beschrieben sind "Die Koordinierungs-Kontakt-und Beratungsangebote sind ein kostenloser Service für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung" (KoKoBe, 2009).

Der LVR ist seit dem 01.07.2003 als überörtlicher Träger der Sozialhilfe in seinem Versorgungsgebiet für die Eingliederung von Menschen mit Behinderung und somit auch für die Finanzierung ambulanter Leistungen zum selbstständigen Wohnen zuständig (vgl. LVR, 2008a, S. 1). Zusätzlich sollen aus Kostengründen Wohnheimplätze abgebaut werden, daraus leitet sich die Maßgabe "ambulant vor stationär" ab. Um diese Maßgabe umzusetzen, nahmen 2004 die KoKoBe ihre Arbeit auf.

Die Zielgruppe besteht hauptsächlich aus Menschen ab 16 Jahren mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung. Im Falle einer Nicht-Zuständigkeit der KoKoBe wird an entsprechende Stellen weitervermittelt (LVR, 2008c, S. 21).

Das Hauptziel liegt, neben der Vernetzung und Koordinierung von Hilfen, der Kontaktherstellung und Beratung (siehe auch 4.1.4), in der Sicherstellung des Vorrangs der offenen Hilfen vor den stationären. Der Schwerpunkt der Beratung betrifft Menschen, die bisher noch keine Wohnhilfen in Anspruch nehmen (KoKoBe-Bericht, 2009, S. 3). Das spiegelt sich auch in der Formulierung des Auftrags der vier Kölner KoKoBe wider, der in ihrem Internetauftritt nachzulesen ist: "Ziel der KoKoBe ist es, Menschen mit Behinderung dabei zu unterstützen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die KoKoBe berät bei der individuellen Lebensgestaltung und bei der Entscheidung für eine bestimmte Wohnform" (Ko-KoBe Köln, 2009, Auftrag).

4.1.1 Trägerbeschreibung

Die KoKoBe befinden sich in der besonderen Situation, mehrere Träger zu haben. Es wird zwischen dem Finanzierungsträger und den einzelnen Trägern der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung der jeweiligen KoKoBe unterschieden. Der Finanzierungsträger ist, als überörtlicher Träger der Sozialhilfe, der LVR, an den die jeweiligen örtlichen Träger der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung einen Förderungsantrag für das Koordinierungs-, Kontakt-und Beratungsangebot stellen (LVR, 2008a, S. 3).

Die Träger der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, die eine Ko-KoBe stellen, befinden sich in der Regel in einem Trägerverbund. Jede einzelne KoKoBe hat folglich mehrere Träger im Hintergrund.

4.1.2 Rechtsgrundlagen

Als Ausgangspunkt für die Arbeit der KoKoBe dient der Grundsatz "ambulant vor stationär", der gesetzlich nicht direkt verankert ist. Relevant ist vor allem § 13 SGB XII, Leistungen für Einrichtungen, Vorrang anderer Leistungen. Weitere relevante Paragrafen sind § 3a BSHG, Vorrang der offenen Hilfe, und § 39 BSHG, Personenkreis und Aufgabe. (LVR, 2008a, S. 1; Sozialgesetzbuch, 2008)

4.1.3 Finanzierung und Sachausstattung

Der LVR finanziert insgesamt im Versorgungsgebiet 64 KoKoBe-Vollzeitstellen mit jährlich 63 000 € pro Stelle. Darin sind Personal-, Personalneben-, Fahr-und Mietkosten enthalten. Zusätzlich können maximal 21 000 € jährlich für Personalkosten anderer Kräfte verwendet werden (LVR, 2008a; S. 3). Darüber hinaus können die jeweiligen Träger die Ko-KoBe ergänzend auf freiwilliger Basis mitfinanzieren.

Im Idealfall ist die KoKoBe an einem trägerneutralen Ort untergebracht und hat, um ungestörte Beratung anbieten zu können, mehrere Räume zur Verfügung.

An Sachausstattung stehen den Mitarbeitern Bürobedarf und Büromittel (PC, Drucker, usw.), Telefon und Anrufbeantworter zur Verfügung. Ein Diensthandy wird gestellt; kann die KoKoBe aus bestimmten Gründen nicht an einem trägerneutralen Ort eingerichtet werden, besteht die Vorgabe, mindestens zwei Telefonnummern bereitzuhalten. Grundsätzliche räumliche Voraussetzung aller KoKoBe ist die Barrierefreiheit im Zugang sowie in den Räumen selbst und die Anbindung an den (möglichst barrierefreien) öffentlichen Personennahverkehr.

4.1.4 Aufgaben der Einrichtung und Arbeitsschwerpunkte (Leistungsspektrum)

Der Aufgabenbereich entspricht der Bezeichnung der Einrichtung, nämlich Koordinierung, Kontakt und Beratung. Alle Leistungen der KoKoBe sind kostenlos. Die Beratung wird von den Klienten am häufigsten genutzt, 2007 wurden in der hier beispielhaft vorgestellten KoKoBe 275 Personen beraten (KoKoBe-Bericht, 2009, S. 3).

Koordinierung bedeutet die Mitwirkung bei der Vernetzung von Angeboten vor Ort. Dies beinhaltet eine Zusammenarbeit mit Diensten und Einrichtungen in Köln, die Teilnahme an Arbeitskreisen und Stadtteilkonferenzen, die Zusammenarbeit mit Freiwilligenagenturen und Selbsthilfegruppen, Öffentlichkeitsarbeit und die Veranstaltung von Hilfeplankonferenzen. Vernetzte Partner der KoKoBe sind beispielsweise: Stadt Köln, VHS, Schulen, Universität zu Köln, Sportvereine, Wohnheime, Werkstätten, Bürgerzentren, Seniorennetzwerke, Wohnungsbaugenossenschaften (Powerpoint - Präsentation, 2008, Folie 11). Die Koordinierung bedeutet in Bezug auf die Klientel die Vernetzung der vor Ort erbrachten Leistungen der Eingliederungshilfe mit dem Anspruch der Personenzentriertheit im Sinne von Mitwirkung der Klienten (LVR, 2008a, S. 1).

Die Koordinierung und Vernetzung der KoKoBe intern und mit den Trägern wird durch regelmäßige Treffen gewährleistet. Die Mitarbeiter/innen der KoKoBe treffen sich in kurzen regelmäßigen Abständen, ebenso finden Treffen mit den Trägern statt. Zusätzlich treffen sich die Trägervertreter treffen sich in regelmäßigem Abstand (KoKoBe-Bericht, 2009, S. 1).

Kontakt bezieht sich hier auf die Klientel, Menschen mit geistiger Behinderung. Es sollen Möglichkeiten geschaffen werden, Kontakte im Alltag und in der Freizeitgestaltung herzustellen (LVR, 2008a, S. 1). Zudem sollen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme in Krisenfällen bereitstehen (LVR, 2008a; S. 2). Die Kontaktmöglichkeiten sollen den Kriterien der Niedrigschwelligkeit und des Peer Councelings entsprechen, um eine Inklusion in die Gesellschaft und Kontakte der Menschen mit Behinderung untereinander zu ermöglichen (Aselmeier, 2005, S. 1, 6) (hierzu siehe auch "Sozialkontakte" im Text folgend).

Beratung erfolgt in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Freizeit und Sozialkontakte. Sie ist individuell und findet persönlich oder telefonisch statt. Die Klient/innen können entweder einen Termin vereinbaren oder in die offene Sprechstunde kommen. Zudem berät die KoKoBe in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung, gelegentlich leistet sie auch aufsuchende Beratung (KoKoBe-Bericht, 2009, S. 3-4).

Die Beratung im Bereich Wohnen setzt ihre Schwerpunkte auf Information zu Hilfen zum Wohnen, verschiedene Wohnmöglichkeiten, Finanzierung und Antragstellung.

Im Bereich Arbeit berät die KoKoBe zu Arbeitsplatzsuche, bietet Information zu den einzelnen Werkstätten, zu Integrationsunternehmen und Integrationsfachdiensten.

Freizeit-Beratung beinhaltet Information zu Freizeitmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung, Herstellung von Kontakten zu z.B. Vereinen, Freizeitangeboten der KoKoBe oder auch zu Reiseveranstaltern für Menschen mit Behinderung. Zusätzlich gibt die Ko-KoBe einen Veranstaltungskalender heraus. Der Beratungsschwerpunkt Sozialkontakte dient dazu, die Klientel zu unterstützen, Menschen kennenzulernen, beispielsweise über Stammtische, eine teilweise selbstorganisierte Freizeitgruppe oder die "Kennenlernpartys", das sind Singlepartys, die mehrmals jährlich von der KoKoBe und anderen Einrichtungen der Behindertenhilfe angeboten werden (KoKoBe-Bericht, 2009, S. 4).

Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Aufklärungs-und Öffentlichkeitsarbeit, um die Integration von Menschen mit Behinderung zu unterstützen, die Erstellung von Hilfeplänen (Erst-und Folgeanträge), die Veranstaltung von Hilfeplankonferenzen und Gremienarbeit (KoKoBe-Bericht, 2009, S. 2). Zusätzlich ist die Internetseite der KoKoBe barrierefrei und in leichter Sprache gehalten.

Einige Arbeitsbereiche könnten sicherlich noch vertieft dargestellt werden, doch hier soll lediglich ein Kurzüberblick über das Arbeitsspektrum gegeben werden.

4.1.5 Personal und Arbeitsorganisation

Grundsätzlich können nur Fachkräfte mit einem qualifizierenden abgeschlossenen (Fach-) Hochschulstudium in einer KoKoBe arbeiten, dazu ist eine mindestens dreijährige Berufserfahrung mit Menschen mit geistiger Behinderung Voraussetzung (LVR, 2008a, S. 3). Zusatzqualifikationen sind nicht vorgeschrieben, aber von Vorteil. Der Schlüssel der Stellenbesetzung in Bezug auf die Bevölkerung ist 1: 150 000 (LVR, 2008a, S. 2).

Die Arbeitsorganisation ist recht flexibel gehalten und richtet sich nach den Klient/innen. Die Mitarbeiter der KoKoBe (ausgehend von einer vollen Stelle) teilen sich ihre Arbeitszeiten selbst ein, wobei sie flexibel z.B. auf Freizeitangebote wie Kurse oder Abendtermine oder Werkstättenöffnungszeiten reagieren. Aufgrund dieser Flexibilität kommt es selten zu einer zu hohen Fallbelastung.

4.2 ZsL

An dieser Stelle wird exemplarisch ein ZsL vorgestellt, in welchem auch ein Interview geführt wurde. Die Informationen stammen von einem Sachbericht, dem Internetauftritt und einem Flyer des ZsL (siehe Anhang).

"Das Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZsL) ist eine Beratungsstelle für Behinderte, die Information, Beratung und Unterstützung für alle anbietet, die sich mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen" (ZsL, 2009a, "wir über uns").

Dieses ZsL besteht seit 1987 und blickt auf eine lange Geschichte, beginnend bei der Selbsthilfe bis zur Positionierung als kompetente und qualifizierte Beratungsstelle, zurück (ZsL, 2007, S. 17). Alle Mitarbeiter/innen des ZsL haben eine Körper-oder Sinnesbehinderung und arbeiten nach dem Peer-Counseling-Ansatz. Sie beschreiben den Schwerpunkt ihrer Arbeit als "ganzheitliche, parteiliche, emanzipatorische Lebensberatung für Menschen mit Behinderung" (ZsL, 2009a, "wir über uns"). Die Zielgruppe der Beratungsstelle sind Menschen mit Behinderungen, deren Angehörige und Freunde, Lebenspartner/innen und Menschen, die an der Thematik interessiert sind (a.a.O.).

Als Begründung für die Arbeit des ZsL wird angeführt, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung mit der Notwendigkeit konfrontiert sind, diese Beeinträchtigung zu verarbeiten. Aufgrund der Tatsache, dass die gesellschaftlichen Strukturen nach wie vor auf Fürsorge und weniger auf Selbstbestimmung ausgerichtet sind, erleben sich die Menschen mit Behinderung in ihrer freien Entfaltung eingeschränkt und in ihrer Persönlichkeit eingeengt (ZsL, 2009b, "worum es geht"). Die Mitarbeiter/innen des ZsL verbinden in ihrer Beratung ihre jeweiligen beruflichen Kompetenzen, persönliches Engagement und Erfahrungswerte mit der eigenen Beeinträchtigung. (a.a.O., "wer wir sind"). Die Arbeitsbereiche gliedern sich in die Beratung und die Interessensvertretung. Neben der gemeinsamen Erarbeitung von Strategien für ein selbstbestimmtes Leben nimmt die Beratung zu persönlicher Assistenz einen zentralen Stellenwert ein. Die Vertretung der Interessen erfolgt einerseits durch die Öffentlichkeitsarbeit, andererseits durch Mitwirkung in Gremien, beispielsweise die Barrierefreiheit betreffend (a.a.O., "was wir tun"). Die Arbeitsbereiche werden in Punkt 2.2.4 ausführlicher dargestellt. Die Beratung ist kostenlos und unterliegt der Schweigepflicht.

4.2.1 Trägerbeschreibung

Der Träger des ZsL ist der eingetragene Verein "Selbstbestimmt Leben", der als Ziele Selbstbestimmung, gesellschaftliche Teilhabe und gesetzliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung verfolgt. Der Vorstand des Vereins besteht ausschließlich aus Menschen mit Behinderung, auch sämtliche aktiven, stimmberechtigten Mitglieder haben eine Behinderung (ZsL, 2009, Trägerverein). Das ZsL ist Mitglied der "Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben" (ISL) und des Päritätischen Wohlfahrtsverbands.

4.2.2 Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlagen des ZsL werden in der Internetpräsenz folgendermaßen beschrieben: "Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnittes "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenverordnung. Der Verein ist selbstlos tätig, er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke" (a.a.O.).

4.2.3 Finanzierung und Sachausstattung

Die Finanzierung des ZsL erfolgt über die Kommune (4,4 Stellen), Projekte (2,25 Stellen) und über die Arbeitsförderung der Agentur für Arbeit (1,75 Stellen) (ZsL, 2007, S. 25). Zahlen über den Jahres-oder Personaletat und Informationen über Finanzierungen, etwa über Spenden, liegen nicht vor. An Räumlichkeiten verfügt das ZsL über zwei Standorte, da ab 2007 zusätzlich eigene Vereinsräume in einem anderen Stadtteil genutzt werden, mit dem positiven Effekt einer leicht erhöhen Frequentierung durch Klientel anderer Stadtteile (ZsL, 2007, S. 3). Die Räume sind barrierefrei und auf die Bedürfnisse der Berater/innen und Angestellten ausgelegt. Bürobedarf und Büromittel stehen zur Verfügung.

4.2.4 Aufgaben der Einrichtung und Arbeitsschwerpunkte (Leistungsspektrum)

Die Aufgabenbereiche des ZsL untergliedern sich in die allgemeine Beratung, die psychosoziale Beratung, Vernetzungsarbeit, Gremienarbeit und Öffentlichkeitsarbeit und werden im Folgenden einzeln dargestellt, in Anlehnung an den vorliegenden Sachbericht für das Jahr 2007.

Allgemeine Beratung: Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Beratung, welche grundsätzliche Fragen zu Behinderung beinhaltet. Neben der Beratung Betroffener ist das Angebot auch für Angehörige und Multiplikator/innen offen (ZsL, 2007, S. 4). 144 Personen (a.a.O., S. 5) nahmen im angegebenen Zeitraum eine intensive beraterische Begleitung in Anspruch, zusätzlich verzeichnete das ZsL über 4000 Anfragen, wobei häufig Information erfragt wurde oder Vermittlungen zu anderen Organisationen erfolgte (a.a.O., S. 4). Das Beratungsspektrum beinhaltet thematisch Rechte für Behinderte (z.B. Sicherung des Lebensunterhalts, Eingliederung ins Arbeitsleben, Schwerbehindertenrecht), Hilfen zur Pflege (z.B. Pflegefinanzierung, Hilfsmittel), den häuslichen und lebenspraktischen Bereich (z. B. Suche nach Wohnformen, Freizeit, Mobilität) und das Persönliche Budget (z.B. Antragsstellung, Zielvereinbarungen, Budgetassistenz) (a.a.O., S. 10-12).

Psychosoziale Beratung: Inhalte der Beratung sind Themen der individuellen Lebensgestaltung, die Angst um die Sicherstellung der Pflege, der Wunsch nach sozialen Kontakten, Einsamkeit und Isolation, der Wunsch nach einer partnerschaftlichen Beziehung und der Wunsch nach einer sinnvollen Aufgabe. Als weitere Inhalte werden die Unzufriedenheit, die Auseinandersetzung mit der Behinderung, die Abhängigkeit und Annahme von Hilfen, die Verarbeitung einer erworbenen Behinderung, sowie Mobbing und Gewalterfahrungen genannt (a.a.O., S. 13). Die Häufigkeit der einzelnen Nennungen wird an dieser Stelle nicht berücksichtigt.

Vernetzungsarbeit: Die Vernetzungsarbeit nimmt neben der Beratung einen hohen Stellenwert in der ZsL-Arbeit ein. Das ZsL verfügt auf kommunaler, regionaler und Bundesebene über eine Vielzahl von Kooperationen und Kontakten zu diversen Vereinen, Verbänden, Institutionen und Initiativen. Exemplarisch zu nennen wären (Fach)Hochschulen, Einrichtungsträger für Menschen mit Behinderung, kommunale Gremien der Stadtverwaltung, Stiftungen, Integrationsfachdienste und Freiwilligenagenturen, Volkshochschule und Sportvereine, Seniorennetzwerke und diverse Vereine und Organisation für Menschen mit Behinderungen, sowie weitere ZsL (a.a.O., S. 14-15).

Gremienarbeit: Das ZsL leistet Gremienarbeit mit dem Ziel, "die Interessen von Menschen mit Behinderungen zu vertreten und voran zu bringen" (a.a.O., S. 16). Insgesamt verzeichnet das ZsL einen Anstieg in der Gremienarbeit, was das ZsL auf die Ausweitung der Themenbereiche des Stadtarbeitskreises Behindertenpolitik und auf die zunehmende Wahrnehmung des ZsL als kompetenten Ansprechpartner zurückführt. Die Gremienarbeit findet auf Kommunal-und Landesebene statt, beispielsweise im Sozialausschuss der Stadt oder im Landesbehindertenbeirat. Auf Bundesebene findet Gremienarbeit statt in Vereinigungen von Menschen mit Behinderungen, etwa die "Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben" (ISL) oder im "Forum selbstbestimmte Assistenz behinderter Menschen" (ForseA). Weiter werden Kontakte und Gespräche mit (exemplarische Nennung) dem örtlichen Verkehrsbetrieb, dem Hotel-und Gaststättenverband oder Gespräche mit Student/innen zwecks Seminaren, Haus-und Diplomarbeiten (a.a.O.) angeführt.

Öffentlichkeitsarbeit: Die Öffentlichkeitsarbeit des ZsL erstreckt sich über Pressekonferenzen, Mitgliederversammlungen, Messeauftritte, Fernseh-, Radio-und Pressebeiträge, Vorträge an Hochschulen oder die Teilnahme am Landesbehindertentag. Zudem werden öffentlichkeitswirksame Termine und Projekte genannt (a.a.O., S. 17-19).

Weitere Arbeitsbereiche des ZsL umfassen ein individuelles Mobilitätstraining im ÖPNV (a.a.O., S. 20), die psychosoziale Betreuung im Zusammenhang mit persönlicher Assistenz (a.a.O., S. 21), das Projekt "Grundzüge sozialrechtlicher Leistungen für behinderte Menschen in Deutschland" (a.a.O., S. 22f) und das Projekt "50PlusMinus - Älter werden mit einer körperlichen Behinderung" (a.a.O., S. 23ff).

4.2.5 Personal und Arbeitsorganisation

Das multiprofessionelle Team des ZsL setzt sich derzeit aus acht Mitarbeiter/innen zusammen, folgende Qualifikationen finden sich (mit unterschiedlichem Stellenanteil): Dipl. Psychologen, Dipl. Pädagoginnen, Pädagogin MA, Jurist, Bürokauffrau/mann. Die Mitarbeiter/innen haben unterschiedliche Funktionen und arbeiten zumeist in mehreren Arbeitsbereichen und Projekten, wobei auf eine detaillierte Auflistung verzichtet wird. Bis auf eine Mitarbeiterin arbeiten alle Teammitglieder nicht mit vollem Stellenanteil, zudem sind einige Arbeitsverträge beziehungsweise Stellenanteile, auch aufgrund der einzelnen Projekte, zeitlich befristet (a.a.O., S. 26ff). Obwohl davon auszugehen ist, dass die Mitarbeiter/innen mit beratender Funktion über eine Weiterbildung zum Peer-Counselor verfügen, ist dies aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Es wird jedoch erklärt, dass dieses Prinzip die Basis der Arbeit darstellt.

5. Darstellung des Forschungsverlaufs und der Interviewführung

5.1 Wahl der Methode

Entsprechend der Fragestellung, inwiefern in der ambulanten Behindertenarbeit im Sinne des Empowerment-Konzepts gearbeitet wird, bietet sich die Methode des Experten-Interviews an (Flick, 2007, S. 214). Die Berater/innen haben eine repräsentative Rolle inne, ihre Expertenschaft begründet sich anhand ihrer Funktion innerhalb der Behindertenarbeit, wobei das zu untersuchende Handlungsfeld abgesteckt wäre. Ziel ist ein theoriegenerierendes Experteninterview; die von Flick dargestellte Unterscheidung in Betriebs- und Kontextwissen kann in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden, da beide Formen in unterschiedlicher Ausprägung zu verzeichnen sind und deshalb keine klare Trennung vorgenommen werden kann (Flick, 2007, S. 216).

Aufgrund der Festlegung des Handlungsfelds wird das Interview anhand eines Leitfadens geführt, um eine für die Auswertung relevante Vergleichbarkeit sicher zu stellen (Herriger, 2007, S. 5), und um die Fokussierung auf das Thema zu gewährleisten. Dem Prinzip der Offenheit, welches das hier gewählte induktive Verfahren verlangt (Mayring, 2002, S. 28) wird dennoch Rechnung getragen, der Verzicht auf eine Hypothesenbildung erklärt sich daraus. Das Experteninterview wird als eigenständiges Verfahren (Flick, 2007, S. 217) eingesetzt, da sich die Zielgruppe aus zwei Beratungsformen zusammensetzt und nach Möglichkeit Vergleiche angestellt werden sollen.

5.2 Forschungsinteresse

Ziel dieser Untersuchung ist, in Erfahrung zu bringen, inwiefern sich in der Praxis der ambulanten Behindertenarbeit das Empowerment-Konzept etabliert hat. Anhand der Befragung beider Beratungsformen soll auch aufgezeigt werden, wie sich Menschen mit Behinderung als "Experten in eigener Sache" präsentieren. Inwiefern sich die Selbstbetroffenheit in der professionellen Behindertenarbeit auswirken und eine Anwendung erfahren kann, ist ebenfalls von Interesse. Zwar ist davon auszugehen, dass die Gedanken und Prinzipien des Empowerment für die Berater/innen insbesondere der KoKoBe handlungsleitend sind, inwiefern sich dies bestätigen lässt, wird anhand der qualitativen Interviews in Erfahrung gebracht.

Nicht unwesentlich als Motivation für diese Untersuchung ist, beruflich selbst aus der Behindertenarbeit kommend, mein persönliches Interesse (Flick, 2007, S. 133). In diesem Zusammenhang möchte ich mich auf das von Flick genannte Vorverständnis und die Vorannahmen "als vorläufige Versionen des Verständnisses und der Sichtweise auf den untersuchten Gegenstand [...], die im Lauf des Forschungsprozesses reformuliert und vor allem weiter ausformuliert werden" (Flick, 2007, S. 128) beziehen. Obwohl ich während meiner Ausbildung die Prinzipien des Empowerment-Konzepts gelernt habe und der Paradigmenwechsel sich anhand der Lerninhalte während der Ausbildung festmachen lässt, stellt sich für mich nach wie vor die Frage, wie konsequent und damit auch erfolgreich das Empowerment angewandt wird und wo das Konzept an Grenzen stößt, beziehungsweise hier die weitergehende Fragestellung, wie sich diese Grenzen darstellen und welche Möglichkeiten sich bieten, sie zu überwinden.

Als zweite Motivation sollen an dieser Stelle meine Vorerfahrungen bezüglich des Studiums genannt werden. Hervorzuheben ist hier ein Seminar bei Prof. Dr. Norbert Herriger, für das ich im Rahmen einer Hausarbeit Interviews mit dem Thema "Der Auszug des jungen erwachsenen Menschen mit Behinderung aus Sicht der Mutter" geführt habe. Aufgrund dieser Erkenntnisse interessierte ich mich für die professionelle Seite, welche den Prozess der Verselbstständigung begleitet und nicht in direktem Zusammenhang mit meiner eigenen Tätigkeit im Bereich des stationären Wohnens steht. In Absprache mit Herrn Herriger wurde das Diplomthema entwickelt und anhand zweier Interviews im Rahmen einer weiteren Hausarbeit vorbereitet. Die geführten Interviews dienten also als Probelauf für die Diplomarbeit und werden aufgrund weitgehender Übereinstimmung ebenfalls hier verwendet.

Folglich können die Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Untersuchung Aufschluss über die Anwendung des Konzepts in der Praxis geben und ggf. neue Perspektiven aufzeigen, welche handlungsleitenden Charakter haben können.

5.3 Entwicklung des Interviewleitfadens

Der Interviewleitfaden (siehe Anhang) besteht aus einem Einleitungstext, welcher als Vorabinformation den Interviewpartner/innen zugemailt wurde (siehe auch 5.6). Weiter ist der Leitfaden in fünf Schlüsselkonzepte untergliedert, welche als "Leitideen" (Herriger, 2007, S. 7) zu verstehen sind und eine grobe thematische Ordnung der Fragestellung darstellen. Die Vorbereitungen für die Entwicklung des Leitfadens fanden bereits im vorangegangenen Sommersemester während eines anderen Seminars zum Thema Empowerment bei Herrn Herriger statt, allerdings beschränkt auf die Beratungsform der KoKo-Be. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass der Leitfaden in der allgemeinen Fassung von Herrn Herriger zur Verfügung gestellt wurde und ich ihn lediglich auf mein Thema zugeschnitten habe. Der bereits auf die KoKoBe angepasste und in den zwei Interviews erprobte Leitfaden wurde in Absprache mit Herrn Herriger aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse für die Erhebung im Feld für die Diplomarbeit erneut geändert.

  • Einige Fragen wurden dem Thema entsprechend modifiziert

  • Bestimmte Formulierungen wurden möglichst offen und dennoch spezifisch für beide Beratungsformen angelegt

  • Um dem Wesen der jeweiligen Beratungsform gerecht zu werden, wurden an einzelnen Stellen exklusive Fragen formuliert

  • Der Leitfaden wurde um ein Schlüsselkonzept erweitert

Daraus ergibt sich folgender Aufbau für die Datenerhebung:

Das erste Schlüsselkonzept (Menschenbild) befasst sich mit der individuellen und professionellen Sichtweise der Berater/innen, wie sie ihr Klientel wahrnehmen. Es werden verschiedene Problemlagen erfragt (mitunter in einzelne Ebenen differenziert) mit dem Bestreben, anhand der Darstellung der wahrgenommenen Problemlagen auf das zugrundeliegende Menschenbild schließen zu können.

Im zweiten Schlüsselkonzept (Philosophie der Menschenstärken) wird der Schwerpunkt auf die Erkennung und den Einsatz individueller Ressourcen gelegt und die Vereinbarkeit dieser mit dem Beratungsgegenstand in Erfahrung gebracht. Hierbei spielt auch die individuelle Behinderung der jeweiligen Beratungsklientel eine Rolle, da sich hieraus Möglichkeiten und Grenzen der Ressourcen darstellen lassen. Am Ende des Schlüsselkonzepts wird auf die Biografiearbeit und deren Stellenwert innerhalb der Beratungsarbeit eingegangen, ebenfalls ein Instrument, Ressourcen in Erfahrung zu bringen.

Der praktische Teil der Arbeit wird im dritten Schlüsselkonzept (Methoden der psychosozialen Praxis) thematisiert. Nach einer offenen Frage zu ressourcenorientierten Methoden wird den Interviewpartner/innen eine Liste mit Methoden der Sozialen Arbeit angeboten, welche sie kommentieren. Diese Liste wurde aufgrund der im Voraus eingeholten Informationen auf die spezifischen Beratungsformen angepasst. Anschließend können die Interviewpartner/innen die Liste ergänzen. Als zweiter Themenschwerpunkt dieses Schlüsselkonzepts wird nach dem Erfolg in der Sozialen Arbeit gefragt. Hier erfolgt eine Differenzierung in einzelne Ebenen, welche im weiteren Sinn die Teilbereiche der Arbeit abdecken.

Das vierte Schlüsselkonzept (Stolpersteine und Konflikte) beschäftigt sich mit alltäglichen und übergeordneten Schwierigkeiten. Begonnen wird beim Menschen mit Behinderung, hier wird sowohl nach Schwierigkeiten in der Umsetzung der jeweiligen Fragestellungen gefragt als auch nach Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Klientel. Anschließend werden institutionelle, strukturelle und finanzielle Hindernisse in Erfahrung gebracht, mit dem Hintergrund, Grenzen des Empowerment aufzuzeigen beziehungsweise einschränkende Faktoren darzustellen. Aus diesem Grund schließt das Schlüsselkonzept mit der Fragestellung der gesellschaftlichen Haltung in Bezug auf den Menschen mit Behinderung.

Die Qualität der Arbeit und der Blick in die Zukunft wird abschließend im fünften Schlüsselkonzept (Funktion der KoKoBe / ZsL innerhalb der Behindertenarbeit) untersucht. Der Hintergrund der Fragestellung, bezogen auf die Qualität, zielt auf eine Standortbestimmung innerhalb des Unterstützungssystems ab. Bezogen auf die Klientel wird nach der Positionierung innerhalb des sog. "doppelten Mandats" gefragt, was Rückschlüsse auf die Ideen des Empowerment-Konzepts zulässt. Beendet wird das Interview mit Fragen nach zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen. Hier kann zum einen eine politische und gesellschaftliche Entwicklung, bezogen auf den Menschen mit Behinderung, beschrieben werden, zum anderen lassen sich über die Frage der Schwerpunktsetzung eventuelle zukünftige Trends in der Behindertenarbeit ausmachen.

5.4 Auswahl der Stichprobe

Folgende Kriterien waren für die Auswahl der Stichprobe relevant, zuerst die Auswahl der KoKoBe:

  • Nur eine/n Berater/in je Beratungseinrichtung. Dieses Auswahlkriterium ist bis auf eine Ausnahme erfüllt, da aufgrund der Verwendung der Interviews der vorbereitenden Hausarbeit in einer KoKoBe beide Mitarbeiter/innen interviewt wurden.

  • Wie bereits dargestellt, haben die jeweiligen KoKoBe unterschiedliche Träger im Hintergrund. Zwar gilt die Prämisse der Trägerneutralität, dennoch haben die einzelnen Einrichtungsträger individuelle Philosophien, welche einen gewissen, wenn auch zu vernachlässigenden Einfluss auf den jeweiligen Arbeitsstil haben. Es wurde im Vorhinein nicht in Erfahrung gebracht, welchem Einrichtungsträger die jeweiligen KoKoBe-Mitarbeiter/innen zugehörig sind, allerdings wurde bei der Auswahl der Stichprobe berücksichtigt, hier eine möglichst große Bandbreite an Trägern im Hintergrund zu gewährleisten, da über die Internetpräsenz der Einrichtungsträger der jeweiligen KoKoBe ersichtlich ist.

  • Bis auf eine Ausnahme wurden alle Interviews der KoKoBe in einer Stadt geführt, da aufgrund der Größe mehrere KoKoBe vorhanden sind und somit die Vorgabe, nur eine Person pro Einrichtung zu interviewen, erfüllt wurde.

Die Auswahl der ZsL:

  • Auch hier wurde jeweils eine/n Berater/in pro Zentrum interviewt.

  • Die Auswahl war nicht zwingend an die Bezeichnung "ZsL" gebunden, vielmehr war das Auswahlkriterium das Beratungsangebot des Peer-Counseling. Bis auf eine Ausnahme wurden alle Interviews in ZsL geführt. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Suche von Interviewpartner/innen wurde ein Interview in einer Beratungsstelle für behinderte und chronisch kranke Eltern geführt.

  • Während bei der KoKoBe aufgrund der Stellenbeschreibung ein abgeschlossenes Hochschulstudium qualifizierende Voraussetzung ist, bot sich durch das Kriterium des Peer-Counseling eine Auswahl an Professionen an. Dies war erwünscht, um eine möglichst breit gefächerte Herangehensweise an die Fragestellung zu erhalten.

Durch den Miteinbezug der bereits geführten Interviews im Vorfeld ergab sich die Gewichtung von sechs KoKoBe-Interviews zu vier ZsL-Interviews. Zwar wurde auf beiden Seiten jeweils ein Mann interviewt, allerdings waren geschlechtsspezifische Kriterien keine Vorgabe bei der Auswahl der Stichprobe.

5.5 Zugang zum Feld

Der Zugang zum Feld gestaltete sich recht unterschiedlich. Zum einen war mir eine Ko-KoBe bereits bekannt, also ergab sich hier keine Schwierigkeit in der Kontaktaufnahme. Ähnlich verlief die Kontaktaufnahme bei zwei ZsL. Ein Interviewpartner war mir aufgrund eines Seminars an der Fachhochschule bekannt und willigte zu einem Interview ein. Zusätzlich stellte er den Kontakt zu einem weiteren Zentrum her, hier vereinbarte ich lediglich den Interviewtermin.

Kontakt zu den weiteren Interviewpartner/innen der KoKoBe und ZsL stellte ich telefonisch und per Mail her, nachdem ich die Kontaktdaten über das Internet in Erfahrung gebracht hatte. Hilfreich hierbei war die Internetseite der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (http://www.isl-ev.de/) mit einer Auflistung der Mitgliedsorganisationen bundesweit. Bisweilen waren mehrere Telefonate vonnöten, da ich regelmäßig außerhalb der Beratungszeit anrief. In diesem Falle sendete ich zugleich eine Email mit meiner Anfrage. Während der Telefonate galt es, mein Anliegen kurz und nachvollziehbar darzustellen und ggf. die zukünftigen Interviewpartner/innen zu überzeugen, dass sie meinen Suchkriterien entsprechen. Allen Interviewpartner/innen ließ ich nach Vereinbarung den Einleitungstext des Leitfadens zukommen, damit sie sich auf das Thema vorbereiten konnten und um von meiner Seite die Ernsthaftigkeit meiner Anfrage zu unterstreichen.

Die Suche der Interviewpartner/innen der ZsL gestaltete sich mitunter schwierig. Die Vorgabe, lediglich ein Interview pro Zentrum zu führen und die Tatsache dass es in Nordrhein-Westfahlen lediglich zwei ZsL gibt, verlangten ein gewisses planerisches Geschick von mir - nicht zuletzt da ich die Interviews im August zur Haupturlaubszeit führte. Dies hatte zur Folge, dass ein Interview nicht, wie zuerst geplant, in einem ZsL geführt wurde, sondern in einer Beratungsstelle für behinderte und chronisch kranke Eltern, da auch hier nach dem Prinzip des Peer-Counseling gearbeitet wird. Ergo wurden die Interviews zur Stichprobe Peer-Counseling in drei unterschiedlichen Bundesländern geführt, während die Interviews mit den Mitarbeiter/innen der KoKoBe in Nordrhein-Westfahlen geführt wurden.

5.6 Vorbereitung und Durchführung der Interviews

Allen Interviewpartner/innen (an dieser Stelle werden die Interviewpartner/innen der vorbereitenden Hausarbeit nicht berücksichtigt) wurde vorab der Einleitungstext des Leitfadens zur Verfügung gestellt, von meiner Seite wurde Vertraulichkeit und Anonymität zugesichert und ich holte bei der Terminvereinbarung das Einverständnis zur Aufzeichnung des Interviews mittels digitalem Interviewgerät ein. Zusätzlich informierte ich vorab über die geschätzte Dauer des Interviews von eineinhalb Stunden und bat um einen Termin, der nicht unmittelbar vor oder nach einem anderen Termin liegt, um eine möglichst störungsfreie Gesprächsatmosphäre zu sichern. Dies wurde mir von allen Interviewpartner/innen gewährt. Ein Vorgespräch wurde nicht angeboten und auch nicht eingefordert, in zwei Fällen wäre die Realisierung aufgrund der weiten Entfernung nicht möglich gewesen. Während der Telefonate war es mir möglich, einen Eindruck von meinen Interviewpartner/innen zu erhalten. Dazu konnte ich mich präsentieren und mein Anliegen vortragen. Wichtig war mir hierbei Verbindlichkeit zu vermitteln. Einerseits weil ich wusste, dass diese Einrichtungen regelmäßig Interviewanfragen erhalten und nicht immer positive Erfahrungen gemacht haben, wie mir während einiger Telefonate mitgeteilt wurde. Andererseits wollte ich darauf hinwirken, dass die Interviewpartner/innen sich auf das Gespräch einlassen und die Ernsthaftigkeit meines Anliegens nachvollziehen, da es sich um eine Diplomarbeit handelt und die Interviewpartner/innen die Möglichkeit haben, Teil einer empirischen Untersuchung zu sein.

Alle Interviews wurden innerhalb einer Zeitspanne von vier Wochen geführt. Bis auf eine Ausnahme (das Zentrum verfügt über noch keine eigenen Büroräume und arbeitet auf ehrenamtlicher Basis) fanden die Termine in den Büro-und Beratungsräumen und innerhalb der Arbeitszeit der Interviewpartner/innen statt.

Die Interviews selbst verliefen nach demselben Schema. Zuerst ging ich erneut kurz auf den vorliegenden Einleitungstext ein, wiederholte die zentralen Themen des Interviews und stellte die Untergliederung in die einzelnen Schlüsselkonzepte vor. Die Gesprächspartner/innen sollten so einen groben Überblick über den Verlauf des Interviews erhalten. Die einzelnen Fragen hatte ich auf Karteikarten geklebt und bot den Berater/innen an, die Fragekarten nachdem ich sie vorgetragen und zwischen uns gelegt hatte, aufzugreifen, falls Bedarf bestand, was auch regelmäßig genutzt wurde. Zudem wurde ein Zeichen vereinbart, falls die Interviewpartner/innen inhaltlich auf eine noch folgende Frage vorweg griffen.

Da mir der Interviewleitfaden geläufig war, gestalteten sich die Interviews mit der Zeit mehr als Fachgespräche, gelegentlich stellte ich Verständnis-und/oder Vertiefungsfragen, welche als solche in den Transkripten ersichtlich sind.

Nach den Interviews hatte ich mit einigen Interviewpartner/innen Zeit für ein kurzes Gespräch, hierbei gingen wir auf das Interview, den Leitfaden und auf Inhalte des Interviews ein. Bisweilen wurde mir Infomaterial zum Thema bereitgestellt oder Literatur empfohlen. Gelegentlich wurde auch nach meiner persönlichen Motivation für das Thema gefragt, an dieser Stelle berichtete ich über meine bisherigen Erfahrungen in der Behindertenarbeit. Zusammenfassend wurde jedes Interview von den Interviewpartner/innen und mir als recht intensiv und als sehr konzentriertes Gespräch erlebt. Einige Interviewpartner/innen meldeten mir anschließend zurück, dass sie das Interview für sich selbst auch als Gewinn betrachteten, da sie anhand der Fragestellung aufgefordert waren, ihre eigene berufliche Rolle zu reflektieren und Position zu beziehen. Dies entspricht dem Forschungsprozess als Dialog, wie ihn Mayring (2002, S. 32) beschreibt. Sinngemäß wurde mir mitgeteilt, dass die Fragestellungen zwar dem Berufsalltag entsprechen, die Interviewpartner/innen allerdings durch die Routine im Berufsalltag weniger Reflexionsarbeit leisten als im Interview gefordert.

Die Transkription erfolgte zeitnah auf die Interviewführung. Aufgrund der differenzierten sprachlichen Ausdrucksfähigkeit der Interviewpartner/innen waren nur wenige Korrekturen in Grammatik, Satzbau und Dialekt notwendig. Bisweilen erschwerten Gedankensprünge die Transkription und somit die Lesbarkeit der Darstellung, Wortdoppelungen wurden gestrichen. Zudem wurden die in der Auswertung verwendeten Originaltöne leicht korrigiert, im Anhang befinden sie sich im ursprünglichen Wortlaut.

Bei der Transkription wurde der Schwerpunkt auf die Erfassung des gesprochenen Worts gelegt. Denkpausen, Nebengeräusche, Unterbrechungen oder begleitende Mimik und Gestik sowie Tonfall wurden nicht berücksichtigt, da der Fokus auf die thematisch-inhaltliche Ebene gerichtet ist. Es fand lediglich eine "Übertragung in normales Schriftdeutsch" (Mayring, 2002, S. 91) statt.

5.7 Vorstellung der GesprächspartnerInnen

Der Anschaulichkeit halber werden die Interviewpartner/innen tabellarisch vorgestellt, in alphabetischer Reihenfolge, welche sich durch die Einrichtungen ergibt. Die Reihenfolge ist nicht identisch mit der Chronologie der geführten Interviews. Die alphabetische Reihenfolge entspricht der Nennung in der Auswertung.

Tabelle 1: Interviewpartner/innen

5.8 Reflexion der Interviewerrolle

Aufgrund meiner Vorerfahrungen durch die vorbereitende Hausarbeit fand ich mich relativ schnell in die Rolle des Interviewers ein. Die Aspekte langsames Fragetempo, Pausen nach den Antworten und gelegentliche paraphrasierende Zusammenfassung, sprachliche Stimuli und Halten des Blickkontakts (Herriger, 2007, S. 11) habe ich berücksichtigt, beziehungsweise eingesetzt. Da mir der Leitfaden vertraut war, trug ich die Fragen weitgehend frei vor und formulierte sie bisweilen um. Etwa wenn sie inhaltlich schon von den Interviewpartner/innen angedeutet worden waren oder wenn ich zuvor das vereinbarte Unterbrechungszeichen benutzt hatte. Ebenso leitete ich frei von einem Thema zum nächsten über, insbesondere, wenn ein neues Schlüsselkonzept begann. Bei Interviewpartner J formulierte ich Fragen um, welche spezifisch auf die Soziale Arbeit abzielten. Wenn er den Eindruck hatte, die Frage trifft nicht ganz auf seinen Tätigkeitsbereich zu, begann er selbst, seine Arbeitsinhalte auf die Fragestellung zu beziehen. Insgesamt entwickelten sich die Interviews zu Fachgesprächen, ab und an glitten die jeweiligen Interviewpartner/innen und ich kurz zu Nebenschauplätzen ab, dies geschah meist, wenn ich eine Vertiefungs-oder Verständnisfrage gestellt hatte.

Zu einer möglichen Stolperfalle entwickelte sich meine eigene Professionalität, weswegen ich mit der Zeit dazu überging, meinen eigenen Zugang zur Behindertenarbeit - wenn thematisiert -nach dem Interview darzustellen. Zwar gab ich Auskunft über mein Wissen bezüglich der Thematik, um zum Gelingen des Interviews beizutragen (Flick, 2007, S. 219), doch wussten die Interviewpartner/innen bereits zuvor von meiner Berufserfahrung bestand die Gefahr, dass auf bestimmte Inhalte nicht detailliert eingegangen wurde, da man von einer gemeinsamen Wissensbasis ausging. Diese mögliche Fehlerquelle versuchte ich während der Interviews durch Nachfragen meinerseits zu vermeiden, was mir meiner Meinung nach größtenteils gelungen ist.

Schwierigkeiten bereitete mir trotz Übung das Anwenden des Unterbrechungszeichens. Ich wand es zwar regelmäßig an, trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, dass die Interviewpartner/innen auf Inhalte vorgriffen und bei der eigentlichen Frage darauf verwiesen, dass sie bereits auf den Inhalt eingegangen wären. Allerdings fügten sie in diesem Falle meistens noch einen oder mehrere Aspekte hinzu, wodurch sich der erfragte Sachverhalt umfassender und differenzierter darstellte.

Je mehr Interviews ich führte, desto interessanter stellten sich für mich einzelne Fragen dar, insbesondere, wenn ich bemerkte, dass sich zu bestimmten Fragestellungen mehrheitlich Einzelmeinungen herausbildeten. Insbesondere bei den KoKoBe-Interviews war für mich bemerkenswert zu beobachten, wie trotz identischer Richtlinien und Stellenbeschreibung die individuelle Sichtweise sich sehr unterscheiden konnte, etwa die Frage nach den Freizeitangeboten.

Insgesamt habe ich die Interviewführung als sehr intensiv, interessant und bereichernd erlebt, zumal ich anhand der Antworten selbst bemerkte, wie ich begann, meine eigene berufliche Rolle zu reflektieren. Die Gespräche sind durchgehend positiv verlaufen, Schwierigkeiten ergaben sich bisweilen durch die Art der Fragestellung des Interviewleitfadens, worauf ich im folgenden Unterpunkt eingehen werde. Auf ein Gedächtnisprotokoll oder nachträgliche Notizen habe ich aufgrund der Aufnahme des Interviews verzichtet.

5.8 Reflexion des Interviewleitfadens

Der Interviewleitfaden wurde nicht von mir entwickelt, sondern von Prof. Dr. Herriger zur Verfügung gestellt, ich habe ihn lediglich auf den zu untersuchenden Gegenstand der Fragestellung modifiziert. Grundsätzlich habe ich keine Schwierigkeiten bei der Anwendung des Leitfadens bemerkt. bei mehreren Formulierungen wurde ich von den Interviewpartner/innen aufgefordert, die Fragen näher zu erläutern. Dies geschah, wenn die Saztstellung sehr komplex war oder wenn Fachbegriffe nicht sofort verstanden wurden. Die Reflexion des Leitfadens erfolgt anhand der einzelnen Schlüsselkonzepte.

Im Schlüsselkonzept 1 wurde mehrheitlich die Frage nach der sozialen Problemkarriere nicht verstanden (2.1). Bis auf eine Interviewpartnerin fragten hier alle Berater/innen nach. Einerseits irritierte die Bezeichnung "sozial", andererseits bezogen die Interviewpartner/innen den Ausdruck "Karriere" auf die berufliche Karriere. An dieser Stelle stellte ich Vertiefungsfragen. Die Frage nach den Defiziten institutioneller Begleitung (2.3) bedurfte aufgrund der Formulierung Erklärung meinerseits. In Frage 2.4 wird die Grundhaltung von Hilflosigkeit thematisiert. Hierbei handelt es sich um die von Seligman beschriebene erlernte Hilflosigkeit. Diese Theorie war einigen Interviewpartner/innen nicht bekannt, auch nicht, als ich Seligman selbst erwähnte. Folglich habe ich die Theorie kurz umrissen, um eine Ausgangslage zur Beantwortung der Frage zu schaffen.

Das Schlüsselkonzept 2 bereitete bis auf die Unterteilung in personale und soziale Ressourcen (Fragen 1.1 und 1.2) keine Schwierigkeiten. Hier ordneten die Interviewpartner/innen gelegentlich die Ressourcen der jeweils anderen Frage zu.

Wie bereits beschrieben traf die Formulierung der Methoden der psychosozialen Praxis und die Bezeichnung "pädagogische Arbeit" in Schlüsselkonzept 3 nicht auf Interviewpartner J zu, was ihn aber nicht daran hinderte, die Fragen zu beantworten. Nachfragen stellten die Interviewpartner/innen gehäuft bei Frage 1.2.2, die Lebensberatung. Hier war der Beratungsgegenstand nicht deutlich formuliert, wobei ich mich an dieser Stelle mit Erklärungen zurückhielt und es den Interviewpartner/innen überließ, inwieweit die Lebensberatung in der dargestellten Form in ihrer Beratungsstelle Anwendung findet. Als schwierig gestaltete sich die KoKoBe-Frage 1.2.7 nach den Freizeitangeboten. Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, dass in diesem Punkt jede KoKoBe unterschiedliche Schwerpunkte setzt, eine Erkenntnis, welche ich im Verlauf der Interviewführungen gewonnen habe. Demnach war es mir trotz im Vorfeld eingeholter Information während eines Vortreffens im Zusammenhang mit der vorbereitenden Hausarbeit nicht möglich, diese Frage so generell zu stellen, dass sie allen Arbeitsansätzen gerecht wurde. Ähnliche, aber zu vernachlässigende Verständnisschwierigkeiten stellten sich auch bei Frage 1.2.6. Eine letzte zu benennende Schwierigkeit ergab sich im Schlüsselkonzept 4, Fragekomplex 3, die Interventionsmöglichkeiten bei Krisensituationen. Hier gab es von der Fragestellung her zwar keine Verständnisschwierigkeiten, doch vermittelten die Interviewpartner/innen den Eindruck, als würde diese Frage das Wesen des Beratungsangebots nicht erfassen beziehungsweise war diese Fragestellung im Rahmen des Beratungssettings eher irrelevant, was sich an den Antworten ablesen lässt.

5.9 Das Auswertungsverfahren

Die Auswertung erfolgt nach der qualitativen Inhaltsanalyse (Herriger, 2007, S. 20 -21; Mayring, 2002, S. 114 -121). Das entwickelte Kategoriensystem leitet sich aus der Struktur des Leitfadens ab, die einzelnen Fragen der Schlüsselkonzepte entsprechen den theoriegeleiteten Kategorien. Innerhalb dieser Kategorien ergeben sich aufgrund der induktiven Vorgehensweise weitere Unterkategorien, welche als solche nicht benannt werden, aber aufgrund der Auswertungsstruktur als solche erkennbar sind (Kodierung). Die Zusammenfassung der (Unter-)Kategorien hat hier einen deskriptiven Charakter. Einzelmeinungen werden insofern aufgeführt, als dass sie das ausgewertete Material ergänzen und sich eine differenzierte Darstellung der Fragestellung ergibt. Anschließend erfolgt eine verallgemeinernde Interpretation: Nach der kurzen theoretischen Einführung und dem Rückbezug der Kategorien auf die vorliegende Forschungsliteratur werden illustrative Originalzitate der Interviews angefügt, die Regel der Sparsamkeit beachtend. Neben der kurzen zusammenfassenden Interpretation erfolgt am Schluss eines jeden Schlüsselkonzepts eine Übersicht und Zusammenfassung der Forschungsbefunde, sowohl in Bezug auf die induktiv erschlossenen Inhalte der Interviews, als auch in Bezug auf die Forschungsliteratur. Da in dieser Diplomarbeit zwei Beratungsformen dargestellt werden, bietet es sich an, hier in der Auswertung Vergleiche anzustellen. Bisweilen ergibt sich auch aufgrund spezifischer Fragestellungen eine separierte Herangehensweise. Zum einen wird in der deskriptiven Zusammenfassung differenziert, zum anderen werden Vergleiche und Unterschiede in den Zusammenfassungen der jeweiligen Schlüsselkonzepte herausgearbeitet.

5.11 Hindernisse und Grenzen der Auswertung

In Anbetracht des sich in der Behindertenarbeit vollziehenden Wandels und der damit einhergehenden Fülle an Fachliteratur habe ich mich bei der Auswahl der Theorie weitgehend auf die aktuelle Literatur beschränkt. Um einen Bezug zu den Interviewergebnissen herstellen zu können, ist diese unabdingbar. Dazu liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Auswertung der Interviews, das heißt, trotz umfangreicher Sichtung der Forschungsliteratur kann nicht alles verwendet werden, zumal einige Aspekte von mehreren Autoren genannt werden, welche allerdings nicht immer vollständig aufgeführt werden. Neben dem theoretischen Bezug zum Thema werden relevante Punkte der Auswertung mit der Forschungsliteratur abgeglichen, insofern sie korrespondieren. An dieser Stelle wird innerhalb der Auswertung lediglich auf die entsprechende Quelle verwiesen, auf eine weitere Ausführung habe ich verzichtet, da dies den vorgegebenen Rahmen dieser Diplomarbeit gesprengt hätte und Doppelnennungen der einzelnen Aspekte zur Folge hätte.

Eine weitere Grenze der Auswertung stellte für mich das Wesen der Fachliteratur dar. Die Grenze zeigte sich insofern, als dass von den Interviewpartner/innen angesprochene Sachverhalte zwar mit der Literatur in Verbindung gebracht werden können, inhaltlich jedoch nur wenige Überschneidungspunkte gegeben sind. Als Ursache sehe ich hier, dass in der Literatur oft übergeordnete Zusammenhänge dargestellt werden, beziehungsweise die Zusammenhänge einen Abstraktionsgrad erreichen, welche mit den Aussagen zu real existierenden Problemstellungen oft wenig korrespondieren. Bisweilen war es eine Herausforderung, die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu überwinden.

6. Darstellung und Interpretation der Interviewergebnisse

Inhaltsverzeichnis

6.1 Schlüsselkonzept 1: Menschenbild

6.1.1 Kategorie 1: Die Behinderung als Ursache für Lebensschwierigkeiten und Problemlagen

  • Probleme im Bereich der Partnerschaft

Schwierigkeiten im Bereich der Partnerschaft bei Menschen mit einer geistigen Behinderung werden in der Literatur folgendermaßen beschrieben: Kommunikationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten in der Freizeitgestaltung (potenzielle Partner kennenlernen, ungestört Zeit miteinander verbringen) aufgrund institutioneller Gegebenheiten und eine Aberkennung der Sexualität aufgrund der gesellschaftlichen Haltung, welche der Mensch mit Behinderung auf sich selbst übertragen hat. Der professionelle praxisorientierte Ansatz in Bezug auf Partnerschaft wird in der Sexualpädagogik beschrieben. Zentrale Ziele hierbei sind die Vermittlung verschiedener Formen des Zusammenlebens, Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und Lösungsstrategien bei Streit-und Konfliktsituationen (Stöppler, 2007, S. 250-251). Grundsätzlich besteht das Problem, dass Menschen mit Behinderung Geschlechtlichkeit und somit Sexualität abgesprochen wird (Ortland, 2008, S. 89).

Die Interviewpartner/innen stellen die Schwierigkeiten von Menschen mit Behinderung im Bereich Partnerschaft auf zwei Ebenen dar, einer individuellen und einer gesellschaftlichen.

Probleme ergeben sich bereits bei der Begegnung und dem Kontakt als Ausgangslage für den Beginn einer Partnerschaft (C, D, H, I, J) (vgl. Hennies & Sasse, 2004, S. 70). Die Kontaktaufnahme wird einerseits durch die Tatsache der Behinderung erschwert, andererseits durch die Umweltbedingungen, das heißt, wie die Umwelt auf Menschen mit Behinderung reagiert. Zusätzlich führt KoKoBe-Beraterin C an, dass insbesondere Menschen mit einer geistigen Behinderung aufgrund undifferenzierter Wahrnehmung des persönlichen Nähe-Distanz-Empfindens Schwierigkeiten haben, sich abzugrenzen (vgl. Hennies & Sasse, 2004, S. 71).

Inwiefern hier gesellschaftliche Idealbilder für den Menschen, dessen eigene Behinderung diesem Bild nicht entspricht, eine Rolle spielen, thematisieren die Interviewpartner/innen F, H, I und J (vgl. Bergeest, 2007, S. 243). Beraterin F führt zusätzlich eine auf der eigenen Behinderung basierende Abgrenzung zu anderen Menschen mit Behinderung an (vgl. Wilken, 2003, S. 167). Für die Interviewpartner/innen F und H ist eine nicht erfolgte Verarbeitung der Behinderung auch ein Grund für Schwierigkeiten im Bereich Partnerschaft, etwa eine/n Partner/in zu finden, der/die den eigenen Vorstellungen entspricht (vgl. Hennies & Sasse, 2004, S. 70). Des Weiteren wird die Auswirkung einer erworbenen Behinderung auf die Partnerschaft in den Raum gestellt. Eine erworbene Behinderung wirkt sich auf eine Partnerschaft laut ZsL-Berater/innen (I, J) oft negativ aus, Trennung nicht ausgeschlossen (vgl. Ehrig, 1996, S. 54). Interviewpartnerin I bemerkt aber auch, dass die Beziehung nach einer Krise positiv im Sinne von stärkend angesehen werden kann, wenn die Behinderung erfolgreich gemeinsam verarbeitet wurde.

Und da, denke ich wird es, ist es Menschen mit sichtbaren Behinderungen schon wesentlich schwerer, einen Partner zu finden. Und das hat eben nicht nur was mit der eigenen Einstellung zu tun, sondern eben auch tatsächlich, was vermittelt eine Gesellschaft an körperlichen Idealbildern und so. Und leistungsmäßigen Idealbildern. (H, Zn. 26ff)

Ja, ein wesentliches Problem ist schon, wenn eine Behinderung neu auftritt, dass manche Partnerschaften daran auch zerbrechen. [...] Es kann natürlich auch Situationen geben, wo die Partnerschaft daraus wieder verstärkt hervorgeht. Aber das braucht dann auch einen längeren Prozess. Also so gerade nach einer neu eingetretenen Behinderung ist die Partnerschaft eben oft sehr belastet, wenn sie denn schon vorher da war. [...] (I, Zn. 15ff)

Auf gesellschaftlicher Ebene wird von den Interviewpartner/innen D, G und H angeführt, dass Menschen mit Behinderung eine Partnerschaft weniger zugestanden wird als Menschen ohne Behinderung (vgl. Bergeest, 2007, S. 243; Plaute, 2006, S. 501). Dieses von der Gesellschaft vorgegebene Denken überträgt sich auch auf Menschen mit Behinderung (G). Zusätzlich kann sich das in der Gesellschaft gängige weibliche Schönheitsideal auswirken (I) (vgl. Ehrig, 1996, S. 46). J führt die unzureichende Integration in die Gesellschaft an.

Dieses stereotype Denken ist immer noch in allen Köpfen vorhanden, selbst in den Köpfen der Behinderten. [...] (G, Zn. 38f)

Einzelmeinungen, die nicht unwesentlich in der Beschreibung der Problematik sind, haben folgende Interviewpartner/innen geäußert: Von den Eltern vorgelebte Geschlechtsrollenklischees werden teils übernommen (C). Dass Situationen zur Kontaktaufnahme für Menschen mit Behinderung von institutioneller Seite inszeniert werden, (vgl. Hennies & Sasse, 2004, S. 70) und dies auch mit zunehmendem Schweregrad der Behinderung zusammenhängt, legt Interviewpartnerin D dar. In diesem Zusammenhang werden auch kommunikative Einschränkungen als erschwerend genannt (A) (vgl. Stöppler, 2007, S. 250). Partnerschaften zwischen Menschen mit und ohne Behinderung sind laut Beraterin G mit Problemen belastet, indem sie eine massive Einschränkung von Seiten der Gesetzgebung erfahren. Die Auswirkungen der Nachrangigkeit der Sozialhilfe wirken sich negativ auf die finanziellen Möglichkeiten und auf die Wohnsituation von Paaren aus.

Also grundsätzlich ist es ein ganz großes, schwieriges Problem, Partnerschaften, eine Mischpartnerschaft, wie sog. Mischehen zu führen. Weil es ist, von der Gesetzgebung leider vorgegeben, dass ein eheähnlicher Partner oder besser gesagt, dass der Angehörige ersten Grades mit in die Pflege gezogen werden kann. Die Nachrangigkeit der Sozialhilfe ist das. (G, Zn. 14ff)

In der Beratungsstelle von F (KoKoBe) ist zugleich eine Partnervermittlungsbörse für Menschen mit Behinderung untergebracht. In diesem Zusammenhang ist ihr aufgefallen, dass Partnerschaften oft nur von kurzer Dauer sind und mehr Männer auf der Suche nach Partnerschaften sind als Frauen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Probleme in diesem Bereich aufgrund der gesellschaftlichen Haltung, der Aberkennung der Sexualität, und aufgrund der institutionellen Rahmenbedingungen zu verzeichnen sind. Die Tatsache, dass sich Menschen mit Behinderung an gesellschaftlich definierten Normen der Partnerschaft orientieren und dass diese Orientierung als Problemursache angesehen werden kann, geht lediglich aus den Aussagen der Interviewpartner/innen hervor.

  • Probleme im Bereich Familie und Angehörige

Inwiefern sich hier Probleme vornehmlich in Bezug auf Eltern beschreiben lassen hängt nach Ansicht der Fachliteratur von der Verarbeitung der Behinderung des Kindes ab. Zwar kann die Behinderung akzeptiert sein, dennoch kann sich eine "permanente Elternschaft" entwickeln (Wilken, 2003, S. 157). Die Problematik bezieht sich schwerpunktmäßig auf die Mütter (Thimm, 2006, S. 362). Von den Interviewpartner/innen angesprochene Aspekte beschreibt auch Otto Speck (2005, S. 304-305), zentral sind die Überbehütung (vgl. Cloerkes, 2007, S. 295) von und Aggressionen gegen das behinderte Familienmitglied.

Die Interviewpartner/innen unterteilen die Problemlage in zwei Perspektiven, die der Eltern und Angehörigen und die des Menschen mit Behinderung. Die Perspektive des Menschen mit Behinderung erfährt eine weitere Aufgliederung, indem Problemstellungen im Zusammenhang mit der Gründung einer eigenen Familie angesprochen werden.

Die Interviewpartner/innen (A -F, I, J) sprechen fast einheitlich die Thematik Überbehütung, und als Konsequenz darauf das "nicht loslassen können" von Seiten der Eltern an. Durch diese sehr enge elterliche Bindung kann es zu einer Angleichung der Kinder an die Eltern kommen, die sich auf die Identität der Menschen mit Behinderung auswirken kann, wie KoKoBe-Berater/innen B und C beschreiben. Als Konsequenz des elterlichen Verhaltens kann beim Menschen mit Behinderung eine Unfähigkeit entstehen, eigene Entscheidungen zu treffen oder eigene Vorstellungen zu entwickeln (B, C, D, F, KoKoBe) (vgl. Leyendecker, 2005, S. 104-105; Theunissen, 2009, S. 202). Daraus kann auch resultieren, dass, wie die KoKoBe-Berater/innen A und F anmerken, die Kinder eine gewisse Bequemlichkeit entwickeln und die elterliche Fürsorge genießen (vgl. Wilken, 2003, S. 159). Die Interviewpartner/innen E und G erwähnen die im Behindertenbereich nicht unübliche Familienkonstellation der allein erziehenden Mütter, die auch als symbiotische Beziehung zwischen Mutter und Kind bezeichnet wird (E) (vgl. Wilken, 203, S. 159). Eine körperliche Behinderung und der daraus resultierende Pflegeaufwand als Belastung für die Angehörigen beschreiben die ZsL-Berater/innen (G, I, J). Sie thematisieren die Behinderung als Abhängigkeitsverhältnis, das zu Gewalthandlungen (vgl. Seifert, 2003, S. 46) auf der einen Seite, und zu Schuldgefühlen auf der anderen Seite führen kann. Als Ursache hierfür werden auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, das heißt, die Nachrangigkeit der Sozialhilfe genannt.

Das größte Problem ist da das Problem der Ablösung. Was damit zu tun hat, dass Angehörige, also Familienmitglieder, meistens die Eltern, eben auch sehr eingeschränkte Ressourcen unterstellen. Zu solchen Phänomenen wie Überbehütung kommt und die behinderten Familienangehörigen sich eben danach auch ausrichten in ihrer Identität. Das auch übernehmen als die eigene Identität. [...] (C, Zn. 31ff)

Zumal gerade durch die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen eben Angehörige sehr stark in die Pflege mit einbezogen werden. [...] Mit der Folge, dass eben dann eben für die nicht behinderten Angehörigen dadurch eine enorme Belastung erwachsen. [...] als weitere mittelbare Folge auch entsprechende Schuldgefühle des behinderten Familienmitglieds auch entstehen. [...] (J, Zn. 34ff)

Unterstützung von Seiten der Eltern in Bezug auf die Verselbstständigung ist gegeben, wie die Berater/innen A, B und E (KoKoBe) anmerken. Sie beschreiben zudem ein sich von Überbehütung abgrenzendes Verhalten, indem der Auszug eines Kindes als normal angesehen und von den Eltern vorangetrieben wird (vgl. Fornefeld, 2004, S. 140, Seifert, 2006, S. 378). Menschen mit Behinderung als Eltern werden von den Interviewpartner/innen B und H thematisiert. Interviewpartnerin H geht auf die schwierige Situation in der Herkunftsfamilie ein, wenn eine Frau mit Behinderung Mutter werden möchte.

So dieses Paradigma der Selbstbestimmung und Empowerment auch auf ihre Kinder übertragen. Also das merkt man einfach. Da sind dann die Eltern die dann auch sagen "so, jetzt bist du 20. Jetzt guck dich mal langsam um". [...] (E, Zn. 34ff)

[...] eigene Familie. Weil das zunehmend ein Thema wird, auch Menschen mit Behinderung als Eltern. Auch da ist es ja, dass es dann oft schwierig ist, die passende Unterstützung zu bekommen. (B, Zn. 29ff)

Eine die Problematik vervollständigende Einzelmeinung äußert F. Sie beschreibt, inwiefern Spannungen zwischen Menschen mit Behinderung und Angehörigen entstehen können, wenn unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Lebensperspektiven bestehen.

[...] dass die Wünsche "wie soll mein Leben aussehen" sehr stark auseinander gehen können. Und [...] man immer mehr merkt "eigentlich möchte ich was anderes und ich will als 30-, 40-Jähriger nicht mehr das Zusammenleben mit 70-, 80-Jährigen, das soll in eine ganz andere Richtung gehen". Das ist sicherlich so ein ganz großes Spannungsfeld [...]. (F, Zn. 39ff)

Die Hauptursache dieser Problemlage ist in der mitunter sehr engen Beziehung zwischen dem Mensch mit Behinderung und seinen Eltern zu sehen. Die sehr enge Bindung wirkt sich nachteilig auf eine selbstbestimmte Lebensführung aus. Inwiefern Konflikte zwischen Menschen mit Behinderung und Eltern aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen der eigenen Lebensplanung entstehen wird in der Fachliteratur weniger als innerhalb des Beratungssettings thematisiert.

  • Probleme im Bereich Sozialkontakte und Freizeit

Die von den Interviewpartner/innen angesprochenen Aspekte decken sich mit den Aussagen von Speck (2005, S. 339-340), in denen er auf die Abhängigkeit der Menschen mit Behinderung in der Freizeitgestaltung allgemein, von Eltern und Trägern und weiteren Bereichen der Behindertenarbeit eingeht. Insbesondere bei Menschen mit einer geistigen Behinderung wird in Bezug auf die Freizeit und die Ermöglichung und Pflege von Sozialkontakten auf die Erwachsenenbildung verwiesen (Fornefeld, 2004, S. 119-122). Zwar kann man hier Parallelen ziehen, dennoch handelt es sich um zwei verschiedene Bereiche (Niehoff, 2007a, S. 123-124; Theunissen, 2009, S. 357). Zudem wird im Gegensatz zu den Aussagen der Interviewpartner/innen angeführt, dass Freizeit einen positiven Effekt auf die Integration und Inklusion haben kann (Opaschowski, 2006, S. 218). Erschwernisse im Bereich Freizeit listet Kerkhoff (1982, zit. in Markowetz, 2007b, S. 315) auf, worauf an entsprechender Stelle in der Auswertung verwiesen wird.

Eine Differenzierung erfolgt hier auf der individuellen, der institutionellen und der gesellschaftlichen Ebene. Mehrheitlich werden von den Interviewpartner/innen (A-G) Schwierigkeiten bei der Begleitung zu Freizeitangeboten genannt. Zum einen, wenn die Menschen mit Behinderung vorrangig von den Eltern begleitet werden und zum anderen durch die Situation in Wohneinrichtungen, die eine selbstbestimmte Freizeitgestaltung aufgrund der personellen Aufstellung oft nicht zulässt. Hinzu kommen Schwierigkeiten im Sinne einer Abhängigkeit durch äußere Motivation, hier bezogen auf ein institutionelles Setting (D) (vgl. Hennies & Sasse, 2004, S. 70).

Aber ich erleb das schon so, dass Menschen mit Behinderung Schwierigkeiten haben, häufig, ihre Freizeit selber zu gestalten. [...] und die Behinderung gibt noch mal einen besonderen Blick auf diese Sachen. [...] Also da erlebe ich schon, dass im Prinzip jeder Mensch von sich aus auch schon im Kindheits-und Jungendalter lernen muss, wie er so was macht. (A, Zn. 80ff)

Vom Menschen mit Behinderung ausgehend zeigt sich die Problemstellung basierend auf der Tatsache, dass in der Kindheit nicht vermittelt wurde, die Freizeit selbst zu gestalten (vgl. Markowetz, 2007b, S. 315), was sich bis in das Erwachsenenalter bemerkbar macht (A -E, H). Die Ausprägung der Behinderung kann dabei auch erschwerend einwirken. In diesem Zusammenhang wird auch berichtet, dass Eltern das Freizeitverhalten ihrer Kinder steuern (vgl. a.a.O.), was die Selbstbestimmtheit der Menschen mit Behinderung einschränkt (Interviewpartner/innen A, B, C, F und H) (vgl. Seifert, 2006, S. 378). Zudem beeinflusst das deutsche Schulsystem die Problematik der Freizeitgestaltung und der Pflege von Sozialkontakten entscheidend, wie die Berater/innen B, E und H darstellen.

Ob jetzt das, was die Menschen mit Behinderung in ihrer Freizeit und sozialen Kontakten machen, auch immer das ist, was sie wollen. Oder ob das nicht auch gesteuert ist von den Eltern, klar, das mag dahingestellt sein. [...] (F, Zn. 62f)

Bezieht man die Problematik auf die Umgebung von Menschen mit Behinderung beziehungsweise auf die Möglichkeiten der Teilhabe, die von der Gesellschaft geboten werden, stellt man anhand der Äußerungen von Interviewpartner/innen D, I und J fest, dass bestimmte äußerliche Bedingungen nicht an den Menschen mit Behinderung und dessen Bedürfnisse angeglichen sind (vgl. Markowetz, 2008, S. 66). Sei es Barrierefreiheit oder dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen nicht kompensiert werden, etwa bei einer Sinnesbehinderung oder dass die Methode "Leichte Sprache" nicht angewandt wird (vgl. Schirbort & Göthling, 2006, S. 248).

Auf gesellschaftlicher Ebene beschreiben D, I und J weitere Vorurteile, die den Menschen mit Behinderung entgegengebracht werden und die folglich eine Freizeitgestaltung unter integrativen Gesichtspunkten erschweren (vgl. Markowetz, 2008, S. 66). Die ZsL-Berater/innen I und J gehen auf den oftmals nicht barrierefrei gestalteten ÖPNV als Hemmnis in der Freizeitgestaltung ein, wobei I noch zwischen Stadt und Land differenziert.

[...] teilweise das Problem der Barrieren. Also dass, wenn man jetzt von Freizeitangeboten ausgeht, oft die nicht barrierefrei sind. Z. B. für Rollstuhlfahrer, dass die nicht überall rein kommen. [...] Blinde Menschen auch aufgrund Barrieren, wenn vieles optisch abläuft. [...] Da natürlich aufgrund der Kommunikationsbarrieren, bei den gehörlosen Menschen. Bei Menschen mit Lernschwierigkeiten ist ja oft dann das Problem, dass wenn irgendwelche Kurse besucht werden, da keine Leichte Sprache verwendet wird. [...] (I, Zn. 41ff)

Auf der individuellen Ebene beschreibt F (KoKoBe) den Freizeitstress, den Menschen mit Behinderung aufgrund eines Überangebots von Freizeitmöglichkeiten haben können, als anderes Extrem der Problematik (vgl. Niehoff, 2006, S. 411)

Was ich oft denke bei Menschen mit geistiger Behinderung, wenn ich mir so anschaue, was machen die. Dann haben die so einen extrem vollen Plan. Dann gehen die montags schwimmen, dienstags VHS Lesen, mittwochs das, Lesekreis usw. [...] Und wo ich dann oft denke "muss man das alles machen?". Das sind Menschen, die arbeiten den ganzen Tag und müssen die das alles noch tun? (F, Zn. 65ff)

Zwar decken sich hier Theorie und Praxis insofern, als dass die Ursachen der Probleme in den Ausgangslagen (elterliche Begleitung, institutionelle Bedingungen und gesellschaftliche Haltung) gesehen werden. Unterschiede stellen sich heraus, indem die Theorie an dieser Stelle auf die pädagogischen Möglichkeiten einer Freizeitgestaltung eingeht, während die Interviewpartner/innen vom Mensch mit Behinderung ausgehend die Problemlage beschreiben und sich somit eine Kluft zwischen Theorie und Praxis ergibt.

  • Probleme im Bereich Bildung und Arbeit

Der Bereich Bildung bezieht sich in der Fachliteratur schwerpunktmäßig auf die Schulbildung. Zum einen werden die Vorteile des von den Interviewpartner/innen kritisierten Sonderschulsystems aufgezeigt (gezielte Förderung und Ort für Sozialkontakte), zum anderen wird die Kritik an der Separation angebracht (Fornefeld, 2004, S. 97; Fischer, 2007, S. 299-300).

Neben den von Moosecker (2008, S. 154 ff) thematisierten Schwierigkeiten junger Menschen mit Körperbehinderung beim Berufseinstieg erfährt die Werkstatt für Menschen mit vorwiegend geistiger Behinderung trotz ihres Leistungsangebots als Rehabilitationsträger (Speck, 2008, S. 489; Bieker, 2007, S. 377-378) eine ähnliche Kritik, wie die in den Äußerungen der Interviewpartner/innen dargestellte. An dieser Stelle seien exemplarisch die mangelnden Alternativen zur Werkstatt, kaum Möglichkeiten, einen Beruf zu erlernen, einen meist berufslebenslangen Verbleib in den Werkstätten (Lindmeier, C., 2006, S. 394-395) und die niedrigen Löhne (Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 63) genannt.

Während der Bereich Bildung auf das Schulsystem bezogen wird, ist der Bereich Arbeit untergliedert. Zum einen wird vorwiegend von den Berater/innen der KoKoBe die Situation für Menschen mit einer geistigen Behinderung in Bezug auf die Werkstätten für Menschen mit Behinderung thematisiert, zum anderen stellen die ZsL-Berater/innen die Schwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dar. Bei letzerem kristallisieren sich die Schwerpunkte Behinderung und Berufswahl beziehungsweise Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und Vorbehalte von Seiten der Arbeitgeber heraus (vgl. Moosecker, 2008, S. 168).

Im Bereich Bildung wird das Förderschulsystem von den Interviewpartner/innen A, E, H und I kritisiert. Es werden die großen Einzugsgebiete genannt, die eine Integration in das Lebensumfeld erschweren, außerdem die Aussonderung und Ausgrenzung aufgrund des Systems (vgl. Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, 2004, S. 7; Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 63). Nach wie vor ist für die Mitarbeiter/innen der KoKo-Be in Bezug auf die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt der Automatismus "Werkstatt" für Menschen mit geistiger Behinderung recht ausgeprägt (B-F) (vgl. Lindmeier, C., 2006, S. 395). Hier wird angemerkt, dass den beruflichen Interessen oft nicht Rechnung getragen wird, da sich undifferenzierte Angebote und die Arbeitsbedingungen negativ auf die Arbeiter auswirken (Gruppengröße, Lärm, Arbeitsbelastung, Konflikte usw.). Alternativen zur klassischen Werkstatt stellen laut KoKoBe integrative Arbeitsangebote dar, welche sich im Aufbau befinden (A, B, D, E, F) (vgl. Bader, 2005, S. 1). An der Systematik der Eingliederungshilfe und den sich daraus ergebenden Strukturen für die Beschäftigung von Menschen mit geistiger Behinderung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung kritisiert Interviewpartnerin F die Tatsache, dass die Menschen trotz der erbrachten Arbeitsleistung finanziell auf dem Niveau eines Sozialhilfebeziehers gehalten werden, was im weiteren Sinn Auswirkungen auf die Integration und Teilhabe hat (vgl. Speck, 2008, S. 491).

[...] die meisten gehen immer noch in die Werkstatt für Menschen mit Behinderung. [...] Probleme in der Werkstatt sind häufig, dass die Gruppen sehr groß sind, dass oft eine enorme Lautstärke herrscht, dass dadurch Konzentrationsprobleme entstehen. Das ist natürlich in der Werkstatt auch immer noch Engpässe gibt, wo die Leute nichts zu arbeiten haben und dann oft einfach nichts passiert. [...] (E, Zn. 68ff)

Es gibt einfach noch viel zu wenig Angebote auf dem freien Arbeitsmarkt. Oder dass man irgendwie integrierte Angebote in Firmen, also gibt es ja zum Glück immer mehr. Das ist ja schon im Kommen. [...] (D, Zn. 78ff)

Vorrangig die Berater/innen (I, J) der ZsL zeigen auf, dass allein aufgrund der körperlichen Behinderung die Berufswahl recht eingeschränkt ist (vgl. Moosecker, 2008, S. 156). Es gilt solche Berufe zu wählen, die mit der Behinderung zu bewältigen sind, trotz geeigneter Hilfsmittel und Arbeitsplatz-Assistenz. Zudem erfahren Menschen mit Körperbehinderung nach wie vor massive Nachteile in Folge Nichtaufgeklärtheit der Arbeitgeber über den Kündigungsschutz, wie die Berater/innen aus den ZsL (G, I, J) berichten. Aufgrund der bereits dargestellten Problematiken bezüglich geeigneter Arbeitsplätze und Kündigungsschutz ergibt sich die Konsequenz, dass Menschen mit körperlicher Behinderung regelmäßig nur schwer Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt finden, auch weil sie mit Vorurteilen konfrontiert werden, etwa vermutete hohe Krankheitsausfälle aufgrund der Behinderung. Demzufolge erhalten sie oft nicht die Möglichkeit, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren (H, I, J, ZsL). Deutlich wird dies auch anhand der hohen Arbeitslosenzahlen bei Menschen mit einer körperlichen Behinderung (vgl. Speck, 2008, S. 488).

Also man muss einfach gucken, dass man seine Bildung und Ausbildung so ausrichtet, dass man damit die behinderungsbedingten Einschränkungen möglichst kompensieren oder ein bisschen umschiffen kann. Sich also Berufe suchen wo die eigene Behinderung nicht so stark eine Rolle spielt. [...] Ein ganz großes Hemmnis ist dieser Mythos des Kündigungsschutzes. Wo viele glauben "den werd ich ja nicht mehr los". Was überhaupt nicht stimmt. (J, Zn. 82ff)

Grundsätzlich führen die Interviewpartner/innen B, F und H die angesprochenen Problematiken auf die gesellschaftlichen Bedingungen und die in Deutschland vorherrschende, sehr an Leistung orientierte Arbeitskultur zurück (vgl. Theunissen, 2009, S. 307). Als eine Konsequenz wird der Ausstieg aus dem System genannt (E), was die Arbeitslosigkeit bedeutet.

Und wir haben hier einfach so eine Arbeitskultur, wo Menschen mit Behinderung da eigentlich kaum eine Chance haben, weg zu kommen. (F, Zn. 86)

Obwohl Übereinstimmungen zwischen Interviews und Forschungsliteratur zu verzeichnen sind, fallen folgende Diskrepanzen auf: Die Auseinandersetzung mit Alternativen zur Werkstatt nimmt in der Literatur einen verschwindend geringen Teil ein, was darauf zurück zu führen ist, dass dieser Sektor sich momentan im Aufbau befindet. Der "Mythos" Kündigungsschutz und die Tatsache der häufig vermuteten Krankheitsausfälle vom Menschen mit einer körperlichen Behinderung wird schwerpunktmäßig von den Interviewpartner/innen der ZsL beschrieben. Ebenso findet die gesellschaftliche an Leistung orientierte Haltung als Ursache für Probleme im Bereich Bildung und Arbeit weniger Beachtung in der Forschungsliteratur.

6.1.2 Kategorie 2: Gesellschaftliche und institutionelle Ursachen

  • Typische soziale Problemkarrieren aufgrund der Behinderung

Soziale Problemkarrieren lassen sich auf der Basis der in Deutschland nach wie vor stark ausgeprägten Institutionalisierung darstellen, untergliedert in die zwei Hauptbereiche "Wohnen" (vgl. Theunissen, 2009, S. 376-377) und "Arbeit" (siehe vorherige Kategorie). Speck spricht in diesem Zusammenhang von einer sozialen Abhängigkeit (Speck, 2005, S. 90). Inwiefern eine Änderung der Problemlage feststellbar ist, zeigt sich anhand des Paradigmenwechsels (Theunissen, 2009, S. 13).

Diese Thematik stellt sich aufgrund der Unterscheidung zwischen Menschen mit einer körperlichen und Menschen mit einer geistigen Behinderung von zwei Herangehensweisen aus dar. Die sich im Umbruch befindende Karriere eines Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung wird vorrangig von den Berater/innen der KoKoBe beschrieben. Sie beobachten Regelmäßigkeiten in den Biografien der Menschen mit Behinderung, die sich aus der Struktur des Unterstützungssystems ergeben. Der Mensch mit Behinderung durchläuft das in der vorherigen Kategorie kritisierte Schulsystem, um anschließend in einer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung zu leben und einen Arbeitsplatz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu erhalten (Berater/innen C, D, F) (vgl. Hinz, 2006, S. 251). Einige (A, C, D, G) erkennen ein Aufbrechen, was sie unter anderem auf die sich verändernden Angebote in der Behindertenarbeit zurückführen, hier beschrieben im Bereich Wohnen (vgl. Theunissen, 2009, S. 377-378) und Arbeit. Interviewpartner/innen A, B und H unterscheiden bei dem Verlauf einer Karriere oder der Biografie nach dem Alter der Klientel. Klienten im Alter von ca. 50 Jahren sind beziehungsweise waren vermehrt von Aussonderungsmechanismen betroffen, während jüngere Menschen mit Behinderung auch aufgrund ihrer Erziehung ein offensiveres und selbstbewussteres Auftreten zeigen (vgl. Seifert, 2003, S. 50), beispielsweise im Umgang mit dem Kinderwunsch (H). Für die KoKoBe-Berater/innen (A, B) besteht ein Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Behinderung und dem Verlauf einer "typischen" Biografie. Zwar könnte man davon ausgehen, dass je schwerer die Behinderung, desto starrer der Lebensweg vorgezeichnet ist. Dies wird in den Antworten allerdings nicht herausgestellt. Interviewpartnerin D beschreibt die Karrieren als dem Querschnitt der Gesellschaft entsprechend.

Das hat was meiner Meinung nach in erster Linie mit dem Alter der Klienten zu tun. Also wenn ich heute Klienten habe, die 40, 50 sind, dann sind das Leute, die geboren sind nach dem Krieg, kurz nach dem Krieg. Und der Umgang damals war deutlich anders als heute. Also noch mehr wegschließen, verstecken, Makel, Stigma. [...] Also wenn ich junge Menschen hier habe, 20, 25-jährige, dann merkt man dass sich doch das Ganze freier bewegt, offener darstellt. Und von daher glaube ich schon, dass diese typischen Problemkarrieren auch etwas mit dem Alter zusammenhängen. (A, Zn. 134ff)

Also ich glaube, dass das gerade aufbricht ein bisschen. Weil die Angebote sich auch differenzieren für Menschen mit Behinderung. [...] (C, Zn. 85f)

Eine typische Karriere für Menschen mit einer körperlichen Behinderung stellen die Interviewpartner/innen der ZsL im Vergleich zu den Berater/innen der KoKoBe nicht so klar heraus. Sie thematisieren als zweite Herangehensweise die Problematik bei einer im Laufe des Lebens erworbenen Behinderung und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die den Verlauf einer Lebensgeschichte nachteilig beeinflussen können.

Wenn eine Behinderung im Lauf des Lebens erworben wird (z. B. durch einen Unfall) bedeutet dies für die Betroffenen einen radikalen Bruch in ihrer bisherigen Biografie, was zur Folge haben kann, dass sie die neue Lebenssituation nicht erfolgreich bewältigen und ihr Leben von einer negativen Sozialkarriere geprägt ist (G, H und I, ZsL) (vgl. Ehrig, 1996, S. 320 ff). Diese kann sich dadurch äußern, dass die Menschen sich hilflos fühlen, Schwierigkeiten haben zu akzeptieren, dass sie auf Hilfe angewiesen sind und sich zu einem bestimmten Grad aufgeben. Den Verlauf einer typischen Biografie eines Menschen mit (körperlicher) Behinderung stellen die Berater/innen G und J in Zusammenhang mit dem Umgang der Gesellschaft mit dem Menschen mit Behinderung. Während G entwürdigende Einzelsituationen beschreibt, zieht J eine Bilanz zur gesellschaftlichen Akzeptanz.

Und ja, gerade bei Späterkrankten, denke ich, ist es noch mal eine ganz andere Sache, wo man so dieses Herausfallen aus den, aus den biografischen Lebensläufen noch stärker merkt, als bei Menschen denke ich, die im Kindesalter eine Behinderung hatten. (H, Zn. 113ff)

Ich glaube zunächst einmal von der gesellschaftlichen Akzeptanz sind wir noch nicht so weit [...]. (J, Zn. 106f)

Beraterin I spricht in diesem Zusammenhang zwei relevante Punkte an. Sie beschreibt, wie (auch junge) Menschen mit Behinderung angesichts unpassender Unterstützungssysteme nach wie vor im Altersheim leben (vgl. Speck, 2008, S. 352). Des weiteren ordnet sie typische soziale Problemkarrieren den Bedingungen am Arbeitsmarkt zu, konkret dass Menschen mit Behinderung aufgrund der Chancenungleichheit weniger Beschäftigung haben, dadurch mehr freie Zeit und aufgrund dessen mehr der Gefahr der Isolation und Vereinsamung ausgesetzt sind.

[...] aber manchmal eben doch Menschen mit Behinderung, obwohl sie noch nicht so alt sind, aufgrund des fehlenden Hilfesystems oder der fehlenden Information über Hilfemöglichkeiten als jüngere behinderte Menschen in Altenheimen landen. [...] Und häufig ist es eben auch so, dass behinderte Menschen ja doch relativ isoliert leben und eben auch viele Menschen mit Behinderung aufgrund dessen, dass oft eben auch keine Arbeit da ist, sehr viel freie Zeit haben und die auch nicht gefüllt ist. Also wirklich auch Vereinsamung [...]. (I, Zn. 106ff)

In dieser Unterkategorie zeigt sich aufgrund der Parallelen zwischen Forschungsliteratur und der Auswertung der Paradigmenwechsel, konkret an der Unterscheidung des Verlaufs der sozialen Karriere aufgrund des Alters der Klientel. Zwar bietet sich auch an, die Ursache "erworbene Behinderung" näher zu untersuchen, was aber an dieser Stelle zu weit führen würde.

  • Ursachen sozialer Benachteiligung

In der Fachliteratur werden die Ursachen der sozialen Benachteiligung von Menschen mit Behinderung in der gesellschaftlichen Einstellung gesehen, welche sich als Konsequenz nachteilig auf die Lebensumstände der Betroffenen auswirkt. Hier ist die Sprache von sozialen Problemen, welche das gesellschaftliche Ungleichgewicht markieren (Wüllenweber, 2006, S. 205). Theunissen erwähnt in diesem Zusammenhang: "Die meisten dieser Personen werden bei uns im Erwachsenenalter in der Regel als "gesellschaftlich integriert" betrachtet [...] Dabei dürfte die große Mehrheit der Betroffenen in sozio-kultureller Benachteiligung und Armut leben" (Theunissen, 2009, S. 123). Speck führt weiter die "Grenzen der sozialen Integrationsbereitschaft in der Gesellschaft" (Speck, 2008, S. 350) an.

Die Problemstellung der sozialen Benachteiligung wird von den Interviewpartner/innen sowohl auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als auch auf individueller Ebene gesehen. Als grundlegend für eine soziale Benachteiligung von Menschen mit Behinderung sehen die Interviewpartner/innen (A, C, D, F, I) die gesellschaftliche Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung (vgl. Theunissen, 2009, S. 52). Etwa dass sie einer bestimmten Definition unterliegen, die zugleich stigmatisierend wirken kann (vgl. Markowetz, 2006, S. 146). Beeinflusst wird diese Haltung auch von dem bisher gängigen Umgang mit dem Menschen mit Behinderung, wie er schon als Automatismus in der vorherigen Kategorie beschrieben wurde. Menschen mit Behinderung werden in hierarchisch geordnete Kategorien sortiert (vgl. Speck, 2008, S. 400). Zum einen von der Gesellschaft beziehungsweise dem Lebensumfeld, zum anderen auch untereinander. Menschen mit einer Körper-oder Sinnesbehinderung werden in der Hierarchie im oberen Bereich, Menschen mit einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung hingegen am unteren Ende positioniert. Dass sich diese Einordnung auf die Chancengleichheit auswirkt erklärt sich von selbst (C, G, I).

Also ich würde ja nie so von Ursachen, sondern von so einem sozialen Feld sprechen, in dem Menschen mit Behinderung leben. In so einem bestimmten gesellschaftlichen Feld. Und es hängt damit zusammen, wie behinderte Menschen definiert sind. Also durch die Gesellschaft. [...] Da gibt es ja auch ganz bestimmte Kategorienbildungen. Es gibt immer den guten Behinderten, den weniger guten Behinderten. Und ich glaube, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung sehr unten rangieren, nach wie vor. Und da eben auch noch mal unterschiedlich bis hin zu Schwerstmehrfachbehinderten [...]. (C, Zn. 98ff)

Zwar werden bestimmte Ursachen der Benachteiligung auf gesellschaftlicher Ebene beschrieben, etwa die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung oder mangelnde finanzielle Mittel (vgl. Speck, 2005, S. 211), zugleich erwähnen die Interviewpartner/innen (A, C, D, F, G) aber auch ein Aufbrechen in der Gesellschaft, was im Sinne von Integration auch einen zukunftsweisenden Charakter haben könnte (vgl. Speck, 2008, S. 150).

Ich glaube, die soziale Benachteiligung liegt in erster Linie darin, dass es, dass der Staat nicht das Geld hat, um die Förderpotenziale zu nutzen, die da wären. Also eher eine finanzielle Benachteiligung, die sich dann auf diese soziale Benachteiligung auswirkt. [...] (A, Zn, 178ff)

Deutlich sichtbar zeigt sich die Änderung der Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung im Straßenbild, wie die Interviewpartner/innen A und G anmerken, da sie beispielsweise vermehrt Rollstuhlfahrer wahrnehmen. Dass sich die soziale Benachteiligung konkret im Leben bemerkbar macht, schildern die Berater/innen der ZsL (G, I und J). Sie kritisieren, dass nach wie vor nur wenig barrierefrei gebaut wird, was nachteilige Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben kann (vgl. Theunissen, 2009, S. 20-21). Die Interviewpartner/innen A, G, I und J sprechen die Chancenungleichheit an, aus der soziale Benachteiligung resultieren kann. In diesem Zusammenhang erwähnt Interviewpartnerin G das Gleichstellungsgesetz und die UN-Konvention. Da Deutschland die Konvention (zum Zeitpunkt des Interviews) noch nicht ratifiziert hat, ist sie ihrer Meinung nach hier (noch) wirkungslos. Außerdem werden weitere gesetzliche Bedingungen genannt, die soziale Benachteiligung begünstigen. Vorurteile als Ursache sozialer Benachteiligung nennen Interviewpartner/innen C, D und I. In Bezug auf Menschen mit einer geistigen Behinderung sehen Interviewpartner/innen B und F (KoKoBe) die Herkunftsfamilie auch als Risiko für soziale Benachteiligung an, indem sie durch eine überbehütende Verhaltensweise die Sozialisierung des Menschen mit Behinderung beeinträchtigt.

Einen nicht unwesentlichen Punkt spricht Interviewpartnerin C an, wenn sie auf die ambivalente Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung eingeht. Zum einen die Förderung, zum anderen die pränatale Selektion, beispielsweise durch Fruchtwasseruntersuchung und Spätabtreibung (vgl. Speck, 2008, S. 150-151).

Aber es ist genau so richtig, dass es immer noch abwertende Ideen über sie gibt, bis hin zu definierter Tötung durch Spätabtreibung oder Fruchtwasseruntersuchung. Also beide Stränge gibt es ja. Also es gibt ja dieses "wir bringen euch um" und "wir fördern euch". Das existiert parallel. (C, Zn. 110ff)

Neben den Übereinstimmungen zwischen den theoretischen Aspekten und den Aussagen der Interviewpartnerinnen sticht ein Punkt heraus: Die beschriebene Hierarchie der Menschen mit Behinderung und die daraus resultierende Chancenungleichheit und Exklusion findet sich lediglich in den Einschätzungen der Interviewpartner/innen.

  • Die Verselbstständigung in Verbindung mit defizitärer institutioneller Begleitung

Die Defizite institutioneller Begleitung zeigen sich in der Forschungsliteratur anhand der Begrifflichkeiten "Deinstitutionalisierung" und "Enthospitalisierung". Die Defizite werden im Zusammenhang mit ihrer Beseitigung beschrieben. Unter Deinstitutionalisierung wird verstanden, dass vornehmlich in (Groß)Einrichtungen die gegebenen Strukturen (Zentralversorgung, Systemzwänge, Machtstrukturen) sich nicht mit der aktuellen, der Selbstbestimmung verpflichteten Behindertenarbeit in Einklang bringen lassen und den Grundbedürfnissen der Betroffenen nicht gerecht werden beziehungsweise die Betroffenen sich den Strukturen der Institutionen anpassen müssen (vgl. Theunissen, 2007a, S. 67). Unter Enthospitalisierung versteht man den Abbau der aufgrund der Strukturen der Institutionen entstandenen Verhaltensauffälligkeiten, auch "Heimkarriere" genannt, durch pädagogische, therapeutische und soziale Maßnahmen (vgl. Theunissen, 2007b, S. 95). Hiller bemängelt in diesem Zusammenhang, dass in der Behindertenpädagogik wenig Interesse an der Erforschung der Lebensläufe von Menschen mit Behinderung besteht, insbesondere in den ersten beiden Lebensdekaden. Seiner Meinung nach könnte eine professionelle Unterstützung weitaus effektiver gestaltet werden, bestünde hier ein systematisch erfasstes Wissen, auf das zurückgegriffen werden könnte (Hiller, 2006, S. 43).

Die Defizite von Seiten der Institutionen stellen sich auf zwei Ebenen dar, einerseits die konzeptionelle Systematik der Einrichtungen -was man auch als Leitbild bezeichnen könnte -und die personelle Besetzung und andererseits die Ebene des einzelnen Mitarbeiters.

Ähnlich wie bereits beschrieben, sehen die Interviewpartner/innen (A, B, C, G, H, I, J) die größten Defizite in einigen klassischen Institutionen der Behindertenarbeit, besonders im Schulsystem, das nach wie vor aussondert und dem Integrationsgedanken wenig Rechnung trägt.

Da sie eben wohl "behütet" aufwachsen und am Ende ihrer Sonderschulkarriere feststellen, das Leben ist aber nicht so. Es nimmt nicht so viel Rücksicht auf mich. Und mir hat mal eine Kollegin gesagt "ich war in der Schule die Schnellste und dann kam ich in das reale Leben und war die Langsamste. Da hätte mich jemand darauf vorbereiten müssen". [...] Mit der Erziehung oder mit der Bildung in so einer Sondereinrichtung, dass so eine Glasglocke drüber gemacht wird und gesagt wird "wir bereiten das Kind auf die Selbstständigkeit vor" und hinterher ist das Leben ganz anders. (H, Zn. 137ff)

In den Bereichen Arbeit und Wohnen sind die Defizite in den klassischen Ausprägungen, die Werkstatt als Arbeitsplatz und als Pendant die teilstationären Wohneinrichtungen, festzustellen. Ergänzend beschreiben Interviewpartner/innen A und H starre Vorgaben seitens der Institutionen. Diese Vorgaben bewirken, dass sich der Mensch mit Behinderung dem Angebot anpassen muss, anstatt dass die Unterstützung an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtet wird (vgl. Fornefeld, 2008a, S. 9; Theunissen, 2009, S. 48). Dies hat laut Beraterin A auch zur Folge, dass die Institutionen über wenig Handlungskompetenz verfügen, sollte ein Mensch mit Behinderung den Vorgaben aufgrund von z. B. Verhaltensauffälligkeiten oder anderen zusätzlichen Faktoren nicht entsprechen (vgl. Lindmeier, B., 2008, S. 144). In diesem Zusammenhang beschreiben Interviewpartner/innen C, F und I, dass sich der Paradigmenwechsel in bestimmten Institutionen noch nicht vollzogen hat. C geht noch einen Schritt weiter und schreibt den institutionellen Strukturen ein Vorantreiben der Nicht-Verselbstständigung zu (vgl. Fornefeld, 2004, S. 141).

Und das oft einfacher erscheint, jemandem einen Heimplatz zu organisieren oder behinderte Menschen je nach Behinderung in die Werkstatt abzuschieben, wie auch immer. So diese Schienen. Oder eben Förderschulen. Verwahrung von der Wiege bis zur Bahre. [...] (I, Zn. 161ff)

Entscheidend für die Qualität der institutionellen Begleitung ist nach Meinung der Interviewpartner/innen A, B, C, D und G die professionelle Haltung des Personals, was sie auch mit einem dem Alter entsprechenden beruflichen Selbstverständnis in Verbindung bringen (vgl. Lindmeier, B., 2008, S. 142). Sie nennen in Verbindung mit Problemen vorwiegend ältere Mitarbeiter/innen im Bereich des stationären Wohnens, die noch weitgehend im Sinne des Fürsorge-Gedankens arbeiten. Dazu bemerkt A, dass die Defizite auch daher rühren können, dass Mitarbeiter/innen nicht die entsprechende Motivation haben, Verselbstständigung zu unterstützen. Als einen Grund hierfür nennt sie das Burn-Out-Syndrom (vgl. Speck, 2005, S. 297-299). Einen zusätzlichen Faktor stellt der Personalschlüssel in stationären Wohneinrichtungen dar. Selbst wenn die Mitarbeiter/innen im Sinne der Selbstbestimmung arbeiten wollten ist dies aufgrund zu geringer Zeitkapazität oft nicht möglich.

Mit Sicherheit gibt es gerade auch im stationären Bereich noch viele Einrichtungen, die schon noch irgendwie sehr nach alter Schule arbeiten [...], gerade so die älteren. Die einfach schon ewig lange im Beruf sind, [...] Wo man einfach irgendwie 30 Jahre so gearbeitet hat, dann hat man das einfach so drin [...]. (D, Zn. 151ff)

Inwiefern sich eine Änderung in Richtung Individualität und Selbstbestimmung in der institutionellen Begleitung vollzieht, zeigen die Interviewpartner/innen (C, D, F, I) zum einen am ambulant betreuten Wohnen auf, zum anderen ordnen sie diese Aufgabe klar den Leitungspositionen der Institutionen zu, die Selbstbestimmung als "Top-down"-Strategie zu verfolgen. Zwar beschreibt Theunissen das Empowerment-Konzept als eine "Bottom-up"-Strategie, (Theunissen, 2009, S. 65) doch ist eine klare Maßgabe etwa der UN-Konvention (2007, Art. 4) und der Bundesregierung, die Ausbildung von Fachkräften "um aktuelle, umfassende und gründliche Kenntnisse über Voraussetzungen, Möglichkeiten und Wege der Rehabilitation zu erlangen" (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, 2004, S. 14).

Und das ist eine Frage der Leitung von Einrichtungen, das ist eine Frage von Mitarbeitern und von Offenheit, ganz viel, ist klar. [...] (F, Zn. 143f)

Dass die gegenwärtige Finanzierungspraxis die bisherigen defizitären Strukturen aufrechterhalten kann, zeigen die Antworten der Interviewpartner/innen der ZsL (G, H). Zum einen wird der Kostenunterschied zwischen Heimplatz und persönlicher Assistenz zugunsten des Heimplatzes genannt, zum anderen wird auf das persönliche Budget eingegangen (vgl. Lindmeier, B., 2008, S. 149ff.). Zwar ist das persönliche Budget eine Maßnahme in Richtung Selbstbestimmung, doch bezweifelt Interviewpartnerin H, dass dieses Modell allen Anspruchsberechtigten gerecht werden kann, da es zu teuer ist.

Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Perspektiven in der Herangehensweise an die Problemstellung. Während die Fachliteratur sich vornehmlich mit dem Wesen der Institutionalisierung, welche sich auf die Arbeitshaltung des Personals auswirkt, auseinandersetzt, nähern sich die Interviewpartnerinnen aus der Perspektive des Personals. Zwar wird auch herausgestellt, dass die professionelle Haltung eine Konsequenz der Politik der Institutionen ist, jedoch zeigt diese Perspektive auf, dass das Empowerment-Konzept wie schon von Theunissen dargestellt eine "Bottom-up"-Strategie ist.

  • Probleme im Zusammenhang mit einer Grundhaltung von Hilflosigkeit

Diese Unterkategorie gliedert sich in die Ursachen der erlernten Hilflosigkeit auf institutioneller Ebene (vgl. Schirbort & Göthling, 2006, S. 249) und deren individuellen Auswirkungen. Theunissen beschreibt diese Problemlage und bezeichnet sie in Bezug auf die Institutionalisierung als "erlernte Bedürfnislosigkeit". Ebenso spricht er -ähnlich wie von den Interviewpartner/innen beschrieben -die Rolle der Eltern an (Theunissen, 2009, S. 74).

In großer Mehrheit ordnen Interviewpartner/innen (A, B, C, E, F, H, J) die Hauptursache für die Hilflosigkeit der Institution Wohneinrichtung zu (vgl. Speck, 2005, S. 91). Zum Teil werden nur die Institutionen genannt, zum Teil wird der konkrete Bezug zur stationären Wohneinrichtung hergestellt. Ähnlich stark gewichtet wird die erlernte Hilflosigkeit im Zusammenhang mit den Eltern (B, C, D, E, I, J), konkret das überbehütende Verhalten der Eltern. Interessant ist die teilweise Beobachtung (C, I), dass das hilflose Verhalten der Menschen mit Behinderung mit dem Auszug aus der elterlichen Wohnung nicht mehr präsent ist und die Menschen sich in Situationen eigenständig verhalten, was ihnen zuvor von Seiten der Eltern beziehungsweise Angehörigen abgesprochen worden war.

Und oft macht man ja auch die Beobachtung, dass wenn jemand von zuhause in ein Wohnheim zieht, schon vieles von dieser Hilflosigkeit in der elterlichen Wohnung zurückgelassen wird. [...] (C, Zn. 161f)

Als Resultat (siehe auch Kategorie 1) kann ein relatives Unvermögen entstehen, eigene Ziele zu entwickeln, sie zu formulieren und umzusetzen (A und B, KoKoBe) (vgl. Theunissen, 2006, S. 199). An die Zielformulierungsproblematik schließt sich an, dass den Menschen mit Behinderung auch nicht vermittelt und zugestanden wird, eigene Problemlösekompetenzen zu entwickeln, wie A, B und D (KoKoBe) anmerken.

Die Grundhaltung der erlernten Hilflosigkeit trifft nicht generell auf alle Menschen mit Behinderung zu. Interviewpartner/innen A, B, C, F und G differenzieren hier folgendermaßen: Eine erste Unterscheidung nehmen C, E und F (KoKoBe) vor, indem sie den Wirkmechanismus der erlernten Hilflosigkeit auf das Lebensalter ihrer Klientel beziehen (vgl. Theunissen, 2009, S. 74-75). Folglich ist die erlernte Hilflosigkeit eher bei älteren Menschen mit Behinderung zu erkennen (vgl. Schirbort & Göthling, 2006, S. 249).

In Einzelfällen ist das natürlich sehr unterschiedlich, wodurch eine gewisse Hilflosigkeit, Fraglosigkeit, Ziellosigkeit, fehlende eigene Vorstellung oder begrenzte eigene Vorstellung. [...] (B, Zn. 84ff)

Die zweite Unterscheidung wird von den Mitarbeitern der ZsL vorgenommen, und zwar zwischen Geburtsbehinderung und erworbener Behinderung. Wenn letztere der Fall ist, laufen die Betroffenen eher Gefahr, sich in einen Zustand der Hilflosigkeit zu begeben. Inwiefern man hier von der klassischen erlernten Hilflosigkeit nach Seligman (1995) sprechen kann, wird anhand der Antworten nicht deutlich (G und I).

Viel mehr ist, wenn es jemand erwirbt, innerhalb seines Lebens. Dann kann es eben ganz schnell werden, dass er sich als hilflos und nicht mehr vollwertig fühlt. [...] (G, Zn. 249f)

Als Ursachen für die erlernte Hilflosigkeit werden, wie bereits aufgezeigt, zum einen die Strukturen der Institutionen und zum anderen die professionelle Haltung der in erster Linie älteren Betreuer gesehen (vgl. Schirbort & Göthling, 2006, S. 249). In diesem Zusammenhang kommt der Paradigmenwechsel zum Tragen. Inwiefern dieser sich auf die Verhaltensweise der erlernten Hilflosigkeit auswirken kann, beschreiben Interviewpartner/innen E und H. Ihrer Meinung nach hat sich zumindest theoretisch der Wechsel vollzogen, in der Praxis erfolgt die Umsetzung jedoch nur bedingt.

Ich glaube dass der Paradigmenwechsel, dass der sich erst langsam vollziehen wird. Es ist ja sowieso immer so, dass die Theorie, dass mehr vorgeht, das ist ja wie so ein Ideal. Und dass die Praxis dann hinterher kommt. [...] (E, Zn. 96ff)

Die KoKoBe-Mitarbeiter/innen A, B und C nennen den IHP als Möglichkeit für die Menschen mit Behinderung, eine auf eigenen Zielen und auf der Grundlage der Selbstbestimmung aufbauende Lebensperspektive zu entwickeln (vgl. Daun, 2008, S. 2). Sie reflektieren die Umsetzung der Hilfeplanung kritisch, da sie zwar den Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt rückt, dies jedoch nur in begrenztem Maße tut. Zum anderen reflektiert C die eigene Wahrnehmung, indem sie beschreibt, wie sie ihren ersten Eindruck gelegentlich zugunsten ihrer Klientel revidiert, da sie den Menschen zuerst weniger Kompetenz zutraute. Der IHP könnte also als Ausweg aus dem Wirkmechanismus der erlernten Hilflosigkeit verstanden werden. Als gegenteilige Strategie zur erlernten Hilflosigkeit führen Interviewpartner/innen (ZsL) I und J das Empowerment-Konzept an, das für sie ein elementarer Bestandteil ihrer Arbeit ist. Als Beispiele für die Anwendung werden die Reaktion auf ein negatives Selbstbild (I) und das Herausstellen der Ressourcen und Potenziale genannt.

Interviewpartnerin H bezieht die Hilflosigkeit auf das betreuende Personal. Sie begründet ihre Ansicht damit, dass oft nicht nachvollziehbar sei, wie es ist, ein Leben mit einer Behinderung zu führen. Eine gewisse Überforderung entsteht, aus welcher die Hilflosigkeit resultiert. Nun könnte der Gedankengang dahingehend weiter entwickelt werden, dass die eigene Hilflosigkeit ein Verhalten in der Begegnung mit Menschen mit Behinderung verursacht, das wiederum zu der erlernten Hilflosigkeit beim Menschen mit Behinderung führt.

[...] das hat viel mit Hilflosigkeit zu tun. "Ich tue was Gutes, weiß aber gar nicht, was tatsächlich für den Menschen gut ist. Und ich glaube nur aus meiner Sicht, was für ihn gut ist, aber wissen kann ich es nicht". Aber das machen sich die meisten gar nicht bewusst, dass sie hilflos sind. [...] (H, Zn. 168ff)

Während die Ursachen der erlernten Hilflosigkeit übereinstimmend sowohl auf familiärer als auch institutioneller Ebene gesehen werden, eröffnet sich an dieser Stelle Handlungsspielraum. Der Hinweis findet sich in den Aussagen von Berater/innen der KoKoBe, wenn sie beschreiben, dass der Wechsel der Wohnform mit einem "Abstellen" hilfloser Verhaltensweisen einhergehen kann. Zwar wird kritisch angemerkt, dass die professionelle Grundhaltung des Personals auch eine Ursache darstellt, doch bietet dieser Wendepunkt im Leben des Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, eine zeitgemäße professionelle Unterstützung zu bieten. Dass diese Möglichkeit in der Praxis bisher weniger genutzt wird, ist in der Auswertung dargestellt.

6.1.3 Kategorie 3: Professionelle Unterstützung

  • Sozialarbeiterische und weitere soziale Hilfen im Vorfeld

Zuerst werden die einzelnen Institutionen der Behindertenarbeit und der sozialen Hilfen genannt, anschließend erfolgt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den individuellen Beratungsfragestellungen durch die Interviewpartner/innen. Sie beleuchten die Beraterrolle und die Herangehensweise der Ratsuchenden.

Menschen mit Behinderung erleben oft von frühester Kindheit an, in ein Hilfesystem eingebunden zu sein (Interviewpartner/innen A, F, H, I, J). Die Begleitung von institutioneller Seite zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografie (vgl. Antor, 2006, S. 37). Ähnlich wie in Kategorie 2 werden auch hier von den KoKoBe-Berater/innen die klassischen Institutionen der Behindertenarbeit im Bereich Bildung genannt. Bezogen auf die Kindheit sind dies die Frühförderung, der (integrative) Kindergarten, die Schule und Schulbegleitung und aus dem außerschulischen Bereich der familienentlastende Dienst (A -F).

Interviewpartner/innen A und H zählen Ämter auf, welche Anlaufstellen für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige sein können: Jugendamt, Gesundheitsamt, Sozialamt, Arbeitsamt und der Integrationsfachdienst.

Weiterführende Hilfen nach der schulischen Begleitung sind für die Interviewpartner/innen (B, D, I, J) die Trägereinrichtungen verschiedener Wohnformen und die Werkstätten für Menschen mit Behinderung, bei letzteren insbesondere die sozialen Dienste. Interviewpartner B führt zusätzlich institutionell organisierte Freizeitangebote an, die mittlerweile einen unterstützenden Charakter haben können.

Also für (Name der Stadt) muss ich feststellen, dass ich den Eindruck habe, dass die Klienten schon sehr stark auch in Systemen sind. Die meisten. Also eine meiner zentralen Fragen, wenn hier jemand ist, ist dass ich frage "wo waren Sie denn schon überall?". Da kommt oft eine lange Liste wo sie schon überall waren. [...] Also es ist so ein System, so ein Tragen durch die Systeme irgendwie. [...] (A, Zn. 294ff)

Die Berater/innen der ZsL (G, I, J) nennen Beratungsstellen von Kirchen oder Vereinen, die unter anderem die Klientel an sie verweisen. Interviewpartnerin G stellt in diesem Zusammenhang den Unterschied zur Beratungsform des Peer-Counseling heraus, da ihrer Meinung nach insbesondere in Beratungsstellen von Vereinen Eltern von Betroffenen anzutreffen sind, deren Beratungsstil von einem Fürsorgecharakter geprägt ist (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 63). Hilfe aus dem Bereich des Gesundheitswesens (Rehabilitationsmaßnahmen, Sozialstationen, Krankenkassen und Pflegedienste) werden laut Interviewpartner/innen H, I und J (ZsL-Berater/innen) ebenfalls in Anspruch genommen, auch im Zusammenhang mit einer erworbenen Behinderung. Interviewpartner/innen E und F (KoKoBe) nennen als psychosoziale Unterstützung, die ihre Klientel erfährt, die Therapie.

Es gibt verschiedene Beratungsstellen, das sind die von Vereinen. [...] Und oftmals ist es eben nicht in der Peer-Counseling-Rolle sondern in der Fürsorge-Rolle. Das sind oftmals Eltern von behinderten Kindern, die eher die Fürsorge und nicht die Selbstbestimmung. [...] (G, Zn. 275ff)

Eine Ausnahme unter den Ratsuchenden sind laut Interviewpartner/innen A und I Menschen, die bislang keine Hilfen im Vorfeld in Anspruch genommen haben. Die Hintergründe hierfür gehen aus den Antworten nicht hervor. Als Erklärungsansatz könnte die Tatsache dienen, dass über die Hälfte aller (erwachsenen) Menschen mit Behinderung in Deutschland bei ihren Eltern lebt (Wachtel, 2007, S. 112).

Inhaltlich unterscheiden Interviewpartner/innen A und D (KoKoBe), ob die Anfragen gezielt oder offen formuliert sind und ein allgemeiner Beratungsbedarf besteht, beispielsweise der Wechsel der Wohnform. Diese Unterscheidung ist insofern interessant, als dass sie Aufschluss über die Differenziertheit der Vorinformation geben kann und auf bereits unternommene Versuche in Bezug auf bestimmte Frage-oder Problemstellungen rückgeschlossen werden kann. Die Tatsache, dass viele Ratsuchende, bevor sie zu den Beratungsstellen kommen, schon einige Institutionen im Hilfesystem in Anspruch genommen haben, ist für die Interviewpartner/innen (A, G, I, J) ein Hinweis darauf, kritisch zu hinterfragen, inwiefern die bereits erbrachte Unterstützung von realistischem Nutzen für die Betroffenen waren (vgl. Theunissen, 2006, S. 216). Sei es, dass die Betroffenen nicht umfassend begleitet wurden oder die Berater über nicht ausreichende Kompetenzen verfügten. Bei dieser Unterkategorie fällt auf, dass schwerpunktmäßig die Berater/innen der ZsL diese Überlegung äußern. Interviewpartner J führt in diesem Zusammenhang die Selbstbetroffenheit der Berater an, die als Erfolgsgarant der ZsL-Beratung steht.

Ob sie soziale Hilfen bekommen, das steht wohl noch auf einem anderen Blatt, muss ich ganz ehrlich sagen. Also Hilfe heißt für mich auch irgendetwas erreichen. Und es reicht nicht, wenn Klienten oder deren Angehörigen gesagt wird "ja, dann müssen Sie mal da und da hin gehen". Das verläuft im Sand. Das funktioniert nicht. [...] da kommen sie schon sehr zielgerichtet hier hin. Aber ich erlebe es sehr oft, dass Klienten mit anderen Fragestellungen auch kommen und dann völlig überrascht sind, was es auch noch gibt. [...] (A, Zn. 297ff)

Viele haben eine unheimlich lange Odyssee hinter sich. Von Stellen wo sie gehofft haben, dass sie was finden, die Hilfestellung, aber es nicht bekommen haben. Viele haben sich einfach auch an anderen Stellen nicht verstanden gefühlt, weil es Nichtbehinderte waren, die ihnen gegenüber saßen. [...] Wir sind dann, werden oftmals so beschrieben nach dem Motto "endlich hab ich jemand gefunden, der mich versteht und wo ich mich aufgehoben fühle". [...] (J, Zn. 224ff)

In Bezug auf die Elternschaft von Menschen mit Behinderung erläutert Interviewpartnerin H, dass viele Institutionen (und in diesem Zusammenhang auch Eltern Betroffener) mit dieser Thematik überfordert sind und dass sie aufgrund dessen einen Beratungsbedarf anderer Einrichtungen verzeichnet. Als Ursache hierfür sieht sie, dass speziell für diese Thematik das professionelle Unterstützungssystem (noch) nicht vorbereitet ist (vgl. Blochberger, 2008, S. 30).

Es gibt auch Menschen, die hier, oder Familien, die hier anrufen. Z.B. wenn ein sog. Mensch mit Lernschwierigkeit Eltern wird, wo dann die Erzieher oder die Betreuer, gesetzlichen Betreuer oder die Eltern hier anrufen [...]. Die aber eben auch mit sehr, sehr großer Hilflosigkeit reagieren, wenn es um das Thema Kinder kriegen geht. Spätestens da fällt selbst den gutwilligsten Sozialarbeitern oftmals ganz schnell ihre Grenze auf, weil das Rechtssystem oder das soziale Unterstützungssystem auf das Thema überhaupt noch nicht vorbereitet ist. Die Thematisierung ist jung. (H, Zn. 190ff)

Es lassen sich folgende Aspekte zusammenfassen: Im Vorfeld der Beratungstätigkeit wurden in der Regel viele soziale Hilfen in Anspruch genommen, wobei die Vermutung geäußert wird, dass viele dieser Hilfen inadäquat waren. Insbesondere werden die professionelle Grundhaltung und die Herangehensweise kritisiert.

  • "Typische" Zugangswege der Klientel zur Beratungsstelle

Die hier dargestellten, dominierenden Zugangswege, nämlich die Eltern / Angehörigen und die Institutionen, finden in der Literatur folgende Beachtung: Der erste Zugangsweg lässt sich unter dem Begriff der "sozialen Selbsthilfe" fassen, indem Austausch und Unterstützung in informellen Netzwerken, hier die Informationsweitergabe, stattfindet. Ein Grund für die starke Gewichtung für die informelle Unterstützung stellt der Ausgleich von Defiziten und negativen Folgen professioneller Unterstützung dar (Beck, 2006a, S. 383-384).

Mehrheitlich nennen die Interviewpartner/innen (A, B, C, D, E, F, H) Eltern und Angehörige, die den Kontakt zu den Beratungsstellen herstellen. Inwiefern die Kontaktaufnahme zwischen Angehörigen und Klientel im Vorfeld abgesprochen wurde, ist aus den Antworten nicht immer ersichtlich, wobei anzunehmen ist, dass die Eltern sowohl im Interesse ihrer Kinder als auch aus Eigeninteresse anrufen.

In der Regel erfahren die Menschen mit Behinderung und deren Angehörige über Mundpropaganda von den Beratungseinrichtungen. Zum einen dadurch, dass Eltern miteinander sprechen. In diesem Fall gewinnt die Selbstbetroffenheit als entscheidender Hinweis an Bedeutung. Zum anderen auch durch die Menschen mit Behinderung selbst. Die Mundpropaganda als Zugangsweg ist in diesem Bereich tragend, da beispielsweise die Einrichtung noch nicht so bekannt ist oder die Zielgruppe über andere Institutionen nicht immer an die Beratungsstellen vermittelt wird. (B, E, G, H, I, J)

Und ganz, ganz viel [...] läuft dann auch über Mundpropaganda. [...] das ist ja dann auch so ein Netzwerk, auch zwischen Familien mit behinderten Kindern. [...] "dann gehen Sie doch mal in die KoKoBe". (E, Zn. 183ff)

Die KoKoBe-Berater/innen (B-F) nennen die klassischen Institutionen als Zugangsweg für Menschen mit Behinderung; insbesondere die Wohneinrichtungen, da die KoKoBe sich in der Anfangszeit über diesen Weg bekannt gemacht haben. Die Werkstätten stellen einen Zugang dar, da die KoKoBe Beratungssprechzeiten in den Werkstätten den Menschen mit Behinderung anbieten. Gelegentlich wird der Kontakt über andere Beratungsstellen oder Dienste hergestellt, die meistens im Sektor der Behindertenarbeit angesiedelt sind (B, C, G, H, J). Hier wird mehrheitlich der familienentlastende Dienst genannt. Seltener ist allerdings der Fall, dass ein Mensch mit Behinderung sich direkt bei der Beratungsstelle meldet, wie die Interviewpartner/innen (A, C, E) der KoKoBe berichten.

Und ein typischer Weg, den wir gerade auch ausbauen oder ausgebaut haben, sind die Werkstätten. Weil wenn man dort zur Beratung KoKoBe, wenn wir da Sprechstunde z. B. haben, das ist so ein gewisser neutraler Raum. [...] (B, Zn. 165ff)

Die Öffentlichkeitsarbeit als möglichen Zugangsweg für die Klientel beschreiben Interviewpartner/innen G, H und I (ZsL), wobei in diesem Zusammenhang dem Internet eine immer größer werdende Bedeutung beigemessen wird. Auf KoKoBe-Seite erwähnt lediglich Berater B das Internet als Zugangsweg, das mit der Zeit stärker genutzt wird.

Dann ein Teil über die Öffentlichkeitsarbeit, die wir machen. Also Präsenz im Internet hat zugenommen, muss ich sagen. Dass uns viele beim Googeln gefunden haben. [...] (I, Zn. 232ff)

Eine Einzelnennung soll an dieser Stelle aufgegriffen werden, da sie die Bandbreite der Zugangswege ergänzt und abrundet. Interviewpartnerin F nennt die Heimbeiräte, welche die KoKoBe begleiten, als Möglichkeit der Bekanntmachung. Auch hier gilt der Aspekt der Informationsweitergabe aufgrund der Selbstbetroffenheit. Eine zweite Frage, mit der sich die Interviewpartnerin beschäftigt, ist, wie Menschen außerhalb des Systems der Institutionen von der Beratungsstelle erfahren können.

Und schwieriger und schleppender ist es natürlich, oder ist die Frage, wie finden Menschen Zugang zu uns, die nicht unbedingt in diesen Systemen sind? [...] Heimbeiräte, solche Geschichten. (F, Zn. 2197ff)

Die Tatsache, dass der Mensch mit Behinderung selbst weniger den Kontakt zur Beratungsstelle aufbaut, sondern die Angehörigen hier eine sehr zentrale Rolle spielen deckt sich mit den Aussagen der bereits dargestellten Problemlagen. Als Interpretationsgrundlage dient die enge Bindung zwischen dem Menschen mit Behinderung und den Eltern, welche zur Folge hat, dass eigene Interessen und Ziele weniger vom Menschen mit Behinderung selbst formuliert werden. Dennoch bemerken die Interviewpartner/innen eine selbstständige Kontaktaufnahme, die aufgrund des stetig zunehmenden Bekanntheitsgrads ausgebaut werden kann.

6.1.5 Zusammenfassung des Schlüsselkonzepts

Die individuelle Behinderung ist zwar die Ausgangs-und Grundlage für eine Interaktion mit den informellen und formellen Unterstützungssystemen, jedoch nicht die Ursache für die beschriebenen Problemlagen. Die Ursachen liegen vielmehr hauptsächlich in den drei von den Interviewpartner/innen beschriebenen Ebenen: dem familiären Setting, den Institutionen und übergeordnet der gesellschaftlichen Haltung beziehungsweise dem gesellschaftlichen Verhalten, wie sich in der Auswertung der zweiten Kategorie zeigt.

Deutlich zeigen sich hier die Spuren des Paradigmenwechsels. Die beschriebenen Problemlagen zeugen von dem Fürsorge-Charakter, welcher unter bestimmten Gesichtspunkten noch erkennbar ist. Als Ist-Zustand wäre zu beschreiben, dass sich einerseits der Paradigmenwechsel vollzogen hat, da sich in den Antworten der Interviewpartner/innen keine bevormundende Haltung oder eine "Metapher des Defizits" (Herriger, 2006, S. 67) erkennen lässt. Das erfragte alltagstheoretische Berufswissen der Interviewpartner/innen bezogen auf die Problemlagen stellt ein Resümee des Erbes etwa einer medizinischen Deutungsfolie (Herriger, 2006, S. 68) dar. Doch dass diese Sichtweise die professionelle Grundhaltung der Berater/innen dominiert ist nicht zu erkennen, da beispielsweise eine kritische Hinterfragung der Ursachen der Problemlagen zu verzeichnen ist. Exemplarisch seien das Schulsystem oder die sozialarbeiterischen Hilfen im Vorfeld der Tätigkeit genannt. Vielmehr können die beschriebenen Problemlagen als Ausgangsbasis für die zukünftige Arbeit mit der Klientel gesehen werden.

Andererseits beeinflussen die Relikte einer von "Paternalismus" (Theunissen, 2009, S. 181) geprägten professionellen Haltung konkret die Arbeit der Berater/innen. Inwiefern sich hier Zusammenhänge zwischen diesem mittlerweile weitgehend der Vergangenheit angehörenden beruflichen Selbstverständnis und den dargestellten Problemlagen aufzeigen lassen, wird im Folgenden aufgezeigt.

Zuerst die Problemlage von Seiten der Eltern, hier konkret die Überbehütung (Speck, 2005, S. 304) und das "nicht-loslassen-können". Als Ursache kann unter anderem ein Misstrauen gegenüber professioneller Unterstützung angesehen werden und die Sorge, dass das Kind mit Behinderung außerhalb des elterlichen Hauses eine minderqualitative Begleitung erfährt (Klauß, 2007, S. 16). Dieses Misstrauen gegenüber professioneller Begleitung lässt sich historisch begründen, betrachtet man den Wandel in der Elternarbeit innerhalb der Behindertenarbeit. In der Literatur werden einheitlich folgende defizitäre professionelle Haltungen gegenüber den Eltern beschrieben: Zum einen das Laienmodell, indem von den Eltern verlangt wurde, die Fachlichkeit und die Handlungsanweisungen der Professionellen unhinterfragt anzunehmen. Zum anderen das Co-Therapeuten-Modell, bei dem von den Eltern erwartet wurde, die exklusiv von der Fachwelt entworfenen Therapiepläne für das Kind mit Behinderung anzunehmen und weiter zu führen (Theunissen, 2009, S. 181).

Institutionelle Defizite, welche sich beispielsweise an den Wohnangeboten von Einrichtungsträgern im stationären Bereich (vgl. Kategorie 2) zeigen, bestärkten die Eltern in ihrer Haltung, die Kinder in der Familie zu belassen. Dies ist eine nach wie vor aktuelle Problematik, trotz Aufbrechens der Wohnangebote und Forcierung der Ambulantisierung der Hilfen. Des Weiteren lassen sich die institutionellen Schwierigkeiten an den recht umfangreich von den Interviewpartner/innen genannten Hilfen, die vor ihren Beratungen geschehen, aufzeigen. Zwar entsteht die Institutionenkarriere der Betroffenen einerseits aufgrund der Biografie in entsprechenden relevanten Institutionen im Hilfesystem (Kindergarten, Schule, usw.), andererseits zeigt sich eine defizitäre institutionelle Begleitung (z. B. Unüberschaubarkeit des Hilfesystems) laut Aussagen der Interviewpartner/innen. Zumal der Kontakt zur Beratungsstelle oft aufgrund von Mundpropaganda anderer betroffener Eltern entsteht.

Die gesellschaftliche Haltung gegenüber dem Menschen mit Behinderung und seiner Familie stellt sich durch den Begriff der "Sonderfamilie" dar (Theunissen, 2009, S. 181). Familien mit einem Kind mit Behinderung haben einen Sonderstatus, was beispielsweise anhand einer Reduzierung der sozialen Netzwerke zu verzeichnen ist (Wachtel, 2007, S. 113). Zusätzlich kann die Sonderbehandlung des Menschen mit Behinderung durch die Systematik und Struktur der Behindertenarbeit als Spiegel der gesellschaftlichen Haltung gegenüber dem Menschen gesehen werden.

Bezogen auf die Auswertung dieses Schlüsselkonzepts lässt sich festhalten, dass der Paradigmenwechsel sich zwar vollzogen hat, die Auswirkungen der vergangenen Paradigmen in der aktuellen Behindertenarbeit allerdings sehr präsent sind, wie sich anhand der Darstellung der drei Hauptursachen nachvollziehen lässt. Zugleich zeigt sich der Wechsel an der vorgenommenen Unterscheidung der Interviewpartner/innen anhand der Lebensalter der Betroffenen. Sie beschreiben jüngere Menschen mit Behinderung als selbstbewusster und weniger in den Strukturen des Hilfesystems verhaftet als ältere Menschen, welche oft auf eine lange Karriere innerhalb des Systems zurückblicken.

Bezieht man nun diese zugrunde liegende Problematik auf das Empowerment-Konzept, bietet sich an, die Problemlagen mit der von Seligman beschriebenen erlernten Hilflosigkeit in Bezug zu setzen. Auf Grundlage der Aussagen der Interviewpartner/innen können folgende Annahmen formuliert werden: Als Ausgangsbasis dient die Annahme, dass die Hilflosigkeit aufgrund von Attributionen entsteht. Aussagen bezüglich Dimensionen der Attribution lassen sich wie folgt bestätigen (vgl. Seligman, 1990 zit. in Herriger, 2006, S. 59).

Die erste Dimension Personalisierung von Verantwortlichkeit: internal versus external trifft insofern zu, als dass es sich um die sog. persönliche Hilflosigkeit handelt. Die Erfahrung, dass bestimmte Lebensereignisse von anderen Personen kontrolliert werden, erfahren die Menschen mit Behinderung in vielen Bereichen, wie von den Interviewpartner/innen anschaulich dargestellt wurde. Inwiefern die betroffenen Menschen die Ursache an diesem Zustand in der eigenen Person sehen, ist nicht ersichtlich. Man könnte in diesem Fall auch von einer Auswirkung der universellen Hilflosigkeit sprechen, da keine Selbstzuschreibungen zu erkennen sind (vgl. Herriger, 2006, S. 59-60).

In der zweiten Dimension Reichweite der Nichtkontrolle: universell versus spezifisch handelt es sich um die universelle Attribution, da "die Ursachen von unkontrollierbaren Ereignissen sehr weit und allgemein gefasst" (Herriger, 2006, S. 60) und allgegenwärtig sind. Die Folge ist die "Generalisierung der Hilflosigkeit auf vielfältige Lebenskontexte" (a.a.O.). Deutlich zeigt sich dies in der ersten Kategorie, indem in den einzelnen Lebensbereichen regelmäßig die gleichen Verhaltensweisen anzutreffen sind, beispielsweise das Unvermögen, eigene Ziele zu formulieren und umzusetzen.

Die dritte Dimension zeitliche Stabilität der Hilflosigkeitsursachen: stabil versus variabel, ist hier als stabil zu bezeichnen und hat eine Chronifizierung zur Folge. Die Ursachen bleiben aufgrund der institutionellen Rahmenbedingungen über Jahre bis Jahrzehnte hinweg stabil (vgl. a.a.O.).

6.2 Schlüsselkonzept 2: Philosophie der Menschenstärken

6.2.1 Kategorie 1: Stärken und Ressourcen der Klientel als Anknüpfungspunkt

"Ressource" wird unter anderem definiert als die "natürliche oder gesellschaftliche Quelle der Grundlagen der Reproduktion" und als "Kraftquelle, Hilfsmittel, Hilfsquelle" (Langenscheidt Fremdwörterbuch, 2009, Stichwort: Ressource). Um Ressourcen in einem sozialpädagogischen Kontext zu sehen bedarf es einer weiteren Definition. Sie beinhaltet psychische und physische Qualitäten, immaterielle Bedingungen, etwa Überzeugungen, Einstellungen, Visionen. Ressourcen sind demnach als theoretisches Konstrukt zu verstehen, welches konkretisiert und operationalisiert werden muss, um anwendbar werden zu können. Ressourcen werden also aus sozialpädagogischer Sicht eingesetzt, um etwas zu ermöglichen oder zu erreichen und werden in eine "Mittel-Zweck-Relation" gesetzt. Dies kann aber nur gelingen, wenn sie als solche erkannt und bewertet werden (vgl. Schiepek & Cremers, 2003, S. 152).

Konkretisiert wird der Ressourcenbegriff durch die Definition von drei Elementen einer Ressource durch Ulrike Willutzki (2003). Die Aufgabenabhängigkeit bedeutet die Wirksamkeit einer Ressource im Zusammenhang mit Aufgaben und Problemsituationen, welche es zu lösen gilt. Somit sind Ressourcen nicht generalisierbar. Die Funktionalität beziehungsweise der Nutzwert von Ressourcen bemisst sich im Hinblick auf die persönlich definierten Ziele, Motive und Interessen. Aufgrund der persönlichen Bewertung und Sinnzuschreibung wird eine Ressource als solche wahrgenommen und genutzt (vgl. Willutzki, 2003, S. 91ff).

In Bezug auf die in der Auswertung dargestellten Ressourcen ist die Anmerkung, dass Ressourcen in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden sein, allerdings auch blockiert oder verschüttet sein können. Zudem können die Ressourcen un-/erwünscht oder einem drohenden Verlust ausgesetzt sein (Schiepek & Cremers, 2003, S. 155). Im Folgenden wird nach personalen und sozialen Ressourcen gefragt, welche die Interviewpartner/innen bei ihrer Klientel wahrnehmen. Eine Zuordnung der jeweiligen Ressource erfolgt nach der Ressourcentaxonomie von Herriger (vgl. Herriger, 2006, S. 90-93).

  • Personale Ressourcen

Neben der Nennung einzelner personaler Ressourcen wird dargestellt, wie mit ihnen verfahren wird und inwiefern die Berater/innen die Ressourcen mit ihrer Klientel gegebenenfalls auch erarbeiten. Welchen Stellenwert die personalen Ressourcen für die Beratungskunden einnehmen wird insbesondere anhand der Antworten der ZsL-Berater/innen deutlich.

Grundsätzlich stellen die Interviewpartner/innen (A, B, C, D, E, I, J) klar, dass sie die Ressourcen ihrer Klientel individuell wahrnehmen und erfassen. A, E, F und G beschreiben die Ressourcen als Interessen und Fähigkeiten, die in verschiedenen Bereichen angesiedelt sind. Etwa im hauswirtschaftlichen Bereich oder Freizeitinteressen, begonnen bei außergewöhnlichen Hobbys über kulturelle Betätigung (kulturelle Ressourcen beziehunsgsweise kulturelles Kapital) bis hin zu Computerkenntnissen, welche als Begabungsressourcen (siehe psychische Ressourcen) anzusehen wären. Personale Ressourcen, im Sinne von Kompetenzen, formulieren die Interviewpartner/innen B, C, G, I und H. Die Kompetenzen werden unterteilt in relationale, z. B. die Kontaktfreudigkeit (Ressource Beziehungsfähigkeit), kognitive, beispielsweise die Auseinandersetzung mit Musik und lebenspraktische, etwa die Pflege eines Haustiers. Kreativität als Ressource nennen die Interviewpartner/innen A, F und G. Zwar ist diese Ressource eng verknüpft mit den Interessen und Fähigkeiten, doch wird hier ein Schritt weiter gegangen, indem das tatsächliche Handeln, beispielsweise das Schreiben, die Ressource darstellt.

[...] der eine ist vielleicht sehr kontaktfreudig, der andere kann sich sehr gut orientieren und alleine irgendwo hin fahren, der dritte ist sehr zuverlässig in Verabredungen [...]. (B, Zn. 192f)

[...] es gibt Stärken in der Ausdauer, es gibt auch Stärken in der Ansprechbarkeit, in der Neugier, es gibt Stärken in Bezug auf "ausprobieren wollen" [...]. (C, Zn. 232ff)

Im Umgang, der Nutzung oder der Entwicklung der Ressourcen wird von den Interviewpartner/innen A, E, F und G angemerkt, dass die Menschen mit Behinderung mitunter Unterstützung brauchen, diese gezielt und effektiv einzusetzen und zu entfalten. In diesem Zusammenhang führen die Interviewpartner/innen A, C und F (KoKoBe) an, dass es durchaus vorkommen kann, dass die Ressourcen den Menschen mit Behinderung selbst nicht gegenwärtig sind und gemeinsam erarbeitet werden. Hier kommt auch die Hilfeplanung des LVR zum Tragen. Als Ursache für das bisweilen beobachtete Unvermögen der Benennung der Ressourcen wird auch die Erziehung beziehungsweise der Umgang mit den Menschen mit Behinderung angeführt, hier im Sinne von Fremdbestimmung. Aufgrund der oft nur kurzen Kontakte zu den Ratsuchenden ist es den Berater/innen der KoKoBe nicht immer möglich, die Ressourcen zu erkennen, wie aus den Antworten der Interviewpartner/innen A, D und F zu entnehmen ist.

[...] ich glaube schon, dass Menschen mit Behinderung Unterstützung brauchen, um ihre Talente, um ihre persönlichen Ressourcen auch an den Mann zu bringen. [...] Ich glaube, dass die Menschen mit Behinderung oft ihre Ressourcen gar nicht kennen. Weil, ja, weil da keiner so richtig nach fragt. [...] (A, Zn. 373ff)

Personale Ressourcen, die sich lebensgeschichtlich entwickelt haben, werden von den Berater/innen B, C, G, H und I beschrieben. Neben der Lebenserfahrung als Ressource an sich wird genannt, dass beispielsweise Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, schwierige Situationen zu meistern oder die Kompetenz der Selbstorganisation vorrangig von Menschen mit einer körperlichen Behinderung eingesetzt werden. Hier kann von motivationalen Ressourcen und den Ressourcen der Selbstakzeptanz, Selbstwertüberzeugung und des Bewältigungsoptimismus gesprochen werden. Bisweilen gilt es auch im Beratungsprozess, diese Ressourcen herauszustellen und daran anzuknüpfen (G).

Also eine Ressource, bei vielen, wenn es jetzt nicht nur gerade die jungen sind, aber es ist auch einfach, die man nicht unterschätzen darf ist Lebenserfahrung. Also wenn ein 40-Jähriger plant, eigenständig zu wohnen und wo man jetzt vielleicht jetzt auf dem Papier hat, der ist auf dem Niveau eines Zehnjährigen, dann ist der nicht auf dem Niveau eines Zehnjährigen. Sondern hat eben auch 40 Jahre Lebenserfahrung. [...] (B, Zn. 186ff)

Also was ich immer wieder feststelle, dass viele Menschen eine unheimliche Zähigkeit entwickelt haben, wenn es um ihre Anliegen geht. Ein sehr großes Durchhaltevermögen auch haben, so an positiven Ressourcen. [...] (I, Zn. 256ff)

Interviewpartnerin E stellt die Verfügbarkeit der Ressourcen in Zusammenhang mit dem Schweregrad der Behinderung und führt als Einzige an, was Ressourcen für einen Menschen mit einer schweren Behinderung bedeuten können. Konkret ist damit gemeint, dass die Kompetenzerweiterung in einem sehr eng gesteckten Rahmen, da beispielsweise auf einen Handlungsschritt begrenzt, von immenser persönlicher Wichtigkeit sein kann.

[...] wenn man jetzt mal davon absieht, sondern auch wirklich mal auf Menschen mit einer schwereren Behinderung den Fokus richtet, ist es ja so. Für den einen ist es ein riesen Erfolg, wenn er innerhalb eines Jahres den Löffel halten kann. Also da muss man natürlich immer ganz individuell hingucken [...]. (E, Zn. 207ff)

Gleicht man die genannten Ressourcen mit der von Herriger aufgestellten Taxonomie ab, so fällt auf, dass lediglich ein Ausschnitt personaler Ressourcen genannt wird. Physische oder relationale Ressourcen (etwa Konfliktfähigkeit oder Ambiguitätstoleranz) werden beispielsweise nicht aufgeführt. Inwiefern die nicht genannten Ressourcen bei der Klientel nicht anzutreffen sind oder die Aufzählung der Interviewpartner/innen als Momentaufnahme zu verstehen ist, kann nicht belegt werden und entspräche nicht der Intention dieser Fragestellung, da Ressourcen prinzipiell unterstellt werden (Willutzki, 2003, S. 91).

  • soziale Ressourcen

Menschen mit Behinderung befinden sich mehrheitlich in soziale Netzwerke eingebunden, die sowohl formell als auch informell sein können (A, E, I). Informellen Netzwerken werden in folgende Teilbereiche unterteilt: Partnerschaft als soziale Ressource nennen Interviewpartner/innen D und H, wobei H hier die Partnerschaft als für ihre Klient/innen nicht mehr verfügbare Ressource darstellt, da die Klient/innen sich oft erst an die Beratungsstelle wenden, wenn alle verfügbaren Unterstützungsmöglichkeiten genutzt wurden. Eine zentrale Ressource, das "Embedding", stellt für viele Menschen mit Behinderung die Familie dar (B, C, E, G, H, I). Hier wird auch die Unterscheidung zwischen Eltern und Geschwistern vorgenommen. C zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass mit zunehmendem Schweregrad der Behinderung diese Ressource mit die einzige ist, auf die die Menschen zurückgreifen können. Die Ressource Freundschaft wird von den Interviewpartner/innen (A, B, C, E, H, I, J) unterschiedlich bewertet. Während die Mitarbeiterinnen der KoKoBe zwar Freundschaften registrieren, werden sie doch eher als untypisch wahrgenommen. Freundschaften können also bei Menschen mit einer geistigen Behinderung weniger als Ressource angesehen werden. Als Gründe können die bereits ausgewerteten Aussagen des ersten Schlüsselkonzepts, Kategorie 1, herangezogen werden. Bei Menschen mit einer körperlichen Behinderung wird der Freundschaft ein höherer Stellenwert zugesprochen. Allerdings beschreibt Interviewpartnerin H, wie die Ressource aufgrund einer erworbenen Behinderung (ähnlich wie bei der Partnerschaft) wegbrechen kann. J beschreibt, dass über Freundschaften oft der Zugang zur Beratung erfolgt. Als nicht unwesentlich sieht Interviewpartnerin I die Nachbarschaftshilfe als Ressource an. Eine dem Empowerment entsprechende soziale Unterstützung beschreiben Interviewpartner/innen B und I, indem sie informelle Netzwerke von Menschen mit Behinderung anführen. Der Gedanke, sich gegenseitig zu unterstützen, steht hierbei im Vordergrund. Oft handelt es sich um Freizeitangebote oder Freizeiteinrichtungen von und für Menschen mit Behinderung. Interviewpartnerin I stellt die Bedeutung der Selbstbetroffenheit in den Vordergrund. Obwohl nicht an dieser Stelle erwähnt, sollte hier der Vollständigkeit halber die Selbsthilfegruppe von Interviewpartnerin H genannt werden.

Und für soziale Ressourcen ist sicher auch das familiäre Umfeld, Eltern oder Geschwister, die eine Rolle spielen. [...] (B, Zn. 199f)

Freunde weniger. Also, Freundschaften ist glaub ich ein, etwas was fehlt. Gibt es auch, aber sehr selten und gibt es dann auch bei Menschen, die relativ selbstständig sind. [...] (C, Zn. 246f)

[...] dass es teilweise auch gute Netzwerke unter Menschen mit Behinderung gibt. Da haben wir selber auch so ein Freizeitangebot, wo verschiedene Kaffeenachmittage, Frühstück, Freizeitgruppe, sich auch Menschen mit Behinderung treffen. Ihre Freizeit miteinander verbringen, aber sich auch oft gegenseitig austauschen, sich stärken, sich ermutigen und auch Informationen weiter geben. Also das finde ich auch, muss nicht immer so klassisch der Nichtbehinderte, die Nichtbehinderte sein. Sondern das ist oft auch so ein gegenseitiges Nehmen und Geben und auch gegenseitiges stärken. (I, Zn. 302ff)

Unterstützung im Bereich der formellen Netzwerke erfahren die Menschen mit Behinderungen im Bereich Wohnen. Hier beschreiben die Interviewpartner/innen (B, D, I) verschiedene nicht stationäre Wohnformen, die als Ressource gesehen werden können. Vermehrt werden Wohnformen genannt, die eine fachliche Betreuung auf ein Mindestmaß reduziert haben und die Selbstverantwortlichkeit der Klientel im Vordergrund steht. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung wird die Werkstatt als soziale Unterstützungsressource gesehen, als Ort, an dem Sozialkontakte gepflegt werden. Darüber hinaus werden soziale Dienste beziehungsweise Gruppenleiter als Teil des Netzwerks betrachtet. Für Menschen mit einer körperlichen Behinderung wird einmal der Arbeitsplatz als Ressource genannt (B, C, D, I).

Klar, gerade soziale Ressourcen sind gerade so im Bereich für Menschen, für die es auch möglich ist, dann auch ambulant betreut zu wohnen, halt immer auch ganz wichtig. [...] die ziehen mit den Leuten zusammen und da funktioniert dann viel einfach auch viel besser, weil sie dann schon ganz klare Vorstellungen haben. [...] (D, Zn, 270ff)

Und ein ganz wichtiger Unterstützungsraum ist natürlich auch immer die Werkstatt, weil da doch eben viele Kontakte sind, wo viel Unterstützung indirekt im Alltag läuft. (B, Zn. 207f)

In Bezug auf die Nutzung sozialer Ressourcen von Menschen mit einer geistigen Behinderung bemerkt Interviewpartnerin A, dass es durchaus Menschen geben kann, die trotz vorgehaltener Systeme auf diese verzichten wollen. In diesem Zusammenhang geht sie auf die umstrittene These ein, dass die Ambulantisierung zu einer Vereinsamung von Menschen mit Behinderung führt (vgl. Kendel &Thomas, 2004, S. 118).

Es gibt welche, die haben sie nicht. Da habe ich aber auch nicht den Eindruck, dass sie sie brauchen. Die wollen für sich sein. [...] dieses Schreckensgespenst von Vereinsamung. "Der arme Mensch mit Behinderung, wenn der doch allein in seiner Wohnung lebt, dann vereinsamt der doch". Das glaube ich einfach nicht. [...] Und derjenige, der sich bewusst zurückzieht, will sich auch bewusst zurückziehen. Und ich finde, diese Menschen muss es auch geben dürfen. Ich muss dem nicht Gesellschaft und Nettsein aufdrängen. Und der, der es haben will, der holt es sich auch. [...] (A, Zn. 385ff)

Interviewpartnerin F bemerkt, dass die Art der sozialen Ressourcen altersabhängig ist (vgl. Theunissen, 2009, S. 405), was auf den Paradigmenwechsel in der Behindertenarbeit zurückzuführen ist.

Weil, es gibt Menschen, die zu uns kommen, die sind 50 Jahre alt, die haben 30 Jahre in einem Wohnheim gelebt, da war immer alles verdeckt. Und da ist die Frage, wie kriegt man das hin, dass das noch raus kommt. Und es gibt die junge Generation der Menschen mit Behinderung, wo manchmal schon zu viel halt raus gekitzelt wird, Überforderung, Stress in der Freizeit und so. [...] (F, 257ff)

Es fällt auf, dass die ökonomischen und ökologischen Ressourcen der Klientel nicht dargestellt werden. Zwar sind diese Ressourcen vorhanden, doch werden sie als solche nicht wahrgenommen, was der von Willutzki (2005, S. 3) erwähnten Bewertung und Sinnzuschreibung entspricht. Auch sind die sozialen Ressourcen in Bezug auf informelle Netzwerke nicht in vollem Umfang verfügbar. Als Grund kann hier auch die Vermutung der Momentaufnahme gesehen werden. Die Nutzung professioneller Dienstleistungsressourcen wird durch das Aufsuchen der Beratungseinrichtung aufgezeigt.

  • Ressourcen während der Einstiegsphase

Bezogen auf das Empowerment-Konzept ist die Frage nach Ressourcen während der Einstiegsphase insofern von Bedeutung, als dass in dieser Phase lange Zeit ein Defizit-Blickwinkel dominiert hat, welcher diametral zum Empowerment-Konzept ist. Zudem hat die Erfassung der Ressourcen in dieser Phase auch die Aufgabe, theoretisch verfügbare aber praktisch blockierte Ressourcen zu erfassen, um hier einen Einstieg in die Arbeit zu bekommen (Herriger, 2006, S. 87). In der Auswertung stellt sich die Aufnahme der Ressourcen in der Eingangsphase folgendermaßen dar:

Neben der Erfassung werden die Ressourcen in Bezug zur jeweiligen Fragestellung gesetzt und dahingehend überprüft, ob und wie sie der Sache dienlich sind und inwiefern hier die Möglichkeit besteht, weitere Potenziale zu erschließen.

Die Ausgestaltung der Einstiegsphase beziehungsweise des Erstgesprächs von Seiten der Berater/innen beeinflusst laut A, B, C, D, F und J den Hilfeprozess. Die Berater/innen möchten in Kontakt treten und orientieren sich dabei an ihrer Klientel. Das Erstgespräch ist also richtungsweisend für den weiterführenden Hilfeprozess. Interviewpartner/innen A und D (KoKoBe) stellen klar, dass sie den Fokus auf den Menschen mit Behinderung richten, diese Fokussierung stellen sie in Zusammenhang mit Angehörigen, die oftmals Erstgespräche begleiten. Es wird herausgestellt (KoKoBe-Berater/innen A und D), dass bei der Beratung die Interessen des Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt stehen. Als sehr wichtige Ressource beschreiben Interviewpartner/innen A, D und H die eigenen Vorstellungen ihrer Klientel, genauer, dass sie sich ihrer Pläne im Klaren ist und diese auch formuliert beziehungsweise umsetzt (vgl. Herriger, 2006, S. 74).

Das ist halt auch ein bisschen die Frage, wie ist das Erstgespräch. Wie viel Zeit hat man dafür, was hat man für ein Setting, wie öffnen die sich. [...] (F, Zn. 268f)

Unterschiede in der Einstiegsphase stellen Interviewpartner/innen in der Differenziertheit der Fragestellung der Ratsuchenden, die Ressourcen betreffend dar. Von Interesse ist beispielsweise, ob der Mensch mit Behinderung eine Frage zum Bereich Wohnen hat oder ob sich hinter der Einstiegsfrage ein vielschichtigerer Themenkomplex verbirgt, als zuerst angenommen, wie Interviewpartner J anmerkt. Ressourcen allgemein werden dem ratsuchenden Menschen zugeschrieben oder unterstellt. H bemerkt, dass allein die Tatsache, dass Menschen sich des Hilfsangebots bedienen, eine Ressource darstellt. Diese Attestierung von Ressourcen, die ggf. noch aufgedeckt oder erworben werden, ist für die Interviewpartner/innen (B, C, G, I) eine Grundlage der Ressourcenorientiertheit ihrer Arbeit, I bezieht sich zudem auf das Empowerment-Konzept. Ängste und Unsicherheiten in der Eingangsphase thematisieren die ZsL-Berater/innen G und I. Beschrieben werden Ängste infolge vermuteter Selbstüberschätzung oder auch Selbstunterschätzung.

Also im Erstgespräch muss man natürlich erst mal so ein bisschen gucken, worum geht es überhaupt. Das ist oft nicht so ganz klar. [...] gerade jetzt für die juristische Beratung. Das wird von den Leuten sehr niederschwellig angesehen weil es ja leicht ist, sich selber einzugestehen, ich habe eine rechtliche Frage. [...] (J, Zn. 307ff)

Und Ressource heißt ja auch, es sind manchmal auch nur Vermutungen, weil man es ja nicht weiß unbedingt, aber mögliche Ressourcen. Das ist ein ganz zentraler Punkt. [...] (B, Zn. 218f)

Sondern natürlich schon auch Ängste, Unsicherheiten nicht einfach so abtun. Aber gerade wenn man merkt, Mensch, da ist eine Fähigkeit oder da ist so was, so ein positives Element, das auch möglichst hervorzuheben oder noch mal am Schluss auch daran anzuknüpfen. [...] (I, Zn. 319ff)

Interviewpartnerin F beschreibt, wie sie sich in der Eingangsphase auch auf die aktuelle Lebenssituation ihrer Klientel bezieht und daran anknüpft, da sie in den Kontexten, in denen sich die Menschen befinden, eine mögliche Ressource sieht.

Manchmal, man muss ja immer gucken, wo, mit was kommt der Mensch und wenn der gerade mitten in einer Sache beschäftigt ist. Was eine große Ressource von ihm ist, dann bleibt man da vielleicht auch eine ganze Zeit lang. [...] (F, Zn. 270ff)

Die Aussagen der Interviewpartner/innen korrespondieren mit der dem Empowerment-Konzept entsprechenden Grundhaltung der Ressourcenorientierung. Neben dem Bestreben, mit der Klientel in Kontakt zu treten wird dies durch die Fokussierung auf den Menschen mit Behinderung herausgestellt, auch im Hinblick auf die Rolle der begleitenden Angehörigen, welche nach wie vor eine vom Defizit-Blickwinkel geprägte Wahrnehmung haben können.

  • Ressourcendiagnostik und weiterführender Hilfeprozess

Zwar gehört es zum guten Ton einer zeitgemäßen Sozialen Arbeit, ressourcenorientiert zu arbeiten, doch wie die tatsächliche Umsetzung in der Praxis erfolgt ist schwer zu ermitteln (vgl. Herriger, 2006, S. 87). Jedoch ist es eine dem Empowerment-Konzept entsprechende professionelle Haltung, Ressourcen zu erfassen, um sie mit der Klientel für deren persönliche Zielerreichung einzusetzen. Theunissen nennt hier das "Stärken-Assessment", welches darauf abzielt, bislang beispielsweise negativ wahrgenommene Verhaltensweisen unter dem Aspekt der Ressourcenorientiertheit zu sehen (Theunissen, 2006b, S. 316). Hierzu steht im Handbuch zum Hilfeplanverfahren des LVR: "es ist daher eine fachliche Aufgabe eigener Art, persönliche Interessen, Fähigkeiten und Ressourcen bei behinderten Menschen aufzuspüren und diese zu deren Lebensbewältigung und Selbstfindung nutzbar zu machen" (LVR, o.J., S. 15). Das Hilfeplanverfahren ist das einzige von den Interviewpartner/innen genannte Diagnostikverfahren zur Erfassung der Ressourcen. Die Interviewpartner/innen der KoKoBe (A, B, D, E, F) nennen das Hilfeplanverfahren des LVR als Instrument der Ressourcendiagnostik. Hier werden zum einen die Ressourcen ermittelt, aufgeschlüsselt und zum anderen in Zusammenhang mit den Zielvorstellungen der Klientel gebracht. Einschränkend wäre zu bemerken, dass der Hilfeplan lediglich für Klient/innen geschrieben wird, wenn kein anderer im Hilfesystem diese Aufgabe übernehmen kann. Zudem bewerten die einzelnen Mitarbeiterinnen das Schreiben der Hilfepläne unterschiedlich. Mehrheitlich erfassen die Interviewpartner/innen (A, B, E, F, G, H, J) die Ressourcen über die gezielte Nachfrage. Ähnlich des Hilfeplanverfahrens stehen dabei die Ressourcen in engem Zusammenhang mit den Lebensvorstellungen der Menschen mit Behinderung. Folglich wird zuerst in Erfahrung gebracht, was der Mensch an Potenzial hat, um die eigenen Pläne umzusetzen. Haben die Berater/innen (A und B, KoKoBe) den Eindruck, dass in bestimmten Bereichen (noch) keine Ressourcen vorhanden sind, bieten sie ihrer Klientel an, diese Ressourcen für sich zu erschließen.

Ja, das ist ja ein ganz großer Bestandteil der Hilfeplanung. Und wenn ich diesen Hilfeplan, diese Hilfeplanung so gehe, wie der Weg ja gedacht ist, nämlich zu gucken, was möchte der Mensch und was sind seine Stärken [...]. (F, Zn. 278ff)

Interviewpartner/innen D, I und J stellen die Ressourcenerfassung in Zusammenhang mit einer konkreten Zielformulierung des Ratsuchenden für den weiterführenden Unterstützungsprozess. Davon, dass der Mensch über ein gewisses Ressourcenrepertoire verfügt, gehen Interviewpartner/innen C, E und J aus. Sie unterstellen ihrer Klientel im Vorhinein Fähigkeiten (vgl. Willutzki, 2003, S. 91), die mit den tatsächlich vorhandenen Ressourcen abgeglichen werden. Gelegentlich kommt es auch vor, dass die zu Beratenden sich ihrer Ressourcen nicht bewusst sind und die Berater/innen (E, G, I, J) die Aufgabe übernehmen, diese Stärken aufzuzeigen.

Also, dann geschieht es durch Unterstellung. Ja, ich unterstelle Ressourcen, die der Mensch hat. [...] Ich unterstelle die und gucke dann inwieweit korrespondiert das mit vorhandenen Ressourcen. [...] (C, Zn. 276f)

Interviewpartnerin I weist hier dem Prinzip des Peer-Counseling eine zentrale Rolle zu. Die Interviewpartner/innen der ZsL (G, H, I) beobachten, dass ihren Kund/innen oftmals schon geholfen ist, wenn sie die Bestätigung bekommen, dass sie mit ihren Bemühungen um die Problemlösung auf dem richtigen Weg sind und die Berater/innen diesen Prozess durch ihr Feedback bestärken können. Insbesondere kommt dies zum Tragen, wenn es sich um (häufige) einmalige, oft telefonische Kontakte handelt. Inwiefern das Erfassen der Ressourcen im Zusammenhang mit einer Grundhaltung von Hilflosigkeit stehen kann, zeigen Interviewpartner/innen I und J (ZsL) auf: In dem Fall sehen die Menschen ihre Möglichkeiten nicht, was sich erschwerend auf den Beratungsprozess auswirkt.

[...] dass man es den Leuten versucht auch deutlich zu machen, da sind die Stärken, weil die haben die und denen ist es ja oft nicht bewusst. Und da finde ich greift schon auch ein gewisses, in einem gewissen Moment auch dieses Peer-Counseling-Konzept. [...] das ist häufig so dieses Totschlagargument, was viele sich selber angeeignet haben "ich bin ja im Rollstuhl" oder "ich bin ja blind" oder "ich habe eine Lernschwierigkeit, das und das und das alles kann ich ja nicht. Wie soll ich denn eine Familie haben können, einen Beruf". So als Generalentschuldigung für alles. [...] (I, Zn. 329ff)

Interviewpartnerin I erwähnt hier ihre Qualifikation im Bereich der Klientzentrierten Gesprächsführung nach Rogers, die sie während des Studiums erworben hat und in diesem Kontext einsetzt (vgl. Rösch, 1995).

Und dass ich dann auch gezielt auf die Stärken und die Ressourcen an der Stelle dann, wenn ich dann das Gespräch noch mal so zusammenfasse, eingehe. [...] (I, Zn. 363ff)

Eine strukturierte Ressourcendiagnostik erfolgt lediglich über das genannte Hilfeplanverfahren, eine weitere Systematisierung ist nicht zu verzeichnen. Zwar wird herausgestellt, dass eine Ressourcenerfassung erfolgt, doch wie diese effektiv - da ohne kenntliches System - in der Praxis eingesetzt wird, ist nicht ersichtlich. Für die Effektivität spricht die Entsprechung der jeweiligen Ressource zu der individuellen Zielformulierung, was der Grundannahme des Empowerment-Konzepts (Expertentum der eigenen Sache) gleichkommt.

6.2.2 Kategorie 2: Umgang mit eigensinnigen und nicht-angepassten Lebensformen

  • Lebensformen, die persönlichen Überzeugungen widersprechen

Der Respekt vor eigenwilligen Lebensformen und Situationen, welche Akzeptanz für den Eigen-Sinn fordern, stellt eine dem Empowerment-Konzept entsprechende Grundhaltung dar. Ausgangslage für diese Haltung ist die bewusste Abkehr von einer "Negativbewertung der bisherigen unkonventionellen Lebenswege", bisweilen auch verbunden mit einer Einstellung, die Betroffenen seien "Opfer ihrer Lebensumstände" (Theunissen, 2009, S. 58), deren normabweichendes Verhalten es im Sinne der allgemeingültigen Konventionen zu korrigieren gilt (Herriger, 2006, S. 75). Um dem Empowerment-Konzept Rechnung zu tragen, bedarf es von professioneller Seite eine "voraussetzungslose Akzeptanz der Person des Klienten wie auch seiner konflikthaften Lebensentwürfe" (a.a.O.). Diese Akzeptanz bedeutet allerdings nicht, jegliches Verhalten zu tolerieren. Grenzen sind beispielsweise dort gesteckt, wo das Verhalten ein selbst-oder fremdschädigendes Ausmaß annimmt (a.a.O.).

Mehrheitlich geben die Interviewpartner/innen (A, C, D, F, H, I, J) an, auf Lebensformen, die ihren eigenen Überzeugungen widersprechen, mit Akzeptanz zu reagieren. Sie verstehen die Akzeptanz nicht als Freibrief für allerlei Verhalten, sondern als Grundhaltung, in der sie Menschen begegnen. Zwar verwenden nicht alle Interviewpartner/innen den Begriff, doch ihre Wortwahl lässt auf eine akzeptierende Grundhaltung schließen. Die akzeptierende Grundhaltung speist sich aus einem Verständnis, dass die Handlungsweisen der Menschen mit Behinderung begründbar sind und eine Zielsetzung haben. Die Berater/innen (A, E, I, J) sehen es als ihre Aufgabe, die handlungsleitenden Gründe in Erfahrung zu bringen und nachzuvollziehen. Den Respekt vor den gewählten Lebensformen der Menschen mit Behinderung zeigen die Interviewpartner/innen (A, C, D, G, H, I, J), indem sie sich zurücknehmen und den Eigensinn beziehungsweise die Interessen als solche anerkennen.

[...] ich weiß, derjenige tut es ja aus einem bestimmten Grund und ich kenne diesen Grund nicht. Und ich kann es erst verstehen, wenn ich diesen Grund kenne. Das heißt, ich frage eigentlich so lange nach, bis ich es verstehe und in dem Moment kann ich akzeptieren [...]. (A, Zn. 451ff)

Aufgrund der Rahmenbedingungen der Beratung haben die Interviewpartner/innen B, E, F und G wenig Berührungspunkte mit nicht ihrer Überzeugung entsprechenden Vorstellungen. Der eigentliche Lebensalltag ihrer Klientel beeinflusst die Beratung nur bedingt, die Berater/innen sehen sich in einer neutralen Rolle. Grenzen der Akzeptanz stellen für die Interviewpartner/innen (B, C, D, F, E, J) Situationen oder Umstände dar, in welchen Außenstehende nachteilig betroffen sein oder die Personen sich selbst schädigen können, beispielsweise Gewalthandlungen oder illegale Handlungen. Diese Überlegungen basieren zum einen auf Erfahrungen, zum anderen sind sie hypothetisch.

Also, es fällt schwer, wenn Vierte betroffen sind, z. B. wenn es um Menschen mit Behinderung als Eltern geht, oder so was.(B, Zn. 249f)

Interviewpartner/innen H und I (ZsL) merken an, dass die Ursache für eigenwillige Lebensformen oder -vorstellungen Unaufgeklärtheit oder Unreflektiertheit sein kann, und versuchen durch Aufklärung eine neue Basis zu schaffen, auf deren Grundlage eine informierte Entscheidung getroffen werden kann (vgl. Theunissen, 2009, S. 58, 63).

Also ich versuche dann schon auch raus zu bekommen, auf welcher Informationsbasis trifft der Mensch die Entscheidung. Und versuche dann schon auch noch mal auf Sachen aufmerksam zu machen, wo ich denke, dass sie mir, also dass sie wichtig sind [...]. Ja, eine gut informierte Entscheidung treffen zu können. [...] (H, Zn. 309ff)

Interviewpartnerin H führt die Einstellung zur Pränataldiagnostik als ihrer Grundüberzeugung nicht entsprechend an. Dabei bewertet sie diese Haltung als sehr der Gesellschaft angepasst und weniger eigensinnig und setzt sie der Grundhaltung der "Selbstbestimmt-Leben Bewegung" gegenüber.

Da fällt mir spontan das Thema Pränataldiagnostik ein. Wobei das, die Reaktionen der betroffenen Menschen, die dann hierher kommen ja nicht eigensinnig sind, sondern eher sehr angepasst. So z. B., dass sie sagen "Ich werde das Kind abchecken, ob es irgendwie, irgendwas hat, was nach einer Behinderung aussieht". Also was tatsächlich gegen meine persönliche Lebenseinstellung ist. Und vielleicht auch in dem Sinne eigensinnig und nicht angepasste Lebensformen aus der Bewegung der selbst, aus der "Selbstbestimmt-Leben Bewegung" heraus nicht angepasst. [...] (H, Zn. 295ff)

Die Interviewpartner/innen entsprechen mit ihrer professionellen Haltung dem Empowerment-Konzept. Herausragend ist allerdings die Haltung von Interviewpartnerin H, indem sie eine gesellschaftlich angepasste Einstellung ihrer Klientel kritisiert. Inwiefern dieser Konformismus gegenläufig zum Empowerment-Konzept sein kann ist nicht ersichtlich.

  • Situationen, die Akzeptanz für den Eigen-Sinn fordern

Die Akzeptanz eigensinniger Situationen erfordert von Professionellen der Sozialen Arbeit eine Auseinandersetzung mit dem eigenen beruflichen Selbstverständnis in zweierlei Hinsicht, sowohl auf die Zeit-als auch auf die Zielvorstellungen der Klientel bezogen. Herriger beschreibt eine "personale Ungeduld", welche "eine beständige innere Reflexion der eigenen fachlichen Selbstansprüche und berufsbezogenen Gütekriterien" (Herriger, 2006,

S. 77) erfordert, um der Akzeptanz gerecht zu werden.

Die Situationen werden unterschieden in auf den Menschen selbst bezogen und in Interaktion mit der Umwelt. Dazu wird die professionelle Rolle der Berater/innen angesprochen.

Interviewpartner/innen A, G, I und J schildern Situationen, in denen es ihnen schwer fällt, Akzeptanz aufzubringen. Diese beziehen sich auf das Verhalten der Menschen mit Behinderung in Bezug auf ihre Mitmenschen, sei es, dass sie sich respektlos verhalten (G) oder sich in eine Abhängigkeit begeben (I). Die zweite schwer akzeptierbare Verhaltensweise ist, wenn Menschen sich selbst in ihrer Zielerreichung behindern (J). Beraterin A versucht, die Handlungsweise in der Situation für sie erklärbar und nachvollziehbar zu machen. Darüber hinaus erzeugen diese Situationen bei den Berater/innen eine Dissonanz, die sie aufgrund ihrer professionellen Rolle zwar wegen ihrer der Selbstbestimmung verpflichtenden Grundhaltung akzeptieren, aber nicht befürworten.

Und das sind so die Dinge, [...] wo es mir schwer fällt, diesen "Eigensinn" zu akzeptieren. Ich akzeptiere es, dass es so ist, aber damit umzugehen. Also es steht bei dieser Zielerreichung [...] im Weg. Und das ist nicht einfach. (J, Zn. 389ff)

Ähnlich wie in der vorherigen Unterkategorie schildern die Interviewpartner/innen (B -E) der KoKoBe Verhaltensweisen, die ihrer Meinung nach eine Grenze darstellen, und zwar die Selbst-oder Fremdschädigung. Als Beispiele nennen sie die Gesundheitsgefährdung, etwa Alkoholismus, Ernährung oder Hygiene oder wenn Kinder dem System angehören. Inwiefern diese Problematik sich in der Beratungssituation bemerkbar macht, stellen Interviewpartner/innen F und H dar. Zum einen wird die Unvereinbarkeit eigener Vorstellungen mit der Hilfeplanung angesprochen (F), zum anderen der Wunsch nach Beratung in eine Richtung, die für die Beraterin nicht vertretbar ist (H). Für Interviewpartner/innen A, E und F (KoKoBe) stellen schwer akzeptierbare Situationen innerhalb der Beratung eher eine Seltenheit dar.

Ansonsten, was sicherlich manchmal so grenzwertig ist, ist dass ich Hilfeplanung mache und merke, der Mensch hat Vorstellungen, die meinen nicht entgegengehen. Weil, darum geht es ja auch in der Hilfeplanung überhaupt nicht, das kann ja nicht das Thema sein. Sondern das, was er will, ist für ihn nicht umsetzbar. [...] (F, Zn. 304ff)

Der an die Realität angepasste Umgang mit der Behinderung ist für Interviewpartner/innen E und J entscheidend für die Akzeptanz. Zuerst wird die Seite der Berater/innen angesprochen, indem das Spannungsfeld der Pädagogik/Andragogik und Selbstbestimmung beschrieben wird (E). Hier besteht die Schwierigkeit darin, dass ein klarer Positionsbezug selten möglich ist. Auf der Seite der Menschen mit Behinderung wird unter anderem die Problematik der progressiven Behinderung genannt. Wenn hier keine realistische Auseinandersetzung im Sinne einer Bewältigung stattfindet, beeinträchtigt dies die Qualität der Beratung. Die verzerrte Eigenwahrnehmung schränkt eine adäquate Ausgestaltung der Hilfen ein.

Das ist eine Frage der Auseinandersetzung mit der Behinderung, was gerade bei progredienten Behinderungen, also sich verstärkende Behinderungen, sehr schwierig ist, das anzunehmen. Dass man vielleicht schon so weit behindert ist, dass eben das, was man eigentlich glaubt zu können, doch nicht kann. Und das führt dann eben zu diesen Folgeproblemen, dass bestimmte Hilfen, die eigentlich möglich wären, nicht gewährt werden weil man sich dort einfach zu fit präsentiert. Und da fällt es mir schwer [...]. (J, Zn. 379ff)

Interviewpartnerin I stößt an eine Grenze, wenn sie mit zu wenig (vgl. Herriger, 2006, S. 74) oder zu viel forderndem Verhalten von Klientinnen konfrontiert wird.

Oder wenn Menschen, wo ich so den Eindruck gewonnen habe, die würden auch möglicherweise in einer eigenen Wohnung oder auch auf dem ersten Arbeitsmarkt ganz gut klar kommen und die aber so genügsam sind und sich mit dem bequemsten Weg zufrieden geben. Da fällt es mir manchmal auch schwer. Oder manchmal aber auch Menschen, wo ich einfach das Gefühl habe, die nutzen auch die Nichtbehinderten total aus [...]. Tja, und tanzen dann den Menschen ohne Handicap oder auch möglicherweise ihrer Familie auf dem Kopf rum. Und ja. Das sind schon so Momente, ja, wo es mir schwer fällt, das zu akzeptieren. (I, Zn. 400ff)

Die erwähnte personale Ungeduld zeigen die Interviewpartner/innen auf. Obwohl die Grenzen ihrer Akzeptanz erreicht werden, gelingt es ihnen, die akzeptierende Grundhaltung zu bewahren und sie entsprechen somit ihrer Professionalität.

  • Der Eigensinn als Kompetenz

Der Eigensinn wird von den Berater/innen als Kompetenz und Ressource gesehen. Anhand des Eigensinns stellen die Beratungskunden ihre Persönlichkeit dar und zeigen auf, in welche Richtung ihre Interessen gelagert sind. Demnach begrüßen die Interviewpartner/innen (A, C, D, E, F, H, I) diese Eigenschaft, da sie genutzt werden kann, um die individuellen Interessen zu vertreten und durchzusetzen. Vergleichbar wäre diese Kompetenz mit der personalen Ressource der Lebenssinnhaftigkeit (Herriger, 2006, S. 91).

[...] wenn Menschen einen eigenen Willen zu einer bestimmten Sache entwickelt haben, ist das ja eine riesige Kompetenz. Überhaupt erst mal selbst zu wissen, was ich möchte. [...] (H, Zn. 336f)

Obwohl der Eigensinn mit den Überzeugungen der Berater/innen kollidieren kann, versuchen sie, ihn in dem Sinne aufzugreifen, als dass er eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme darstellt und Raum für Kompromisslösungen bietet, was sich konstruktiv auf den weiterführenden Hilfeprozess auswirken kann (C, E, H). Interviewpartner/innen A und B (KoKoBe) sehen die Möglichkeit, Kompetenzen aus dem Eigensinn aufzugreifen, weniger in der Beratungssituation, aufgrund des begrenzten Zeitrahmens und der oftmals klar formulierten zielführenden Fragestellung. Sie verorten die Möglichkeiten eher in einem Betreuungssetting oder im direkten Kontakt, der nicht unbedingt im Zusammenhang mit einer Beratung stehen muss.

Das heißt, ich versuche das aufzugreifen und es geht ja darum, wie so eine Art Kompromisslösung auch zu finden. Dass man das schon ernst nimmt und das auch berücksichtigt. Aber trotzdem auch so ein paar Ideen rein bringt, dass das vielleicht nicht immer alles so gut ist. [...] (E, Zn 305ff)

Anhand von zwei Beispielen zeigen Interviewpartner/innen F und J auf, wie Menschen mit Behinderung ihren Eigensinn einsetzen. Beiden Beispielen ist gemein, dass die Personen sich mit ihrer Behinderung auseinandersetzen. Zuerst wird dargestellt, wie ein Mann seine Kreativität nutzt, um sich auf individuelle Weise einen Ausgleich zum Alltag zu schaffen. Im zweiten Beispiel geht es um das Akzeptieren einer progressiven Behinderung, was mit der Neudefinition eigener Kapazitäten einhergeht.

Ich kann ein ganz banales Beispiel nennen, es gibt einen Mann, der ist so Ende 40. Der sicherlich auch Schwierigkeiten hat, seine Behinderung anzuerkennen, der hat eine leichte geistige Behinderung. Und der hat eine Vierzimmerwohnung in der (Name der Stadt)-(Name des Stadtteils) und die hat der eingerichtet zu einem Großraumbüro. Da gibt es, ich glaube 15 Arbeitsplätze. Wenn ich den mal besuche, was ich schon mal gemacht hab, dann finde ich das eine total schräge Nummer. Und dann gibt es ja auf der einen Seite die Ansicht, zu sagen "hör mal (Name des Mannes), schön, dass Du Dir das vorstellst, aber Du wirst nie Arbeitgeber sein von 15 Büromenschen, auch wenn Du 15 Stempelkissen da hast". Oder es gibt eben die Ansicht zu sagen "das ist Deine Welt, die ist cool und die tut ja keinem weh und die brauchst Du als Ausgleich und ich finde diese Welt klasse". (F, Zn. 321ff)

Interviewpartnerin G verweist in diesem Zusammenhang auf den Zwiespalt der gleichzeitigen Selbstbetroffenheit und Professionalität.

Also ich muss mich ja auch immer ein bisschen zweiteilen. Das eine ist, bin ich privat mit meinem eigenen Päckchen, das ich so mit mir rum trage. Das andere ist, ich bin Beraterin und ich muss in dem Augenblick professionell sein. [...] (G, Zn. 467ff)

6.2.3 Kategorie 3: Dem Leben einen neuen Kurs geben

  • Zeit-und Zielvorstellungen der Klientel

Im Sinne des Empowerment-Konzepts haben Menschen mit Behinderung ein Recht auf eigene Zeit-und Zielvorstellungen. Diese können sich im Verlauf des Prozesses wandeln, eine Entwicklung welche im Sinne von Selbstbestimmung und Empowerment unabdingbar ist (vgl. Herriger, 2006, S. 76). Selbstbestimmung beinhaltet auch, dass sich das "Subjekt [...] seiner Situation bewusst ist, aus Erfahrungen lernt, sich selbst Ziele setzt und diese aktiv umzusetzen versucht" (Speck, 2008, S. 140). Hier kristallisiert sich der Empowerment-Gedanke heraus, in dem die Selbstbestimmung zur "sozialen Kategorie" (Theunissen, 2009, S. 43) wird, was als Konsequenz für die professionelle Begleitung von Empowermentprozessen bedeutet, "Kursbestimmungen und Zeitrhythmen" zu respektieren (Herriger, 2006, S. 76).

Der Respekt vor Zeit-und Zielvorstellungen wird von Interviewpartner/innen A, B, E, I und J genannt. Ihrer Meinung nach ist diese Lebenserfahrung wichtig für ihre Klientel, da sie diese Erfahrungswege ansonsten nicht einschlagen würden. Oftmals erleben die Berater/innen der KoKoBe (A, B, C), dass ihre Klientel keine differenzierten Ziele haben und diese in der Beratung gemeinsam erarbeitet werden. Dass die Menschen mit Behinderung aus bestimmten Gründen Umwege und Sackgassen gehen und diese auch brauchen, stellen die Interviewpartner/innen der KoKoBe klar (A, E, F). Die Gründe sind meist biografisch erklärbar, werden von den Berater/innen lediglich aufgenommen und nicht bewertet. Sie versuchen die Gründe nachzuvollziehen.

[...] wer Umwege und Sackgassen gehen will oder die haben muss, der muss sie haben. Sonst kommt er ja nicht zu seinem Ziel. Die gehören ja genau zu diesem Weg dazu, so. [...] dann sag ich "ja, aber die wird ihren Grund haben, warum sie sich nicht entschieden hat". Also beschäftige ich mich mit den Gründen, warum das so ist [...]. (A, Zn. 515ff)

In diesem Zusammenhang ist es für die Berater/innen der ZsL (I, J) von Bedeutung, das Tempo der Menschen in Erfahrung zu bringen, in welchem sie ihre Ziele verfolgen und umsetzen. Gäben Interviewpartner/innen E und J den eigenen Zeit-und Zielvorstellungen keinen Raum, würden sie nicht im Sinne der Selbstbestimmung handeln, was sie wiederum nicht mit ihrem beruflichen Selbstverständnis in Einklang bringen könnten. Dass Ratsuchende auch sehr klare Zielvorstellungen haben können, bemerken Interviewpartner/innen A, H und I. Es kommt in diesem Kontext auch vor, dass der Weg bis zu dieser klaren Zielvorstellung recht lang und mit Umwegen gegangen wurde, was auch im Zusammenhang mit der in Schlüsselkonzept 1, Kategorie 2, dargestellten defizitären institutionellen Begleitung stehen kann.

Ich versuch halt, die rauszukriegen, die die Leute haben, die Zeitvorstellungen. [...] Ja, ich finde, es ist eben die Kunst, also bei den Ratsuchenden rauszukriegen, was für ein Tempo haben die [...]. (I, Zn. 434ff)

Unklare Zeitvorstellungen können sich laut Interviewpartner/innen D und G darauf beziehen, dass manche Klient/innen sich nicht an vorgegebene Zeitrahmen halten wollen und ihre Interessen direkt umsetzen wollen, beispielsweise beim Wechsel der Wohnform. Die KoKoBe-Berater/innen haben auch beobachtet, dass die Zeitspannen der Beratung zu kurz sein können, um die erlebten Sackgassen und Umwege der Klientel in Erfahrung zu bringen (D und F). Als Ausnahmesituationen nennen Interviewpartner/innen B, E und I verschiedenes: Bei der Einhaltung von Fristen von Anträgen greifen sie gegebenenfalls bis zu einem gewissen Punkt in die individuellen Zeitvorstellungen ein. Die Menschen mit Behinderung übernehmen in letzter Konsequenz die Verantwortung für ihr Handeln, was auch bedeuten kann, eine Frist verstreichen zu lassen. Interviewpartnerin E nennt die Selbstgefährdung als Interventionsgrund.

Natürlich muss ich schon manchmal sagen, wenn es um bestimmte Fristen geht. [...] Oder wenn der Antrag nicht gestellt ist [...]. Dann muss man natürlich schon auf solche äußeren Vorgaben hinweisen und auch versuchen, [...] die Leute aufzuklären, dass es so und so wichtig ist. Zwingen kann ich es natürlich auch nicht, wenn jemand das dann nicht einhält, und im Zweifelsfall irgendwas verfällt, an wichtigen Leistungen, dann können wir das auch nicht ändern (I, Zn. 459ff)

Verschiedene Einzelmeinungen ergänzen die dargestellte Herangehensweise sowohl der Berater/innen als auch der Klientel an die individuellen Zeit-und Zielvorstellungen. Interviewpartner B führt an, dass die Zielentwicklung oft ein langer Prozess sein kann. Zu einer bestimmten Zeit wird ein Impuls gesetzt und Jahre später ist das Ziel für den Menschen ausgereift und wird umgesetzt.

Laut Interviewpartnerin H kann der Kontakt zur Beratungsstelle eine Station auf dem Umweg sein, den ein Mensch zu dem Zeitpunkt geht. Sie stützt die Annahme auf der Beobachtung, dass sie am weiteren Verlauf des Geschehens interessiert ist, die ratsuchenden Frauen und Männer sich in dem Fall aber nicht mehr melden.

Andererseits ist es bei uns häufig so, dass Leute hier anrufen und es erst mal nur um Informationsabfrage geht. Wir vielleicht noch unsere Ratgeber schicken und ich schon das Gefühl habe, da wäre eigentlich eine intensivere Beratung notwendig, die sich aber dann nicht mehr melden. [...] (H, Zn. 350ff)

Wenn eine Behinderung z. B. aufgrund eines Unfalls plötzlich auftritt, bedürfen die Menschen einer gewisse Zeit, um diese neue Situation zu verarbeiten. In diesem Fall gilt es laut Interviewpartner J vornehmlich, das individuelle Tempo zu berücksichtigen. Weiter geht er darauf ein, dass die eigenen Zeitvorstellungen der Ratsuchenden mitunter ernsthaft mit den Interessen anderer kollidieren können, weshalb es durchaus von Bedeutung sein kann, in der Beratung die einzelnen Interessen abzuwägen. Als Beispiel nennt er Menschen mit hohem Pflegebedarf, die trotz des fortgeschrittenen Alters ihrer Eltern noch zuhause wohnen und vorerst nichts an diesem Zustand ändern möchten.

Wenn jemand z. B. sagt "ich bin noch nicht soweit, aber die Eltern sind schon so gebrechlich, dass es kaum noch geht, zuhause". Dann muss man natürlich schon sagen "Sie müssen aber schon wissen, es kann auch mal sehr plötzlich akut werden, dass Sie dann eben plötzlich sehr unter Zeitdruck stehen". Aber dass ich ihn eben selber bewusst unter Druck setze und sage "das muss jetzt aber schneller gehen", das würde ich niemals tun. (J, Zn. 426ff)

Als methodisches Handwerkszeug zur Erfassung der eigenen Zeit-und Zielvorstellungen insbesondere für Menschen mit einer geistigen Behinderung stellt Interviewpartnerin I die Methode der persönlichen Zukunftsplanung vor.

[...] diese persönliche Zukunftsplanung. Da kann man so, richtig so eine Zukunftskonferenz durchführen und dann so für sich so Ziele entwickelt. Das wird dann moderiert von einer Zukunftsplanerin und dann wird nach Absprache, werden die Ziele auch überprüft, nach einem halben Jahr oder Jahr, durchgesprochen. Das ist ursprünglich für auch viel im Bereich Menschen mit sog. geistiger Behinderung eingesetzt worden. [...] (I, Zn. 437ff)

Die Interviewpartner/innen nehmen eine Haltung im Sinne des Empowerment ein, insbesondere unter dem Aspekt der Wertschätzung eigener Wege und dem Bemühen, die Zeitrhythmen ihrer Klientel herauszufinden.

  • Die Behinderung als Grenze der persönlichen Zielsetzung

Bezogen auf Menschen mit einer geistigen Behinderung, welche als Grenze für persönliche - beispielsweise gesundheitsschädliche -Zielsetzungen anzusehen wäre, besteht die Aufgabe der professionellen Begleitung darin, Möglichkeiten anzubieten, die favorisierte Zielsetzung aufgrund von Information zu reflektieren und ggf. neu auszurichten. Dennoch bleibt die Entscheidung und Verantwortung beim Menschen mit Behinderung, mit Ausnahme von massiven Formen von Selbst-und Fremdgefährdung, welche personenbezogen und juristisch unverantwortbar wären (Theunissen, 2009, S. 51).

Die Behinderung an sich stellt in den meisten Fällen eine Grenze in Teilbereichen des Lebens dar. Dazu geht das individuelle Erleben der Grenze oft aus hemmenden Umweltbedingungen hervor.

In den meisten Fällen stellt die körperliche Einschränkung eine Grenze dar, wobei sich die Interviewpartner/innen (C, D, G, H, I, J) mehrheitlich auf die Berufswahl oder die Wohnmöglichkeiten beziehen. Oft stehen die behinderungsbedingten Grenzen in Zusammenhang mit finanziellen Grenzen, welche wiederum eine institutionelle Grenze darstellen. Kognitive Einschränkungen stellen laut KoKoBe-Berater/innen (A, C, D, E) nur bedingt eine Grenze dar, und zwar wenn unrealistische Ziele verfolgt werden, die aufgrund einer körperlichen oder kognitiven Einschränkung nicht erreicht werden können. Dies zu akzeptieren fällt den Betroffenen bisweilen schwer, die Ursache hierfür kann in der Lernschwierigkeit gesehen werden. Als Beispiele nennen die Interviewpartner/innen Ziele, die den Straßenverkehr beziehungsweise ÖPNV betreffen; also gilt es hier, die individuellen und öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen.

[...] eine Klientin, die unbedingt den Moped-Führerschein machen will, das aber nicht kann, auch weil sie fast blind ist. Und auch eine Bescheinigung hat, dass sie eigentlich das nicht machen darf. [...] Dieser Wunsch "ich will Moped fahren", aber die Behinderung macht es nicht möglich und der Klientin fehlt es daran, das zu akzeptieren, also da realistisch zu sein. [...] (C, Zn. 355ff)

Trotz der bisher dargestellten Einschränkungen sehen Interviewpartner/innen G, I und J (ZsL) die Grenze weniger in der Behinderung an sich, als in Rahmenbedingungen, die unterschiedliche Ausprägungen haben können. Insbesondere wenn die persönliche Zielsetzung mit behinderungsbedingten Grenzen kollidiert, was zur Folge hat, dass die Ziele der jeweiligen Realität angepasst werden, sehen die Interviewpartner/innen (B, E, J) es als ihre Aufgabe, dies in der Beratung durchzuführen. Sie diskutieren also die Zielsetzungen, um - wenn sie es als notwendig erachten - gegebenenfalls auf eine realistische Perspektive hinzuwirken, wobei sie ihr Verhalten diesbezüglich kritisch reflektieren.

Trotzdem gibt es natürlich Dinge, die heute noch nicht erreichbar sind. Oder wo es dann vielleicht auch sinnvoll ist, vielleicht sanft ein bisschen zu lenken. Um auf realistische Ziele anzusprechen. Das ist ein bisschen umstritten, ob man wirklich da Ziele vorgeben darf. Also richtig vorgeben würde ich es nicht [...]. (J, Zn. 456ff)

Wird eine individuelle Grenze erreicht, so ist es den Berater/innen (A, B, D, KoKoBe) ein Anliegen, mit den Menschen mit Behinderung zu erarbeiten, wie die Grenzen überwunden werden können (vgl. Speck, 2008, S. 246). Dies steht in engem Zusammenhang mit der Aussage, dass die Behinderung in den seltensten Fällen die tatsächliche Ursache für die Grenze ist.

[...] wenn die Behinderung diese Grenze darstellt, dann habe ich eigentlich den Anspruch, dass man sich Gedanken darüber macht, wie kann ich Unterstützung leisten, damit die Grenze überwunden werden kann. [...] also das heißt Behinderung nicht als Grenze zu sehen sondern Behinderung als ein Zustand zu betrachten [...]. (A, Zn, 539ff)

Aufgrund ihrer Beratungstätigkeit für Mütter mit Behinderung spricht Interviewpartnerin H den Zwiespalt an, wenn sie zwischen den Interessen der Mütter, die aufgrund der Behinderung an Grenzen stoßen können, und dem Kindeswohl abwägen muss.

Also wenn die Mutter sagt "ich komm nicht aus dem Haus, weil ich keinen E-Rollstuhl habe" und sie aber für das Kind sorgen will und ich dann nachfrage "was ist denn mit dem E-Rollstuhl, wo ist der denn?". Und sie mir rüberbringt, ja, seit einem Jahr kämpft sie darum, [...] dann komme ich an die Grenze. Weil ich dann sage, okay, warum auch immer sie so lange braucht, um für diesen Rollstuhl zu kämpfen, aber was nützt das dem Kind? Das muss an die frische Luft mit seinen vier Jahren und braucht andere Kontakte und kann ja nicht bei der Mutter zuhause sitzen darauf warten, dass der Rollstuhl im nächsten Jahr irgendwann mal vorbei rollt. (H, Zn. 372ff)

Der Begriff der Behinderung wird von den Interviewpartner/innen mehrheitlich als soziales Konstrukt verstanden. Überwiegend werden Grenzen genannt, welche nicht an der körperlichen Beeinträchtigung scheitern, sondern aufgrund von unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Das Interesse, Möglichkeiten zu finden, diese Grenzen zu überwinden, ist handlungsleitend.

  • Persönlichen Zielsetzungen und institutionelle Grenzen

Einige der hier dargestellten Aspekte decken sich mit den Ergebnissen des ersten Schlüsselkonzepts, Kategorie 1, der Fragestellung der defizitären institutionellen Begleitung. Auf die bereits angesprochenen Problematiken wird nicht erneut eingegangen, sie werden allerdings der Vollständigkeit halber erneut aufgeführt.

Eine grundsätzliche und sehr weitreichende institutionelle Grenze stellt der Sozialhilfeempfängerstatus (vgl. Kestel, 2007, S. 86-87) dar, der für viele Menschen mit Behinderung trotz Erwerbstätigkeit zum Lebensalltag gehört (E und F, KoKoBe). Die institutionellen Grenzen werden schwerpunktmäßig anhand der Finanzierungshandhabe aufgezeigt, die sich auf folgende Bereiche bezieht (A, B, D, G, H, J): Persönliche Zielsetzungen in Bezug auf Vorstellungen das Wohnen betreffend scheitern sehr häufig an institutionellen Grenzen. Beispielsweise kann der Unterstützungsaufwand sehr hoch und damit kostspielig sein (24 h Assistenz), ggf. bieten die Träger keine den Wünschen entsprechende Wohnformen an oder die finanziellen Mittel decken den gewünschten Bedarf nicht ab (B, C, D, F, I) (vgl. Rößler, 2008, S. 232).

Zum Beispiel gibt es einen körper-und geistig behinderten Mann, der gerne in einer kleinen WG wohnen möchte und aber wahrscheinlich eine 24h-Betreuung brauchte. Und das stößt schon an die Grenzen des Kostenträgers. (C, Zn. 365ff)

Der Arbeits-, Ausbildungs-und Studiumssektor ist laut Interviewpartner/innen F, G, I und J an institutionelle und damit finanzielle Rahmenbedingungen gebunden (vgl. Rößler, 2008, S. 238-241). Untergliedert wird hier in eine schwierige Finanzierungssituation, etwa dass die Aussicht auf Erfolg gegeben sein muss, was per se einen Nachteil für Menschen mit Behinderung bedeutet, oder dass das Angebot den Vorstellungen der Menschen mit Behinderung nicht entspricht. Die Möglichkeiten zur Teilhabe an der Gesellschaft werden für den Menschen mit Behinderung klar beschnitten, indem die Kostenträger nicht bereit sind, Assistenzen oder Fachleistungsstunden für Freizeitaktivitäten zu finanzieren, wie Interviewpartner/innen B, D und I berichten (vgl. Rößler, 2008, S. 242).

[...] z .B. eine Hochschulhilfe zum Besuch des Studiums. Wird natürlich so lang gewährt, wenn auch die Aussicht besteht, dass jemand das Studium wie auch immer schaffen wird. Und damit auch zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt verdienen wird. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, da wird es eben auch nicht erbracht. [...] (J, Zn. 469ff)

Unklare Zuständigkeiten im institutionellen Hilfesystem können auch eine Grenze darstellen, was sich einerseits aufgrund verschiedener Aufgabenbereiche der jeweiligen Kostenträger erklären lässt (B). In diesem Zusammenhang wird auch die Anerkennung der wesentlichen Behinderung als Kriterium zur Gewährung von Leistung genannt (A). Andererseits ist die unklare Rechtslage besonders im Hinblick auf Mensch mit Behinderung und Elternschaft die Ursache (H). Inwiefern eine nicht adäquate Unterstützung von Seiten der Institutionen eine Grenze setzen kann, beschreiben Interviewpartner/innen H und I (ZsL). Zum einen werden Unstimmigkeiten zwischen Pflegeversicherung und Leistungsnehmer genannt, was die Höhe des Pflegesatzes betrifft. Zum anderen wird die nicht adäquate Ausstattung mit Hilfsmitteln genannt. Nicht unwesentlich ist der Aspekt, dass die mitunter recht lange Bearbeitungszeit von Anträgen durchaus als institutionelle Grenze anzusehen ist, da die verzögerte Bewilligung von Leistungen sich einschränkend auf das Leben der Betroffenen auswirken kann.

Auf jeden Fall an der Begrifflichkeit "wesentliche Behinderung", auf jeden Fall. Ein so schwammiger Begriff, der über Hilfeleistung, also über Zusagefall einer Hilfeleistung oder Ablehnung einer Hilfeleistung entscheidet mit meiner Meinung nach schon sehr gravierenden Folgen. [...] (A, Zn. 550ff)

[...] aber auch bei uns ganz konkret ist die gesetzlichen Regelungen zum Thema Elternschaft von Menschen mit Behinderung. Dass das nicht wirklich gesetzlich irgendwo klar benannt ist. [...] Und das ist eine Grenze, wo ich denke, da mahlen die Mühlen zu langsam, die institutionellen. Das hat oft den Eindruck, dass die Institutionen das aussitzen und sagen "dann gucken wir mal, wir können sowieso nicht schnell entscheiden und wenn die in vier Wochen immer noch so unter dem Motto nicht hier mit dem Kind vor der Tür steht und uns das auf den Tisch legt, dann hat sie es ja irgendwie geschafft". Also so habe ich oft den Eindruck. [...] (H, Zn. 405ff)

Unabhängig von finanziellen oder gesetzlichen Grenzen schildert Interviewpartner J eine institutionelle Grenze, die als Haltung zu bezeichnen ist. Er spricht hier das Beratungsselbstverständnis beispielsweise der kirchlichen Vereine an. Hierbei ist das Ziel der Beratung, eine Entlastung der Angehörigen zu erreichen, was diametral zu den Interessen des Menschen mit Behinderung sein kann. Diese Beratungsstrukturen (vgl. Speck, 2008, S. 383) sind also ebenfalls als institutionelle Grenze zu bewerten.

Und man merkt es auch so bei überalteten Beratungsstrukturen. Also wie Kirche z. B. Bei denen geht die Beratung immer in dem Sinne, wenn es nicht mehr geht kommt er ins Heim. So. Auch objektivierende Betrachtung. Nicht, was will er, sondern als Entlastung der Eltern oder der Angehörigen. [...] (J, Zn. 451ff)

6.2.4 Kategorie 4: Die Arbeit an der Vergangenheit und an der Gegenwart und Zukunft

Der Biografiearbeit kommen in Bezug auf das Empowerment-Konzept zwei Bedeutungen zu. Der Blick in die Vergangenheit hat die Funktion der "Selbstthematisierung und Selbstvergewisserung in gelebter subjektiver Zeit" (Herriger, 2006, S. 105), um die "Sinnwelten vergangener Lebenszusammenhänge zu erschließen" (a.a.O.) und "verschüttete Lebenskräfte" (a.a.O.) ausfindig zu machen. Zudem hat sie die Aufgabe, beispielsweise negativ besetzte Erinnerungen zu relativieren und für den Betroffenen akzeptabel werden zu lassen. Der Blick in die Zukunft anhand der Biografiearbeit bedeutet in diesem Kontext, dass aufgrund der Akzeptanz der eigenen Lebensgeschichte und dem Erkennen der eigenen biografisch erworbenen Ressourcen und Stärken (wieder) nutzbar gemacht werden und so in die zukünftige Lebensplanung mit einfließen (a.a.O.). In diesem Verständnis kommt der Biografiearbeit die Funktion als "Wegweiser zu neuen Lebenskräften und Schutzschild gegen Identitätsverluste" (a.a.O., S. 117) zu. Daran schließt sich der Kompetenzdialog an, welcher eine Struktur der zukunftsorientierten Biografiearbeit beschreibt (a.a.O., S. 117ff).

  • Stellenwert der Arbeit an der Vergangenheit

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Klientel hat für Interviewpartner/innen A, C, D, H und I einen relativ geringen Stellenwert in ihrer Arbeit. Da sich anhand der Biografiearbeit die Gegenwart erklären und auf die Zukunft schließen lässt, ist sie dennoch von Bedeutung und nimmt dadurch eine unterschiedlich bewertete Position ein (B, C, E, F, G, I). Eine von den Menschen mit Behinderung thematisierte Vergangenheitsbewältigung kann für die Berater/innen einen Grund darstellen, sich mit der Geschichte des Menschen mit Behinderung auseinander zu setzen (E, G, H, I, J). Dies kann auch eine vermittelnde Funktion bedeuten, indem an Therapeuten verwiesen wird (E).

Also, die Biografie-Geschichte halte ich für sehr wichtig, weil da steckt ganz viel von dem Jetzt und den Möglichkeiten drin. [...] Das sind ja auch die Ressourcen und die Grenzen auch, die da drin stecken. (B, Zn. 330ff)

Und da spielt die Vergangenheit eigentlich nur, wenn man es jetzt im medizinischen Bereich sagen würde, da gibt es ein Anamnesegespräch. [...] (I, Zn. 508f)

Die Biografiearbeit ermöglicht es den Berater/innen B, H und I, die Sozialisation anhand beispielsweise der familiären Situation und den erlebten Erfahrungen nachvollziehen zu können, was sie in Bezug zu ihrer Arbeit mit der Klientel setzen können. Inwiefern die Biografiearbeit Raum in der Beratung einnimmt, ist für Interviewpartner/innen B und F (KoKoBe) vom Alter der Beratungskund/innen abhängig. Insbesondere bei älteren Menschen mit Behinderung sehen sie diese Arbeit als nicht unwesentlich an (vgl. Lindmeier, C., 2007, S. 55).

Also die Frage, so dies soziale und was da so dazu gehört, wie viele Geschwister hat jemand [...]. So das was auf den ersten Blick vielleicht überhaupt keine Rolle spielt, also da gibt es immer ein Bild, auch. Was hat der, was für eine Schule oder was war früher für eine Situation, was sind Erfahrungen. (B; Zn. 331ff)

Einen hohen Stellenwert nimmt die auf die Vergangenheit bezogene Biografiearbeit laut ZsL-Berater/innen (G, I, J) ein, wenn die Behinderung erst im Lauf des Lebens aufgetreten ist oder einen progressiven Verlauf hat und die Bewältigung der Vergangenheit ohne Behinderung ein zentrales Thema bei den Ratsuchenden ist. Partnerschaftskonflikte können als Thema der Aufarbeitung der Vergangenheit insbesondere bei Frauen präsent sein (F und H).

[...] wenn jemand eine Behinderung kurzfristig erworben hat. Dann ist die Vergangenheit natürlich das Leben ohne Behinderung. Und das ist natürlich dann schon ein großes Problem, diese Verarbeitung der neuen Situation mit den Beeinträchtigungen, das Annehmen von Hilfe. (J, Zn. 485ff)

Warum haben viele Frauen Ängste, Partnerschaften einzugehen? Das ist schon, da muss man schon ein bisschen zurück gucken. [...] (F, Zn. 450ff)

Interviewpartnerin F geht auf die Funktion der Biografiearbeit als professionelles Handwerkszeug in der Behindertenarbeit ein. Sie bedauert, dass die Biografiearbeit bis dato einen recht geringen Stellenwert hat und stellt die Relevanz der Biografiearbeit anhand eines Erlebnisses mit einer Klientin insbesondere in Bezug auf die Hilfeplanung dar.

Ja, das hat natürlich eine extrem große, Biografiearbeit ist ja was, was im Behindertenbereich immer noch relativ neu ist. Das ist ja leider so. Und ich habe eigentlich so im Laufe der Arbeit auch gerade ganz eng in der Hilfeplanung festgestellt, dass es oft sehr wertvoll ist, genau damit anzufangen. Ich hab das festgestellt durch ein Fallbeispiel [...] das war für mich so ein Schlüsselerlebnis. Ich habe den Einstieg gefunden in die Hilfeplanung über diese Vergangenheitsgeschichte. Ich wusste plötzlich wahnsinnig viel über diese Frau. Und daraus hat sich alles andere ergeben. [...] Und das ist eigentlich schon nicht zu verantworten, dass man da nicht mehr darauf eingeht. [...] Und man vergibt sich ganz viel. Auch als Begleiter vergibt man sich glaube ich unendliche Chancen, wenn man das beiseite lässt. (F, Zn. 410ff)

Dass eine Diskrepanz zwischen der geleisteten Biografiearbeit und dem theoretischen Anspruch besteht, zeigt sich an der Antwort von Interviewpartnerin F. Dabei stellt sich allerdings auch die Frage, inwiefern innerhalb des Beratungssettings Kapazitäten vorhanden sind, um Biografiearbeit leisten zu können. Der dargestellte ressourcenorientierte Blick in die Vergangenheit könnte auch dem Anspruch genügen, hier Potenziale für die Umsetzung der geplanten Ziele zu erfassen, im Sinn einer Zukunftsorientierung.

  • Stellenwert der Arbeit an der Gegenwart und Zukunft

Alle Interviewpartner/innen räumen der biografischen Arbeit an der Gegenwart und Zukunft sehr viel Platz ein, da es sich um den wesentlichen Auftrag ihrer Beratung handelt. Differenziert wird dieser wesentliche Auftrag einerseits, um eine realistische Einschätzung der Gegenwart vorzunehmen. (Interviewpartner/innen B, E, H).

Das andere ist natürlich auch, ganz realistisch zu sehen, wie ist die Situation jetzt? Das als Basis zu nehmen für die Frage, für die Beratung. [...] (B, Zn. 336f)

Zum anderen stellen die Entwicklung von Zukunftsperspektiven und eine Lebensplanung zentrale Elemente der Arbeit dar. Auf welche Bereiche sich die Perspektivenentwicklung bezieht, wird nicht differenziert. (A -G, J). Eine weitere Differenzierung nehmen Interviewpartner/innen E, G und J vor, indem sie die Zielentwicklung ansprechen. Teilziele werden erarbeitet und die persönlichen Ziele gleichen sich prozesshaft an die jeweiligen Lebensperspektiven an.

Und das kann ja auch sein, dass sich das in einem Jahr wieder verändert. Das heißt, dass seine Zukunft dann wieder anders. [...] (E, Zn. 381f)

Und so wie man es auch bei jeder anderen Lebensführung hat, bei Menschen mit, auch ohne Behinderung, man soll sich kleine Ziele setzen und die nach und nach erklimmen. (G, Zn. 566f)

  • Gewichtung der rückwärtsgerichteten und zukunftsorientierten Arbeit

Ziemlich eindeutig erfährt die Arbeit an der Gegenwart und Zukunft die stärkere Gewichtung. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die Beratungsinhalte auf die Zukunft gerichtet sind. (A -F, H, I, J).

Da würde ich fast sagen, fast 95 % zukunftsorientierte Arbeit. Eigentlich geht es doch gar nicht darum, alte Sachen aufzuarbeiten. Es geht ja wirklich eigentlich darum, zu gucken, was passiert jetzt.(D, Zn. 445ff)

Interviewpartner/innen B, F, G und J stellen die Bedeutung der Vergangenheit heraus, da sie die Vergangenheit als Erklärungsbasis für aktuelle Problemlagen heranziehen können. Das bedeutet, dass die Arbeit an der Biografie eine nicht unwesentliche Gewichtung erfährt.

Aber im Einzelfall kann natürlich durch spezielle -also jede Biografie ist ja speziell - aber kann durch nochmal speziellere Biografie der Blick zurück ein ganz großer Stellenwert einnehmen. Gerade bei solchen Geschichten, Aggression, Suchtproblematik. [...] (F, Zn. 445ff)

Die Vergangenheit spielt vielleicht noch so ein bisschen eine Rolle um zu gucken, was ist dort in der Vergangenheit schon an Potenzialen da gewesen, worauf man aufbauen kann. (J, Zn. 508ff)

6.2.5 Zusammenfassung des Schlüsselkonzepts

Dieses Schlüsselkonzept beinhaltet mehrere wesentliche Merkmale des Empowerment-Konzepts (vgl. Theunissen, 2006c, S. 82).

Das Vertrauen in individuelle und soziale Ressourcen ist bei allen Interviewpartner/innen zu erkennen. Bemerkbar wird dies in der Art, in der sie sich mit dem Ressourcenbegriff auseinandersetzen und darauf in ihrer Arbeit Bezug nehmen, die in ihren Äußerungen zur Ressourcenfrage während der Einstiegsphase deutlich wird. Die individuellen Ressourcen gestalten sich je nach befragter Beratungsform unterschiedlich. Während Mitarbeiter/innen der KoKoBe Ressourcen beschreiben, welche eher im hauswirtschaftlichen und kreativen Bereich angesiedelt sind, verzeichnen die Berater/innen der ZsL mehr personale Ressourcen, welche sich auf eine gelingende Lebensbewältigung beziehen, etwa Durchhaltevermögen oder Organisationstalent.

Auch bei den sozialen Ressourcen stellen sich Unterschiede heraus. Hier bezüglich Menschen mit einer geistigen Behinderung deutlich, dass die Ressourcen vornehmlich im Familiären und Institutionellen (hier die jeweilige Wohnform und der Arbeitsplatz) zu finden sind. Im Vergleich zu den sozialen Ressourcen von Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung fällt auf, dass die Ressource "Freundschaft" für Menschen mit einer geistigen Behinderung nur sehr eingeschränkt zur Verfügung steht. Informelle Netzwerke haben laut ZsL-Berater/innen einen verhältnismäßig hohen Stellenwert, wobei sie hier ihr Augenmerk auf die Selbstbetroffenheit richten, beispielsweise Freizeit-oder Selbsthilfegruppen.

Die Aussagen der Interviewpartner/innen, dass Ressourcen von den Betroffenen regelmäßig als solche nicht erkannt oder bewertet werden und mit den Berater/innen erst erarbeitet werden müssen, decken sich mit Herrigers Anspruch an einer am Empowerment-Konzept orientierten Sozialen Arbeit. Konkret bedeutet dies: "Wo die Biografie mit der Hypothek vielfältiger Ohnmachts-und Entfremdungserfahrungen belastet ist, Räume aufzuschließen, in denen Menschen sich die Erfahrung der eigenen Stärke aneignen [...]" (Herriger, 2006, S. 74).

Dem Anspruch einer systematischen Erfassung der Ressourcen wird lediglich durch die Anwendung des individuellen Hilfeplanverfahrens des LVR in der KoKoBe-Arbeit entsprochen (vgl. Herriger, 2006, S. 87).

Die unbedingte Annahme des Anderen und Akzeptanz seines So-Seins und den Respekt vor der Sicht des Anderen und seinen Entscheidungen stellen die Interviewpartner/innen anschaulich unter Beweis. Für sie ist die Akzeptanz elementar in ihrer Arbeit und korrespondiert mit der von Theunissen (2009, S. 69) beschriebenen Subjektzentrierung. Verbindungen lassen sich hier zu dem von Antonovsky beschriebenen Kohärenzsinn seines Salutogenese-Konzepts ziehen (vgl. Schiepek & Cremers, 2003, S. 149). Die Interviewpartner/innen geben an, dass das "So-Sein" ihrer Klientel begründbar ist und die Dimensionen des Kohärenzsinns (Verstehbarkeit, Bedeutsamkeit und Handhabbarkeit) auch für sie nachvollziehbar werden, wenn sie sich mit dem "So-Sein" und den daraus resultierenden Entscheidungen auseinandersetzen. An diese Haltung schließt sich die Akzeptanz unkonventioneller Lebensentwürfe an. Hervorzuheben ist an dieser Stelle die Frage, ob die Interviewpartner/innen im Eigen-Sinn ihrer Klientel eine Kompetenz sehen. Anhand der Antworten ist nicht nur die Akzeptanz ablesbar, sondern auch die Bereitschaft, die Menschen mit Behinderung in ihren Lebensentwürfen zu unterstützen und zu begleiten, beziehungsweise die im Eigen-Sinn verorteten Ressourcen aufzugreifen und ggf. effektiver in die jeweilige Lebensplanung zu integrieren. Gelegentlich erfordert die Akzeptanz allerdings auch, dass die Berater/innen sich auf ihre Professionalität berufen, falls die individuellen Ansichten ihrer Beratungsklientel für sie zu dissonant mit ihren eigenen Überzeugungen erscheinen.

Der Respekt vor der "eigenen" Zeit und vor "eigenen" Wegen des Anderen steht im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung. Die Berater/innen sehen den Respekt als unerlässlich, um ihrer Klientel das Recht auf eigene Lebenserfahrungen einzuräumen. Sie sehen den Erfahrungsschatz durch das Beschreiten des eigenen Wegs im eigenen Tempo als notwendig für eine gelingende Lebensgestaltung. Während die Zielvorstellungen innerhalb des Beratungssettings oftmals klar formuliert sind beziehungsweise eine Richtung zu erkennen ist, gestalten sich die Zeitvorstellungen bisweilen recht unterschiedlich. Hier wird zum einen genannt, dass Zeitspannen für eine Entscheidung oft sehr langfristig angelegt sind. Einige Berater/innen streben an, die eigenen Zeitrhythmen ihrer Klientel in Erfahrung zu bringen, um den Beratungsprozess anpassen zu können. Zudem kann das Kontaktieren der Beratungsstelle eine Station auf dem Weg sein. Zwar ertappt sich die eine oder andere Beraterin (A, J) bei dem Gefühl der personalen Ungeduld des Sozialarbeiters (Herriger, 2006, S. 77), gleichen diese aber, dem Respekt verpflichtet, aus.

Im Rahmen der letzten Kategorie der Biografiearbeit sind Strukturen des von Herriger (2006, S. 117ff) beschriebenen Kompetenzdialogs enthalten. Der Kompetenzdialog besteht aus den wesentlichen Elementen des Respekts der Lebensautonomie des Klienten, der Prozessorientierung der Beratung und der radikalen Zukunftsorientierung des Beratungsprozesses.

Der Respekt der Lebensautonomie des Klienten ist daran zu erkennen, dass die Ziele der Klientel im Mittelpunkt der Beratung stehen. Die Prozessorientierung der Beratung wird deutlich, indem Ziele und Vorstellungen der Klientel als Ist-Zustand gesehen werden, welche sich im Verlauf des Beratungsprozesses ändern können, beziehungsweise dass Ziele zu einem zufriedenstellenden Maß erreicht werden und Raum für neue Ziele schaffen. Dass die radikale Zukunftsorientierungdes Beratungsprozesses gegeben ist, zeigt sich an der Gewichtung der Arbeit an der Vergangenheit und der Lebensgegenwart und Zukunft zugunsten letzterer. In einem ganzheitlichen Verständnis wird die Vergangenheit in den Prozess mit eingebunden, da sie auch Erklärungsbasis für aktuelle Lebensumstände ist. Dennoch geben die Interviewpartner/innen an, den Schwerpunkt darauf zu legen, was "jetzt" und in Zukunft von Bedeutung ist. Demnach entsprechen die Berater/innen einer (hier exemplarisch auf wesentliche Merkmale beschränkten) lösungsorientierten Beratung (Herriger, 2006, S. 119), bestehend aus dem Entwurf realistischer Lebenszukünfte (vgl. auch Kategorie 2, der Eigen-Sinn als Kompetenz), der Suche nach Lösungen (vgl. Kategorie 3, die Behinderung als Grenze der persönlichen Zielsetzung) und der Begleitung und Vermittlung von Ressourcen (vgl. Kategorie 1, Ressourcendiagnostik und weiterführender Hilfeprozess).

6.3 Schlüsselkonzept 3: Methoden der psychosozialen Praxis

6.3.1 Kategorie 1: Methoden der pädagogischen Arbeit

Der den Theorien der Sozialen Arbeit verpflichtete Begriff "Methode" wird in der Praxis recht unterschiedlich interpretiert. Zuerst können die klassischen Methoden der Sozialen Arbeit genannt werden: Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit (Schilling, 2004, S. 113). Da es innerhalb dieser Methoden, sie werden auch als Globalmethoden bezeichnet, eine Vielzahl weiterer methodischer Vorgehensweisen gibt, bietet sich die Einteilung in Makro-, Meso-und Mikro-Ebene an, um eine klarere Trennschärfe zu erlangen (a.a.O., S. 114). Nach dieser Einteilung sind die Globalmethoden auf der Makro-Ebene anzutreffen und stellen eine Arbeitsweise, Arbeitsform beziehungsweise Arbeitstechnik dar. Methoden auf der Meso-Ebene werden als Verfahren bezeichnet. Innerhalb dieser Verfahren kommen die Methoden der Mikro-Ebene zum Einsatz (a.a.O.). Für die folgende Auswertung ist diese Unterteilung von Bedeutung, da Methoden aller Ebenen genannt werden, eine klare Abgrenzung jedoch nicht erfolgt.

  • Ressourcenorientierte Methoden im Berufsalltag

Das Gespräch mit der Klientel nimmt bei der Beratung eine zentrale Rolle ein (A, C, E, F, H), auch wenn das Gespräch mit beispielsweise Angehörigen genannt, mehrheitlich beschreiben die Interviewpartner/innen das Einzelgespräch im Setting der Einzelfallhilfe.

Eine wertschätzende Grundhaltung mit der Fokussierung auf den Menschen mit Behinderung stellt für Berater/innen C, D und I die Basis ihrer Arbeit dar.

Und der Mensch hier im Mittelpunkt steht. Und erst mal so die Behinderung an sich eigentlich erst mal so eigentlich keine Rolle spielt. [...] (D, Zn. 460f)

Während des Gesprächs werden verschiedene Methoden angewandt. Genannt werden die Methode Leichte Sprache (vgl. Netzwerk Leichte Sprache, 2009), Formulierungsangebote oder die Visualisierung von Sachverhalten (A, C, E, I) (vgl. Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber, 2006, S. 430-431). Des Weiteren werden im Gespräch Fähigkeiten der Klientel herausgearbeitet, indem konkret nachgefragt wird, ob diese vorhanden sind, um sie als Ressource nutzen zu können. Hier sprechen die Berater/innen bevorzugt Alltagssituationen durch, um so auch den Klienten gegebenenfalls zu verdeutlichen, dass sie über bestimmte Fähigkeiten verfügen, die ihnen in der Form vielleicht nicht bewusst waren, wie die Interviewpartner/innen B, E und F (KoKoBe) erklären. (vgl. Theunissen, 2006a, S. 198)

[...] sondern es geht natürlich immer darum, die Stärken eines Jenigen herauszuarbeiten. Und entweder er kennt sie, d. h. er kann sie nennen, wenn ich mit ihm rede. Manchmal kennt er sie aber nicht, das heißt, man muss die erst heraus arbeiten und das funktioniert natürlich ganz gut, wenn man Alltagssituationen durchspricht. [...] (E, Zn. 401ff)

Die Berater/innen der ZsL nennen das Prinzip des Peer-Counseling als zentrale ressourcenorientierte Methode ihrer Arbeit (G, I, J).

Also der Peer-Support z. B. ist bei uns ganz, ganz wichtig. Das ist die Kernaussage unserer Beratungsstelle. (J, Zn. 529f)

Einzelnennungen, welche die Methodenvielfalt der Beratungsstellen ergänzend darstellen, erfolgen von folgenden Interviewpartner/innen: B nennt die Biografiearbeit; die Kenntnis der Methode der persönlichen Zukunftsplanung und die klientzentrierte Gesprächsführung (vgl. Galuske, 2005, S. 179ff) wird von I beschrieben.

  • Methodenkatalog ressourcenorientierter Arbeit

Sowohl die KoKoBe als auch die ZsL zählen aufgrund ihrer Struktur und Konzeption zu den sogenannten "offenen Hilfen" (Schädler, 2007, S. 244-245) beziehungsweise "ambulanten Hilfen" (Theunissen, 2006a, S. 199) der Behindertenhilfe. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie individuelle Unterstützungsleistungen anbieten, welche sich an der Lebenswelt ihrer Klientel orientieren. Die Beratung kennzeichnet sich durch einen "präventiven Charakter" (Theunissen, 2006a, S. 195) aus. Dem Anspruch an Individualität und Personenzentrierung entsprechend weisen die Beratungsformen eine Bandbreite an methodischem Handwerkszeug auf, vergleichbar mit den von Theunissen (2006a, S. 196) beschriebenen Angebotsformen. Die Methoden werden im Folgenden vorgestellt.

Fall-Management in der sozialen Einzelfallhilfe

Fall-Management, in der Fachliteratur als Unterstützungsmanagement (Herriger, 2006; Theunissen, 2006a) bezeichnet, ist kennzeichnet durch "eine koordinierende, arrangierende und vernetzende Leistung, [...] die verfügbare Hilferessourcen in der privaten Lebenswelt [...] und in den öffentlichen Dienstleistungsagenturen in einer Hand zusammenführt und die pluralen Unterstützungsangebote der verschiedenen Anbieter zu einem geschlossenen und koordinierten Ganzen zusammenfügt" (Herriger, 2006, S. 98). Das Unterstützungsmanagement zielt darauf ab, ein Ressourcen-Netzwerk herzustellen und eine subjektive Netzwerk-Kompetenz im Sinne einer persönlichen Befähigung (a.a.O.) bei der Klientel zu entwickeln. Methodisch wird das Unterstützungsmanagement der Einzelfallhilfe zugeordnet und stellt eine Weiterentwicklung dar (Galuske, 2005, S. 202). Eine Standardisierung ist hier weniger festzustellen, weswegen sie sich flexibel und klientenbezogen einsetzen lässt. Dadurch ist eine Variation bezüglich des Settings, der Arbeitsweise, der Häufigkeit, Dauer und Bedeutung der Beratung möglich (Wüllenweber, 2006b, S. 436), was sich auf die Aussagen der Interviewpartner/innen beziehen lässt.

Die Methode ist Bestandteil der Arbeit aller Beratungsstellen, die Anwendung erfolgt jedoch in unterschiedlicher Ausgestaltung. Die Interviewpartner/innen bewerten die Methode einerseits hoch (E, F, J), andererseits wird betont, dass sie nur phasenweise oder selten zum Einsatz kommt (B, D, H). Entweder ist der Beratungsprozess an sich zu kurz, die Methode bezieht sich nur auf Teilbereiche der Beratung oder die Beratung erfolgt schwerpunktmäßig am Telefon, hier oft nur bei einmaligen Kontakten, so dass die Methode nicht greift.

Aber ich denke oft nicht so intensiv, wie man das jetzt sonst unter Fallmanagement versteht. Weil das dafür einfach zu oft ein zu kurzer abgeschlossener Prozess hier ist. (D, Zn. 483f)

Konkret angewandt wird die Methode, indem ergänzende Dienste im Hilfesystem vermittelt werden. Zusätzlich erfolgt eine individuell auf die Bedürfnisse der Ratsuchenden zugeschnitte Vernetzung und Koordination von Hilfen. Interviewpartnerin G erwähnt hier die Vor-und Nachbereitung. D erwähnt die (erfolgreiche) Weitervermittlung an andere Dienste bei Nicht-Zuständigkeit und E geht auf die Rolle der Beratungsstelle als Anlaufstelle für die anderen Dienste ein.

[...] welche Hilfen benötigt derjenige und das geht darum diese Hilfen zu organisieren und zu vernetzen, so dass er dann ein Netzwerk hat von den Hilfen, die er braucht. Das ist ganz klar. Da sind wir dann auch die Ansprechpersonen [...]. (E, Zn. 425ff)

Wie insbesondere an der Anmerkung von Interviewpartnerin D zu erkennen ist, wird diese Methode, wie sie in der Fachliteratur beschrieben wird, nicht vollständig in der Praxis angewandt, es erfolgt die Umsetzung einzelner Teilschritte, worauf in der Zusammenfassung dieses Schlüsselkonzepts eingegangen wird. Der flexible Umgang der Interviewpartner/innen mit der Methode entspricht allerdings auch der von Wüllenweber erwähnten Variation.

Lebensberatung (persönliche Beratung, Bildung und Arbeit, Sozialrecht, Reha und sozialmedizinische Beratung)

Die Lebensberatung hat ihren Ursprung im Beratungsangebot der Zentren für Independent Living (Theunissen, 2009, S. 100). Eine inhaltliche Eingrenzung dieser Methode könnte vorgenommen werden, indem sie der psychosozialen Beratung zugeordnet wird (Theunissen, 2006a, S. 196). Anzunehmen ist, dass diese Methode inhaltlich kaum eingrenzbar ist, da die der Individualität geschuldete Flexibilität beschnitten werden würde. Dazu erschließt sich eine inhaltliche Eingrenzung aus den Aussagen der Interviewpartner/innen.

Die Lebensberatung wird in unterschiedlichem Ausmaß von den Interviewpartner/innen angeboten. Konkret benennen die persönliche Beratung C, H und J. Um dieser Fragestellung im Hinblick auf die hier untersuchten Beratungsformen gerecht zu werden, bedarf es einer unterteilten Auswertung. Zuerst die Beratungsform der KoKoBe: Der Teilbereich Arbeit gehört zum Beratungsspektrum (C, F). Die Beratung bei rechtlichen und medizinischen Fragen stößt bisweilen an die Grenzen der Kompetenzen der Berater/innen. Hier werden fachkompetente Stellen hinzugezogen beziehungsweise es wird an diese weiter vermittelt (D, F).

Findet alles statt, aber natürlich in einer unterschiedlichen Intensität. D. h. wir sagen ja ganz klar unser Schwerpunkt ist Wohnen im weiteren Sinne, Bildung und Arbeit gehört da partiell zu. [...] Aber bei der rechtlichen Sache ist es schwierig. Genau wie bei einzelnen Bausteinen zum Erbrecht oder gesetzliche Betreuung, da holen wir uns dann Hilfe. Ebenso sozialmedizinische Beratung, auch da sind wir auf Hilfe angewiesen. (F, Zn. 486ff)

Neben der persönlichen Beratung bieten die Berater/innen der ZsL die angeführten Teilbereiche der Lebensberatung folgendermaßen an: Die sozialmedizinische Beratung wird mehrheitlich im Sinne von Ausstattung mit (medizinischen) Hilfsmitteln verstanden (G, H).

Die sozialrechtliche Beratung wird von Interviewpartner J angeboten. Im Kontext dieser Fragestellung verweist er darauf, dass in seinem ZsL die Beratung nach einem Bezugspersonensystem erfolgt, d. h., jede/r Ratsuchende/r erhält während des gesamten Beratungsprozesses eine/n Berater/in. Um allen Fragen der Klientel gerecht zu werden, bietet das ZsL zudem Co-Beratungen an, falls die Fragestellungen unterschiedliche Kompetenzen erfordern.

D. h. jemand wird hier einer festen, also eine Person, die ihn durchgehend begleitet. [...] Natürlich dann mal mit einer Co-Beratung, wenn rechtliche Sachen im Vordergrund stehen. Dann werde ich dazu geholt. Wenn psychosoziale Dinge eine Rolle spielen werden Kollegen dazu geholt [...]. (J, Zn. 586ff)

Peer-Counseling

Die methodische Grundlage des Peer-Counseling ist die klientzentrierte Gesprächspsychotherapie nach Rogers und beinhaltet die Gesprächsführungstechniken des aktiven Zuhörens, Paraphrasierens und des Spiegelns. Explizit wird Wert darauf gelegt, eigene persönliche Erfahrungen in die Beratung miteinzubeziehen (Rösch, 1995, S. 3). Als Ziel wird die Unterstützung zu einer selbstbestimmten Lebensführung genannt. Bezogen auf die ZsL wird angemerkt, dass die Ausgestaltung der Beratung aufgrund der verschiedenen Qualifikationen - neben der Ausbildung zum Peer-Counselor --von Zentrum zu Zentrum variiert. (Rösch, 1995, S. 4).

Inwiefern Peer-Counseling für Menschen mit einer geistigen Behinderung zur Anwendung kommt, stellt sich an den Tätigkeiten der People First Gruppen dar (Theunissen, 2009, S. 120). Zudem wird diskutiert, ob Peer-Counseling im Rahmen der KoKoBe-Arbeit möglich ist (Theunissen, 2009, S.404).

Es zeigen sich deutliche Unterschiede in den Beratungsformen. Während das Peer-Counseling in den KoKoBe nicht angeboten wird, stellt es bei den ZsL die Grundlage der Beratung dar. Eine Möglichkeit, wie das Prinzip Peer-Counseling dennoch in der KoKoBe Anwendung finden kann, zeigt Interviewpartnerin F auf. Sie berichtet von einer Info-Veranstaltung zum Thema "Betreutes Wohnen", bei der Menschen mit Behinderung von ihren Erfahrungen bezüglich dieser Wohnform berichteten. Grundsätzlich können sich die Berater/innen A und D vorstellen, Peer-Counseling für ihre Klientel zu ermöglichen, falls erwünscht. Allerdings entspräche dieses Angebot nicht dem Peer-Counseling, wie es im professionellen Selbstverständnis der ZsL angesehen wird.

[...] was fasst man alles unter Peer-Counseling. Wir haben hier mal eine Veranstaltung gemacht, ich würde das als Peer-Counseling bezeichnen. Aber ich glaube, im engeren Sinne ist es das nicht unbedingt. [...] wir machen ein Themenabend "Betreutes Wohnen" und haben im Vorfeld drei Personen mit einem Fotoapparat begleitet, um den Lebensalltag so einzufangen. Und die haben an dem Abend selber vom Betreuten Wohnen erzählt [...]. (F, Zn. 504ff)

Das Peer-Counseling ist die Grundlage der ZsL. Mehrere Aspekte lassen sich aus den Antworten ableiten. Beraterin G spricht von der Selbstbetroffenheit, die sich positiv auf den Beratungsprozess auswirkt und benennt als inhaltliche Grundlage der Beratung die Selbstbestimmung. Sie grenzt diese zwei Grundaspekte von klassischen Beratungsformen ab, welche dem Peer-Counseling diametral gegenübergestellt sein können, da sie ihrer Meinung nach zu sehr nach dem Fürsorge-Prinzip arbeiten. Als Methode innerhalb der Selbsthilfegruppe, die ihrer Beratungsstelle angegliedert ist, wendet H das Peer-Counseling an.

Also ohne geht es bei uns nicht. [...] Und bei uns ist ja auch so, dass niemand, der nicht selber in irgendeiner Form selber eine Behinderung hat eben hier als Berater tätig sein kann. Weil das einfach unsere Grundphilosophie ist.[...] (J, Zn. 596ff)

Zwar könnte in einem definierten Rahmen, etwa von Interviewpartnerin F dargestellt, Peer-Counseling für Menschen mit einer geistigen Behinderung angeboten werden. Zudem erklären einige KoKoBe-Beraterinnen, dass sie diese Methode anbieten würden, falls erwünscht. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Klientel mit dieser Methode überhaupt vertraut ist und ob es deshalb nicht vielmehr eine mögliche Aufgabe der KoKoBe sein könnte, ihrer Klientel Zugang zu dieser Methode zu ermöglichen - zumal dies der bereits beschriebenen Ressourcenorientierung entsprechen würde.

Familien-und Angehörigen-Beratung

Die Beratung von Eltern und Angehörigen zielt darauf ab, dass eine Veränderung der jeweiligen Rollen innerhalb der Familie stattfindet, ein Prozess, der für alle Beteiligten eine Umstellung bedeutet (Wilken, 2003, S. 158). Konflikte können aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen der Lebensperspektiven der Menschen mit Behinderung entstehen, insbesondere in Bezug auf die zunehmende Selbstständigkeit. Sei es, dass die Menschen mit Behinderung diese einfordern oder dass die Eltern sich in der Position sehen, ihren Kindern diese Veränderung plausibel zu machen (a.a.O., S. 159). In diesem Zusammenhang wird der Begriff der "Entpflichtung" genannt (a.a.O., S. 160). Die in der Zusammenfassung von Schlüsselkonzept 1 dargestellte professionelle Entwicklung innerhalb der Familien-und Angehörigen-Beratung kann an dieser Stelle vernachlässigt werden.

Diese Beratungsform wird, mit individueller Gewichtung, von allen Interviewpartner/innen angewandt. Bei den Berater/innen sind zwei Tendenzen zu erkennen: Die Angehörigen werden in den Beratungsprozess miteingebunden, da sie oftmals die Beratung initiiert haben. Den Berater/innen ist es aber ein Anliegen, den Menschen mit Behinderung und dessen Interessen in den Mittelpunkt zu rücken (A, D, E, I). Zudem spielt die Angehörigen-Beratung dann eine bedeutsame Rolle, wenn die Eltern der Verselbstständigung ihres Kindes gegenüber eine kritische Haltung einnehmen (vgl. Frühauf, 2006, S. 358). Dieses Verhalten beobachten die Interviewpartner/innen der KoKoBe (B-F) insbesondere bei älteren Eltern. Hier gilt es, den Ablöseprozess sehr behutsam zu begleiten. Interviewpartnerin F erwähnt in diesem Zusammenhang den Elternkreis ihrer Beratungsstelle, welcher mit dem Hintergedanken gegründet wurde, dass sich die Eltern hier aufgrund der Selbstbetroffenheit gegenseitig austauschen und beraten können (vgl. Theunissen, 2009, S. 212). Weiter beschreibt Interviewpartner B, wie die KoKoBe Seitens der Eltern als Anlaufstelle genutzt wird, speziell für Beschwerden.

Als Einzelerfahrung nennt Interviewpartner J, dass die Angehörigen auch ohne das behinderte Familienmitglied zur Beratung kommen. Er stellt die gegenteilige Situation zu den KoKoBe-Mitarbeiter/innen dar, nämlich, dass die Einzelberatungen der Angehörigen den Zweck haben, deren Wunsch nach Beratung gerecht zu werden, welcher aufgrund der Bedürfnislage ihrer Angehörigen mit Behinderung hintenan gestellt wird.

[...] man muss dann gerade mit der Familien-Beratung ganz vorsichtig sein. Immer abschätzen, was können die Eltern annehmen und was können sie überhaupt noch nicht annehmen. Und wir haben ganz viele Eltern, die das überhaupt noch nicht annehmen können. Also wo das dann wirklich über die Freizeit-Schiene geht, dass sie überhaupt mal lernen, dass ihr Kind mal alleine zwei Stunden irgendwo ist. [...] Und gucken dann schon, dass der Mensch mit seinen Fähigkeiten da auch im Vordergrund steht. Es gibt ja auch Eltern die sehr negativ sprechen [...] im Sinne was der alles nicht kann. Da versucht man natürlich schon das durch die Sprache so ein bisschen in eine andere Richtung auch zu lenken. (E, Zn. 451ff)

Im Unterschied zu den in der Fachliteratur dargestellten Aspekten erkennt man anhand der Anmerkungen der Interviewpartner/innen, dass die Problematik bezogen auf ältere Eltern wesentlich den Beratungsprozess beeinflussen kann. Die Thematisierung der Problematik älterer Eltern in Bezug auf die Verselbstständigung ihrer Kinder erfolgt in der vorliegenden Forschungsliteratur weniger, das Wesen der Familien-und Angehörigenberatung wird durch die Neudefinition der jeweiligen Rollen recht allgemein gehalten (vgl. Wilken, 2003, S. 156ff).

Aufsuchende Beratung

Die aufsuchende Beratung wird als "mobile Dienstleistung" bezeichnet und ist Bestandteil der bereits erwähnten "offenen Hilfen" (Theunissen, 2006a, S. 199). Obwohl die aufsuchende Beratung in Bezug auf die Sprechstunden der KoKoBe in den Werkstätten auch der Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Theunissen, 2009, S. 404) zugerechnet werden, sehen die Berater/innen sie als Bestandteil der aufsuchenden Beratung.

Diese Beratungsform wird zwar auch von der Klientel in Anspruch genommen, kommt aber eher weniger zum Einsatz. Die einzige Ausnahme ist Beraterin G, deren Beratungsstelle sich noch im Aufbau befindet und deshalb noch über keine eigenen Büroräume verfügt. Die Berater/innen besuchen ihre Klientel auf Anfrage (A, D), wenn die Behinderung oder anderweitige Einschränkungen ein Aufsuchen der Beratungsstelle erheblich erschweren (C, D, F, H), oder wenn es im Rahmen des Beratungsprozesses sinnvoll erscheint, das Lebensumfeld des Klienten kennenzulernen (F). Interviewpartner/innen C und H merken an, dass die Gesprächssituation für die Menschen mit Behinderung zuhause angenehmer sein kann. Dass Hausbesuche als Angebot nicht erwünscht sein können, erwähnen B und E.

Eine Sonderform der aufsuchenden Beratung stellt für Interviewpartner/innen B und F das Beratungsangebot in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung und im Jugendhaus dar, da für sie dort die Möglichkeit besteht, Menschen zu erreichen, welche sonst weniger einen Zugang zu ihrer Beratungsstelle haben (hierzu siehe auch Schlüsselkonzept 1, Kategorie 3. "typische" Zugangswege).

Die aufsuchende Beratung erfährt von Seiten der Beratungsstellen insofern eine Einschränkung, als dass einerseits eine "Komm-Struktur" herrscht (F, J) und andererseits die zeitlichen Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen (E, J).

Das machen wir, wenn die Situation es erfordert auch. Wenn es jetzt irgendwie Menschen mit Behinderung, der jetzt körperlich total eingeschränkt ist, die Mutter nicht in der Lage ist, hier her zu kommen, bieten wir das auch an. [...] (D, Zn. 519ff)

Machen wir kaum, das ist zeitlich schwer zu schaffen, die Leute zu Hause zu besuchen. Und einige wollen auch nicht, dass wir zu ihnen kommen. Also weniger. (E, Zn. 464f)

Netzwerkarbeit

Netzwerke werden unterteilt in primäre (z. B. Familie), sekundäre (z. B. Vereine) und tertiäre (z. B. Ärzte) Netzwerke, wobei keine klaren Abgrenzungen vorgenommen werden können. Definiert wird Soziale Netzwerkarbeit "durch die Analyse, Nutzung, Gestaltung und Ausweitung des Beziehungsgeflechts der Klienten zu Personen, Gruppen und Institutionen auf eine Optimierung ihrer Unterstützungsnetzwerke und damit [...] die Stärkung ihrer Selbsthilfepotenziale" (Galuske, 2005, S. 285). In Bezug auf das Empowerment kommt der Netzwerkarbeit die Aufgabe zu, "die bessere Wahrnehmung und Nutzung vorhandener lebensweltlicher Ressourcen zu fördern" und "Unterstützung zu leisten bei der Schaffung neuer Potenziale" (Keupp, 2006, S. 366). Dem Empowerment wird im Kontext nichtprofessioneller Netzwerkarbeit durch die Arbeit der Selbsthilfegruppen entsprochen (Pittius, 2007, S. 236-237).

Die Netzwerkarbeit wird als Bestandteil des Angebots von allen Interviewpartner/innen genannt. Der Schwerpunkt liegt in der Koordination und Vermittlung (B-F, J). Auch werden Kontakte hergestellt, sei es zu Freizeitangeboten, Initiativen oder anderen ergänzenden Diensten (B, C, E, J). Eine Begleitung, etwa zu Behörden oder anderen Diensten, wird dann übernommen, wenn dies keine andere Person im Umfeld des Menschen mit Behinderung leisten kann, allerdings ist dieses Angebot aus zeitlichen Gründen begrenzt (A, E, F, I).

H erwähnt in diesem Zusammenhang, dass die Präsenz der Berater/innen bei einer Begleitung, etwa zu Gerichtsverhandlungen, insofern von Bedeutung ist, als dass die Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit des Anliegens der Klientel unterstrichen wird. Auch könnte die Begleitung von der Seite des Menschen mit Behinderung im Sinne eines Freizeitangebots falsch verstanden werden, (E). Netzwerkarbeit im Rahmen der eigenen Beratungsstellen bieten die Interviewpartner/innen B, D, E, F, H und I an. Hier werden Freizeitangebote wie ein Stammtisch oder Frühstücksrunden genannt oder eine angegliederte Selbsthilfegruppe (H), welche die Funktion eines Netzwerks erfüllen und als Kontaktmöglichkeiten vorgehalten werden. Interviewpartner B nennt die von der KoKoBe initiierten regelmäßig stattfindenden Heimbeiratstreffen als Gelegenheit, miteinander in Austausch zu treten und sich zu reflektieren.

Aber was wir auf jeden Fall machen ist Begleitung zu Behörden, insbesondere Arge. (A, Zn. 642f)

Netzwerkarbeit ist z. B. eine ganz wichtige [Methode] -wir laden alle Heimbeiräte zwei Mal im Jahr aus der Region hier ein und das hat sich als was sehr Positives entwickelt. Und so im Rahmen die auch mal anders ihre eigene Rolle reflektieren. (B, Zn. 432ff)

In begrenztem Rahmen können wir das auch schon mal machen. Dass wir auch mal mitgehen oder dadurch, dass wir selber auch Freizeitangebote vorhalten, wo ich z. B. dabei bin, Frühstück oder so. Das ist halt nur begrenzt möglich. (I, Zn. 576ff)

Die Netzwerkarbeit wird von den Berater/innen in der Praxis wie in der Theorie beschrieben ausgeführt. Der Hinweis auf die Koordination von Hilfen und die Initiierung von Freizeitangeboten geben darüber Aufschluss.

Freizeitangebote der KoKoBe

Die Vernetzung, Initiierung und Öffnung von Freizeitangeboten für Menschen mit einer geistigen Behinderung ist Bestandteil des Auftrags der KoKoBe. Zusätzlich bieten einige KoKoBe eigene Veranstaltungen an, mit dem Ziel, Kontakte zu ermöglichen oder auf diesem Weg ein niedrigschwelliges Angebot zur Anbahnung einer Beratung bereitzustellen. Zusätzlich stellen einige KoKoBe ein breites Spektrum von Freizeitangeboten zur Verfügung. (LVR, 2008d, S. 20)

Freizeitangebote werden von allen befragten KoKoBe in Kooperation vorgehalten, wenngleich dieser Bereich eher am Rande der Tätigkeit angesiedelt ist (A-D). Es werden Freizeitangebote wie der bereits erwähnte Stammtisch oder eine regelmäßig stattfindende Singleparty für Menschen mit Behinderung veranstaltet (B, C). Dazu wird ein gemeinsam erarbeiteter Veranstaltungskalender für Menschen mit Behinderung herausgegeben (B, D), hier hat die KoKoBe einen im Hintergrund initiierenden und informierenden Charakter. Die Interviewpartner/innen E und F bewerten den Bereich Freizeit im Vergleich zu ihren Kolleg/innen recht hoch und bieten auch Angebote an, welche sie nach den Interessen ihrer Klientel richten.

Der Auftrag der KoKoBe ist nicht vorrangig Freizeitangebote zu machen, sondern zu koordinieren, zu vernetzen. Da sind wir dann zum Teil beteiligt. Die (Name der Stadt) KoKoBes machen ja die Kennenlernpartys zwei drei Mal im Jahr mit. Vernetzung ist der Veranstaltungskalender [...] den wir alle zwei Monate rausgeben. (B, Zn. 438ff)

Freizeitangebote machen wir natürlich. Wir gucken immer, was möchten die Leute machen. Und nicht, was möchten wir gerne, was die Leute machen.(E, Zn. 486f)

Vermittlungsarbeit

Die Vermittlungsarbeit ist als ein Bestandteil des Unterstützungsmanagements zu sehen, indem "geeignete Dienstleistungsangebote [...] vernetzt, abgestimmt und gesteuert werden" (Theunissen, 2006a, S. 217).

Alle Berater/innen leisten Vermittlungsarbeit. Sie sehen sich bei bestimmten Fragestellungen als nicht kompetent an und verweisen an andere Dienste, Beratungsformen und Behörden (B -F, H, J), um der Klientel deren Ressourcen zur Verfügung zu stellen (siehe auch Lebensberatung). Die Interviewpartner/innen B, D, E, F und G sind der Meinung, nicht über alle Kompetenzen verfügen zu müssen, aber dennoch in der Lage zu sein, diese Kompetenzen in Erfahrung zu bringen. Ein wichtiges Anliegen von A, D und E ist, dass die Klientel eine Weitervermittlung als erfolgreich erlebt, das heißt, der Kontakt vorbereitet und dafür Sorge getragen wird, dass eine tatsächliche Bearbeitung stattfindet. Die Klienten nach der Weitervermittlung sich selbst zu überlassen, liegt ihnen fern. J merkt an, dass durch die Vermittlung auch eine Zusammenarbeit entstehen kann, etwa zwischen KoKoBe und ZsL.

Erst mal hat man noch die Fäden und wenn man dann aber merkt, okay, der ist bei der anderen Beratungsstelle besser aufgehoben, dann gibt man es ab. Aber man ist trotzdem erst immer noch Ansprechpartner, nicht dass die Leute denken, man will einen los werden. (E, Zn. 493ff)

[...] ich finde, dass man nicht alles können muss, nicht alles können kann, Netze nutzen muss, um eigene Ressourcen auch zu sparen. [...] (F, Zn. 555f)

Die Vermittlungsarbeit, das eben auch dann z. B. auch in die KoKoBe weiter leiten, haben wir auch schon gemacht. Und die auch zu uns und wir auch zusammen Fälle durchgehen. Das ist also im Grunde genommen schon ein wichtiger Teil bei uns. (J, Zn. 630ff)

Gemeinwesenarbeit, Stadtteilarbeit

Gemeinwesenarbeit in Bezug auf Menschen mit einer Behinderung beinhaltet nach Niehoff (2004) folgende Aspekte: Unterstützung der einzelnen Menschen in ihren primären sozialen Bezügen; Stärkung, Unterstützung und Erweiterung sozialer kultureller Netzwerke in der Gemeinde (aktive Kooperation sozialer Institutionen); Kontaktaufbau und -pflege mit Nachbarn; nachbarschaftlicher Austausch von Ressourcen zwischen Dienstleister und Nachbarschaft und die Erstellung regionaler Netzwerkanalysen mit potenziellen Unterstützern für die Belange von Menschen mit Behinderung (Niehoff, 2004, S. 8). Zudem wird angemerkt, dass die Gemeinwesenarbeit innerhalb der Behindertenhilfe weniger Beachtung gefunden hat (a.a.O., S. 5).

Diese Methode wird von den Interviewpartner/innen unterschiedlich bewertet. Entweder wird sie kaum angewandt, befindet sich im Aufbau (A, C, H, I) oder steht aus anderen Gründen eher im Hintergrund. Diese Gründe können sein, dass der Stadtteil selbst diesen Bereich nicht all zu sehr forciert (C, D) oder andere Teilbereiche der Arbeit der Beratungsstelle im Vordergrund stehen (B). Auf kommunalpolitischer oder -administrativer Ebene beteiligen sich die Einrichtungen der Berater/innen A, B, C, E, G, I und J. Die Gemeinwesen-und Stadtteilarbeit als Möglichkeit der Vernetzung mit anderen Institutionen und Angeboten, auch im Bereich Freizeit, sehen B, E, und I. Dass über diesen Zugang zur Gesellschaft das vorherrschende, eher negativ geprägte Bild des Menschen mit Behinderung eine Veränderung erfahren kann, bemerken Interviewpartner/innen E und G und nutzen diese Möglichkeit auch.

Gemeinwesenarbeit, Stadtteilarbeit ist auch wichtig, aber eher nicht ganz so einfach. Ich denke, sie ist auch sehr zeitaufwändig, eine breite Gemeinwesenarbeit, Stadtteilarbeit für hier ein Viertel, ein Drittel fast von (Name der Stadt), wenn man die Einwohnerzahl nimmt. Wichtig ist da auch, Kontakte herzustellen. [...] (B, Zn. 467ff)

Das ist dann die Seite, wie kann man eigentlich auch so gesellschaftliche Veränderung vielleicht bewirken. Und da ist es also schon so, dass wir an den Stadtteilkonferenzen teilnehmen, [...] z. B. im Jugendbereich oder im Seniorenbereich. Dass man sich da auch bekannt macht und versucht, auch die Belange von Menschen mit Behinderung zu vertreten. [...] (E, Zn. 504ff)

Öffentlichkeitsarbeit

Als Ziel der Öffentlichkeitsarbeit wird in Bezug auf die Lebensgestaltung von Menschen mit Behinderung beschrieben, dass eine positive Veränderung in Bezug auf das in der Gesellschaft vorherrschende defizitäre Behinderungsbild erreicht werden soll. Hierzu erfolgt Öffentlichkeitsarbeit auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene. Während auf nationaler und regionaler Ebene Entscheidungsträger von Politik und Wirtschaft erreicht werden sollen, fokussiert die kommunale beziehungsweise örtliche Öffentlichkeitsarbeit das bürgerschaftliche Engagement und die Netzwerkbildung. Allerdings ist zu beachten, dass Interessen der jeweiligen Beteiligten im Sinne des Menschen mit Behinderung abgewogen werden sollten. Zudem sollen alle Möglichkeiten der Selbstvertretung in der Öffentlichkeit durch personelle und technische Unterstützung geboten sein (Maas, 2007, S. 246).

Die Öffentlichkeitsarbeit ist Bestandteil der Arbeit aller Interviewpartner/innen. Sie erfolgt ähnlich wie bereits bei der Stadtteil-und Gemeinwesenarbeit dargestellt -über die Teilnahme an Gremien und Festen beziehungsweise Infoveranstaltungen (A, D, H). Auch werden die Freizeitangebote der KoKoBe beziehungsweise die Bekanntmachung derselben als Teil der Öffentlichkeitsarbeit angesehen (F). Neben dem Ziel, den Bekanntheitsgrad der Beratungsstelle und deren Auftrag zu steigern (D, F, G), stellt die Zusammenarbeit mit den Medien einen nicht unbedeutenden Aspekt dar. Neben der Bekanntmachung und der Entwicklung eines Problembewusstseins für die Lage der Menschen mit Behinderung (E, J) legen die Berater/innen ihr Augenmerk darauf, wie das Bild des Menschen mit Behinderung durch die Medien vermittelt wird. Beispielsweise wünscht E eine Absprache mit den Journalisten vorab. Sie möchte auch entsprechende Artikel vor einer Veröffentlichung gegenlesen, um sicherzustellen, dass die Inhalte im Sinne des Menschen mit Behinderung vertretbar sind. Interviewpartnerin H berichtet von Negativerfahrungen mit den Medien, etwa dass die Problemlagen ihrer Klientel im Sinne des TV-Zielpublikums des Fernsehens aufbereitet werden, ohne auf die Bedürfnisse der Klientel einzugehen. Als Konsequenz werden Anfragen von der Seite der Medien auch abgelehnt. Ihrer Erfahrung nach ist die medienwirksame Aufbereitung der Thematik oft kontraproduktiv zu dem Anliegen ihrer Beratungsstelle, da ein verzerrtes und nicht der Wirklichkeit entsprechendes Bild gezeichnet wird und die Klientel durch den Gang an die Öffentlichkeit keine Verbesserung ihrer Lage erfährt.

[...] es ist mittlerweile sogar so, dass bei uns regelmäßig Anfragen von Presseleuten kommen [...]. Und dann gibt es auch diverse durchaus negative Erfahrungen. Wenn dann eben doch in so Printmedien oder Nachrichtenmagazinen das so ausgeschlachtet wird und aber gar nicht auf die Bedürfnisse der Leute wirklich geguckt wird. Sondern eben nur so Zielgruppe Publikum im Auge ist. Und da sieben wir mittlerweile auch sehr, sehr aus. Also Talkshows kommt nicht in Frage. (H, Zn. 559ff)

Öffentlichkeitsarbeit ist bei uns ein sehr wichtiger Standpunkt. [...] Dass wir eben auch die Belange von Menschen mit Behinderung nach außen tragen. Eben durch die Gremienarbeit auch. Und durch Presseartikel und solche Dinge dann eben auch. Versuchen dann eben auch die Belange in das Bewusstsein der Öffentlichkeit mit rein zu bringen. [...] (J, Zn. 642ff)

Hauptaugenmerk der Öffentlichkeitsarbeit liegt neben der Bekanntmachung der Beratungsstelle auf der Darstellung des Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft, hier decken sich die theoretischen Ansprüche mit der praktischen Umsetzung, indem die Interessen der Menschen mit Behinderung oberste Priorität haben.

  • Weiteres methodisches Handwerkszeug

Einige Interviewpartner/innen ergänzen den Methodenkatalog: Die Berater/innen der Ko-KoBe (B, C, F) nennen die Methode der Leichten Sprache als unverzichtbares Handwerkszeug bei der Arbeit mit Menschen mit einer geistigen Behinderung. Die Leichte Sprache fließt auch in die Gesprächsführung mit ein (C). Ergänzend als didaktisches Material nennen die Interviewpartner/innen B und F den Hilfeplan in Leichter Sprache (vgl. LVR, 2009). F nennt weitere didaktische Materialien des gestalterisch-kreativen Bereichs.

[...] eine ganz wichtige Methode ist noch Leichte Sprache. Barrierefreiheit Leichte Sprache. Was bei dem Personenkreis Menschen mit Behinderung, da haben die KoKoBes jetzt z. B. auch mitgearbeitet. Den Hilfeplan in Leichter Sprache [...]. (B, Zn. 484ff)

Die Berater/innen A und B der KoKoBe führen in diesem Zusammenhang an, dass sie ihren Arbeitsauftrag in gewisser Hinsicht weiter fassen, indem sie sich als Informationsstelle für Menschen mit Behinderung und andere Personengruppen sehen, auch wenn die Fragestellung über den Beratungsauftrag hinaus geht. A möchte vermeiden, dass die Menschen im Hilfesystem weiterhin keine passende Unterstützung in ihrem Anliegen finden. B dagegen sieht sich auch als Schaltstelle für Informationsweitergabe an seiner Meinung nach geeignete und interessierte Personen.

[...] weil die Leute immer noch viel im Netzwerk oder auch im, in den sozialen Angeboten rumtingeln müssen, bis sie das Richtige haben. Also wenn hier jemand anruft wollen wir schon sicher sein, dass wenn er den nächsten Anruf tätigt, dass er dann richtig ist. Und mitunter kümmern wir uns darum, dass das auch passiert [...]. (A, Zn. 671ff)

Interviewpartnerin H ergänzt das Gesagte um die systemische Beratung in Bezug auf Peer-Counseling (vgl. Rösch, 1995, S. 4), welche in ihrer Einrichtung angeboten wird, und um die Selbsthilfegruppenarbeit.

6.3.2 Kategorie 2: Erfolg in der Sozialen Arbeit aus der Perspektive der Berater/innen

Erfolg in der Sozialen Arbeit lässt sich in zwei Dimensionen unterteilen. Die erste, die Bestimmung von Erfolg, orientiert sich am Ergebnis, am Verlauf und an Strukturen. Die zweite Dimension, die Ebene des Bezugs untergliedert sich in fünf Bezugsebenen: Klienten und ihre Netzwerke, interne sowie externe Kooperationspartner, die persönliche Situation des Sozialarbeiters und die gesellschaftliche Ebene (Herriger & Kähler, 2003, S. 21-22). Die dargestellten Dimensionen korrespondieren mit den Aussagen der Interviewpartner/innen und finden sich in den jeweiligen Unterkategorien wieder.

  • Definition von Erfolg

Alle Interviewpartner/innen geben an, als Erfolg zu erleben, wenn sie den Beratungskunden in ihrer jeweiligen Fragestellung geholfen und somit an einer Veränderung mitgewirkt haben (vgl. Herriger & Kähler, 2003, S. 23). Der Erfolg der Hilfe wird unterschiedlich dargestellt. Interviewpartner/innen C und I beziehen die Hilfe auf die Wünsche und Vorstellungen ihrer Klientel, welche sie zu realisieren geholfen haben. Darüber hinaus sieht E die Unterstützung auch dann als erfolgreich, wenn sie aus dem Prozess aussteigt, da sie weiß, dass das anschließende System die Hilfe fortführt. Der Erfolg in Bezug auf die Veränderung des Lebens der Klientel wird in der nächsten Unterkategorie explizit aufgegriffen.

Also ich glaube, dass meine Arbeit dann erfolgreich ist, wenn sie ein Stück weit diesen Verselbstständigungsprozess positiv begleitet und vorangebracht hat. Und wenn Hilfeformen gefunden wurden, die sehr angepasst sind an die Person, um die es geht. Dann würde ich sagen bin ich erfolgreich. (C, Zn. 515ff)

Den [Erfolg] würde ich so definieren, dass wir durch unsere Arbeit Menschen unterstützen können, ihr Leben nach ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. Da gibt es keine äußeren Erfolgskriterien. [...] (I, Zn. 627ff)

Zwar werden die Beratungen dokumentiert, sagen aber laut Berater/innen B, F und H wenig über die Qualität der Beratung aus und gelten somit weniger als Grundlage, den eigenen Erfolg zu bewerten. Ein weiteres Erfolgskriterium ist der steigende Bekanntheitsgrad der Beratungsstelle, die zum Teil über Mundpropaganda erfolgt (B, H). Auch ist die positive Rückmeldung von der Klientel für beide ein Hinweis über den Erfolg ihrer Arbeit. B fügt an, dass er es als Erfolg sieht, wenn Projekte umgesetzt werden.

Als eher langfristig angelegten Erfolg nennen Interviewpartner/innen F und H eine Änderung in den Strukturen der Behindertenarbeit. Während F auf individuelle Lebensformen für den Menschen mit Behinderung eingeht, beschreibt H eine Veränderung in der Umsetzung des Kinderwunsches. Der Wunsch wird regelmäßiger in die Lebensplanung aufgenommen und entsprechend werden von den Betroffenen Maßnahmen ergriffen, indem sich die Betroffenen frühzeitig an die Beratungsstelle wenden.

[...] dass sich insgesamt Strukturen verändern und das kann man nur über einen ganz langen Zeitraum machen und da können wir vielleicht jetzt nach vier Jahren Arbeit so erste Erfolge absehen. [...] (F, Zn. 599ff)

  • Veränderung des Lebens der Klientel in Bezug auf die Fragestellung der Beratung

Hier handelt es sich um den klientenbezogenen Erfolg in Bezug auf die Ergebnisorientierung. Der Erfolg stellt sich ein, da "dauerhaft gesicherte Veränderungen der Lebenssituation der Klienten hergestellt werden" (Herriger & Kähler, 2003, S. 14) und eine Verbesserung der Lebensqualität im Sinne einer Stabilisierung der Lebenslage (a.a.O.) erreicht wird.

Zwar haben die Interviewpartner/innen in der vorangegangenen Unterkategorie den hier detailliert nachgefragten Erfolg als ihr persönliches Kriterium angeführt, eine Differenzierung wird aber erst in den folgenden Bereichen vorgenommen, welche sich teilweise mit den in der vorherigen Unterkategorie geäußerten Aspekten des Erfolgs deckt. Am häufigsten wird die Veränderung der Lebenssituation genannt (A, B, F, G, I, J). B und J beziehen den Erfolg auch auf die Veränderung der Wohnsituation.

Ja, da sieht man ganz klar, wenn sie dann ihre Lebenssituation verändern, [...] kurz-oder auch mittelfristig, dass dann Leute von zu Hause oder aus dem Wohnheim ausziehen oder auch selber aktiver werden. (B, Zn. 524ff)

Als Erfolgskriterium kann auch die Gewährung von beantragten Hilfen gesehen werden, die sich auf die Lebensumstände der Ratsuchenden auswirkt. Während J hier den Erfolg benennt, indem das Ziel erreicht wird, geht H auf die Tatsache ein, dass Hilfen oft nicht zeitnah erfolgen.

Das ist ein bisschen bitter, weil wir eben oft nicht und schon erst recht nicht zeitnah die Hilfen vermitteln können oder dafür sorgen können, dass sie die Hilfen kriegen, die sie brauchen. [...] (H, Zn. 609f)

Während E sich nicht in der Position sieht, die Veränderungen im Leben der Klienten als Erfolg zu bewerten, merkt Interviewpartnerin F an, dass sie sowohl positive als auch negative Veränderungen wahrnimmt (vgl. Herriger & Kähler, 2003, S. 34), was sie allerdings nicht in Zusammenhang mit ihrem eigenen Erfolgserleben bringt.

Ja, also klar. Positiven oder negativen Erfolg, den wir ja auch haben. Können wir ja in Einzelberatungen feststellen [...]. (F, Zn. 607f)

  • Beziehungsgestaltung zwischen Berater und Klient

Die Qualität der Beziehung innerhalb des Beratungsprozesses wird als verlaufsorientierter klientenbezogener Erfolg bezeichnet (a.a.O.). Die Interpretation des Erfolgs der Beziehungsgestaltung als "Lebenswegbegleitung" und als "offene Arbeitskoalition" mit dem Verbleib der Entscheidungsmacht bei der Klientel (a.a.O., S. 15) entspricht den Aussagen der Interviewpartner/innen.

Inwiefern eine gelungene Beziehungsgestaltung zwischen Berater und Klient als Erfolg gewertet werden kann, zeigt sich für die Interviewpartner/innen daran, wie das Beratungsangebot von Menschen mit Behinderung und auch ihren Angehörigen angenommen wurde (B, C, D, H). Feststellbar ist dies anhand der Ausgestaltung des Kontakts und der Beratungssituation (C, I), dass die persönlichen Ziele umgesetzt wurden (D), oder dass die Klientel die Beratungsstelle auch über einen längeren Zeitraum hinweg als verlässlichen Ort ansieht, an dem sie Unterstützung erhalten kann (B, E, J).

Ist es mir gut gelungen, in Kontakt mit dem Klienten zu kommen. Hat er mich verstanden. Hab ich ihm genug Raum gelassen. (C, Zn. 527f)

Dass es Unstimmigkeiten in der Beziehung zwischen Berater/in und Klient geben kann sprechen A, G und I an, wobei hier für die Berater/innen die Möglichkeit besteht, die Beratung entweder an eine andere Stelle oder an Kollegen abzugeben (A, G).

Also die Chemie kann nicht immer stimmen. Und das ist auch in Ordnung dann letztendlich nochmal an eine andere KoKoBe oder auch was auch immer zu verweisen. (A, Zn. 709f)

Für Interviewpartner/innen G und J ist die Vermischung privater Kontakte mit der professionellen Beratung ein Thema. Beide legen darauf wert, eine professionelle Distanz zu wahren und versuchen, eine Trennung dieser beiden Bereiche vorzunehmen, was nicht immer gelingt.

[...] dass man da auch eine gewisse professionelle Distanz dazu wahrt. [...] Was sich aber nicht immer so ganz trennen lässt, weil ich auch Leute hier in Beratung habe, die auch zu meinem persönlichen Umfeld gehören, oder Bekanntenkreis. [...] (J, Zn. 687ff)

  • Ansprüche und Zielvorgaben der Institution

Die hier dargestellte Ebene des klientenbezogenen Erfolgs wird als Strukturorientierung (a.a.O.) bezeichnet. An dieser Stelle spielen insbesondere spezifische Gestaltungsfreiräume eine Rolle und tragen zu dem subjektiven Erfolgserleben bei, welches sich mit den bereits dargestellten Ebenen des klientenbezogenen Erfolgs deckt.

Obwohl es für die meisten Beratungsstellen Vorgaben gibt, die es zu erfüllen gilt, sehen die Interviewpartner/innen diese weniger handlungsleitend für ihre Beratungstätigkeit (A, C, D, J). Im Vordergrund steht für C, E und J klar die Fokussierung auf den Menschen mit Behinderung und dessen Interessen, was auch mit dem beruflichen Selbstverständnis der Berater/innen einhergeht.

Die Ansprüche und Zielvorgaben der Institutionen interessieren mich ehrlich gesagt nicht. [...] für mich steht der Mensch mit Behinderung im Mittelpunkt. Die Ziele der Institutionen ist klar, möglichst billig. Das interessiert mich nicht. Weil wir eben diese Parteilichkeit uns auf die Fahnen geschrieben haben. [...] (J, Zn. 699ff)

Die Erfüllung der Vorgaben erfolgt anhand der Dokumentation der Beratungstätigkeit und weiteren Leistungen (D, H, I), wie in dieser Kategorie bereits angesprochen wurde. Beiden Thematisierungen ist gemein, dass es sich hierbei lediglich um eine vorgegebene Formsache des Finanzierungsträgers handelt und dadurch keine verbindliche Aussage über den tatsächlichen Erfolg getroffen wird. Das Erstellen der Hilfepläne stellt für E eine Möglichkeit dar, auf die Vorgaben des Finanzierungsträgers einzugehen, aber auch hier die Interessen des Menschen mit Behinderung aufzuzeigen. Inwiefern es an dieser Stelle gelingt, den Menschen mit Behinderung zu vertreten, hängt ihrer Meinung nach von der Qualität der Hilfepläne ab.

Interviewpartner/innen B und F (KoKoBe) werten als Erfolg in der Zusammenarbeit mit der Institution, hier der LVR, dass die Existenz der KoKoBe zu einer Verbesserung der Beratungslandschaft innerhalb der Behindertenarbeit geführt hat und dass eine weitere produktive Zusammenarbeit stattfindet, der Prozess also noch nicht abgeschlossen ist.

Und es geht viel um Projektarbeit und Vernetzung wo man merkt, da tut sich was. [...] Dass man also doch sehr deutlich daran messen kann und merken kann, auch was sich tut. Oder vielleicht wo man merkt, hier, in dem Bereich müsste noch mehr getan werden. (B, Zn. 541ff)

Die Tatsache der Refinanzierung durch den LVR und der sich daraus ergebenden Trägerunabhängigkeit stellt für A einen Handlungsfreiraum dar, der es ihr ermöglicht, weniger auf die Vorgaben von der Seite der Institution zu achten.

Die Interviewpartner/innen nutzen den spezifischen Gestaltungsfreiraum, indem sie ihren Arbeitsschwerpunkt auf die Wünsche und Interessen ihrer Klientel verlagern und die Ansprüche und Zielvorgaben der Institutionen für sie eine nachrangige Rolle spielen. Dieser Freiraum ermöglicht klientenzentriertes Arbeiten und bedingt sich eben durch die Bereitstellung spezifischer Gestaltungsfreiräume durch die Institutionen.

  • Gemeinwesenarbeit und Integration des Menschen mit Behinderung

Hier bezieht sich der Erfolg erneut auf die Strukturorientierung und den auf externe Kooperationspartner bezogenen Erfolg. Sowohl auf Kollegen innerhalb der Sozialen Arbeit, als auch auf andere Professionszugehörigkeiten (a.a.O., S. 18). Beeinflusst wird der erlebte Erfolg von der Akzeptanz der "sozialarbeiterischen Wirklichkeitskonstruktionen" durch die fachfremden externen Kooperationspartner (a.a.O., S. 19).

Die Gemeinwesenarbeit als Bestandteil des Arbeitsauftrags der KoKoBe wird von den Mitarbeiter/innen in Bezug auf den Erfolg unterschiedlich bewertet. Es wird angemerkt, dass sie entweder (noch) nicht, beziehungsweise in keinem großen Umfang geleistet wird (A, B, F), also ausbaufähig ist. Als Erfolgsindikator werden die Freizeitangebote der KoKoBe angesehen, deren Bekanntheitsgrad steigt (B, D). B sieht die Bestrebungen der KoKoBe bei der Differenzierung der Wohnangebote für Menschen mit Behinderung als Erfolg an. In diesem Zusammenhang merkt F an, dass, um weitere Erfolge erzielen zu können, sich andere Sparten des Gemeinwesens, sie nennt als Beispiel Wohnungsbauunternehmen, die vorerst wenig Berührungspunkte mit der Behindertenarbeit haben, stärker auf die Thematik "Mensch mit Behinderung" einlassen müssten. Beispiele, wie Menschen mit Behinderung von der Seite der Gesellschaft integriert werden, zeigen Interviewpartner/innen C und E auf. Beide nennen den Freizeitsektor, das Fitnessstudio mit integrativen Angeboten und die ehrenamtliche Tätigkeit eines Mannes auf einem Pferdehof.

[...] ein ganz großer Bedarf ist immer noch in der Vernetzung, in der Gemeinwesenarbeit und in diesem Bereich. Ich glaube, da sind wir noch weit davon entfernt, was wir eigentlich wollen, dass es selbstverständlicher wird. [...] Wohnungsunternehmen [...] einfach Bausteine im Gemeinwesen, die nicht so nah dran sind an der Behindertenarbeit. [...] die haben wir noch nicht so, da haben wir noch was zu tun. (F, Zn. 626ff)

Grundsätzlich wird auch von den Berater/innen der ZsL bemerkt, dass Menschen mit Behinderung stärker in das Interesse der Gesellschaft rücken, so dass die Möglichkeit entsteht, weiter daran zu arbeiten, das Bild eines selbstbestimmten Menschen mit Behinderung zu vermitteln. Zwar ist davon auszugehen, dass der Wandel der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Gesellschaft mit auf der Arbeit der ZsL gründet, dies geht aus den Antworten allerdings nicht eindeutig hervor. H schildert Schwierigkeiten in der Gemeinwesenarbeit aufgrund der institutionellen Prägung ihrer Stadt.

[...] es ist einfach deutlich spürbar, auch dass die Situation von Menschen mit Behinderung doch deutlich stärker in den Fokus der Gesellschaft rückt. [...] (J, Zn. 709f)

Die Akzeptanz der sozialarbeiterischen Wirklichkeitskonstruktionen ist daran ersichtlich, dass sich Sparten des Gemeinwesens, welche nicht primär zum Hilfesystem der Behindertenarbeit gezählt werden, mit der Problematik auseinandersetzen, und zwar auf der Ebene, welche von den Berater/innen übermittelt wird. Die Berater/innen treffen also eine Selektion, in welchem Ausmaß die Belange der Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit vertreten werden. Parallel zeigen die Berater/innen Erfolge auf, welche sie nicht als Vertreter für die Belange der Menschen mit Behinderung in Erscheinung treten lassen, sondern als Vermittler.

6.3.3 Zusammenfassung des Schlüsselkonzepts

Die Umsetzung des Empowerment-Konzepts in die Praxis erfolgt über zwei Zugänge. Anhand einer Analyse der angewandten Methoden wird dargestellt, welches Handwerkszeug den Berater/innen zur Verfügung steht. Die Thematisierung des Erfolgs der Arbeit soll in Erfahrung bringen, inwiefern die Arbeit trotz der Eigendynamik des Empowerment als befriedigend erlebt wird.

Die beschriebenen Methoden sind Bestandteil des Arbeitsauftrags der Beratungsstellen. Dazu lässt sich anhand der Anwendung der jeweiligen Methode darstellen, ob sich Empowerment-Prozesse vollziehen. Diese Prozesse können auf vier (miteinander verknüpften) Ebenen wie folgt ablaufen (vgl. Herriger, 2006, S. 86).

Die individuelle Ebene: Hier kommen die Methoden des Unterstützungsmanagements, der Lebensberatung, des Peer-Counseling und der aufsuchenden Beratung in Betracht, zusätzlich die Methoden der Gesprächsführung. Auf der Gruppenebene werden die Methoden der Familien-und Angehörigen-Beratung und die Freizeitangebote angewandt. Die Methoden der institutionellen Ebene sind die Netzwerkarbeit (welche sich auch in Teilbereichen den bereits genannten Ebenen zuordnen lässt) und die Vermittlungsarbeit.

Auf der Gemeindeebene kommen die Methoden der Stadtteil-und Gemeinwesenarbeit und der Öffentlichkeitsarbeit zum Einsatz, wobei die Öffentlichkeitsarbeit auch anteilig der Gruppen-und institutionellen Ebene zuzuordnen ist.

Zwar wird das Unterstützungsmanagement (vgl. Wendt, 1999, zit. in Herriger, 2006, S. 98 ff) als eine der angewandten Methoden erfragt, doch ist die Funktion als "koordinierende und arrangierende Leistung in Ressourcennutzung und Dienstleistungserbringung" (Herriger, 2006, S. 98) dieser Methode in den jeweiligen weiteren Methoden des Katalogs zu erkennen. Das Unterstützungsmanagement als professionelles Instrument zur Anwendung des Empowerment-Konzepts erfolgt nach einem vorgegebenen Schema in sechs Stadien (vgl. Herriger, 2006, S. 99-104; Theunissen, 2006a, S. 218-220). Dass die Interviewpartner/innen tatsächlich nach dem Prinzip des Unterstützungsmanagements arbeiten, kann anhand der Aussagen der Interviewpartner/innen nicht eindeutig belegt werden. Dennoch beinhaltet ihre Arbeit Teile des Managements. Einen Hinweis gibt Interviewpartnerin D, wenn sie angibt, dass die KoKoBe-Arbeit oftmals ein zu kurzer Prozess ist, um als Unterstützungsmanagement bezeichnet werden zu können. Bezüge zu den einzelnen Stadien lassen sich folgendermaßen herstellen:

Stadium 1: Abklärung von Problemanlass und institutioneller Zuständigkeit. Die Interviewpartner/innen berichten, dass Klienten mitunter ohne eine präzise Fragestellung das Beratungsangebot in Anspruch nehmen, weswegen an dieser Stelle die Abklärung, anhand der Erstgespräche, auch mit den Angehörigen, erfolgt. Die Abklärung zeigt sich auch anhand der Angaben zur Vermittlungsarbeit. Hier sei hervorgehoben, dass einige Berater/innen das Anliegen haben, die Ratsuchenden kompetent weiterzuvermitteln und sicher stellen, dass der weiterführende Kontakt der Problemlage gerecht wird.

Stadium 2: Einschätzung und Bedarfsklärung erfolgen jeweils auch in den Erstgesprächen, gegebenenfalls während der Familien-und Angehörigen-Beratung und der aufsuchenden Beratung. Herriger führt vier Prüfpunkte an (a.a.O., S. 100): Inwiefern die Analyse und Deutung der Lebensprobleme, die Diagnose der Überlebensstrategien, das Ressourcensetting und die Thematisierung von Stolpersteinen relevant sein kann, ist anhand der Auswertung nur bedingt nachvollziehbar. Korrespondierende Methoden sind neben den bereits genannten die Lebensberatung, die Netzwerkarbeit und die Vermittlungsarbeit.

Stadium 3: Zielvereinbarung und Hilfeplanung: Inwiefern dieses Stadium in die Arbeit der Interviewpartner/innen einfließt ist in Bezug auf die Aussagen zum zweiten Schlüsselkonzept, Kategorie 1 (Stärken und Ressourcen der Klientel als Anknüpfungspunkt) zu erkennen und soll an dieser Stelle nicht erneut aufgegriffen werden. Es kann angenommen werden, dass die von Herriger aufgelisteten Schritte des Planungsvorgangs (a.a.O., S.100-101) dieses Stadiums (Zielformulierung, Prioritätensetzung, Methodenwahl, Aufgabenverteilung und Zeitstrukturierung) Bestandteil der Einzelfallhilfe der Berater/innen sind. Konkret lassen sich die einzelnen Schritte nicht zuordnen. Einen Hinweis geben die Berater/innen der KoKoBe, wenn sie das Hilfeplanverfahren des LVR als Instrument nennen, welches diesem Planungsvorgang entsprechen könnte.

Stadium 4: Kontrollierte Durchführung - das Erschließen von Ressourcen: Die Methoden der Familien-und Angehörigen-Beratung, der Netzwerkarbeit, der Vermittlungsarbeit und der Freizeitangebote der KoKoBe, sowie die Gemeinwesen-und Stadtteilarbeit lassen sich den Vorgehensweisen "Zusammenführen", "Aushandeln" und "Fürsprache" (Herriger, 2006, S. 101) dieses Stadiums zuordnen. Das signifikante Merkmal des Unterstützungsmanagements ist, dass die Berater/innen hier eine eher koordinierende und vernetzende Funktion haben und weniger in der Umsetzung beziehungsweise Leistungserbringung beteiligt sind (Theunissen, 2006a, S. 219). Dieses Merkmal lässt sich nicht passgenau auf die Arbeit aller Berater/innen übertragen. Obwohl sie die beschriebenen Funktionen wahrnehmen, erbringen sie bisweilen Leistungen, indem sie ihre Klientel beispielsweise zu Terminen begleiten, wobei dieses Vorgehen dem individuellen Unterstützungsbedarf gerecht wird.

Stadium 5: Evaluation: Dieses Stadium mit den Schwerpunkten "Arrangement der Unterstützungen" (Herriger, 2006, S. 102) und der abschließenden Evaluation ist nur begrenzt übertragbar. Die Aussagen der Interviewpartner/innen zur Fragestellung des Erfolgs geben Aufschluss, ob der erste Schwerpunkt gelungen ist, hier beispielsweise die Fragestellung nach der Veränderung der Lebensgestaltung. Es kann aufgrund der Angaben keine Aussage darüber getroffen werden, ob die angewandten Methoden im Hinblick auf adäquaten Einsatz evaluiert werden.

Stadium 6: Entpflichtung und Rechenschaftslegung: In diesem Stadium legen einige Interviewpartner/innen Wert darauf, dass die Klientel adäquate anschließende Unterstützung nach der Beratungstätigkeit erfährt. Dass das Ende des Unterstützungsmanagements als "ausschleichender Prozess" (Theunissen, 2006a, S. 220) erfolgt, belegt Interviewpartnerin E (siehe "Vermittlungsarbeit"). Die Rechenschaftslegung erfolgt über die geforderte Dokumentation. Eine klare Aussage über die Qualität des Erfolgs kann nicht getroffen werden, da nicht nach Relationen gefragt wurde.

Bezieht man die Auswertung auf die beschriebenen Dimensionen und Ebenen des Erfolgs in der Sozialen Arbeit, so korrespondieren die Aussagen mit den empirischen Ergebnissen von Herriger und Kähler (2003). Zentral sind die Ebenen des klientenbezogenen Erfolgs, insbesondere die Ergebnisorientierung, indem der Erfolg vorrangig in der Veränderung der Lebensgestaltung der Klientel gesehen wird. Die Strukturorientierung dieser Erfolgsebene ist insofern von Bedeutung, als dass die Berater/innen aufgrund der Trägerneutralität -und bei den KoKoBe der Refinanzierung durch den LVR -Freiräume sehen und im Sinne der Interessen der Beratungsklientel nutzen. Wendet man das Empowerment-Konzept konsequent in der Praxis an, so bleibt in diesem Zuge - so Herriger - eine Neudefinition des beruflichen Erfolgs nicht aus (Herriger, 2006, S. 208). Die Tatsache, dass der berufliche Erfolg gemessen an der Lebensveränderung der Klientel an oberster Stelle steht, bedeutet für die Umsetzung des Empowerment-Konzepts Folgendes: Gelingende Empowerment-Prozesse unterliegen einer eigenen Dynamik, geprägt von der jeweiligen Persönlichkeit. Dies bedeutet, dass Erfolge innerhalb dieses Prozesses nicht immer deutlich erkennbar und für Außenstehende nachvollziehbar sind. Herriger schreibt in diesem Zusammenhang: "Das Arbeitsprinzip ‚Respekt vor der eigenen Zeit des Klienten' hat auch eine Schattenseite: das lange Warten auf positive Resultate" (Herriger, 2006, S. 209). Inwiefern diese Tatsache das Erfolgserleben der Interviewpartner/innen beeinflusst ist nicht ersichtlich, zumal eine einzige Nennung auf Negativerfolge verweist (F). Es wird lediglich der Erfolg an sich genannt, nicht der Weg, der dazu geführt hat.

6.4 Schlüsselkonzept 4: Stolpersteine und Konflikte

6.4.1 Kategorie 1: Akzeptierende Grundhaltung und Glauben an die Stärken der Klientel

Als eine dem Empowerment-Konzept entsprechende Grundhaltung bildet der theoretische Rahmen dieser Kategorie eine Erörterung des Begriffs der Selbstbestimmung (Theunissen, 2009, S. 40). Zunächst hat jeder Mensch ein Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie (ICF/DIMDI, 2005, S. 121). Speck (2001, zit. in Theunissen, 2009, S. 42) unterteilt den Begriff in Handlungsautonomie (selbstständiges Handeln) und Bewusstseinsautonomie (Einsicht), wobei er von einer Unbestimmtheit des Selbstbestimmungsbegriffs ausgeht und die Selbstbestimmungsfähigkeit des Menschen grundsätzlich annimmt. Die Selbstbestimmung wird verstanden als "Prozess der Auseinandersetzung mit Anderen und der Umwelt" (a.a.O., S. 44) und steht diametral zur Interpretation der Selbstbestimmung als "grenzenloser Individualismus und Egoismus" (a.a.O.). Auf dieser Basis lässt sich die akzeptierende Grundhaltung der Interviewpartner/innen darstellen und interpretieren.

Auf die Frage, ob es den Interviewpartner/innen in bestimmten Situationen schwer fällt, an die Stärken ihrer Klientel zu glauben und eine akzeptierende Grundhaltung zu bewahren, sind recht unterschiedliche Herangehensweisen zu verzeichnen. Neben dem Bezug zu aktuellen Beratungssituationen wird die Fragestellung auf Einstellungen und Arten der Lebensführung ausgeweitet.

Die grundsätzliche Bereitschaft, auch in schwierigen Situationen an die Stärken der Klientel zu glauben, nennen die Interviewpartner/innen A, C, F, G und J. Sie nehmen teilweise Einschränkungen vor, etwa dass die Stärken an falscher Stelle eingesetzt werden (G) oder dass überprüft wird, inwiefern die Stärken tatsächlich vorhanden sind, um sie nutzen zu können (J). Falls die Berater/innen sich in einer Situation befinden, die ein hohes Maß an Akzeptanz verlangt, reflektieren sie ihre Rolle und reagieren mit professioneller Distanz (D, G) oder hinterfragen ihre Beratungsstrategie nach alternativen Vorgehensweisen (B). In diesem Zusammenhang thematisieren die Berater/innen aus ihrer Sicht erfolglose Beratungen in Bezug auf die Zielerreichung (A, F) oder der Darbietung von Handlungsoptionen (G, I, ZsL).

[...] manchmal bei so Menschen, wo immer nur ein "ja, aber" kommt, egal was für Ideen, Möglichkeiten da sind, immer nur "ja, aber". [...] (I, Zn. 678f)

Als erschwerend wird auch erlebt, wenn die Beratungskunden zu hohe Erwartungen an die Berater/innen haben. H und J (ZsL) beschreiben, dass manche Ratsuchenden die Einstellung haben, der Berater sei für die Problemlösung zuständig, während die Ratsuchenden keine Eigenleistung erbringen müssen.

Ja, wenn ich das Gefühl habe, die Klienten erwarten, dass ich ihre Probleme löse. [...] Das ist schon eine schwierige Situation. Weil a) kann ich das nicht und b) erlebe ich so eine gewisse Erwartungshaltung, ja, die so rüberbringt "weil ich behindert bin muss mir jetzt jemand mein Problem lösen". [...] (H, Zn. 646ff)

Solche kritischen Situationen können den Beratungsprozess beeinflussen, so dass die Berater/innen (B, I, J) bisweilen an den Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Klientel zweifeln. Dies hängt eng mit ihrer Meinung nach unrealistischen Zielformulierungen zusammen (B, J) oder wenn ein schwer akzeptierbares Verhalten regelmäßig gezeigt wird. I nennt hier als Beispiel eine Frau mit Behinderung, der es nicht gelingt, trotz mehrerer Versuche, sich aus einer schwierigen Partnerschaft zu befreien. Dass die Lebensgestaltung oder bestimmte Grundhaltungen der Klientel von den Berater/innen mitunter Akzeptanz erfordern, erwähnen D, E, G und I, da sie im Gegensatz zur eigenen Überzeugung stehen können.

Also das ist in solchen Momenten da, wenn meine Moralvorstellungen nicht mit den Moralvorstellungen der Klienten übereinstimmen. [...] und dann fällt es mir auch schwer, die Stärken der Klienten anzuerkennen. [...] Aber das sind eigentlich Dinge, die haben ja nichts mit der Behinderung zu tun, sondern die haben dann eben was damit zu tun, wie derjenige sein Leben sonst so gestaltet. [...] (E, Zn. 586ff)

Interviewpartner/innen C und D nennen Antipathie als erschwerenden Aspekt für Akzeptanz, sehen diese aber losgelöst von der Behinderung ihrer Klientel oder der Beratung, als ihr normales menschliches Empfinden.

Die Auseinandersetzung mit der Selbstbestimmung führen die Interviewpartner/innen auf beiden genannten Ebenen. Auf der Ebene der Handlungsautonomie, etwa wenn an die Berater/innen Erwartungen gerichtet werden. Die Bewusstseinsautonomie kommt bei den genannten unrealistischen Zielformulierungen zum Tragen. Die Prozesshaftigkeit der Selbstbestimmung zeigt sich durch die kritische Selbstreflexion der Berater/innen.

6.4.2 Kategorie 2: Die erlernte Hilflosigkeit in Bezug auf Verselbstständigung

  • Umgang mit Ängsten und Widerständen

Als Ursache für die Ängste und Widerstände gilt laut Theunissen (2009, S. 74) die Erfahrung der Unkontrollierbarkeit von Situationen. Dazu entsteht eine Überforderung, eigene Interessen und Wünsche durchzusetzen und Entscheidungen zu treffen. Als Konsequenz kann ein negatives Selbstbild entstehen. Eine damit einhergehende mangelnde Risikobereitschaft gründet auch auf Überbehütung und Überversorgung (vgl. Cloerkes, 2007, S. 295ff). Menschen mit einer geistigen Behinderung -so Theunissen -"entwickeln häufig ein starkes Sicherheitsbedürfnis, diffuse Ängste vor unbekannten Situationen sowie das Gefühl, Unvertrautem hilflos oder ohnmächtig gegenüber zu stehen. Nicht selten gipfelt dieser Prozess in einem Selbstbild des "Nicht-Könnens". Ein Betroffener glaubt, jegliche Risiken meiden zu müssen..." (2009, S. 74-75).

Im Umgang mit den Ängsten und Widerständen aus der Perspektive des Menschen mit Behinderung in Bezug auf die Verselbstständigung beschreiben die Interviewpartner/innen, wie sie die Ängste sehen, woher sie rühren können und welche Möglichkeiten es gibt, mit diesen Ängsten zu arbeiten, also sie abzubauen. Welche Ängste die Klientel hat, geht aus den Antworten nicht hervor.

Interviewpartner/innen B, C, I und J geben an, die Ängste und die daraus resultierenden Widerstände zu akzeptieren und ernst zu nehmen. Auf dieser Grundlage wird auch in Erfahrung gebracht, welche Ursachen die Ängste haben können (F, I, J). Weiter stellt sich für die Berater/innen die Frage, was die Menschen benötigen, um die Ängste zu überwinden (C, H, I, J). Hieran schließt sich, neue Perspektiven aufzuzeigen (B, H, I) und dem Menschen mit Behinderung Angebote zu bereiten, die Ängste zu überwinden und die persönliche Zielerreichung zu ermöglichen (B, C, I). Diese Angebote beziehen sich etwa auf den Beratungskontext, indem unterschiedliche Wohnformen dargeboten werden (B), Information zugänglich gemacht wird (I) oder dass die Zielerreichung in kleine, überschaubare Schritte gegliedert wird, ohne eine zu starre Fokussierung auf die tatsächliche Zielerreichung (H).

Also erst mal finde ich es ganz wichtig, Verständnis für Ängste und Widerstände auch zu zeigen. [...] dass ich die Leute dann auch nicht überfordere und gleichzeitig dann auch zu versuchen an die Ängste und Widerstände ranzukommen. [...] durch Informationen von Hilfesystemen von Netzen, von Unterstützung, bestimmte Ängste auch aufzulösen. [...] (I, Zn. 687ff)

Eine Ursache für die Widerstände sehen die Interviewpartner/innen D und E (KoKoBe) im Zeitpunkt der Zielsetzung. Ihrer Meinung nach kann der Zeitpunkt zu früh gewählt sein (wer die Wahl getroffen hat, geht aus den Antworten nicht hervor). In diesem Fall erachten sie es für sehr wichtig, einen Schritt zurück zu gehen, da die Ängste zu groß sind. Den Faktor Zeit spricht auch Beraterin H an, die sich vergewissern möchte, dass ihre Klientel mit der Situation zufrieden ist. E bemerkt zum Faktor Zeit, dass sie es auch für wichtig erachtet, Raum für Bedenkzeit zu lassen, da es trotz der gebotenen Sicherheit hilfreich sein kann, den Menschen in der Situation für eine gewisse Zeit alleine zu lassen.

[...] ist es ganz wichtig noch mal einen Schritt zurück zu gehen, dann ist derjenige überfordert mit dieser Situation und erst noch ein bisschen Sicherheit zu bieten. Manchmal hilft es auch, ihn in der Situation alleine zu lassen, damit er dann vielleicht eine Nacht darüber schlafen kann. [...] wenn wirklich ganz große Ängste und ganz große Widerstände da sind, dann ist es einfach noch zu früh. [...] (E, Zn. 608ff)

Zusätzlich können laut Interviewpartner/innen A und F (KoKoBe) Erwartungen oder Beteiligungen des Umfelds die Ursache für die Ängste und Widerstände sein. Inwiefern dies auf die Eltern und Angehörigen zutrifft, wird in der anschließenden Unterkategorie dargestellt.

Die ZsL-Berater/innen G und H (ZsL) nennen hier das Peer-Counseling als wesentlichen Bestandteil, um mit den Ängsten und Widerständen zu arbeiten. Zum einen, um sich selbst als Peer zu nutzen (G) oder auch um auf ähnliche Prozesse zu verweisen (H). B merkt als einziger Berater der KoKoBe an, dass der bereits mehrfach erwähnte Stammtisch auch eine Möglichkeit sein kann, sich zu informieren und dadurch Ängste abzubauen.

Also ein Konzept dieses Peer-Counseling ist ja auch die emanzipatorische Arbeit. Dass man eben wirklich dahin wirkt, den Mensch aus dieser Hilflosigkeit, dieser Opferrolle raus zu holen.[...] (G, Zn. 765f)

Dass sich die KoKoBe noch nicht als Beratungsstelle für diese Fragestellung etabliert hat, bemerkt Interviewpartnerin A an. Sie bezieht sich hierbei auf den Bereich Wohnen.

Es kommt kein Mensch mit Behinderung und sagt "ich habe ein Problem, weil ich trau mir noch nicht zu, allein zu wohnen. Also gehe ich zur KoKoBe -Beratung und gehe da zur Wohnberatung", ja? So. Das passiert ja noch nicht. [...] (A, Zn. 764ff)

Interviewpartnerin I stellt klar, dass sie, wenn gewünscht, Hilfe anbietet, um an den Ängsten psychosozial zu arbeiten.

Eine Ursache, die aus der Perspektive des Menschen mit Behinderung einen Widerstand gegen die Verselbstständigung darstellen kann, ist laut Interviewpartnerin E die Tatsache, dass die Menschen mit Behinderung aus Gründen der Bequemlichkeit nichts an dem Zustand des Zuhausewohnens ändern wollen.

Die in der Theorie beschriebenen Aspekte der Ängste und Widerstände decken sich mit den Ansichten der Interviewpartner/innen. Der Umgang mit den Ängsten und Widerständen wird von den Berater/innen lediglich beschrieben, an dieser Stelle auf theoretische Modelle der psychosozialen Arbeit einzugehen, würde allerdings zu weit führen.

  • Widerstände der Eltern / Angehörigen

Die Widerstände der Eltern und Angehörigen haben zum einen als Ursache, dass die Eltern aufgrund der langjährigen Beziehung zum Kind mit Behinderung infrage stellen, dass ihr Kind außerhalb der familiären Umgebung adäquate Begleitung erfährt. Zum anderen fällt es ihnen schwer, sich aufgrund ihrer Nähe zum Kind nach dem Wegzug ein Leben ohne das Kind vorzustellen (Hesse, 2006, S.183-184; Hennies & Kuhn, 2004, S. 133). Aktuell erfolgt die Beratung von Eltern und Angehörigen in einem partnerschaftlichen Kooperations-und Konsultationsmodell (Speck, 2005, S. 310 ff). Dabei werden einige Grundqualitäten genannt, welche in der folgenden Auswertung von den Interviewpartner/innen angewandt werden, Verweise erfolgen an den entsprechenden Stellen.

Vorbehalte gegen die Verselbstständigung von der Seite der Eltern beobachten die Interviewpartner/innen (A, C - G, J) häufig. Die Ursachen hierfür sehen sie auf verschiedenen Ebenen. Entscheidend ist das Alter der Eltern (vgl. Wilken, 2003, S. 168) (E, G, J). Insbesondere bei der älteren Generation sind die Widerstände deutlich spürbar. Sie hat die Befürchtung, dass ihr Kind von anderen Personen weniger gut betreut wird, weshalb die Option "Heim" als letzter Ausweg gesehen wird. Andere Wohnformen, beispielsweise das Betreute Wohnen, können auch ablehnend wahrgenommen werden (vgl. Kräling, 2006, S. 109). Interviewpartner/innen A, C, E und F (KoKoBe) stellen dar, wie die Haltung der Eltern den Beratungsprozess beeinflussen kann. Sei es, dass die Beratung nicht fortgeführt wird (A, C) oder die Interessen der Eltern einbezogen werden, auch indem andere Stellen des Systems eingebunden werden können, etwa der psychosoziale Dienst (F).

[...] wenn es ganz heftige Widerstände bei den Eltern / Angehörigen gibt, gegen einen Auszug z. B. Dann kann ich da mit denen sprechen, aber wenn sie nicht bereit sind sich darauf einzulassen, ist einfach die Beratung zu Ende. [...] (C, Zn. 587ff)

Als Bestandteil einer gelingenden Beratung für den Menschen mit Behinderung sehen Interviewpartner/innen B, C, F und I die Arbeit mit den Angehörigen als wichtig an, indem versucht wird anhand des Aufbaus einer Beratungsbeziehung (vgl. Speck, 2005, S. 312; Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber, 2006, S. 432) die Widerstände zu bearbeiten. Neben einer akzeptierenden Grundhaltung den Eltern gegenüber (vgl. a.a.O.) legen Berater/innen B und F (KoKoBe) wert darauf, den Eltern Zeit zu geben, beziehungsweise sind sich im Klaren, dass das Respektieren der benötigten Zeit unerlässlich ist. Zudem versuchen Interviewpartner/innen A, B, D und E (KoKoBe) gemeinsam Perspektiven zu erarbeiten (vgl. a.a.O.), was auch bedeutet, dass aufgeklärt und informiert wird, beispielsweise im Bereich Wohnen. Eine weitere Möglichkeit für eine erfolgreiche Beratung ist die Selbstbetroffenheit. Diese wird zum einen in der KoKoBe durch einen Elternkreis realisiert (E, F) (vgl. Theunissen, 2009, S. 84) oder dadurch, dass die ZsL-Beraterin I sich selbst als Beispiel für die Eltern nimmt.

[...] jedes System hat so sein Tempo. Und man muss jedem System finde ich sein Tempo lassen. [...] Aber man kann dieses Tempo nicht forcieren [...]. Widerstände lösen sich natürlich auch unter Umständen auf in solchen Sachen wie Elternkreisen. [...] (F, Zn. 668ff)

Widerstände aus finanziellen Gründen nennen Interviewpartner/innen B und G. Konkret kann der Auszug des Menschen mit Behinderung der Wegfall einer für die Familie nicht unwesentliche Einnahmequelle bedeuten, was die Eltern beziehungsweise Angehörigen motiviert, den Menschen mit Behinderung in der Familie zu belassen (vgl. Fornefeld, 2004, S.140). G geht zudem auf die Position der Mutter ein, nämlich dass aufgrund des Auszugs des Kindes mit Behinderung die Mutter ihren Lebensalltag neu gestalten muss, was aus Perspektive der Mutter auch als beängstigend erlebt werden kann. In diesem Zusammenhang spricht G auch die zu beobachtende Veränderung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern mit Behinderung an (vgl. Wilken, 2003, S. 160; Speck, 2005, S. 329).

Die Position der Kinder in Bezug auf das Verhalten der Eltern kann insofern von Bedeutung sein, als dass die Kinder kein Interesse daran haben könnten, das Elternhaus zu verlassen (E, F, J), was entsprechenden Einfluss auf die Haltung der Eltern haben könnte (vgl. Wilken, 2003, S. 159). Als weitere Ebene führen die Interviewpartner/innen (F, G, I) an, dass die Interessen von Menschen mit Behinderung und die ihrer Eltern sehr unterschiedlich sein können, in dem Sinne, dass der Mensch mit Behinderung sich verselbstständigen möchte und die Eltern dieses Ziel nicht unterstützen. I geht einen Schritt weiter und beschreibt ihr Verhalten im Umgang mit sehr beeinflussenden Angehörigen, deren Verhalten die Ziele des Menschen mit Behinderung überlagern kann.

[...] wenn wir merken, jemand Angehöriges ist sehr übergriffig, versuchen [wir], die Betroffenen zu unterstützen. Dass nicht immer der Angehörige dabei hockt und präsent ist. [...] und sich in dem Moment sehr entmutigend oder bevormundend verhalten. Die auch zur Räson zu bringen und auch dann in erster Linie die behinderte Person anzusprechen und in den Mittelpunkt zu rücken. [...] Sich da auch ein Stück weit zu emanzipieren gegenüber diesen unsicheren Angehörigen. Beziehungsweise über die Angehörigen, die immer nur die Ängste und Vorbehalte im Vordergrund sehen. Also dass die selber da eine eigene Haltung gegenüber haben, dann sind die [Angehörigen] machtlos. Wenn die Betroffenen diese Ängste und Unsicherheiten nicht mehr teilen, dann kann die Mutter noch so ängstlich sein. [...] Also dass die sich da so selbst ihren Weg wählen und dann prallt das auch ein bisschen gegen eine Wand, was von den Angehörigen kommt. (I, Zn. 709ff)

Widerstände, welche von Seiten der Angehörigen kommen, beschreiben die ZsL-Berater/innen H und I. Hier wird thematisiert, wie Partner sich verhalten können, sei es das eine persönliche Assistenz in der eigenen Familie nicht gewünscht wird (H) oder dass es für den nicht behinderten Partner nicht vorstellbar ist, dass der behinderte Partner sich verselbstständigt, er/sie beispielsweise auch einen Beruf ausübt (I). Ob diese Problematik im Zusammenhang mit einer erworbenen Behinderung steht, ist aus der Antwort nicht ersichtlich.

6.4.3 Kategorie 3: Krisensituationen, die ein (schützendes) Eingreifen erfordern

Einen Zugang zu Situationen sozialer Kontrolle ergibt sich durch die Auseinandersetzung mit den Begriffen der Krise und der Krisenintervention. Eine Krise besteht aus den Kriterien einer stark subjektiv empfundenen Belastung, einer deutlichen Überforderung der individuellen Kompetenzen und Ressourcen und einer zeitlichen Dimension, welche sich als temporär und gegenwartsbezogen versteht. Dazu kann eine Krise ereignisbezogen (z. B. Lebensveränderung), entwicklungsbezogen (z. B. Auszug aus dem Elternhaus) und struktureller Natur (z. B. Konflikte im Umfeld) sein (Wüllenweber, 2006a, S. 200ff). Krisenintervention beinhaltet unter anderem eine genaue Kenntnis des Sachverhalts, Hintergrundwissen, Reflexionsvermögen, Vorausschau und diplomatisches Geschick. Als methodisches Instrument dient die Beratung (Theunissen, 2006a, S. 208). Die Intervention bezieht sich auf die Lebenswelt des Betroffenen im weiteren Sinn, was auch die Koordination von Unterstützungsangeboten bedeuten kann. Im engeren Sinn wird Intervention in dem Sinn verstanden, dass kurzfristige Hilfen bereitgestellt werden, ohne dabei den sozialen Kontext außer Acht zu lassen (a.a.O., S. 209). Weiter wird die intervenierende Assistenz genannt, welche als vermittelnde Unterstützungsform verstanden wird und sich an der persönlichen Autonomie orientiert (Theunissen, 2009, S. 78).

  • Situationen sozialer Kontrolle und Interventionsformen

Die Interviewpartner/innen sind einheitlich der Meinung, dass Situationen, welche Kontrolle erfordern, weniger im Beratungssetting vorkommen. A und D (KoKoBe) begründen dies damit, dass die Menschen sich mit einer klaren Anfrage an die Beratungsstelle wenden. Zudem verorten die Berater/innen derlei Situationen außerhalb des Wirkungskreises ihres Auftrags (B, C, D, F, G, H).

Als Situationen, welche Intervention erfordern, bezeichnen die Interviewpartner/innen (B, D, E, F, I) solche in denen Menschen zu Schaden kommen können. Entweder der Mensch mit Behinderung selbst oder andere beteiligte Personen. Als Gründe nennen sie eine erhebliche Gefährdung im gesundheitlichen Bereich, sexuelle Gewalt oder andere Formen des Missbrauchs. I differenziert hier, indem sie zusätzlich zwischen Erwachsenen und Kindern unterscheidet. Sie macht ein Eingreifen auch davon abhängig, ob die Information aufgrund eines bestehenden Vertrauensverhältnisses mitgeteilt wurde und ob der/die Betroffene sich verbalisieren kann, um sich selbst aus der Lage zu befreien.

[...] wenn ich den Eindruck habe, es sind Kinder im Spiel. Und die werden misshandelt oder vernachlässigt. [...] Wenn vielleicht deutlich wird, in der Pflege laufen sexuelle Übergriffe. Wobei, wenn es sich um Erwachsene handelt, ist es trotzdem immer noch, wenn irgendwas im Vertrauen mitgeteilt wird ist es immer noch sehr schwierig, inwieweit man dann eingreift. [...] Am ehesten vielleicht noch, wenn das Menschen wirklich sind, wo man das Gefühl hat, die können sich nicht äußern, die können sich nicht verbalisieren und sind einer Gewaltsituation ausgeliefert. [...] (I, Zn. 743ff)

Da sich die Berater/innen aufgrund ihrer Tätigkeit weniger in der Rolle sehen, konkret einzugreifen, nutzen sie andere Systeme (vgl. Theunissen, 2006a, S. 212). Sei es, dass sie sich selbst beraten lassen (D) oder die Systeme in den Beratungsprozess einbinden (A, F, G, H, I). Sie nennen hier andere Beratungsformen, Ämter oder gesetzlich bestellte Betreuer. Es ergibt sich auch die Situation, dass die Beratungsstelle nicht die passende Unterstützung bieten kann, aber eine Weitervermittlung anbietet, beispielsweise bei einer Suchterkrankung (B). Ein Grund für das Eingreifen kann sein, dass die Berater/innen den Eindruck haben, dass keine andere Person oder Funktion im sozialen Netz des Ratsuchenden diese Aufgabe übernimmt (B, G, I).

Ich hatte letztens auch eine Beratung, da ging es um eine junge Frau, die von zuhause ausziehen wollte. Und wo in dem Haushalt massive Drohungen von Seiten des Vaters bis zu Morddrohungen kamen. Da haben wir uns sehr schön vernetzt, das hat wunderbar funktioniert mit der gesetzlichen Betreuerin, die ja dann auch eine ganz andere Position hat und gesagt hat "ich hol die da raus, ich darf das". Mit dem Sozialdienst der Werkstatt und mit unterschiedlichen Bausteinen. Also man muss ja gucken, wer darf dann was, das hat ja seine rechtliche Geschichte. In dieser Beratung, dummerweise hat der LVR nicht so mitgespielt, wie wir das wollten. Gott sei Dank ist es nicht eskaliert. Aber das ist glaube ich so ein ganz wichtiger Punkt zu fragen "was darf ich?". Und wenn ich es nicht darf, wer darf es sonst? (F, Zn. 707ff)

Relevante Einzelmeinungen nennen die ZsL-Berater/innen H und J. Es wird die Telefonberatung genannt, welche oft keinen ausreichenden Einblick in die Lebensumstände der Klientel zulässt, um gegebenenfalls eingreifen zu können (H). Zum definiert J die soziale Kontrolle im Hinblick auf die Selbstbestimmung. Er erklärt, dass Zusammenhang, dass Beratungskunden bisweilen Schwierigkeiten haben, beispielsweise Anträge zu formulieren und er sie hierbei unterstützt. Seine Kontrolle gestaltet sich derart, dass er zwar gelegentlich inhaltlich eingreift, aber dennoch bestrebt ist, dem Menschen keine Arbeit abzunehmen, da dies seiner Meinung nach gegenläufig zur Selbstbestimmung wäre.

Die Situationen sozialer Kontrolle werden mehrheitlich in ereignisbezogenen Krisen dargestellt. Obwohl sich die von den Interviewpartner/innen beschriebenen Situationen in dieser Form nicht in der vorliegenden Fachliteratur wiederfinden, gibt es hier Übereinstimmung, da sich die Situationen weder an entwicklungsbedingten, noch an strukturellen Gegebenheiten festmachen lassen. Die Vorgehensweise der Berater/innen entspricht der von Theunissen dargestellten Krisenintervention, indem Unterstützungsangebote koordiniert werden.

  • Rahmenbedingungen sozialer Kontrolle

Einen Rahmen für die Ausübung sozialer Kontrolle sehen die Berater/innen aufgrund ihrer Funktion und der Freiwilligkeit des Beratungsangebots nicht gegeben (A - D, G -J), folglich üben sie keine soziale Kontrolle aus. Sie grenzen sich zu einem Betreuungsverhältnis etwa im Wohnbereich ab, wo die soziale Kontrolle ihrer Meinung nach angesiedelt ist (B, C, E, I). Zudem definieren sie die soziale Kontrolle dahingehend, dass sie Unterstützung in persönlichen Krisensituationen anbieten (A, B, D, F, I). Sei es, dass die Klienten überfordert sind (A) oder sich in einer Notsituation befinden (B, D, F, I) und die Unterstützungsleistung nur von der Beratungsstelle erbracht werden kann. Hier kann, wie bereits in der vorherigen Unterkategorie dargestellt, Unterstützung aus dem System hinzugezogen werden (B, F, I).

Wenn wir in der Beratung jetzt drin sind und keine anderen, die da Verantwortung übernehmen. [...] Da können wir eigentlich nur im Auftrag der Klienten handeln. Wenn die dazu natürlich gar nicht in der Lage sind. [...] unsere Aufgabe ist es ja nicht, Kontrolle auszuüben. [...] Wir kommen aber schon an Grenzbereiche [...] als Beratungsstelle, wenn wir wo Notsituationen mitkriegen. Also auch so eine Bedrohlichkeit für jemanden. Und da ist kein anderer da, dann ist schon unsere Frage zu gucken, kann oder soll oder muss oder wie reagieren wir darauf. Beziehen andere ein oder so was. (B, Zn. 664ff)

Als weitere Alternative zur sozialen Kontrolle nennen Interviewpartner/innen G -J (ZsL) die Möglichkeit, ein Feedback zu geben, falls sie den Eindruck haben, das Verhalten der Klientel könnte sich ungünstig auf den weiteren Verlauf auswirken, etwa wenn Unterstützungsleistungen beantragt werden. Sie berufen sich dabei auf die Eigenverantwortlichkeit ihrer Klientel.

[...] angenommen jemand schreibt einen Antrag und beschimpft den Sachbearbeiter. Dann sag ich ihm "seien Sie bitte vorsichtig, das kann Ärger geben". Ob er es dann tut, das überlasse ich ihm doch selber. [...] (J, Zn. 831ff)

Als Einzelmeinung in Bezug auf soziale Kontrolle innerhalb eines klar definierten Settings nennt Interviewpartnerin E ihr sich bietende Möglichkeiten zu intervenieren. Sie bezieht sich hierbei auf ein Angebot aus dem Freizeitbereich der KoKoBe und nennt Verhalten von Kursteilnehmern, das sich negativ auf andere Teilnehmer auswirken kann, hier Autoaggressionen oder die Belästigung anderer Teilnehmer/innen. In dem Fall bezieht sie als Konsequenz Stellung zu dem gezeigten Verhalten und kommentiert dieses oder kann bei entsprechender Dringlichkeit den Teilnehmer von der Veranstaltung ausschließen.

Die hier angeführten Aspekte decken sich mit den einleitenden Bemerkungen der Interpretation der Kategorie, deshalb wird an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet.

6.4.4 Kategorie 4: Typische schwierige Situationen im Arbeitsalltag mit der Klientel

  • Klientel grenzt sich ab und verfolgt eigene Spielregeln

Abweichendes Verhalten und Normalität bedingen sich gegenseitig, wobei das Verständnis von Normalität aus dem jeweiligen gesellschaftlichen Konsens gebildet wird und aufgrund der Abweichung selbst (Bleidick, 2006, S. 203). Wurde abweichendes Verhalten bei Menschen mit Behinderung vorerst auf das Individuum fokussiert und vom Individuum ausgehend wahrgenommen, herrscht inzwischen die Sichtweise vor, dass Abweichungen in einem sozialen und gesellschaftlichen Kontext gesehen werden (a.a.O., S. 205). Abweichung ist also "als Ausdruck einer Störung des Verhältnisses zwischen Individuum und Umwelt" zu verstehen und wird in der Interaktion verortet (Theunissen, 2006d, S. 194).

Die Interviewpartner/innen (A, B, D, G, I) sehen die Beratung als ein Angebot auf freiwilliger Basis, das die Klientel in Anspruch nehmen kann. Aus dieser Haltung heraus entsteht in einem bestimmten Umfang eine Unverbindlichkeit für die Klientel. Dadurch ist nicht klar zu trennen, inwiefern Spielregeln gelten und wo ein Punkt erreicht ist, an dem sich die Beratungskunden abgrenzen. Dazu kommen einige Menschen mit Behinderung mit klaren Vorstellungen in die Beratung, was für die Berater/innen A und D (KoKoBe) bedeutet, dass die Regeln beziehungsweise die Richtung von der Klientel vorgegeben werden.

Die gehen immer nur nach ihren eigenen Spielregeln. Also das was ich tu ist ja ein Angebot. Und wenn ich feststelle, Klienten verhalten sich nicht nach meinen Spielregeln, dann hab ich es nicht geschafft, mich auf deren Spielregeln einzulassen. [...] Also ich sehe es als meine beraterische Notwendigkeit, deren Spielregeln zu erkennen und sie da abzuholen. [...] (A, Zn. 830ff)

Inwiefern sich innerhalb des Beratungssettings Menschen abgrenzen und eigene Ziele verfolgen, zeigen etwa Berater/innen E und F (KoKoBe) auf. Sie stellen einen Bezug zur Hilfeplanung her. Sie beschreiben, dass entweder die persönliche Situation nicht realistisch wahrgenommen und einseitig positiv dargestellt wird (E), was die Ermittlung des tatsächlichen Unterstützungsbedarfs beeinträchtigt. Oder die Menschen lehnen die an den Hilfeplan gekoppelte angebotene Unterstützung von Trägern der Behindertenarbeit ab (F). Dieser Sachverhalt betrifft die KoKoBe insofern, als dass sie die Hilfeplankonferenzen moderieren.

Des Weiteren beschreiben Interviewpartner/innen B, E und I, dass die Klientel sich bisweilen aus verschiedenen Gründen nicht mit den Inhalten der Beratung auseinandersetzen möchte. Es wird die Erreichbarkeit der Beratungsstelle genannt oder die Komplexität der Situation, die als überfordernd erlebt werden kann.

Interviewpartner/innen F und H nennen psychische Erkrankungen zusätzlich zu der Behinderung (vgl. Theunissen, 2006d, S. 191) als einen Faktor, der das Verfolgen eigener Spielregeln begünstigen kann. Als weiterer Faktor wird von KoKoBe-Seite (E, F) bemerkt, dass in bestimmten Fällen die didaktischen Materialien nicht differenziert genug ausgearbeitet sind, um den Menschen mit Behinderung zu erreichen (vgl. Theunissen, 2006a, S. 198). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn zusätzlich eine Gehörlosigkeit besteht und weder der Mensch mit Behinderung noch die Berater/innen die Gebärdensprache beherrschen.

[...] manche kommen nicht gern in die KoKoBe, für manche ist das auch dann schwierig. Dann müssen sie sich damit auseinandersetzen, dann stell ich wieder viele Fragen oder so. (E, Zn. 709ff)

[...] wir haben ja auch mit Menschen zu tun mit einer Doppeldiagnose. Und wenn wir dann so eine Geschichte haben mit geistiger Behinderung, Sucht, Zwang, Wahn. Dann kann es auch durchaus so sein, dass ich den nicht so erreiche [...]. (F, Zn. 734ff)

Als Einzelerfahrung nennt Interviewpartner B mehrere Wege der Abgrenzung, wobei er sich hier auch auf die Angehörigen bezieht. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Vereinbarungen nicht eingehalten werden, dass trotz anfänglicher Bereitschaft Angebote nicht angenommen werden oder dass die Erwartungshaltung besteht, dass die Beratungsstelle Leistungen erbringt, welche aber von der Klientel und ihren Angehörigen eingefordert werden können.

Eine weitere Einzelmeinung kommt von Interviewpartnerin I. Sie zeigt auf, dass die Philosophie und die Politik ihrer Beratungsstelle auch ein Grund für Ablehnung der Beratung sein können, ebenso die Vorannahme, dass Menschen ohne Behinderung diskriminiert werden.

Aber es gibt schon manchmal Aussagen, so dass gesagt wird "der Verein ist mir zu politisch" oder "ihr diskriminiert die Nichtbehinderten", gab es auch schon als Aussagen. [...] (I, Zn. 195f)

Anhand der Auswertung wird deutlich, dass die Abweichungen im Kontext der Interaktion gesehen werden, lediglich bei Mehrfachdiagnosen wird das Verfolgen eigener Spielregeln auf den Menschen mit Behinderung selbst bezogen.

  • Abgrenzung von Seiten der Berater/innen

Hier spielt die in der folgenden Unterkategorie thematisierte Beratungsbeziehung eine entscheidende Rolle. Auf diesen Sachverhalt bezogen kommt zum einen der Aspekt der Konfrontation innerhalb der Beratungsbeziehung zum Tragen. "Konfrontation" bedeutet hier auf der Grundlage der von Rogers beschriebenen Merkmale einer Beratungsbeziehung die "Gegenüberstellung von Einstellungen und vom Handeln des Klienten, von Wunsch und Wirklichkeit, von Selbstbild und Fremdbild" (Nestmann, 2007, S. 792-793). Des Weiteren wird die Beratungsbeziehung in die Ebenen der realexistierenden und nicht-realen unterteilt. Letztere ist insofern von Bedeutung, als dass Übertragungen und Projektionen aufgrund früherer Erlebnisse in der Beratung stattfinden (a.a.O., S. 793).

Auf die Frage, ob sich die Berater/innen von ihrer Klientel bisweilen abgrenzen müssen, um den angestrebten Erfolg ihrer Arbeit nicht zu gefährden, werden unterschiedliche Aspekte einer Abgrenzung genannt. Für Interviewpartner/innen C, D und F (KoKoBe) ist eine professionelle Distanz wichtig, beziehungsweise ist für sie in ihrer Arbeit gegeben und sie sehen keine Schwierigkeiten darin, diese zu wahren. Die Abgrenzung ist ihnen wichtig weil es sich nicht um eine Betreuung handelt, was bisweilen von den Beratungskunden in diese Richtung missverstanden werden kann und was zu entsprechenden Erwartungen an die Berater/innen führen kann, die im Beratungssetting weder erfüllt werden können, noch entspricht dies der Grundhaltung der Interviewpartner/innen (B, D, J). Zudem kann es vorkommen, dass die Klientel die Beratungsbeziehung als Freundschaft definiert, was nicht der Sicht der Berater/innen D und E (KoKoBe) entspricht. Dies kann im Zusammenhang mit Freizeitangeboten der KoKoBe der Fall sein, wie Interviewpartnerin E anmerkt. Sie schildert, wie Kursteilnehmer sich auf die Leiter/innen konzentrieren, anstatt wie gedacht, sich untereinander kennen zu lernen.

Inwiefern sich die Berater/innen von ihrer Position her abgrenzen, stellen A, C und G dar. Sie nennen Sympathie als Grund, um von ihrer Seite her eine Abgrenzung vorzunehmen. Zwar sehen sie die Sympathie als positiv, achten aber auch darauf, dass die Vorgehensweise der Beratung im professionellen Rahmen bleibt. G führt diesen Sachverhalt weiter aus, indem sie sich auf ihre Peer-Rolle bezieht und es ihrer Meinung nach hier zu einer Vermischung von Beruflichem und Privatem kommen kann, da sie sich in bestimmter Hinsicht selbst öffnet, um als Peer authentisch zu sein.

[...] mache ich jetzt gerade einen Hilfeplan bei einer türkischen Familie mit einem Mann, der 35 ist. Und der es jetzt sehr bedauert, dass ich ihn jetzt nicht mehr besuche. Und da habe ich ganz feinfühlig gemeint, ich würde ihn zum nächsten Stammtisch einladen. [...] dass ich nicht sagen könnte, ich war jetzt noch mal da und fertig ist es. Sondern dass er mich da irgendwo angerührt hat, dass ich nachgedacht habe darüber, wie kann ich ihm den Wunsch erfüllen. Ja, manchmal gibt´s das, aber selten. Selten. Und dann so, dass es mir auffällt. (C, Zn. 620ff)

Interviewpartner/innen H und I (ZsL) nehmen eine Abgrenzung vor, die zwar nicht in direktem Bezug zur Klientel steht, aber dennoch das Wesen ihrer Arbeit betrifft. Sie nennen Öffentlichkeitsarbeit und Anfragen der Presse, deren Darstellungsweisen nicht der zugrundeliegenden Philosophie ihrer Arbeit entsprechen. Konkret beschreibt H Anfragen der Presse und der Medien, welche die Situation von Kindern behinderter Eltern darstellen und auf deren mitunter belastete Situation hinweisen wollen, beispielsweise der Miteinbezug in die Pflege. Diese Darstellung entspricht der Haltung der Beratungsstelle insofern nicht, als dass die Arbeit darin gesehen wird, für die betroffenen Familien Hilfen des sozialen Systems zu ermöglichen, was eine Entlastung für die betroffenen Kinder bedeutet. Die Darstellung der Presse hätte in dem Fall einen kontraproduktiven Effekt und wird daher von der Beratungsstelle abgelehnt.

I geht auf für die Beratungsstelle schädliche Darstellungen in der Öffentlichkeit ein, etwa wenn andere Organisationen die Beratungsstelle für ihre Zwecke, die dem humanistischen Grundgedanken zuwiderlaufen können, benutzen möchten. Darüber hinaus nennt sie Angebote von Einrichtungsträgern, welche mit ihrer Beratungsstelle Großeinrichtungen aufziehen möchten, was sie klar von sich weist, da hier die von ihr abgelehnte Sonderstellung von Menschen mit Behinderung weiter verstärkt werden würde.

[...] wenn Einrichtungsträger mit uns zusammen arbeiten wollen und uns anbieten, mit denen eine Wohneinrichtung zu gründen [...] Großeinrichtungen aufzubauen, eine neue Werkstatt aufzubauen.

Also alles, was so dieses Sondereinrichtungen zu tun hat. [...] wenn jemand rassistische Äußerungen macht oder in irgendwelcher Weise uns vor den Karren spannen will mit irgendwas, was wir menschenverachtend empfinden. Und in der Öffentlichkeit uns damit noch erwähnen will oder im Bereich Sterbehilfe. Also alles, was so wir [...] gegen Humanismus-Gedanken sehen [...]. (I, Zn. 816ff)

Die von den Interviewpartner/innen angesprochene Thematik verweist, bezogen auf die Klientel, auf den Aspekt von Nähe und Distanz innerhalb der Beratungsbeziehung. Zwar führt Mahoney (1991, zit. in Nestmann, 2007, S. 794) in seinen Kriterien einer optimalen Beratung an, dass in Beratungsprozessen auch der Berater für sich Sorge trägt, was durch die erwähnte professionelle Abgrenzung erfolgt. Dennoch ist es bemerkenswert, dass der Sachverhalt einer Abgrenzungsproblematik von professioneller Seite in der Fachliteratur sowohl im Hinblick auf die Beziehungsgestaltung innerhalb eines Beratungssettings als auch innerhalb einer Beziehungsgestaltung in der Begleitung von Menschen mit Behinderung wenig Beachtung findet.

  • Stellenwert der Beziehungsgestaltung

"Die Beziehung zwischen BeraterInnen und KlientInnen ist die wichtigste Dimension einer jeden Beratungskonstellation" (Nestmann, 2007, S. 791). Der Erfolg einer Beratung ist abhängig von der Beratungsbeziehung, welche auf Offenheit, Zusammenarbeit und ein vertrauensvolles Verhältnis gründet (a.a.O.). Neben den von Rogers aufgestellten beraterischen Grundhaltungen spielen die Aspekte der Unmittelbarkeit (die Gegenwartsbezogenheit unter Berücksichtigung der Vergangenheit und der Zukunft) und der Konkretheit (eine klare Haltung, eindeutiges, transparentes und spezifisches Handeln) eine Rolle (a.a.O., S. 792). Der Aspekt der Konfrontation wurde in der vorherigen Unterkategorie bereits erläutert. Im Hinblick auf die Beratung von Menschen mit insbesondere einer geistigen Behinderung müssen sich die Berater/innen in verstärktem Maße auf die Beratungsbeziehung einstellen und einlassen. Das beinhaltet unter anderem neben der Vertrauensbildung die Gestaltung des Rahmens, strikte Neutralität bei Konflikten und die absolute Zuverlässigkeit des Beraters (Wüllenweber & Ruhnau-Wüllenweber, 2006, S. 432).

Voraussetzung für die beraterische Tätigkeit ist eine auf Vertrauen basierende Beratungsbeziehung. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass diese Einstellung auf alle Interviewpartner/innen zutrifft, explizit wird sie von A, I und J genannt. Zur Ausgestaltung einer konstruktiven Beratungsbeziehung stellen Berater/innen C, D und E (KoKoBe) klar, dass es einer Kenntlichmachung des Umfangs der Beziehung bedarf. Dies beinhaltet eine zeitliche und thematische Konkretisierung, hier wird auch wieder als Abgrenzung die Betreuung genannt (D). Diese Ausgestaltung ist wichtig, um Missverständnissen und inadäquaten Erwartungshaltungen von Seiten der Ratsuchenden vorzubeugen.

Also die gelungene Beziehungsgestaltung zeigt eigentlich auch gleichzeitig auf: Wo bin ich und wie weit gehe ich mit Ihnen oder mit Dir. Und wo ist der andere und wie weit kann der mit mir gehen. So. Das gehört ja mit zu dieser positiven oder auch gelungenen Beziehungsgestaltung. Denn das ist eigentlich bisher immer so gewesen. (C, Zn. 633ff)

Konfliktpotenzial innerhalb der Beratungsbeziehung birgt zumeist die Erwartungshaltung der Klientel (B, D, E, G - J). Von den Berater/innen wird von der Seite der Klientel zumeist mehr erwartet, als sie im Rahmen der Beratung leisten können und wollen, wobei sie sich auf die Selbstbestimmung der Klientel berufen. Das kann sich daran zeigen, dass die Klientel von der Beratungsstelle die Übernahme bestimmter Aufgaben erwartet, ohne, dass eine entsprechende Notwendigkeit bestünde. Des Weiteren können sich die Erwartungen auf den zeitlichen Rahmen beziehen. Bisweilen erleben die Berater/innen (B, H, I, J), dass die Klientel enttäuschte Erwartungen an das übergeordnete Hilfesystem hat und die Beratungsstelle hierfür verantwortlich sieht. Dass die Beratungsstelle an diesem Punkt lediglich eine beratende Funktion hat und beispielsweise die Bewilligung von Hilfen nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegt, wird nicht von allen Beratungskund/innen registriert. Als beispielhafte Situation wird beschrieben, dass dem Ratsuchenden erklärt wird, dass aufgrund bestimmter Tatsachen kein Anspruch auf Hilfen gegeben ist. In diesem Zusammenhang wird von den Berater/innen der ZsL angemerkt, dass bestimmte Beratungsanfragen den Rahmen des Angebots sprengen, was auf der Seite der Ratsuchenden Enttäuschungen hervorrufen kann.

Das Konfliktpotenzial ist manchmal, dass die Ratsuchenden schon mal sehr fordernd sind, sofort und auf der Stelle die Beratung bekommen wollen. Oder alles abgenommen bekommen möchten oder dass wir bis ins Kleinste was für die formulieren, am besten vorgestern.[...] Wo wir einfach auch Grenzen setzen müssen. Das können wir leisten und das wollen wir nicht leisten. [...] Und manchmal auch, wenn wir denen einfach sagen müssen "das und das steht Ihnen nicht zu. Sie können es natürlich probieren, klar, ist Ihre Sache". Aber wir haben die Gesetze nicht gemacht, das ist einfach nicht vorgesehen. Dann ist es manchmal so eine Gratwanderung als Berater denen auch zu vermitteln. [...] Weil da ist manchmal die Gefahr, dass wir dann den Frust abkriegen. [...] (I, Zn. 849ff)

Inwiefern sich Konflikte aus der Interaktion ergeben können, beschreiben Interviewpartner/innen D, E, F und G als Einzelmeinungen.

D nennt die Möglichkeit, zu hohe Erwartungen an die Klientel zu haben. Dass die Menschen mit Behinderung die Arbeit in der KoKoBe nicht als solche erkennen, schildert E, insbesondere, wenn es sich um Freizeitangebote handelt. Anknüpfend hieran beschreibt F, dass sich aus der Tatsache ab und an vermischter Ebenen der Arbeit Konflikte ergeben können. Etwa dass Menschen mit Behinderung sowohl an Freizeitaktivitäten teilnehmen als auch den Berater/innen in der Hilfeplankonferenz begegnen. Für G können sich Probleme innerhalb der Beratung ergeben, wenn sich die berufliche und private Ebene überschneidet.

[...] dass viele gar nicht verstehen, dass wir hier arbeiten. Also viele denken, wir wohnen hier in der KoKoBe. Wir sind halt hier und das machen wir zum Spaß und dann fragen die oftmals "ja, was arbeitet ihr eigentlich" und also da ist so diese Grenze. Das hat aber auch damit zu tun, dass wir auch Freizeit machen. Und die verstehen, also da ist einfach das Verständnis nicht dafür da, dass wenn wir mit denen Freizeit machen, dass das trotzdem unsere Arbeit ist. [...] (E, Zn. 744ff)

Wie auch schon in der Unterkategorie betreffend die Abgrenzung von der Seite der Berater/innen kritisiert, wird die Thematisierung des Konfliktpotenzials innerhalb der Beratungsbeziehung in der (vorliegenden) Fachliteratur vernachlässigt. Lediglich Bentele und Metzger (1998) vermerken in ihrem Lehrbuch "Didaktik und Praxis der Heilerziehungspflege" eine professionelle Beziehungsgestaltung, welche auch die Dimension der Abgrenzung von professioneller Seite beinhaltet. Konkret weisen sie darauf hin, dass sich aus der Beziehungsgestaltung eine Verantwortung ergibt, welche erfordert, einen Kompromiss zwischen Beziehungsangebot und Abgrenzung zu finden. Weiter kann die Abgrenzung einen höheren Stellenwert einnehmen als das sich Einlassen (a.a.O., S. 24-25). Insbesondere die von Ruhnau-Wüllenweber und Wüllenweber geforderte absolute Zuverlässigkeit bedarf der Konkretisierung, da diese Zuverlässigkeit unterschiedlich interpretiert wird, wie anhand der Erwartungshaltungen der Klientel aufgezeigt wird.

6.4.5 Kategorie 5: Institutionelle Stolpersteine

  • Fallbelastung und Zeitkapazität

Aufgrund institutioneller Vorgaben kann es bedeuten, dass für die einzelnen Fälle eine knappe Bearbeitungszeit anberaumt wird, welche im Idealfall zielführend und erfolgreich darstellbar sein sollte (Herriger, 2006, S. 218-219). Inwiefern diese Vorgabe für das Empowerment-Konzept von Bedeutung ist, wird in der Zusammenfassung dieses Schlüsselkonzepts erläutert, deshalb wird an dieser Stelle auf eine zusammenfassende Interpretation im Anschluss verzichtet.

Erfreulicherweise haben bis auf eine Ausnahme die Beratungsstellen nicht unter einer zu hohen Fallbelastung und zu geringer Zeitkapazität zu leiden. Allerdings gilt es hier zu unterscheiden, da die Beratungsstellen von G und H (ZsL) keine Träger im Hintergrund haben, was bedeutet, dass sie arbeiten, was sie leisten können. Lediglich Interviewpartner J spricht davon, dass die Beratungsstelle "restlos ausgelastet" sei, was zur Folge haben kann, dass die Berater/innen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen.

Ein erhöhtes Arbeitsaufkommen haben die Berater/innen (A - D, F, I) phasenweise. In dem Fall setzen sie Prioritäten innerhalb der verschiedenen Aufgabenbereiche (B, D, E, H). In der Regel wird hier der Beratung der Vorrang gewährt, wie die Berater/innen der KoKoBe (B, D, E) anmerken. In diesem Zusammenhang nennen A, I und J den Anspruch an die Qualität der Beratung und dass eine gute Fallbearbeitung Zeit braucht. Als Gründe für diese recht angenehmen Arbeitsbedingungen werden die freie Zeiteinteilung in der KoKoBe (A, E) und das Zeitmanagement an sich genannt (A, B, C, F). Die Tatsache, dass die KoKoBe nach Vorgabe des LVR trägerneutral arbeitet, stellt für Beraterin F eine weitere angenehme Rahmenbedingung ihrer Arbeit dar.

Nö, das eigentlich nicht. Muss man einfach so sagen. Also wir können unsere Zeit ja selber einteilen. Und wenn wir merken wir haben zunehmend mehr Klienten, dann würden wir gucken, dass wir dafür was anderes eben in den Hintergrund stellen. [...] dann werden wir das eben zu Gunsten der vorrangigen Beratung dann zurückstellen. [...] (E, Zn. 758ff)

Ja, das ist bei uns ganz einfach, weil wir ja kein bezahlter Träger sind machen wir das, was wir machen können. [...] ich orientiere mich eher daran, dass ich denen, die wir schaffen, mehr oder weniger Hilfe anbieten kann. Und da ich aber keinen institutionellen Druck habe, so und so viele Klienten schaffen zu müssen, denke ich bin ich da im Vergleich zu meinen Arbeitskollegen in den Ämtern schon relativ in einer Luxussituation. [...] (H, Zn. 777ff)

  • Belastung durch fehlende unterstützende Teamkultur

Empowerment-Prozesse können nur dann gelingen, wenn in der Institution ein Konsens herrscht, wieviel Raum es für dieses Konzept gibt. Dazu bedarf es einer Reflexion der eigenen beruflichen Rolle, einer Abkehr von der dem Fürsorge-Paradigma entsprechenden Standardisierung des professionellen Helfens und der Unterstützung durch Kollegen (Herriger, 2006, S. 219-220). Die Schaffung eines solchen Konsens´ wird unter den Aspekten der Organisationsentwicklung auf Ebene der kollegialen Kommunikation und Kooperation ermöglicht, hier schwerpunktmäßig die Schaffung einer gemeinschaftlichen Team- und Organisationskultur (Herriger, 2006, S. 164).

Die Teamkultur, sowohl in der jeweiligen Beratungsstelle als auch im Verbund, wird von KoKoBe-Seite fast durchweg als positiv und als unterstützend bezeichnet (B -F). Auf der ZsL-Seite nennen Interviewpartner/innen G und J eine unterstützende Teamkultur. J führt in diesem Zusammenhang die Multiprofessionalität an. Die Möglichkeit, Hilfe von außerhalb der Einrichtung zu nutzen, etwa Supervision oder kollegiale Beratung, steht zur Verfügung, wie F und H anmerken. H schildert zudem, dass sie in dem Sinne nicht in einem Team arbeitet, sondern sich lediglich regelmäßig mit ihrem Kollegen einer anderen Beratungsstelle vor Ort, welche demselben Dachverband angehört, austauscht, wobei sie auch hier die Möglichkeit der kollegialen Beratung nutzen kann.

Also ich sag mal, die Teamkultur untereinander ist denke ich auf einem sehr hohen Level, sowohl die Zusammenarbeit hier im Team als auch innerhalb der (Name der Stadt) KoKoBes. Ich sag immer, irgendwie sind wir ein großes Team mit neun Leuten. Obwohl es dafür keine formale Struktur gibt, aber eine sehr gute informelle. [...] (B, Zn. 764ff)

Als belastend beschreibt Interviewpartnerin A, dass eine fehlende Unterstützung durch das Team Ressourcen bündelt und die Qualität der Beratung darunter leidet. Ob es sich hierbei um ein aktuelles Problem in ihrem Berufsalltag handelt, geht aus der Antwort nicht hervor. Innerhalb des Teams kommt es laut I (ZsL) zu Spannungen, wenn die Arbeitsbelastung zu hoch ist. Auf Trägerebene erleben die KoKoBe-Berater/innen B und E als Belastung, wenn Abstimmungsthematiken angesprochen werden oder wenn Träger der Auffassung sind, dass ein Ungleichgewicht herrscht, hier beispielsweise im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Die Prämisse der Trägerneutralität (vgl. Theunissen, 2006a, S. 200) wird zumindest für die hier interviewten KoKoBe nicht als problematisch auf Trägerebene beschrieben.

Ja, wenn jeder natürlich nur noch auf dem Zahnfleisch geht und sehr viel Anfragen sind und wir kaum hinterher kommen, dann gibt es natürlich auch schnell Spannungen. [...] (I, Zn. 885f)

Die Angaben der Interviewpartner/innen skizzieren allgemeine Probleme des Arbeitsalltags. Es ist nicht auszumachen, inwiefern sich Differenzen aufgrund unterschiedlicher professioneller Haltungen ergeben. Demnach ist davon auszugehen, dass ein Konsens herrscht, der individuelle Arbeitsstile ermöglicht.

  • Nicht zureichende Kooperation im Hilfenetz

Die einzelnen Bereiche innerhalb des Systems der Behindertenarbeit, beispielsweise die Pädagogik, Medizin, Soziale Arbeit, der Bereich der Rechtsordnung und des Arbeitswesens, haben sich in letzter Zeit herausgebildet, etabliert und verselbstständigt. Sie existieren nebeneinander und aufgrund ihrer Spezialisierung ist der Kontakt zu anderen Systemen eingeschränkt (Speck, 2005, S. 211). Die Kooperation, Koordination und Vernetzung ist oft unzureichend und mangelhaft (Aselmeier, 2008, S. 181; Theunissen, 2006a, S. 216). Parallel dazu wird aufgrund der Ökonomisierung des sozialen Bereichs eine Kooperation und Vernetzung vorangetrieben, sowohl innerhalb der Institution, als auch interdisziplinär (Speck, 2005, S. 211).

Schwierigkeiten, welche sich aufgrund von mangelnder Kooperation ergeben können, werden auf mehreren Ebenen beschrieben.

Die Kooperation innerhalb des Netzwerks der beteiligten Systeme wird aus KoKoBe-Sicht als gut eingeschätzt (C, D, E). Probleme können sich ergeben, wenn die Frage der Zuständigkeit der einzelnen Stellen im System nicht geklärt ist oder eine Zuständigkeit nicht übernommen werden möchte und mehrere Träger oder Institutionen beteiligt sind, beispielsweise wenn ein Mensch mit Behinderung einen Trägerwechsel vornimmt (B, J). In diesem Zusammenhang wird auch von einem Konkurrenzdenken unter den Trägern beziehungsweise Institutionen gesprochen (A, B, KoKoBe).

Also es gibt dort sehr häufig Abstimmungsprobleme, bei einzelnen verschiedenen Hilfekomplexen. Also wenn jetzt jemand, also Beispiel. Also gerade, wenn es um bestimmte Hilfestellungen geht versucht jeder das dem anderen zuzuschieben. "Wir sind nicht zuständig". Und dann kommt es oftmals zu Lücken. Und das ist das, dass die sich nicht richtig aufeinander abstimmen. Und dadurch eben der Mensch mit Behinderung droht auf der Strecke zu bleiben. [...] (J, Zn. 950ff)

Dass sich eine unzureichende Kooperation auf die Qualität der Beratung auswirkt, beschreiben F, G und J. Sei es, dass die Angebote der einzelnen Träger nicht passend sind oder andere Institutionen nicht an die Beratungsstelle weitervermitteln. Leidtragend sind in diesem Fall die Menschen mit Behinderung, oder wie Interviewpartner B anmerkt, die Angehörigen, da sie keine verbindliche Ansprechperson vorfinden. Dass ihre Beratungsstelle die Funktion haben kann, die Kooperation zwischen den einzelnen Institutionen zu optimieren, sehen Berater/innen B und G.

Kritisiert wird die Kooperation mit Institutionen, welche nicht direkt Bestandteil der Behindertenarbeit sind, aber trotzdem mit den Beratungsstellen in Kontakt stehen (E, G, H). Als Beispiel wird die Zusammenarbeit mit Ämtern genannt oder Bereiche der Stadtteilarbeit. Besonders Interviewpartnerin H kritisiert die unzureichende Zusammenarbeit mit dem Jugendamt (vgl. Blochberger, 2008, S. 25).

Es gibt ja im Bereich Menschen mit geistiger Behinderung wahnsinnig viele Kooperationen, wahnsinnig viele AKs, also wirklich. Es gibt BeWo und Wohnheime und AK Schulen und Werkstätten. Also da findet schon eine Kooperation statt. Also was eben noch zu wenig ist und ich hoffe, das wird dann noch ein bisschen mehr, ist so die Kooperation der Institutionen, die nicht unbedingt behindertenspezifisch sind. [...] (E, Zn. 784ff)

Ergänzende Einzelmeinungen setzen sich mit Folgendem auseinander: Beraterin F kritisiert die Haltung des LVR, wenn es um die Anerkennung der wesentlichen Behinderung geht und dass aufgrund der Nichtanerkennung der Behinderung Hilfeprozesse gescheitert sind.

I unterstellt manchen Beratungsstellen, dass sie nicht nach den Interessen der Ratsuchenden beraten, sondern die Interessen der jeweiligen Träger in den Vordergrund stellen.

Trotz einer erkennbaren Kooperation und Vernetzung decken sich die geschilderten Problematiken mit der in der Theorie dargestellten Ausgangslage. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Interviewpartner/innen das Hilfenetz über die Grenzen der Behindertenarbeit hinaus spannen und hier Schwierigkeiten erfahren. Dieser Aspekt wird in der Fachliteratur nicht explizit ausgeführt.

  • Schwierigkeiten im Bereich Gemeinwesenarbeit / Öffentlichkeitsarbeit

Eine grundlegende Schwierigkeit in der Gemeinwesenarbeit beschreibt Aselmeier (2008, S. 180). Aufgrund einer vorherrschenden pädagogischen Auseinandersetzung mit der Thematik Behinderung wurde eine gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise vernachlässigt. Trotz des mittlerweile vorherrschenden Verständnisses der Behinderung als sozialem Konstrukt fokussiert die Behindertenpädagogik nach wie vor den Ansatz, den Menschen mit Behinderung mittels Training und Förderung auf eine Teilhabe an der Gesellschaft vorzubereiten. Er führt weiter an: "Das Hilfesystem beschäftigt sich weniger damit, wie die gesellschaftlichen Phänomene reduziert werden können, die eine Teilhabe von Menschen mit einer geistigen Behinderung verhindern" (Aselmeier, 2008, S. 180).

Die am häufigsten genannte Schwierigkeit ist für die Berater/innen, den Auftrag und den Wirkungskreis ihrer Beratungsstelle innerhalb der Gemeinwesenarbeit und Öffentlichkeitsarbeit darzustellen (A, F, H, J). Zum einen handelt es sich um direkte Kooperation mit anderen Institutionen, zum anderen handelt es sich darum, ein Problembewusstsein für Menschen mit Behinderung zu schaffen.

Als Ursache für das wenig ausgeprägte Problembewusstsein sehen die Berater/innen ein mangelndes Interesse gegenüber Menschen mit Behinderung und deren Belange (G, J, ZsL). Interviewpartner J differenziert diese Problemstellung, indem er aufzeigt, dass in Bereichen der Gemeinwesenarbeit der Mensch mit Behinderung auf ein soziales Problem reduziert wird. Dass beispielsweise der Wohnungsbau oder Barrierefreiheit allgemein auf gesellschaftlicher und nicht nur sozialpolitischer Ebene zu sehen ist, merkt in diesem Zuge auch Interviewpartnerin E an. Zwar unterstellt sie in diesem Fall den Wohnungsbaugesellschaften kein grundsätzliches Desinteresse an Menschen mit Behinderung, verdeutlicht aber, dass Menschen mit Behinderung als leistungsberechtigte Personengruppe noch nicht wahrgenommen werden. Ausweiten lässt sich diese Problemstellung anhand der Äußerungen von Beraterin C. Sie beschreibt den Stadtteil, in dem ihre Beratungsstelle sich befindet als problematisch. Aus diesem Grund habe dieser Stadtteil vorrangig mit anderen Problemen zu kämpfen, als sich um die Integration von Menschen mit Behinderung zu bemühen. Sie fügt hinzu, dass die Kooperation mit dem örtlichen Bürgerzentrum positiv ist, wobei dieses Bürgerzentrum ihrer Meinung nach eine Sondereinrichtung für Menschen am Rande der Gesellschaft darstellt.

Einseitiges auf Sensationen ausgelegtes Interesse am Menschen mit Behinderung durch das Verhalten der Medien beklagt Interviewpartnerin H (ZsL). Dass das ZsL als zu fordernd von der Seite der Sozialleistungsträger erlebt wird und sich das negativ auf die Kooperation auswirken kann beschreibt I.

Interviewpartnerin D (KoKoBe) nennt als einzige keine Beeinträchtigungen und nimmt ein offenes und interessiertes Zugehen auf ihre Beratungsstelle wahr.

Kooperation, also was auf jeden Fall, Schwierigkeiten im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit war anderen Stellen klar zu machen, es gibt eine Beratungsstelle jetzt, die auch nochmal ein anderes Klientel aufgreift. [...] (A, Zn. 906ff)

Dass das Thema Behinderung auch im Bereich der Kultur angesiedelt ist, im Bereich der Bauliegenschaften, Barrierefreiheit. Das kommt erst ganz langsam. [...] Manchmal ist es schwierig, die Belange für Menschen mit Behinderung in die "Welt" der Menschen ohne Behinderung zu transferieren. Also wir haben das Thema, jetzt als Beispiel Barrierefreiheit, Zugang zum Gebäude. Dann heißt es "ja, aber Sie können doch unten durch die Tiefgarage reinkommen". [...] Und dass das also nicht nur allein eine technische Fragestellung ist. [...] Sondern dass es wirklich oftmals auch einfach ein wichtiges Signal ist, inwiefern möchte ich wirklich gleichberechtigte Teilhabe, einen teilhabenden Menschen auch haben. [...] (J, Zn. 976ff)

Die von Aselmeier dargestellte mangelnde gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise der Belange der Menschen mit Behinderung stellt zugleich die Ausgangslage und Problematik der Gemeinwesen- und Öffentlichkeitsarbeit der Interviewpartner/innen dar. Demnach hat sich in diesem Teilbereich der Behindertenarbeit ein Problembewusstsein entwickelt. Dies bezieht sich an dieser Stelle allerdings nicht auf die ZsL, da sie aufgrund ihrer Historie nicht der pädagogisch-professionellen Behindertenarbeit zuzuordnen sind, wenngleich einige Peer-Counselors denselben professionellen Hintergrund haben.

  • Schwierigkeiten in der Umsetzung von Peer-Counseling

Peer-Counseling kann aufgrund von ungünstigen Rahmenbedingungen erschwert werden: Die finanzielle Förderung ist oftmals nicht gesichert, woraus sich Schwierigkeiten auf personeller und räumlicher Ebene ergeben. Sei es, dass keine längerfristigen Anstellungen gewährt werden oder entsprechende Räumlichkeiten nicht bereit gestellt werden können. Hinzu kommt, dass geeignetes und geschultes Personal, welches aufgrund der Gedanken der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung vertritt, nicht einfach zu finden ist (vgl. Miles-Paul, 1992,S. 70-71). Peer-Counseling für Menschen mit geistiger Behinderung in institutionellen Settings anzubieten, stellt nach Schirbort und Göthling (2006, S. 253) eine weitere Form der Beratungsmöglichkeiten der Behindertenarbeit dar. Inwiefern dies im Rahmen der KoKoBe realisiert werden kann, diskutieren Theunissen (2009, S. 404) und Aselmeier (2005, S. 6).

Die Auswertung dieser Fragestellung erfordert aufgrund der Differenziertheit der einzelnen Antworten eine thematische Darstellung nach finanziellen, räumlichen und personellen Schwierigkeiten, welche sich allerdings nicht klar voneinander abgrenzen lassen. Obwohl die Frage inhaltlich an die ZsL gerichtet war, wurde sie auch Berater/innen der KoKoBe gestellt. Hier mit der Zielsetzung, in Erfahrung zu bringen, wie das Peer-Counseling für Menschen mit einer geistigen Behinderung von Nutzen sein kann.

Zuerst die Aspekte der finanziellen Schwierigkeiten: Hier wird von KoKoBe-Seite (F) genannt, dass um Peer-Counseling anbieten zu können, finanzielle Ressourcen vorhanden sein müssten, etwa für Veranstaltungen, exemplarisch wird an dieser Stelle auf die Veranstaltung bezüglich des Betreuten Wohnens, wie in Schlüsselkonzept 3, Kategorie 1 dargestellt, verwiesen. Dadurch, dass nur sehr wenige finanzielle Mittel für zusätzliches Personal zur Verfügung stehen, spielen auch personelle Aspekte eine Rolle. Dass keine Finanzierung für hauptamtliche Mitarbeiter der ZsL gegeben ist, erschwert die Arbeit von Interviewpartner/innen G und H. Zwar wird in diesem Zusammenhang auch das Ehrenamt angesprochen, das bei den personellen Schwierigkeiten detaillierter erläutert wird. Die Beratungsstelle von G arbeitet vollkommen auf ehrenamtlicher Basis, während bei H eine Besetzung über sozialunterstützte Arbeitsstellen stattfindet. J setzt die finanziellen Schwierigkeiten in Kontext mit der räumlichen Ausstattung, hier die Maßgabe der Barrierefreiheit und dass es einer Refinanzierung des Zentrums bedarf. Auf diesen Aspekt wird in der folgenden Unterkategorie gesondert eingegangen.

Na ja, dass wir eben keine Grundfinanzierung haben. Also das Zentrum hat keine hauptamtliche Beraterstelle, noch nie gehabt. Außer über ABM und eben so Sozialunterstützungs-, also sozialunterstützte Arbeitsstellen für ein Jahr oder so was. Und das hemmt das natürlich. [...] (H, Zn. 835ff)

In Bezug auf räumliche Möglichkeiten sehen Interviewpartner/innen D, E und H keine Schwierigkeiten. Die Räume sind entweder vorhanden oder können bereitgestellt werden. Da die Räume barrierefrei sein müssen, kann es problematisch sein, bezahlbare und geeignet große Räume zu finden. Sei es für das ZsL (J) oder für externe Angebote des Peer-Counseling (I). Da das ZsL von Beraterin G noch über keine eigenen Räume verfügt, erklärt sich die Frage nach dieser Schwierigkeit von selbst. Die Finanzierung der Räume ist bei Beraterin H problematisch, da die Kostenbeteiligung für die Miete von Seiten der Stadt jährlich neu verhandelt werden muss.

Schwierigkeiten insofern, als dass wir natürlich durchaus Probleme haben, barrierefreie Räumlichkeiten zu finden, die dann entsprechend teuer sind. Ganz banales Beispiel, wir brauchen einige Quadratmeter mehr, wir brauchen die sprichwörtliche Behindertentoilette. Wir brauchen Zugänge, Räume, Rampen und so was alles. [...] Also Peer-Counseling ist letztendlich nicht ganz billig. (J, Zn 1007ff)

Die Thematik der personellen Schwierigkeiten wurde schon z.T. bei den finanziellen Aspekten angeschnitten. Während Interviewpartnerin G hier keinerlei Probleme benennt, hat H aufgrund der Finanzierungslage erhebliche Schwierigkeiten, welche sie allerdings nicht weiter ausführt. Dass Barrierefreiheit am Arbeitsplatz durch Assistenz gegeben sein muss und eine Schwierigkeit darstellen kann, nennt Interviewpartnerin I. Inwiefern es mühsam sein kann, fachkompetente Berater/innen mit Behinderung zu finden, erwähnt Interviewpartner J.

Also behinderungsbedingte Einschränkungen müssen, ob jetzt die Beraterin gehörlos ist, dann braucht die einen Gebärdendolmetscher. Oder wenn sie blind ist, für bestimmte Hausbesuche Begleitungen oder bei diesen Antragssachen Unterstützung, oder bei Unterlangen lesen Unterstützung. Das muss gewährleistet sein, dass diese Einschränkungen dann ausgeglichen sind für den Beratungsprozess. [...] (I, Zn. 931ff)

Ehrenamt beziehungsweise Freiwilligenarbeit und Peer-Counseling werden von den Berater/innen A, G und H thematisiert. Während G auf ehrenamtlicher Basis arbeitet, reflektiert H kritisch die Rolle eines ehrenamtlichen Peer-Counselors (vgl. Blochberger, 2008, S. 28). Sie gibt zu bedenken, dass aufgrund der Ehrenamtlichkeit die Professionalität Einschränkungen erfahren kann, da die Möglichkeiten der Fort-und Weiterbildung begrenzt sein können (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 71).

Die Professionalität in Verbindung mit der Selbstbetroffenheit diskutieren Interviewpartner/innen A und I ähnlich. Ihrer Meinung nach ist es unerlässlich für eine gelingende Beratung, eine professionelle Distanz zur eigenen Behinderung zu haben. Dies kommt während des Beratungsprozesses insofern zum Tragen, als dass keine klare Trennung der individuellen Situation von der Beratungsfragestellung der Klientel sich negativ auswirken kann (vgl. Blochberger, 2008, S. 28). Zwar ist die Selbstbetroffenheit die Grundvoraussetzung für Peer-Counseling, doch besteht die Gefahr, nicht genügend Abstand zu der Klientel zu halten. Das kann dazu führen, eigene Lösungsansätze zu übertragen, was diametral zur Selbstbestimmung wäre (vgl. Blochberger, 2008, S. 26). Als Beispiel für diesen Wirkmechanismus werden Selbsthilfegruppen genannt.

[...] wenn jemand, der Peer-Counseling macht, seine persönliche Situation nicht von der des Ratsuchenden trennen kann. Und dann wäre es aber auch kein gutes Peer-Counseling. [...] wie das manchmal negativ in Selbsthilfegruppen läuft. Der die eigenen Erfahrungen dann aufdrücken will. Oder Patentrezepte vermittelt. Oder jemand mit irgendwas so belastet ist, was mit der eigenen Behinderung zu tun hat, als Berater. Dass die Person nicht, eigentlich nicht die Beratung machen könnte weil der Abstand fehlt. [...] (I, Zn. 918ff)

Peer-Counseling für Menschen mit einer geistigen Behinderung (vgl. Aselmeier, 2006, S. 6) gestaltet sich laut KoKoBe-Beraterin F aus verschiedenen Gründen schwierig. Sie nennen die bereits dargestellten finanziellen und personellen Einschränkungen auf der organisatorischen Ebene. Bezogen auf die Zielgruppe selbst gilt es zu beachten, dass gewisse Themen komplex sein können und die Aufbereitung für die Menschen mit Behinderung Schwierigkeiten bis zur Überforderung bereiten kann. Sie favorisiert eine Aufteilung. D gibt an, dass in ihrer Beratungsstelle von der Klientel der Wunsch nach Peer-Counseling noch nicht geäußert wurde, es aber im Wunschfalle angeboten werden würde.

[...] wenn wir jetzt sagen, wir binden die Menschen mit Behinderung ein, dann kann das ja in bestimmten Bereichen auch sein, dass sehr komplexe Sachverhalte da mit rein spielen. Und dass die Menschen aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage sind z. B. das zu leisten. [...] Da muss man gucken, was kann der Mensch mit Behinderung da als Experte in eigener Sache weiter geben und wo ist er viel besser als wir und was kann er vielleicht nicht. Und da sind sicherlich auch Grenzen. (F, Zn. 849ff)

Die Schwierigkeiten der Umsetzung des Peer-Counseling stellen sich je nach Beratungsform unterschiedlich dar. Während die ZsL Einschränkungen ihrer Arbeit aufgrund der andauernden Unsicherheit der Finanzierung erfahren, gestalten sich die Schwierigkeiten bei der KoKoBe im Bereich der Zielgruppen. Zwar sind die Voraussetzungen für Peer-Counseling für Menschen mit einer geistigen Behinderung gegeben, eingesetzt wird die Methode allerdings kaum. Einschränkungen aufgrund kognitiver Voraussetzungen mögen zwar eine Erschwernis darstellen, jedoch stellt sich hier die Frage, inwiefern die Anwendung weiterer Methoden, beispielsweise der Leichten Sprache, im Sinne einer Barrierefreiheit eingesetzt werden können. Zudem wäre es - wie bereits in Schlüsselkonzept 3, Kategorie 1 angemerkt - die Aufgabe der Berater/innen, die Methode des Peer-Counseling der Zielgruppe zugänglich zu machen.

  • Sparzwänge und Politik des Rotstifts

Aufgrund der allgemein schlechten Finanzlage ist der soziale Bereich von Ökonomisierungstendenzen betroffen. In Bezug auf die Behindertenhilfe bedeutet dies, dass Menschen mit Behinderung vermehrt als Kostenfaktoren wahrgenommen werden und das Bestreben der Kostenreduzierung sich deutlich bemerkbar macht. Im sozialen Bereich sind vermehrt wirtschaftliche Tendenzen zu verzeichnen, Kostenersparnis und wirtschaftliches Arbeiten haben an Bedeutung gewonnen. Zudem gewinnen ökonomische Werte einen höheren Rang als bislang geltende soziale Werte (Dederich, 2008, S. 33-34; Speck, 2007a, S. 247). Inwiefern sich diese ökonomische Ausrichtung konkret auf die Beratungsarbeit auswirkt, soll anhand dieser Unterkategorie aufgezeigt werden.

Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungen der untersuchten Beratungsformen kann hier nicht vergleichend ausgewertet werden, da aus dieser Perspektive keine Überschneidungspunkte gegeben sind. Zuerst erfolgt die Darstellung der Aussagen der KoKoBe. Als Ausgangslage dient die Gründung der KoKoBe durch den LVR, um die Maßgabe "ambulant vor stationär" umzusetzen. Zwar hat die KoKoBe diesen Auftrag, der auch klar das Ziel der Kostenersparnis verfolgt (A, B). Jedoch bemerken die Berater/innen mehrheitlich keinen Druck, selbst Kosten einzusparen oder dass in ihrer Beratungsstelle Kosten eingespart werden sollen (C - F). Im Gegenteil, es wird auch genannt, dass die Ko-KoBe zusätzlich eingerichtet wurden und dass sowohl der LVR in der Position des Finanzierungsträgers als auch die Kommune trotz knapper Kassen Gelder bereit stellt (F).

Inwiefern dennoch Kosten eingespart werden, ist für die Berater/innen über ihre Klientel bemerkbar, konkret bei der Bewilligung von Hilfen. Zum einen wird die wesentliche Behinderung genannt, mit Hilfe welcher der LVR seinen Zuständigkeitsbereich abgrenzt und hier bedacht ist, nur für die beschriebene Zielgruppe Leistungen zu erbringen (vgl. Speck, 2008, S. 194). Diese Praxis sehen die Berater/innen kritisch (B, E), da die wesentliche Behinderung nicht immer klar definiert werden kann, insbesondere wenn Mehrfachdiagnosen vorliegen. Die Sparpolitik des LVR macht sich auch in den Hilfeplankonferenzen bemerkbar. Sowohl in der Anerkennung einer Leistung für den Unterstützungsbedarf als auch im zeitlichen Umfang der Leistung (B, E). Unabhängig vom LVR direkt sieht Beraterin F die Politik des Rotstifts anhand der Lebensumstände ihrer Klientel und welche Mittel den Menschen zur Verfügung stehen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Konkret meint sie, dass die gesetzlichen Unterstützungsleistungen nicht den steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden.

Interviewpartnerin C nennt in diesem Zusammenhang die zeitliche Befristung der KoKoBe, was auch per se als Sparpolitik verstanden werden könnte.

Also das sehen wir eigentlich nicht, überhaupt nicht. [...] manchmal hat man Situationen [...] Dass man merkt, dass es dem LVR um das Geld geht, aber das ist ja auch klar, dass es dem um das Geld geht, der ist ja der Kostenträger. Aber unsere Arbeit ist dadurch eigentlich nicht eingeschränkt. Also das merkt man dann eher in den Hilfeplankonferenzen, wenn es dann darum geht, fünf Minuten zu streichen oder fünf Minuten zu lassen. Da ist dann der Spardruck deutlich. [...] dass der LVR immer mehr auf die wesentliche Behinderung guckt. [...] Da ist dann natürlich der Staat auch hinter, dass nicht eben jeder Eingliederungshilfe bekommen kann und da merkt man auch ganz klar, dass die da so ein bisschen das Tor dicht machen wollen. [...] Und da könnte ich mich manchmal schon aufregen. (E, Zn. 800ff)

Inwiefern sich eine Sparpolitik von Seiten der Finanzierungsträger auf die ZsL bemerkbar macht, stellen Interviewpartner/innen I und J dar. I nennt, ähnlich wie F bereits für die Situation ihrer Klientel geschildert hat, die Tatsache, dass Fördermittel nicht erhöht werden, was bedeutet, dass zwar die Kosten gleich bleiben und die Inflationsrate steigt, die dazu zur Verfügung gestellten Gelder allerdings nicht erhöht werden. J schildert die Problematik, dass sein ZsL von freiwilligen Finanzleistungen der Kommune gefördert wird und dass die Bewilligung dieser Leistungen regelmäßig auf den Prüfstand kommt. Für das Zentrum bedeutet dies fehlende Planungssicherheit, was die personelle Besetzung betrifft, was sich auf die Beratungsqualität auswirkt. Einerseits belastet die Berater/innen die regelmäßige unklare Finanzlage ihres Zentrums und andererseits erschwert die Praxis der sich hieraus ergebenden abgeschlossenen Zeitverträge mit den Berater/innen einen kontinuierlichen Beziehungsaufbau zur Klientel. Interviewpartnerin G ist von dieser Fragestellung (noch) nicht betroffen, da sie auf ehrenamtlicher Basis arbeitet. Beraterin H ist insofern auch nicht betroffen, da ihre Beratungsstelle keine derartige Finanzierung erhält.

Dass sich die allgemeine Sparpolitik auf die Lebensqualität ihrer Klientel auswirkt, nennt H. Sie beschreibt, wie junge Eltern mit Behinderung zunehmend Schwierigkeiten haben, ihnen zustehende Hilfsmittel bewilligt zu bekommen.

Also dadurch, dass wir eine institutionelle Förderung durch die Kommune bekommen [...]. Ist das natürlich das Problem, dass freiwillige Leistungen natürlich immer wieder in Zeit knapper Kassen auf den Prüfstand kommen. [...] Und dann kann es schon immer wieder mal vorkommen, dass eben dann das Damokles-Schwert von Kürzungen über uns schwebt. Und was dann mitunter auch mal durchaus auch mal die Beratungsstelle in ihrer Existenz durchaus gefährden kann. [...] und das bindet sehr viel Ressourcen hier auch. Sehr viel Kraft, sehr viel Zeit, bringt auch eine emotionale Unruhe mit sich. [...] Und dann ist natürlich auch oft schwierig, langfristige Beziehungen zwischen Ratsuchenden und beratender Person aufzubauen, wenn die nach zwei Jahren wieder weg ist, sozusagen. Wenn eine ABM oder ähnliches ausläuft. [...] (J, Zn. 1021ff)

Die Ökonomisierungstendenzen zeigen sich in der Maßgabe "ambulant vor stationär". Trotz dieser grundsätzlichen Ökonomisierung sehen sich die KoKoBe nicht direkt von Sparzwängen in ihrer Arbeit behindert, die Mitarbeiter/innen sind sich bewusst, Bestandteil eines Sparplans zu sein, welcher sich aber nicht in der praktischen Arbeit niederschlägt. Die angesprochenen Sparmaßnahmen durch Nichtanhebung von Fördermitteln oder Unterstützungsleistungen (vgl. Kräling, 2006, S. 107) sind sowohl indirekt bei der Klientel der KoKoBe als auch direkt bei den ZsL bemerkbar, was sich bei letzteren unmittelbar auf die Beratungsqualität auswirkt.

6.4.6 Kategorie 6: Mensch mit Behinderung und Gesellschaft

  • Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber dem Menschen mit Behinderung

Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderung können sehr unterschiedlich sein, es kann keine Aussage getroffen werden, inwiefern positive oder negative Einstellungen vorherrschen und inwiefern sie einem Wandel unterworfen sind (Speck, 2008, S. 399). Aufgrund des Paradigmenwechsels der Behindertenpädagogik haben Menschen mit Behinderung mehr Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe (Fornefeld, 2008, S. 9). Parallel dazu existieren gesellschaftliche, politische und ökonomische Exklusionsmechanismen in Bezug auf Menschen mit Behinderung (Dederich, 2008, S. 32). Dass insbesondere Menschen mit einer geistigen Behinderung in der Öffentlichkeit durch ihre Präsenz Aufsehen erregen und das Umfeld selten in der Lage ist, adäquat zu reagieren, erwähnen Schirbort & Göthling (2006, S. 254).

Davon ausgehend, dass die Integration des Menschen mit Behinderung über lange Zeit hinweg wenig vorangetrieben wurde, erkennen die Berater/innen ein Aufbrechen, die Gesellschaft öffnet sich. Allerdings sind sie auch der Meinung, dass der Prozess noch längst nicht abgeschlossen ist und es noch einiger Zeit bedarf, bis ein Zustand der Inklusion erreicht ist (A, F, G, H). H erwähnt in diesem Zusammenhang die UN-Konvention (vgl. Frühauf, 2008, S. 202). Dies hängt auch damit zusammen, dass der Mensch mit Behinderung abhängig von der Bereitschaft der Gesellschaft ist, sich der Situation anzunehmen und mit ihr auseinanderzusetzen. Dieser Umstand wird unter anderem am Beispiel des derzeitigen Schulsystems aufgezeigt (A) oder an der Tatsache, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung nach wie vor wenig in "normalen" Wohnverhältnissen leben (F).

Ja, da müssen wir viel arbeiten, weil das hier einfach weit entfernt davon ist, Alltag zu sein. Also wer hat einen Nachbarn mit einer geistigen Behinderung? [...] Wenn man da ansetzt, ist der Stand der Integration, Inklusion nicht so sehr weit gediehen. [...] Also diese Vielleicht-Offenheit, die da ist, wenn man Menschen darauf ansprechen würde, ist im Kleinen glaube ich noch nicht so weit gediehen. (F, Zn 880ff)

Beraterin A nennt keine vom jetzigen Stand der Gesellschaft ausgehenden Hindernisse, die Integration betreffend, C hingegen spricht von einer ambivalenten Haltung gegenüber dem Menschen mit Behinderung. Ihrer Meinung nach ist eine ablehnende Haltung in bereits problembehafteten Teilen der Gesellschaft deutlich zu erkennen. Für I ist die gesamtgesellschaftliche Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung eine deutliche Erschwernis. Durch die gesellschaftliche Haltung erfahren ihrer Meinung nach die Menschen mit Behinderung Einschränkungen, welche vordergründig nicht auf gesetzliche Maßgaben zurückzuführen sind (vgl. Kräling, 2006, S. 109).

Also, wenn die nicht wäre, dann hätten es die Ratsuchenden nicht so schwer. Wenn sie nicht so viel mit Vorurteilen und Bevormundung, was ja alles jetzt menschliche Auswirkungen sind und nichts Gesetzliches ist. Also dadurch schaffen sie viele Probleme, die die Ratsuchenden sonst nicht hätten. (I, Zn. 957ff)

Aufgrund des Paradigmenwechsels in der Behindertenarbeit ist eine Öffnung und eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Thematik Behinderung gegeben. Nichts desto trotz werden weiterhin und neuerdings wieder Exklusionstendenzen beobachtet, welche allerdings in der Behindertenpädagogik bislang wenig Beachtung findet (Dederich, 2008, S. 32). Deshalb ist es an dieser Stelle kaum möglich, interpretative Aussagen zu formulieren, zumal die Auswertung ein klares Bild der gesellschaftlichen Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung zeichnet.

  • Beobachtbare Veränderung der Einstellung

In Bezug auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung schreibt Cloerkes: "Da mit einer kurz-oder mittelfristigen Verbesserung der sozialen Reaktionen gegenüber behinderten Menschen nicht zu rechnen ist, gelte es in erster Linie, die Handlungskompetenz dieser Personen zu stärken. Sie sei der erste Schritt, um die bisher pathologische Interaktion zu normalisieren" (1985, zit. in Speck, 2008, S. 400).

Eine Veränderung ist für Interviewpartner/innen F, H und J in einzelnen Bereichen zu erkennen, detaillierter wird, bis auf die Veränderungen im ÖPNV (J), auf die Bereiche nicht eingegangen. Ebenso wird auch wieder die zeitliche Dimension genannt (D, F, KoKoBe), die benötigt wird, damit die Veränderungen sich vollziehen können. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass Teile der Gesellschaft keinerlei Bezug zu Menschen mit Behinderung haben (D) und dass eine Veränderung insbesondere bei der jüngeren Generation zu beobachten ist (D, I). Wobei hier auch eine ähnliche wie von C thematisierte Ambivalenz zu verzeichnen ist. Einerseits interessieren sich die jungen Menschen vermehrt für die Angelegenheiten behinderter Menschen, parallel dazu neigen sie aber auch dazu, verstärkt ihre eigenen Interessen zu forcieren (I) (vgl. Speck, 2008, S. 401). Dass die Gesellschaft offener geworden ist (A, C, KoKoBe), erkenne man auch daran, dass Menschen mit Behinderung vermehrt im Straßenbild zu sehen sind (G, J, ZsL) oder dass beispielsweise der Begriff der Assistenz bekannter ist (G). Diese Veränderungen lassen sich auch darauf zurückführen, dass die Menschen besser über die Lage der Menschen mit Behinderung informiert sind (I). Interviewpartnerin G bemerkt die Unterschiede zwischen Stadt und Land, wobei sie Menschen auf dem Land erschwerte Bedingungen attestiert.

Um eine Veränderung in der Gesellschaft voranzutreiben, müssen nach Ansicht von Beraterin A sowohl die Gesellschaft als auch die Menschen mit Behinderung ihren Teil beitragen und aufeinanderzugehen. Dennoch besteht weiterhin eine Kluft zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, welche zwar überwunden wird, aber noch einiges an Integrationsarbeit zu leisten bleibt und das gesellschaftliche Denken sich noch weiter wandeln muss (I) (vgl. Fornefeld, 2004, S. 21).

Es gibt mit Sicherheit ein Großteil an Menschen, die kriegen von dem ja gar nichts mit. [...] das ist ja einfach auch ein Großteil, die da kein Bezug zu haben. Ich denke, [...] da geht schon an ganz vielen diese Diskussion einfach auch total vorbei. Für die ist es noch wie es früher war. Ich denke, die Veränderung ist eigentlich in erster Linie wirklich dann auch in der jungen Generation. [...] (D, Zn, 819ff)

Andererseits ist bei der jüngeren Generation aber wieder mehr dieses Ellenbogendenken und jeder nur für sich. So, dann schon wieder das andere Extrem bis hin zu Behindertenfeindlichkeit. Übergriffe auf Behinderte. Und ich würde schon sagen, insgesamt gibt es die letzten Jahre mehr Aufklärung, mehr Information. Aber ich kann jetzt nicht so ab so insgesamt sagen, dass es so wesentliche, also das Bild ist immer noch sehr verklärt, das Behindertenbild oft. Und solange es diese ganzen Aussonderungsmechanismen gibt, dass viele Behinderte in der normalen Wildbahn ja auch gar nicht vorkommen. [...] Solange das auch weiterhin der Fall ist, ist es auch noch schwerer, ein anderes Bild hinzukriegen. Weil einfach die alltägliche Berührung oft noch fehlt. Da sind so viele Unsicherheiten, die sonst gar nicht wären. [...] (I, Zn. 967ff)

Gesellschaftliche Veränderungen in Bezug auf Menschen mit Behinderung finden in der vorliegenden Fachliteratur wenig Beachtung. Als Ursache hierfür können die Äußerungen von Aselmeier (siehe Kategorie 5) herangezogen werden, welche illustrieren, dass behinderungsspezifische Belange mehrheitlich auf fachlicher Ebene und weniger auf gesellschaftlicher Ebene diskutiert werden. Zwar ist aufgrund der Aussagen der Interviewpartner/innen ein Wandel in der gesellschaftlichen Haltung auszumachen, was sich bedingt gegen Cloerkes Schwerpunktsetzung auf die Handlungsebene des Menschen mit Behinderung und dessen professionelle Unterstützung wendet. Dennoch geben die aufgeführten Aspekte des Wandels darüber Aufschluss, dass sich die Veränderungen insbesondere auf eine Verbesserung der Bedingungen beziehen, eine direkte Interaktion zwischen Gesellschaft und Mensch mit Behinderung ist weniger zu verzeichnen.

6.4.7 Zusammenfassung des Schlüsselkonzepts

Einschränkungen in der Umsetzung des Empowerment-Konzepts zeigen sich auf verschiedenen Ebenen. Grundsätzlich grenzt sich dieses Konzept von traditionellen Vorstellungen der Sozialen Arbeit ab und verlangt eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem beruflichen Selbstverständnisses und den Rahmenbedingungen. Herriger beschreibt drei Ebenen, welche auf die Auswertung bezogen werden: intrapersonale Widerstände, Beziehungswiderstände und institutionelle Widerstände (2006, S. 207).

Intrapersonale Widerstände, die sich aus einem dem traditionellen Defizit-Blickwinkel verpflichteten beruflichen Selbstverständnisses und durch standardisierte Hilfeprogramme ergeben können, sind bei keinem der Interviewpartner zu erkennen (vgl. Herriger, 2006, S. 208). Die Akzeptanz, welche benötigt wird, um "sich auf Beziehungsverläufe einzulassen, die strukturell offen sind" (Herriger, 2006, S. 208), stößt an Grenzen, wenn eine nicht mehr vertretbare Selbst-oder Fremdgefährdung vorliegt. Zwar machen die Interviewpartner/innen ihren beruflichen Erfolg (siehe Schlüsselkonzept 3) unter anderem an der Zufriedenheit der Klientel fest, setzen diesen aber nicht in Beziehung zu Erwartungen an die Klientel (vgl. a.a.O., S. 209). Eine Beziehungsgestaltung im Sinne der partnerschaftlichen Verständigung scheint gegeben, die Expertenmacht nutzen die Interviewpartner nur im Zusammenhang mit Grenzüberschreitungen, worauf noch gesondert eingegangen wird. Die Beziehungsgestaltung an sich kann in der Hinsicht zu einem Stolperstein werden, dass Klienten unterschiedliche Erwartungen an die Beziehung haben und in den Mitarbeiter/innen mehr sehen als Berater. Als Folge müssen sich die Berater/innen abgrenzen, beispielsweise, indem die Beratungsbeziehung, bezogen auf Inhalte und zeitlichen Rahmen, klar definiert wird. Dies kann für die Menschen mit Behinderung bedeuten, dass sie aufgrund ihrer "erlernten Fügsamkeit" (a.a.O., S. 212) die Methoden des Empowerment nicht als positiv erleben, da die Erwartungen einer fürsorgenden Sozialen Arbeit nicht erfüllt werden.

Wie schon in der Auswertung des Schlüsselkonzepts 1 erwähnt, spielt die erlernte Hilflosigkeit als Hindernis eine bedeutende Rolle. Empowerment fordert von den Betroffenen Einsatz, selbst zu handeln, sich zu entscheiden und auch die Konsequenz der Entscheidung zu tragen. Diese Forderung setzt Handlungskompetenzen voraus, über die Menschen mit erlernter Hilflosigkeit weniger verfügen. Zwar setzt genau an diesem Punkt das Empowerment an, doch gilt es zuerst, die dadurch entstehenden Ängste zu respektieren. Die Berater/innen der ZsL nutzen hier das Peer-Counseling, das ihrer Meinung nach den Abbau von Widerständen und Ängsten begünstigt. Eltern können in diesem Zusammenhang auch Verhaltensweisen der erlernten Hilflosigkeit zeigen, indem sie ablehnend auf mögliche Veränderungen reagieren. In diesem Fall bietet die KoKoBe eine klassische Vorgehensweise des Empowerment an: Sie veranstaltet Elternkreise, in denen Eltern beider Generationen (siehe Schlüsselkonzept 1) aufeinandertreffen und durch die Selbstbetroffenheit eine Basis geschaffen wird, die die Entwicklung neuer Perspektiven ermöglicht. Als Konsequenz und im Zusammenhang mit der erlernten Hilflosigkeit können mehrere Beziehungswiderstände auf der Ebene des Arbeitskontrakts zwischen Sozialarbeiter und Klient beschrieben werden (a.a.O., S. 211-215). Ein Widerstand ist die Zurückweisung der ‚Zumutungen' der Empowerment-Arbeit (a.a.O., S. 212-213). Diese ist bei den Klienten und Angehörigen durch die Erwartungshaltung an die Einrichtungen gegeben, weshalb der eigene Beitrag zu einer gelingenden Unterstützung nicht gesehen wird. Eine weitere Form der Zurückweisung wird erlebt, wenn die angeforderte Unterstützung nicht angenommen wird. Ob sie nicht passend ist oder ob die Ursache bei den Familien zu sehen ist, wird nicht ersichtlich. Die Nicht-Annahme der Unterstützung und damit einhergehende Veränderung der Lebenssituation aufgrund finanzieller Aspekte wird ebenfalls angemerkt. Grenzüberschreitungen aufgrund des Eigen-Sinns der Klientel (a.a.O., S. 213-214) berücksichtigen die Interviewpartner insbesondere, wenn es sich um Gefahrensituationen für den Menschen selbst oder dritte handelt. Als Kontrollinstrument kann hier die Hilfeplankonferenz dienen. Es wird jedoch klar herausgestellt, dass derlei Situationen im Beratungssetting selten vorkommen, auch aufgrund der Tatsache, dass die Klientel zumeist klare Ziele hat, welche umgesetzt werden sollen und sich somit keine Situationen, die ein Eingreifen erfordern, ergeben.

Die Interviewpartner/innen verpflichten sich in ihrer Arbeit dem Grundsatz, dass "das Selbstbestimmungsrecht der Adressaten ein unveräußerliches Gut" (a.a.O., S. 212) ist. Es kann festgestellt werden, dass die Interviewpartner/innen nach dieser Prämisse arbeiten. In Bezug auf beispielsweise eigene Zeit-und Zielvorstellungen können sie das Verhalten ihrer Klientel nicht immer nachvollziehen und betrachten es deshalb ebenfalls als Aspekt ihrer Arbeit, solches Verhalten aus ihrer Perspektive in Frage stellen. Sie berufen sich hier auf ihre professionelle Rolle, um dem Recht auf Selbstbestimmung als Maßgabe ihrer Arbeit zu entsprechen.

Widerstände auf institutioneller Ebene sind weniger zu verzeichnen. Die Umsetzung des Empowerment-Konzepts erfolgt im Konsens mit der jeweiligen Beratungseinrichtungen, keine/r der Interviewpartner/innen beschreibt Schwierigkeiten innerhalb der Teams oder der Institutionen, welche sich auf eine persönliche dem Empowerment-Konzept nicht entsprechende Arbeitshaltung gründen. Eine "Schwerkraft der Routine" mit einer "Beharrungsmacht der Amtsroutine" (Herriger, 2006, S. 219), welche sich gegen die Anwendung des Empowerment-Konzepts stellen kann, ist bei den Interviewpartner/innen nicht zu verzeichnen.

Sparpolitik bemerken die KoKoBe-Mitarbeiter/innen nur bei der Bewilligung von Fachleistungsstunden in Hilfeplankonferenzen oder bei der Prüfung der wesentlichen Behinderung, da der Personenkreis Menschen mit Lernbehinderung nicht in den Zuständigkeitsbereich der KoKoBe fällt. Andererseits wirkt sich die Sparpolitik klar auf die ZsL aus, sei es, dass die Bewilligung von Geldern jährlich neu verhandelt werden muss oder aufgrund von mangelnder finanzieller Unterstützung die Arbeit auf ehrenamtlicher Basis stattfindet. Beeinträchtigungen erfolgen demnach auch im räumlichen und personellen Bereich.

Ein grundsätzlicher institutioneller Stolperstein ergibt sich bei der Darstellung und Vertretung der Belange von Menschen mit Behinderung außerhalb des Systems der Behindertenarbeit. Hier kommt auch die gesellschaftliche Ebene zum Tragen. Im Sinne des Unterstützungsmanagements arrangieren und koordinieren die Berater/innen formelle und informelle Ressourcen, sie sind weniger als direkte Dienstleistungserbringer zu verstehen. Doch zeigt sich klar in der Auswertung, dass ein gesellschaftliches Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung zwar stattfindet, allerdings nicht in dem Umfang, der eine Integration in die jeweiligen Lebensumfelder begünstigen würde. Konkret bedeutet dies, dass das Empowerment-Konzept insofern an eine Grenze stößt, als dass die gesellschaftliche Haltung eine Gemeinwesenorientierung erschwert. Zu erkennen ist dies auch an Cloerkes Hinweis (s.o.), die Handlungskompetenzen der Betroffenen zu stärken. Eine dialogische Auseinandersetzung, wie von den Interviewpartner/innen gefordert, wäre wünschenswert. Dies wiederrum bestätigt Aselmeiers Ansatz (2008, S. 180), dass die Auseinandersetzung mit der Thematik Behinderung auf fachlicher Ebene und weniger auf gesellschaftlicher Ebene stattfindet. Hierzu merken die Interviewpartner/innen an, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderung bislang nicht sehr weit gediehen ist.

6.5 Schlüsselkonzept 5: Funktion der KoKoBe / der ZsL innerhalb der Behindertenhilfe

6.5.1 Kategorie 1: Qualität der Arbeit

Eine neue Qualität durch die Arbeit der KoKoBe stellt sich folgendermaßen dar: Zunächst sticht heraus, dass diese Beratungsform für Menschen mit einer geistigen Behinderung im Vergleich zu anderen Instrumenten überörtlicher Sozialhilfeträger verhältnismäßig häufig in der Fachliteratur erwähnt wird. Hervorgehoben wird die trägerunabhängige und trägerübergreifende Funktion (Theunissen, 2006a, S. 197; Theunissen, 2007c, S. 356), weiter die Umsetzung des SGB IX § 1, im Sinne von Koordination ambulanter Hilfen vor Ort, zentrale Funktionen des Hilfeplanverfahrens und die Koordination von Beratungs-, und Freizeitangeboten (Fornefeld, 2008, S. 18). Dass die KoKoBe im Sinne des Empowerment-Konzepts eine Voraussetzung für die Anwendung der Methode des Unterstützungsmanagements darstellen, wird von Theunissen aufgezeigt (2006a, S. 222; 2009, S. 403). Zudem nennt der LVR den personenzentrierten Ansatz des Hilfeplanverfahrens als konkreten Schritt, welcher sich aus dem Paradigmenwechsel ableitet (Daun, 2008, S. 2). Die neue Qualität der Arbeit, bezogen auf die ZsL, beschreibt Miles-Paul (1992) anhand des Peer-Counseling-Prinzips: Die Bereitschaft, sich gegenseitig zu unterstützen und Erfahrungen zu teilen, und zwar unabhängig von institutionellen Vorgaben (Theunissen, 2006a, S. 200). Demnach stellt die neue Qualität der Beratungsform die Loslösung von der traditionellen Beratung von Menschen mit einer körperlichen Behinderung dar, beispielsweise in Abgrenzung zu städtischen Beratungsformen. Diese können zwar auch Menschen mit Behinderung beschäftigen, eine parteiliche Beratung ist jedoch kaum möglich, auch aufgrund der Tatsache, dass die Beratung mit der Gewährung von Leistungen verknüpft ist (Miles-Paul, 1992, S. 69-70). Die Qualität des Peer-Counselings wird auf individueller Ebene gesehen: Selbstbewusstsein wird gestärkt und eine eigenverantwortliche Lebensführung wird angestrebt. Auf gesellschaftlicher Ebene können Veränderungen bewirkt werden (a.a.O., S. 69). Allerdings gilt es zu beachten, dass kaum Studien zum Wert der Selbstbetroffenheit des Peer-Counselings vorliegen (Blochberger, 2008, S. 24).

  • Neue Qualität durch die Arbeit

Aufgrund der unterschiedlichen Ansätze lassen sich die Antworten der Interviewpartner/innen der jeweiligen Beratungsformen nur getrennt voneinander darstellen, obwohl gewisse grundsätzlich geäußerte Gedanken sicherlich für beide Beratungsformen gelten. Zuerst die neue Qualität der Arbeit der KoKoBe. Als neu wird von allen befragten Interviewpartner/innen genannt (A, C, D, F), dass es diese Form der Beratungsstelle vor der Einrichtung der KoKoBe für Menschen mit Behinderung nicht gab. Neben der nun sich bietenden Möglichkeit einer zentralen Anlaufstelle, die speziell und umfassend zu der Thematik Mensch mit einer geistigen Behinderung Auskunft geben kann (A, D, F), sehen die Berater/innen als neue Qualität, dass sie den Fokus ihrer Beratung auf den Menschen mit einer geistigen Behinderung richten (A, C, F). Zwar werden auch Angehörige beraten, doch insbesondere die Hinwendung zu dem Menschen mit einer geistigen Behinderung - in Abgrenzung zu bereits bestehenden Beratungsformen, welche ihren Schwerpunkt eher im Bereich der Beratung der Angehörigen angesiedelt haben - stellt für die Interviewpartner/innen ein Novum dar, C bezeichnet diese Beratungsform als Bestandteil der Integration. Weiter zeichnet sich die KoKoBe dadurch aus, dass sie trägerneutral und unabhängig arbeitet, was es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Den Menschen mit einer geistigen Behinderung und deren Angehörigen standen zuvor Ansprechpartner der einzelnen Träger der Behindertenarbeit zur Verfügung (A, F), damit einher ging eine Bindung an das Angebot des jeweiligen Trägers. Allein schon das Wissen um eine neutrale Beratungsstelle stellt für F eine Neuerung dar. Des Weiteren profitiert die Klientel, da eine Begleitung während des gesamten Prozesses der Verselbstständigung angeboten wird (A). Sollte keine passende Unterstützung im Leistungsangebot vorhanden sein, sehen sich die Berater/innen in einer vermittelnden und koordinierenden Funktion (A, D).

Dass es zum ersten Mal eine Beratungsstelle gibt, die zielgerichtet auf die Gruppe der Menschen mit Behinderung eingerichtet ist. [...] der soziale Zusammenhang -den beraten wir auch, klar. Aber sie ist eingerichtet für Menschen mit geistiger Behinderung [...]. Und das ist schon ein Stück Integration. (C, Zn. 737ff)

[...] man kann sich immer erst mal an die KoKoBe wenden. Und die ist jetzt ganz speziell da einem eine Antwort darauf geben können [...]. Und nicht erst mal dieses "ich muss da und da und da und da und da anrufen" sondern dann gibt es einfach so eine zentrale Beratungsstelle, wo man so grundsätzlich bei allen Fragen zu geistiger Behinderung einfach mal anrufen kann. (D, Zn. 837ff)

Die neue Qualität der Arbeit der ZsL sehen die Berater/innen mehrheitlich in der Beratungsform des Peer-Counselings (H, I, J). Die Selbstbetroffenheit stellt für sie das zentrale Element dar, Interviewpartnerin H führt diesen Gedanken weiter aus, indem sie die Selbstbetroffenheit in Verbindung mit der professionellen Sozialen Arbeit setzt. Ihrer Meinung nach besteht der Qualitätsgewinn in der exklusiven Kombination aus der im Studium erworbenen Professionalität und der "aufgearbeiteten persönlichen Betroffenheit" (vgl. Blochberger, 2008, S. 27). G nennt die Selbstbestimmung als Qualität, sie stellt dabei eine Abgrenzung zur Opferrolle heraus. Ergänzend hierzu führt Interviewpartner J den ressourcenorientierten und ganzheitlichen Ansatz der Beratung an. Weitere Dimensionen einer neuen Qualität nennt I: Das Empowerment-Konzept, hier Expertentum in eigener Sache und die Selbsthilfe und Bestärkung. Zudem stellt für sie die Beratungsform eine Alternative zu den bestehenden Großeinrichtungen dar und sie schreibt ihrer Arbeit eine politische Dimension zu, indem für die Belange von Menschen mit Behinderung eingetreten wird.

Dass Soziale Arbeit nicht nur auf theoretischen professionellen Grundlagen basiert, sondern [...] auch zusätzlich auf der Grundlage eben der eigenen Erfahrungswelt. [...] sehe ich als großen Vorteil, wenn man beide Sachen hat. Also eine solide [...] theoretische Ausbildung, aber eben auch eine aufgearbeitete persönliche Betroffenheit. Mein Schwerpunkt liegt da bei aufgearbeitet. Also nicht einfach nur, weil man selber behindert ist, kann man. [...] (H, Zn, 891ff)

Behinderte als Experten/Expertinnen in eigener Sache. Alternativen zu Sondereinrichtungen. Die Methode des Peer-Counseling, von Betroffenen für Betroffene, einfach so die Funktion der Selbsthilfe stärken und Empowerment. [...] Also politische Veränderungen für Menschen mit Behinderung erwirken. (I, Zn. 986ff)

Eine gemeinsame neue Qualität der Beratungsformen stellt die Trägerneutralität und Unabhängigkeit dar. Die Personenzentrierung der KoKoBe ist insofern ein Novum, als dass Menschen mit einer geistigen Behinderung sich bisher den Strukturen der vorhandenen Systeme anpassen mussten, anstatt umgekehrt (vgl. Schlüsselkonzept 1, Kategorie 2). Weiter stellt sich die Personenzentrierung durch die Methode des Peer-Counselings dar. Die Selbstbetroffenheit als Beratungsbasis kann zwar auch in anderen Zusammenhängen (beispielsweise Frauen-oder Homosexuellenberatung) eine Voraussetzung sein und sich etabliert haben, im Bereich der Behindertenarbeit ist diese Vorgabe jedoch lediglich in den ZsL konsequent umgesetzt. Deutlich wird dies anhand der Aussagen von Interviewpartnerin G, die eine Abgrenzung zu den traditionellen Beratungsformen von Kirchen oder Vereinen vornimmt.

  • Veränderungen seit Bestehen der Beratungsstelle

Die einzelnen Antworten der Interviewpartner/innen fallen unterschiedlich aus, demnach werden an dieser Stelle vermehrt Einzelmeinungen und Aussagen weniger Interviewpartner/innen aufgeführt, welche als Gesamtes gesehen ein recht differenziertes Bild der Veränderungen in der ambulanten Behindertenarbeit zeichnen.

Interviewpartner/innen D, G, I und J sehen einen deutlichen Zugewinn an Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung. Der Zugewinn wird auf unterschiedlichen Ebenen beschrieben. D spricht von institutionellen Rahmenbedingungen in Bezug auf die professionelle Haltung der Einrichtungen, G nennt das persönliche Budget als Instrument für den Einzelnen. I bezieht sich direkt auf den Menschen mit Behinderung, der in der Beratung Unterstützung erfährt und verweist darauf, dass, wie auch Interviewpartner J anmerkt, die Thematiken der Menschen mit Behinderung stärker in das öffentliche Bewusstsein und in die politische Ebene dringen. I und J (ZsL) betonen in diesem Zusammenhang die Ermutigung der Klientel, ihre eigenen Ziele zu formulieren und zu verfolgen.

Inwiefern sich die Wohnsituation außerhalb von Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung verbessert hat, zeigen Berater/innen G und I (ZsL) auf. Durch die Arbeit ihrer Beratungsstellen hat sich das Angebot an ambulanten Diensten und Assistenzdiensten verbessert und ausgeweitet.

Dass durch die Existenz der Beratungsstelle die Betroffenen eine Anlaufstelle für spezifische Fragestellungen haben, die es so in dieser Form zuvor nicht gegeben hat, führen Interviewpartner/innen A und H an. A bezieht sich auf das Beratungsangebot der KoKoBe, welches sie auch auf die Lebensberatung allgemein ausweitet und das ein Novum darstellt. H geht auf das Beratungsangebot zum in der Öffentlichkeit erst seit kurzem thematisierten Sachverhalt von Menschen mit Behinderung und Elternschaft ein, und verweist darauf, dass das Angebot in dieser Form bundesweit einzigartig ist.

Interviewpartner/innen G und I (ZsL) schreiben ihrer Beratungsform eine Vorbildfunktion für andere Stellen im Bereich der Behindertenarbeit zu. G bezieht sich auch hier auf das persönliche Budget, während I auf die Dienstleistungsangebote ihrer Einrichtung in Bezug auf ambulante Wohnformen eingeht.

Allerdings ist A der Meinung, dass sich die KoKoBe, obwohl spezialisierte Beratungsstelle, sich bei der Klientel noch nicht etabliert hat. Sie zieht den Vergleich zur Suchtberatung, wo der Beratungsgegenstand klar umrissen ist. Ihrer Meinung nach hat sich die Trägerneutralität und Unabhängigkeit dieser Beratungsform noch nicht etabliert.

Ich glaube, dass sich im Bewusstsein der Menschen und Klientel noch nicht festgesetzt hat, dass es dort eine Beratungsstelle gibt, im Sinne von neutral, trägerunabhängig. Also jeder, der [...] ein Suchtproblem hat, geht zur Suchtberatung. Das kennt jeder. Aber ein Mensch mit Behinderung oder Angehörige von Menschen mit Behinderung gehen nicht zur KoKoBe, weil sie ein Problem haben. Also so. Nicht zielgerichtet, noch nicht. [...] (A, Zn .1012ff)

Dieses Budget ist einfach ein schönes Instrument, das es eben Geldleistung statt Sachleistung gibt. Das allein fördert schon die Selbstbestimmung. Der Mensch mit Behinderung oder der Budgetnehmer ist nicht mehr nur Bittsteller und Leistungsempfänger, sondern er muss sich selbst seine Hilfen beschaffen. Optimales Mittel für Selbstbestimmung. [...] dass die Assistenz auf den Weg gebracht wird. Dass wir immer mehr Leute in Richtung Assistenz beraten. [...] Wir haben jetzt zumindest drei Dienste an der Hand, die ehemals Pflegedienste waren. (G, Zn. 1040ff)

Es gibt mehr ambulante Alternativen hier in (Name der Stadt), auch durch die Dienstleistungsangebote, die unsere Einrichtung vorhält. Es hat eine Sogwirkung, weil andere Anbieter ähnliche Angebote auch hier aufgebaut haben, im ambulanten Bereich. Und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung, Barrierefreiheit ist viel mehr Thema in der Öffentlichkeit hier geworden und auch in der Politik. Und dass wir eben auch viel behinderte Menschen bestärken und ermächtigen [...]. (I, Zn. 993ff)

Theunissen (2006a) schätzt den Wert von Beratungsstellen innerhalb der Behindertenarbeit als notwendigen Baustein eines sozialen Netzwerkes sehr hoch ein (S. 199). Allerdings betont er auch, dass die Koordination von sozialen Ressourcen in der Behindertenhilfe "viel zu wenig in Erwägung gezogen und in Anspruch genommen" (a.a.O., S. 200) wird, was seiner Meinung nach daran liegt, dass sich die allgemeinen Angebote für Menschen mit Behinderung nicht zuständig sehen (a.a.O.). Auf dieser Grundlage stellen sich die genannten Veränderungen seit Bestehen der KoKoBe und ZsL sehr positiv dar. Kompetenzen und Ressourcen werden koordiniert und vernetzt, Angebote werden ausgebaut und die persönliche Lage von Menschen mit Behinderung erfährt eine Verbesserung, da ein Mehr an Selbstbestimmung ermöglicht wird. Zudem erfüllen die einzelnen Teilbereiche der Tätigkeit die Funktion, auf das gesellschaftliche Bewusstsein Einfluss zu nehmen.

  • Qualitätsgewinn für:

Klientel

Einen Qualitätsgewinn für die Klientel kann man unter dem Begriff der Lebensqualität fassen. Als Dimensionen der Lebensqualität werden in die objektiven Lebensbedingungen (beispielsweise Wohnen, Arbeit, soziale Beziehungen) die Zusammenhänge zwischen den Lebensbedingungen und dem subjektiven Wohlbefinden und der individuellen Lebensqualität unterschieden (Beck, 2006b, S. 377). Weiter wird Lebensqualität als "offenes Konzept, das objektive Bedingungen und subjektive Zufriedenheit integriert, unter Berücksichtigung persönlicher Werte und Ziele" verstanden (Seifert, 2007, S. 205-206).

Als klaren Qualitätsgewinn sehen die Berater/innen (A, C, D, G, I, J) die Tatsache, dass der Mensch mit Behinderung in den Mittelpunkt gerückt wird und dessen Interessen fokussiert werden. Dieser Zugewinn wird auch daran aufgezeigt, dass die zuvor gängige Beratungspraxis sich an Interessen anderer orientiert hat, sei es das Angebot der jeweiligen Träger oder die Vorstellungen der Angehörigen. Hieraus ergibt sich auch für die Klientel, dass die Beratungsstellen Perspektiven zu bisher bekannten Unterstützungssystemen aufzeigen (D, G, H). Dem Menschen mit Behinderung werden Alternativen angeboten, diese Wahlmöglichkeit bestand in dem Sinne zuvor nicht. A (KoKoBe) führt diesen Gedanken weiter aus, indem sie beschreibt, dass die Leistungen den Interessen des Menschen mit Behinderung angepasst werden und nicht umgekehrt. F benennt hier die Scharnierfunktion der KoKoBe, nach der lange Zeit bedarf bestanden hatte. G nennt das Modell der persönlichen Assistenz mit dem Menschen mit Behinderung in der Funktion als Arbeitgeber als Qualitätsgewinn.

Wenn es eine Beratungsstelle für ihn ist und jemand, den man in den Fokus stellt, der fühlt sich glaub ich wertvoller als wenn er als Anhänger von Angehörigen z. B. immer nur hinter sich, hinter denen mitgenommen wird. Also nicht dieses "ich gebe dir die Hand und du bist hinter mir und ich sag dir, wo es lang geht", sondern umgekehrt. Er ist derjenige oder sie ist diejenige, die angesprochen wird [...]. (C, Zn. 754ff)

Ja, für die Klienten, dass sie ernst genommen werden mit ihren Anliegen. Und dass sie in ihren Wünschen, Vorhaben, Zielen unterstützt und gestärkt werden. Sich angenommen fühlen können, hier. (I, Zn. 1003ff)

Die subjektive Zufriedenheit wird durch die Fokussierung der persönlichen Interessen gesteigert, Veränderungen der objektiven Lebensbedingungen können durch die Unterbreitung und Nutzung der unterschiedlichen Angebote erreicht werden. Zwar sind sowohl theoriegeleitete Aspekte als auch die Aspekte der Interviewpartner/innen relativ allgemein gehalten, dennoch kann davon ausgegangen werden, dass in Bezug auf die Klientel eine Verbesserung der Lebensqualität durch die Beratungsarbeit erreicht werden kann.

Behinderteneinrichtungen

Auf KoKoBe-Seite wird beschrieben, dass eine Entwicklung stattfinden musste, bevor die KoKoBe von den Einrichtungen in der Behindertenarbeit anerkannt und schließlich genutzt wurden (C, D, F). Zu Beginn der Tätigkeit der KoKoBe sahen die Einrichtungen in der Beratungsstelle wegen der Maßgabe "ambulant vor stationär" eine Bedrohung, konkret den drohenden Verlust von Wohnheim-und somit Arbeitsplätzen (vgl. Kräling, 2006, S. 109). Die Bedrohungsempfindung wurde auch dadurch gespeist, dass die Mitarbeiter/innen der teilstationären Wohnformen den dort wohnhaften Menschen mit Behinderung die Fähigkeit absprachen, in einer ambulant betreuten Wohnform zu leben; diese Haltung des Wohnheim-Personals nahm auch ZsL-Berater J wahr. Diese Vorbehalte von Seiten teilstationärer Wohnanbieter bestehen in dem Ausmaß nicht mehr. In diesem Zusammenhang merken C und D an, dass sie die Auseinandersetzung mit dem Auftrag der KoKoBe begrüßt haben, weil sich die Einrichtungen auf diese Weise kritisch reflektiert haben, was als Qualitätsgewinn zu bewerten ist. D sieht die KoKoBe auch als ideelle Kontrollinstanz für die Behinderteneinrichtungen, da es eine Stelle gibt, die darauf achtet, inwiefern nach den Interessen der Klientel gearbeitet wird.

A sieht den Qualitätsgewinn darin, dass der Mensch mit Behinderung sich für eine Einrichtung entscheiden kann, welche seinen Bedürfnissen entspricht und nicht darauf angewiesen ist, einen Wohnplatz zugeteilt zu bekommen. In diesem Sinne meint auch F, dass der Qualitätsgewinn darin besteht, dass die KoKoBe den Einrichtungen Arbeit abnimmt und dadurch eine entlastende Funktion hat. A nennt in diesem Zusammenhang das Schreiben der Hilfepläne des LVR. Hier sieht sie sich als Auftragsorgan der Einrichtungen, eine Position, welche ihr nicht sonderlich gefällt.

Für die Behinderteneinrichtungen sind wir nach langen zähen Jahren glaube ich inzwischen eine Institution mit der es sich in der Regel lohnt, zusammenzuarbeiten. Das war am Anfang nicht so, da waren extreme Ängste. [...] Inzwischen gibt es ja viele Kooperationen und klar, es ist natürlich so, dass wir diesen Einrichtungen teilweise ja auch Arbeit abnehmen. Wenn wir gucken, wo Klienten, die sich verändern möchten, hingehen. (F, Zn. 946ff)

Als weitere überschneidende Antwort der beiden Beratungsformen nennen F und H, dass das Angebot der Beratungsstelle auch von den Einrichtungen genutzt wird, H geht auf für die Einrichtung sich bietende Problemstellung ein, wenn ein Mensch mit einer geistigen Behinderung Mutter oder Vater wird.

Einen klaren Zugewinn sehen Berater/innen H und I (ZsL) in ihrer spezifischen Fachlichkeit. Die Einrichtungen können ihrer Meinung nach von dem Wissen profitieren und es in ihre eigene Arbeit einfließen lassen oder die Klientel an die Beratungsstelle vermitteln. H sieht hier auch eine entlastende Funktion, da die Elternschaft und Behinderung für Mitarbeiterinnen der Behindertenhilfe eine Überforderung sein kann.

Wenn nämlich das Thema kommt, eine Bewohnerin oder eine Mitarbeiterin der WfB ist schwanger, was machen wir jetzt mit der? [...] Dass sie auch Verantwortung für einen Bereich angeben können, wo sie sich selber unsicher fühlen. Ist mir auch lieber, als in dieser Hilflosigkeit sozusagen aktiv zu werden und vor lauter Aktivismus auch nicht richtig zu wissen, wo sie eigentlich hingehen. [...] (H, Zn. 943ff)

Unser Know-how. Also dass die Konzepte des selbstbestimmten Lebens für Menschen mit Behinderung kennenlernen können und auch in ihrer Arbeit mit einfließen lassen können. Oder eben auch Behinderte an uns vermitteln können [...]. (I, Zn. 1009ff)

Die hier aufgeführten Ansichten der Interviewpartner/innen lassen sich nur schwer mit der Forschungsliteratur in Übereinstimmung bringen. Zum einen wird Beratung für Menschen mit Behinderung wenig beziehungsweise nur fachspezifisch thematisiert. Zum anderen zeugen die Ansichten vom eingangs beschriebenen Paradigmenwechsel. Insbesondere fällt die Äußerung auf, dass die KoKoBe als Bedrohung wahrgenommen wurden und dass Mitarbeiter/innen von Einrichtungen weniger bereit waren, an die Stärken und Kompetenzen der im stationären Bereich wohnhaften Menschen zu glauben. Inwiefern hier Handlungsbedarf besteht, dass Mitarbeiter/innen stationärer Wohneinrichtungen mehr im Sinne des Empowerment-Konzepts arbeiten, zeigt Interviewpartnerin I deutlich auf. Zudem sei an dieser Stelle auf die beschriebenen institutionellen Defizite in Bezug auf Verselbstständigung des Schlüsselkonzept 1, Kategorie 2 verwiesen.

Kostenträger

Nach Ansicht des LVR sind ambulante Wohnformen durchschnittlich 30-50 % kostengünstiger als stationäre, dazu ist ein deutlicher Ausbau ambulanter Wohnhilfen zu verzeichnen (Daun, 2008, S. 1). Diese Entwicklung im Bereich Wohnen und der Ausbau des Angebotsspektrums der Eingliederungshilfe möchte der LVR vorantreiben, um den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderung gerecht zu werden und um den öffentlichen Haushalt zu entlasten (a.a.O., S. 4).

Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen der jeweiligen Beratungsformen bedarf es hier einer gesonderten Darstellung.

Der Auftrag der KoKoBe, die Maßgabe des LVR "ambulant vor stationär" umzusetzen, basiert vorrangig auf der Idee, Kosten im stationären Wohnen in der Behindertenarbeit einzusparen (A, C). Zwar entspricht diese Maßgabe auch dem Anspruch, dem Menschen mit Behinderung ein Mehr an Selbstbestimmung zu ermöglichen, was aber nicht zwangsläufig an eine Kostenersparnis gekoppelt ist. Diese Ambivalenz ist dem LVR bewusst und auch von ihm gewollt, da von Menschen mit Behinderung und von fachlicher Seite bereits gefordert (C, F). Demnach ist von der ursprünglichen Idee, Kosten einzusparen (D, F), Abstand zu nehmen, zumal die KoKoBe nicht vom LVR überprüft werden, inwiefern tatsächlich Menschen mit Behinderung einen Wohnformwechsel vorgenommen haben (E). Aufgrund der zeitlichen Befristung der KoKoBe lässt sich für Interviewpartnerin F allerdings ableiten, ob die KoKoBe die vom LVR gewünschte Kostenersparnis tatsächlich umsetzt.

Also der Kostenträger will sparen, aber gleichzeitig ermöglicht er dadurch auch selbstständigere Wohnformen, wenn er an der Stelle auch genügend Fachleistungsstunden zur Verfügung stellt. Also ich sehe das Ambivalente, das Gute zieht das Schlechte mit sich und umgekehrt. Von daher finde ich das auch ein Qualitätsgewinn. [...] (C, Zn. 783ff)

Als Qualitätsgewinn für den Kostenträger wird beratungsformenübergreifend genannt, dass sich die Angebotslandschaft innerhalb der Behindertenarbeit differenziert und auch durch die Arbeit dieser Beratungsformen eine Umstrukturierung stattfindet (A, C, J). Die Kostenträger richten sich zunehmend nach den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe (C, I).

Von Seiten der ZsL wird ein Qualitätsgewinn herausgestellt, indem die Qualität der Beratung als ein inhaltlicher Gewinn für die Kostenträger anzusehen ist (I). Zugleich spart der Kostenträger, indem Beratungsarbeit abgenommen wird (G, J). Allerdings sehen die Berater/innen an dieser Stelle weniger einen qualitativen Gewinn für die Kostenträger, da durch ihre Beratungsarbeit dem Kostenträger Mehrkosten entstehen, etwa dass Betroffenen durch die Beratungsarbeit vermehrt Anträge für Unterstützungsleistungen stellen (G, H, J).

Kostenträger freuen sich nie, wenn es jemand gibt, der dafür sorgt, dass mehr Anträge gestellt werden. Von daher weiß ich nicht, ob es einen Qualitätsgewinn ist. (H, Zn. 955f)

Der Qualitätsgewinn für die Kostenträger kann darin gesehen werden, dass die Beratungsstellen qualitativ hochwertige Arbeit leisten, was sich positiv auf das Prozedere der Gewährung von Leistungen auswirkt, da weniger Arbeitsaufwand. Zusätzlich erfolgt durch die Beratungsstellen eine Sicherstellung der Umsetzung des personenzentrierten Ansatzes (vgl. Daun, 2008, S. 2), welcher der Selbstbestimmung gesellschaftliche Teilhabe nach § 1 SGB IX gerecht wird. Insofern stellen die Beratungsstellen für die Kostenträger einen Garant der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben dar.

6.5.2 Kategorie 2: Doppeltes Mandat

Soziale Dienstleistungen im Sinne des Empowerment-Konzepts kennzeichnen sich unter anderem durch eine Selbstbegrenzung der Einmischung, die Nützlichkeit und Verlässlichkeit von Leistungen und die Ermöglichung einer informierten Wahl (Theunissen, 2009, S. 63). Diese Dienstleistungen entsprechen dem Anspruch, den Interessen der Klientel der Selbstbestimmung verpflichtet gerecht zu werden. Dennoch spielen die Finanzierungsträger der Dienstleistungen eine Rolle, insbesondere dann, wenn die jeweiligen Interessen unterschiedlich sind. Die Berater/innen als Anbieter der Dienstleistungen befinden sich also in der Position des doppelten Mandats. Das sich hieraus ergebende Konfliktpotenzial beschreibt Theunissen folgendermaßen: "Einerseits soll ein Mitarbeiter im Sinne von Empowerment einen ‚Dienst am Nächsten' leisten beziehungsweise seinem Adressaten dienen (assistieren), andererseits hat er in dieser Funktion zugleich auch gesellschaftliche Interessen zu vertreten beziehungsweise dem Staatswesen oder einer subsidiären Instanz (Organisation, Wohlfahrtsverband, Institution) zu dienen. Damit steht er sowohl dem Betroffenen als auch Dritten gegenüber in [einer] Verantwortung, die es auszubalancieren und auch auszuhalten gilt" (a.a.O.).

  • Position innerhalb des doppelten Mandats

Die Interviewpartner/innen beziehen ausnahmslos Position auf der Seite ihrer Klientel. Inwiefern sich hier Grenzen ergeben, wird in der folgenden Unterkategorie dargestellt. Durch die Positionierung auf der Seite der Klientel können sich bei den Berater/innen der KoKoBe Konflikte mit dem Kostenträger ergeben. Berater/innen E und F (KoKoBe) sprechen in diesem Zusammenhang eine Problemstellung aufgrund der wesentlichen Behinderung an. Der Konflikt zeigt sich darin, dass die Berater/innen im Gegensatz zum LVR einen Hilfebedarf als gegeben sehen und an dieser Stelle bereit sind, sich auch über einen längeren Zeitraum hinweg mit dem LVR in eine streitbare Auseinandersetzung zu begeben. Dieser Konflikt kann beispielhaft als ein weiteres doppeltes Mandat auf der Seite des Kostenträgers beziehungsweise Leistungsträgers angesehen werden, welches die Berater/innen der KoKoBe (B, D, E, F) beschreiben. Zum einen haben sie durch die Beschreibung ihrer Stelle den Arbeitsauftrag (C, F), der Klientel die Hilfe zu ermöglichen, welche sie benötigt. Zum anderen haben sie ihre Vorgaben, allerdings erwähnen die Berater/innen (A, C -F) auch, dass der Finanzierungsträger sie in ihrer Arbeit über relativ viel Freiraum verfügen lässt, was auch Interviewpartner J anmerkt.

[...] das eine beinhaltet das andere. Auch die Vorgaben des Kostenträgers beinhalten ein doppeltes Mandat. Indem die Vorgabe, Menschen sollen die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Das zielt zwar auch darauf ab, Kosten einzusparen [...]. (B, Zn. 876ff)

Indem ich mich positioniere. Und zwar auf Seiten meiner Klienten, die ich berate. [...] In meinen Richtlinien steht "jeder soll die Hilfe erhalten, die er braucht". Das ist ein Arbeitsauftrag des LVR an mich. [...] (C, Zn. 795ff)

Da die Beratungsstellen von G und H ohne Finanzierungsträger arbeiten, stellt sich diese Frage nicht für sie. H spricht einen Spannungszustand an, der sich aus der Finanzierung durch Projekte für sie ergibt. Sie nennt als Beispiel Projekte, für die sie Finanzmittel beim Bundesgesundheitsministerium beantragt. Je nach politischer Ausrichtung der jeweiligen Regierung kann es sein, dass sie die Konzeption der Projekte an deren Interessen angleichen muss, was im Gegensatz zu den Interessen der Klienten der Beratungsstelle stehen kann, sodass es für sie dann einen Kompromiss zu finden gilt.

D. h., wenn wir beim Bundesgesundheitsministerium was beantragen, muss es eben in die derzeit wichtigen Ziele des Gesundheitsministeriums rein fallen und die können je nach politischer Ausrichtung alle vier Jahre wechseln. Und das ist schwierig, die Wünsche der Klienten immer auf das Förderkonzept eines Ministeriums abzustimmen. Das gelingt mir nicht immer so gut [...]. (H, Zn. 967ff)

Die beinahe ausschließliche Positionierung auf der Seite der Klientel innerhalb des doppelten Mandats und die sich daraus ergebende Konsequenz, dass für die Interviewpartner/innen kein doppeltes Mandat besteht, entspricht dem Anspruch des Empowerment-Konzepts, dass die "Grundorientierung an der Rechte-Perspektive, der Bedürfnis-und Interessenslage, sowie der Lebenszukunft der Betroffenen" (Theunissen, 2006c, S. 82) gegeben ist. Zwar werden auch Interessenskonflikte zwischen den Mandatsgebern genannt, die eingenommene Position wird dennoch beibehalten. Lediglich Interviewpartnerin H schildert eine Situation, welche ein Ausbalancieren erfordert.

  • Umgang mit Widersprüchen

Während Interviewpartner/innen A, C und G keinen Widerspruch sehen, da für sie ein doppeltes Mandat nicht besteht, verorten sich E, F, I und J wie auch schon in der vorherigen Unterkategorie auf der Seite der Klientel. In dieser Position sehen sie sich auch als Vermittler zwischen dem Menschen mit Behinderung und dem Finanzierungsträger (A, B, E, F, I).

[...] also eigentlich geht es. Das weiß der LVR auch, deswegen hat er ja auch die Sozialarbeiter oder Heilpädagogen eingestellt. Ist ja klar, dass wir nicht nur auf die Gelder gucken. Sondern dass wir ganz individuell einfach gucken, was braucht derjenige. Insofern sehe ich mich da schon als Vermittler. [...] (E, Zn. 868ff)

Die Parteinahme für die Klientel stößt an eine Grenze beziehungsweise stellt einen Widerspruch dar, wenn in der Beratung gewünscht wird, dass Unterstützung erbracht wird, welche nicht mit dem Arbeitsauftrag vereinbar ist (A, B, D, E, J). Beispielsweise wird bei der KoKoBe-Arbeit genannt, dass es zu einem Spannungszustand führen kann, wenn Widersprüche gegen den LVR formuliert werden sollen. Erörtert wird auch, in welchem Umfang die KoKoBe bei solchen Vorhaben unterstützt. J führt als Beispiel illegale Vorhaben im Sinne einer Täuschung an.

Es gab eine Diskussion z. B. in welchem Maße die KoKoBe bei Widerspruchsverfahren gegen den Kostenträger und so was mit berät oder nicht. [...] also wenn jetzt die KoKoBe quasi als für sich das Widerspruchsschreiben macht für die BeWo des Klienten, das wäre nicht okay. Aber dem Klienten helfen, [...]. Da ist ein gewisser Spannungszustand drin und da muss man in der einzelnen Situation immer wieder gucken, welche Rolle man dann einnimmt. [...] (B, Zn. 881ff)

Laut Interviewpartner/innen C, D, F und J ist der Rahmen der Beratung durch die zugrundeliegenden Richtlinien und die gesetzlichen Grundlagen für die Beantragung von Leistungen klar gesteckt, weshalb sich ein Widerspruch in der Arbeit weniger bemerkbar macht.

Als Einzelmeinungen geht zuerst Interviewpartner B auf eine Erweiterung des doppelten Mandats um die Position des eigenen KoKoBe-Trägers im Hintergrund ein. Zwar stellt er klar, dass die Vorgabe der Trägerneutralität gewahrt wird, nichts desto trotz hat der jeweilige Träger Interessen, die in gewisser Weise eine Rolle spielen. Des Weiteren stellt für ihn das doppelte Mandat einen Teil seiner beruflichen Identität dar.

H geht auf die in der vorherigen Unterkategorie dargestellte Finanzierung von Projekten ein. Sie erklärt, dass, wenn sie sich für die Bewilligung eines Projektes zu sehr von den Interessen ihrer Klientel entfernt, sie auf das Projekt und die Finanzierung verzichtet. Für I ergeben sich Widersprüche, weil sie bereit ist, die Vorgaben des Finanzierungsträgers, hier die Pflegeversicherung, nur soweit zu bedienen wie es erfordert wird und dabei ihrer Klientel so viele Freiräume als möglich zu erhalten bestrebt ist.

Während in der ersten Unterkategorie eine Positionsbestimmung auf der Seite der Klientel innerhalb des Mandats erfolgte und die Interessen der Finanzierungsträger weniger berücksichtigt wurden, verbleiben die Interviewpartner/innen in Bezug auf die Widersprüche weiterhin in ihrer Position, benennen aber Grenzen der Interessensvertretung. Diese Grenzen ergeben sich für sie allerdings nicht aufgrund von Vorgaben seitens der Träger, sondern aufgrund rechtlicher Gegebenheiten. Inwiefern die vermittelnde Rolle als eine Ausbalancierung zu verstehen ist, kann nicht klar differenziert werden, da nicht dargestellt wurde, inwiefern sich die Vermittlung einschränkend auf die Interessen und Ziele der Klientel auswirkt.

6.5.3 Kategorie 3: Die Beratungsstelle als Sparinstrument

Aufgrund der derzeitigen Finanzkrise wird eine Ambulantisierung der Wohnformen für Menschen mit Behinderung entschieden vorangetrieben. Neben dieser Einsparpolitik soll zugleich den Wünschen und Interessen der Menschen mit Behinderung entsprochen werden, die gesetzliche Verankerung stellt das im SGB IX dar. Als wichtigste Elemente werden gesehen: die Selbstbestimmung und das Recht auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 1), das Wunsch-und Wahlrecht der Leistungsberechtigten (§ 9) und die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55) gesehen (Kräling, 2006, S. 106). Doch es stellt sich die Frage, ob Menschen mit Behinderung eher als Einsparpotenzial wahrgenommen werden oder ob die Bereitstellung der Hilfen den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht werden soll, was auch dem Wesen des Empowerment-Konzepts entspräche. Theunissen weist auf die Problematik hin: "[...] dass es gleichfalls auf übergeordneter Ebene (Trägerorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Politik) einer Aufgeschlossenheit für Empowerment bedarf. Wenngleich sich derlei Tendenzen auf dem Gebiete der Behindertenpolitik (z. B. im SGB IX) und der Dienstleistungserbringer aus dem Lager der Behindertenhilfe allmählich abzeichnen, gibt es gleichzeitig auch politische Bestrebungen, finanzielle Ressourcen im Behindertenbereich zu beschneiden [...] Zynisch wird das Ganze an der Stelle, wo politische Aufgeschlossenheit gegenüber der Selbstbestimmung behinderter Menschen propagiert wird, die aber durch Kostenersparnis erkauft werden soll" (Theunissen, 2009, S. 96-97).

  • Sparinstrument der kommunalen und regionalen Behindertenpolitik

Dass ihre Beratungsstelle die Funktion eines Sparinstruments haben könnte, verneinen Interviewpartner/innen A, C, D, I und J. Im Gegensatz dazu F und G, welche ihre Beratungsstellen aus unterschiedlichen Gründen als solches ansehen. F bezieht sich auf die kostengünstigere ambulante Wohnform, während G ehrenamtlich für die Kommune Beratung anbietet.

Obwohl auf KoKoBe-Seite die Maßgabe "ambulant vor stationär", neben der Forderung von Menschen mit Behinderung und fachlicher Seite nach einem Zugewinn an Selbstbestimmung, von Seiten des LVR auch mit Sparplänen verknüpft ist, sehen die Berater/innen A, D und F diese Wohnform als Chance, den erwähnten Forderungen gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang stellen die Berater/innen klar, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Klientel Vorrang vor finanziellen Interessen des Finanzierungsträgers haben.

Als Einzelmeinung nennt H die Rolle der Ämter. Sie schildert wie Ämter Verantwortung abgeben wollen, indem der Beratungsstelle die unliebsame Aufgabe übertragen werden soll, Eltern mit Behinderung zu erklären, dass sie keinen Anspruch auf Hilfe haben. Sie kritisiert die Ämter dafür, die Beratungsstelle als kostenlosen Auftragsausführer zu sehen. Zudem bemängelt sie die hier offensichtlich werdenden Bedenken, Menschen mit Behinderung könnten nicht für das Wohl des Kindes sorgen, ohne das versucht würde, den Betroffenen Unterstützung zu ermöglichen.

Sehe ich mich jetzt persönlich gar nicht [...] gerade auch die ambulanten Betreuung, die ja eben viel günstiger ist, eine Möglichkeit ist. Aber dann auch nur deshalb, weil wir wirklich dann der Meinung sind, dass die Leute es einfach auch können. Und dass die das Potenzial dazu haben und dass einfach dann auch die bessere Wohnalternative ist. [...] (D, Zn. 921ff)

Ja, das sind wir natürlich. Wenn das ambulant betreute Wohnen im Schnitt nur die Hälfte kostet und wir das fördern, dann sind wir auch ein Instrument der Sparpolitik. Aber wenn wir gleichzeitig finden, dass ambulante Wohnformen sehr gute Wohnformen sein können und dass sehr spannende Wohnformen auch gerade entstehen durch diese Entwicklung, dann kann Sparen auch gut sein. [...] (F, Zn. 995ff)

Die Berater/innen beziehen eine klare Stellung, indem sie die Interessen und Wünsche ihrer Klientel über Einsparbestrebungen einordnen. Es kann also gefolgert werden, dass es an dieser Stelle gelungen ist, einen fairen Kompromiss zwischen der Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Behinderung und den Interessen der öffentlichen Haushalte zu finden.

  • Arbeitsweise entgegnet der Sparpolitik

Trotz des aktuellen Trends, vermehrt ambulante Wohnformen anzubieten und den Ausbau stationärer Wohnformen zurückzufahren, besteht die Gefahr, dass diese Leistungen lediglich für Menschen mit einem geringen Unterstützungsbedarf zur Verfügung stehen und Menschen mit einem höheren Unterstützungsbedarf von diesen Leistungen ausgeschlossen werden (Lindmeier, B., 2008, S. 149).

Auf die Frage, inwiefern die Berater/innen sich mit ihrer Arbeit der Sparpolitik entgegensetzen geben D, I und J an, sich auf die Bedürfnisse und Interessen ihrer Klientel zu konzentrieren. Die Umsetzung der individuellen Ziele ist vorrangig zur Sparpolitik. Sowohl von KoKoBe-als auch ZsL-Seite wird angemerkt, dass ambulante Wohnformen zwar billiger als stationäre sein können, dies aber nicht der Fall sein muss (C, F, I). Die Kosten für einen eigenen Haushalt, geführt mit persönlicher Assistenz, können bis zu 10 000 € monatlich betragen, also weitaus teurer als ein Heimplatz sein. Zudem ist auf KoKoBe-Seite noch nicht erwiesen, ob ambulant tatsächlich kostengünstiger als stationär sein wird (C), obwohl die KoKoBe auch zu diesem Zweck eingerichtet wurde und ein Teil der Sparpolitik ist (F).

Weiter wird von KoKoBe-Seite angemerkt, dass wenn die Interessen der Menschen mit Behinderung vereinbar sind, dies begrüßenswert sei (A) und dass die Sparpolitik einen positiven Effekt habe, da durch die Einsetzung der KoKoBe den Einrichtungen und Kostenträgern eine qualitative Verbesserung (siehe Kategorie 1 dieses Schlüsselkonzepts) entsteht (F).

Auf ZsL-Seite führen Interviewpartner/innen H und I an, dass sie durch ihre politische Arbeit in der Öffentlichkeit auf die Belange von Menschen mit Behinderung aufmerksam machen und somit einer Sparpolitik im Behindertenbereich entgegentreten. Als Einzelmeinung nennt G, dass sie sich durch ihre Beratungstätigkeit, ähnlich wie der erste hier aufgeführte Punkt in Richtung Selbstbestimmung und Assistenz, gegen eine Sparpolitik wendet, auch aufgrund der Trägerunabhängigkeit ihres Zentrums (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 70).

Das ist ja noch gar nicht entschieden, ob "ambulant vor stationär" spart. [...] der LVR schreibt ganz viel darüber, dass er spart. Aber man weiß es noch nicht so richtig. Weil man weiß ja auch nicht, wenn "ambulant vor stationär" auch Menschen mit einer intensiveren Behinderung betrifft, wenn die mit 14, 15 Fachleistungsstunden alleine wohnen [...]. (C, Zn. 822ff)

Natürlich auf politischer Ebene auch. Immer wieder zu sagen, da gibt es eine Gruppe, die fällt immer wieder hinten raus und die ist in den Gesetzesentwürfen nicht berücksichtigt [...]. (H, Zn, 1018ff)

Ja, indem wir so Argumente auch widerlegen, das eine ist besser, ambulant oder stationär, weil es vielleicht kostengünstiger ist. Also wir widersprechen den Sparargumenten, wenn es um Lebensqualität für behinderte Menschen geht. [...] (I, Zn. 1053ff)

Die Interviewpartner/innen stellen sich der Sparpolitik entgegen, wenn sie die zur Verfügung stehenden Leistungen für alle Berechtigten zugänglich machen wollen. Auf individueller Ebene insbesondere durch die Arbeit der ZsL. Auf politischer Ebene, da die Belange aller Betroffenen vertreten werden, welche vorrangig vor Einspargedanken gesehen werden.

  • Die Maßgabe "ambulant vor stationär" in der KoKoBe-Arbeit

Die Rolle der KoKoBe als Instrument des LVR, um die Maßgabe "ambulant vor stationär" umzusetzen, wird wie folgt dargestellt: "[...] vom LVR finanziert, der sich mit diesem Konzept nicht nur den Interessen Betroffener und einer modernen Behindertenarbeit verschrieben hat, sondern sich gleichfalls Einsparungen durch den Abbau einer Überversorgung im stationären Bereich erhofft. Ohne Zweifel ist das Konzept der KoKoBe´s vielversprechend und zukunftsweisend für die heutige Zeit" (Theunissen, 2006a, S. 197).

Die Interviewpartner/innen A, B, D und E beantworten Frage, ob die Maßgabe "ambulant vor stationär" als hinderlich in ihrer Arbeit gesehen wird, damit dass sie dies nicht so wahrnehmen. Viel mehr geben sie an, dass es keinen Zwang von Seiten des LVR gibt, ambulant zu wohnen (A, B, E, F). B und E merken an, dass zu Anfangszeiten der KoKoBe durchaus die Befürchtung bestand, kontrolliert zu werden, allerdings ist der Nachweis einer erfolgreichen Vermittlung in eine ambulante Wohnform dergestalt nicht möglich, da diese Vermittlungen nicht zwangsläufig über die KoKoBe laufen. Aufgrund der strukturellen Veränderungen in der Behindertenarbeit sind mittlerweile Rahmenbedingungen geschaffen worden, um individuelle Wohnformen zu ermöglichen (B, E, F). Folglich sehen die Berater/innen (A, B, C, F) jetzt die Chance gekommen, Wohnangebote passgenau für den Menschen mit Behinderung anzubieten. Dabei spielt es vorerst keine Rolle, welche Wohnform bevorzugt wird, die Interessen und Bedürfnisse des einzelnen stehen an erster Stelle. Dies kann auch bedeuten, wie bereits erwähnt, dass die Berater/innen bereit sind, in eine Auseinandersetzung mit dem LVR zu treten (A, F). Wobei A, C und E ambulante Wohnformen favorisieren, da ihrer Meinung nach im Vergleich zu stationären Wohnformen hier ein Mehr an Lebensqualität geboten wird. Dazu merken C und E an, dass eine Ambulantisierung des Wohnangebots für Menschen mit Behinderung aus fachlicher Sicht schon seit geraumer Zeit gefordert wurde.

Also, ich sehe mich nicht in der Aufgabe "ambulant vor stationär" umzusetzen, so. Ich sehe mich in der Aufgabe Menschen mit Behinderung aufzuzeigen, dass sie auch die Chance haben, ambulant zu wohnen. [...] dass ambulant wesentlich mehr Freiheiten ermöglicht als stationär. [...] Und wenn ich den Eindruck habe, ein Mensch mit Behinderung braucht einen stationäres Setting, dann wird das beantragt, so. [...] mich interessiert die Maßgabe "was möchte der Klient. Wie möchte er wohnen" [...]. (A, Zn. 1132ff)

Ich finde ja "ambulant vor stationär" richtig. [...] Und dieses Gießkannenprinzip "jeder kriegt gleich viel", das finde ich nicht in Ordnung. Das finde ich passt auch nicht mehr in unsere Zeit. Und ich finde diese Ansätze "jeder so viel Hilfe, wie er braucht", [...] den Fokus auf diese individuellen Hilfen und Wünsche zu richten. [...] Von daher bin ich da auch stimmig mit dem LVR. (C, Zn. 839ff)

Aus fachlicher Sicht ist das ja sowieso schon lange gefordert. Mehr ambulante Wohnformen, mehr selbstständige Wohnformen, mehr individuellere Wohnformen zu schaffen. Das ist ja einfach ganz lange nicht passiert, weil es die äußeren Rahmenbedingungen nicht gab. Jetzt gibt es die äußeren Rahmenbedingungen seitens der Kostenträger und ich glaube, das ist eine ganz tolle Chance [...]. (E, Zn. 920ff)

Die Aussagen erwecken den Eindruck, dass die Mitarbeiter/innen der KoKoBe die sich bietende Chance durch die Einrichtung ihrer Beratungsform nutzen, um ihre Klientel in der Umsetzung individueller Wohn- und Lebensformen zu unterstützen.

6.5.4 Kategorie 4: Ausblick

An dieser Stelle werden auf theoretische Aspekte oder fachspezifische Überlegungen verzichtet, da es sich um Perspektiven, Möglichkeiten, also eine Ideensammlung der Interviewpartner/innen handelt. Die Darstellung der jeweils relevanten theoretischen Aspekte wäre sicherlich interessant, führt an dieser Stelle allerdings zu weit. Inwiefern die genannten Herausforderungen, Schwerpunkte und Entwicklungen auch in der vorliegenden Fachliteratur thematisiert werden, wird anhand von Verweisen auf die entsprechende Literatur kenntlich gemacht. Einige Aspekte werden in der Zusammenfassung des Schlüsselkonzepts aufgegriffen.

  • Herausforderungen

Die von den Interviewpartner/innen dargestellten Herausforderungen beziehen sich mehrheitlich auf den Menschen mit Behinderung und dessen Lebensumfeld. Eine neue Herausforderung ist für C, F und I die Entwicklung weiterer alternativer Wohnformen mit und für ihre Klientel. Ihrer Meinung nach hat der Umbruch im Bereich Wohnen zwar begonnen, dennoch sehen sie viele Chancen, hier neue Ideen zu entwerfen (vgl. Schirbort & Göthling, 2006, S. 251). C stellt einen Bezug zu den knapp bemessenen öffentlichen Geldern her, für sie eine weitere Motivation, trotz dieser Ausgangslage adäquate Wohnmöglichkeiten zu finden. Ähnlich benennen I und J diese Herausforderung, indem sie trotz der Finanzlage die Unterstützung allgemein für Menschen mit Behinderung weiter sichern wollen. Die Inklusion des Menschen mit Behinderung ist für C, D und J ein Thema. Zwar ist auch hier ein Wandel bemerkbar, der Prozess ist jedoch nicht abgeschlossen (vgl. Fornefeld, 2008, S. 114). Zum einen sollen Menschen, welche bisher weniger Kontakt mit der Thematik haben, sich auseinandersetzen, zum anderen, sollen sich auch die Menschen mit Behinderung mehr der Gesellschaft öffnen, wie J anmerkt (vgl. Fornefeld, 2004, S. 22). H sieht in diesem Zusammenhang eine Entwicklung, die sie auch als Herausforderung versteht. Sie hat den Eindruck, dass viele junge Menschen mit Behinderung aufgrund der Tatsache selbst integriert zu sein, weniger motiviert sind, sich allgemein für die Belange von Menschen mit Behinderung einzusetzen und stattdessen eine ignorante Haltung entwickeln (vgl. Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 83).

Hier lassen sich thematisch zwei formulierte Herausforderungen von Berater/innen G und H anbringen. Zum einen die Thematik Behinderung und Elternschaft (vgl. Blochberger, 2008, S. 66ff). Der Zugang zu Unterstützungsleistungen soll laut H weiter vereinfacht werden, während G sich dafür einsetzen möchte, dass Kinder behinderter Eltern in Zukunft nicht wie bisher für die Pflege ihrer Eltern herangezogen werden (vgl. Blochberger, 2008, S. 69). Gleiches gilt für Partnerschaften. Ein Antrag zu einer Gesetzesänderung ist laut ihrer Aussage in Planung.

Als herausfordernd auf einer übergeordneten Ebene nennen D, F und J eine weitere Vernetzung der einzelnen Bereiche im Hilfesystem der Behindertenarbeit. Die Vernetzung bezieht sich auf den Bereich Wohnen (D), die Träger an sich (F) und die unterschiedlichen Gremien (J). Wobei J kritisch anmerkt, dass er in dieser Vernetzung auch die Herausforderung sieht, ein für ihn vertretbares Maß zu finden, in dem er kooperiert, ohne dabei die Ziele und Ideale seiner Beratungsstelle aufgeben zu müssen.

A beschreibt als Einzelmeinung eine Herausforderung, indem sie die KoKoBe mit sozial-psychiatrischen Zentren vergleicht und die Fragestellung formuliert, ob und inwiefern eine Zusammenarbeit stattfindet.

[...] anhand der Klienten, die wir beraten, Ideen zu haben, welche unterschiedlichen Wohnformen es zu dem Angebot, das es jetzt gibt, geben könnte. Und ich finde die Herausforderung, nach wie vor eben eine Inklusion [...]. (C, Zn. 853ff)

Und was, worauf wir alle hinarbeiten, die gesamte Selbstbestimmten-Bewegung ist das in der Partnerschaft. Dass dieses Gesetz geschafft wird. [...] wenn ich ein nicht behindertes Kind hätte, dass ich dafür Hilfen bekomme. Und wenn das Kind dann erwachsen ist, dass es dann nicht in die Pflicht gezogen wird, mich mit zu pflegen. (G, Zn. 1137ff)

Ich denke bei immer knapper werdenden Kassen. Immer noch behinderte Menschen zu unterstützen, weitestgehend die Hilfen, die sie bekommen, auch die sie brauchen, auch finanziert zu bekommen. [...] Die finanziellen Mittel sind immer geringer und da trotzdem noch möglichst viel für die Betroffenen auch rauszuholen. [...] (I, Zn. 1064ff)

  • Neue Schwerpunkte

Nicht alle Interviewpartner/innen gaben an dieser Stelle neue Themen an, sondern möchten bereits gesetzte Schwerpunkte, welche sich auch aus ihrem Arbeitsauftrag ergeben, fortführen (C, D, I), etwa im übergeordneten Sinn die Teilhabe an der Gesellschaft voran treiben. Hierunter fällt auch die von J genannte weitere Realisierung der Chancengleichheit. Den Ausbau und die Weiterentwicklung der Gemeinwesenarbeit möchten A, F und J weiter forcieren (vgl. Aselmeier, 2008, S 179). Dass die KoKoBe in Zukunft vermehrt Beratung zum persönlichen Budget (vgl. Johr, 2008, S. 248ff) anbieten wird, führen B und F an. Passend hierzu erwähnt D, dass sie aufgrund der Komplexität der KoKoBe-Arbeit ihren Schwerpunkt auf die Beratung legen möchte und bedauert, dass ihrer Meinung nach die Klientel Gefahr läuft, zu wenig Beratungszeit zur Verfügung zu haben. Als weitere Einzelmeinungen, welche insgesamt einen umfassenden Blick auf zukünftige Arbeitsinhalte zulassen, führen die Berater/innen verschiedene Punkte an: A kann sich vorstellen, trägerneutrale Freizeitangebote in ihrer Stadt zu etablieren, mit dem Hintergrund, dass trägerbezogene Angebote bisher lediglich für Menschen mit Behinderung zugänglich waren, wenn sie mit dem Träger Berührungspunkte haben. F möchte einen Schwerpunkt in der Entwicklung weiterer alternativer Wohn-oder Lebensprojekte neben den derzeit gängigen stationären und ambulanten Wohnformen setzen (vgl. Theunissen, 2009, S. 376ff). Detailliertere Angaben zu diesem Vorhaben macht sie nicht.

Auf der ZsL-Seite nennt Beraterin G, das sie sich zur Sexualberaterin für Frauen und Mädchen mit Behinderung ausbilden lassen möchte, um das Angebotsspektrum ihrer Beratungsstelle zu erweitern. H zeigt auf, dass es in ihrer Stadt keine ambulanten Angebote der örtlichen Träger für Eltern mit einer geistigen Behinderung gibt (vgl. Sanders, 2007, S. 90-91). Demnach möchte sie diese Angebotslücke schließen, um auch zu vermeiden, dass die betroffenen Mütter ihre Kinder gegen ihren Willen in Pflegefamilien geben müssen. Würden passende Hilfen gewährt werden, könnte das Kind zumindest bis zur Einschulung bei der Mutter leben, so H. Wie bereits in Schlüsselkonzept 1 dargestellt, hindert das deutsche Schulsystem derzeit aufgrund seiner Struktur die Inklusion von Kindern mit Behinderung, ein Zustand, den I ändern möchte und als ihren Schwerpunkt nennt.

Wir sind schon in so vielen Bereichen drin und es gibt irgendwie so viele Projekte. Wenn man jetzt dieses gesamte (Name der Stadt) KoKoBe-Team sieht. Das ist jetzt schon total schwierig zu sagen, was will man jetzt unbedingt Neues und anderes so machen. [...] Ich würde mir eigentlich wünschen, einfach eigentlich auch mehr Zeit zu haben für die eigentliche Arbeit. Beratung und Klienten und da weiter helfen und mal nicht so viel drum herum. [...] (D, Zn. 964ff)

Ich fände es weiter spannend, in dieser Landschaft neue Projekte mitgestalten zu können, Wohnprojekte, Lebensprojekte mitgestalten zu können. [...] Und ja, persönliches Budget, klar. Wird ein Thema werden. (F, Zn. 1071ff)

In (Name der Stadt) hier konkret auch Eltern mit Lernschwierigkeiten Hilfe anbieten zu können. Das heißt, dann tatsächlich einen Träger zu finden, der ambulant oder eben auch einem zum Teil stationäre Möglichkeiten bietet, wo gerade Werkstattmitarbeiterinnen, die eben nicht mehr in ihrem Wohnheim wohnen können mit dem Kind. Dass es sowohl ambulante Unterstützung gibt, aber für Menschen, die tatsächlich eben einen so hohen Hilfebedarf haben. Oder auch das Bedürfnis haben, nicht aus so einer beschützenden Einrichtung raus zu wollen, dass sie einen Platz finden können mit ihrem Kind zusammen. Und nicht deswegen, weil es diese Angebote nicht gibt, das Kind in eine Pflegefamilie, abgenommen bekommen. Weil freiwillig machen das die wenigsten. [...] (H, Zn. 1043ff)

  • Zukünftige Entwicklungen

Die Interviewpartner/innen der KoKoBe (A, C, D, E, F) erwarten eine strukturelle und inhaltliche Änderung in verschiedenen Bereichen aufgrund der Sparpolitik des Kostenträgers. Zum einen wird genannt, dass sich die Angebote im Bereich Wohnen differenzieren werden, beispielsweise dass das Betreute Wohnen weiter untergliedert wird, je nach dem individuellen Bedarf der Klientel (A, F), was mit einer individuellen Finanzierung, wie es bereits durch das Hilfeplanverfahren geschieht, einhergeht. Die strukturelle Änderung bezieht sich auch auf die Organisationsstruktur des LVR (D, E, F), hier werden Mutmaßungen geäußert, dass der LVR sich auflöst oder weiter unterteilt wird, was sich auf den Fortbestand der KoKoBe auswirken kann (A, B, E, F). In diesem Zusammenhang wird auch die zeitliche Befristung der KoKoBe bis 2010 angesprochen (vgl. Daun, 2008, S. 3). Hier sagen die Interviewpartner/innen, dass sie sich in ihrer Position recht sicher fühlen, da die neue Qualität, welche die KoKoBe liefert, sich in der Behindertenarbeit etabliert hat (B, D, E). Zum anderen gehen die Berater/innen (B, D) davon aus, dass sich die Arbeitsinhalte der KoKoBe selbst verändern und differenzieren werden, beispielsweise wie bereits angesprochen die Schwerpunktlegung auf das persönliche Budget.

A und F beziehen bei den anstehenden Entwicklungen konkret den Menschen mit Behinderung in ihre Überlegungen mit ein. Während A zu bedenken gibt, dass sich auch Menschen mit Behinderung als Protagonisten auf die Veränderungen einstellen müssen (vgl. Kräling, 2006, S. 109), hofft F, dass Menschen mit Behinderung aufgrund des Strukturwandels noch weit mehr die Möglichkeit haben, ihre persönlichen Wünsche und Ziele umzusetzen.

Es bedeutet aber auch für den Mensch mit Behinderung, dass er sich auf ein anderes Netzwerk einstellen muss. Auch das hat Chancen, auch das hat aber auch Risiken. (A, Zn. 1216f)

[...] dass wir auch einfach auch ausgeweitet werden. Und für andere Bereiche auch noch zuständig sind. [...] Und dann ist natürlich im Endeffekt die KoKoBe auch noch gar nicht so sicher. Weil es ja noch gar nicht so sicher ist, ob es den LVR noch dauerhaft geben wird. [...] Ja, und dann kann sich da auch wieder ganz viel ändern, konzeptionell [...]. (D, Zn. 977ff)

Ähnlich wie bei den Berater/innen der KoKoBe sprechen auch G und J den finanziellen Aspekt an. Während G von der Stadt die Beratungsstelle grundsätzlich finanziert haben möchte, stellt sich für J die Frage, inwiefern eine weitere Finanzierung durch die Stadt noch gegeben sein wird (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 74).

Die demografische Entwicklung wird von Berater/innen I und J angesprochen (vgl. Speck, 2008, S. 513-514; Theunissen, 2009, S. 415 ff.). Sie weisen darauf hin, dass in Zukunft auch viele Menschen mit Behinderung zu der Generation der Älteren gehören werden, die bedingt durch die unzähligen Morde an Menschen mit Behinderung während des Nationalsozialismus erst langsam wieder am Anwachsen ist (J). I stellt hier den Bezug zur Finanzierungsfrage und zur Ausgestaltung der Hilfen, konkret nennt sie die Barrierefreiheit, her.

H führt hier die bereits erwähnte UN-Konvention an und fragt sich, ob und wie sich die Lage der Menschen mit Behinderung dadurch verbessern wird (vgl. Theunissen, 2009, S. 52; Thönnes, 2008, S. 1). Sie geht davon aus, dass sich konkret bemerkbare Veränderungen erst nach einiger Zeit zeigen werden.

Ich bin gespannt, was die UN-Konvention bringt. Also, das wird schon nochmal so einen Schub geben. Aber dass der wirklich in der Praxis [...] für viele Menschen mit Behinderung wirklich konkrete Veränderungen bringt, das wird noch Jahre dauern und auch die Energie vieler Menschen mit Behinderung noch kosten. [...] (H, Zn. 1062)

Demografischer Wandel. Also dass halt immer mehr Leute auch aufgrund von Alterung, Behinderung, also mit Behinderung leben müssen und da natürlich sich auch eine Verschiebung innerhalb der Gesellschaft, [...] also auch an Kosten noch mehr Herausforderungen gibt. Und gleichzeitig aber auch mehr Anforderungen, denke ich, an Barrierefreiheit. Weil einfach auch eine größere Masse an Menschen da ist, die das braucht. Das wird aber so uns in der Zukunft denke ich nochmal mehr beschäftigen. Und einhergehend damit natürlich einfach alte behinderte Menschen in einer größeren Anzahl. (I, Zn. 1085ff)

6.5.5 Zusammenfassung des Schlüsselkonzepts

Die Qualität der Arbeit der Interviewpartner/innen lässt sich zusammenfassend als auf den Menschen mit Behinderung konzentriert darstellen. Während die ZsL schon auf ein längeres Bestehen zurückblicken, haben die KoKoBe eine vergleichsweise kurze Geschichte. Anhand der Darstellung der Interviewpartner/innen und der Fachliteratur wird deutlich, welche Bedeutsamkeit die Einrichtung einer Beratungsstelle für Menschen mit einer geistigen Behinderung hat, zumal sie es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Im Mittelpunkt der Arbeit steht der Mensch mit Behinderung, dessen Ziele und Interessen handlungsleitend sind. Insofern stellt sich hier die neue Qualität der Arbeit dar, da weder institutionelle, finanzielle oder anderweitige Interessen dominieren. Diese Personenzentrierung wird ermöglicht durch die Trägerneutralität und damit Unabhängigkeit beider Einrichtungsformen und die Tatsache, dass an die Beratung keine Leistungen oder Bewilligungen von Hilfen gekoppelt sind. An dieser Stelle bedarf es einer kurzen Anmerkung zu den Hilfeplankonferenzen. Zwar veranstalten und moderieren die KoKoBe die Hilfeplankonferenzen des LVR, die Bewilligung der Fachleistungsstunden obliegt jedoch dem LVR. Neben den qualitativen Verbesserungen für den Menschen mit Behinderung (Selbstbestimmung, Teilhabe, Realisierung der gewünschten Wohnform) sind einige Aspekte bezogen auf die neue Qualität für die Einrichtungen hervorzuheben. Zum einen wird genannt, dass aufgrund des anfänglichen Misstrauens gegenüber der KoKoBe eine Qualitätssteigerung der Arbeit der Einrichtungen erreicht wurde, da das Misstrauen eine kritische Selbstreflexion initiiert hat. Zum anderen, dass die KoKoBe (anzunehmen ist eher unbeabsichtigt) eine Kontrollinstanz für die Einrichtungen darstellt, etwa über das Hilfeplanverfahren und die Veranstaltungen der Hilfeplankonferenzen bei einem Wohnformwechsel. In diesem Zusammenhang gewinnen die regelmäßig stattfindenden Heimbeiratstreffen in der KoKoBe ebenfalls an Bedeutung. Beide Beratungsformen stellen durch die Bündelung der Kompetenzen und in der Funktion als Ansprechpartner einen deutlichen Qualitätsgewinn für die Einrichtungen dar. In welchem Umfang die Einrichtungen von diesem Angebot Gebrauch machen, ist nicht ersichtlich.

Im Hinblick auf die Kostenträger kann von einer qualitativen Verbesserung gesprochen werden, da gesetzlich verankerte Leistungen (SGB IX) umgesetzt werden. Zudem hat die die Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen eine entlastende Funktion für die Kostenträger. Die Leistungen werden (zum Teil kostenlos) delegiert und das Prozedere der Hilfegewährung verkürzt sich.

Die von den Interviewpartner/innen angeführten Gesichtspunkte zum doppelten Mandat und zur Beratungsstelle als Sparinstrument lassen sich auf die von Herriger beschriebenen Ebenen des Empowerment-Konzepts übertragen (vgl. Herriger, 2006, S. 14-18). Die politische Buchstabierung des Empowerments kann in der Arbeit der ZsL gesehen werden, indem sie sich politisch für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzen.

Eine lebensweltliche Buchstabierung, welche dem Handlungsfeld der Sozialen Arbeit entspricht, ist eindeutig gegeben. Sie schlägt sich in der Personenzentrierung des Arbeitsansatzes nieder, was die Interviewpartner/innen mittels ihrer Positionierung innerhalb des doppelten Mandats und ihrer Ablehnung gegenüber der Funktion als Sparinstrument aufzeigen. Ebenso trifft die transitive Definition des Empowerment-Konzepts auf die Arbeit der Berater/innen zu, erkennbar an den bereits genannten Positionierungen.

Im Hinblick auf die genannten Aspekte zu Herausforderungen, Schwerpunkten und Entwicklungen lassen sich mehrere Ebenen unterscheiden. Zuerst die individuelle Ebene, der Mensch mit Behinderung. Die Berater/innen sehen viele Möglichkeiten, weitere alternative Wohnformen zum stationären Wohnen mit den Menschen mit Behinderung zu entwickeln. Auf gesellschaftlicher Ebene wird eine klare Herausforderung gesehen, die Kluft zwischen Menschen mit Behinderung und der Gesellschaft zu überwinden und mehr Teilhabe zu ermöglichen. Eine Möglichkeit hierfür kann sicher im Ausbau gemeindenaher Wohnformen gesehen werden. Eine Optimierung der Unterstützungsleistungen im Sinne von einer weiteren Vernetzung wird auch genannt.

Als neue Schwerpunkte werden neben der weiteren Umsetzung der bisherigen Arbeitsinhalte der Ausbau der Gemeinwesenarbeit genannt. Dieser formulierte Schwerpunkt bedient mehrere Ansprüche. Alternative Wohnformen werden alltäglicher, eine Integration in das Lebensumfeld wird ermöglicht. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und somit mehr Präsenz der Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit kann unter positiven Bedingungen (vgl. Cloerkes, 2007, S. 105) zu einer sich mittlerweile im Prozess befindenden Einstellungsänderung von Seiten der Gesellschaft gegenüber dem Menschen mit Behinderung führen. Das Persönliche Budget, welches als weiterer (zukünftiger) Arbeitsschwerpunkt der Beratungsstellen hinzukommen kann (falls nicht schon geschehen), kann eine Chance sein, den Betroffenen mehr Selbstbestimmung und somit Lebensqualität zu ermöglichen, weiterführend wird hierauf in Kapitel 8.1 eingegangen.

Inwiefern sich die Politik das Fortbestehen der KoKoBe und der ZsL entscheidend beeinflussen kann wird bei der Frage nach den zukünftigen Entwicklungen genannt. Da beide Beratungsformen für eine moderne und zeitgemäße Behindertenarbeit stehen, wäre es wünschens-und begrüßenswert, diese Beratungsformen weiter im System der Behindertenarbeit zur Verfügung zu haben. Die zuletzt aufgeführten Punkte UN-Konvention und Menschen mit Behinderung im Alter werden an dieser Stelle nicht weiter vertieft, obwohl beide Themen im Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung der Behindertenarbeit, sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene, sehr wichtig und auch interessant sind.

7. Zusammenfassende Auswertung

Ausgehend von dem eingangs aufgezeigten Forschungsinteresse lassen sich verschiedene Ergebnisse zusammenfassen. Zuerst werden Bezüge zum Empowerment-Konzept hergestellt, wodurch nachvollziehbar wird, inwieweit sich das Konzept in der Beratungspraxis etabliert hat. In diesem Zusammenhang wird der Fokus auch auf die Selbstbetroffenheit der Interviewpartner/innen der ZsL gerichtet. Des Weiteren werden einige Aspekte aufgegriffen, welche sich aus der Auswertung ergeben haben und Einschränkungen bei der Anwendung des Empowerment-Konzepts in der Behindertenarbeit aufzeigen.

Als theoretische Grundlage des Empowerment-Konzepts wird die "Philosophie der Menschenstärken" nach Herriger (2006, S. 72ff) verwendet und ergänzend die "Konsequenzen für das professionelle Handeln" und die daraus abgeleiteten Leitlinien nach Theunissen (2009, S. 67ff).

7.1 Die Philosophie der Menschenstärken

An dieser Stelle treten einige Aspekte der einzelnen Schlüsselkonzepte, Kategorien und Zusammenfassungen erneut auf, also erfolgt lediglich ein kurzes Resümee der gewonnen Erkenntnisse, mit dem Ziel, einen Überblick über die tatsächliche Anwendung des Konzepts zu erhalten.

  1. Das Vertrauen in die Fähigkeit zu Selbstgestaltung und gelingendem Lebensmanagement

Handlungsleitend ist die Orientierung an den Ressourcen und Fähigkeiten der Klientel und das Vertrauen in die Fähigkeit, das Leben in eigener Regie zu gestalten (Herriger, 2006, S. 74). Die Interviewpartner/innen führen an dieser Stelle differenziert die personalen und sozialen Ressourcen ihrer Klientel an. Sie bemerken, dass die Ressourcen zwar verfügbar sind, aber regelmäßig als solche nicht erkannt werden und bieten eine Neubewertung an. Zudem bieten sie an, Ressourcen zu erschließen, falls erwünscht. Dieses Angebot ist insofern von Bedeutung, als dass sich insbesondere bei Menschen mit einer geistigen Behinderung die sozialen Ressourcen vermehrt auf das familiäre und institutionelle Setting beschränken. Die Ursachen hierfür wurden ausführlich in Schlüsselkonzept 1 Kategorie 1 dargestellt. Folglich entsprechen die Berater/innen dem Anspruch des Empowerment-Konzepts, Möglichkeiten zu bieten, sich eigene Erfahrungen und Stärken anzueignen. In diesem Zusammenhang erwähnen die Interviewpartner/innen, dass ihre Klientel über ein Spektrum an Fähigkeiten verfügt, beziehungsweise unterstellen diese. Hervorzuheben ist die Äußerung von Interviewpartner B, dass er die Lebenserfahrung als wichtige Ressource wertet.

  1. Die Akzeptanz von Eigen-Sinn und der Respekt vor unkonventionellen Lebensentwürfen

Eine voraussetzungslose Akzeptanz der Person des Klienten hat zur Konsequenz, sich auf "die konfliktbestimmten Lebens-und Selbstinterpretationen" (a.a.O., S. 75) einzulassen. Grenzen dieser Akzeptanz stellen selbst- und fremdschädigende Handlungen und Verhaltensweisen dar (a.a.O.). Die akzeptierende Grundhaltung der Berater/innen ist klar zu erkennen. Zum einen schreiben sie sich selbst diese Haltung zu. Zum anderen geben sie an, nicht in der Position zu sein, die Lebensvorstellungen ihrer Klientel zu bewerten. Sie respektieren die Ziele ihrer Klientel im Sinne der Selbstbestimmung, indem sie darauf verweisen, dass es sich nicht um ihre Ziele handelt und dass sie keine Ziele vorgeben möchten. Zudem erwähnen sie, dass die Ziele der Klientel begründbar sind und sehen es als ihre Aufgabe, diese Gründe nachzuvollziehen. Die Akzeptanz des Eigen-Sinns tritt deutlich hervor, indem dieser auch als Kompetenz und Ressource gesehen wird.

  1. Das Respektieren der ‚eigenen Wege' und der ‚eigenen Zeit' und der Verzicht auf strukturierte Hilfepläne und eng gefasste Zeithorizonte

Das Respektieren der eigenen Wege und der eigenen Zeit ist unerlässlich, da Empowerment-Prozesse eine vom Klienten ausgehende Eigendynamik entwickeln. Diametral dazu kann ein institutionelles Setting stehen, welches Zeitabläufe vorgibt. Weiter können die individuellen Zeit-und Zielvorstellungen mit einer ergebnisorientierten Haltung der Professionellen kollidieren (a.a.O., S. 76-77). Bezogen auf die Auswertung werden die eigenen Wege der Klientel respektiert. Die Berater/innen erkennen an, dass die eingeschlagenen Wege begründbar sind und dass das Gehen der eigenen Wege Lebens-und Selbsterfahrung bedeutet. Diese Erfahrungswerte wollen sie ihrer Klientel nicht vorenthalten. Die eigene Zeit wird auch im weitesten Sinne respektiert, erkennbar an den Äußerungen, dass die Berater/innen bestrebt sind, das eigene Tempo der Klientel und ihrer Systeme in Erfahrung zu bringen und dahingehend ihre Beratung auszurichten. Zudem wird angemerkt, dass die Beratungsstelle selbst eine Station auf dem eigenen Weg in eigener Zeit sein kann. Anhand der Auswertung wird auch deutlich, dass die Berater/innen bisweilen eine "personale Ungeduld" an sich bemerken, es gelingt ihnen aber, sich an dieser Stelle zurückzunehmen, sie berufen sich hierbei auf ihre Professionalität. Einschränkungen der eigenen Zeit werden vorgenommen, wenn es sich um die Beantragung von Leistungen handelt und Fristen einzuhalten sind. Die Interviewpartner/innen (ZsL) steuern hier, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, und nehmen nötigenfalls die Untätigkeit ihrer Klientel in Kauf.

Zwar werden von KoKoBe-Seite Hilfepläne erstellt, inwiefern sie eigene Wege und Zeiten beschneiden, lässt sich jedoch nicht darstellen. Zudem werden die in den KoKoBe erstellten Hilfepläne im an die Beratung anschließenden Hilfesystem umgesetzt, etwa dem Betreuten Wohnen.

  1. Der Verzicht auf entmündigende Expertenurteile über die Definition von Lebensproblemen, Problemlösungen und wünschenswerten Lebenszukünften

Dieser Anspruch bedeutet in der Konsequenz einer dem Empowerment-Konzept entsprechende professionellen Haltung, in der anstelle der entmündigenden Expertenurteile "das offene und machtgleiche Aushandeln von Lebensperspektiven" (a.a.O., S. 77) steht. Dies beinhaltet auch, Lebensentwürfe zu hinterfragen und kritisch zu reflektieren und dabei eine Balance zwischen individuellen Zielvorstellungen und eigenen Werthaltungen herzustellen, ohne die Integrität der Klientel in Frage zu stellen. Konkret schildern die Interviewpartner/innen hier die Vorgehensweise mit Klienten, welche ohne klare Perspektive die Beratung in Anspruch nehmen. Sie stellen dar, dass gemeinsam Perspektiven erarbeitet werden, um den Wünschen der Menschen mit Behinderung gerecht zu werden. Zudem weisen sie darauf hin, dass sie Rückmeldung geben, wenn sie der Meinung sind, dass bestimmte Vorstellungen oder Verhaltensweisen ihrer Klientel sich ungünstig auf das Beratungsziel auswirken können. Hier wird deutlich, dass die Rückmeldungen sich oft auf Interaktionen mit anderen Systemen beziehen. Als Beispiel wird eine unrealistische Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung genannt, was sich negativ auf die Bewilligung von Leistungen auswirken kann. Authentizität für das kritische Hinterfragen und Aushandeln der Lebensperspektiven wird auch durch das Peer-Counseling hergestellt. Die Menschen mit Behinderung fühlen sich durch die Selbstbetroffenheit des Gegenübers angenommen (vgl. Blochberger, 2008, S. 24), wobei das Peer-Counseling nicht bedeutet, dass die Berater/innen aufgrund ihrer Erfahrungen der Klientel Lösungswege vorschreiben.

  1. Die Orientierung an der Lebenszukunft des Klienten

Das Ziel dieser Orientierung lautet: "Die pädagogische Aufmerksamkeit gilt [...] der [...] Lebenszukunft und den Schritten, die in diese Zukunft hinein ein Mehr an Selbstbestimmung und produktivem Lebensmanagement möglich machen können" (Herriger, 2006, S. 78). Aspekte der Vergangenheit spielen nur in dem Maße eine Rolle, indem herausgestellt wird, welche Erfahrungen Ressourcen für die Gegenwart und Zukunft bergen. Alle Interviewpartner/innen geben an, den Fokus ihrer Beratungsarbeit auf die Gegenwart und Zukunft zu richten, da es auch ihrem Arbeitsauftrag entspricht, hier insbesondere die Ko-KoBe. Sicher erwähnen die Berater/innen auch, dass sich aufgrund eines Blicks in die Vergangenheit die derzeitige Situation erklären lässt und Ressourcen erkennbar werden, allerdings nur im Zusammenhang mit der formulierten Zieleperspektive. Die Methode der Biografiearbeit im Sinne von biografischem Lernen (a.a.O., S. 105ff) beinhaltet sowohl die Arbeit an der Vergangenheit als auch die Übertragung der Erkenntnisse in die Gegenwart und Zukunft. Dieses Vorgehen wird insbesondere bei älteren Menschen mit Behinderung als wichtig angesehen. Zudem erfährt diese Methode eine Einschränkung, da der Zeitraum der Beratung oft zu kurz ist, um in diese Thematik einzusteigen.

  1. Die Orientierung an einer "Rechte-Perspektive" und ein parteiliches Eintreten für Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit

In Bezug auf das Empowerment-Konzept werden Freiheitsrechte genannt, welche als Fundament der praxisethischen Sozialen Arbeit dienen. Konkret bedeutet dies eine streitbare und engagierte Parteilichkeit in der Verwirklichung dieser unveräußerlichen Teilhabe-, Wahl-und Entscheidungsrechte (a.a.O., S. 80). Dieser Anspruch wird in der Praxis auf drei Ebenen umgesetzt. Zuerst die Wahrung von Selbstbestimmungsrechten: Diese Rechte werden von den Interviewpartner/innen gewahrt, indem sie eine akzeptierende Grundhaltung einnehmen und das Prinzip des Rechts auf eigene Wege und Zeiten wahren. Sie respektieren individuelle Lebensentwürfe und unterstützen ihre Klientel, wenn sie an beispielsweise institutionelle oder behinderungsbedingte Grenzen stößt, indem Überlegungen angestellt werden, wie diese Hürden überwunden werden können. Das Eintreten für soziale Gerechtigkeit als zweite Ebene wird vornehmlich anhand der Arbeit der ZsL deutlich. Beispielsweise, indem sie sich für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einsetzen, etwa durch eine Forderung nach Barrierefreiheit. Auf der KoKoBe-Seite wäre an dieser Stelle zu nennen, dass die Berater/innen die Öffentlichkeits-und Gemeinwesenarbeit nutzen, um die Belange von Menschen mit Behinderung bekannt zu machen und zu vertreten. Die dritte Ebene umfasst das Einlösen von Rechten auf demokratische Partizipation, was der politischen Haltung und Arbeit der ZsL entspricht. Zwar werden die Aspekte der politischen Arbeit in den Interviews nur angedeutet, die Interviewpartner/innen verweisen aber auf die politischen Dimensionen, etwa dass sich die gesetzlichen Grundlagen zur Nachrangigkeit der Sozialhilfe entscheidend auf das Führen von Partnerschaften auswirkt und hier Änderungen angestrebt werden oder dass sich die Zentren dafür einsetzen, die spezifischen Belange von Menschen mit Behinderung in Gesetzesentwürfen zu berücksichtigen.

Zusätzlich zeigt sich das parteiliche Eintreten für Selbstbestimmung daran, dass sich die Berater/innen innerhalb des doppelten Mandats (vgl. Schlüsselkonzept 5, Kategorie 2) auf der Seite ihrer Klientel positionieren. Sie setzen sich also für die Ermöglichung von Selbstbestimmung ein und wenden sich zugleich gegen eine Sparpolitik, insofern sie die Selbstbestimmungsmöglichkeiten beschneidet.

In dieser kurzen Zusammenfassung können nicht alle Aspekte der Philosophie der Menschenstärken, welche die Interviewpartner/innen genannt haben, berücksichtigt werden. Trotzdem wird deutlich, dass diese Philosophie ihre Anwendung in der praktischen Arbeit findet und der professionellen Identität der Berater/innen entspricht. Als nächstes werden die von Theunissen formulierten Konsequenzen für das professionelle Handeln aufgezeigt und mit den Ergebnissen der Auswertung in Verbindung gebracht.

7.2 Konsequenzen für das professionelle Handeln

Die Konsequenzen für das professionelle Handeln werden in fünf Leitlinien (Zusammenarbeit, Stärken-Perspektive, Subjektzentrierung, Kontextorientierung, solidarische Professionalität und Parteinahme) aufgezeigt, welche sich aufeinander beziehen und einander bedingen. Da diese Leitlinien Parallelen zu der Philosophie der Menschenstärken aufweisen, werden an dieser Stelle lediglich drei Leitlinien dargestellt, welche die praktische Anwendung des Empowerment-Konzepts ergänzen. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Leitlinie "Zusammenarbeit" mit den von Herriger (2006, S. 223) formulierten Aspekten der Profile einer neuen professionellen Identität korrespondiert.

Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit beschreibt die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Berater/in und Klient/in, welche auf Gleichberechtigung ausgelegt und von drei Prinzipien geleitet wird (Simon, 1994 zit. in Theunissen, 2009, S. 67). Zuerst ist die geteilte Anerkennung der Dringlichkeit von Problemen zu nennen, mit denen sich der Klient konfrontiert sieht. Es ist an keiner Stelle zu erkennen, dass die Interviewpartner/innen die Probleme ihrer Klientel nicht ernst nehmen oder herabspielen würden. Das zweite Prinzip beschreibt eine gemeinsame Verpflichtung bezüglich der Problemlösungen auf einer größtmöglichen demokratischen Basis. Bemerkenswert bei diesem Prinzip ist, dass die Interviewpartner/innen bisweilen ihrer Klientel dieses Prinzip vorstellen. Sie schildern Situationen, in denen die Klientel erwartet, dass von der Beratungsstelle die Probleme gelöst werden und kein eigener Beitrag geleistet werden muss. Diese Haltung der Klientel widerspricht klar diesem Prinzip. An dieser Stelle kann darauf verwiesen werden, dass die Berater/innen den Umfang der Beratungsleistung umreißen, um unrealistischen Erwartungen zu begegnen. Als drittes Prinzip wird eine grundlegende Wertschätzung der menschlichen Würde beider Partner genannt, ungeachtet aller Merkmale (Schichtzugehörigkeit, Bildungsstatus usw.), welche einen Unterschied herausstellen könnten. Die Interviewpartner/innen geben zwar nicht explizit an, nach diesem Prinzip zu arbeiten. Aber da sie regelmäßig die Akzeptanz betonen, mit welcher sie ihrer Klientel begegnen, kann dies als Hinweis auf die Anwendung des Prinzips gewertet werden.

Diese Prinzipien stellen hohe Anforderungen an die Professionellen, zumal das bestehende Machtgefälle zwischen Berater/in und Klient/in in den seltensten Fällen vollständig aufgelöst werden kann. Aus dem Grund weist Theunissen darauf hin, dass diese "neue Kultur des Helfens" ideologiekritisch und realistisch zu reflektieren ist, auch aus Eigenschutz vor Burn-Out (a.a.O.). Die korrespondierenden Positionen der Berater/innen werden in Schlüsselkonzept 4, Kategorie 4 dargestellt, dem Stellenwert der Beziehungsgestaltung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sie weitgehend ihre Beziehungsgestaltung kritisch reflektieren und eine professionelle Haltung einnehmen.

Kontextorientierung

Die Kontextorientierung weist bedingt Parallelen zur "Orientierung an der Lebenszukunft" auf. Des Weiteren wird bei der Kontextorientierung darauf hingewiesen sowohl die Person als auch das Umfeld zu sehen (a.a.O., S. 70). Dies mag auf zunächst lapidar klingen, allerdings nimmt die Kontextorientierung eine neue Dimension an, betrachtet man die Lebenswirklichkeiten von Menschen insbesondere mit einer geistigen Behinderung. Aufgrund der Auswertung des Schlüsselkonzept 1 ist nachvollziehbar, dass sich das zu berücksichtigende Umfeld als ein recht enges und überschaubares erweist.

Bezugspersonen sind zumeist Familienmitglieder und die Mitarbeiter/innen der Wohn-und Arbeitsorte. Theunissen setzt diese Kontextorientierung mit einer lebensweltbezogenen Behindertenarbeit in Verbindung und formuliert (zit. nach Dörner, 2006) einen bürgerzentrierten Fokus. Ob sich diese Kontextorientierung nun auf das bestehende Umfeld bezieht oder eine Erweiterung des Umfelds angestrebt werden soll, ist nicht ersichtlich. In Bezug auf die Auswertung lässt sich zumindest feststellen, dass eine Gemeinwesenorientierung nicht bei allen Interviewpartner/innen gleich stark vorangetrieben wird, beziehungsweise wurde sie als neuer Schwerpunkt formuliert.

Solidarische Professionalität und Parteinahme

Da diese Leitlinie mit der "Orientierung an einer ‚Rechte-Perspektive' und einem parteilichen Eintreten für Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit" weitgehend korrespondiert, soll an dieser Stelle der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich Mitarbeiter/innen mit ihrer Klientel solidarisieren und sich gegen "herrschende Mächte, Verbände und Institutionen" (Theunissen, 2009, S. 71) stellen können, obwohl sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu diesen befinden. Theunissen bietet als Lösungsvorschlag die Bildung von Solidargemeinschaften oder Gewerkschaften an (a.a.O.). Für die ZsL kann die klare Aussage getroffen werden, dass eine Solidarisierung stattfindet, da die Zentren sich bundesweit zusammengeschlossen haben. Inwiefern auf der KoKoBe-Seite eine Solidarisierung über den Beratungsrahmen hinaus erfolgt, wird anschließend im Zusammenhang der Einschränkungen des Empowerment-Konzepts diskutiert.

7.3 Einschränkungen

Obwohl sich anhand des Bezugs zu den theoretischen Überlegungen zur Anwendung des Konzepts herausgestellt hat, dass eine Anwendung stattfindet, lassen sich einige Einschränkungen aufweisen, konkret die Beratungsdauer, das Unterstützungsmanagement, die solidarische Professionalität und Parteinahme und die Professionalität in Bezug auf Peer-Counseling

Zuerst die Beratungsdauer. In Bezug auf die eigenen Wege und die eigene Zeit wird von einigen Interviewpartner/innen angemerkt, dass die Beratungszeit der KoKoBe zu kurz sein kann, um diese Umwege in Erfahrung zu bringen (Schlüsselkonzept 2, Kategorie 3). Folglich stellt sich die Frage, in welchem Umfang das Empowerment-Konzept tatsächlich greifen kann, da eine Ermittlung des individuellen Rhythmus´ nur bedingt möglich ist. Die Berater/innen können Empowerment-Prozesse aufgreifen und weiterführen oder initiieren. Sie können eine Basis schaffen, welche es der Klientel ermöglicht, weiter im Sinne der Selbstbestimmung ihre Ziele zu verfolgen. Inwiefern weiterführende Unterstützungssysteme diesen Ansatz aufgreifen und in welcher Hinsicht die Klienten ein Interesse daran haben, ihre Ziele selbstbestimmt zu verfolgen, kann nicht ermittelt werden, da das Empowerment-Konzept auch von der Klientel abgelehnt werden kann (vgl. Herriger, 2006, S. 212). Dazu stellt sich die Frage, inwieweit das Beratungsangebot einen Rahmen bieten kann und inwieweit es dem Auftrag der Beratungsstelle entspricht, selbstbestimmtes Verhalten und Handeln im Sinne einer Kompetenzerweiterung zu vermitteln. Einen Hinweis auf diesen Rahmen geben die Interviewpartner/innen, indem sie das Beratungsangebot von einem Betreuungsverhältnis abgrenzen.

Das Unterstützungsmanagement als methodisches Instrument des Empowerment-Konzepts wird nicht vollständig in den Beratungsstellen umgesetzt (vgl. Zusammenfassung von Schlüsselkonzept 3). Zwar muss an dieser Stelle bemerkt werden, dass anhand der Interviews nicht ersichtlich ist, welches Ausmaß die einzelnen Beratungsanfragen haben. Das kann zur Folge haben, dass das Unterstützungsmanagement nicht bei allen Klienten in der beschriebenen Form angewandt werden kann. Bezogen auf die KoKoBe nimmt Theunissen (2006a, S. 222) ebenfalls diese Einschränkung vor. Eine Interviewpartnerin gibt an, dass das in der KoKoBe angewandte Unterstützungsmanagement nicht in dem Umfang der beschriebenen Methode entspricht. Sie ist dazu die einzige, welche die gestellte Frage mit der Methode in Verbindung bringt.

Die solidarische Professionalität und Parteinahme (vgl. Theunissen, 2009, S. 70-71) ist in Bezug auf die KoKoBe-Arbeit nur begrenzt bemerkbar. Es ist nicht ersichtlich, wie sehr sich die Berater/innen mit ihrer Klientel solidarisieren und hier den LVR grundlegend kritisieren. Es bedarf allerdings einer differenzierten Betrachtung. Die Interviewpartner/innen ergreifen einerseits klar und konsequent Partei für ihre Klientel in der Auseinandersetzung mit dem LVR. Konkret wird die Anerkennung der wesentlichen Behinderung (Abgrenzung zu Lernbehinderung und Doppeldiagnosen) und somit die Zuständigkeit des LVR genannt. Weiter wird angeführt, dass Differenzen entstehen können im Hinblick auf die Bewilligung von Fachleistungsstunden entstehen können, da hier die Sparpolitik des LVR bemerkbar wird. Diskutiert wird, wie weit die KoKoBe ihre Klientel bei Widerspruchsverfahren gegen den LVR unterstützen soll und darf. Als Standpunkt wird hierzu angeführt, dass die KoKoBe zwar unterstützen können, den Widerspruch zu formulieren, allerdings nicht mit Verwendung des Briefpapiers der Einrichtung. Zumal theoretisch der Anspruch an den LVR gerichtet werden kann, selbst den Menschen mit Behinderung im Widerspruchsverfahren zu unterstützen. Schließlich wird die Solidarität anhand der Positionierung innerhalb des doppelten Mandats (vgl. Schlüsselkonzept 5, Kategorie 2) unmissverständlich herausgestellt. Diese Anhaltspunkte sprechen für eine klare solidarische Professionalität und Parteinahme, welche im Rahmen der Beratung erfolgt. An dieser Stelle kommt die von Theunissen formulierte Bemerkung zum tragen, welche sich mit der Forderung nach Aufgeschlossenheit gegenüber dem Empowerment-Konzept auf übergeordneter (Träger-)Ebene befasst. Er weist auf die Gefahr hin, dass das Empowerment auch dazu missbraucht werden kann, unter dem Deckmantel der Ermöglichung der Selbstbestimmung die finanzielle Unterstützung für Menschen mit Behinderung zu kürzen (Theunissen, 2009, S. 97). Diese Bemerkung dient als Ausgangspunkt für die Überlegung, ob die Interessen des LVR eher in Richtung Sparpolitik oder moderner Behindertenarbeit gelagert sind oder ob der LVR beiden Positionen kompromisshaft gerecht wird. Käme man zu der Überzeugung, eine Sparpolitik dominiert die Vorgehensweise des LVR, so wäre an dieser Stelle zu fragen, inwiefern eine Parteinahme von Seiten der KoKoBe-Mitarbeiter/innen über ihre Beratungstätigkeit hinaus gefordert werden kann.

Die Frage der Professionalität bedarf in Bezug auf die ZsL besondere Beachtung. Während die Maßgabe zur Einstellung bei der KoKoBe ein abgeschlossenes Studium und Berufserfahrung ist, scheint bei den ZsL das einzige Kriterium die Selbstbetroffenheit zu sein, eine Ausbildung zum Peer-Counselor oder weitere Qualifikationen sind nicht zwingend notwendig (Blochberger, 2008, S. 28). Die Grenzen der Beratungsmethode diskutiert Blochberger ausführlich (vgl. a.a.O., S. 25ff), an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, wie auch schon in der Auswertung herausgearbeitet, dass eine reflektierte Selbstbetroffenheit der eigenen Behinderung die ideale Ausgangslage für Peer-Counseling darstellt (a.a.O., S. 28). In Bezug auf das Empowerment-Konzept gilt zu bedenken, dass Selbstbetroffenheit eine vorteilhafte Voraussetzung sein kann, aber kein Garant ist, im Sinne des Konzepts zu arbeiten. Beispielsweise, wenn eigene Lösungsvorschläge der Klientel (wohlwollend) vorgegeben werden oder aufgrund der Selbstbetroffenheit die Wahrung der professionellen Distanz schwierig werden kann. In der Auswertung werden zudem Schwierigkeiten genannt, wenn die berufliche und die private Ebene nicht klar getrennt werden wollen oder können.

Unabhängig von dem Bezug der Auswertung der Interviews auf das Empowerment-Konzept stellte der Abgleich der vorliegenden Fachliteratur mit den Aspekten und Problemstellungen aus der Praxis regelmäßig eine Herausforderung dar. Zwar behandeln wissenschaftliche Theorie und Praxis thematisch dieselben Inhalte, bisweilen jedoch von sehr unterschiedlichen Standpunkten aus. Eine Bezugnahme ist in manchen Fällen nur sehr schwer möglich, exemplarisch seien die Darstellung der Problematik innerhalb der WfbM, die sich ergebenden Schwierigkeiten der Beratungsbeziehung oder die gesellschaftliche Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung genannt. Dies hatte zur Folge, dass die theoretischen Bemerkungen bisweilen auf einer abstrakten und allgemeinen Ebene formuliert wurden und keine konkrete Verbindung zu den Aussagen der Interviewpartner/innen hergestellt werden konnte. Diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis wirft die Frage auf, welche Anforderungen man an die Theorie stellen kann. Handelt es sich um eine Instanz, welche auf übergeordneter Ebene Konstrukte für Problemstellungen und deren Lösungen entwirft, oder orientiert sich die Wissenschaft an der Praxis, um aufgrund von Befunden Theorien im Sinne von Handlungsanweisungen aufzustellen, welche tatsächlich anwendbar sind. Geht man von der zuletzt formulierten Anforderung aus, so kann aufgrund der vorliegenden Auswertung festgestellt werden, dass die wissenschaftliche Theorie nur marginal von den realexistierenden Problemlagen der Menschen mit Behinderung ausgeht. Die Theorie erweckt den Eindruck, nicht von Menschen auszugehen, wie es das Empowerment-Konzept fordert. Herriger greift diesen Sachverhalt auf und beschreibt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzept in Bezug auf die Praxis der Sozialen Arbeit. Er fasst zusammen, dass "der Abschied von einer expertokratischen Professionalität, die sich von der Vorstellung leiten lässt, soziale Probleme seien allein durch wissenschaftsbasierte soziale Technologien zu lösen" (Herriger, 2006, S. 11) sich als Konsens im wissenschaftlichen Diskurs entwickelt hat. Anstelle dieses technisch-instrumentellen Professionsverständnisses wird eine psychosoziale Praxis gefordert, "die sich von Mustern einer bevormundenden und expertendominierten Hilfe abwendet" und "die Gestaltung von Selbst und Umwelt zur Leitlinie der helfenden Arbeit macht" (a.a.O.). Es wäre wünschenswert, wenn sich diese Trendwende in den Theorien der Sozialen Arbeit weiter fortsetzt und in der Fachliteratur erkennbar wird, so dass eine Auseinandersetzung mit der Lebenswirklichkeit der Adressaten stattfindet kann.

8. Kritik und Perspektiven

Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse des empirischen Teils dieser Arbeit lassen sich weitere Handlungsperspektiven der Behindertenarbeit formulieren. Diese Perspektiven beziehen sich sowohl auf die Arbeit der Beratungsstellen als auch auf die Behindertenarbeit allgemein. Die Intention ist, aufgrund der Darstellung der allgemeinen Perspektiven weitere Spielräume zu eröffnen, welche sich als Konsequenz positiv auf die Beratungsarbeit auswirken können und das Empowerment-Konzept als professionellen Ansatz etablieren helfen. Die einzelnen Aspekte beziehen sich auf die individuelle, institutionelle und übergeordnete Ebene, welche sich gegenseitig beeinflussen und bedingen.

8.1 Das Persönliches Budget

Das Persönliche Budget wird hier vorgestellt, da es Thema und Bestandteil der Beratungstätigkeit ist (ZsL) und als neuer Schwerpunkt genannt wird (KoKoBe). Zudem beinhaltet das Persönliche Budget viele Aspekte und Handlungsmöglichkeiten, die sich mit den Leitgedanken des Empowerment-Konzepts in Verbindung bringen lassen. Zuerst werden nach einleitenden Bemerkungen die gesetzlichen Grundlagen beschrieben, anschließend, wie sich das Persönliche Budget in der Praxis anwenden lässt. Zusätzlich wird thematisiert, welche Rollen die professionellen Helfer spielen, wobei hier der Fokus auf die Beratungstätigkeit gerichtet ist. Es wäre zwar sicher interessant und würde die Chancen und Möglichkeiten des Persönlichen Budgets umfassend darstellen, ginge man auf die professionelle Rolle im Sinne einer Assistenz ein, da dies aber weniger mit der Beratungstätigkeit zusammenhängt, wird darauf verzichtet.

Menschen mit Behinderung sind aufgrund ihrer jeweiligen Einschränkungen auf Unterstützung angewiesen. Die Situation, in der sie sich befinden, wird als sozialpolitisches Dreieck (Nutzer, Leistungserbringer, Kostenträger) (Jähnert, 2005, S. 32) beschrieben und muss wohl nicht erwähnt werden, dass sich dieses Dreieck in der Praxis zu Ungunsten des Nutzers darstellt. Den von Behindertenbewegungen jahrelang geforderten Möglichkeiten nach mehr Selbstbestimmung und Teilhabe wurden durch die gesetzliche Verankerung des Persönlichen Budgets Rechnung getragen (Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 54). Als Konsequenz erhofft man sich eine Rollenverschiebung, indem der Mensch mit Behinderung zukünftig selbst entscheidet. Das Persönliche Budget bietet erstmals die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche Leistungen von welchem Anbieter in einem selbst definierten Umfang in Anspruch genommen werden (Jähnert, 2005, S. 32).

Das Persönliche Budget ist gesetzlich im SGB IX, § 17 (inklusive der Verfahrensvorschriften nach der Budgetverordnung) festgeschrieben und steht allen Menschen zu, die im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX behindert oder von einer Behinderung bedroht sind (Johr, 2008, S. 250). Seit 2004 sind trägerübergreifende Persönliche Budgets in der aktuellen Rechtsform im SGB IX verankert (Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 55). Seit 2008 besteht für Menschen mit Behinderung der Rechtsanspruch, sämtliche Leistungen zur Teilhabe (vgl. Johr, 2008, S. 251-252) in Form des Persönlichen Budgets zu erhalten (Cloerkes & Felkendorff, 2007, S. 55). Das Persönliche Budget stellt eine Ergänzung zu den bisherigen Dienst-und Sachleistungen dar, ist aber nicht als neue Leistungsform zu betrachten (Johr, 2008, S. 248). Anträge können unter anderem bei den gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger, bei Kranken-und Pflegekassen, Renten-und Unfallversicherungsträgern, Jugendhilfe-und Sozialhilfeträgern, sowie beim Integrationsamt und der Bundesagentur für Arbeit gestellt werden. In der Regel werden Geldleistungen ausgezahlt, im Einzelfall werden auch Gutscheine ausgegeben. Der individuelle Bedarf wird über ein Bedarfsfeststellungsverfahren und/oder in Budgetkonferenzen ermittelt. Nachdem die Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers geklärt ist, werden Zielvereinbarungen zwischen Budgetnehmer und Leistungsträger abgeschlossen, anschließend wird vom Leistungsträger ein rechtmittelfähiger Bescheid erstellt. Eine Erprobung des Persönlichen Budgets erfolgte in acht Modellregionen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2008, S. 8-13). Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass das Persönliche Budget die finanzielle Höhe der bisherigen Leistungen nicht übersteigen darf, was für Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf nachteilig sein kann (Schirbort & Göthling, 2006, S. 261).

Für den Nutzer bedeutet die Einführung konkret, für sich selbst zu entscheiden, in welcher Form das Persönliche Budget genutzt werden soll. Dies bedeutet, dass eine Bereitschaft von der Nutzerseite gegeben sein muss, sich mit rechtlichen und finanziellen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Die Nutzer/innen entscheiden sich beispielsweise, ob sie das Arbeitgebermodell (siehe 8.2 Persönliche Assistenz) wählen oder ob sie mit Dienstleistern (z. B. Assistenzanbieter) zusammen arbeiten wollen. Des Weiteren wählen sie den Dienstleister aus und entwerfen gemeinsam den Antrag aufgrund des erforderlichen Unterstützungsumfangs, um anschließend den Antrag bei der Behörde zu stellen (Jahncke-Latteck, Rösner & Weber, 2007, S. 87).

Die Nutzung des Persönlichen Budgets stellt in verschiedener Hinsicht eine Herausforderung dar. Frevert (2007, S. 37) formuliert folgende Aspekte:

  • -Die Ausgestaltung der Hilfen kann eine Herausforderung für den Menschen mit Behinderung darstellen. Es stellt sich die Frage, welche Hilfe in Anspruch genommen wird, inwiefern sie effektiv gestaltet werden kann und welche Alternativen sich bieten. Eine ideale Unterstützung für diese Überlegungen stellen unabhängige und neutrale Berater/innen dar.

  • Träger und Anbieter von ambulanten und stationären Dienstleistungen müssen sich im Klaren sein, dass sich die Rolle der Menschen mit Behinderung neu definieren wird. Sie werden als zahlende Kund/innen in Erscheinung treten, was für die Leistungsanbieter bedeutet, konkurrenzfähige Angebote und Modelle auf dem sich öffnenden Markt zu präsentieren.

  • Die Angebote der Leistungsträger müssen sich umorientieren, und zwar von einer "systemorientierten Sachleistung zur personenbezogenen Hilfe" (a.a.O.). Dies spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn mehrere Leistungsträger die Hilfen erbringen.

  • Von der Politik wird erhofft, dass die Umsetzung von Selbstbestimmung, Teilhabe und Chancengleichheit als neuer Kurs beibehalten wird und die geschaffenen Gesetze entsprechend umgesetzt werden. Dies bedeutet auch, dass die zuständigen Stellen in den jeweiligen Verwaltungen ihren Teil zu einer gelingenden Umsetzung beitragen.

Aufgrund der Trägerunabhängigkeit des Persönlichen Budgets bieten sich hier viele Chancen, um Selbstbestimmung und Empowerment zu ermöglichen (Johr, 2008, S. 260). Eine Nutzerbefragung hat ergeben, dass das Persönliche Budget positiv erlebt wird da ein höheres Maß an Selbstbestimmung und Selbstständigkeit besteht, dazu ein Mehr an Entscheidungsfreiheit und Verantwortungsübernahme und ein Zuwachs an Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten (Jahncke-Latteck, Rösner & Weber, 2007, S. 84; Lindmeier, B., 2008, S. 151). Die genannten Gesichtspunkte spiegeln die Inhalte des Empowerment-Konzepts wider.

Inwiefern das Persönliche Budget eine Rolle bei den vorgestellten Beratungsformen spielt, wird im Folgenden aufgezeigt. Zuerst die ZsL. Sie sind aufgrund ihrer Trägerneutralität und der Personenzentrierung ihres Arbeitsauftrags ideal, um Budgetberatung (Johr, 2008, S. 260) anzubieten. Zusätzlich stellt der Faktor des Peer-Counselings einen sehr großen Vorteil für eine effektive Beratung dar (Jähnert, 2005, S. 33), dies auch, weil die Berater/innen selbst ebenfalls Budgetnehmer sein können.

Eine Budgetberatung könnte auch im Aufgabenspektrum der KoKoBe enthalten sein, wie auch die Interviewpartner/innen in Schlüsselkonzept 5, Kategorie 4 anführen. Allerdings bedarf es bei der Nutzung des Persönlichen Budgets von Menschen mit einer geistigen Behinderung zusätzlicher Überlegungen. Die Verwaltung der zur Verfügung stehenden Gelder kann ein Bereich sein, welcher Unterstützung bedarf (Kräling, 2006, S. 111), da die Gefahr des Missbrauchs durch Zweckentfremdung -etwa durch Personen aus dem Umfeld -bestehen könnte (Schirbort & Göthling, 2006, S. 260). Dazu wird eine Kontrolle der Budgetassistenten (vgl. ForseA, 2009; Johr, 2008, S. 261ff) gefordert, welche garantieren soll, dass die Leistungen tatsächlich die Lebensqualität verbessern und die Nutzer mit einer geistigen Behinderung nicht eine erneute Bevormundung erfahren (Schirbort & Göthling, 2006, S. 264). Die Aufgaben einer Beratung für Menschen mit geistiger Behinderung, das Persönliche Budget betreffend, beinhalten nach Frevert (2006, zit. in Theunissen, 2009, S. 107-108; vgl. auch Schönwiese, 2003, o. S.) folgende Punkte:

  • Allgemeines Vermitteln, Beraten und Begleiten

  • Erfragen, welche Hilfen organisiert werden müssen

  • Ideen und Ratschläge

  • Sicherheit für die behinderte Person im Hintergrund

  • Komplexe Abläufe strukturieren

  • Aktivitäten im Leben der behinderten Person unterstützen

  • An Termine erinnern

  • Beim Schriftverkehr mit Behörden unterstützen

  • Die Unterstützung bei der Geldeinteilung

Diese Aufgaben können in die KoKoBe-Arbeit integriert werden, wenn sie nicht schon bereits Bestandteil der allgemeinen Beratung sind. Es wäre auch denkbar, dass bestimmte Aufgaben eher in den Bereich der Budgetassistenten fallen und über den Beratungsrahmen hinausgehen. Da das Persönliche Budget sich auf sämtliche Lebensbereiche bezieht, kommt hier die KoKoBe-Arbeit im Sinne der Koordination und Vernetzung zum Tragen. Demnach kann also festgehalten werden, dass die KoKoBe initiierend zum Persönlichen Budget beraten können und ihr weiteres Aufgabenspektrum zu einer erfolgreichen Nutzung des Persönlichen Budgets beiträgt. Etwa, dass einzelne Leistungsangebote trägerneutral bei der KoKoBe in Erfahrung gebracht werden können und die KoKoBe eine Schnittstellenfunktion hat (vgl. Johr, 2008, S. 261). Dies gilt um so mehr, da Handlungsbedarf besteht: "Der Wissensstand bei Leistungsträgern und ihren jeweils vor Ort zuständigen Mitarbeitern ist hier sowohl was die konkrete Handhabung [...] angeht, als auch in Bezug auf die Zielsetzung des SGB IX im Allgemeinen und der Leistungsform des Persönlichen Budgets im Besonderen, häufig noch nicht ausreichend gesichert" (Johr, 2008, S. 258-259). Das Persönliche Budget erweist sich als recht umfangreiches und differenziertes Themengebiet und es stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit Behinderung dar.

Im Zuge dieser Arbeit sollten lediglich einige Aspekte dargestellt werden, welche im Zusammenhang mit den vorgestellten Beratungsformen stehen.

8.2 Persönliche Assistenz

Die persönliche Assistenz ist neben dem Persönlichen Budget ein Handlungsinstrument, um einen möglichst selbstbestimmten Lebensstil zu realisieren. Die Beratung zur persönlichen Assistenz ist Bestandteil des Angebotsspektrums der ZsL (ZsL Köln, 2009). Die persönliche Assistenz stellt Anforderungen an die Nutzer/innen, welche als nachstehende Kompetenzen bezeichnet werden (Lindmeier, B., 2008, S. 143):

  • Finanzkompetenz: Wofür werden welche Mittel verwendet

  • Personalkompetenz: Wer leistet die Assistenz

  • Organisationskompetenz: Wann wird die Assistenz geleistet

  • Anleitungskompetenz: Wie wird die Assistenz geleistet

Die Menschen mit Behinderung entscheiden, ob sie die persönliche Assistenz im Rahmen des Arbeitgebermodells nutzen, oder ob sie sich für Assistenzorganisationen (Assistenzgenossenschaften und -Vereine) entscheiden. Das Arbeitgebermodell bedeutet, dass "die Assistenten vom Assistenznehmer selbst ausgewählt, eingestellt, angeleitet und bezahlt werden" (a.a.O.), was aber auch als bedrohlich erlebt werden kann, insbesondere wenn die Betroffenen auf eine so genannte Heimkarriere zurückblicken (siehe Schlüsselkonzept 1, Kategorie 2). Der Verwaltungsaufwand dieses Modells ist recht hoch und fordert die oben beschriebenen Kompetenzen (Lindmeier, B., 2008, S. 145). Entlastend können also die Assistenzorganisationen sein. Sie übernehmen als zentrale Funktion die Einstellung der Assistenten, welche nach wie vor von den Nutzer/innen gewählt werden. Dies bedeutet für die einzelnen Kompetenzen, dass die Finanzkompetenz und teilweise die Personalkompetenz abgegeben werden, während die Organisationskompetenz und die Anleitungskompetenz vom Assistenznehmer weiterhin ausgeführt werden (a.a.O.). Die Zusammenarbeit mit den Assistenzorganisationen fällt auch in den Tätigkeitsbereich der ZsL, was anhand der Interviews deutlich wird.

Nachdem sich dieses Modell zunehmend für Menschen mit einer Körper-und/oder Sinnesbehinderung etabliert, stellt sich die Frage, inwieweit Menschen mit einer geistigen Behinderung die Rolle der Assistenznehmer übernehmen können, auch in Verbindung mit dem persönlichen Budget. Tatsache ist, dass diese Modelle Menschen mit einer geistigen Behinderung vorenthalten werden, unter anderem mit der Begründung, dass etwa die Finanzkompetenz eine Überforderung darstellen kann (Schirbort & Göthling, 2006, S. 263, Theunissen, 2009, S. 74). Dazu stellt die Abkehr eines versorgenden Denkens für den Menschen mit Behinderung ein großes Problem innerhalb der Behindertenarbeit dar, was sich auch gegen die Grundaussagen des Empowerment-Konzepts wendet (Theunissen, 2009, S. 73). Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken bietet die Budgetassistenz, zudem verweist Göthling auf die Notwendigkeit, sowohl Menschen mit einer geistigen Behinderung als auch die Personen aus dem Umfeld zu schulen, einschließlich dem begleitenden Fachpersonal von Einrichtungen (Schirbort & Göthling, 2006, S. 263). Mit Blick auf die Ermöglichung von persönlicher Assistenz für Menschen mit einer geistigen Behinderung muss in Betracht gezogen werden, dass die Ausgangslagen, um dieses Modell in Anspruch zu nehmen, oft aufgrund der defizitären institutionellen Begleitung mit Schwierigkeiten verknüpft sein können. Es können beispielsweise Verhaltensauffälligkeiten aufgrund von Missbrauchserfahrungen gezeigt werden. Erschwerend kommen Verhaltensweisen aufgrund von erlernter Hilflosigkeit oder Bedürfnislosigkeit hinzu (Theunissen, 2009, S. 74), welche es den Betroffenen ungleich schwerer machen, Bedürfnisse, Ziele und Interessen für sich zu formulieren und umzusetzen. Dies ist auch aufgrund einer negativen Selbstwahrnehmung infolge von Überbehütung und Bevormundung erklärbar (a.a.O.). Um im Sinne der Selbstbestimmung und des Empowerment-Konzepts assistierend zu begleiten, hat Theunissen (2009, S. 77ff) acht Formen der Assistenz formuliert, die hier kurz vorgestellt werden:

  1. Dialogische Assistenz: Sie stellt die Basis dar und fließt in die anderen Assistenzformen mit ein. Sie dient der Befriedigung sozialer und emotionaler Grundbedürfnisse. Insbesondere im Hinblick auf Menschen mit schweren Beeinträchtigungen bedarf es hier einer personalen Begleitung, wenn kommunikative Kompetenzen dieser Personengruppe erschlossen werden sollen.

  2. Lebenspraktische Assistenz: Sie bezieht sich auf Alltagssituationen und wird gleichermaßen auch von Menschen mit Körper-und Sinnesbehinderungen eingefordert.

  3. Advokatorische Assistenz: Die Ausgangslage für diese Assistenz erklärt Theunissen so: "nicht wenige Menschen mit Lernschwierigkeiten haben Schwierigkeiten, ihre Situation oder Lebensperspektive zu überschauen, zu antizipieren..." (Theunissen, 2009, S. 77). Die professionelle Rolle gestaltet sich in einer Fürsprecherfunktion, es wird individuelle Übersetzungs- und Mitteilungshilfe geleistet.

  4. Sozialintegrierende Assistenz: Hier soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich in einem sozialen Gefüge zu erleben. Konkret bedeutet dies die Vermittlung von sozialen Regeln, das Anbieten der Erweiterung sozialer und kommunikativer Kompetenzen und die Ermöglichung von gesellschaftlicher Teilhabe.

  5. Konsultative Assistenz: Sie bedeutet das gemeinsame Beraten und Entwerfen von Lebensperspektiven und Zielen mit dem Schwerpunkt auf möglichst viel Eigenleistung des Menschen mit Behinderung bei der Entwicklung der Möglichkeiten.

  6. Faciliatorische Assistenz: Als Ergänzung zu den anderen Assistenzformen werden hier anhand eines (pädagogischen) Settings "eine Vielfalt lebensbedeutsamer (Wahl-) Angebote [...] oder stimulierender (Lern)Situationen [...] zu einem individuell bedeutsamen Lern-und Entwicklungsprozess" (Theunissen, 2009, S. 78) ermöglicht. Hier können Kompetenzen im Sinne einer Vorbereitung vermittelt werden.

  7. Lernzielorientierte Assistenz: In Übereinkunft mit dem Menschen mit Behinderung werden strukturierte Hilfen oder eine systematische Unterstützung angeboten, um spezifische Kompetenzen und Fertigkeiten zu erwerben.

  8. Intervenierende Assistenz: Im Umgang mit kritischen Situationen oder Verhaltensauffälligkeiten bedarf es der Intervention. Sie versteht sich als vermittelnde Unterstützungsform und achtet dabei grundsätzlich das Autonomiebedürfnis des Menschen mit Behinderung.

Sowohl die Vermittlung beziehungsweise Unterstützung bei den genannten Kompetenzen als auch die Anwendung der Assistenzformen verorten sich vornehmlich nicht in einem Beratungssetting, sondern eher im Bereich der ambulanten und stationären Wohnformen, wobei sich hier die Frage stellt, inwiefern insbesondere die Kompetenzen vermittelt werden können, wenn der/die Betroffene in einem familiären Umfeld lebt. Abschließend kann also bemerkt werden, dass die Ermöglichung von Assistenz für Menschen mit einer geistigen Behinderung durchaus realisierbar ist, auch wenn hierbei vermehrt unterstützende und assistierende Leistungen zu erbringen sind, also eine Abkehr von den derzeit gängigen versorgenden Leistungen vorliegt. Die Nutzung des persönlichen Budgets und der persönlichen Assistenz stellt eine Neuorientierung innerhalb der Behindertenarbeit dar, was zugleich eine Neudefinition des beruflichen Selbstverständnisses bedeutet. Trotz der an Selbstbestimmung und Integration orientierten beruflichen Haltung entspricht es nach wie vor der Realität, dass es Menschen mit einer geistigen Behinderung nicht zugestanden wird, ein Leben in einem weitgehend eigenverantwortlichen Maß zu führen. Insbesondere im Bereich des stationären Wohnens sollte die Arbeitshaltung sich danach richten, den Menschen mit Behinderung auf eine möglichst eigenständige Lebensführung vorzubereiten beziehungsweise ihn/sie dabei zu begleiten. Die Frage, inwiefern in diesem Setting die Grundsätze des Empowerment-Konzepts umgesetzt werden können stellt sicherlich eine interessante Herausforderung dar.

8.3 Peer-Counseling

Das Peer-Counseling stellt eine effektive und personenzentrierte Methode der Beratungsstrategien dar und bietet viel Raum für Empowerment-Prozesse. Zwei Aspekte des Peer-Counselings, die sich aufgrund der Auswertung ergeben haben, sollen hier aufgegriffen werden.

8.3.1 Peer Counseling und professionelle Soziale Arbeit

Laut Blochberger (2008, S. 27) werden an das Peer-Counseling der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung ähnliche Qualitätskriterien gestellt, wie an andere Beratungsmethoden der psychosozialen Arbeit. Bezogen auf die ZsL weisen die Berater/innen unterschiedliche Qualifikationen vor, wobei anzumerken ist, dass an die Ausbildung zum Peer-Counselor keine vorherige berufliche Qualifikation gebunden ist, da davon ausgegangen wird, dass Kompetenzen aufgrund einer reflektierten Auseinandersetzung mit der Behinderung vorhanden sind (a.a.O.). Demnach finden sich in diesem Arbeitsfeld Berater/innen:

  • ohne jegliche Ausbildung

  • mit der Ausbildung zum Peer-Counselor

  • mit einem abgeschlossenen Studium

  • mit Studium und Ausbildung zum Peer-Counselor

Studien oder Untersuchungen zu diesem Sachverhalt existieren nicht (Blochberger, 2008, S. 27-28). Hervorgehoben wird, dass die Kombination aus Studium und Peer-Counselor-Ausbildung eine Möglichkeit darstellt, einen besonderen Zugang zu den Ratsuchenden zu erschließen (Wienstroer, 1999, zit. in Blochberger, 2008, S. 28). Weiter merkt Blochberger an, dass Berater/innen mit einer Behinderung in anderen sozialen Beratungssettings angesehen sind (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 70), stellt aber zugleich kritisch fest, dass die Behinderung die Beratungsqualität schmälern kann. Konkret fordert sie eine reflektierte Selbstbetroffenheit (a.a.O.). Folglich kann behauptet und auch festgestellt werden, dass ein einschlägiges Studium und die Ausbildung zum Peer-Counselor in Verbindung mit einer reflektierten Selbstbetroffenheit die idealen Bedingungen für eine gelingende Beratungstätigkeit nach dem Empowerment-Konzept darstellen (vgl. Miles-Paul, 1992, S. 70), wie sich auch anhand Blochbergers Evaluation eines Peer-Counseling-Angebots mit professionellem Hintergrund zeigt (vgl. Blochberger, 2008). Dies gilt sowohl im Rahmen der ZsL, da hier auch ein Mangel an Fachkräften beklagt wird (Miles-Paul, 1992, S. 71), als auch in anderen Bereichen der Sozialen Arbeit, beispielsweise in den KoKoBe. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung von Speck: "Pädagogische Theorien über Menschen mit Behinderung stammen im Allgemeinen von Nichtbehinderten Theoretikern" (2008, S. 109). Zwar haben die praxisorientierte Methode Peer-Counseling und Theorien über Menschen mit Behinderung auf den ersten Blick nicht sehr viel gemein. Die Intention ist aber, auch im theoretischen Bereich die Potenziale einer reflektierten Selbstbetroffenheit zu nutzen, was sich sicherlich auch positiv auf die bestehende Kluft zwischen Theorie und Praxis auswirken würde. Zwar gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen zu sozialen Themen von Akademikern mit Behinderung, die Disability Studies (vgl. Blochberger, 2008, S. 14ff; Fornefeld, 2008, S. 62ff; Markowetz, 2007a, S. 238), dennoch wäre es wünschenswert und eine Bereicherung für die Behindertenarbeit, würden sich verstärkt Menschen mit Behinderung (kritisch) äußern.

8.3.2 Peer-Counseling und Menschen mit einer geistigen Behinderung

In der Auswertung sind mehrere Aspekte zu Peer-Counseling und geistiger Behinderung aufgeführt. Zuerst wird auf eine Veranstaltung einer KoKoBe hingewiesen, welche sich mit dem Betreuten Wohnen befasst. Dann werden die regelmäßig stattfindenden Heimbeiratstreffen genannt, eine Möglichkeit sich auszutauschen und zu reflektieren. Im weiteren Sinn können die Freizeitangebote auch als sich bietende, allerdings unstrukturierte, Möglichkeit gesehen werden. Ferner findet eine Art Peer-Counseling statt, indem betroffenen Eltern ein Elternkreis angeboten wird. Alle diese Ansätze entsprechen zwar nicht dem Peer-Counseling, wie es bei den ZsL angeboten wird, und es findet auch keine Schulung statt, dennoch ist der Aspekt der Selbstbetroffenheit gegeben.

An dieser Stelle werden Forderungen nach Peer-Counseling für Menschen mit einer geistigen Behinderung aufgegriffen. Stefan Göthling, der Geschäftsführer vom Netzwerk People First Deutschland e.V., fordert die Etablierung des Peer-Counselings für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Seine Argumente beziehen sich auf die Selbstbetroffenheit und die Glaubwürdigkeit. Das Spektrum der Erfahrungen ist ähnlich und aufgrund des Sichverstandenfühlens besteht eine höhere Bereitschaft, sich auf Problemlösungsprozesse einzulassen (Schirbort & Göthling, 2006, S. 253-254). Dass die KoKoBe ein Ort für das Anbieten von Peer-Counseling sein können, wird von Theunissen (2009, S. 404) und Aselmeier (2005, S. 6) vertreten. Als Begründung wird genannt, dass ein Arbeitsschwerpunkt der KoKoBe die Ermöglichung von Kontakt ist (a.a.O.), welcher auch im Rahmen von Peer-Counseling stattfinden kann. Die Etablierung von Peer-Counseling im Rahmen der KoKoBe-Arbeit wäre auch aufgrund der Trägerneutralität von Vorteil. Göthling schildert in Bezug auf Peer-Counseling und Einrichtungen, dass es eine Schwierigkeit darstellt, in die Einrichtungen hinein zu kommen, da noch kein Umdenken sattgefunden habe (Schirbort & Göthling, 2006, S. 253). Auf die Frage nach dem Peer-Counseling-Angebot antworteten die Mitarbeiter/innen der KoKoBe zum Teil, dass sie bereit wären, Peer-Counseling zu unterstützen, falls von der Klientel gewünscht. Hierbei muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass davon ausgegangen werden kann, dass viele Menschen mit einer geistigen Behinderung, insbesondere wenn sie in Wohneinrichtungen leben, wahrscheinlich nicht genug Kenntnis von dieser Option und dieser Methode haben, um sie einzufordern. Vergleichsweise dienen hierzu die Äußerungen von Göthling, in denen er die Arbeit von People First in Bezug auf die Wohneinrichtungen beschreibt. Darin wird der Arbeit (beispielsweise Heimbeiratsschulungen oder Weiterbildungen für die Mitarbeiter/innen) des Vereins viel Bereitschaft entgegengebracht, er schildert aber auch Erfahrungen, dass Einrichtungen sich gegen People First stellen (Göthling, Schirbort & Theunissen, 2006, S. 561).

Die in Schlüsselkonzept 4, Kategorie 5 genannten Einschränkungen (Komplexität der Sachverhalte) bei Peer-Counseling und Menschen mit einer geistigen Behinderung bedürfen sicher auch einer Berücksichtigung. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern diese Einschränkungen überwunden werden können, etwa durch den Einsatz geeigneter Methoden, beispielsweise der Leichte Sprachen oder, wie vorgeschlagen, das Splitting des Themas.

8.4 Gemeinwesenorientierung

Aufgrund der Aussagen der Interviewpartner/innen, dass die Gemeinwesenarbeit zu einem tendenziell vernachlässigten Bereich ihrer Arbeit gehöre oder (noch) nicht beziehungsweise wenig vorangetrieben werde, soll an dieser Stelle dargestellt werden, welche Möglichkeiten im Bereich der Gemeinwesenarbeit genutzt werden können und was im Sinne der Inklusion erreicht werden kann. Bezogen auf die Arbeit der KoKoBe stellen Aselmeier & Schwarte (2006) fest, dass im Hinblick auf die Gemeinwesenorientierung wichtig ist, eine "Sensibilisierung des Gemeinwesens gegenüber den Bedürfnissen von Menschen mit geistiger Behinderung zu befördern. Damit wird weitgehend konzeptionelles Neuland betreten" (S. 3). Dörner skizziert, wie dieser Schritt für eine gelingende Gemeinwesenarbeit bedeutsam ist (2006). Er schildert, wie eine Einrichtung aufgelöst wurde und welche Fehler im Hinblick auf die Integration der Menschen mit Behinderung in ihre Lebensumfelder von Seiten der Professionellen begangen wurden: "Hatten wir Profis unsere Beziehungsarbeit in der Institution allein bestritten, so hatten wir am Tag der Entlassung eben diese Beziehungsarbeit den Bürgern aufs Auge gedrückt, ohne sie vorher zu fragen, aufzuklären oder fortzubilden [...]" (S. 99). Passend dazu merkt Aselmeier (2008) an, dass das deutsche Hilfesystem der Behindertenarbeit "von einem umfassenden Aufbau eines gemeinwesenbasierten Unterstützungsnetzwerks [...] weit entfernt" (S. 182) ist. Da die Menschen mit Behinderung aufgrund der gegebenen institutionellen Strukturen von Ausgrenzung bedroht sind, fordert Niehoff von der professionellen Behindertenarbeit, eben an den Stellen, an denen eine Ausgrenzung droht, anzusetzen. Konkret nennt er die Gemeinden und Netzwerke, da sie seiner Meinung nach an Tragfähigkeit verlieren, wenn sie keine Unterstützung erfahren (Niehoff, 2004, S. 4). Die Unterstützung besteht aus Beratung, Supervision und Begleitung (a.a.O., S. 3). Der professionelle methodische Ansatz wird in der Literatur unter dem Begriff der Community Care geführt (vgl. Aselmeier, 2008; Theunissen. 2009, S. 385ff; Niehoff, 2004). Die Grundzüge dieses Modells -wobei keine klare Definition des Ansatzes existiert - werden folgendermaßen umrissen: Es soll eine sinnvolle Verknüpfung "an den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen ausgerichteten individuellen Hilfeplanung mit dem Ausbau eines lokalen ineinandergreifenden Systems ambulanter Hilfen" stattfinden (Aselmeier, 2008, S. 67), was auch dem Ansatz des Empowerment-Konzepts entspricht. Obwohl in Deutschland laut Aselmeier das Modell - wenn auch zögerlich -in die Behindertenarbeit Einzug gehalten hat, stellt er fest, dass es kaum diesen Rahmen verlässt (Aselmeier, 2008, S. 71). Eine detaillierte Darstellung des Modells im internationalen Vergleich zeigt Aselmeier (2008) auf. An dieser Stelle soll lediglich angemerkt werden, dass die Gemeinwesenarbeit in Bezug auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung eines dringenden Ausbaus bedarf und die untersuchten Beratungsformen aufgrund ihrer Struktur und ihres Auftrags (insbesondere die KoKoBe) hier eine zentrale Funktion einnehmen, das heißt die Implementierung des Modells entscheidend vorantreiben können.

Die hier aufgeführten Punkte stellen eine Auswahl an Perspektiven einer zeitgemäßen dem Empowerment-Konzept verpflichteten Behindertenarbeit dar. Weiter könnten an dieser Stelle noch auf der individuellen Ebene Aspekte wie Menschen mit Behinderung und Elternschaft oder Menschen mit Behinderung und Alter beleuchtet werden. Auf der institutionellen Ebene wäre die Darstellung weiterer alternativer Wohnformen interessant, dazu eine differenzierte Auseinandersetzung, in welchem Umfang das Empowerment-Konzept im Bereich des stationären Wohnens eingesetzt wird und welche Einschränkungen es dort erfährt.

9. Schlussbemerkung

Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet, inwiefern das Empowerment-Konzept in der ambulanten Behindertenarbeit zur Anwendung kommt, untersucht wurde sie anhand des Vergleichs zweier Beratungsformen. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass eine dem Empowerment-Konzept entsprechende Grundhaltung handlungsleitend ist. In diesem Bereich der Behindertenarbeit hat sich der Paradigmenwechsel vollzogen. Weiter dient dieser Bereich dazu, auf die anderen Teilsysteme des Behindertenbereichs einzuwirken. Dies zeigt sich daran, dass die Beratungsstellen mittlerweile auch die Anerkennung von Einrichtungsträgern genießen, sich also etabliert haben.

Betrachtet man die KoKoBe als Instrument einer Behindertenpolitik, welche sich einem personenzentrierten Ansatz verschrieben hat und im gleichen Zuge öffentliche Gelder einsparen will, so kann festgestellt werden, dass die KoKoBe diesen Doppelauftrag im Sinne des Menschen mit Behinderung ausführt. Diese Haltung spricht für ein inkludierendes Menschenbild, den Menschen mit Behinderung wird die Möglichkeit geboten, ein möglichst selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft zu führen.

Die ZsL nehmen innerhalb der Behindertenarbeit aufgrund der behinderungsbedingten Selbstbetroffenheit und (weitgehender) Professionalisierung eine bemerkenswerte Position ein. Darüber hinaus ist die Arbeit der ZsL bemerkenswert, da sie auch dank ihrer Unabhängigkeit von Trägern eine streitbare politische Haltung einnehmen, welche sich über die konsequente Forderung für die Rechte von Menschen mit Behinderung definiert eine Haltung, die bei vielen traditionellen Trägern der Behindertenhilfe weniger zu erkennen ist.

Beide Beratungsformen stehen für eine zeitgemäße und zukunftsweisende Behindertenarbeit und stellen einen Kontrast zu der nach wie vor stark institutionalisierten und als Folge daraus exkludierenden Behindertenarbeit dar. Anhand der von den Interviewpartner/innen beschriebenen Schwerpunkte und Entwicklungen lässt sich (vorsichtig) prognostizieren, dass der Trend zu Deinstitutionalisierung und Regionalisierung der Behindertenarbeit fortgesetzt wird. Nichts desto trotz ergeben sich viele Hindernisse auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Die Beratungsstellen blicken in eine relativ ungewisse Zukunft, wie die zeitliche Befristung der KoKoBe bis 2010 und die regelmäßigen unklaren Finanzierungslagen einiger ZsL nahelegen. Weiter ist zu beobachten, dass insbesondere im Bereich der stationären Behindertenarbeit das Empowerment-Konzept weniger angewandt wird, was zum Teil auch darin seine Ursache findet, dass insbesondere ältere Mitarbeiter/innen noch vehement eine der Fürsorge und Fremdbestimmung entsprechende berufliche Haltung einnehmen. Auf gesellschaftlicher Ebene sind ebenfalls Erschwernisse auszumachen. Zwar zeichnet sich eine zunehmende Öffnung für die Belange von Menschen mit Behinderung ab. Zugleich werden aber auch neue Aussonderungsmechanismen, etwa die Pränataldiagnostik oder eine bewusste Abkehr von Menschen mit Behinderung, beobachtet. Traurige Wahrheit ist, dass vielen Teilen der Gesellschaft der grundlegende Bezug zu Menschen mit Behinderung fehlt, was als Konsequenz der langen Institutionentradition anzusehen ist. Folglich ist nachvollziehbar, dass eine Gemeinwesenarbeit Hindernisse erfahren kann, da die Gesellschaft aufgrund fehlender Erfahrung Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung hat.

Auf politischer und gesetzlicher Ebene wird zwar das SGB IX als umfassendes Werkzeug zur Ermöglichung der Teilhabe gewertet, die Reaktionen der Betroffenen allerdings zeugen von Kritik. Ihrer Meinung nach herrscht oft Unwissenheit über die konkrete Gesetzeslage, was eine Verwehrung der Leistungen zur Folge hat. Zudem formulieren sie den Vorwurf, dass die Gesetzgebung nicht über Lippenbekenntnisse der Politik hinaus geht. Hoffnungen werden in die jüngst vorangebrachte Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung gesetzt. Zwar wird nicht davon ausgegangen, dass sich positive Veränderungen in absehbarer Zeit einstellen, langfristig wird die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe jedoch erwartet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Empowerment-Konzept für eine zukunftsweisende Behindertenarbeit steht. Dennoch gibt es viele Hindernisse in verschiedener Hinsicht, beispielsweise wurde in dieser Arbeit die Lage von Menschen mit erheblichen Beeinträchtigungen weniger berücksichtigt, und es besteht die Gefahr nach einer Exklusion dieser Menschen innerhalb der Behindertenarbeit. Diese Hindernisse abzubauen bedarf sicherlich noch einiger Zeit und erfordert eine engagierte, reflektierte und selbstkritische Soziale Arbeit.

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Sozialgesetzbuch (2008). Gesetze. § 3a verfügbar unter: http://www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/13/index.php?norm_ID=1300301 [09.06.2008]

§ 39 verfügbar unter: http://www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/13/index.php?norm_ID=1303900 [09.06.2008]

§ 13 verfügbar unter: http://www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/12/index.php?norm_ID=1201300 [09.06.2008]

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Wüllenweber, E. (2006b). Case Management - Konzept, Implementierung, Chancen. In E. Wüllenweber, G. Theunissen, H. Mühl (Hrsg.), Pädagogik bei geistigen Behinderungen (S.436-444). Stuttgart: Kohlhammer.

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Zentrum für selbstbestimmtes Leben Köln (2007). Sachbericht für das Jahr 2007. Zentrum für selbstbestimmtes Leben Köln. Verwendungsnachweis für die Stadt Köln.

Zentrum für selbstbestimmtes Leben Köln (2009a). Internetauftritt. Verfügbar unter: http://www.zsl-koeln.de [25.01.2009]

Zentrum für selbstbestimmtes Leben Köln (2009b). Zentrum für selbstbestimmtes Leben. Beratungsstelle für Behinderte von Behinderten. ZsL Köln. Flyer.

Anhang

Anhang 1: verwendete Gesetzestexte

Auszug aus dem Sozialgesetzbuch 9

(Bundesministerium der Justiz, verfügbar unter: http://bundesrecht.juris.de/sgb_9/index.html, Zugriff am 08.02.2009)

§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft

Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.

§ 2 Behinderung

(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

§ 17 Ausführung von Leistungen, Persönliches Budget

(1) Der zuständige Rehabilitationsträger kann Leistungen zur Teilhabe 1.allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern, 2.durch andere Leistungsträger oder 3.unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen oder privaten Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen (§ 19) ausführen. Er bleibt für die Ausführung der Leistungen verantwortlich. Satz 1 gilt insbesondere dann, wenn der Rehabilitationsträger die Leistung dadurch wirksamer oder wirtschaftlicher erbringen kann.

(2) Auf Antrag können Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt. Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. Budgetfähig sind auch die neben den Leistungen nach Satz 1 erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. An die Entscheidung ist der Antragsteller für die Dauer von sechs Monaten gebunden.

(3) Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. In begründeten Fällen sind Gutscheine auszugeben. Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten.

(4) Enthält das Persönliche Budget Leistungen mehrerer Leistungsträger, erlässt der nach § 14 zuständige der beteiligten Leistungsträger im Auftrag und im Namen der anderen beteiligten Leistungsträger den Verwaltungsakt und führt das weitere Verfahren durch. Ein anderer der beteiligten Leistungsträger kann mit den Aufgaben nach Satz 1 beauftragt werden, wenn die beteiligten Leistungsträger dies in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten vereinbaren; in diesem Fall gilt § 93 des Zehnten Buches entsprechend. Die für den handelnden Leistungsträger zuständige Widerspruchsstelle erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(5) § 17 Abs. 3 in der am 30. Juni 2004 geltenden Fassung findet auf Modellvorhaben zur Erprobung der Einführung Persönlicher Budgets weiter Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen haben.

(6) In der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2007 werden Persönliche Budgets erprobt. Dabei sollen insbesondere modellhaft Verfahren zur Bemessung von budgetfähigen Leistungen in Geld und die Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen unter wissenschaftlicher Begleitung und Auswertung erprobt werden.

Auszug aus dem Sozialgesetzbuch 12

(Bundesministerium der Justiz, verfügbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_12/index.html, Zugriff am 08.02.2009)

§ 13 Leistungen für Einrichtungen, Vorrang anderer Leistungen

(1) 1Die Leistungen können entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden. 2Vorrang haben ambulante Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationären Leistungen. 3Der Vorrang der ambulanten Leistung gilt nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. 4Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen. 5Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. 6Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen.

(2) Einrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen.

Auszug aus dem Bundessozialhilfegesetz

(Bundessozialhilfegesetz, verfügbar unter: http://www.sozialgesetzbuch-bundessozialhilfegesetz.de/_buch/bshg.htm, Zugriff am 08.02.2009)

BSHG § 3a Vorrang der offenen Hilfe

Die erforderliche Hilfe ist soweit wie möglich außerhalb von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen zu gewähren. Dies gilt nicht, wenn eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar und eine ambulante Hilfe mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.

BSHG § 39 Personenkreis und Aufgabe

(1) Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, ist Eingliederungshilfe zu gewähren, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung kann Eingliederungshilfe gewährt werden.

(2) Von einer Behinderung bedroht im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die Hilfe bei Krankheit und vorbeugende Hilfe nach § 37 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht.

(3) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(4) Für die Leistungen zur Teilhabe gelten die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sich aus diesem Gesetz und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraus Jähnert, D. (2005). Das persönliche Budget ist die größte Chance aller Zeiten die Autonomie von Menschen mit Behinderung auszuweiten, wenn ... . impulse Nr. 33, S. 32-33. Verfügbar unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-33-05-jaehnert-budget.html [11.12.2008]

setzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Gesetz.

(5) Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht nicht, wenn gegenüber einem Rehabilitationsträger nach § 6 Nr. 1 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ein Anspruch auf gleiche Leistungen besteht.

Auszug aus dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung

(abgestimmte Übersetzung zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und

der Schweiz)

(UN-Konvention, verfügbar unter: http://files.institut-fuer-

menschenrechte.de/437/UN_BK_Konvention_Internet-Version_FINAL.pdf, Zugriff am

23.12.2008)

Artikel 1

Zweck

Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.

Anhang 4: Übersicht Internettexte (CD)

  • Aselmeier, L. (2005). Die Koordinierungs-, Kontakt-, und Beratungsangebote in einem behindertenfreundlichen Gemeinwesen. Referat anlässlich des KoKoBe-Workshops am 12.12.2005 in Köln. Verfügbar unter: www.lvr.de/Soziales/service/referat_kokobegemeinwesen.doc [16.04.2008]

  • Aselmeier, L., & Schwarte, N. (2006). "Das Gemeinwesen mitdenken". Dokumentation des Workshops zu den Koordinierungs-, Kontakt-und Beratungsangeboten im Rheinland am 12. Dezember 2005. Verfügbar unter: http://www2.uni-siegen.de/~zpe/ih-nrw/Dokumente/Doku_KoKoBe-Workshop_2005.pdf [23.01.2009].

  • Bader, M. (2005). Erst Angebotsvielfalt eröffnet Wunsch-und Wahlrecht. Impulse Nr. 33, 17-20. Verfügbar unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-33-05-bader-wahlrecht.html [11.12.2008]

  • Daun, D. (2008). Fünf Jahre zum Wohle der Menschen mit Behinderung im Rheinland. Verfügbar unter: http://www.landschaftsverband-rheinland.de/app/Presse/Archiv.asp?NNr=3660 [11.12.2008]

  • Frevert, U. (2007). Das Persönliche Budget - Chancen und Gefahren. Impulse Nr. 41 + 42, 1 + 2/2007. S. 34-37. Verfügbar unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-41-07-frevert-budget.html [11.12.2008]

  • Jähnert, D. (2005). Das persönliche Budget ist die größte Chance aller Zeiten die Autonomie von Menschen mit Behinderung auszuweiten, wenn ... . impulse Nr. 33, S. 32-33. Verfügbar unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-33-05-jaehnert-budget.html [11.12.2008]

  • Jahncke-Latteck, Ä., Rösner, M. & Weber, P. (2007). Persönliches Budget: Chance für ein selbstbestimmtes Leben? Standpunkt: sozial 3/2007, S. 81-89. Verfügbar unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/roesner-budget.html [11.12.2008]

  • Koordinierungs-, Kontakt-und Beratungsangebote (2008). Koordinierungs-Kontakt-und Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen. Unveröffentlichte Powerpoint-Präsentation

  • Koordinierungs-, Kontakt-und Beratungsangebote (2009). KoKoBe Köln Südstadt. KoKoBe-Bericht. Unveröffentlichtes Dokument.

  • Landschaftsverband Rheinland (2008c). Ergebnisse der Bestandsaufnahme der Koordinierungs-Kontakt-und Beratungsangebote im Rheinland. Unveröffentlichtes Dokument

  • Landschaftsverband Rheinland (2008a). Richtlinien des Landschaftsverbandes Rheinland zur Förderung von Koordinierungs-, Kontakt-und Beratungsangeboten für Menschen mit geistiger Behinderung. Verfügbar unter: http://www.lvr.de/soziales/wohnen_freizeit_behinderung/kokobe/richtlinienkontakta ngebote.pdf [16.04.2008]

  • Landschaftsverband Rheinland (2008b). Übersicht der KoKoBe im Rheinland. Verfügbar unter http://lvr.de/soziales/wohnen_freizeit_behinderung/kokobe/kokobe.htm [15.04.08]

  • Niehoff, U. (2004). Gemeinwesenarbeit stärkt Teilhabe. Fachdienst der Lebenshilfe. Verfügbar unter: http://www.lebenshilfe.de/wDeutsch/aus_fachlicher_sicht/downloads/gemeinwesen arbeit.pdf [06.01.2009]

  • Rösch, M. (1995). Peer Counseling und Psychotherapie. Veröffentlicht in Die randschau - Zeitschrift für Behindertenpolitik, 2, 1995. Verfügbar unter: http://www.peer-counseling.org/ [10.12.2008]

  • Willutzki, U. (2005). Ressourcenorientierung in der Psychotherapie - Eine "Neue" Perspektive? Verfügbar unter: http://www.afp-info.de/Willutzki-U-2000-Ressourc.89.0.html [12.05.2008]

  • Zentrum für selbstbestimmtes Leben Köln (2007). Sachbericht für das Jahr 2007. Zentrum für selbstbestimmtes Leben Köln. Verwendungsnachweis für die Stadt Köln.

  • Schönwiese, V. (2003). Fachsymposium "Pflegevorsorge -gestern-heute-morgen". 25. Juni 03, Austria Center Vienna, veranstaltet vom BMSG (Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz). Konzeption: ÖKSA. Referat. Verfügbar unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/schoenwiese-wirklichkeit.html [25.01.2009]

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Anhang 2: Flyer KoKoBe Anhang 3: Flyer ZsL

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Anhang 5: Interviewleitfaden

Einleitung

Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen.

Ich heiße Katharina Contag und bin Studentin der Sozialpädagogik an der Fachhochschule Düsseldorf.

Mein Besuch hier bei Ihnen steht im Zusammenhang mit meiner Diplomarbeit an der Hochschule zum Thema "berufliches Selbstverständnis der sozialen Arbeit". Hierzu möchte ich gerne ein strukturiertes Interview mit Ihnen führen, um anhand Ihrer persönlichen Kenntnisse und Erfahrungen eine Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen zu können.

Im Mittelpunkt meines Interviews stehen drei Themen:

  • das Menschenbild, das die soziale Arbeit anleitet

  • der Einsatz neuerer Methoden in der sozialen Arbeit und

  • die Schwierigkeiten und Stolpersteine einer innovativen Sozialarbeit im Berufsalltag

Ich möchte dieses Interview gerne mittels eines Diktiergeräts aufzeichnen, sofern Sie nichts dagegen haben. Es würde mir hinterher die Auswertung des Gesprächs erleichtern.

Ich versichere Ihnen auch, dass die Angaben, die Sie machen, absolut vertraulich behandelt werden und Ihr Name in der Arbeit nicht genannt wird. Das Interview wird nach meiner Erfahrung ungefähr eine Stunde dauern, ich hoffe, Sie haben so viel Zeit für mich!

Noch ein Hinweis zur Interviewführung: es kann sein, dass Sie mit einer Antwort auf eine spätere Frage vorgreifen. Ich werde Sie dann bitten, diesen Gedanken noch ein wenig zurück zu stellen und Ihre Argumente im Hinterkopf zu behalten. Das ermöglicht mir eine bessere Auswertung des Gesprächs.

Schlüsselkonzept 1

Menschenbild

  1. Sie begegnen in Ihrer Arbeit oftmals Menschen, deren Lebenssituation in verschiedenen Bereichen durch vielfältige auch durch die Behinderung bedingte Problemlagen, Lebensbrüche und Verletzungen belastet sind. Die Behinderung an sich als Ursache für Lebensschwierigkeiten und Problemlagen ist im Regelfall ein Ausgangspunkt Ihres beruflichen Handelns und beeinflusst folglich auch konkret Ihre Arbeit.

1.1 Wie stellen sich die Probleme im Bereich der Partnerschaften dar?

1.2 Wie stellen sich die Probleme im Bereich Familie und Angehörige dar?

1.3 Wie stellen sich die Probleme im Bereich Sozialkontakte und Freizeit dar?

1.4 Wie stellen sich die Probleme im Bereich Bildung und Arbeit dar?

  1. Gesellschaftliche und institutionelle Ursachen der Problemlagen

2.1 Mit Blick auf biografische Verlaufsgeschichten Ihrer Klientinnen: Sind für Sie typische soziale Problemkarrieren aufgrund der Behinderung erkennbar?

2.2 Wo liegen nach Ihrer Einschätzung die Ursachen sozialer Benachteiligung der genannten Problemlagen?

2.3 Lassen sich diese Problemkarrieren im Bereich der Verselbständigung und ggf. den damit verbundenen Defiziten in institutioneller Begleitung festmachen?

2.4 Inwiefern können hier die Probleme im Zusammenhang mit einer Grundhaltung von Hilflosigkeit erklärt werden? Beispiele?

  1. Professionelle Unterstützung

3.1 Welche sozialarbeiterischen und weiteren sozialen Hilfen erfahren Ihre Klientinnen im Vorfeld Ihrer Tätigkeit?

3.2 Welche Erfahrungen haben Sie im Hinblick auf "typische" Zugangswege der Klientinnen zu Ihrer Einrichtung machen können?

Schlüsselkonzept 2:

Philosophie der Menschenstärken

  1. Bei allen Lebensbelastungen, die die Klientinnen mitbringen: in der neueren sozialen Arbeit ist zugleich auch von den Stärken und Ressourcen die Rede, über die die Klientinnen trotz aller Belastungen verfügen. Diese Ressourcen können Anknüpfungspunkte für die unterstützende Arbeit sein

Gibt es bei allen Problemen auch Stärken und Ressourcen, die Sie auf Seiten der Klienten erkennen? Bitte unterscheiden Sie:

1.2.1 personale Ressourcen (Talente, Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Begabungen)

1.2.2 soziale Ressourcen (Unterstützungsressourcen im sozialen Netzwerk: Partner, Verwandte, Freunde, soziale Dienste) (evtl. Nachfrage: an einem Beispiel verdeutlichen)

1.3 Nehmen Sie im Rahmen des Erst-Gesprächs bzw. in der Eingangsphase der Arbeit mit dem Klienten / der Klientin bereits Bezug auf diese Stärken und Ressourcen?

1.4 In welcher Weise geschieht dies? (Ressourcendiagnostik) In welcher Weise nehmen Sie dann auf diese Klientenstärken in der Praxis in Ihrem weiterführenden Hilfeprozess Bezug?

  1. Sozialarbeiterinnen treffen in ihrer Arbeit vielfach auf Menschen, die ganz eigensinnige und nicht-angepasste Lebensformen leben.

2.1 Wie begegnen Sie Handlungsweisen und Lebensformen ihrer Klientinnen, die Ihren persönlichen Überzeugungen manchmal so ganz widersprechen?

2.2 In welchen Situationen fällt es Ihnen schwer, diesen Eigen-Sinn Ihres Gegenübers zu akzeptieren?

2.3 Erkennen Sie in diesem Eigen-Sinn auch Kompetenzen, die Sie aufgreifen und die die Klienten für sich nutzen können?

  1. Es ist eine häufig wiederholende Erfahrung, dass Klienten, die ihrem Leben einen neuen Kurs geben wollen, vielfach eine lange Zeit brauchen und auch einige Umwege und Sackgassen gehen.

3.1 Wie gehen Sie persönlich mit diesen persönlichen Zielsetzungen und diesen eigenen Zeitvorstellungen Ihrer Klienten um?

3.2 Gibt es auch Situationen, in denen die jeweilige Behinderung eine Grenze darstellt?

3.2 Und: wo stoßen die persönlichen Zielsetzungen an Grenzen, die von Seiten der Institution / des Kostenträgers gesetzt werden?

  1. In der sozialen Arbeit mischen sich vielfach zwei unterschiedliche Orientierungen: zum einen der Blick zurück - die Aufarbeitung der Belastung der Vergangenheit; und zum anderen der Blick nach vorne - die Gestaltung von Lebensgegenwart und Zukunft.

4.1 Welche Bedeutung hat in Ihrer Praxis ‚die Arbeit an der Vergangenheit' der Klienten?

4.2 Und welche Bedeutung hat für Sie ‚die Arbeit am Hier und Jetzt und an der Lebenszukunft'?

4.3 Wie sind die Gewichte zwischen rückwärtsgerichteter und zukunftsorientierter Arbeit verteilt?

Schlüsselkonzept 3:

Methoden der psychosozialen Praxis

  1. Kommen wir jetzt zum Werkzeugkasten und zu den Methoden Ihrer pädagogischen Arbeit.

1.1 Beschreiben Sie bitte, in welcher Weise Sie in Ihrem Berufsalltag ressourcenorientierte Methoden einsetzen.

1.2 Ich habe hier eine (sicher nicht ganz vollständige) Liste von Methoden der sozialen Arbeit zusammengestellt. Greifen Sie in Ihrem Berufsalltag auf eine oder mehrere der hier aufgelisteten Methoden zurück, um ressourcenorientiert zu arbeiten? Wie sieht das konkret aus?

1.2.1 Fall -Management in der sozialen Einzelfallhilfe: die Vermittlung Koordination und Vernetzung von Alltagshilfen

1.2.2 Lebensberatung: persönliche Beratung, Bildung und Arbeit, Sozialrecht, Reha und sozialmedizinische Beratung

1.2.3 Peer-Counseling bzw. die Ermöglichung davon (Bereitstellung von Räumen)

1.2.4 Familien-Beratung, Angehörigen-Beratung

1.2.5 Aufsuchende Beratung

1.2.6 Netzwerkarbeit: z.B. Begleitung von Klientinnen bei Zugang zu Selbsthilfeinitiativen oder Freizeitangeboten

1.2.7 Freizeitangebote der KoKoBe

1.2.8 Vermittlungsarbeit: Überweisung an andere, ergänzende Einrichtungen im sozialen Netz

1.2.9 Gemeinwesenarbeit, Stadtteilarbeit

1.2.10 Öffentlichkeitsarbeit

1.3 Es mag sein, dass ich eine weitere Methode Ihrer (sozialen) Arbeit nicht aufgelistet habe. Greifen Sie auf weiteres methodisches Handwerkszeug zurück?

  1. Oft beklagt wird der Umstand, dass die soziale Arbeit den Erfolg ihrer Tätigkeit nur unzureichend dokumentiert und nach außen darstellt. Grund hierfür ist sicher die Schwierigkeit, Kriterien zu finden, an denen sich der Erfolg sozialer Arbeit bemessen lässt.

2.1 Wie würden Sie den "Erfolg" Ihrer Arbeit definieren? (Evaluation von "beruflichem Erfolg"?)

Nachfrage (wenn nicht schon beantwortet):

2.2 Erfolg im Hinblick auf Veränderungen des Lebens der Klienten in Bezug auf die Fragestellung der Beratung?

2.3 Im Hinblick auf die Beziehungsgestaltung zwischen Berater und Klient?

2.4 Im Hinblick auf die Ansprüche und Zielvorgaben der Institution (LVR und Träger)?

2.5 Im Hinblick auf die Gemeinwesenarbeit / Integration des Menschen mit Behinderung in das soziale Netz / Lebensumfeld?

Schlüsselkonzept 4

Stolpersteine und Konflikte

  1. Gibt es Situationen in der helfende Arbeit, in denen es Ihnen schwer fällt, eine akzeptierende Grundhaltung zu bewahren, in denen es Ihnen auch schwer fällt, an die Stärken der Klienten zu glauben?

  2. Wegen einer Grundhaltung der Hilflosigkeit kann der Prozess der Verselbständigung aus Perspektive des Menschen mit Behinderung als beängstigend erlebt werden.

2.1 Wie gehen Sie mit den daraus resultierenden Ängsten und Widerständen um?

2.2 Inwiefern beeinflussen Widerstände der Eltern/Angehörige, die sich womöglich aufgrund von Unsicherheiten erklären lassen, den Prozess und wie gehen Sie damit um?

  1. Es gibt immer wieder Krisensituationen, in denen ein "Eingreifen-Müssen" notwendig ist, um den Klienten selbst oder andere Personen zu schützen.

3.1 In welchen Situationen erachten Sie es für sinnvoll und notwendig, soziale Kontrolle auszuüben? Wie sieht diese Intervention konkret aus?

3.2 In welchem Rahmen ist es Ihnen möglich, diese Kontrolle auszuüben? (Freiwilligkeit des Angebots)

  1. Typische schwierige Situationen im Arbeitsalltag mit der Klientel

4.1 Gibt es in Ihrem Arbeitsalltag ‚typische' Situationen, in denen Ihre Arbeit den Klienten nicht erreicht, weil er/sie sich von Ihnen und Ihren Methoden abgrenzt und eigene Spielregeln verfolgt?

4.2 Gibt es auch gegenteilige Situationen, in denen Sie sich klar abgrenzen müssen, um den angestrebten Erfolg der Arbeit nicht zu gefährden?

4.3 In diesem Zusammenhang interessiert mich der Stellenwert der Beziehungsgestaltung zwischen dem Klienten und Ihnen. Welches Konfliktpotenzial bergen unterschiedliche Erwartungen an die Beziehungsgestaltung?

  1. Vielfach scheitert eine wünschenswerte soziale Arbeit an institutionellen Stolpersteinen.

5.1 Wie wirken sich eine zu hohe Fallbelastung und zu geringe Zeitkapazität aus?

5.2 Inwiefern kann das Fehlen einer unterstützenden Team-Kultur eine Belastung darstellen?

5.3 Inwiefern ist eine nicht zureichende Kooperation der Institutionen im Hilfenetz problematisch?

5.4 Inwiefern lassen sich Schwierigkeiten im Bereich der Gemeinwesenarbeit / Öffentlichkeitsarbeit ausmachen? (mangelndes Interesse, Kooperation)

5.5 In welcher Weise kann Peer-Counseling als Methode Ihrer Arbeit Schwierigkeiten in der Umsetzung erfahren? (finanzielle / personelle / räumliche Möglichkeiten)

5.6 Wie wirken sich vorgegebene Sparzwänge und Politik des Rotstifts auf Ihre Arbeit aus?

  1. Gesellschaft und Menschen mit Behinderung

6.1 Inwiefern sehen Sie Ihre Arbeit erschwert durch die gesamtgesellschaftliche Einstellung dem Menschen mit Behinderung gegenüber (derzeitiger Stand der Integration / Inklusion in die Gesellschaft)

6.2 Können Sie in diesem Zusammenhang eine Veränderung der Einstellung gegenüber dem Menschen mit Behinderung von Seiten der Gesellschaft erkennen?

Schlüsselkonzept 5

Funktion der KoKoBe / des ZsL innerhalb der Behindertenhilfe

  1. Qualität der Arbeit

a. Welche neue Qualität wird durch Ihre Arbeit hergestellt?

b. Was hat sich konkret verändert seit es Ihre Einrichtung gibt?

1.3 Inwiefern sehen Sie Ihre Arbeit als Qualitätsgewinn

1.3.1 für den Klienten

1.3.2 für die Behinderteneinrichtungen

1.3.3 für die Kostenträger

  1. Durch Ihre Arbeit haben sie das sog. doppelte Mandat. Einerseits die Vorgaben des Finanzierungsträgers, andererseits die Wünsche und Bedürfnisse der Klienten, die dazu im Widerspruch stehen können.

2.1 Wie sehen Sie sich in dieser Position?

2.2 Wie gehen Sie mit diesen Widersprüchen um?

  1. In der öffentlichen Meinung wird Ihre Einrichtung auch als Sparinstrument angesehen.

3.1 In welcher Hinsicht sehen Sie sich als Sparinstrument der kommunalen und regionalen Behindertenpolitik?

3.2 Was spricht Ihrer Meinung gegen die öffentliche Meinung bzw. inwiefern stellt sich Ihre Arbeit der Sparpolitik entgegen?

3.3 (KoKoBe-Frage) Zentrale Aufgabe der KoKoBe ist, die Maßgabe "ambulant vor stationär" umzusetzen. Sehen Sie diese Maßgabe als hinderlich in der Arbeit mit ihren Klienten?

  1. Ausblick

4.1 Wenn Sie in die Zukunft blicken, wo sehen Sie sich da? Welche Herausforderungen sehen Sie auf sich zukommen?

4.2 Welche neuen Schwerpunkte wollen Sie setzen?

4.3 Welche Entwicklungen sehen Sie auf sich zukommen?

Eidesstattliche Erklärung

Hiermit bestätige ich, dass ich meine Diplomarbeit zum Thema:

"Empowerment in der ambulanten Behindertenarbeit. Eine qualitativ-empirische Untersuchung von Beratungsformen für Menschen mit Behinderung"

selbstständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel, als die angegebenen benutzt habe. An Stellen, deren Ausführung anderer Autoren wörtlich oder sinngemäß entnommen sind, habe ich durch Angabe von Quellen als Zitat kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder in Teilen noch insgesamt einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.

Ich bin damit einverstanden, dass ein Exemplar meiner Diplomarbeit zur Einsicht ausgelegt wird.

Köln, den 10.02.2009

Quelle:

Katharina Contag: Empowerment in der ambulanten Behindertenarbeit. Eine qualitativ-empirische Untersuchung von Beratungsformen für Menschen mit Behinderung

Diplomarbeit vorgelegt bei Prof. Dr. Norbert Herriger und Prof. Dr. Heike Ehrig; vorgelegt von Katharina Contag an der Fachhochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, Studiengang Sozialpädagogik

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 19.08.2009

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